Einkommensteuer für Lohneinkünfte nach Insolvenz-Eröffnung keine Masseverbindlichkeit

Einkommensteuer für Lohneinkünfte nach Insolvenz-Eröffnung keine Masseverbindlichkeit

Rechtslage

Der pfändbare Teil des Arbeitseinkommens eines Insolvenzschuldners gelangt als Neuerwerb in die Insolvenzmasse. Die Höhe berechnet sich nach dem Nettolohn. War der Nettolohn während des laufenden Jahres zu hoch, weil zu wenig Lohnsteuer einbehalten wurden, ergibt sich im Rahmen der jährlichen Einkommensteuerveranlagung eine Nachzahlung. Da die Steuerverbindlichkeit nicht durch eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters begründet wird, ist diese keine Masseverbindlichkeit. Der Insolvenzschuldner hat die Verbindlichkeit damit grundsätzlich aus seinem insolvenzfreien Vermögen zu begleichen.

Sachverhalt

Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin und deren Ehemannes wurde im Jahr 2005 jeweils das vereinfachte Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger ist in beiden Verfahren Treuhänder. Die Eheleute wurden in den Jahren 2005 und 2006 erklärungsgemäß zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach beantragter Aufteilung der Steuerschuld erließ das beklagte Finanzamt für die Zeit nach Insolvenzeröffnung jeweils Einkommensteuerbescheide an den Kläger, wonach auf die Insolvenzschuldnerin Nachzahlungsbeträge entfielen. Die Bescheide enthielten den Hinweis, dass die Steuerfestsetzung als Masseverbindlichkeit einzuordnen sei. Hiergegen richtet sich die Klage.

Entscheidung

Das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof gaben dem Kläger Recht. Die Einkommensteuerschuld der Insolvenzschuldnerin ist keine Masseverbindlichkeit nach § 55 InsO. Hierzu müsste die Entstehung der Schuld auf eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters in Bezug auf die Insolvenzmasse zurückzuführen sein. Weder die Arbeitstätigkeit der Insolvenzschuldnerin als solche noch die Tatsache, dass ein Teil des Arbeitseinkommens als Neuerwerb in die Insolvenzmasse gelangt ist, begründen eine für die Schuld ursächliche Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters. Bei Ansprüchen des Insolvenzschuldners auf Arbeitslohn wird der Fiskus zwar gegenüber Neugläubigern privilegiert, indem die Lohnsteuer direkt vom Arbeitgeber abgeführt wird. Dies gilt aber nur für die laufende Lohnsteuer.

Konsequenz

Eine Einkommensteuernachzahlung kann sich bei Arbeitnehmer-Ehegatten insbesondere aus der fehlerhaften Wahl der Steuerklassen ergeben. Im Fall der Insolvenz bleibt die Steuerschuldnerschaft der Einkommensteuernachzahlung bei dem Schuldner, obgleich er den pfändbaren Teil des im Insolvenzverfahren bezogenen Arbeitslohns an den Insolvenzverwalter abzuführen hat. Insbesondere auf die Wahl der Steuerklassen sollte daher geachtet werden.

Steuerhinterziehung schon bei falscher Kilometer-Angabe?

Steuerhinterziehung schon bei falscher Kilometer-Angabe?

Kernaussage

Mit der Entfernungspauschale, im Volksmund Pendlerpauschale, werden im deutschen Einkommensteuerrecht die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte pauschaliert. Anstatt dessen können Steuerpflichtige aber auch die tatsächlich gefahrenen Kilometer angeben und so das zu versteuernde Einkommen mindern. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz nahm nun zu der Frage Stellung, welche steuerlichen Folgen aus überhöhten Entfernungsangaben gezogen werden können.

Sachverhalt

Die Klägerin erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. In der Anlage N zu ihrer Einkommensteuererklärung 1996 gab sie bei den Werbungskosten hinsichtlich der Wege zwischen Wohn- und Arbeitsstätte an, sie sei über einen weiteren Ort gefahren, die einfache – mit dem eigenen Pkw zurückgelegte – Entfernung habe sei 28 km betragen. In den Steuererklärungen der Jahre 1997-2005 gab die Klägerin jeweils diesen weiteren Ort als Arbeitsort an und als einfache Entfernung ebenfalls jeweils 28 km. Diesen Angaben folgte das beklagte Finanzamt. Bei der Bearbeitung der Steuererklärung für 2006 fiel auf, dass die einfache Entfernung zwischen dem Wohnort und dem angegebenen Arbeitsort nur 10 km betrug. Wegen Vorliegens einer Steuerhinterziehung und der demzufolge geltenden 10-jährigen Verjährungsfrist, erließ das Finanzamt geänderte Bescheide für die Jahre 1996-2005. Die hiergegen gerichtete Klage begründete die Klägerin damit, dass sie irrtümlich davon ausgegangen sei, die Entfernungskilometer hätten den tatsächlich gefahrenen Kilometern entsprochen. Ferner hätte dem Finanzamt der Widerspruch bei Erfüllung seiner Sachaufklärungspflicht auffallen müssen. Die Klage war nur hinsichtlich des Jahres 1996 erfolgreich.

Entscheidung

Nach Ansicht des Gerichts konnten nur für 1996 die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nicht angenommen werden, weil seitens der Klägerin ein Versehen vorgelegen haben könne. Für die übrigen Streitjahre wurde eine Steuerhinterziehung bejaht, denn der Arbeitsplatz habe sich ab 1997 in dem der Wohnung näher gelegenen weiteren Ort befunden. Gleichwohl habe die Klägerin aber, wie im Jahr zuvor, die weitere Fahrtstrecke angegeben. Sie müsse es daher auch unter Zugrundelegung einer laienhaften Bewertung für möglich gehalten haben, dass sie mit der Falschangabe einen höheren als den ihr zustehenden Werbungskostenabzug erreicht. Die neuen Tatsachen, d. h. die geringere Entfernung, seien erst nachträglich bekannt geworden, so dass es für das Finanzamt keinen Anlass gegeben habe, den klägerischen Angaben von Vorneherein zu misstrauen. Schließlich würden die Veranlagungsarbeiten von wechselnden Sachbearbeitern erledigt, die nicht immer über hinreichende Ortskenntnis verfügen könnten.

Konsequenz

Die Änderung eines Bescheids kann ausgeschlossen sein, wenn dem Finanzamt nachträglich bekannt gewordene Tatsachen bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wären. Allerdings muss der Steuerpflichtige hierzu die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten erfüllen. Das war im Streitfall nicht geschehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Ist die Bemessung der Grunderwerbsteuer (GrESt) nach Grundbesitzwerten verfassungsgemäß?

Ist die Bemessung der Grunderwerbsteuer (GrESt) nach Grundbesitzwerten verfassungsgemäß?

Rechtslage

Die Grunderwerbsteuer (GrESt) wird nach einem einheitlichen Steuersatz für sämtliche Erwerbsvorgänge erhoben. Im Regelfall bestimmt sich die Bemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) nach dem Wert der Gegenleistung. In den gesetzlich genannten Ausnahmefällen (§ 8 Abs. 2 GrEStG), zu denen u. a. die praktisch bedeutsamen Grundstücksübergänge aufgrund von Umwandlungen sowie Anteilsvereinigungen und -übertragungen gehören, bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach den Grundbesitzwerten. Diese werden nach dem Bewertungsgesetz (§§ 138 ff. BewG) gesondert ermittelt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Bewertungsvorschriften 2006 für die Erbschaft- und Schenkungsteuer für verfassungswidrig erklärt, weil sie zu zufälligen und willkürlichen Bewertungsergebnissen führten. Den verfassungswidrigen Zustand hat der Gesetzgeber ab 2007 für die Erbschaft- und Schenkungsteuer beseitigt und durch neue Bewertungsregeln ersetzt, hierauf aber für die Grunderwerbsteuer verzichtet. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil er auch von der Verfassungswidrigkeit des Ansatzes der nur noch für die Grunderwerbsteuer maßgeblichen Grundbesitzwerte als Ersatz-Bemessungsgrundlage überzeugt ist.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine US-amerikanische Gesellschaft, hatte alle Anteile an einer deutschen GmbH erworben, zu deren Vermögen in Deutschland gelegene Grundstücke gehörten. Für diese Anteilsübertragung wurde gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von rd. 513.000 EUR auf der Grundlage der für die Grundstücke der GmbH festgestellten Grundbesitzwerte festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Finanzgericht erfolglos. Das Revisionsverfahren setzte der BFH aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vor, ob die betreffende grunderwerbsteuerliche Norm mit dem im Grundgesetz verankerten Gleichheitssatz (Art. 3 GG) vereinbar ist.

Auffassung des Bundesfinanzhofs

Das Gericht hält die grunderwerbsteuerliche Bestimmung (§ 11 GrEStG) insofern für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz, als sie die Beteiligten an solchen Erwerbsvorgängen, für die die (Ersatz-)Steuerbemessungsgrundlage nach dem Bewertungsgesetz zu ermitteln ist, mit einheitlichen Steuersätzen belastet. Nach Ansicht des BFH ist die weitere Anwendung der Vorschriften des Bewertungsgesetzes für die Grunderwerbsteuer verfassungswidrig, weil sie aufgrund des einheitlichen Steuersatzes der Grunderwerbsteuer zu willkürlichen und zufälligen Besteuerungsergebnissen führen und deshalb mit dem Gleichheitssatz unvereinbar seien. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bleibt nun abzuwarten.

Zurechnung von Kinderbetreuungskosten bei Unverheirateten

Zurechnung von Kinderbetreuungskosten bei Unverheirateten

Kernaussage

Steuerpflichtige, die Einkünfte erzielen, können 2/3 der wegen ihrer Erwerbstätigkeit anfallenden Aufwendungen für Dienstleistungen zur Betreuung eines zu ihrem Haushalt gehörenden und noch nicht 14 Jahre alten Kindes wie Betriebsausgaben/Werbungskosten abziehen, sofern die Voraussetzungen (Vorlage Rechnung und Zahlungsnachweis) dafür erfüllt sind. Ausgaben, die Dritte geleistet haben (sog. Drittaufwand) können grundsätzlich nur beim Dritten berücksichtigt werden. Lediglich in Fällen der sog. Abkürzung des Zahlungsweges tilgt der Dritte im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld, so dass die Zahlungen dem Steuerpflichtigen zugerechnet werden können.

Sachverhalt

Der nichtselbstständig tätige Kläger lebt mit seiner ebenfalls nichtselbstständig tätigen Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind in einem Haushalt zusammen. Beide tragen zu den Aufwendungen des Haushalts bei. Das gemeinsame Kind wurde in einer Kindertagesstätte betreut. Die Lebensgefährtin hatte den Betreuungsvertrag mit der Kindertagesstätte unterschrieben und das Entgelt von ihrem Konto gezahlt. Das Finanzamt lehnte es ab, 2/3 dieser Betreuungskosten als erwerbsbedingte Kinderbetreuungskosten des Klägers wie Werbungskosten zu berücksichtigen, weil die Betreuungskosten nicht vom Kläger, sondern von der Mutter getragen worden seien. Die hiergegen gerichtet Klage hatte vor dem Finanzgericht Erfolg. Die Richter entschieden, dass die Eltern über die Aufteilung der Aufwendungen entscheiden können. Das Urteil hatte jedoch keinen Bestand, der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab.

Entscheidung

Nach Ansicht des BFH hat der Kläger selbst keine Kinderbetreuungskosten getragen. Die Zahlung vom Konto der Lebensgefährtin kann ihm weder vollständig noch anteilig zugerechnet werden. Denn die Lebensgefährtin hat die Zahlung allein auf ihre eigene Verbindlichkeit geleistet: nur sie hatte den Vertrag mit der Kindertagesstätte unterzeichnet. Somit scheidet auch der sog. Drittaufwand als Möglichkeit einer Zurechnung beim Kläger aus.

Konsequenz

Sofern beabsichtigt ist, dass sich die Eltern die Kinderbetreuungskosten teilen, sollte die Vereinbarung mit der Kindertagesstätte von beiden Eltern abgeschlossen werden, damit Kinderbetreuungskosten beiden Eltern zugerechnet werden können. Ob im vorliegenden die von einem Gemeinschaftskonto gezahlten Entgelte teilweise dem Kläger zuzurechnen wären, obwohl nur die Lebensgefährtin der Kindertagesstätte zivilrechtlich verpflichtet war, ist nicht geklärt. Dies ist wohl eher zu verneinen, da es wohl in erster Linie auf die Zurechnung der Verpflichtung ankommt.

Strafverteidigerkosten als Werbungskosten abziehbar?

Strafverteidigerkosten als Werbungskosten abziehbar?

Kernproblem

Nach der Legaldefinition sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Wird man dem Vorwurf einer Steuerhinterziehung ausgesetzt und fallen für eine Gegenwehr Strafverteidigungskosten an, dann sollte nach der o. g. Definition angenommen werden, dass die Voraussetzung zum steuerlichen Abzug vorliegt. Das gilt erst recht, wenn das Verfahren eingestellt wird. Man muss jedoch „um die Ecke denken“.

Sachverhalt

Ein niederländischer Pilot einer deutschen Fluggesellschaft erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Pilot gab an, in Deutschland weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt innezuhaben und beantragte bei dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt Bescheinigungen für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, die er auch erhielt. Hiernach richtete sich der Arbeitgeber und unterwarf nur die Inlandsbestandteile des Arbeitslohns dem Lohnsteuerabzug. Die Finanzverwaltung vermutete einen deutschen Wohnsitz und leitete ein Steuerstrafverfahren ein. Nachdem der Pilot die ordnungsgemäße Versteuerung seines Arbeitslohnes in den Niederlanden nachgewiesen hatte, wurde das Verfahren eingestellt. Das an seinen Rechtsanwalt gezahlte Honorar wollte er im Jahr der Zahlung im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung zur beschränkten Steuerpflicht als Werbungskosten geltend machen. Das Finanzamt lehnte ab, obwohl der Pilot, um seine Zulassung nicht zu verlieren, auch aus arbeitsrechtlichen Gründen Konsequenzen vorbeugen musste.

Entscheidung

Nach Auffassung der Richter des Finanzgerichts (FG) Hamburg können Strafverteidigungskosten zwar durchaus Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit sein. Voraussetzung sei aber, dass der Tatvorwurf in einem ausschließlichen und unmittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehe. Eine nur bei Gelegenheit der Berufsausübung begangene Tat reiche für den erforderlichen Veranlassungszusammenhang nicht aus. Folglich habe die vorgeworfene Tat der Steuerhinterziehung keinen unmittelbaren Bezug zu der Berufstätigkeit als Pilot, sondern beträfe den Privatbereich. Auch die in den Ring geworfene arbeitsrechtliche Problematik vermochte die Richter nicht umzustimmen. Denn das „auslösende Moment“ der Aufwendungen bliebe die vorgeworfene Steuerhinterziehung als Privattat.

Konsequenz

Das Urteil ist rechtskräftig und liegt auf einer Linie mit einer Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2007 (Vorwurf der Untreue eines Geschäftsführers). Damals wurde auch ein Abzug außergewöhnlicher Belastungen verneint.

Erststudium-Kosten sind keine Werbungskosten, außer …

Erststudium-Kosten sind keine Werbungskosten, außer …

Kernproblem

Die Behandlung der Kosten eines Erststudiums beschäftigt seit geraumer Zeit die Gerichte. Nach einer Entscheidung im Jahr 2002 unterscheidet der Bundesfinanzhof (BFH) nicht mehr zwischen Aus- und Fortbildung, sondern stellt auf den Veranlassungszusammenhang ab. So konnten bis zum Jahr 2003 auch Kosten des Erststudiums als Werbungskosten abzugsfähig sein oder Verluste als Verlustvorträge festgestellt werden. Mit einer Änderung des EStG hat der Gesetzgeber dann dafür gesorgt, dass Kosten des Erststudiums als „nicht abzugsfähige Ausgaben“ eingestuft wurden, deren Förderung als Sonderausgaben auf 4.000 EUR eingeschränkt ist (damit auch Wegfall eines Verlustausgleichs für negative „Einkünfte“). Etwas anderes gilt nach dem Gesetz nur für die im Zusammenhang mit einem Ausbildungs-Dienstverhältnis anfallenden Aufwendungen (z. B. Beamten-Anwärter, Referendare), die weiterhin unbeschränkt als Werbungskosten abzugsfähig sind. Zu der Streitfrage ergehen immer noch Entscheidungen der Finanzgerichte; auch beim BFH sind mehrere Verfahren anhängig.

Weitere Entscheidung des FG Münster

Auch hier ging es um die Kosten für ein nach dem Abitur aufgenommenes Erststudium an einer Fachhochschule für BWL. Während des Studiums erhielt die Studentin zwar eine geringe Vergütung für Pflichtpraktika. Dies vermochte das FG Münster aber nicht als Dienstverhältnis anzusehen. Ferner sei die einen Abzug begünstigende Rechtsprechung des BFH für Kosten im Zusammenhang mit einem Studium nach abgeschlossener Berufsausbildung auf das nach dem Abitur aufgenommene Erststudium nicht übertragbar. Auch einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz konnte das FG Münster nicht erkennen, denn der Gesetzgeber habe sich innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums bewegt.

Konsequenz

Nicht nur für diese Entscheidung wurde die Revision zugelassen, sondern in gleicher Streitfrage sind solche schon längst beim BFH anhängig. Hierauf sollte man sich in gleichgelagerten Fällen berufen und das Verfahren zum Ruhen bringen. Bei der noch offenen Streitfrage des Erststudiums nach der Schule geht es insbesondere um die zu prüfende Ungleichbehandlung mit den Fällen, für die der BFH den Abzug zulässt. Das betrifft Studenten mit vorangegangener abgeschlossener Berufsausbildung (entschieden wurden z. B. nachher Studium/ vorher Ausbildung: Lehramt/Buchhändlerin oder Tourismusmanagement/ Hotelfachfrau oder Betriebswirt/ Bürokaufmann oder Hotelmanagement/ Koch).

Keine private Nutzung von Firmenkredit- und -tankkarten

Keine private Nutzung von Firmenkredit- und -tankkarten

Rechtslage

Im Rahmen der privaten Nutzung von dienstlichen Telekommunikationseinrichtungen gilt der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer zu deren privater Nutzung (jedenfalls in angemessenem Umfang) berechtigt ist, wenn die private Nutzung nicht ausdrücklich untersagt ist und die Nutzung nicht zu Lasten der Arbeitszeit erfolgt. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte nun darüber zu entscheiden, ob der Grundsatz der zulässigen privaten Nutzung bei nicht ausdrücklichem Verbot auch für betriebliche Kredit- und Tankkarten gilt.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit eine Vollmacht für das Firmenkonto erteilt und eine Kreditkarte sowie eine Tankkarte überlassen. Über das Arbeitgeberkonto kaufte der Kläger privat genutzte Gegenstände ein. Außerdem erwarb er hierüber ein privates Flugticket. Mit der Tankkarte betankte er Fahrzeuge mit 5 verschiedenen Kraftstoffarten im Wert von mehr als 2.000 EUR. Als dies beim Arbeitgeber auffiel, stellte er die Lohnzahlungen ein. Im Anschluss wurde das Arbeitsverhältnis beendet und die getätigten Privatausgaben verrechnet. Gegen diese Verrechnung wehrte sich der Arbeitnehmer mit der Behauptung, er habe über die Konten frei verfügen können, unterlag jedoch vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Der Arbeitgeber durfte die Lohnansprüche des Arbeitnehmers mit Schadensersatzansprüchen wegen missbräuchlicher Verwendung der Kredit- und Tankkarten verrechnen. Die einem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellten Bank- und/oder Tankkarten sind regelmäßig auf den dienstlichen Einsatz beschränkt, auch wenn nichts Weiteres besprochen worden ist. Sollte der private Einsatz ausnahmsweise erlaubt gewesen sein, ist der Arbeitnehmer beweispflichtig.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend. Insbesondere kann es nicht Aufgabe des Arbeitgebers sein, darzulegen, dass die private Nutzung von Tank- und/oder Kreditkarten ausdrücklich untersagt worden ist. Im Ergebnis liegt das Verhalten des Arbeitnehmers zumindest an der Grenze zu einer strafbaren Handlung.

Freigrenze von 110,00 EUR bei Firmenjubiläum

Der 16. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf hat in drei Entscheidungen die Auffassung vertreten, dass die Freigrenze für Betriebsveranstaltungen von 110,00 EUR je Arbeitnehmer überschritten gewesen sei und die Zuwendungen des Arbeitgebers der (pauschalen) Lohnsteuer unterlägen. Es handelte sich um eine Betriebsveranstaltung anlässlich eines Firmenjubiläums einer Aktiengesellschaft. An dieser nahmen Arbeitnehmer der AG sowie der Tochtergesellschaften teil. In der Folge kam es anlässlich einer Lohnsteuer-Außenprüfung zu einem Streit darüber, ob die Freigrenze von 110,00 EUR überschritten gewesen sei. Der 16. Senat ging davon aus, dass die Freigrenze ungeachtet des besonderen Anlasses der Betriebsveranstaltung (Geschäftsjubiläum) und der Größe sowie der Bedeutung der Firmengruppe maßgebend sei. In die Berechnung der Freigrenze einzubeziehen seien die Kosten des Programms, des äußeren Rahmens der Veranstaltung und auch die Reisekosten.

Die vollständigen Entscheidungstexte können in neutralisierter Form unter den folgenden Links in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE abgerufen werden:

Urteil 1

Urteil 2

Urteil 3

Weiterhin keine Familienversicherung für Besserverdienende (BVerfG)

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT – 1 BvR 429/11 –

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde

1. der Frau M…,
2. der Frau M…,
3. der Minderjährigen M…,
vertreten durch die Eltern M…,
4. der Minderjährigen M…,
vertreten durch die Eltern M…,
5. des Minderjährigen M…,
vertreten durch die Eltern M…,
– Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Ropohl & Partner,
Roscherstraße 13, 30161 Hannover –
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 6. Januar 2011 – B 12 KR 50/10 B -,
b) das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Mai 2010 – L 1 KR 420/09 -,
c) das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. Oktober 2009 – S 10 KR 317/07 -,
2. mittelbar gegen
§ 10 Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V –

hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Kirchhof,
den Richter Schluckebier
und die Richterin Baer

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 14. Juni 2011 einstimmig beschlossen:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe:

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.

I.
2

Die Beschwerdeführerin zu 1) ist in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Sie ist mit einem selbständigen Rechtsanwalt, der privat krankenversichert ist, verheiratet. Die vier gemeinsamen Kinder, die Beschwerdeführer zu 2) bis 5), sind ebenso wie der Vater privat krankenversichert.

3

Die Beschwerdeführer begehrten die Feststellung, dass die Beschwerdeführer zu 2) bis 5) im Wege der Familienversicherung nach § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch – SGB V – (und damit nach § 3 Satz 3 SGB V beitragsfrei) in der gesetzlichen Krankenversicherung über ihre Mutter mitversichert seien. Die Krankenkasse lehnte dies mit Bescheiden vom Juni 2007 ab. Das Begehren hatte auch im Widerspruchs- und im sozialgerichtlichen Klageverfahren keinen Erfolg.

4

Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG sowie von Art. 6 Abs. 1 GG.

II.
5

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

6

1. Entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführer hat sich an der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ob § 10 Abs. 3 SGB V gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit er Ehen und eheähnliche Lebensgemeinschaften in Bezug auf den Ausschluss von Kindern aus der Familienversicherung unterschiedlich, nämlich Ehen schlechter behandelt (vgl. hierzu BVerfGE 107, 205), durch das am 1. April 2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG -) vom 26. März 2007 nichts geändert.

7

Bei § 10 Abs. 3 SGB V handelt es sich um einen Ausschlusstatbestand von der familienpolitischen Leistung der beitragsfreien Familienversicherung von Kindern bis zu den in § 10 Abs. 2 SGB V geregelten Altersgrenzen (vgl. BVerfGE 123, 186 <229>). Die Regelung stellt, soweit ihre Voraussetzungen erfüllt sind, Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit dem anderen Elternteil der gemeinsamen Kinder verheiratet sind, durch Ausschluss der Kinder von der Familienversicherung bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 SGB V schlechter als unverheiratete Mitglieder, bei denen ein solcher Ausschluss nicht erfolgt. Übersteigt in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft das Gesamteinkommen des Elternteils, das nicht Mitglied der Krankenkasse ist, die Einkommensgrenze des § 10 Abs. 3 SGB V, so steht dies – im Unterschied zu verheirateten Eltern – einer Mitversicherung des Kindes beim gesetzlich versicherten Elternteil nicht entgegen (vgl. BVerfGE 107, 205, <214, 216>).

8

Nach Auffassung der Beschwerdeführer verstößt die in § 10 Abs. 3 SGB V geregelte Differenzierung zwischen den in der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten Krankenversicherung versicherten Kindern gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, weil sich aus der Gesetzesbegründung des GKV-WSG ergebe, dass die Mittel des Bundes zur anteiligen Finanzierung der nach § 10 SGB V beitragsfreien Mitversicherung von Kindern verwandt werden sollten. Der Bundeszuschuss decke die Kosten der Familienversicherung nunmehr fast vollständig ab.

9

§ 221 Abs. 1 und 2 SGB V in der Fassung des GKV-WSG, gültig vom 1. April 2007 bis 30. Juni 2008, lautet:

10

Beteiligung des Bundes an Aufwendungen

11

(1) Der Bund leistet zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen für das Jahr 2007 und das Jahr 2008 jeweils 2,5 Milliarden Euro in halbjährlich zum 1. Mai und zum 1. November zu überweisenden Teilbeträgen über das Bundesversicherungsamt an die Krankenkassen. Die Leistungen des Bundes erhöhen sich in den Folgejahren um jährlich 1,5 Milliarden Euro bis zu einer jährlichen Gesamtsumme von 14 Milliarden Euro. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bestimmen gemeinsam und einheitlich eine Krankenkasse oder einen Verband als zentrale Stelle für die Abrechnung mit dem Bundesversicherungsamt. Das Bundesversicherungsamt zahlt die Beteiligung des Bundes an die zentrale Stelle zur Weiterleitung an die berechtigten Krankenkassen. Ab dem Jahr 2009 erfolgen die Leistungen des Bundes in monatlich zum ersten Bankarbeitstag zu überweisenden Teilbeträgen an den Gesundheitsfonds.

12

(2) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die Verteilung nach Absatz 1 zu bestimmen. Maßstab für die Verteilung sind die Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen.

13

Durch § 221 Abs. 1 SGB V wird der Bund verpflichtet, den gesetzlichen Krankenkassen als Abgeltung für versicherungsfremde Leistungen die im Gesetz genannten Geldleistungen zur Verfügung zu stellen. Eine Verwendung des Geldes für spezielle Personengruppen oder besondere Zwecke sieht das Gesetz nicht vor; es fließt in den allgemeinen Haushalt der Krankenkassen. Die Geldleistungen des Bundes führen deshalb – ungeachtet einer Gesetzesbegründung, die von „dem Einstieg in eine teilweise Finanzierung von gesamtgesellschaftlichen Aufgaben (beitragsfreie Mitversicherung von Kindern) aus dem Bundeshaushalt“ spricht (vgl. BTDrucks 16/3100, S. 212), im Ergebnis zu einer alle Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen gleichmäßig begünstigenden Ermäßigung der Beitragssätze (§§ 241 ff. SGB V; vgl. BVerfGE 123, 186 <229>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2010 – 1 BvR 810/08 -, juris). Es trifft also nicht zu, dass der Bundeszuschuss gezielt zur Finanzierung der Familienversicherung verwendet würde. Richtig ist nur, dass über der Jahresarbeitsentgeltgrenze verdienende Personen wie der Ehemann der Beschwerdeführerin zu 1) als Steuerzahler zur Finanzierung dieses Bundeszuschusses beitragen, obwohl sie als Privatversicherte selbst keine Vorteile aus der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Aus dem eigenen Steuerbeitrag folgt aber grundsätzlich kein Anspruch auf Teilhabe an vom Gesetzgeber gewährten familienpolitischen Leistungen wie der Familienversicherung der Kinder nach § 10 SGB V.

14

2. Eine Änderung der Rechtslage gegenüber der Senatsentscheidung vom 12. Februar 2003 (vgl. BVerfGE 107, 205) ergibt sich auch nicht aus der von den Beschwerdeführern herangezogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen der Kinder (vgl. BVerfGE 120, 125). Dort wird festgestellt, dass es dem Gesetzgeber verwehrt sei, die von ihm durch das sozialhilferechtlich garantierte Versorgungsniveau selbst statuierte Sachgesetzlichkeit dadurch zu durchbrechen, dass er bei der Berücksichtigung entsprechender Versicherungsbeiträge der Steuerpflichtigen Grenzen ziehe, die durch vernünftige Typisierungserwägungen nicht mehr zu begründen seien. Dabei sei zu beachten, dass typisierende Regelungen im Bereich des Existenzminimums in möglichst allen Fällen den entsprechenden Bedarf abdeckten (vgl. BVerfGE 82, 60 <91>; 87, 153 <172>). Diese Grenzen seien hinsichtlich der Beiträge zur privaten Krankenversicherung der Kinder offensichtlich überschritten, wenn unter Berufung auf die Beitragsfreiheit von ca. 90 % aller Kinder aufgrund der Familienversicherung nach § 10 SGB V alle privat krankenversicherten Kinder vollständig „hinwegtypisiert“ werden (vgl. BVerfGE 120, 125 <166>).

15

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verlangt daher die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge für die ca. 10 % privat versicherten Kinder, trifft aber keine Aussage dazu, ob Kinder auch dann im System der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei versichert werden müssen, wenn ein Elternteil mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, der das Einkommen des pflichtversicherten Ehegatten überschreitet, nicht pflichtversichert ist. Im Gegenteil setzt die Entscheidung gerade voraus, dass es Kinder gibt, die privat und damit für die Eltern nicht beitragsfrei versichert sind.

16

3. Das Bundesverfassungsgericht hält an seiner Rechtsprechung fest, dass verheiratete Elternteile durch Ausschluss der Kinder von der Familienversicherung bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 SGB V gegenüber unverheirateten Elternteilen zwar schlechter gestellt werden, diese Ungleichbehandlung aber nicht gegen Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG verstößt.

17

Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Ungleichbehandlung von Ehen und eheähnlichen Lebensgemeinschaften durch die Regelung des § 10 Abs. 3 SGB V ist Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 67, 186 <195>). Es geht um die Frage einer Benachteiligung der Ehe gegenüber eheähnlichen Lebensgemeinschaften im Hinblick auf die Familienversicherung der Kinder in der gesetzlichen Krankenversicherung, für deren Leistungen die Versichertengemeinschaft aufzukommen hat. Bei dieser Gleichheitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 Abs. 1 GG der Freiheit des Gesetzgebers, welche Sachverhalte er gleich und welche er ungleich behandelt, Grenzen setzt (vgl. BVerfGE 103, 242 <258>). Es ist dem Gesetzgeber untersagt, die Ehe gegenüber anderen Lebensgemeinschaften zu diskriminieren (vgl. BVerfGE 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>), insbesondere Verheiratete gegenüber Nichtverheirateten bei der Gewährung rechtlicher Vorteile zu benachteiligen (vgl. BVerfGE 67, 186 <195 f.>; 75, 382 <393>). Eine punktuelle gesetzliche Benachteiligung ist allerdings hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Ausgleich familiärer Belastungen abzielt, dabei Eheleute teilweise begünstigt und teilweise benachteiligt, die gesetzliche Regelung im Ganzen betrachtet aber keine Schlechterstellung von Eheleuten bewirkt (vgl. BVerfGE 107, 205 <215 f.>).

18

Die Kammer lässt es dahin gestellt, ob die Überlegungen des Senats zur unterhaltsrechtlichen Situation eheähnlicher Familien eine Schlechterstellung der Kinder verheirateter Eltern noch in gleicher Weise tragen, nachdem der Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1615l BGB für den Elternteil eines nichtehelich geborenen Kindes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2007 (vgl. BVerfGE 118, 45) dem Anspruch nach § 1570 BGB für den geschiedenen Ehegatten angepasst wurde.

19

Die Ungleichbehandlung von Ehen mit Kind und eheähnlichen Gemeinschaften mit Kind in § 10 Abs. 3 SGB V findet ihre Rechtfertigung jedenfalls weiterhin in der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich befugt, generalisierende, typisierende und pauschalierende und auch pauschaliert quantifizierende Regelungen zu treffen (stRspr; vgl. BVerfGE 99, 280 <290>; 100, 138 <174>; 103, 392 <397>; 105, 73 <127>; 113, 167 <236>).

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Eine Ausschlussregelung in § 10 Abs. 3 SGB V, die auch dann greift, wenn in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ein Partner nicht gesetzlich versichert ist, mehr verdient als der gesetzlich versicherte Partner und ein Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze erzielt, wäre für die Krankenkasse nicht handhabbar.

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Zwar knüpft das Sozialrecht in Einzelfällen durchaus Folgen an das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft an. Während es aber in der Regelung im Opferentschädigungsgesetz, die Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. November 2004 (BVerfGE 112, 50) war, um den Einzelfall ging, dass der eine Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft an den Schädigungsfolgen einer Gewalttat verstorben ist und der andere unter Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit die Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ausübt, ist der Familienversicherungstatbestand des § 10 SGB V ein Problem der Massenverwaltung. Kinder sind bis zu 25 Jahre familienversichert. Wollte man die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 3 SGB V jedoch auch beim Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft greifen lassen, hätte das einen langen Beobachtungszeitraum für die Verwaltung zur Folge. Da die eheähnliche Lebensgemeinschaft ohne formale Hürden und Dokumentation jederzeit aufgelöst werden kann, würde es eine für die Krankenkassen faktisch nicht zu leistende Aufgabe darstellen, kontinuierlich zu prüfen, ob eine solche Lebensgemeinschaft besteht, immer noch besteht oder wieder besteht. Das Versicherungsrecht des SGB V, in das die Familienleistung der beitragsfreien Versicherung der Kinder integriert ist, ist darauf angewiesen, dass die Versicherungstatbestände und die Ausschlusstatbestände klar rechtlich definiert sind. Die Ehe ist ein solcher rechtlich klar definierter und leicht nachweisbarer Tatbestand, das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft ist es nicht. Die Krankenkassen wären überfordert, müssten sie Ermittlungen zum Verfestigungsgrad tatsächlich bestehender, wie auch immer rechtlich zu fassender eheähnlicher Lebensgemeinschaften anstellen.

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4. Eine punktuelle gesetzliche Benachteiligung, wie sie verheiratete Elternteile durch Ausschluss der Kinder von der Familienversicherung bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 SGB V gegenüber unverheirateten Elternteilen trifft, ist hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf den Ausgleich familiärer Belastungen abzielt, dabei Eheleute teilweise begünstigt und teilweise benachteiligt, die gesetzliche Regelung im Ganzen betrachtet aber keine Schlechterstellung von Eheleuten bewirkt (vgl. BVerfGE 107, 205 <215 f.>).

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Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2003 ausdrücklich festgestellt, dass durch die unterschiedliche Behandlung bei einer Gesamtbetrachtung Eheleute nicht schlechter gestellt seien (vgl. BVerfGE 107, 205 <216>). So sähen die Regelungen über die Familienversicherung in § 10 SGB V rechtliche Vorteile vor, die nur zur Geltung kämen, wenn eine Ehe vorliege. So könne nach § 10 Abs. 1 SGB V der Ehepartner, der Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sei, dem anderen Ehepartner, der nicht selbst Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sei, beitragsfreien Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung vermitteln. Eine solche Möglichkeit sei Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht eröffnet.

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Zwar kommt der Vorteil der beitragsfreien Mitversicherung des Ehegatten nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V den oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze gutverdienenden Ehegatten nie zugute. Die beitragsfreie Mitversicherung des Ehegatten ist nach dieser Bestimmung sogar schon ausgeschlossen, wenn dieser ein Siebtel der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV verdient. Die über den Ausschluss der beitragsfreien Mitversicherung der Kinder nach § 10 Abs. 3 SGB V schlechter gestellte Gruppe (Ehegatten mit einem Einkommen oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze) kommt somit niemals selbst in den Genuss der beitragsfreien Mitversicherung. Sie gehört zu der Gruppe grundsätzlich von der beitragsfreien Mitversicherung ausgeschlossener Ehegatten mit einem Gesamteinkommen oberhalb der Grenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V. Ein Ausgleich der Schlechterstellung hinsichtlich der Kinderversicherung findet für die von § 10 Abs. 3 SGB V erfasste Gruppe somit nicht im Krankenversicherungsrecht statt. Jedoch wird der Ausschluss der Familienversicherung der Kinder nach § 10 Abs. 3 SGB V über die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen der Kinder jedenfalls teilweise ausgeglichen (vgl. BVerfGE 120, 125 <142>). Diese Kompensation genügt, um die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.

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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Abgrenzung selbstständiger von nichtselbstständiger Tätigkeit eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers

Abgrenzung selbstständiger von nichtselbstständiger Tätigkeit eines GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers

Kernfrage

Die Frage, ob ein Steuerpflichtiger eine Tätigkeit selbstständig oder nichtselbstständig ausübt, ist anhand einer Vielzahl in Betracht kommender Merkmale nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Für eine nichtselbstständige Tätigkeit können insbesondere persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit, feste Arbeitszeiten und Bezüge, Anspruch auf Urlaub und auf sonstige Sozialleistungen, Überstundenvergütung sowie Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall und Eingliederung in den Betrieb sprechen. Für persönliche Selbstständigkeit hingegen sprechen Selbstständigkeit in der Organisation und der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerinitiative, Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sowie Handeln auf eigene Rechnung und Eigenverantwortung.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, hatte einen Beratungsvertrag mit seiner GmbH abgeschlossen. Dieser sah vor, dass der Kläger die Finanztechnik beratend begleitet. Der Vertrag enthielt keine Bestimmungen zu etwaigen Urlaubsansprüchen, Ansprüchen auf Sozialleistungen, Vergütung von Überstunden oder anderweitigen Ansprüche oder Pflichten. Das beklagte Finanzamt sah in der klägerischen Tätigkeit eine gewerbliche. Das Finanzgericht gab der Klage gegen diese Festsetzung mit der Begründung statt, die Tätigkeit sei nichtselbstständig.

Entscheidung

Auf die Revision des Finanzamts hob der Bundesfinanzhof (BFH) das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurück. Der abgeschlossene Beratungsvertrag ist nicht als Arbeits- oder Anstellungsvertrag zu werten. Es fehlt u. a. eine Weisungsgebundenheit, die Honorarabsprache ist ebenfalls unüblich für ein Anstellungsverhältnis.

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, wie das Finanzgericht die Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers einordnet. Eine unselbstständige Tätigkeit wird es offensichtlich nicht sein. In Anwendung eines Urteils aus 1991 auf die vereinbarte Tätigkeit ist davon auszugehen, dass es sich bei der Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers um eine selbstständige Tätigkeit und nicht um einen Gewerbebetrieb handelt, da er i. R. des Beratungsvertrags die eigentliche Geschäftsführertätigkeit nicht selbst ausübt, sondern nur unterstützend tätig ist.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin