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Wissensprüfung bei einem Autodidakten

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 7.3.2013, III B 134/12

Wissensprüfung bei einem Autodidakten

Tatbestand

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I. Der Kläger war in den Streitjahren 1993 bis 1999 selbständig tätig. Er beriet Unternehmen in Fragen der Logistik, der Transportorganisation, der Führung und Organisation sowie bei Neuplanungen. Gegenstand der Tätigkeit war die Optimierung von logistischen Ablauforganisationen und Fuhrparks sowie die Projektierung von Betriebseinrichtungen, wie z.B. Logistikzentren, Niederlassungen, Zentrallagern, Palettenhochregallagern, Stahlhallen mit Krananlagen und Sägezentren.
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Das Finanzamt erließ für die Streitjahre Gewerbesteuermessbescheide. Dagegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, dass er eine freiberufliche Tätigkeit ausgeübt habe. Er habe als Autodidakt in Tiefe und Breite über die Kenntnisse eines Diplom-Wirtschaftsingenieurs mit Schwerpunkt Logistik verfügt und eine entsprechende berufliche Tätigkeit entfaltet.
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Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das sachverständig beratene Finanzgericht (FG) ging in seinem Urteil zwar davon aus, dass sich die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit auf einen Hauptbereich einer vergleichbaren Ingenieurtätigkeit erstreckt habe. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, dass er der Breite und Tiefe nach über ein dem Ingenieur vergleichbares Wissen verfügt habe. Im Hinblick auf den einschlägigen Vergleichsstudiengang „Wirtschaftsingenieurwesen, Schwerpunkt Logistik“ bestünden in den Fächern Mathematik, Datenverarbeitung und Quantitative Methoden Wissensdefizite. Die vom Kläger beantragte Wissensprüfung lehnte das FG mit der Begründung ab, dass der Kläger im Hinblick auf die vom Sachverständigen in zahlreichen Fächern festgestellten Wissensdefizite keinen Vortrag zum Wissenserwerb –beispielsweise in den genannten Fächern– oder zur Wissensanwendung gehalten habe.
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Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger unter anderem eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG habe seinen Antrag auf Durchführung einer Wissensprüfung nicht ablehnen dürfen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO). Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen vor. Das FG hätte dem Antrag des Klägers auf Durchführung einer Wissensprüfung entsprechen müssen. Die Nichterhebung dieses beantragten Beweises verletzt den Untersuchungsgrundsatz des § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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1. Die Verfahrensrüge des Klägers ist in zulässiger Form erhoben worden.
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In der Beschwerdebegründung wurden die Voraussetzungen für einen Verfahrensmangel, nämlich die Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes gemäß § 76 Abs. 1 FGO, in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Form dargelegt.
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a) Wird mit der Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) geltend gemacht, das FG habe zu Unrecht Beweisanträge übergangen, so sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Angaben zu den ermittlungsbedürftigen Tatsachen, den angebotenen Beweismitteln und zum Ergebnis der Beweisaufnahme erforderlich. Hat das FG –wie im Streitfall– selbst im Urteil begründet, weshalb es von der Erhebung beantragter Beweise abgesehen hat, genügt bereits die schlichte Rüge der Nichtbefolgung des Beweisantritts den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. August 2000 VII B 87/00, BFH/NV 2001, 147; vom 30. Dezember 2002 XI B 58/02, BFH/NV 2003, 787; vom 19. Januar 2007 IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089). Da es sich bei der Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes um einen verzichtbaren Mangel handelt, muss grundsätzlich –auch im Fall der oben genannten Begründungserleichterung– vorgetragen werden, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt wurden oder weshalb die Rüge nicht möglich gewesen sei. Dies gilt grundsätzlich. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich dies aus dem Urteil oder Sitzungsprotokoll ergibt (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 787, und in BFH/NV 2007, 1089).
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b) Im Streitfall folgt unmittelbar aus dem Sitzungsprotokoll, dass der Kläger sich nicht rügelos auf die mündliche Verhandlung eingelassen hat. Dieser hat nämlich, nachdem die Sachanträge gestellt waren, der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert hatte und eine Sitzungsunterbrechung erfolgt war, seinen früheren schriftsätzlich gestellten Antrag auf Einholung eines zweiten Gutachtens zurückgenommen und ausdrücklich den Antrag auf Durchführung einer Wissensprüfung gestellt. Zudem gab der Kläger an, die vom Sachverständigen angesprochenen Wissenslücken teilweise durch weitere Arbeiten widerlegen zu können. Da die Wissensprüfung ausweislich eines Schreibens des Berichterstatters des FG zudem vor dem Termin als erforderlich („Sollte die Klage weiter verfolgt werden, dürfte der Kläger um eine umfassende Wissensprüfung nicht umhin kommen.“) erachtet worden war, kann das im Protokoll wiedergegebene Verhalten des Klägers keinesfalls als Rügeverzicht, sondern nur als ein „Bestehen auf Beweiserhebung“ gedeutet werden. Damit erübrigte sich der Vortrag in der Beschwerdeschrift, dass eine rügelose Einlassung nicht stattgefunden habe.
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2. Die Rüge ist auch begründet.
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a) Das Vorliegen eines (ingenieur-)ähnlichen Berufs erfordert nach ständiger Rechtsprechung des BFH, dass der ähnliche Beruf mit einem bestimmten Katalogberuf sowohl in der Ausbildung als auch in der beruflichen Tätigkeit vergleichbar ist (z.B. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2008 VIII R 27/07, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2009, 898, m.w.N.).
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aa) Setzt der Katalogberuf (vgl. BFH-Urteile vom 28. August 2003 IV R 21/02, BFHE 203, 152, BStBl II 2003, 919; vom 6. September 2006 XI R 3/06, BFHE 215, 124, BStBl II 2007, 118, zum Beruf des Wirtschaftsingenieurs) –wie im Streitfall– eine qualifizierte Ausbildung voraus, wird auch für den ähnlichen Beruf eine vergleichbare Ausbildung verlangt. Dabei kann die vergleichbare Ausbildung nicht nur in einem förmlichen Ausbildungsgang, wie z.B. in einem Studium, stattfinden. Vielmehr kann ein Steuerpflichtiger, der eine Berufsausbildung, wie sie in den Ingenieurgesetzen der Länder vorgeschrieben ist, nicht besitzt, auch nachweisen, dass er –als Autodidakt– vergleichbare Kenntnisse im Wege der privaten Fortbildung, des Selbststudiums oder im Zusammenhang mit eigener Arbeit erworben hat (BFH-Urteil in HFR 2009, 898).
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bb) Macht der Kläger geltend, er habe im streitigen Zeitraum über die für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse verfügt, muss er Tatsachen dazu vortragen, wie er die Kenntnisse erworben und inwieweit er sie in der Praxis eingesetzt hat. Unter bestimmten Umständen kann bereits aus der Art der Tätigkeit auf das Vorhandensein der entsprechenden Kenntnisse geschlossen werden. Stehen diese Tatsachen nicht bereits zur Überzeugung des Gerichts fest, muss das FG aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) den vom Kläger gestellten Anträgen zur Erhebung von Beweisen grundsätzlich entsprechen, die geeignet erscheinen, den erforderlichen Nachweis der Kenntnisse zu erbringen (BFH-Urteil in HFR 2009, 898).
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cc) Dazu kann auch die Vornahme einer Wissensprüfung gehören, wenn sich aus den vorgetragenen Tatsachen zum Erwerb und Einsatz der Kenntnisse bereits erkennen lässt, dass der Kläger über hinreichende Kenntnisse verfügen könnte und ein Nachweis anhand praktischer Arbeiten nicht zu führen ist (BFH-Urteile vom 26. Juni 2002 IV R 56/00, BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768; vom 18. April 2007 XI R 34/06, BFH/NV 2007, 1495, und in HFR 2009, 898). Erfüllt ein auf die Durchführung einer Wissensprüfung gestellter Antrag des Steuerpflichtigen diese Voraussetzungen, dann muss das FG ihm nachgehen und kann ihn nur ablehnen, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt, das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zu Gunsten der betreffenden Partei unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar ist (BFH-Urteil in HFR 2009, 898, m.w.N.).
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b) Im Streitfall lagen die Voraussetzungen für eine Wissensprüfung vor. Das FG durfte daher nicht von der Beweiserhebung absehen.
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aa) Der Kläger hat hinreichend Tatsachen zum Erwerb und zum Einsatz von Kenntnissen vorgetragen, die erkennen lassen, dass er über ein ingenieurähnliches Wissen in Tiefe und Breite verfügen könnte.
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Das ergibt sich unmittelbar aus dem Sachverständigengutachten und dem Ergänzungsgutachten. Der vom FG beauftragte Sachverständige hat auf der Grundlage des ihm vom Kläger zur Verfügung gestellten Materials (Bescheinigungen über besuchte Fortbildungsveranstaltungen, Liste der im Selbststudium durchgearbeiteten Fachliteratur, Nachweis der absolvierten Technikerausbildung, zahlreiche Arbeitsproben) bestätigt, dass in allen 21 Ausbildungsmodulen des Vergleichsstudiengangs grundsätzliche, in den meisten Einzelmodulen sogar ausreichende Kenntnisse vorhanden sind. Er hat nach Auswertung des ihm vorgelegten Materials sodann die abschließende Feststellung getroffen, dass damit aber der Kenntnisstand eines Absolventen des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen (Logistik) nicht nachgewiesen worden sei. Genau eine solche Situation hatte der BFH vor Augen, als er es den Autodidakten rechtlich ermöglicht hat, im Wege einer Examinierung durch einen Sachverständigen (Wissensprüfung) den Vollbeweis eines ausreichenden Kenntnisstandes doch noch zu führen, wenn die Beweisführung auf der Basis vorgelegter Arbeitsproben u.ä. nicht möglich ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 367, BStBl II 2002, 768).
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Soweit der Sachverständige in wesentlichen Mathematikfeldern (Differenzial- und Integralgleichungen, Vektor- und Matrizenrechnung) aufgrund der überlassenen Unterlagen „unzureichende Kenntnisse sicher feststellen konnte“, stand auch diese Einschätzung der Wissensprüfung nicht entgegen. Denn der Sachverständige konnte „in letzter Instanz nicht beurteilen, ob ein Bestehen der Prüfung im Modul Mathematik möglich ist, ohne zumindest über ausreichende Kenntnisse in den wichtigen Basis-Fächern Differenzial- und Integralgleichungen, Vektor- und Matrizenrechnung zu verfügen“. Die Darlegungen des Sachverständigen zum Wissensstand in anderen Mathematikfeldern „waren bewusst so gehalten, dass dem Kläger die Möglichkeit einer Wissensprüfung offen gehalten werden sollte.“ (Zitate aus S. 6 und 7 des Ergänzungsgutachtens). Damit war der Beweis unzureichenden Kenntnisstandes im Fach Mathematik, in dem der Prüfungserfolg im Vergleichsstudiengang ausweislich des Gutachtens unabdingbar ist, gerade noch nicht erbracht. Ob die Wissensprüfung dann ausgeschlossen ist, wenn der Sachverständige aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen unzureichendes Wissen bereits sicher feststellen zu können glaubt, erscheint angesichts des Verbots der vorweggenommenen Beweiswürdigung zweifelhaft. Diese Frage muss im vorliegenden Verfahren jedoch nicht beantwortet werden, weil eine solche Situation gerade nicht gegeben war.
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Hinsichtlich der vom Sachverständigen festgestellten Wissenslücken im Modul Datenverarbeitung gilt nichts anderes. Auch hier wollte der Sachverständige dem Kläger die Möglichkeit einer Wissensprüfung ausdrücklich offenhalten.
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Weil die Anforderungen zur Durchführung einer Wissensprüfung nicht überspannt werden dürfen (BFH-Urteil in HFR 2009, 898), ist der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht gehalten, zu jedem der vielen Einzelfächer mit ihren jeweiligen Unterdisziplinen, die in einem Vergleichstudiengang belegt werden müssen, Arbeitsproben, eine Liste der im Selbststudium durchgearbeiteten Fachliteratur oder Bescheinigungen über besuchte Fortbildungslehrgänge vorzulegen, um seiner Darlegungspflicht (Möglichkeit des Vorhandenseins von Wissen) zu genügen und zur Examinierung zugelassen zu werden. Im Streitfall musste demnach kein spezieller Vortrag erfolgen, wie der Kläger gerade zu Kenntnissen im Bereich der Matrizenrechnung gekommen sein könnte. Nur unsubstantiiertes Pauschalvorbringen zum Erwerb und zum Vorhandensein von Wissen versperrt den Zugang zur Wissensprüfung.
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bb) Da der Nachweis ausreichender Kenntnisse anderweitig nicht geführt werden konnte und ein ausdrücklicher Antrag auf Durchführung einer Wissensprüfung vorlag, durfte dieselbe nicht unterbleiben. Die unterbliebene Beweiserhebung war auch entscheidungserheblich, denn es ist nicht auszuschließen, dass das FG nach der Examinierung des Klägers zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
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3. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren und bereits auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin die Vorentscheidung aufzuheben sowie die Sache an das FG zurückzuverweisen. Bei der Beauftragung eines Sachverständigen zum Zwecke der Examinierung des Klägers wird das FG zu beachten haben, dass der Sachverständige die erforderliche Sachkunde für die Wissensprüfung besitzt. Diese kann sich etwa daraus ergeben, dass er Mitglied eines Gremiums zur Abschlussprüfung von Kandidaten im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen (Logistik) ist.

Freie Berufe: Gebühren- und Honorarordnungen

Staatliche Gebühren- und Honorarordnungen stellen eine Einschränkung des Prinzips der freien Preisfindung durch Angebot und Nachfrage dar. In einigen klassischen Freien Berufen wie Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater, Arzt, Zahnarzt, Hebamme, Tierarzt, Architekt und Ingenieur sowie Lotse kann eine solche Einschränkung zum Schutz des Rechtssuchenden, des Verbrauchers bzw. Patienten vor überhöhten Preisen sowie aus Gründen der Sicherung des Zugangs zum Recht, der Qualitätssicherung und Kostentransparenz oder zur Wahrung der Unabhängigkeit bei der Ausübung von Tätigkeiten in einem sicherheitsrelevanten Bereich – je nach Dienstleistung und erzieltem Interessenausgleich – nach Auffassung der Bundesregierung grundsätzlich jedoch sinnvoll, gerechtfertigt und erforderlich sein. Die Bundesregierung steht der Schaffung neuer Gebühren- und Honorarordnungen zurückhaltend gegenüber, da staatliche Preisregelungen auf Ausnahmebereiche begrenzt bleiben sollten. Aus diesem Grund wurde auch die in der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) enthaltene Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Honorarordnung für Wirtschaftsprüfer, von der über Jahrzehnte kein Gebrauch gemacht wurde, durch das  Berufsaufsichtsreformgesetz (BARefG) vom 3. September 200729 aufgehoben. Die Europäische Kommission hat die Bundesregierung aufgefordert, bestehende Gebühren- und Honorarordnungen für Freie Berufe zu überprüfen. Einige der bestehende Gebühren- und Honorarordnungen wurden von der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren überprüft, modernisiert und in der Folge teilweise liberalisiert.

Für Rechtsanwälte war die Vergütung bis 2004 durch die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) geregelt. Mit dem Ziel einer transparenteren und einfacheren gesetzlichen Regelung sowie einer Anpassung der Höhe der Vergütung trat 2004 das Rechtanwaltsvergütungsgesetz (RVG) an dessen Stelle in Kraft. Durch den Verzicht auf die gesetzliche Festlegung von Gebühren für die Beratungstätigkeit ab 1. Juli 2006 wurde das Gebührenrecht liberalisiert und dereguliert. Für die übrigen Bereiche gibt es zwar gesetzlich festgelegte Gebühren, die aber durch Vereinbarung auch unterschritten werden können. Lediglich für forensische Tätigkeiten besteht auch weiterhin ein Unterschreitungsverbot. Ein Ziel der Neuregelung war auch, den Abschluss von Gebührenvereinbarungen zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten zu fördern. Darüber hinaus wurde das Gebührenrecht für den forensischen Bereich, z. B. durch den Wegfall der Beweisgebühr bei gleichzeitiger Erhöhung der an die Stelle der Prozessgebühr getretenen Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr, vereinfacht. Zudem wurden bisher gebührenrechtlich nicht geregelte anwaltliche Tätigkeiten wie die Mediation, Hilfeleistung in Steuersachen und Zeugenbeistand (eingeschlossen der Zeugenbeistand in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen) erfasst. Weitere Schwerpunkte der Neuregelung waren eine leistungsorientiertere Ausgestaltung der Vergütungsregelungen, z. B. durch eine verbesserte und differenziertere Vergütung für die Tätigkeiten im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, eine Verbesserung der Vergütung der Pflichtverteidigerin und des Pflichtverteidigers sowie eine Neustrukturierung der Vergütung für die Tätigkeiten im Rahmen des Bußgeldverfahrens. Zur Förderung der außergerichtlichen Erledigung wurde die bisherige Vergleichsgebühr zu einer Einigungsgebühr für jede Form der vertraglichen Streitbeilegung umgestaltet.

Die Neustrukturierung des Vergütungsrechts hat für die Anwaltschaft zu einer angemessenen
Erhöhung ihrer Einnahmen geführt.

Die Vergütung der Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer, die von einem Gericht, einer Staatsanwaltschaft, einer Finanzbehörde in den Fällen, in denen diese das Ermittlungsverfahren selbstständig durchführt, einer Verwaltungsbehörde im Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten oder von einem Gerichtsvollzieher herangezogen werden, wurde 2004 durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz reformiert. Das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Gesetz über die Entschädigung von Zeugen- und Sachverständigen (ZuSEG) wurde durch das neue Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ersetzt. An die Stelle des bis dahin geltenden Entschädigungsprinzips ist ein leistungsgerechtes Vergütungsmodell getreten, das sich am Bild der selbstständig und hauptberuflich tätigen Sachverständigen orientiert. Die Leistungen, die von Sachverständigen erbracht werden, werden nach Sachgebieten erfasst und diese bestimmten Honorargruppen mit festen Stundensätzen zugeordnet. Damit entfallen die häufig komplexe und daher konfliktanfällige Ermittlung des Stundensatzes innerhalb des seinerzeit vorgegebenen Entschädigungsrahmens und die Prüfung der zu erfüllenden Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschlags. Das Bundesministerium der Justiz hat die Beschreibungen der Sachgebiete unter Beteiligung der Länder und Verbände überarbeitet und auf dieser Grundlage eine Marktanalyse durchführen lassen, um die auf dem  freien Markt erzielten Preise zu ermitteln. In die Marktanalyse waren auch die Dolmetscher und Übersetzer einbezogen. Durch den von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (2. KostRMoG) sollen die Sachgebiete entsprechend neu geordnet und die Höhe der Honorare der Sachverständigen, Dolmetscher und Übersetzer orientiert an den aktuellen Marktpreisen neu festgesetzt werden. Der Entwurf eines 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (BT-Drs. 17/11471) ist im Deutschen Bundestag am 31. Januar 2013 in 1. Lesung beraten worden.

Im Bereich der Architekten und Ingenieure wurde mit der sechsten Novellierung der HOAI 2009 der Wettbewerb gefördert und der Bürokratieabbau vorangebracht. Die Verordnung wurde neu strukturiert und inhaltlich überarbeitet. Wesentliche Aspekte einer Liberalisierung des materiellen Preisrechts ergeben sich vor allem aus den folgenden  Punkten. Zur Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG wurde der Anwendungsbereich der HOAI auf Inländer beschränkt. Die neue HOAI findet Anwendung auf Leistungen von Architekten und Ingenieuren mit Sitz im Inland, soweit die Leistung vom Inland aus erbracht wird. Darüber hinaus wurden die staatlichen Preisvorgaben auf Planungsleistungen beschränkt. Es entfiel die verbindliche Verpreisung von fünf ingenieurtechnischen Leistungsbildern, die als Beratungsleistungen qualifiziert wurden. Mit Einführung des neuen Baukostenberechnungsmodells wurde das Honorar von den tatsächlichen Baukosten entkoppelt, in dem neu das Honorar auf Grundlage der Kostenberechnung zu berechnen ist. Alternativ kann das Honorar auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten einer Baukostenvereinbarung berechnet werden. Für die siebte Novellierung der HOAI im Jahr 2013 steht vor allem eine Modernisierung und Vereinheitlichung der Leistungsbilder und die Überprüfung der Honorarstruktur an. Im Zuge der letzten Novellierung waren die Honorare lediglich pauschal um 10 % angehoben worden. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Novellierung noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen.

Freie Berufe: Rechtsform- und Beteiligungsregelungen

Gesetzlich vorgeschriebene Kapitalbeteiligungsbeschränkungen dienen der Wahrung der Unabhängigkeit von Finanzinvestoren und anderen Anteilseignern. Für Rechtsanwalts-, Patentanwalts-, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkanzleien ist daher gesetzlich vorgeschrieben, dass Gesellschafter Berufsträger (zugelassene Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer) sein müssen (vgl. §§ 59a, 59e, 59f BRAO, §§ 52a, 52e, 52f PAO, § 50a StBerG, § 28 WPO). Eine Kapitalbeteiligung durch Personen, die nicht zu den sozietätsfähigen Berufen gehören, ist nicht möglich.

Im Bereich der Wirtschaftsprüfer wurde mit dem Berufsaufsichtsreformgesetz (BARefG) vom 3. September 200726 die Europäische Gesellschaft (SE) in den Katalog der für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften möglichen Rechtsformen aufgenommen. Zudem kann durch die Aufhebung der Beschränkung der persönlich haftenden Gesellschafter auf natürliche Personen auch die Rechtsform einer GmbH & Co. KG gewählt werden. Darüber hinaus wurden die Beteiligungsregelungen entsprechend den Vorgaben der Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG gelockert. Es genügt nunmehr, dass die Mehrheit der persönlich haftenden Gesellschafter oder Partner Wirtschaftsprüfer, Prüfungsgesellschaften oder in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassene Abschlussprüfer bzw. Prüfgesellschaften sind. Darüber hinaus ist es nicht mehr erforderlich, dass alle Mitglieder der Leitungsebene einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Wirtschaftsprüfer sind. Ausreichend ist, dass lediglich die Mehrheit des Verwaltungs- und Leitungsorgans Wirtschaftsprüfer oder EU-Abschlussprüfer sind. Hat die Gesellschaft nur zwei gesetzliche Vertreter, so muss einer von ihnen Wirtschaftsprüfer oder EU-Abschlussprüfer sein.

Auch für Architekten bestehen Beteiligungsregelungen. So muss die Anteilsmehrheit an einer Architektengesellschaft von Mitgliedern der Architektenkammer gehalten werden und die Gesellschaft muss verantwortlich von Architekten geführt werden. Die Regelungen zur Beschränkung von Kapitalbeteiligungen stehen derzeit in der Kritik der Europäischen Kommission, die darin ein Hindernis für die Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen sieht. Im Rahmen der Nachfolge-Aktivitäten zur  Dienstleistungsrichtlinie
2006/123/EG werden daher die entsprechenden Regelungen der EU-Mitgliedstaaten untersucht und miteinander verglichen.

Der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (BT-Drs. 17/10487) sieht für Angehörige Freier Berufe die Möglichkeit vor, sich für eine   Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung zu entscheiden. Hierzu wird im  Partnerschaftsgesellschaftsgesetz (PartGG) selbst eine Haftungsbeschränkung geschaffen, die eingreift, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen: Die Partnerschaft muss eine durch Gesetz vorgegebene Berufshaftpflichtversicherung unterhalten und ihr Name muss den Zusatz „mit beschränkter Berufshaftung“ oder die Abkürzung „mbB“ enthalten. Die Haftungsbeschränkung betrifft aber nur Verbindlichkeiten aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung. Die konkreten Regelungen zur Berufshaftpflichtversicherung und zu eventuellen Pflichten gegenüber Berufskammern sind den jeweiligen Berufsgesetzen vorbehalten. Mit der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung wird den Freien Berufen eine Alternative zur britischen Limited Liability Partnership (LLP) zur Verfügung gestellt.

Apotheken obliegt die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen
Arzneimittelversorgung. Freiberufliche Apotheker bieten die Gewähr dafür, dass unabhängig von Kapitalinteressen eines externen Unternehmers der Apothekenberuf zum Wohl der Allgemeinheit ausgeübt wird. Daraus leitet sich auch das nach dem Apothekengesetz geltende Fremdbesitzverbot ab, das Unternehmen bzw. Nicht-Apothekern verbietet, eine Apotheke zu betreiben. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 19. Mai 200927 bestätigt, dass das europäische Recht dem deutschen Fremdbesitzverbot nicht entgegensteht. Die EU-Mitgliedstaaten könnten souverän darüber entscheiden, wie sie die  Arzneimittelversorgung organisieren. Die Regelung des deutschen Apothekenrechts beschränke zwar die Niederlassungsfreiheit. Dies sei jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, d. h. den Schutz der
Gesundheit und dem Ziel, eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung sicherzustellen, gerechtfertigt.

Werbung freie Berufe

Eine Reihe von gesetzlichen Werbebeschränkungen für Freie Berufe wurde in den letzten zehn Jahren aufgehoben oder zumindest weitgehend gelockert. So wurden die bestehenden Werbebeschränkungen für Wirtschaftsprüfer durch das Berufsaufsichtsreformgesetz von 2007 aufgehoben. Werbung ist zulässig, sofern sie nicht unlauter ist (§ 52 WPO). Diese einzig verbleibende, restriktiv zu handhabende Einschränkung, die bereits aus dem Lauterkeitsrecht, insbesondere dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) folgt, ist ausreichend, um mögliches berufsunwürdiges Verhalten zu verhindern.

Die früher sehr strikten Werbeverbote und Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte und Patentanwälte wurden bereits 1994 liberalisiert und beschränken sich heute darauf, dass Werbung sachlich sein muss und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet sein darf (§ 43b BRAO, § 39b PAO). Weitere Liberalisierungen erfolgten in den Berufsordnungen für Rechtsanwälte (BORA). So sind seit 2004 auch
Sach- und Phantasiebezeichnungen von Anwaltskanzleien zulässig (§ 9 BORA). Darüber hinaus ist 2006 die Beschränkung aufgehoben worden, dass in der Werbung Teilbereiche der Berufstätigkeit (Rechtsgebiete, Aufgabenbereiche) nur als Interessenschwerpunkte oder Tätigkeitsschwerpunkte benannt werden durften. Es ist seitdem zulässig, Teilbereiche ohne oder mit – frei wählbaren – qualifizierenden Zusätzen (z. B.
Spezialist für) zu benennen (§ 7 BORA). Dies gilt, wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, auch dann, wenn für ein Rechtsgebiet eine Fachanwaltsbezeichnung besteht. Auch die früher sehr strikten Werbeverbote und Werbebeschränkungen für Steuerberater wurden 1994 liberalisiert und beschränken sich heute ebenfalls nur noch darauf, dass Werbung sachlich sein muss und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall
gerichtet sein darf (§ 57a StBerG). Weitere Liberalisierungen erfolgten in der Berufsordnung für Steuerberater (BOStB). Es lässt sich feststellen: Aus einem umfassenden Werbeverbot wurde ein Recht auf Werbung, das im Wesentlichen nur im Verbot wettbewerbswidriger (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) Werbung seine Grenzen findet.

Im Bereich der Architekten wurden die Anforderungen an die Werbung ebenfalls gelockert und Werbeverbote aufgehoben. Werbung ist Architekten nunmehr möglich, wobei für die Art und Weise der zulässigen Werbung die Architektengesetze der Länder sowie die Berufsordnungen gelten. Bei Art und Umfang der Reglementierungen bestehen länderspezifische Unterschiede. So sieht das Land Niedersachen keine spezialgesetzlichen Bestimmungen vor und verweist nur auf die Bestimmungen des Gesetzes gegen
unlauteren Wettbewerb (UWG), andere Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg haben dagegen noch ausdifferenzierte Regelungen zur Zulässigkeit von Werbung.

Für die heilkundlichen Berufe sieht das Heilmittelwerbegesetz (HWG) Werbebeschränkungen vor. Das HWG verbietet beispielsweise irreführende Werbung und enthält einen Verbotskatalog für bestimmte  Erscheinungsformen der Publikumswerbung für Arzneimittel, Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel und Medizinprodukte. Die Vorgaben des HWG für die zulässige Heilmittelwerbung wurden durch
das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19. Oktober 201223 insbesondere im Bereich der Publikumswerbung liberalisiert und an die werberechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2001/83/EG24 angepasst. So wurde klargestellt, dass auch bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln die Übersendung oder das Verfügbarmachen der behördlich genehmigten Informationsmedien auf Anforderung einer Person zulässig ist. Die Klarstellung trägt dem Informationsinteresse der Patientinnen und Patienten Rechnung und berücksichtigt gebührend die Bedeutung der genannten Informationsmedien. Darüber hinaus wurde das HWG an die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH25 angepasst, die verschiedene Verbotsregeln einschränkend auslegt und im Bereich der Publikumswerbeverbote als weitere Voraussetzung verlangt, dass die Werbung geeignet sein muss, den Verbraucher von einem ansonsten indizierten Arztbesuch abzuhalten und ihn stattdessen der Gefahr einer unsachgemäßen Selbstmedikation auszusetzen. So ist beispielsweise die Werbung mit der Wiedergabe von Krankengeschichten nur noch dann verboten, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt.

Steuerpolitik und freie Berufe

Die Bundesregierung setzt sich auch in der laufenden Legislaturperiode dafür ein, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – den Mittelstand und damit auch die Freien Berufe – zu entlasten. Möglichkeiten, die Effizienz der Steuererhebung zu verbessern und Bürokratie abzubauen, werden in den Vorhaben der Bundesregierung konsequent umgesetzt. Eine Vereinfachung der steuerlichen Regelungen und die Schaffung von Rechtssicherheit leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung investitionsfreundlicher Rahmenbedingungen.
Mit dem Steuervereinfachungsgesetz 2011 ist es gelungen, das Besteuerungsverfahren zu modernisieren und zu vereinfachen – ohne dabei den notwendigen Konsolidierungskurs aus den Augen zu verlieren. Auch die deutsche Wirtschaft profitiert von den Erleichterungen dieses Gesetzes, das für die Unternehmen zu einem ganz erheblichen Abbau von Steuerbürokratie führt. Indem elektronische Rechnungen mit Papierrechnungen
umsatzsteuerlich gleichbehandelt werden, können die Bürokratiekosten in der Wirtschaft um insgesamt 4 Mrd. Euro reduziert werden. Hiervon profitieren auch die Freien Berufe.

Durch das Gesetz zum Abbau der kalten Progression21 wird der Grundfreibetrag in zwei Schritten angehoben, und zwar für das Jahr 2013 auf 8.130 Euro und für das Jahr 2014 auf 8.354 Euro. Der Grundfreibetrag muss – auf der Grundlage des Neunten Existenzminimumberichts der Bundesregierung – aus verfassungsrechtlichen Gründen an das gestiegene Existenzminimum angeglichen werden. Der Eingangssteuersatz von 14 %
bleibt konstant. Mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und
des steuerlichen Reisekostenrechts22 wird unter anderem das steuerliche Reisekostenrecht grundlegend vereinfacht und vereinheitlicht. Als Mittelstandskomponente und insbesondere zur Entlastung kleinerer und mittlerer Unternehmen einschließlich der Freien Berufe nach einem Verlustjahr verschafft die Anhebung des Verlustrücktrags in Krisenzeiten zusätzliche Liquidität.

Existenzgründungen durch Freie Berufe

Existenzgründungen in den freien Berufen

Eine über einen längeren Zeitraum kontinuierlich erhobene Existenzgründungstatistik für Freie Berufe besteht – im Unterschied zu gewerblichen Gründungen – nicht. Das Gründungsgeschehen im Bereich der Freien Berufe konnte daher bisher nicht zuverlässig dargestellt und quantifiziert werden. Auf Anregung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie hat das IfM Bonn daher im Jahr 2011 im Rahmen des Forschungsprojekts „Weiterentwicklung der Gründungsstatistik des IfM Bonn – Berücksichtigung
der Gründungen im Bereich der Freien Berufe und der nicht marktaktiven Gründer“ eine Methode entwickelt, mit der auf der Basis der Neuzugänge im Grundinformationsdienst der Finanzverwaltungen eine bundesweite Auswertung der Zugangsstatistik für Selbstständige vorgenommen werden kann. So konnte erstmals die Zahl der Gründungen in Freien Berufe für die Jahre 2008 bis 2011 ermittelt werden. Keine Erhebungen liegen bisher zur Zahl der Liquidationen in Freien Berufen vor, so dass eine Darstellung des Gründungssaldos derzeit noch nicht möglich ist. Die Existenzgründungsstatistik für Freie Berufe soll auch in der Zukunft fortgeschrieben und weiterentwickelt werden.

Für die Jahre 2008, 2009 und 2010 sind jeweils insgesamt rund 687.000, 716.000 bzw. 728.000 Zugänge in die Selbstständigkeit als Gewerbetreibende, Freie Berufe oder Land- und Forstwirte zu verzeichnen. Darunter waren konstant rund 156.000 (2008), 154.000 (2009) und 155.000 (2010) Existenzgründungen im Bereich der Freien Berufe, wobei bei den freiberuflichen Gründungen aber nicht zwischen Haupt- und  Nebenerwerbsgründungen unterschieden wird. Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft fiel hingegen die Zahl der Neuzugänge in die Selbstständigkeit von 16.000 im Jahr 2008 auf 12.000 im Jahr 2010.

Der Anteil der freiberuflichen Existenzgründungen an allen Gründungen befindet sich damit seit dem Jahr 2008 auf gleich bleibend hohen Niveau: Jede fünfte Gründung erfolgt durch Freie Berufe (2010: 21,2 %; 2009: 21,9 %; 2008 22,6 %). Auch für das Jahr 2011 wird ein Anteil von ca. 21 % freiberuflicher Gründungen an der Gesamtzahl der Gründungen erwartet.

Hervorzuheben ist, dass große regionale Unterschiede hinsichtlich des Gründungsgeschehens in Freien Berufen bestehen. Eine besonders hohe Gründungsneigung ist in den Stadtstaaten zu beobachten. So weisen die freiberuflichen Gründungen in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg weit überdurchschnittliche Anteilswerte von 30 bis 40 % auf, gefolgt von dem durch Metropolregionen geprägten Land Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von 25 bis 30 %. Die niedrigsten Anteilswerte freiberuflicher Gründungen mit unter 15 % am Gründungsgeschehen sind in eher ländlich geprägten Ländern wie Niedersachsen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und dem Saarland zu verzeichnen.

Die in Deutschland insgesamt hohe Zahl freiberuflicher Existenzgründungen belegt die wachsende Bedeutung der Freien Berufe für den Mittelstand und die Wirtschaft in Deutschland. Die Gründungsforschung ging Anfang der 1990er Jahre von einem Anteil freiberuflicher Gründungen in Höhe von ca. 10 % an der Gesamtzahl der Existenzgründungen aus.13 Auch wenn diese Zahlen – wie dargestellt – nicht auf einer Gründungsstatistik beruhen, hat sich die Zahl der Gründungen durch Freie Berufe in den letzten 20 Jahren doch mehr als verdoppelt. 

Gründungsförderung

Die Bundesregierung bietet den Freien Berufen in mehrfacher Hinsicht Unterstützung im Bereich der Gründung an:

Gründercoaching Deutschland

Wer sich in einem Freien Beruf selbstständig macht, kann in den ersten fünf Jahren mit dem Programm „Gründercoaching Deutschland“ für externe Beratungsleistungen und Coachingmaßnahmen zu allen wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen eine finanzielle Förderung erhalten. Anträge auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Coachingmaßnahmen sind an die KfW Bankengruppe zu richten (www.gruenden.kfw.de).

Initiative „Gründerland Deutschland“

Mit der Initiative „Gründerland Deutschland“ stärkt die Bundesregierung die Gründungskultur und gibt zusätzliche Impulse, um eine höhere Gründungsdynamik zu erreichen. An der Initiative wirkt auch der Bundesverband der Freien Berufe aktiv mit. Zentrale Maßnahme ist die Gründerwoche Deutschland, an der 2012 bundesweit 920 Partner über 1. 650 Veranstaltungen durchführten, um die Chancen und Perspektiven der unternehmerischen Selbstständigkeit aufzuzeigen. Ziel ist es, mehr und vor allem junge Menschen für eine selbstständige Tätigkeit zu begeistern und zu motivieren.

Gründungsinformationen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gibt in den Publikationen „Starthilfe“, „GründerZeiten“, dem eMagazin „EXG“ sowie im Existenzgründungsportal www.existenzgruender.de umfassende Tipps und alle Informationen, die Gründerinnen und Gründer zur Umsetzung ihres Vorhabens in einem Freien Beruf benötigen. Im Expertenforum des BMWi-Existenzgründungsportals können konkrete Fragen zu freiberuflichen Gründungen gestellt werden. Zur Unterstützung der selbstständigen Berufstätigkeit
von Frauen bietet die Bundesregierung in Kooperation mit der bundesweiten gründerinnenagentur (bga) insbesondere das Internetportal www.existenzgruenderinnen.de des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie weitere spezifische Projekte an.

Beratungsförderung für Angehörige der Freien Berufe

Um die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen und ihre Anpassung an veränderte wirtschaftliche Bedingungen zu erleichtern, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Inanspruchnahme von Unternehmensberatungen. Seit dem Jahr 2002 können auch alle Angehörigen der Freien Berufe diese Förderung in Anspruch nehmen. Die Zahl der Zuschüsse für Angehörige der Freien Berufe für Beratungen zur Verbesserung des unternehmerischen Know-hows ist im Berichtszeitraum deutlich auf über 23 % im Jahr 2011 gestiegen.