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Sonderausgaben: Keine Kürzung durch Bonuszahlungen der Krankenkasse

Sonderausgaben: Keine Kürzung durch Bonuszahlungen der Krankenkasse

 Der für Krankenversicherungsbeiträge vorzunehmende Sonderausgabenabzug ist nicht um Zahlungen zu kürzen, die von der Krankenkasse im Rahmen eines Bonusprogramms geleistet werden.

Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für 2012 Arbeitnehmerbeiträge der Klägerin zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung (Basisabsicherung) als Sonderausgaben geltend (2.663 EUR). Im Einkommensteuerbescheid wurden diese Beiträge vom beklagten Finanzamt gekürzt, weil die Klägerin im Rahmen eines Bonusprogramms von ihrer Krankenkasse 150 EUR erhalten hatte.

Die Kläger machten in ihrem Einspruch geltend, bei der Zahlung handle es sich nicht um eine Beitragsrückerstattung, sondern um einen Zuschuss der Krankenkasse, weil die Klägerin an einem Bonusmodell teilgenommen habe. Wer bestimmte Vorsorgemaßnahmen (z. B. Krebsvorsorgeuntersuchung) durchgeführt hat, erhält am Jahresende einen Zuschuss der Krankenkasse von bis zu 150 EUR jährlich für Gesundheitsmaßnahmen, die privat zu zahlen und nicht im Versicherungsumfang enthalten sind (z. B. Massagen, Fitness-Studio oder Sportverein).

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dagegen den Klägern Recht und entschied, dass die Krankenversicherungsbeiträge der Klägerin zur Basisabsicherung in voller Höhe als Sonderausgaben abzugsfähig sind und nicht um den von der Krankenkasse gezahlten Bonus gekürzt werden dürfen.

Beiträge zur privaten oder gesetzlichen Krankenversicherung für eine Absicherung auf sozialhilfegleichem Versorgungsniveau (Basisabsicherung) sind in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar.

Zwar dürften nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sei. Eine Verrechnung von Krankenversicherungsbeiträgen mit Erstattungen oder Zuschüssen setze allerdings deren “Gleichartigkeit” voraus. Eine solche “Gleichartigkeit” bestehe zwischen den Krankenversicherungsbeiträgen der Klägerin und der Bonuszahlung der Krankenkasse nicht. Die Krankenversicherungsbeiträge dienten der Absicherung des Risikos, Kosten im Krankheitsfall selbst tragen zu müssen. Mit diesem Versicherungsschutz stehe die Bonuszahlung nicht im Zusammenhang. Es fehle daher an der erforderlichen “Gleichartigkeit” zwischen der Bonuszahlung und den Beiträgen der Klägerin zu ihrer Basis-Krankenversicherung, weil die Bonuszahlung nicht der Erlangung des Versicherungsschutzes diene. Außerdem könnten die Bonuszahlungen der Krankenkasse auch deshalb nicht als Rückerstattung von Beiträgen zur Basis-Krankenversicherung qualifiziert werden, weil mit dieser Zahlung lediglich solche Krankheitskosten erstattet worden seien, die außerhalb des Versicherungsschutzes angefallen und daher von der Klägerin selbst zu tragen gewesen seien.

Zur Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

Zur Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

Kernproblem
Steuerberatungskosten, die einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit steuerlich relevanten Einkünften entstehen, sind einkommensteuerlich als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig. Für private Steuerberatungskosten bis einschließlich zum Veranlagungsjahr 2005 galt ein gesetzlicher Abzug als Sonderausgaben. Hierunter fielen z. B. der Gebührenanteil des Steuerberaters für den Mantelbogen bei Erstellung der Einkommensteuererklärung oder für eine Erbschaftsteuererklärung. Seit dem Jahr 2006 ist die steuerliche Berücksichtigung der privaten Steuerberatungskosten komplett gestrichen worden. Natürlich sind hiergegen Interessenvertreter von Beratern und Steuerzahlern vorgegangen, so dass es eine Fülle von Einsprüchen gegen die Einkommensteuerbescheide ab 2006 gab. Darin wurde insbesondere der Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip angeprangert. Die Rechtsbehelfe sind überwiegend beim Bundesfinanzhof (BFH) angelangt und dort abgewiesen worden. Wie geht es hinsichtlich eines eigenen Einspruchs weiter?

Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden
Das Bundesfinanzministerium hat am 2.4.2013 auf seiner Internetseite eine Allgemeinverfügung zur Zurückweisung der Einsprüche und Änderungsanträge veröffentlicht, die wegen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten eingelegt bzw. gestellt worden sind. Aber was hat das für eine Bedeutung? Normalerweise müssten alle Einsprüche durch eine Einspruchsentscheidung entschieden werden. Um dieses Massenverfahren zu vermeiden, bietet das Gesetz die Möglichkeit der Allgemeinverfügung, wovon die Finanzverwaltung in diesem Fall Gebrauch gemacht hat. Will man persönlich hiergegen vorgehen, muss beim Finanzgericht geklagt werden. Die Frist dafür beträgt allerdings 1 Jahr und beginnt mit Herausgabe des Bundessteuerblatts, in dem die Allgemeinverfügung veröffentlicht wird. Das war am 17.4.2013 im BStBl 2013 I S. 348.

Konsequenz
Nachdem der BFH in mindestens 3 Urteilen entschieden hat, dass die Aufhebung der steuerlichen Berücksichtigung privater Steuerberatungskosten kein Verstoß gegen das Grundgesetz darstellt, und hiergegen offensichtlich auch keine Verfassungsbeschwerden eingereicht wurden, hat eine Klage zurzeit wenig Aussicht auf Erfolg. Da die Klagefrist 1 Jahr beträgt, kann die weitere Entwicklung abgewartet werden. Wichtig: Steuerbescheide ergehen nun auch nicht mehr vorläufig in Bezug auf den Abzug privater Steuerberatungskosten.

Vorläufige Steuerfestsetzung hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteilen vom 4. Februar 2010 – X R 10/08 – (BStBl II S. 617), vom 16. Februar 2011 – X R 10/10 – (BFH/NV S. 977) und vom 17. Oktober 2012 – VIII R
51/09 – (BFH/NV 2013 S. 365) entschieden, dass die Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Gegen keines dieser Urteile wurde eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BMF-Schreiben vom 25. April 2013 enthält dazu unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder Regelungen.
Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe sowie hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben (PDF, 37,7 KB)

 

Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

BEZUG BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (BStBl I S. 464) und vom 25. Februar 2013 (BStBl I S. 195);
TO-Punkte 4 und 20 der Sitzung AO I/2013 vom 6. bis 8. März 2013

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteilen vom 4. Februar 2010 – X R 10/08 -(BStBl II S. 617), vom  16. Februar 2011 – X R 10/10 -(BFH/NV S. 977) und vom 17. Oktober 2012 – VIII R 51/09 – (BFH/NV 2013 S. 365) entschieden, dass die Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als  Sonderausgaben nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Gegen keines dieser Urteile wurde eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den  obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:

Nummer 3 (Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben – Aufhebung  des § 10 Absatz 1 Nummer 6 EStG durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22. Dezember 2005, BGBl. I S. 3682) der Anlage zum BMF-Schreiben vom  16. Mai 2011 (BStBl I S. 464), die zuletzt durch BMF-Schreiben vom 25. Februar 2013 Seite 2 (BStBl I S. 195) neu gefasst worden ist, wird mit sofortiger Wirkung gestrichen. Wegen der  Frage, ob die Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben verfassungsgemäß ist, kommt ein Ruhen von Einspruchsverfahren nicht mehr in Betracht. Die Anlage zum BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (a. a. O.) wird mit sofortiger Wirkung
wie folgt gefasst:

„Festsetzungen der Einkommensteuer sind hinsichtlich folgender Punkte gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm vorläufig vorzunehmen:

1. Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als  Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 5b EStG).

2.a) Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§ 4f, § 9 Absatz 5 Satz 1, § 10  Absatz 1 Nummern 5 und 8 EStG)

-für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 -.

2.b) Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§ 9c, § 9 Absatz 5 Satz 1 EStG)

-für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2011 -.

3. Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Absatz 3, 4, 4a EStG) für  die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2009.

4. Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a  EStG für Veranlagungszeiträume ab 2005.

5. Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG für Veranlagungszeiträume ab 2005.

6. Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Absatz 6 Sätze 1 und 2 EStG.

7. Höhe des Grundfreibetrags (§ 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 EStG).

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 1 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten folgenden Bescheiden beizufügen: Sämtlichen Einkommensteuerbescheiden für
Veranlagungszeiträume ab 2008, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfassen, sämtlichen

Körperschaftsteuerbescheiden für Veranlagungszeiträume ab 2008 sowie sämtlichen Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften, soweit diese
Bescheide Feststellungszeiträume ab 2008 betreffen und für die Gesellschaft oder Gemeinschaft ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wurde.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 2 ist auch Bescheiden über die gesonderte (und  ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften i. S. von § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummern 1 bis 3
EStG beizufügen. Im Vorläufigkeitsvermerk ist nur § 4f EStG (Feststellungszeiträume 2006 bis 2008) bzw. § 9c Absatz 1 und 3 Satz 1 EStG (Feststellungszeiträume 2009 bis 2011) zu
zitieren.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 4 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2005
beizufügen. In die Bescheide ist zusätzlich folgender Erläuterungstext aufzunehmen: „Der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten stützt sich auch auf § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 AO und umfasst deshalb auch die Frage einer eventuellen einfachgesetzlich begründeten steuerlichen Berücksichtigung.“

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 5 erfasst sämtliche Leibrentenarten im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 6 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001 mit
einer Prüfung der Steuerfreistellung nach § 31 EStG beizufügen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 7 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001
beizufügen.

Ferner sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtliche Festsetzungen des  Solidaritätszuschlags für die Veranlagungszeiträume ab 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2  Nummer 3 AO vorzunehmen.“

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen
(http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Weitere  Steuerthemen – Abgabenordnung -BMF-Schreiben / Allgemeines zum Download bereit.

Einschränkung des Sonderausgabenabzugs für beschränkt Steuerpflichtige

Es stellt eine nicht europarechtskonforme Benachteiligung von gebietsfremden Steuerpflichtigen dar, wenn ihnen der Sonderausgabenabzug dauernder Lasten verweigert wird (Folgeentscheidung zu EuGH vom 31. März 2011 C 450/09).

Niedersächsisches Finanzgericht 3. Senat, Urteil vom 13.06.2012, 3 K 267/12
Art 63 AEUV, § 50 Abs 1 S 4 EStG, § 21 EStG, § 10 Abs 1 Nr 1 Buchst a EStG
Tatbestand
1
Streitig ist die Frage, ob § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG europarechtskonform ist.
2
Der Kläger ist deutscher Staatsbürger. Er lebt in Belgien, wo er als Arbeitnehmer berufstätig ist. Einen Wohnsitz in Deutschland unterhält der Kläger nicht; vielmehr ist der Kläger in Deutschland lediglich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beschränkt steu-erpflichtig.
3
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 2. Dezember 2002 übertrug die verwitwete Mutter des Klägers im Wege der vorweggenommenen Erbfolge dem Bruder des Klägers, H S, das Grundstück H, P Straße 28. Gemäß Ziffer II. des Vertrages übertrug H S zum Ausgleich dafür, dass er das Grundstück P Straße 28 zu Alleineigentum erhält, die ideelle Hälfte dreier Grundstücke in H O-P auf den Kläger. Bereits mit Vertrag vom 27. April 1992 hatte der Kläger von seinen Eltern das Grundstück H, W.Platz 7 erworben. Das Grundstück war mit einem Nießbrauchsrecht zugunsten der Eltern belastet.
4
Gemäß III. § 1 des Vertrages vom 2. Dezember 2002 vereinbarten die Mutter des Klägers, der Kläger sowie sein Bruder, die in verschiedenen Grundbüchern zugunsten der Mutter eingetragenen Nießbrauchsrechte in eine lebenslängliche Geldrente umzuwandeln. Dabei verpflichteten sich der Kläger und sein Bruder, an ihre Mutter zu deren Versorgung eine lebenslängliche Geldrente von monatlich jeweils 1.000,- € zu zahlen. Die Rentenzahlung ist erstmals mit Wirkung auf den 1. Dezember 2002 zu leisten. Weiterhin wird geregelt, dass der monatlich zu leistende Geldbetrag der Versorgung der Mutter des Klägers dienen solle und deshalb eine Wertsicherungsklausel vereinbart. Darüber hinaus kann derjenige, dessen den derzeitigen Lebensverhältnissen entsprechende Versorgung infolge Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr gewährleistet ist, eine Abänderung des vereinbarten Betrages in entsprechender Anwendung des § 323 ZPO verlangen.
5
Der Kläger erzielt mit dem Grundstück W.Platz 7 Vermietungseinkünfte. Gleiches gilt für die Grundstücksgemeinschaft H und U S hinsichtlich der Grundstücke H O-P. Die Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung 2002 betragen insgesamt 3.534,- €. In den nachfolgenden beiden Veranlagungszeiträumen erzielte der Kläger ausweislich der entsprechenden Einkommensteuerbescheide Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 27.254,- € (2003) und 26.595,- € (2004).
6
In seiner Einkommensteuererklärung 2002 für die in Deutschland beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung machte der Kläger die an die Mutter geleisteten Rentenzahlungen als Sonderausgaben geltend, wobei der Kläger versehentlich an Stelle der tatsächlich in 2002 gezahlten 1.000,- € einen Betrag in Höhe von 2.000,- € in Ansatz brachte.
7
Der Beklagte berücksichtigte in dem Einkommensteuerbescheid 2002 vom 30. September 2004 die Sonderausgaben unter Hinweis auf § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht. Der Bescheid wurde am 4. August 2005 nochmals aus für dieses Verfahren nicht erheblichen Gründen geändert.
8
Der gegen die Nichtberücksichtigung der Sonderausgaben gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
9
Im anschließenden Klageverfahren vertrat der Kläger die Rechtsauffassung, dass § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG gegen Art. 43 EG-Vertrag verstoße, weil eine gebietsansässigen Steuerpflichtigen gewährte Steuervergünstigung gebietsfremden Steuerpflichtigen verwehrt werde.
10
Das Niedersächsische Finanzgericht hat mit Datum vom 14. Oktober 2009 ein Vorabent-scheidungsersuchen an den EuGH gerichtet hinsichtlich der Frage, ob es Art. 56 EG-Vertrag bzw. Art. 12 EG-Vertrag widerspreche, wenn ein im Inland beschränkt steuerpflichtiger Angehöriger anders als ein unbeschränkt Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehende Renten nicht als Sonderausgaben geltend machen könne und das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH gem. § 74 FGO ausgesetzt.
11
Mit Urteil vom 31. März 2011 hat der EuGH entschieden, dass Art. 63 AEUV dahingehend auszulegen ist, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichten erlaubt, die einem Elternteil, der ihm in diesem Staat belegene Immobilien übertragen hat, gezahlten Renten von Einkünften aus der Vermietung dieser Immobilien abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Abzug jedoch nicht gewährt, entgegensteht, soweit die Verpflichtung zur Zahlung dieser Renten auf der Übertragung der Immobilien beruht. Hinsichtlich der Begründung der Entscheidung wird auf das Urteil des EuGH verwiesen.
12
Da der Beklagte nicht bereit war, aufgrund der Entscheidung des EuGH der Klage abzuhelfen, hat das Niedersächsische Finanzgericht die Sache zur mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2011 geladen. Die Ladung erfolgte durch den Berichterstatter im Sinne des § 79a Abs. 4 FGO. Eine Übertragung des Rechtsstreits durch den Senat auf den Einzelrichter im Sinne des § 6 FGO ist niemals erfolgt. Ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2011 haben die Verfahrensbeteiligten eingangs der mündlichen Verhandlung die Zustimmung zur Entscheidung durch den Berichterstatter gem. §§ 79a Abs. 3 und 4 FGO erteilt. Eine entsprechende Zustimmung hatten die Verfahrensbeteiligten auch schon vor dem Vorabentscheidungsersuchen erteilt (Bl. 32, 38 FG-Akte).
13
Das Gericht hat der Klage stattgegeben. Hinsichtlich der Gründe wird auf das Urteil vom 30. Mai 2011 verwiesen.
14
Gegen dieses Urteil legte der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde ein. In diesem Verfahren rügte der Beklagte die fehlerhafte Besetzung des Gerichts, indem er wahrheitswidrig behauptete, das Gericht habe durch den Einzelrichter im Sinne des § 6 FGO über die Sache entschieden. Nach einer mündlichen Verhandlung des Senats sei nach § 6 Abs. 2 FGO eine Übertragung auf den Einzelrichter ausgeschlossen.
15
Der BFH machte sich den unrichtigen Sachvortrag des Beklagten in dem Beschluss I B 109/11 vom 26. März zu Eigen und führte aus, dass eine Übertragung auf den Einzelrichter – die tatsächlich niemals stattgefunden hat – nach § 6 Abs. 2 FGO ausgeschlossen gewesen sei. Wegen fehlerhafter Besetzung des Gerichts sei das Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
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Im zweiten Rechtsgang macht sich der Kläger die Argumentation des EuGH zu Eigen und begehrt weiterhin den Abzug der Rentenzahlung als Sonderausgabe. Dem Vortrag des Beklagten, bei Nichtanwendung des § 50 d Abs. 1 Satz 4 EStG würde dieser jegliche Bedeutung verlieren, hält er entgegen, dass § 50 d Abs. 1 Satz 4 EStG weiterhin in allen Fällen anzuwenden sei, in denen der Steuerpflichtige in einem auswärtigen Staat lebe, der nicht Mitglied der EU sei.
17
Der Kläger beantragt,
18
den Einkommensteuerbescheid vom 30. September 2004 in Form des Ände-rungsbescheides vom 4. August 2005 und des Einspruchsbescheides vom 13. September 2010 dahingehend zu ändern, dass sich die Einkommensteuer 2002 dadurch ermäßigt, dass Sonderausgaben in Höhe von 1.000,- € zum Abzug zugelassen werden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte meint, dass das Urteil des EuGH für die Entscheidung des Falles unerheblich sei. Der EuGH habe nicht entschieden, dass eine Regelung, die den Sonderausgabenabzug des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG beschränkt, grundsätzlich gegen das Unionsrecht verstoße. Das sei nur dann der Fall, wenn die Rente als Aufwendung anzusehen sein sollte, die unmittelbar mit der Vermietungstätigkeit zusammenhänge.
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Im Streitfall diene die Zahlung der Rente dem Versorgungsbedürfnis des Vermögens-übergebers und stehe nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften. Es bestehe kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang im Sinne einer zwangsläufigen Verknüpfung von Einnahmen und Ausgaben. Wenn die Übertragung von Grundbesitz nach dem Willen der Beteiligten dazu diene, echte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, werde ein anderer Vertragstypus gewählt, bei dem sich Leistung und Gegenleistung entsprächen. Im Streitfall entspreche der Übertragungsvertrag nicht diesen Kriterien. Leistung und Gegenleistung würden nicht gegeneinander ab-gewogen, was sich u.a. an der Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel und an der ver-einbarten Abänderungsbefugnis zeige. Dies zeige den familiären Hintergrund der ge-troffenen Vereinbarung. Unter fremden Dritten sei ein entsprechender Vertragsabschluss nicht denkbar. Wenn der EuGH behaupte, dass die Regelung eines Mitgliedstaates, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen erlaube, die einem Elternteil gezahlten Renten von den Einkünften aus der Vermietung und Verpachtung dieser Immobilie abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Abzug jedoch nicht gewähre, unzulässig sei, dann verkenne er, dass auch gebietsansässigen Steuerpflichtigen nicht der Abzug der Rentenaufwendungen von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gewährt werde. Vielmehr werde der Abzug gerade aus der Einkünfteermittlung herausgenommen.
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Der EuGH habe in seiner Entscheidung auf einen Zusammenhang zwischen Grundstücksübertragungen und Rentenzahlungen abgestellt. Im Streitfall beruhe die Rentenzahlungsverpflichtung des Klägers auf dem Verzicht seiner Mutter auf ein Nießbrauchsrecht. Es sei fraglich, ob die Grundsätze der Entscheidung des EuGH auch auf Fallkonstellationen anwendbar seien, die nicht auf der Übertragung von Grundstücken, sondern auf der Ablösung von Nießbrauchsrechten beruhten.
24
Zu beachten sei, dass bei Versorgungsverträgen unter Gebietsansässigen die verein-nahmten Rentenzahlungen von dem Vermögensübergeber nach § 22 Nr. 1b EStG ver-steuert werden müssten. Bei Gebietsfremden entfalle demgegenüber die Rentenversteue-rung beim Vermögensübergeber, so dass die vom EuGH angenommene Ungleichbe-handlung gebietsfremder Steuerpflichtiger beim Abzug der Rentenzahlungen durch die korrespondierende Regelung hinsichtlich der Rentenversteuerung ausgeglichen werde.
25
Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zugestanden, dass er im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes eine weitergehende Sachverhaltsermittlung als nicht erforderlich erachtet.
26
Der Beklagte regt die Zulassung der Revision an.
Entscheidungsgründe
27
Die Klage ist begründet.
28
Der Senat ist an die Aufhebung des Urteils vom 30. Mai 2011 durch Beschluss des BFH I B 109/11 vom 26. März 2012 gebunden. Zwar steht diese Entscheidung im klaren Widerspruch zum Inhalt der Akten, weil der BFH unterstellt, der Senat habe den Rechtsstreit nach § 6 FGO auf den Einzelrichter übertragen und dieser im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2011 als Einzelrichter entschieden, obwohl tatsächlich der Rechtsstreit gar nicht auf den Einzelrichter übertragen wurde und der Berichterstatter aufgrund entsprechender Einverständniserklärungen der Verfahrensbeteiligten nach § 79a Abs. 3, 4 FGO (sog. konsentierter Einzelrichter) über die Sache entschieden hat. Die Beschränkungen des § 6 FGO gelten bei der Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter nicht (Gräber-Koch, Kommentar zur FGO, § 79a Rn. 29). Dieser Fehler des BFH bewirkt jedoch nicht, dass seine Entscheidung nichtig ist.
29
Der Kläger kann die im Streitjahr 2002 an seine Mutter erbrachte Rentenzahlung in Höhe von 1.000,- € als Leibrente abziehen. Sonderausgaben sind u.a. gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Eine Verpflichtung zur Rentenzahlung ist hier durch Abschnitt III § 1 des Vermögensübergabevertrages vom 2. Dezember 2002 begründet worden. Bei Vermietungsüberschüssen in Höhe von 23.063,- € (2003), 21.734,- € (2004) und 5.049,- € (2005) für das Grundstück H, W.Platz sowie anteilig 4.191,- € (2003), 4.859,- € (2004) und 4.396,- € (2005) für die Grundstücksgemeinschaft H O-P bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht in der Lage ist, die Rentenzahlungen aus den nachhaltig erzielten Nettoerträgen des übertragenen Vermögens aufzubringen. Die übertragenen Grundstücke stellen von daher eine ertragsfähige Einheit dar im Sinne der Rechtsprechung des BFH (Beschluss des Großen Senats vom 12. Mai 2000 GrS 1/00, BStBl. II 2004, 95) dar. Der Kläger könnte deshalb die Rentenzahlungen als Sonderausgabe in Abzug bringen könnte, wenn er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig wäre. Dies hat auch der Beklagte auf ausdrückliche Rückfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zugestanden.
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Dem Sonderausgabenabzug steht auch nicht § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG entgegen. Gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG dürfen beschränkt Steuerpflichtige Betriebsausgaben oder Werbungskosten nur insoweit abziehen, als sie mit inländischen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG bestimmt, dass verschiedene Vorschriften, u.a. § 10 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht anzuwenden sind. Nach dieser Vorschrift wäre im Streitfall der Sonderausgabenabzug in der Tat ausgeschlossen.
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§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG kommt jedoch nicht zur Anwendung, weil die Vorschrift gegen Art. 63 AEUV verstößt, wie der EuGH mit Urteil vom 31. März 2011 C-450/09 entschieden hat. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist die Entscheidung des EuGH im Streitfall einschlägig. Der EuGH gibt im konkreten Fall dem Gericht auch nicht auf, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Dies lässt sich dem Gang der Argumentation in dem Urteil des EuGH eindeutig entnehmen:
32
Unter Textziffer 40 und 41 legt der EuGH dar, dass Regelungen, die Gebietsfremden den Abzug von Aufwendungen, die unmittelbar mit einer Tätigkeit zusammenhängen, verweigern, Gebietsansässigen den Abzug aber gewährt, eine mittelbare Diskriminierung beinhalten. Eine Regelung wie im Streitfall verstoße gegen Art. 63 AEUV, wenn die Rente, die der Kläger zahle, unmittelbar mit seiner Tätigkeit zusammenhänge.
33
Unter Textziffer 42 stellt der EuGH die vom Beklagte sowohl im Verfahren des Vorabentscheidungsersuchens, als auch im Folgeverfahren vorgetragene These dar, dass nämlich die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht gegen Art. 63 AEUV verstoße, weil es an einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Erzielung von Vermietungseinkünften und der Rentenzahlung, die sich ihrer Art nach von Betriebsausgaben oder Werbungskosten unterscheide, fehle. Die Höhe der Rentenzahlung werde durch das Versorgungsbedürfnis des Übertragenden bestimmt.
34
Dieser Argumentation, an der der Beklagte auch jetzt noch festhält, tritt der EuGH unter Textziffer 43 ausdrücklich entgegen. Selbst wenn die Rentenhöhe durch den Versorgungsbedarf des Übertragenden bestimmt werde, ändere dies nichts an dem Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Einnahmeerzielung und der Zahlung. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Einnahmeerzielung und Rentenzahlung bestehe, wenn die Aufwendung mit der Tätigkeit zur Erzielung dieser Einkünfte untrennbar verbunden sei. Im Vorlagefall bestehe eine solche untrennbare Verbindung, weil die Abrede über die Rentenzahlung auf der Übertragung des Grundstücks beruhe und Voraussetzung dafür sei, dass der Kläger über die Grundstücke verfügen und die in Deutschland zu versteuernden Mieteinkünfte erzielen könne (Tz. 45). Daraus folgert der EuGH unter Textziffer 46: „Soweit die Verpflichtung von Herrn S [dem Kläger], seiner Mutter diese Rente zu zahlen, demnach auf der Übertragung der in Deutschland belegenen Grundstücke auf ihn beruht, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, stellt diese Rente eine unmittelbar mit der Nutzung dieser Immobilien zusammenhänge Aufwendung dar, so dass sich Herr S insoweit in einer Lage befindet, die mit derjenigen eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen vergleichbar ist.“ Deshalb verstoße eine nationale Regelung, die auf dem Gebiet der Einkommensteuer den Abzug einer solchen Aufwendung Gebietsfremden verweigert, Gebietsansässigen aber gewähre, gegen Art. 63 AEUV (Tz. 47).
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Soweit der Beklagte aus dem Passus in Tz. 46 des EuGH-Urteils „was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist“ ableitet, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen Einnahmeerzielung und Rentenzahlung noch festgestellt werden müsse, verkennt er den Sinnzusammenhang, in dem diese Urteilspassage steht. Der EuGH gibt dem Ausgangsgericht nicht etwa konkret auf, die untrennbare Verbindung zwischen Mieteinkünften und Rentenzahlung noch festzustellen, sondern verweist abstrakt darauf, dass das vorlegende Gericht – und nicht der EuGH – diese Verbindung festzustellen hat. Im konkreten Streitfall hat das vorlegende Gericht jedoch bereits die untrennbare Verbindung dargelegt, wie der EuGH unter Tz. 45 unmissverständlich ausführt. Denn es wäre nicht schlüssig, warum das Ausgangsgericht noch einmal den Zusammenhang zwischen der Erzielung der Mieteinkünfte und der Rentenzahlung untersuchen sollte, wenn der EuGH zuvor klarstellt, dass die Abrede über die Rentenzahlung auf der Übertragung der Grundstücke beruht. Wenn der Beklagte diesen Zusammenhang in Abrede stellt, vertritt er der Sache nach weiterhin jene Rechtsauffassung, der der EuGH in Tz. 42,43 ausdrücklich entgegengetreten ist.
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Liest man den Entscheidungsausspruch, wonach Art. 63 AEUV einer Regelung eines Mitgliedsstaates entgegenstehe, die es einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen erlaube, gezahlte Renten von Einkünften aus der Vermietung von Immobilien abzuziehen, gebietsfremden Steuerpflichtigen einen solchen Abzug jedoch nicht gewährt, „soweit die Verpflichtung zur Zahlung dieser Renten auf der Übertragung der Immobilien beruht“ im Zusammenhang mit den vorangehenden Textpassagen des Urteils, ist eindeutig, dass im Streitfall Art. 63 AEUV der Anwendung des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG entgegensteht, weil der Kläger ohne den Vertrag vom 2. Dezember 2002 nicht verpflichtet wäre, die Rente, deren Abzug er begehrt, an seine Mutter zu zahlen.
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Unzutreffend ist die Behauptung, die Entscheidung des EuGH vom 31. März 2011 C-450/09 beschäftige sich lediglich mit der Übertragung von Grundstücken gegen Rentenzahlung, nicht aber mit dem Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht gegen Rentenzahlung. Zum einen ist dies schon in tatbestandlicher Hinsicht unzutreffend, weil dem Kläger im Zusammenhang mit dem mit seiner Mutter und seinem Bruder geschlossenen Versorgungsvertrag der hälftige Miteigentumsanteil an drei Grundstücken in O-P übertragen wurde. Zum anderen war dem EuGH bekannt, dass dem Kläger das Grundstück H, W.Platz 7 bereits früher übertragen worden war und nunmehr das zuvor bestehende Nießbrauchsrecht in eine Geldrente umgewandelt wurde, wie sich aus dem im Abschnitt „Ausgangsverfahren und Vorlagefrage“ mitgeteilten Sachverhalt ergibt. Zudem zitiert der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 11. Juni 2012 die Ausführungen des EuGH zu Tz. 45 irreführend, wenn er den ersten Satz weglässt, in dem es heißt, dass „die auf Herrn S übertragenen Grundstücke zumindest zum Teil mit Nießbrauchsrechten belastet waren, die in eine seiner Mutter zu zahlende monatliche Rente umgewandelt wurden“ und damit verschweigt, dass sich der mit einem „somit“ eingeleitete zweite Satz der Tz. 45 ausdrücklich auf die Umwandlung der Nießbrauchsvereinbarung in eine Rentenzahlungsverpflichtung bezieht.
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Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass im Gegensatz zu gebietsansässigen Steuerpflichtigen die Rentenzahlungen beim Vermögensübergeber nicht zu versteuern sind, verkennt er den Grundsatz der Individualbesteuerung. Die steuerliche Benachteiligung des Klägers gegenüber in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen wird nicht dadurch aufgehoben, dass seine Mutter die Rentenbezüge nicht zu versteuern hat. Im Übrigen ist die Argumentation des Beklagten auch in wirtschaftlicher Hinsicht unzutreffend, weil die Rentenbezieher mehrheitlich niedriger besteuert werden als diejenigen, auf die das Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen wird, so dass der nationale Gesetzgeber den darin liegenden steuerlichen Vorteil dann verweigert, wenn an der Vermögensübergabe ein beschränkt Steuerpflichtiger beteiligt ist.
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Der Senat sieht keinen Grund, die Revision zuzulassen. Zwar hatte der Rechtsstreit bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen grundsätzliche Bedeutung. Seit der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden hat, geht es in dem Verfahren nur noch um die Umsetzung des EuGH-Urteils im Einzelfall. Soweit der Beklagte ausführt, die Stattgabe führe faktisch zu einer Verwerfung des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG, verkennt er, dass sich dies für im EU-Ausland lebende Steuerpflichtige bereits aus der Entscheidung des EuGH ergibt. An dessen Entscheidung ist das erkennende Gericht ebenso gebunden, wie der BFH an die Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen gebunden wäre. Der Hinweis des Beklagten auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts liegt in diesem Zusammenhang gänzlich neben der Sache.
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Die Berechnung der Steuern wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO übertragen weil die Ermittlung der festzusetzenden Steuern einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.