Rheinland-pfälzische Vorschläge zur AN-Selbstveranlagung: Zukunftsmusik?

Der demografische Wandel rüttelt die Geister der Politik sowie der Finanzverwaltung wach: Mehr denn je spukt der Begriff der Selbstveranlagung durch die politische Erörterung. Spricht bereits der Koalitionsvertrag davon, dass das Verfahrensrecht hin zu einem Selbstveranlagungsverfahren beginnend mit der Körperschaftsteuer weiterentwickelt werden soll, ruft nun auch der rheinland-pfälzische Finanzminister Dr. Carsten Kühl 15 Vorschläge zur schrittweisen Einführung der Selbstveranlagung bei der Einkommensteuer auf die Tagesordnung. Gleich zweimal erörterte die Praxis jüngst diese Überlegungen engagiert mit Politik, Finanzverwaltung sowie Wissenschaft während gut besuchter Fachgespräche.
Was verbirgt sich hinter den Modellüberlegungen?
Mit der auf der Internetseite des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums veröffentlichten Modellbeschreibung soll eine Lösung zur Steigerung der Effizienz des Verwaltungsvollzugs angeboten werden. Darüber hinaus soll damit den in der Massenveranlagung zu erwartenden Vollzugsdefiziten und einer entsprechenden Absenkung der Qualität des Verwaltungsvollzugs begegnet werden: Sowohl der demografische Wandel als auch die den öffentlichen Haushalten auferlegten Sparzwänge führten mittelfristig zu einer Reduzierung des Personals in den Finanzämtern.

Der Systemwechsel solle sukzessive beginnen, um die technischen und rechtlichen Anpassungen zu erleichtern. Als ersten Schritt haben die Vorschläge lediglich einfach gelagerte Arbeitnehmerfälle im Fokus, da hier eine Vielzahl von Daten bereits elektronisch bei der Finanzverwaltung vorliegen oder in absehbarer Zeit vorliegen werden.

Grundvoraussetzung sei die vollelektronische, vorausgefüllte Steuererklärung. Flankierend soll die Selbstveranlagung durch eine Vereinfachung des Steuerrechts erleichtert werden. Als Vorteil für den Steuerpflichtigen gelte insbesondere eine beschleunigte Auszahlung einer etwaigen Steuererstattung.

Gibt es Anlass zur Besorgnis?
Die mit der Praxis geführten Erörterungen belegen, dass ein solcher Systemwechsel insgesamt noch sehr kritisch gesehen wird und zeitnah nicht umsetzbar ist. Das bestehende Risikomanagement der Finanzverwaltung müsse dringend überarbeitet werden, da bereits derzeit die Steuerfälle vielfach ausgesteuert würden und dann mit erheblichem Mehraufwand manuell bearbeitet werden müssten. Auch die bundesweit uneinheitliche IT-Landschaft bedürfte einer grundlegenden Anpassung.

Die Steuerberaterschaft hob u. a. die gewichtige Bedeutung des Steuerbescheids hervor. Würde er durch die Selbstveranlagung abgeschafft, käme es zu Friktionen zu anderen AN-Lebensbereichen: Der Bescheid sei insbesondere zur Vorlage bei Krankenkassen, bei Wohngeld- oder aber BaFöG-Anträgen notwendig. Zudem müsste der erheblichen Verlagerung der Verantwortung für eine ordnungsgemäße Steuerfestsetzung auf den Steuerpflichtigen oder seinen Berater sowie dem damit einhergehenden Mehraufwand durch mehr Entgegenkommen seitens der Finanzverwaltung begegnet werden. Zur Förderung der Akzeptanz eines Systemwechsels müssten u. a. die Nachforderungen von Belegen deutlich reduziert und die Möglichkeit der elektronischen Übertragbarkeit von Belegen geschaffen werden. Eine Anhebung des Sanktionssystems – wie es in anderen Ländern (bspw.: USA, Großbritannien) für das Selbstveranlagungsverfahren vorgesehen ist – sei nicht hinnehmbar.

Maßgebliche Vertreter aus Politik, Finanzverwaltung und Wissenschaft diskutierten mit dem Plenum die Chancen und Risiken eines solchen Systemwechsels während der Veranstaltung „Steuererklärung leicht gemacht – Das Projekt Selbstveranlagung“ in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Berlin, im April. Für den Steuerberaterverband Hessen e.V. brachte sich sein Präsident StB Burkhard Köhler sowie für den Deutschen Steuerberaterverband e.V. RAin/StBin Sylvia Mein in das Fachgespräch ein. An dem vom Finanzministerium Rheinland-Pfalz im Februar in Mainz ausgerichteten Fach-Workshop nahm für den Steuerberaterverband Rheinland-Pfalz e.V. sein Präsident StB/vBP Wolfgang Roth teil.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des DStV.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Mitteilung vom 17.04.2014

Beendigung der Konzernbesteuerung mit Insolvenzeröffnung

Mit Beschluss vom 19.03.2014 (V B 14/14) äußert der Bundesfinanzhof (BFH) ernstliche Zweifel am Fortbestand der umsatzsteuerrechtlichen Konzernbesteuerung (Organschaft) im Insolvenzfall.

Die umsatzsteuerrechtliche Organschaft führt zu einer Zusammenfassung mehrerer Unternehmen zu einem Steuerpflichtigen. Leistungsbeziehungen zwischen diesen Unternehmen werden nicht mehr besteuert. Die Konzernobergesellschaft (Organträger) ist Steuerschuldner auch für die Umsätze, die andere eingegliederte Konzerngesellschaften (Organgesellschaften) gegenüber Dritten ausführen. Soweit die Steuerschuld des Organträgers auf der Umsatztätigkeit einer Organgesellschaft beruht, steht dem Organträger ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft zu. Die Organschaft soll nach ihrer gesetzlichen Konzeption der Steuervereinfachung dienen.

Im Streitfall wurde sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch bei den Organgesellschaften das Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils Eigenverwaltung angeordnet. Aufgrund der Eigenverwaltung gingen Finanzamt (FA) und Finanzgericht davon aus, dass die Organschaft fortbestanden habe. Danach hatte der Organträger die Umsätze der Organgesellschaften auch während des Insolvenzverfahrens weiter zu versteuern.

Dem trat der BFH mit seinem – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen und zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten – Beschluss entgegen. Danach ist es grundsätzlich zweifelhaft, ob die Organschaft im Insolvenzverfahren fortbestehen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter bestellt oder Eigenverwaltung anordnet.

Der BFH begründet seine Entscheidung mit den aufgrund der Insolvenzeröffnung nur noch eingeschränkten Möglichkeiten zur Anspruchsdurchsetzung. So ist im Insolvenzverfahren des Organträgers die auf die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft entfallende Umsatzsteuer keine Masseverbindlichkeit und kann daher vom FA nicht durch Steuerbescheid gegen den Organträger festgesetzt werden. In der Insolvenz der Organgesellschaft ist der Organträger zudem nicht berechtigt, seinen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft als Masseverbindlichkeit geltend zu machen. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus.

Quelle: BFH, Pressemitteilung Nr. 29/14 vom 16.04.2014 zum Beschluss V B 14/14 vom 19.03.2014

Alleinstehender Arbeitnehmer kann in seinem Elternhaus einen eigenen Hausstand unterhalten

Der 6. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 12. März 2014 (Az. 6 K 3093/11 E) zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen ein alleinstehender Arbeitnehmer in seinem Elternhaus einen eigenen Hausstand unterhält.

Der im Streitjahr 27 Jahre alte Kläger bewohnt das ausgebaute Dachgeschoss (ca. 30 m² Wohnfläche) im Haus seiner Mutter. Küche und Badezimmer befinden sich im Erdgeschoss. Dem Kläger stehen im Dachgeschoss eine Spüle, ein Kühlschrank, eine Mikrowelle und ein Wasserkocher zur Verfügung. Miete zahlt er nicht, beteiligt sich aber an den Hauskosten und führt Reparaturen am Haus und Gartenarbeiten durch. Im Streitjahr nahm er – unmittelbar nach Beendigung seines Studiums – eine Beschäftigung auf und mietete zu diesem Zweck eine etwa 45 m² große Wohnung am Beschäftigungsort an. Das Finanzamt erkannte die vom Kläger geltend gemachten Kosten für eine doppelte Haushaltsführung nicht an, weil er im Haus seiner Mutter keinen eigenen Hausstand unterhalte.

Die Klage hatte Erfolg. Der Senat habe den Eindruck gewonnen, dass der Kläger das Bad und die Küche zwar gemeinsam mit seiner Mutter, jedoch von dieser unabhängig und eigenständig im Sinne einer „Wohngemeinschaft“ nutze. Durch die vorhandene Einrichtung des Dachgeschosses sei dort eine gewisse Grundversorgung sichergestellt. Eine bauliche Abgeschlossenheit der Räume sei ebenso wenig erforderlich wie der Abschluss eines Mietvertrages. Als Indiz für den eigenen Hausstand sprächen vielmehr die Beteiligung an den Hauskosten und die Übernahme von Reparatur- und Gartenarbeiten durch den Kläger. Zudem sei die Wohnung am Beschäftigungsort nur unwesentlich größer als das Dachgeschoss im Elternhaus.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.04.2014 zum Urteil 6 K 3093/11 vom 12.03.2014  Newsletter 04/2014

Ausschluss der Abgeltungssteuer für Gesellschafterdarlehen begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken

Der 12. Senat des Finanzgerichts Münster hält in seinem Urteil vom 22. Januar 2014 (Az. 12 K 3703/11 E) den Ausschluss des Abgeltungssteuersatzes für Zinsen auf Gesellschafterdarlehen (§ 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG) nicht für verfassungsrechtlich bedenklich.

Die Klägerin hatte einer GmbH, an der sie zu 50 % beteiligt war, mehrere Darlehen gewährt. Die hierfür von der GmbH im Jahr 2009 gezahlten Zinsen unterwarf das beklagte Finanzamt dem persönlichen Steuersatz der Klägerin und verwies auf die Ausnahmevorschrift für Gesellschafterdarlehen. Die Klägerin begehrte demgegenüber die Anwendung des niedrigeren Abgeltungssteuersatzes von 30 %, da die Ausnahmevorschrift nach ihrer Ansicht verfassungswidrig sei. Der Gesetzgeber sei über den Zweck, missbräuchliche Gestaltungen zu bekämpfen, hinausgegangen. Im Streitfall beruhten die Darlehensverträge auf rationalen Entscheidungen, den Kapitalbedarf der GmbH durch Gesellschafterdarlehen zu decken und seien steuerlich anzuerkennen.

Der Senat folgte dieser Argumentation nicht und wies die Klage ab. Die Zinserträge der Klägerin unterlägen gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG ihrem persönlichen Steuersatz, weil sie zu mehr als 10 % an der GmbH beteiligt war. Die verfassungsrechtlichen Bedenken teilte der Senat nicht. Insbesondere liege kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor. Die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Einnahmen aus Gesellschafterdarlehen gegenüber Zinsen, die von Dritten gezahlt werden, sei sachlich gerechtfertigt. Die Abgeltungssteuer sei hauptsächlich eingeführt worden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland zu sichern und den Kapitalabfluss ins Ausland zu unterbinden. Demgegenüber sollte gerade kein Anreiz geschaffen werden, unternehmerisches Eigenkapital in die begünstigt besteuerte private Ebene zu verlagern. Um dies zu verhindern, seien Ausnahmeregelungen geboten. Da dem Gesetzgeber hierfür ein weiter Ermessensspielraum zustehe, dürfe er typisierend davon ausgehen, dass bei einer Beteiligung ab 10 % ein Einfluss auf die Gesellschaft bestehe, der steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zulasse.

Die vom Senat zugelassene Revision ist am Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VIII R 15/14 anhängig.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.04.2014 zum Urteil 12 K 3703/11 vom 22.01.2014 (nrkr)  Newsletter 04/2014

Aufwendungen für den Freikauf von der Wehrpflicht sind nicht abzugsfähig

Mit Urteil vom 12. Februar 2014 (Az. 5 K 2545/13 E) hat der 5. Senat des Finanzgerichts Münster entschieden, dass Kosten für den Freikauf von der Wehrpflicht weder Werbungskosten noch außergewöhnliche Belastungen darstellen.

Der Kläger, der mit seiner Familie in Deutschland lebt und hier auch berufstätig ist, unterliegt als türkischer Staatsangehöriger der dortigen Wehrpflicht. Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung machte er Kosten in Höhe von ca. 5.000 Euro als außergewöhnliche Belastungen geltend, die er bezahlt habe, um der türkischen Wehrpflicht zu entgehen. Die Ausübung der 18-monatigen Wehrpflicht hätte – so der Kläger – eine unvorstellbare Härte für die Familie sowie den Verlust seines Arbeitsplatzes bedeutet. Das Gericht behandelte – wie zuvor das Finanzamt – die Kosten als nicht abzugsfähige Aufwendungen und wies die Klage ab. Sie könnten bereits deshalb nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit anerkannt werden, weil für den Freikauf von der Wehrpflicht private Gründe im Vordergrund gestanden hätten. Der Kläger habe in erster Linie sein familiäres Umfeld erhalten wollen.

Die Kosten stellten ferner keine außergewöhnlichen Belastungen dar. Sie seien bereits nicht außergewöhnlich, da der Wehrdienst als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht grundsätzlich alle Personen eines bestimmten Alters und Geschlechts treffe. Zudem seien die Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden, denn der Kläger hätte sich ihnen durch Ableistung des Wehrdienstes entziehen können.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 15.04.2014 zum Urteil 5 K 2545/13 vom 12.02.2014 Newsletter 04/2014

Umsatzsteuerbefreiung von Privatkliniken durch unmittelbare Anwendung europarechtlicher Regelung!

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster hat in einem heute veröffentlichten Urteil vom 18. März 2014 (15 K 4236/11 U) entschieden, dass im Rahmen von Krankenhausbehandlungen durchgeführte psychotherapeutische Leistungen einer Klinik auch dann umsatzsteuerfrei sein können, wenn die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG nicht vorliegen. Der Senat hat klargestellt, dass die vom deutschen Gesetzgeber in § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG aufgestellten Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit entsprechender psychotherapeutischer Leistungen nicht mit der europarechtlichen Regelung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vereinbar sind. Daher könne sich die Klägerin – so der Senat – für die Steuerbefreiung der streitigen Umsätze erfolgreich unmittelbar auf die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie berufen.
Die Klägerin – eine GmbH – betreibt eine Klinik für Psychotherapie. Sie war im Streitjahr 2009 weder in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen, noch hatte sie mit den Landesverbänden der Krankenkassen einen Versorgungsvertrag im Sinne von § 108 Nr. 3 SGB V abgeschlossen. Der Umsatz der Klägerin aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten machte in den Jahren 2006 bis 2009 zwischen 34% und 47% des Gesamtumsatzes aus. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass nach der ab 2009 geltenden Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG entsprechende psychotherapeutische Leistungen nur dann steuerfrei seien, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder von gem. § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbracht würden. Dies sei in Bezug auf die Klägerin nicht der Fall. Ihre Leistungen seien mithin nicht umsatzsteuerfrei.

Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster sah dies anders und gab der Klage statt. Zwar erfülle die Klägerin – so der Senat – nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG. Jedoch sei diese gesetzliche Regelung nicht richtlinienkonform. Nicht zugelassene Kliniken könnten die vom deutschen Recht vorgesehene Umsatzsteuerbefreiung selbst dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie exakt die gleichen Heilbehandlungen zu gleichen Bedingungen erbrächten wie öffentlich-rechtliche bzw. zugelassene Kliniken. Hierin liege eine sachlich nicht gerechtfertigte umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung. Daher könne sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b) der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie berufen. Die dort genannten Voraussetzungen erfülle sie. Die Klägerin biete insbesondere ein vergleichbares Leistungsspektrum wie öffentliche bzw. gem. § 108 SGB V zugelassene Kliniken an und behandele gesetzlich wie privat versicherte Patienten gleich. Daher seien ihre Leistungen umsatzsteuerfrei.

Dies gelte – so der 15. Senat weiter – unabhängig davon, dass der Umsatz der Klägerin aus der Behandlung gesetzlich versicherter Patienten im Streitjahr bei 35% gelegen habe und damit die in der vor 2009 geltenden Fassung des § 4 Nr. 14 Buchst. b) UStG vorgesehene Grenze von 40% nicht erreicht worden sei. Jene Grenze finde keine Anwendung mehr. Zudem ergebe sich aus der gebotenen Gesamtschau, dass die Klägerin ihre psychotherapeutischen Leistungen unter Bedingungen erbringe, die in sozialer Hinsicht den Bedingungen entspreche, die auch für öffentlich-rechtliche Einrichtungen gelten.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Pressemitteilung vom 15.04.2014 zum Urteil 15 K 4236/11 U vom 18.03.2014

Vollziehung von Kernbrennstoffsteueranmeldung aufgehoben

FG Hamburg gewährt vorläufigen Rechtsschutz in 27 Fällen

Kernkraftwerksbetreibern stattgegeben und damit die Hauptzollämter vorläufig verpflichtet, insgesamt über 2,2 Milliarden Euro Kernbrennstoffsteuer zu erstatten. Im Einzelnen:

Zum 1. Januar 2011 trat das Kernbrennstoffsteuergesetz in Kraft, mit dem der Bund eine neue Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen eingeführt hat. Die Betreiber von fünf Kernkraftwerken haben beim Finanzgericht Hamburg Klagen gegen das von Beginn an rechtlich umstrittene Gesetz erhoben. Mit zwei Beschlüssen aus dem Jahr 2013 hat der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg bereits die höchstrichterliche Überprüfung des Kernbrennstoffsteuergesetzes veranlasst und das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe (Az. BVerfG 2 BvL 6/13) und den Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg (Az. EuGH C-5/14) angerufen. Da der 4. Senat über die bei ihm anhängigen Klagen jedoch nicht entscheiden kann, solange noch keine Urteile aus Karlsruhe und Luxemburg vorliegen, haben die Betreiber der Kernkraftwerke vorläufigen Rechtsschutz beantragt, um von der Zahlung der Kernbrennstoffsteuer einstweilig befreit zu werden bzw. deren Erstattung zu erreichen. Mit Erfolg.

Der 4. Senat hält das Kernbrennstoffsteuergesetz für verfassungswidrig. Die Kernbrennstoffsteuer besteuere nicht den Verbrauch von Kernbrennstoffen oder elektrischen Strom, sondern sei eine Steuer zur Abschöpfung der Gewinne der Kraftwerkbetreiber. Deshalb habe sich der Bund zu Unrecht auf seine Gesetzgebungskompetenz für Verbrauchsteuern berufen. Außerdem spreche einiges dafür, dass die Kernbrennstoffsteuer europarechtswidrig ist. Das in der europäischen Energiesteuerrichtlinie verankerte Prinzip der „Output-Besteuerung“ verbietet es, neben dem elektrischen Strom selbst auch noch die Energieerzeugnisse zu besteuern, die zu seiner Produktion eingesetzt werden. Der 4. Senat hält es für durchaus möglich, dass dieses Verbot auch die in der Richtlinie nicht ausdrücklich genannten Kernbrennstoffe erfasst. Im Übrigen spreche einiges dafür, dass die europäische Verbrauchsteuersystemrichtlinie den Mitgliedstaaten verbiete, eine Steuer wie die Kernbrennstoffsteuer neu zu erfinden. Aus diesen Gründen hat der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg die Vollziehung der Kernbrennstoffsteuer-Anmeldungen aufgehoben. Der 4. Senat hat die Beschwerde an den Bundesfinanzhof wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen.

Quelle: FG Hamburg, Pressemitteilung vom 14.04.2014 zum Beschluss 4 V 154/13 vom 14.04.2014

Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)

Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für Absetzungen für Abnutzung von Gebäuden (§ 7 Abs. 4 bis 5a Einkommensteuergesetz) ist es in der Praxis häufig erforderlich, einen Gesamtkaufpreis für ein bebautes Grundstück auf das Gebäude, das der Abnutzung unterliegt, sowie den nicht abnutzbaren Grund und Boden aufzuteilen. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Gesamtkaufpreis für ein bebautes Grundstück nicht nach der sog. Restwertmethode, sondern nach dem Verhältnis der Verkehrswerte oder Teilwerte auf den Grund und Boden einerseits sowie das Gebäude andererseits aufzuteilen (vgl. BFH-Urteil vom 10. Oktober 2000 IX R 86/97, BStBl II 2001, 183).
Die obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern stellen eine Arbeitshilfe als Excel-Datei zur Verfügung, die es unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ermöglicht, in einem typisierten Verfahren entweder eine Kaufpreisaufteilung selbst vorzunehmen oder die Plausibilität einer vorliegenden Kaufpreisaufteilung zu prüfen. Zusätzlich steht eine Anleitung für die Berechnung zur Aufteilung eines Grundstückskaufpreises zur Verfügung.

Die Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung) und die Anleitung für die Berechnung zur Aufteilung eines Grundstückskaufpreises finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Mitteilung vom 11.04.2014

Stärkung des Binnenmarkts durch Beseitigung von Steuerhemmnissen bei grenzüberschreitender Tätigkeit

Am 10.04.2014 startet die Kommission zwei öffentliche Konsultationen und richtet eine Sachverständigengruppe ein, um Ideen zu sammeln, wie sich Steuerhemmnisse beseitigen lassen, die die grenzüberschreitende Tätigkeit von Personen im Binnenmarkt erschweren. Gleichzeitig hat die Kommission neue Internetseiten mit nützlichen Steuertipps für grenzübergreifend tätige Personen ins Netz gestellt.

Hierzu erklärte Algirdas Semeta, EU-Kommissar für Steuern: „Die Stärke der Europäischen Union liegt darin, dass sich Personen im Binnenmarkt frei bewegen können, um zu arbeiten, zu studieren oder ihren Ruhestand zu verbringen. Es ist wichtig, dass alle die Steuervorschriften einhalten, dies muss aber einfacher werden. Besonders berücksichtigt werden müssen dabei grenzübergreifende Situationen, in denen Doppelbesteuerung beseitigt werden muss.“

Die Statistik zeigt, dass viele EU-Bürgerinnen und Bürger in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten, sich im Ruhestand niederlassen oder investieren. So leben z. B. etwa 14,1 Mio. EU-Bürgerinnen und -Bürger (bzw. 2,8 % der gesamten Bevölkerung der EU) in einem anderen EU-Mitgliedstaat, und beinahe 30 % der EU-Bürger kaufen über das Internet oder in anderer Form bei Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten ein. Dies kann bedeuten, dass Steuerpflichtige in mehreren Mitgliedstaaten bei der Steuererklärung komplizierte Vorschriften beachten müssen bzw. doppelt besteuert werden.

In der am 10.04.2014 eingerichteten Sachverständigengruppe werden Interessenträger zusammenkommen, um sich insbesondere mit Fragen der direkten Steuern zu befassen, die die grenzübergreifende Tätigkeit von Personen im Binnenmarkt erschweren können. Dabei werden vor allem die Einkommen- und die Erbschaftsteuern im Mittelpunkt stehen. Sofern notwendig, wird sich die Gruppe aber auch mit anderen Steuerarten beschäftigen, die sich auf die Mobilität von Personen auswirken, so etwa den Kfz-Steuern oder den Steuern im elektronischen Geschäftsverkehr.

Eine der öffentlichen Konsultationen befasst sich mit den Steuerproblemen von Bürgerinnen und Bürgern, die in einem anderen Mitgliedstaat tätig sind. Behandelt werden u. a. Fragen zu Problemen, die auftreten, wenn Personen in anderen Mitgliedstaaten arbeiten oder investieren, sowie Fragen zu Maßnahmen, die in bestimmten Mitgliedstaaten bereits in Kraft sind, um die Einhaltung von Steuervorschriften zu vereinfachen.

Die andere Konsultation befasst sich mit Problemen im Zusammenhang mit Erbschaftsteuern. Sie ist eine Folgemaßnahme zur diesbezüglichen Empfehlung der Kommission an die Mitgliedstaaten (IP/11/1551).

Diese drei Initiativen erfolgen im Anschluss an die 2012 und Anfang dieses Jahres angekündigten Überprüfungen (IP/12/340) und (IP/14/31), mit denen diskriminierende Steuervorschriften in den Mitgliedstaaten ermittelt werden sollen. Mit dem Fortschritt der Arbeiten zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Steuerhinterziehung durch eine engere Zusammenarbeit der Steuerbehörden sind jetzt auch entsprechende Anstrengungen erforderlich, um gegen grenzübergreifende Doppelbesteuerung vorzugehen und die Einhaltung der Steuervorschriften zu vereinfachen. Die Vereinfachung der Steuervorschriften für mobile Steuerpflichtige dürfte zudem auch den Steuerverwaltungen zugutekommen. Die Kommission wird anhand der eingegangenen Beiträge prüfen, welche Schritte sinnvoll sind, um die festgestellten Probleme in Angriff zu nehmen.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der EU-Kommission.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 10.04.2014

Vorsteuerabzug aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens

BFH-Urteil vom 24. April 2013, XI R 25/10, BStBl II 2014 S. xxx

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-7306 / 13 / 10001 vom 10.04.2014

I. Vorsteuerabzug aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens

Der Unternehmer ist nach § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Bei der Prüfung des Vorsteuerabzugs sind die Ausschlusstatbestände nach § 15 Abs. 1a, 1b und 2 UStG zu berücksichtigen. Zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung muss nach dem objektiven Inhalt der bezogenen Leistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen; nur mittelbar verfolgte Zwecke sind unerheblich. Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten entgeltlichen Leistungen sind (vgl. Abschnitt 15.2b Abs. 2 UStAE).

Mit Urteil vom 24. April 2013, XI R 25/10, hat der BFH entschieden, dass bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens regelmäßig auf das Verhältnis der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen sei und dass ein im Voranmeldungsverfahren vorläufiger Aufteilungsschlüssel im Rahmen der Jahresfestsetzung deshalb angepasst werden könne.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 4. April 2014 – IV D 3 – S-7155-a / 07 / 10002 (2014/0323101), BStBl I S. …, geändert worden ist, wie folgt geändert:

1. Abschnitt 15.2b Abs. 2 Satz 2 wird wie folgt gefasst:

2Bei der Prüfung des Vorsteuerabzugs sind die Ausschlusstatbestände nach § 15 Abs. 1a, 1b und 2 UStG zu berücksichtigen (vgl. Abschnitte 15.6, 15.6a und 15.12 bis 15.14).“

2. Abschnitt 15.12 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 7 wird wie folgt gefasst:

7Im Rahmen des § 15 Abs. 2 und 3 UStG kommt es entscheidend darauf an, ob der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (BFH-Urteil vom 22.03.2001, V R 46/00, BStBl II 2003 S. 433); zum Vorsteuerabzug aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens siehe Abschnitt 15.16.Abs. 2a.

b) In Absatz 5 wird nach Satz 7 folgender Satz 8 angefügt:

8Zum Vorsteuerabzug aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens siehe Abschnitt 15.16 Abs. 2a.“

3. In Abschnitt 15.16 wird nach Absatz 2 folgender neuer Absatz 2a eingefügt:

„(2a) 1Bei der Aufteilung von Vorsteuerbeträgen aus allgemeinen Aufwendungen des Unternehmens (vgl. Abschnitt 15.2b Abs. 2 S. 4) ist regelmäßig auf das Verhältnis der gesamten Umsätze im Besteuerungszeitraum abzustellen. 3Wird ein Aufteilungsschlüssel im Voranmeldungsverfahren vorläufig angewandt, z. B. auf der Grundlage der Umsätze des vorangegangenen Jahres, führt die Festsetzung des endgültigen, abweichenden Aufteilungsschlüssels zu einer Berichtigung der nach dem vorläufigen Aufteilungsschlüssel ermittelten Vorsteuerbeträge in der Jahresfestsetzung (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.2013, XI R 25/10, BStBl II 2014 S. ...).“

III. Anwendungsregelung

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden.

Quelle: BMF

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin