Alle Beiträge von steuerschroeder.de

Steuerberater

Keine erweiterte Grundbesitzkürzung bei Mitüberlassung von Einrichtungsgegenständen

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 859/10 G,F

Datum:
22.10.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 859/10 G,F
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1T a t b e s t a n d

2Die Klägerin ist eine GmbH, die durch Vertrag vom 13.3.2001 gegründet und am „…“.4.2001 in das Handelsregister (Amtsgericht „C-Stadt“, HRB „001“) eingetragen wurde. Sie ist eine Holding, deren Tätigkeit sich auf das Erwerben, Halten und Veräußern von Beteiligungen beschränkt, die den Besitz und den Betrieb von Hotels und ähnlichen Betrieben zum Gegenstand haben. Die Entstehung der Klägerin ist darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2001 über das Vermögen der Firmengruppe „D“ in „F-Stadt“ das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Die „D“-Gruppe hatte u.a. auch mehrere Hotels betrieben. Aus der Insolvenzmasse erwarb der Konzern „X“, zu dem die Klägerin gehört, umfangreiche Unternehmensteile. Hierzu gehörten auch mehrere Hotelgrundstücke nebst Inventar sowie die Anteile an einer Auffanggesellschaft für die „D-Immobilien-GmbH“, deren Geschäftstätigkeit in dem Anpachten und Betreiben von Hotels bestanden hatte.

3Am 31.5.2001 bzw. am 8.6.2001 gründete die Klägerin 4 Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die jeweils Hotelgrundstücke (bzw. im Falle des Hotels „A-Str.“ in „C-Stadt“ Miteigentumsanteile von 33,9% des Hotelgebäudes) aus der Insolvenzmasse der „D“-Gruppe erwarben und an denen die Klägerin 100%-ige Beteiligungen hielt. Es handelte sich um folgende Gesellschaften:

41)              Hotel „W-Straße“ GmbH (W)

52)              Hotel „O-Straße“ GmbH (O)

63)              Hotel „V-Straße“ GmbH (V)

74)              Hotel „A-Straße” GmbH (A)

8Der Erwerb des Hotels „V-Straße“ durch die V wurde aufgrund der Ausübung eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrechts zum 31.12.2002 rückabgewickelt.

9Mit allen der vorgenannten Gesellschaften stand die Klägerin im Streitjahr 2001 in einem gewerbesteuerlichen Organschaftsverhältnis. Im Streitjahr 2003 bestand keine gewerbesteuerliche Organschaft. Im Streitjahr 2004 bestand ein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und den Gesellschaften W und A.

10Betrieben wurden die im Eigentum der „Besitzgesellschaften“ stehenden Hotels in den Streitjahren von einer anderen 100%-igen Tochter der Klägerin, der „T-Hotel“ GmbH (vormals Auffanggesellschaft der „D-Immobilien-GmbH“, künftig „T“), die die Hotels von den o.g. Gesellschaften anpachtete. Die „T“ hatte, um die Fortführung des Hotelbetriebs zu gewährleisten, auch das gesamte Management und Personal von den vormaligen Gesellschaften der „D2“, die die Hotelbetriebe geführt hatten, übernommen.

11In den Pachtverträgen mit der O und der W war geregelt, dass das Grundstück nebst dem aufstehenden Gebäude sowie sämtlichem im Zeitpunkt der Unterzeichnung vorhandenen Groß- und Kleininventar verpachtet wurde. Die Pacht bestand aus einer Basispacht und einem variablen Mietanteil in Höhe von 85% des Nettobetriebsergebnisses des Hotels. In Bezug auf das von der A gehaltene Hotelgrundstück trat die „T“ in den Mietvertrag mit der „D2“ GmbH ein. Gegenstand der Verpachtung war hier ein schlüsselfertiges, betriebsbereites und in allen seinen Teilen benutzungsfähiges und konzessionsfähiges Hotel einschließlich der kompletten Möblierung. Auch in diesem Vertrag war eine Basispacht und eine Ergebnisbeteiligung vereinbart. Letztere belief sich auf 65% des Jahresnettoergebnisses.

12Die o.g. Verträge beinhalteten Regelungen bzgl. der Wartung, Reparatur und Ersatzbeschaffung von Klein- und Großinventar und bzgl. der Durchführung von Schönheitsreparaturen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verträge Bezug genommen.

13In ihrer Gewerbesteuererklärung für 2001 erklärte die Klägerin, dass sie Organträgerin bzgl. der in der Ergänzungsliste aufgeführten Organgesellschaften O, A, W und V sowie der „T“ sei. Sie erklärte insoweit einen ihr zuzurechnenden Gewerbeertrag der Organgesellschaften in Höhe von insgesamt 56.241 €. Dieser setzte sich laut der Ergänzungsliste wie folgt zusammen:

14

Gesellschaft Summe Gewinn und Hinzurechnungen Nach Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3
Hotel „O-Straße“ GmbH 64.295 0
Hotel „A-Straße” GmbH 112.236 0
Hotel „V-Straße“ GmbH -4.085 -4.085
Hotel „W-Straße“GmbH -104.814 -104.814
„T-Hotel“ GmbH 165.140 165.140
56.241

15Das für die Veranlagung der Klägerin zunächst zuständige Finanzamt (FA) „C-Stadt“ veranlagte die Klägerin mit Gewerbesteuermessbescheid für 2001 vom 2.4.2003, ergangen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 der Abgabenordnung (AO), antragsgemäß. Der festgesetzte Gewerbesteuermessbetrag belief sich auf 1.101,83 €.

16Für 2003 setzte das FA „C-Stadt“ den Gewerbesteuermessbetrag mit Bescheid vom 2.11.2004, ergangen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, antragsgemäß auf 0 € fest. Mit Feststellungsbescheid vom gleichen Tag stellte es des Weiteren einen vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2003 von 23.309 € fest. Auch dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

17In ihrer Gewerbesteuererklärung für 2004 erklärte die Klägerin, dass sie Organträgerin der in der Ergänzungsliste aufgeführten Organgesellschaften A und W sei. Sie erklärte einen ihr zuzurechnenden Gewerbeertrag ihrer Organgesellschaften in Höhe von insgesamt -218.019 €. Dieser setzte sich wie folgt zusammen:

18

Summe Gewinn und Hinzurechnungen Nach Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3
Hotel „A-Straße” GmbH 273.019 0
Hotel „W-Straße“ GmbH -218.019 -218.019
-218.019

19Den Gewerbesteuermessbetrag für 2004 setzte das FA „C-Stadt“ mit Bescheid vom 16.5.2006 auf 0 € fest. Mit Feststellungsbescheid vom gleichen Tag stellte es des Weiteren einen vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2004 von 209.133 € fest. Auch diese beiden Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

20In der Zeit vom 15.6.2007 bis zum 10.7.2008 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung „C-Stadt“ eine Betriebsprüfung (künftig BP) bei der Klägerin durch. Laut dem BP-Bericht vom 14.7.2008 kam die BP u.a. zu dem Ergebnis, dass den Organtöchtern A, W und O die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht zustehe. Für die Begründung wird auf die Ausführungen im BP-Bericht und der bzgl. dieser Problematik erstellten Anlage Bezug genommen.

21Im Jahr 2007 verlegte die Klägerin ihren Sitz nach „F-Stadt“, so dass der Beklagte (künftig: das FA) zuständig wurde.

22Das FA schloss sich der Auffassung der BP an und erließ am 15.12.2008 einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2001, in dem es den Gewerbesteuermessbetrag auf 12.685,15 € festsetzte. Die Hinzurechnungen aus den Gewerbeerträgen der Organgesellschaften beliefen sich nunmehr auf 611.288 DM und setzten sich wie folgt zusammen:

23

vor BP nach BP
Hotel „O-Straße“ GmbH 0 357.101
Hotel „A-Straße” GmbH 0 188.664
Hotel „V-Straße“ GmbH -4.085 -4.085
Hotel „W-Straße“ GmbH -104.814 -95.532
„T-Hotel“ GmbH 165.140 165.140
56.241 611.288

24Darüber hinaus erließ das FA am gleichen Tag geänderte Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge für 2003 (0 €) und 2004 (4.605 €) sowie die gesonderte Feststellungen des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 und den 31.12.2004, in denen es einen vortragsfähigen Gewerbeverlust von 13.951 € (31.12.2003) bzw. von 0 € (31.12.2004) feststellte. Die Vorbehalte der Nachprüfung hob das FA jeweils auf. In Bezug auf 2004 legte das FA – in Übereinstimmung mit dem BP-Bericht –Gewerbeerträge der Organgesellschaften von 90.994 € (bislang -218.019 €) zugrunde, die sich wie folgt zusammen setzten:

25

vor BP nach BP
Hotel „A-Straße” GmbH 0 255.045
Hotel „W-Straße“ GmbH -218.019 -164.051
-218.018 90.994

26Für 2004 berücksichtigte das FA bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der Organgesellschaften A und W die Kürzung von 1,2% des Einheitswerts gem. § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG.

27Gegen die Änderungsbescheide nach BP legte die Klägerin fristgemäß Einsprüche ein. Zur Begründung führte sie aus, dass erhebliche Einwendungen gegen die Versagung der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung gem. § 9 Abs. 1 Sätze 2 bis 5 GewStG sowie den sich hieraus bei der Gesellschaft ergebenden steuerlichen Folgewirkungen bestünden. In der Stellungnahme des Prüfers sei an keiner Stelle substantiiert dargelegt, weshalb diese zu versagen sei. Insgesamt würden die Ausführungen im BP-Bericht sowohl in Bezug auf den Tatsachenvortrag als auch hinsichtlich der rechtlichen Schlussfolgerungen bestritten. In rechtlicher Hinsicht sei auf Folgendes hinzuweisen:

28-          Die Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 2 GewStG sei vorliegend nicht dadurch ausgeschlossen, dass – wie vom FA behauptet – die Organgesellschaften gewerbliche Einkünfte erzielen würden. Letzteres treffe nicht zu. Im Streitfall gehe die Grundstücksverwaltung nicht über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus. Zwischen den Organgesellschaften und der „T“ bestehe insbesondere keine gewerbliche Mitunternehmerschaft, sondern lediglich ein Pachtvertrag mit Umsatzbeteiligung. Ein Mitunternehmerrisiko der Organgesellschaften liege nicht vor. Es treffe zwar zu, dass es zu einer „Absaugung“ des Gewinns der „T“ komme, da diese einen variablen Mietanteil von 85% des Nettobetriebsergebnisses des jeweiligen Hotels abführen müsse. Dies allein führe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aber nicht dazu, dass sich das Risiko des Vertragspartners zu einem Mitunternehmerrisiko verdichte. Eine Beteiligung an einem etwaigen Verlust der „T“ bestehe ebenso wenig wie eine Beteiligung an den stillen Reserven. Eine Mitunternehmerinitiative liege ebenfalls nicht vor. Die vom FA herangezogene „Barhocker-Entscheidung“ (Hinweis auf BFH-Urteil vom 18.4.2000 VIII R 68/98, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFHE– 192, 100, Bundessteuerblatt –BStBl– 2001, 359) sei mit der im Streitfall gegebenen Konstellation nicht vergleichbar, da zwar ein Automatenaufsteller-Vertrag, wie er der BFH-Entscheidung zugrunde gelegen habe, gesellschaftsähnliche Merkmale aufweise, nicht aber der im Streitfall geschlossene Pachtvertrag.

29-          Entgegen der Auffassung der BP handle es sich auch nicht um eine Betriebsverpachtung im Ganzen. So würden zum Beispiel die Lizenzverträge zum Betreiben des Hotels als „J“ nicht durch die Organgesellschaften überlassen. Hinzu komme, dass als wesentliche Betriebsgrundlage das Gebäude anzusehen sei. Es könne nicht richtig sein, dass die Vermietung des Gebäudes als gewerbliche Tätigkeit anzusehen sei, denn dann wäre jede reine Gebäudevermietung bereits als gewerblich zu qualifizieren. Die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen, hier in Gestalt des Einrichtungsinventars, verleihe der Vermietung des Grundbesitzes noch keinen gewerblichen Charakter. Hinzu komme, dass die Organgesellschaften gar keine betrieblichen Vorrichtungen vermieten würden. Vielmehr handle es sich fast ausschließlich um Gegenstände des täglichen privaten Gebrauchs wie:

30o              Küchenausstattungen

31o              Elektroanlagen

32o              Elektrogeräte

33o              Zimmereinrichtungen

34o              diverses Kleinmaterial.

35-          Das Merkmal der Ausschließlichkeit sei erfüllt. Der Wortlaut der Kürzungsvorschrift sei insoweit nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu reduzieren. Unschädlich sei eine Vermietung von Inventar, wenn diese einen wirtschaftlich zu vernachlässigenden Umfang habe. Im vorliegenden Fall sei die Vermietung des Inventars als bloßes Nebengeschäft zum Hauptgeschäft, nämlich der Überlassung der Gebäude, anzusehen.

36-          In qualitativer Hinsicht werde die vom BFH aufgestellte Voraussetzung, dass die Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten Grundstücksverwaltung angesehen werden müsse, erfüllt. Die vorliegende Konstellation entspreche derjenigen im Getreidesilofall (Hinweis auf BFH-Urteil vom 4.10.2006 VIII R 48/05, abrufbar in juris).

37-          In quantitativer Hinsicht komme es auf die absolute und relative Höhe der Anschaffungskosten (AK) der Betriebsvorrichtungen im Verhältnis zu den Gesamt-AK an. Nach der Rechtsprechung des BFH sei von einer Geringfügigkeitsgrenze von 10% auszugehen. Im Streitfall würden die AK der Betriebsvorrichtungen nicht 10% der Gesamt-AK übersteigen. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass die Außenanlagen, Telefonanlagen und Elektroanlagen bewertungsrechtlich zu den Gebäuden und nicht zu den Betriebsvorrichtungen zählen würden.

38Für die weiteren Einzelheiten der Einspruchsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin im Einspruchsverfahren (insbesondere die vom 20.5.2009 und vom 20.11.2009) Bezug genommen.

39Das FA wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 26.2.2010, auf die wegen ihres Inhalts Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Zur Begründung stützte sich das FA im Wesentlichen darauf, dass das Ausschließlichkeitskriterium nicht gewahrt sei und dass es sich darüber hinaus auch um den Fall einer Betriebsverpachtung im Ganzen handle.

40Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage, zu deren Begründung ergänzend Folgendes vorgetragen wird: Das FA habe die Anwendung der erweiterten Grundbesitzkürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf die Erträge der Grundstücks(organ)gesellschaften zu Unrecht versagt. Die Organgesellschaften seien als Grundstücksunternehmen im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren. Der im BP-Bericht dargestellte Sachverhalt sei unzutreffend und werde bestritten. Tatsächlich hätten die Organgesellschaften der Klägerin der „T“ zu keinem Zeitpunkt Inventar im Rahmen einer Verpachtung zur Verfügung gestellt. Es sei ausschließlich der Grundbesitz überlassen worden. Die zwischen den Organgesellschaften und der „T“ geschlossenen Pachtverträge würden nicht die tatsächliche Vertragsdurchführung widerspiegeln. Daraus erkläre sich z.B. auch der Umstand, dass das in § 1 des Pachtvertrags vom 30.4.2001 zwischen der W und der „T“ in Bezug genommene Inventarverzeichnis gar nicht existiere.

41In rechtlicher Hinsicht werde auf die Begründung im Einspruchsverfahren Bezug genommen. Selbst wenn man den vom FA behaupteten Sachverhalt als wahr unterstelle, greife dennoch die Rechtsfolge der erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Die Mitverpachtung des Inventars dürfe bei einer an Sinn und Zweck gerichteten Auslegung der Vorschrift nicht zu einem Ausschluss der Kürzung führen. Mit der Verpachtung des Inventars werde nämlich noch nicht die Grenze zur Vermögensverwaltung überschritten. Die hier vertretene Rechtsauffassung stehe auch im Einklang mit dem Wortlaut der Vorschrift. Zwar sehe diese eine Kürzung nur für Unternehmen vor, die eigenen Grundbesitz verwalten würden. Das Ausschließlichkeitsgebot gelte nach der Rechtsprechung des BFH aber auch dann noch als gewahrt, wenn der Steuerpflichtige neben Grundbesitz andere Wirtschaftsgüter in nur geringem Umfang mitvermiete. Die von der Rechtsprechung aufgestellte Geringfügigkeitsgrenze würden die Organgesellschaften der Klägerin keinesfalls überschreiten, selbst wenn man die vom FA behauptete Mitverpachtung des Inventars als wahr unterstelle.

42Soweit das Finanzgericht (FG) auf das BFH-Urteil vom 18.5.2011 X R 4/10 (BFHE 233, 539, BStBl II 2011, 887) hingewiesen habe, wonach die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen zu versagen sei, wenn es sich bei dem Grundstücksunternehmen um eine Organgesellschaft handelt, die alle ihre Grundstücke an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises vermiete, sei dieses auf die hier gegebene Konstellation nicht anwendbar. Im Streitjahr 2001 habe in Bezug auf die „T“ keine Organschaft vorgelegen. Die „T“ sei zwar wirtschaftlich und finanziell in die Klägerin eingegliedert gewesen. Es fehle jedoch an der organisatorischen Eingliederung. Ausweislich des Handelsregisters sei Frau „M“ alleinige Geschäftsführerin der „T“ gewesen. Diese sei aber nicht auch zur Führung der Geschäfte der Klägerin befugt gewesen. Gleiches gelte im Ergebnis auch für den Veranlagungszeitraum 2004, da mit der „T“ kein Ergebnisabführungsvertrag geschlossen worden sei.

43Die Klägerin beantragt,

44den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2001 und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 jeweils vom 15.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.02.2010 dahingehend zu ändern, dass eine erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG berücksichtigt wird.

45Das FA beantragt,

46              die Klage abzuweisen.

47Das FA hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Es trägt ergänzend vor, dass der Klagevortrag zum Teil in sich widersprüchlich sei, da die Klägerin im Einspruchsverfahren selbst vorgetragen habe, dass die Organgesellschaften Gegenstände des täglichen Gebrauchs mitvermietet hätten.

48E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

49Die zulässige Klage ist unbegründet.

50Der Gewerbesteuermessbescheid für 2001 vom 15.12.2008 und die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2003 und den 31.12.2004 vom 15.12.2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.2.2010, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Mit Recht hat das FA der Klägerin die begehrte erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG versagt.

51I. Die Klägerin kann die erweiterte Grundbesitzkürzung in den Streitjahren 2001 und 2004 nicht in Anspruch nehmen, da sie nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet bzw. genutzt hat.

521. Gem. § 9 Nr. 1 Satz 1 1. Halbs. GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 vom Hundert des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt. An die Stelle der Kürzung nach Satz  1 tritt gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen im Sinne des Ersten Teils des Wohnungseigentumsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 28 des Gesetzes vom 14.12.1984 (Bundesgesetzblatt I 1984, 1493), errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

53Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist das Tatbestandsmerkmal der „Ausschließlichkeit“ eng auszulegen und beinhaltet prinzipiell keine Auslegungsspielräume (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.2000 I B 104/99, BFH/NV 2000, 1497). Ausnahmen wegen Geringfügigkeit seien deshalb auch nicht aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten (vgl. BFH-Urteil vom 14.4.2000 I B 104/99, BFH/NV 2000, 1497). Vor diesem Hintergrund hat der BFH im Regelfall auch die Mietvermietung von Betriebsvorrichtungen als begünstigungsschädlich angesehen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BFH-Urteil vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738). Betriebsvorrichtungen fallen nicht unter den „Grundbesitz“ im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Welche Wirtschaftsgüter dem Begriff des „Grundbesitzes“ unterfallen, ist § 68 des Bewertungsgesetzes (BewG) zu entnehmen, der den deckungsgleichen Begriff des „Grundvermögens“ definiert (vgl. BFH-Urteile vom 22.6.1977 I R 50/75, BFHE 122, 534, BStBl II 1977, 778; vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738). Danach gehören zum Grundvermögen u.a. der Grund und Boden, die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind dagegen u.a. die Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG). Ihre Überlassung stellt daher keine Verwaltung oder Nutzung von Grundbesitz, sondern eine eigenständige wirtschaftliche Tätigkeit dar (vgl. etwa BFH-Urteil vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738).

54Allerdings hat der BFH unter engen Voraussetzungen Ausnahmen davon zugelassen, dass die Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen zu einem Ausschluss der erweiterten Grundbesitzkürzung führt (eingehend zu den Prüfungskriterien und der Prüfungsabfolge Roser in Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, § 9 Nr. 1 Rn. 128 ff.). Eine solche Mitüberlassung soll (in sog. qualitativer Hinsicht) noch innerhalb des von dem Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG gezogenen Rahmens liegen, wenn sie der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dient und als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung angesehen werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 26.2.1992 I R 53/90, BFHE 167, 557, BStBl II 1992, 738; vom 26.8.1993 IV R 18/91, BFH/NV 1994, 338; vom 18.4.2000 VIII R 68/98, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359; vom 17.5.2006 VIII R 39/05, BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659; vom 4.10.2006 VIII R 48/05, abrufbar in juris; vom 5.3.2006 I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359). Maßgeblich ist insoweit, ob die Mitvermietung der Betriebsvorrichtungen für die „Nutzung“ des Grundstücks wirtschaftlich zwingend notwendig, d.h. unentbehrlich ist, nicht aber, ob eine vom Gebäude getrennte Nutzung der Betriebsvorrichtungen in sinnvoller Weise nicht in Betracht komme (vgl. BFH-Beschluss vom 7.4.2011 IV B 157/09, BFH/NV 2011, 1392). Als unschädlich anerkannt hat der BFH insbesondere den Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter und von notwendigen Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung, etwa die Unterhaltung von zentralen Heizungsanlagen, Gartenanlagen und Ähnlichem (vgl. BFH-Urteile vom 14.6.2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778; vom 5.3.2006 I R 56/07, BFH/NV 2008, 1359).

552. Übertragen auf den Streitfall folgt hieraus, dass der Klägerin die erweiterte Grundbesitzkürzung gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zusteht, da die Inanspruchnahme durch eine (schädliche) Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen ausgeschlossen wird.

56a) Im Streitfall steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Organtöchter der Klägerin, die die erweiterte Grundbesitzkürzung beantragt haben, auch ihr Inventar an die „T“ als Betriebsgesellschaft überlassen haben.

57aa) Das Klagebegehren, die erweiterte Grundbesitzkürzung zu gewähren, ist zunächst sinngemäß dahingehend auszulegen, dass es sich nur auf die Tochtergesellschaften bezieht, die eine entsprechende Kürzung beantragt haben. Bei der erweiterten Grundbesitzkürzung handelt es sich um ein antragsgebundenes Wahlrecht. Im Rahmen eines Organkreises sind die Verhältnisse einer jeden Gesellschaft unabhängig von den Verhältnissen der anderen zu beurteilen. Das Wahlrecht, die erweiterte Grundbesitzkürzung in Anspruch zu nehmen, steht jeder Gesellschaft unabhängig von der Ausübung durch die anderen zu; eine einheitliche Ausübung des Wahlrechts ist nicht erforderlich. Im Streitfall haben die Grundstücksunternehmen das Wahlrecht nach Aktenlage (und abweichend von der Darstellung im BP-Bericht vom 21.7.2008, Tz. 29) offenbar abweichend voneinander ausgeübt, und zwar dergestalt, dass nur die Grundstücksunternehmen mit positiven Ergebnisbeiträgen die erweiterte Grundbesitzkürzung beantragt haben. Wie sich aus den Mitteilungen der Finanzämter der Organgesellschaften vor BP ergibt, wurde die erweiterte Grundbesitzkürzung im Streitjahr 2001 von den Gesellschaften A und O und im Streitjahr 2004 von der Gesellschaft A in Anspruch genommen. Dass die W in den Streitjahren die erweiterte Grundbesitzkürzung beantragt hätte, ist für den Senat aus den Akten nicht ersichtlich und vor dem Hintergrund, dass wohl negative Ergebnisbeiträge aus der Vermietung des Grundstücks nebst Inventar erzielt wurden, auch nicht nachvollziehbar. Letztlich käme man im Streitfall aber zu keinem anderen Ergebnis, wenn – wie in Rz. 29 des BP-Berichts dargestellt – auch diese Organtochter die erweiterte Grundbesitzkürzung beanspruchen würde, da sie ebenfalls, wie nachfolgend ausgeführt, Betriebsvorrichtungen überlassen hat. Für die V wurde die erweiterte Grundbesitzkürzung weder im Veranlagungsverfahren noch im Einspruchs- oder Klageverfahren beantragt.

58bb) Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Grundstücksgesellschaften A, O und W in 2001 und A und W in 2004 im Rahmen der Pachtverträge mit der „T“ das in ihrem Eigentum stehende Hotelinventar überlassen haben.

59Aus den von der Klägerin im Rahmen der BP vorgelegten Pachtverträgen ist zu entnehmen ist, dass Pachtgegenstand jeweils das Grundstück nebst Gebäude und sämtlichem vorhandenen Groß- und Kleininventar war. Dies ergibt sich für die W aus § 1 des Pachtvertrages vom 30.4.2001 und für die A aus § 1 des Mietvertrages zwischen der „D2“ GmbH und der „D-Immobilien-GmbH“ vom 30.12.1993, in den die „T“ am 23.4.2001 als Mieterin und die A als Vermieterin eingetreten sind. In Bezug auf die O wurde am 30.4.2001 ein Pachtvertrag geschlossen, der sich zwar nicht in den den Streitfall betreffenden Akten befindet, nach den – unwidersprochenen – Feststellungen der BP aber im Wesentlichen dem Vertrag zwischen der W und der „T“ gleichen Datums entsprach.

60Darüber hinaus lässt sich den von der Klägerin vorgelegten Anlageverzeichnissen der Grundstücksgesellschaften O, A und W entnehmen, dass das Inventar, also etwa die Hoteleinrichtung und die Zimmereinrichtungen, bei diesen bilanziert wurde.

61Soweit die Klägerin im Klageverfahren mit Schriftsätzen vom 15.10.2010 und vom 4.1.2011 bestritten hat, dass die Grundstücksgesellschaften Inventar an die „T“ überlassen hätten, sieht der Senat dieses Bestreiten als unsubstantiiert an. Der seinerzeit für die Prozessbevollmächtigte der Klägerin tätige Steuerberater, der die betreffenden Schriftsätze gefertigt hat, hat lediglich behauptet, dass die geschlossenen Pachtverträge nicht die tatsächliche Vertragsdurchführung widerspiegeln würden. Ein Beweisantritt ist insoweit nicht erfolgt. Der inzwischen für die Prozessbevollmächtigte mit der Mandatswahrnehmung betraute Steuerberater hat im Erörterungstermin vom 16.7.2013 auf Befragen des Berichterstatters angegeben, dass auch aus seiner Sicht keine Zweifel daran bestünden, dass das Inventar durch die Grundstücksgesellschaften überlassen worden sei.

62cc) Jedenfalls bei Teilen des überlassenen Inventars handelte es sich um Betriebsvorrichtungen. Insoweit bedurfte es keiner Abgrenzung im Einzelnen, da dies jedenfalls uneingeschränkt für die Hoteleinrichtung und die Zimmereinrichtungen gilt.

63Bei den betreffenden Wirtschaftsgütern handelt es sich zwar dem Grunde nach um „Grundvermögen“ im Sinne des § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG, da sie zivilrechtlich als Grundstückszubehör im Sinne des § 97 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu qualifizieren sind. Es greift jedoch vorliegend die Ausnahmeregelung des § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG, wonach Betriebsvorrichtungen nicht in das Grundvermögen einzubeziehen sind. Nach der Rechtsprechung des BFH setzt der Begriff der Betriebsvorrichtung Gegenstände voraus, durch die das Gewerbe unmittelbar betrieben wird (vgl. etwa BFH-Urteile vom 5.9.2002 III R 8/99, BFHE 200, 164, BStBl II 2002, 877 und vom 28.2.2013 III R 35/12, BFHE 240, 453, BStBl II 2013, 606). Dagegen genügt es nicht, wenn eine Anlage für den Betrieb lediglich nützlich, notwendig oder gewerbepolizeilich vorgeschrieben ist (vgl. BFH-Urteil vom 5.9.2002 III R 8/99, BFHE 200, 164, BStBl II 2002, 877). Entscheidend ist, ob die Gegenstände von ihrer Funktion her unmittelbar zur Ausübung des Gewerbes genutzt werden, wobei es genügt, wenn die Anlage dem Betrieb des Gewerbes als Hauptzweck dient (vgl. BFH-Urteile vom 5.9.2002 III R 8/99, BFHE 200, 164, BStBl II 2002, 877; vom 28.2.2013 III R 35/12, BFHE 240, 453, BStBl II 2013, 606).

64Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf die Hoteleinrichtung und die Zimmereinrichtungen vor. Ein Hotel dient in erster Linie der Beherbergung von Menschen in separaten Räumlichkeiten, die für den vorübergehenden Aufenthalt sowie die Übernachtung hergerichtet sein müssen. Hierzu sind u.a. bestimmte Einrichtungsgegenstände wie etwa Bett, Schrank, Tisch und Stuhl erforderlich. Da darüber hinaus in einem Hotel in der Regel auch Verpflegungsleistungen angeboten werden, bedarf es hierfür weiterer Aufenthaltsräume und entsprechender Hoteleinrichtungsgegenstände. Sowohl die Zimmereinrichtung als auch die Hoteleinrichtung dienen unmittelbar der Ausübung des Hotelgewerbes und nicht (allein) dazu, das Gebäude besser nutzen zu können (vgl. zur in diesem Fall fehlenden unmittelbaren gewerblichen Nutzung BFH-Urteil vom 7.9.2000 III R 48/97, BFHE 194, 289, BStBl II 2001, 253).

65b) Die Überlassung der Betriebsvorrichtungen kann im Streitfall auch nicht als ausnahmsweise begünstigungsunschädlich angesehen werden. Die vom BFH (auf der „qualitativen“ Prüfungsstufe, vgl. Roser in Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, § 9 Nr. 1 Rn. 129) als Ausnahme von der Schädlichkeit anerkannte Voraussetzung, dass die Überlassung der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes im engeren Sinne dienen muss und sie daher als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und Grundstücksnutzung angesehen werden kann, liegt im Streitfall nicht vor. Der von den Grundstücksgesellschaften an die „T“ überlassene Grundbesitz ist auch ohne die hier maßgeblichen Betriebsvorrichtungen sinnvoll nutzbar. Auch wenn in der Praxis häufig bereits vollständig ausgestattete Hotelimmobilien inklusive Hotel- und Zimmereinrichtung verpachtet werden (vgl. etwa die Publikation „Beherbergungsgewerbe in Deutschland, Leitfaden für Immobiliengutachter, 2. Aufl., abrufbar unter http://www.voeb.de, Seiten 80 ff.), führt dies nicht dazu, dass die Mitüberlassung als „zwingend“ im Sinne der BFH-Rechtsprechung anzusehen ist. Der Umstand, dass auch Verträge über Hotelimmobilien ohne Inventur abgeschlossen werden, zeigt, dass potentielle Betreiber einer Hotelimmobilie ein solches Objekt, würde es ohne eine entsprechende Innenausstattung angeboten, auch in diesem Zustand mieten und selbst ausstatten würden.

66Darüber hinaus ist nach Auffassung des Senats der Anwendungsbereich der vom BFH anerkannten Ausnahme von der „Ausschließlichkeit“ im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG restriktiv auszulegen. Potentielle Ausnahmefälle müssen daher von ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung den vom BFH anerkannten Fällen wie etwa der Unterhaltung von notwendigen Sondereinrichtungen für die Mieter oder von zentralen Heizungsanlagen gleichkommen. Dies setzt nach Auffassung des Senats voraus, dass es sich zumindest um fest mit dem Grundstück verbundene Wirtschaftsgüter handelt (so wohl auch der BFH in seinem Urteil vom 14.6.2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778), während der Mitvermietung von Wirtschaftsgütern, die – wie hier – bereits nach zivilrechtlichen Maßstäben als bewegliche Wirtschaftsgüter zu qualifizieren sind, keine gleich hohe Bedeutsamkeit zuzumessen ist. Die hier vorliegende Mitüberlassung von Einrichtungsgegenständen ist daher nach Auffassung des Senats stets als begünstigungsschädlich zu qualifizieren.

67Schließlich handelt es sich vorliegend auch nicht deshalb um eine ausnahmsweise unschädliche Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen, weil diese nur wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch den Mieter die Rechtsnatur von Betriebsvorrichtungen hätten (so der BFH in seiner „Schwimmbad“-Entscheidung, vgl. BFH-Urteil vom 22.6.1977 I R 50/75, BFHE 12, 534, BStBl II 1977, 778). Ob eine solche Ausnahme nach der neueren (restriktiveren) Rechtsprechung überhaupt noch zum Tragen käme, kann hier dahingestellt bleiben. Bei einem Hotel sind die Einrichtungen speziell auf die Erfordernisse des Hotelbetriebs zugeschnitten. Die entsprechenden Wirtschaftsgüter waren daher vorliegend von Anfang an zu einer Nutzung für gewerbliche Zwecke bestimmt und wurden nicht erst aufgrund der Eigenart ihrer Nutzung durch die „T“ zu Betriebsvorrichtungen.

68II. In Bezug auf das Streitjahr 2001 ergibt sich der Ausschluss der erweiterten Grundbesitzkürzung darüber hinaus auch daraus, dass es sich um eine Vermietung innerhalb des Organkreises handelte.

69Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des BFH an, der mit Urteil vom 18.5.2011 X R 4/10 (BFHE 233, 539, BStBl II 2011, 887) entschieden hat, dass die erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu versagen ist, wenn es sich bei dem Grundstücksunternehmen um eine Organgesellschaft handelt, die alle ihre Grundstücke an eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises vermietet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Im Streitjahr 2001 haben die Grundstücksgesellschaften W, O und A die in ihrem Betriebsvermögen befindlichen Hotelobjekte an die „T“ vermietet. Diese Vermietung fand innerhalb eines Organkreises statt, da die Klägerin sowohl in einem Organschaftsverhältnis mit den Grundstücksgesellschaften als auch mit der „T“ stand.

70Letzteres sieht der Senat als erwiesen an. Nach der für das Streitjahr 2001 geltenden Rechtslage gilt gemäß § 2 Abs. 2 GewStG eine Kapitalgesellschaft dann als Betriebsstätte eines anderen Unternehmens, wenn sie in jenes inländische gewerbliche Unternehmen in der Weise eingegliedert ist, dass die Voraussetzungen des § 14 Nr. 1 und 2 KStG a.F. erfüllt sind. Dies setzt das Bestehen einer finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Eingliederung voraus. Die ersten beiden Eingliederungsmerkmale sind im Streitfall unstreitig erfüllt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist darüber hinaus aber auch die organisatorische Eingliederung gegeben. Eine solche setzt voraus, dass die mit der finanziellen Eingliederung verbundene Möglichkeit der Beherrschung der Tochtergesellschaft durch die Muttergesellschaft in der laufenden Geschäftsführung tatsächlich wahrgenommen wird. Es kommt deshalb darauf an, dass der Organträger die Organgesellschaft durch die Art und Weise der Geschäftsführung beherrscht (vgl. BFH-Urteile vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451 und vom 9.10.2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375), wobei zumindest durch die Gestaltung der Beziehungen zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft sichergestellt sein muss, dass eine vom Willen des Organträgers abweichende Willensbildung bei der Organtochter nicht stattfindet (vgl. etwa BFH-Urteil vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451). Die organisatorische Eingliederung kann sich aus einer personellen Verflechtung ergeben, wozu in aller Regel die personelle Verflechtung beider Geschäftsführungen erforderlich ist (vgl. etwa BFH-Urteil vom 20.8.2009 V R 30/06, BFH/NV 2009, 2080). Allerdings ist eine vollständige Identität der Geschäftsführer von Organträgerin und Organgesellschaft nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 5.12.2007 V R 26/06, BFHE 219, 463, BStBl II 2008, 451). Der Organträger kann auch durch ausschließlich organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass sein Wille in der Organgesellschaft tatsächlich ausgeführt wird. Die mit der finanziellen Eingliederung einhergehende Möglichkeit der Weisung durch Gesellschafterbeschluss führt noch nicht zur organisatorischen Eingliederung. Erforderlich sind vielmehr institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung (vgl. etwa BFH-Urteil vom 3.4.2008 V R 76/05, BFHE 221, 443, BStBl II 2008, 905).

71Vorliegend hat die Klägerin in einem Beiblatt zu ihrer Gewerbesteuererklärung für 2001 angegeben, dass mit der „T“ eine gewerbesteuerliche Organgesellschaft bestehe. Das FA hat die Klägerin insoweit antragsgemäß veranlagt. Auch nach Durchführung der BP war das Bestehen eines Organschaftsverhältnisses nicht streitig. Erstmals im Klageverfahren hat die Klägerin – nach dem Hinweis des Berichterstatters auf das BFH-Urteil vom 18.5.2011 X R 4/10 (BFHE 233, 539, BStBl II 2011, 887) – vorgetragen, dass mangels Geschäftsführeridentität keine organisatorische Eingliederung bestanden habe. Im Erörterungstermin vom 16.7.2013 hat der Berichterstatter die Klägerin darauf hingewiesen, dass dieser Vortrag nicht ausreichend sei. Es bedürfe weiterer Angaben dazu, ob die Beherrschung der Geschäftsführerin der „T“ nicht ggf. durch institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten in den Kernbereich der laufenden Geschäftsführung sichergestellt worden sei. Ein weiterer Vortrag zu diesem Punkt ist nicht erfolgt. Vielmehr hat der Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, dass er zu diesem Punkt – trotz der Aufforderung zur Aufklärung durch das FG – keine weiteren Ausführungen machen könne.

72Die fehlende Mitwirkung an der Aufklärung dieses Umstandes wirkt sich vorliegend zu Lasten der Klägerin aus. Aus der gemeinsamen Verantwortung von Steuerpflichtigem einerseits und Finanzbehörde sowie FG andererseits für die vollständige Sachaufklärung im Geltungsbereich des Abgabenrechts folgt u.a., dass sich dann, wenn ein Steuerpflichtiger ihm auferlegte allgemeine oder besondere Mitwirkungs-, Informations- oder Nachweispflichten verletzt, grundsätzlich die Ermittlungspflicht der Finanzbehörde (§ 88 Abs.1 AO 1977) oder des FG (§ 76 Abs.1 Sätze 2 bis 4 und § 96 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) entsprechend mindert (vgl. BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Kriterien und Ausmaß der Reduzierung von Sachaufklärungspflicht und Beweismaß lassen sich nicht generell festlegen, sondern nur von Fall zu Fall bestimmen (vgl. zu den einzelnen Kriterien BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462).

73Die Klägerin hat ihre Mitwirkungspflicht verletzt, indem sie keine Angaben dazu gemacht hat, ob institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeiten bestanden haben. Der Senat stuft diese Verletzung der Mitwirkungspflicht als schwerwiegend ein. Dies folgt zum einen daraus, dass es sich um Tatsachen handelt, die in der alleinigen Beweissphäre der Klägerin liegen. Die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Aufklärung des Sachverhalts ist aber umso größer (und die von Finanzbehörden und FG entsprechend geringer), je mehr Tatsachen oder Beweismittel der vom Steuerpflichtigen beherrschten Informations- und/oder Tätigkeitssphäre angehören (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Zum anderen sieht der Senat vorliegend eine gesteigerte Mitverantwortung der Klägerin deshalb als gegeben an, weil der Vortrag, es liege kein Organschaftsverhältnis zur „T“ vor, – trotz gegenteiliger Angaben in der Gewerbesteuererklärung – erstmals auf einen Hinweis des Gerichts hin erfolgte. Vor diesem Hintergrund ist der Senat auf der Grundlage des § 162 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 96 Abs.1 Satz 1 FGO befugt, aus dem Verhalten der Klägerin im Rahmen der Beweiswürdigung nachteilige Schlüsse zu ziehen bzw. belastende Unterstellungen vorzunehmen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15.2.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462). Der Senat geht daher im Rahmen seiner Beweiswürdigung aufgrund einer entsprechenden belastenden Unterstellung davon aus, dass die Angaben in der Gewerbesteuererklärung, dass ein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und der „T“ vorlag, zutreffend waren, weil trotz fehlender Geschäftsführeridentität eine institutionell abgesicherte unmittelbare Eingriffsmöglichkeit im Sinne der dargestellten BFH-Rechtsprechung bestand.

74III. Das FA hat anstelle der begehrten erweiterten Grundbesitzkürzung – soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen – die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG berücksichtigt, und zwar für das Streitjahr 2004 sowohl bei A als auch bei W. Ob der Ansatz entsprechender Kürzungsbeträge rechtlich zulässig war (zustimmend Roser in Lenski/Steinberg, Kommentar zum GewStG, § 9 Nr. 1 Rn. 98; ablehnend Gosch in Blümich, EStG, KStG und GewStG, § 9 GewStG Rn. 50), kann hier dahingestellt bleiben, da das FG zu einer Verschlechterung der Rechtsposition der Klägerin über den Zustand vor Klageerhebung hinaus nicht befugt ist (vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, § 96 Rn. 7 m.w.N.).

75IV. Die Klage ist schließlich auch in Bezug auf das Streitjahr 2003 unbegründet. Da in 2003 kein Organschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und den Grundstücksunternehmen bestand, stellt sich die Problematik der erweiterten Grundbesitzkürzung in diesem Streitjahr nicht. Aus diesem Grund hat die Klägerin – auf den Hinweis des Gerichts hin – für dieses Streitjahr auch keinen Klageantrag mehr gestellt.

76V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Kürzung der abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge um Beitragsrückerstattungen

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 3456/12 E

Datum:
19.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 3456/12 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1T a t b e s t a n d

2Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2010 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und war gesetzlich krankenversichert. Der Kläger war sowohl im Streitjahr 2010 als auch im vorangegangenen Jahr 2009 privat krankenversichert. Die gemeinsame Tochter der Kläger war im Streitjahr ebenfalls privat krankenversichert.

3Im Jahr 2010 erstattete die private Krankenversicherung dem Kläger für 2009 Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 608,98 €. Darüber hinaus schrieb sie dem Kläger einen „Gesundheitsbonus“ für 2009 in Höhe von 550 € gut. Die Höhe des Bonus richtete sich nach der Anzahl der leistungsfreien Jahre. Des Weiteren erhielt der Kläger eine Erstattung von Beiträgen zur Pflegeversicherung in Höhe von 75 €. Von den zurück gezahlten Beträgen entfielen – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – 1.119,64 € auf unbegrenzt abziehbare Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b des Einkommensteuergesetzes (EStG).

4In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger folgende Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei den Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG geltend (in €):

5

Beiträge zur privaten Krankenversicherung (Basisversicherung) des Klägers 2.789
Beiträge zur privaten Krankenversicherung (ohne Basisabsicherung) des Klägers 716
Beiträge zur privaten Pflegeversicherung des Klägers 273
Arbeitnehmerbeiträge zur Krankenversicherung der Klägerin 838
Arbeitnehmerbeiträge zur Pflegeversicherung der Klägerin 104
Beiträge zur Krankenversicherung des Kindes (Basisabsicherung) 1.179
Beiträge zur Krankenversicherung des Kindes (ohne Basisabsicherung) 302
6.201

6Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 die Aufwendungen für die gesetzliche Krankenversicherung der Klägerin, die private (Basis-)Krankenversicherung des Klägers sowie des Kindes (insgesamt 4.806 €) und die Beiträge der Klägerin und des Klägers zur Pflegeversicherung (insgesamt 377 €) als dem Grunde nach abziehbare Sonderausgaben (Vorsorgeaufwendungen). Von der Summe beider Beträge zog es jedoch die auf den Basisschutz entfallende Beitragsrückerstattung für Krankenversicherungsbeiträge aus dem Jahr 2009 in Höhe von 1.119 € ab, so dass lediglich (uneingeschränkt) zu berücksichtigende Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 4.064 € verblieben. Die insgesamt zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen ermittelte das FA wie folgt (in €):

7

Summe Altersvorsorgeaufwendungen 15.562
Davon 70% 10.894
Abzgl. Arbeitgeberanteil -1.054
Verbleiben 9.840 9.840
Beiträge zur Krankenversicherung 4.806
Beiträge zur Pflegeversicherung 377
Abzgl. Beitragsrückerstattung -1.119
Verbleiben 4.064
Weitere sonstige Vorsorgeaufwendungen 1.899
Summe 5.963
Davon abzugsfähig 4.700 4.700
Summe der abzugsfähigen Vorsorgeaufwendungen 14.540

8Dagegen legten die Kläger fristgemäß Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass ihres Erachtens eine Kürzung der Vorsorgeaufwendungen um die Erstattung für 2009 nicht gerechtfertigt sei. Die Aufwendungen hätten im Veranlagungszeitraum 2009 keine steuerliche Auswirkung gehabt. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgegebenen Änderungen im Bereich der Abzugsfähigkeit von Krankenversicherungsbeiträgen erst mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 umgesetzt. Die Beitragsrückerstattung für 2009 beziehe sich auf Beiträge vor der Gesetzesänderung und könne daher nicht für eine Kürzung der Beiträge für 2010 herangezogen werden.

9Das FA wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012 zurück. Zur Begründung führte es aus, dass als Sonderausgaben nur solche Aufwendungen Berücksichtigung finden könnten, mit denen der Steuerpflichtige endgültig wirtschaftlich belastet sei. Dies sei nicht der Fall, soweit ihm ein Teil der gezahlten Beiträge zurückgezahlt werde.

10Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Die Kläger halten an ihrer bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und tragen ergänzend vor: Da sich die für die Beitragsrückerstattung ursächlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Veranlagungszeitraum 2009 nicht ausgewirkt hätten, dürften diese nicht zur Kürzung der Vorsorgeaufwendungen der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für 2010 herangezogen werden. Es fehle an der Gleichartigkeit der Aufwendungen, wie sie der Bundesfinanzhof (BFH) im Falle einer Verrechnung verlange (Hinweis auf BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, Sammlung der Entscheidungen des BFH –BFHE– 226, 67, Bundessteuerblatt –BStBl– 2010, 38).

11Aus dem Einkommensteuerbescheid für 2009 lasse sich entnehmen, dass sich die Vorsorgeaufwendungen in Höhe von 8.748 €, in denen auch die Beiträge zur Krankenversicherung enthalten gewesen seien, lediglich in Höhe von 3.900 € steuermindernd ausgewirkt hätten. Dies entspreche einer Quote von 44,5%. Sie wären daher damit einverstanden, dass die Beitragsrückerstattung von 1.119,64 € quotal in Höhe von 499,15 € (44,5% von 1.119,64 €) zur Kürzung der Krankenversicherungsbeiträge herangezogen werde. Die Kürzung würde dann dem Verhältnis der steuerlich abzugsfähigen Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 4 EStG zu den übrigen Sonderausgaben entsprechen. Insoweit sei anzumerken, dass in 2009 selbst ohne die Krankenversicherungsbeiträge der Abzug der übrigen Sonderausgaben in Höhe von 3.900 € möglich gewesen wäre. Ein nahezu vollständiger Abzug der Beitragsrückerstattung im Jahr 2010 mit den voll abzugsfähigen Krankenversicherungsbeiträgen sei dagegen aufgrund des Systemwechsels bei der Abzugsfähigkeit der Krankenversicherungsbeiträge rechtlich nicht zulässig.

12Die Kläger beantragen sinngemäß,

13den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012 dahingehend abzuändern, dass bei der Berechnung der als Sonderausgaben abzugsfähigen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung die Erstattung von Beiträgen aus 2009 in Höhe von 1.119 € unberücksichtigt bleibt, hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

14Das FA beantragt,

15              die Klage abzuweisen.

16Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG seien nach der ständigen Rechtsprechung des BFH lediglich dann im Rahmen des Sonderausgabenabzugs zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet sei. An einer solchen Belastung fehle es, soweit Sonderausgaben erstattet würden. Dies treffe auch auf den Streitfall zu. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13.9.2010 (BStBl I 2010, 681 Rz. 56) sehe für den Fall der Beitragsrückerstattung von Basisleistungen vor, dass diese im Jahr des Zuflusses die abziehbaren Beiträge mindern würden. Allgemein gelte für Beitragsrückerstattungen das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG. Würden Versicherungsbeiträge im Folgejahr erstattet, komme es daher zu einer Minderung der Sonderausgaben des Erstattungsjahres um die Beitragsrückerstattung.

17Die im Jahr 2010 gezahlte Beitragsrückerstattung sei in Basis- und Wahlleistungen aufzuteilen. Systemgerecht würden aber lediglich die Basisleistungen von der Versicherung übermittelt, so dass der gemeldete Betrag in voller Höhe zur Minderung der Basisbeiträge des laufenden Jahres heranzuziehen sei. Es seien daher – entgegen der Auffassung der Kläger – auch gleichartige Sonderausgaben miteinander verrechnet worden.

18Sowohl die Kläger als auch das FA haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

20I. Der Senat durfte gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

21II. Die Klage ist unbegründet.

22Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.8.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

23Entgegen der Auffassung der Kläger durfte das FA die Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b i.V.m. Satz 2 EStG um die angesetzte Beitragsrückerstattung für 2009 kürzen. Das FA geht zutreffend davon aus, dass die Kläger in Höhe des erstatteten Betrags von 1.119 € nicht wirtschaftlich belastet sind.

241. Vorsorgeaufwendungen, zu denen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gehören, sind grds. in dem Veranlagungszeitraum abzugsfähig, in dem sie gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG abgeflossen sind (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 10 Rn. 3 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH können aber nur solche Aufwendungen als Sonderausgaben berücksichtigt werden, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. etwa BFH-Urteile vom 27.2.1970 VI R 314/67, BFHE 98, 412, BStBl II 1970, 422; vom 26.6.1996 X R 73/94, BFHE 181, 144, BStBl II 1996, 646; vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38). An einer solchen endgültigen Belastung kann es u.a. im Fall einer Erstattung von Aufwendungen fehlen. In den Fällen einer Erstattung von Kirchensteuer oder von Beiträgen zu einer Krankentagegeldversicherung hat sich der BFH daher für eine Verrechnung erstatteter Sonderausgaben mit den im Erstattungsjahr gezahlten gleichartigen Sonderausgaben ausgesprochen (vgl. BFH-Urteil vom 26.11.2008 X R 24/08, BFH/NV 2009, 568 zur Kirchensteuer und BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38 zur Krankentagegeldversicherung). Für die Bestimmung der Gleichartigkeit hat der BFH auf die Ähnlichkeit bzw. Unterschiedlichkeit des Sinn und Zwecks sowie der wirtschaftlichen Bedeutung und Auswirkung der Sonderausgabe für den Steuerpflichtigen abgestellt (eingehend BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38). Eine Erstattung ist danach nicht mit beliebigen Aufwendungen zu verrechnen, die im Rahmen der Abzugstatbestände des § 10 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 EStG normiert sind. Bei verschiedenen Versicherungsbeiträgen ist vielmehr danach zu unterscheiden, welche Funktion die jeweilige Versicherung für den Steuerpflichtigen hat und welches Risiko sie absichert (BFH-Urteil vom 21.7.2009 X R 32/07, BFHE 226, 67, BStBl II 2010, 38; vgl. ferner Urteil des FG Baden-Württemberg vom 16.8.2012 3 K 1651/10, abrufbar in juris).

252. Im Streitfall sieht der Senat eine „Gleichartigkeit“ zwischen der Rückerstattung  von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen des Klägers für 2009 und den Beiträgen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherungen bzw. den Beiträgen zur Pflegeversicherung für 2010 als gegeben an.

26a) Die Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung in 2009 und 2010 sind als gleichartig zu qualifizieren. Es handelt sich um gleichartige Aufwendungen zur Absicherung derselben Risiken, die lediglich unterschiedliche Versicherungszeiträume betreffen. Erstattungen von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung müssen daher im Jahr des Zuflusses die abziehbaren Beiträge mindern (so auch die Auffassung der Finanzverwaltung, vgl. BMF-Schreiben vom 19.8.2013 IV C 3-S 2221/12/10010:004, IV C 5-S 2345/08/0001, BStBl I 2013, 1087 Rz. 56).

27b) Die „Gleichartigkeit“ ist vorliegend auch nicht dadurch entfallen, dass der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung zum Abzug von Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2010 umgestaltet hat.

28aa) Nach der bis zum Veranlagungszeitraum 2009 geltenden Rechtslage waren Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchstab. a EStG zusammen mit anderen Vorsorgeaufwendungen (mit Ausnahme der Vorsorgeaufwendungen für die Basisaltersversorgung der sog. 1. Schicht) wie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, Berufsunfähigkeitsversicherung oder auch Lebensversicherung im Rahmen der Höchstbetragsregelung des § 10 Abs. 4 EStG abziehbar. Der abzugsfähige Höchstbetrag belief sich im Veranlagungszeitraum 2009 grds. auf 2.400 €, ermäßigte sich jedoch auf 1.500 €, wenn der Steuerpflichtige einen Anspruch auf vollständige oder teilweise Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten hatte oder für die Krankenversicherung des Steuerpflichtigen bestimmte Zuschüsse geleistet wurden.

29Entsprechend dieser Regelung wurde im Einkommensteuerbescheid der Kläger für 2009 vom 15.8.2011 ein Abzugsbetrag von 3.900 € in Abzug gebracht, der sich aus einem Höchstbetrag für den Kläger in Höhe von 2.400 € und einem Höchstbetrag der Klägerin in Höhe von 1.500 € zusammen setzte. Die alternativ durchzuführende „Günstigerprüfung“ gem. § 10 Abs. 4a EStG a. F., wonach anstelle der Höchstbeträge des § 10 Abs. 4 EStG der Betrag für den Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge anzusetzen ist, der sich nach der für das Kalenderjahr 2004 geltenden Fassung des § 10 Abs. 3 EStG ergibt, hat im Streitfall nicht zu einem höheren Abzug von Vorsorgeaufwendungen geführt.

30bb) Mit Beschluss vom 13.2.2008 2 BvL 1/06 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts –BVerfGE– 120, 125) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 3a i.V.m. § 10 Abs. 4 EStG a. F. (ab dem Veranlagungszeitraum 1997) mit Artikel 1 Abs. 1 i.V.m. Artikel 20 Abs. 1, Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar sind, soweit der Sonderausgabenabzug die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) und einer privaten Pflegepflichtversicherung nicht ausreichend erfasst, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten. Das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schütze nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den Krankheits- und Pflegefall könnten Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums sein. Das BVerfG hat die betreffenden Normen allerdings nicht für nichtig, sondern gem. §§ 31 Abs. 2, 79 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes für mit dem GG unvereinbar erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert, eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen.

31cc) Dieser Verpflichtung ist der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 16.7.2009, BGBl. I 2009, 1959) mit Wirkung zum 1.1.2010 nachgekommen. Die Neuregelung der Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen führt dazu, dass die vom Steuerpflichtigen tatsächlich geleisteten Beiträge für eine Absicherung auf sozialhilfegleichem Versorgungsniveau (Basisabsicherung) zur privaten und gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Pflegeversicherung in vollem Umfang steuerlich berücksichtigt werden. Innerhalb der sonstigen Vorsorgeaufwendungen ist daher nunmehr zu differenzieren zwischen den Beiträgen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherung und den Beiträgen zur (sozialen und privaten) Pflege(pflicht)versicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b EStG auf der einen Seite sowie den weiteren sonstigen Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Absatz 1 Nummer 3a EStG auf der anderen Seite (etwa Versicherung gegen Arbeitslosigkeit, Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherung etc.). Zu den letztgenannten Aufwendungen gehören auch Beiträge zu einer Krankenversicherung, die auf Leistungen der Versicherung entfallen, die über die Basisabsicherung hinaus gehen (z.B. Wahlleistungen wie Chefarztbehandlung).

32Zwar gilt für beide Arten von Vorsorgeaufwendungen zunächst ein gemeinsamer Höchstbetrag, denn gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG können die Vorsorgeaufwendungen im Sinne der Nummern 3 und 3a des § 10 Abs. 1 EStG je Kalenderjahr bis zu einem Höchstbetrag von 2.800 € als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Dieser Höchstbetrag vermindert sich bei Steuerpflichtigen, die ganz oder zum Teil ohne eigene Aufwendungen einen Anspruch auf vollständige Erstattung oder Übernahme von Krankheitskosten haben, auf einen Betrag von 1.900 € (§ 10 Abs. 4 Satz 2 EStG). Die Aufwendungen für die Basisabsicherung in der Krankenversicherung und Beiträge zur Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a und b EStG sind aber dann, wenn sie den entsprechenden Höchstbetrag übersteigen, gem. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG stets in vollem Umfang abzugsfähig.

33Eine weitere Neuerung besteht zudem darin, dass der Steuerpflichtige neben eigenen Beiträgen auch die Beiträge absetzen kann, die er im Rahmen seiner Unterhaltspflicht für ein Kind, für das Anspruch auf ein Kinderfreibetrag oder Kindergeld besteht, getragen hat (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG).

34dd) Die gesetzliche Neuregelung hat im Ergebnis zu einer Verbesserung der steuerlichen Abzugsmöglichkeiten von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen gegenüber der zuvor geltenden Rechtslage geführt. Eine grundlegende Änderung in der Systematik des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen, die zu einer Neubewertung des Kriteriums der „Gleichartigkeit“ führen könnte, liegt hierin jedoch nicht. Der bloße Umstand, dass sich die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in dem dem Streitjahr vorangegangenen Veranlagungszeitraum 2009 nur anteilig steuerlich ausgewirkt haben, während die Erstattung aufgrund der verbesserten Abzugsmöglichkeit nunmehr eine vollständige steuerliche Auswirkung der in 2010 gezahlten Beiträge verhindert, führt nach Ansicht des Senats nicht dazu, dass die „Gleichartigkeit“ der Aufwendungen entfällt. Maßgeblich für die Beurteilung der Gleichartigkeit bleibt in erster Linie das versicherte Risiko, das sich in der hier zu entscheidenden Konstellation nicht geändert hat, während es auf die Art und den Umfang der steuerlichen Abziehbarkeit in den einzelnen Veranlagungszeiträumen für die Bestimmung der Gleichartigkeit nicht ankommt.

35Aus diesem Grund sieht der Senat auch keinen Anlass, die Erstattung – wie von den Klägern alternativ geltend gemacht – nur zu dem Prozentsatz (hier 44,5%) zu berücksichtigen, wie sich die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Teil der gesamten in 2009 geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2009 (in Summe 8.748 €) steuerlich ausgewirkt haben, nämlich lediglich in Höhe des Höchstbetrags von 3.900 €.

36c) Das FA hat daher für das Streitjahr 2010 zutreffend einen Abzugsbetrag für die Vorsorgeaufwendungen im Sinne der Nummern 3 und 3a des § 10 Abs. 1 EStG in Höhe von 4.700 € ermittelt. Dies entspricht der Summe aus dem dem Kläger gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG zustehenden Höchstbetrag von 2.800 € und dem der Klägerin zustehenden Höchstbetrag von 1.900 €. Den gemeinsamen Höchstbetrag übersteigende Aufwendungen zur Basisabsicherung in der Krankenversicherung und für die Pflegeversicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die, wenn sie diese Höchstbeträge übersteigen würden, gem. § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG in voller Höhe abziehbar wären, liegen nicht vor. Die insoweit berücksichtigungsfähigen Aufwendungen in diesem Sinne summieren sich auf einen Betrag von (lediglich) 4.064 €. Wie das FA im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 2.3.2012 zutreffend dargestellt hat, belaufen sich die in 2010 gezahlten Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a EStG), die vom Kläger für sich und die Tochter geleisteten Beiträge zur privaten Basisabsicherung in der Krankenversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. a Satz 3 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG) sowie die insgesamt geleisteten Beiträge zur Pflegeversicherung (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchstab. b EStG) in Summe auf 5.183 € (4.806 € + 377 €). Dieser Betrag ist sodann um die Erstattung der Beiträge für 2009 von 1.119 € zu mindern. Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, dass es sich bei der anteiligen Erstattung von 1.119 €, die das FA in Abzug gebracht hat, in vollem Umfang um Beiträge handelt, die die Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG betreffen, also um erstattete Beiträge für die Basisabsicherung in der Krankenversicherung und um erstatte Beiträge zur Pflegeversicherung. Hierfür spricht auch, dass gem. § 10 Abs. 2a Satz 4 Nr. 2 EStG nur solche Erstattungsbeträge elektronisch an das FA zu übermitteln sind.

37III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

38IV. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Streitfrage hat grundsätzliche Bedeutung.

Einkünfte des Erben aus künstlerischer Tätigkeit des Erblassers

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 472/12 E

Datum:
26.09.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 472/12 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1(Auszugsweise Wiedergabe)

2Tatbestand:

3Die Klägerin beantragt,

4den Einkommensteuerbescheid 2008 vom    in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom    dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit gem. §§ 18, 24 Nr. 2 EStG auf     € gemindert werden, hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

5Der Beklagte beantragt,

6              die Klage abzuweisen.

7Er führt aus, nachträgliche Betriebseinnahmen zu den Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit lägen dann vor, wenn die Zahlung durch die künstlerische Tätigkeit des Erblassers veranlasst sei. Die streitige Ablösezahlung stelle in vollem Umfang eine zusätzliche Vergütung für die frühere künstlerische Tätigkeit des Erblassers und somit eine Betriebseinnahme dar. Die Zahlung für die Einräumung der urheberrechtlichen Rechte an ….. sei unmittelbar durch die Schaffung dieser Kunstwerke veranlasst.

8Entscheidungsgründe:

9Die Klage ist unbegründet.

10Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom     in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom      ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

11Der Beklagte hat zu Recht die Betriebseinnahmen der Einkünfte gem. §§ 18 Abs. 1 Nr. 1, 24 Nr. 2 EStG um die Zahlung        erhöht.

121. Die Klägerin erzielt aus dem Nachlass Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG.

13Nach § 18 Abs. 1 Nr.1 EStG i. V. m. § 24 Nr. 2 gehören zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit auch solche aus einer ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit, und zwar auch dann, wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen. Einkünfte aus einer ehemaligen künstlerischen Tätigkeit gehören danach beim Erben des Künstlers auch dann zu den Einkünften aus künstlerischer Tätigkeit, wenn der Erbe nicht selbst Künstler ist (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 29.04.1993 IV R 16/92, Bundesteuerblatt –BStBl– II 1993, 716, unter 2.a).

142. Bei der Zahlung     über      € handelt es sich um Betriebseinnahmen aus der ehemaligen künstlerischen Tätigkeit des Erblassers.

15a) Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit liegen dann vor, wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen beruflichen Tätigkeit stehen, insbesondere ein Entgelt für die im Rahmen der ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit von dem Freiberufler erbrachten Leistungen darstellen (BFH-Beschluss vom 27.11.1992, IV B 109/91, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 1993, 293; BFH-Urteil vom 29.04.1993 IV R 16/92, BStBl II 1993, 716, unter 2.a). Dementsprechend liegen Betriebseinnahmen einer künstlerischen Tätigkeit vor, wenn der Erbe die von dem Erblasser geschaffenen Kunstwerke veräußert (BFH-Urteil vom 29.04.1993 IV R 16/92, BStBl II 1993, 716, unter 2.a). Auch Zahlungen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) für die Überlassung von Urheberrechten durch den Erblasser gehören zu den Betriebseinnahmen des Erben (vgl. BFH-Urteil vom 02.03.1995 IV R 62/93, BStBl II 1995, 413, unter 1.). Zahlungen stellen auch dann ein (zusätzliches) Entgelt für die frühere Tätigkeit des Erblassers dar, wenn sie von der Handlung eines Dritten abhängig sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.1992, IV B 109/91, BFH/NV 1993, 293) oder überhaupt kein Anspruch auf die Zahlungen bestand, sofern sie nur durch die Berufstätigkeit des Erblassers veranlasst sind (BFH-Beschluss vom 27.11.1992, IV B 109/91, BFH/NV 1993, 293; BFH-Urteil vom 14.04.1966 IV 335/65, BStBl III 1966, 458, unter 1.). Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 24 Nr. 2 EStG, die Erträge einer steuerpflichtigen Betätigung, z. B. einer freiberuflichen Tätigkeit, einkommensteuerrechtlich voll zu erfassen (vgl. BFH-Urteil vom 25.03.1976 IV R 174/73, BStBl II 1976, 487, unter 2.), sind Betriebseinnahmen einer ehemaligen freiberuflichen Tätigkeit alle Zuwendungen in Geld oder Geldeswert, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der ehemaligen Tätigkeit stehen und durch diese veranlasst sind (BFH-Urteil vom 29.04.1993 IV R 16/92, BStBl II 1993, 716, unter 2.a). Durch die Tätigkeit des Erblassers veranlasst ist eine Zuwendung von Vermögensgegenständen dann, wenn ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem ehemaligen Betrieb besteht. Der Begriff „betriebliche Veranlassung“ wird von der Rechtsprechung des BFH im gleichen Sinne verstanden, wie bei den Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG, BFH-Urteil vom 15.02.1990 IV R 13/89, BStBl II 1990, 621, unter 1.). Den Gegensatz zu Betriebseinnahmen bilden Einnahmen, für deren Zufluss nicht der Betrieb, sondern private Umstände die Veranlassung gegeben haben (BFH-Urteil vom 09.05.1985 IV R 184/82, BStBl II 1985, 427, unter 1.). Betriebseinnahmen liegen beispielsweise nicht vor, wenn der Erbe die von dem Erblasser geschaffenen Wirtschaftsgüter vor der Übertragung aus dem Betriebsvermögen – mit der Folge der Versteuerung der darin enthaltenen stillen Reserven – entnommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 07.10.1965 IV 346/61 U, BStBl III 1965, 666).

16b) Durch die Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, ist geklärt, dass Urheberrechte zum Betriebsvermögen eines Freiberuflers gehören (BFH-Urteil vom 28.02.1973 I R 145/70, BStBl II 1973, 660 betr. GEMA-Einnahmen eines Textdichters; zu Patenten und Erfindungen vgl. BFH-Urteil vom 02.06.1976 I R 20/74, BStBl II 1976, 666, unter 2.a; BFH-Urteil vom 18.10.1989 I R 126/88, BStBl II 1990, 377, unter II.1.a). Das Urheberrecht kann nicht in der Weise aufgespalten werden, dass die Verwertungsrechte (§ 15 ff. UrhG) zum Betriebsvermögen, die Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 12 bis 14 UrhG) jedoch zum Privatvermögen zu rechnen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.1992 IV B 129/91, BFH/NV 1993, 471, unter 4.). Die Verwertung von Persönlichkeitsrechten kann zu gewerblichen oder ggf. freiberuflichen Einkünften führen (vgl. BFH-Urteil vom 03.11.1982 I R 39/80, BStBl II 1983, 182; BFH-Urteil vom 11.07.1991 IV R 33/90, BStBl II 1992, 353, unter I.2.b cc). Deshalb hat der BFH Schadensersatzleistungen für die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts eines inzwischen verstorbenen Architekten als Betriebseinnahmen eingestuft (vgl. BFH-Beschluss vom 27.11.1992 IV B 129/91, BFH/NV 1993, 471, unter 4.).

17c) Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die der Klägerin zugeflossenen Einnahmen von          € Betriebseinnahmen. Sie sind vollumfänglich, d. h. sowohl im Hinblick auf die Übertragung der Verwertungsrechte i. S. der. §§ 15 ff. UrhG und der Abtretung der Zahlungsansprüche gegenüber der    Bild-Kunst (§ 4 Buchst. a des Ablösevertrags) als auch im Hinblick auf den Verzicht auf die Ausübung der Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG (§ 4 Buchst. b des Ablösevertrags), durch die ehemalige künstlerische Tätigkeit des Erblassers veranlasst. Es besteht – auch soweit die Klägerin die Zahlung des       für den Verzicht auf die Ausübung der Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG erhalten hat – ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der ehemaligen künstlerischen Tätigkeit des Erblassers. Die Urheberrechte an den    Kunstwerken gehörten in vollem Umfang – und nicht nur, wie die Klägerin geltend macht, hinsichtlich der Verwertungsrechte i. S. der §§ 15 ff. UrhG – zum Betriebsvermögen des Erblassers, weil dieser die Kunstwerke im Rahmen seines Betriebs geschaffen hat. Die Urheberrechte an den         Kunstwerken sind auch bei der Klägerin Betriebsvermögen geblieben. Mit dem Tod des Erblassers wurde der Betrieb nicht zwangsläufig aufgegeben und das Betriebsvermögen wurde nicht zwangsläufig notwendiges Privatvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 15.11.2006 XI R 6/06, BFH/NV 2007, 436, unter II.1.; BFH-Urteil vom 12.03.1992 IV R 29/91, BStBl II 1993, 36, unter II.1.). Soweit die Klägerin die Zahlung des      für den Verzicht auf die Ausübung der Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG erhalten hat, hängt deren Einordnung als Betriebseinnahmen – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht davon ab, dass die Klägerin oder der Erblasser das Urheberpersönlichkeitsrecht an den Kunstwerken wie eine „Ware“ vermarktet haben. Zwar hat der BFH mit Urteilen vom 11.07.1991 (IV R 33/90, BStBl II 1992, 353) und vom 03.11.1982 (I R 39/80, BStBl II 1983, 182) entschieden, dass in der Öffentlichkeit bekannte Steuerpflichtige (in den Streitfällen ein früherer Berufssportler und ein Show- und Quizmaster) Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, wenn sie durch die Mitwirkung bei industriellen Werbeveranstaltungen und in Werbefilmen ihre Persönlichkeitsrechte verwerten. Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass bei einem Künstler Betriebseinnahmen nur dann vorliegen, wenn dieser seine Urheberpersönlichkeitsrechte i. S. der §§ 12 ff. UrhG an dem Kunstwerk kommerziell vermarktet. Im Gegensatz zu dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines Prominenten besteht bei den Urheberpersönlichkeitsrechten eines Künstlers der wirtschaftliche Zusammenhang mit dem Betrieb bereits darin, dass der Künstler das Kunstwerk im Rahmen dieses Betriebs geschaffen hat. Deshalb ist eine Aufspaltung des Urheberrechts eines Künstlers in der Weise, dass die Verwertungsrechte (§ 15 ff. UrhG) zum Betriebsvermögen, die Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 12 bis 14 UrhG) jedoch zum Privatvermögen zu rechnen sind, nicht möglich (vgl. zu dem Urheberpersönlichkeitsrecht eines Architekten BFH-Beschluss vom 27.11.1992 IV B 129/91, BFH/NV 1993, 471, unter 4.).

183. Der Beklagte hat zutreffend die der Klägerin durch den Vertragsschluss mit dem    entstandenen Rechtsanwaltskosten von     € als Betriebsausgaben anerkannt.

194. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

205. Die Revision war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall eine Entscheidung des BFH (§ 115 Abs. 2 FGO).

Abzug von Aufwendungen für einen häuslichen Telearbeitsplatz

Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 1705/12 E

Datum:
08.08.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 1705/12 E
Tenor:

Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011, 12. Juli 2010 bzw. 28. Juli 2011 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 werden dahingehend abgeändert, dass der bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigenden Entfernungspauschale eine Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte von 54 km zugrunde gelegt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Ermittlung der festzusetzenden Steuerbeträge wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 89 % und der Beklagte zu 11 %.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:

2Streitig ist der Abzug von Arbeitszimmeraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

3Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Tätigkeit als Bankkaufmann. Die Klägerin ist als Bilanzbuchhalterin ebenfalls nichtselbständig tätig. Daneben erzielen beide Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.

4Der Kläger ist Angestellter der X-Bank in K und fungiert als „Referent medialer Betrieb“. Er übt seine Tätigkeit im …Center in A aus, wobei er mit der X-Bank eine sog. Zusatzvereinbarung Telearbeit (vgl. Einspruchshefter der Beklagten) getroffen hat. Danach haben die Beteiligten vereinbart, dass der Kläger seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit in der Privatwohnung ausübt, soweit nicht betriebliche Belange die Arbeitsleistung in den Räumen der X-Bank erfordern. Für die Telearbeit werden dem Kläger die erforderlichen Arbeits- und Hilfsmittel kostenlos zur Verfügung gestellt (vgl. Inventarliste, Blatt 64 der Gerichtsakte). Die X-Bank zahlt eine Pauschale von 51,13 € für die Kosten des häuslichen Arbeitsplatzes (vgl. die gemeinsame Erklärung des Vorstandes und des Personalrates der X-Bank in K zur Pilotphase Telearbeit, Einspruchshefter des Beklagten). Der Anteil der Telearbeit wurde mit 40 bis 60 % festgelegt (vgl. Bestätigung der X-Bank, Blatt 73 der Gerichtsakte). In den Streitjahren nutzte der Kläger für die Telearbeit ein häusliches Arbeitszimmer in der Wohnung bzw. – ab April 2008 – im Einfamilienhaus der Kläger in M.

5In ihren Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2008 bis 2010 machten die Kläger für Zwecke der Entfernungspauschale 131, 120 bzw. 122 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit einer Entfernung von jeweils 58 km sowie Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer i. H. v. 1.908 €, 1.263 €, 1.225 € als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

6In den Bescheiden vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011 (Einkommensteuer 2008), 12. Juli 2010 (Einkommensteuer 2009) bzw. 28. Juli 2011 (Einkommensteuer 2010) berücksichtigte das beklagte Finanzamt die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erklärungsgemäß als Werbungskosten, die Arbeitszimmeraufwendungen hingegen nicht.

7Dagegen legten die Kläger rechtzeitig Einspruch ein. Im Hinblick auf die Arbeitszimmeraufwendungen führten sie aus, dass die Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer in qualitativer wie quantitativer Hinsicht einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers ausmache. Der qualitative Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege im Arbeitszimmer. Auch in quantitativer Hinsicht überwiege die Tätigkeit im Arbeitszimmer. Zur Erläuterung nahmen die Kläger auf den Tätigkeitskatalog der X-Bank in K aus Juli 2003 sowie eine Aufstellung über die im Arbeitszimmer und in der X-Bank abgeleisteten Arbeitstage (vgl. Einspruchshefter des Beklagten) Bezug.

8Mit Schreiben vom 28. September 2011 wies das beklagte Finanzamt die Kläger auf die Möglichkeit der Verböserung hin und bat um Erläuterung der im Vergleich zu den Vorjahren gestiegenen Entfernungskilometer.

9Mit Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre dergestalt, dass er der Entfernungspauschale nur noch eine Entfernung von 49 km – die nach seiner Auffassung verkehrsgünstigere Strecke – zugrunde legte. Den Einspruch hielt er, soweit über ihn entschieden wurde, für unbegründet und berief sich darauf, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit des Klägers gebildet habe. Da alle wesentlichen Aufgaben des Klägers objektiv sowohl im Arbeitszimmer als auch am betrieblichen Arbeitsplatz erledigt werden könnten und die Bevorzugung des Arbeitszimmers aufgrund subjektiver Beweggründe erfolge, könne der Schlussfolgerung der Kläger, der qualitative Tätigkeitsmittelpunkt liege im Arbeitszimmer, nicht gefolgt werden. Vor dem Hintergrund, dass bereits ein Arbeitsplatz im Großraumbüro, der dem Arbeitnehmer nicht individuell zugeordnet sei, einen Abzug von Arbeitszimmerkosten ausschließe (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 7. August 2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78), vermöge der vonseiten der Kläger angeführte Beweggrund der Störungsvermeidung keinen Ausschlag zu geben, das häusliche Arbeitszimmer als Tätigkeitsmittelpunkt anzusehen. Für den betrieblichen Arbeitsplatz könne keine Nutzungsbeschränkung festgestellt werden. Die Vereinbarung über alternierende Telearbeit (40 bis 60 % Telearbeit) stelle keine echte Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten dar, da diese angesichts der erklärten Arbeitstage am Betriebssitz und im häuslichen Arbeitszimmer von den Vertragsparteien offenbar nicht streng ausgelegt werde. Die Kläger könnten sich weiterhin nicht auf das BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 (VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600) berufen, wonach sich der qualitative Tätigkeitsmittelpunkt im Arbeitszimmer befinde, wenn der Arbeitnehmer eine in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung wöchentlich zu mehr als der Hälfte der Arbeitszeit am häuslichen Telearbeitsplatz verbringe. Die Kläger hätten nicht nachgewiesen, dass die Telearbeit überwiege, da lediglich 79, 89 bzw. 81 Telearbeitstage angegeben worden seien, wohingegen 131, 120 bzw. 122 Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erklärt worden seien. Weiterhin hätten die Kläger nicht darlegen können, dass – wie in dem vom BFH entschiedenen Fall – eine objektive Verschlechterung der Arbeitsplatzsituation am auswärtigen Arbeitsplatz eingetreten sei.

10Die Kläger haben am 27. April 2012 Klage erhoben, mit der sie für Zwecke der Entfernungspauschale die Berücksichtigung einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 54 km sowie den Abzug der Arbeitszimmeraufwendungen begehren. Im Hinblick auf die Arbeitszimmerkosten tragen sie wie folgt vor:

11Das streitgegenständliche Arbeitszimmer entspreche bereits nicht dem Typus eines häuslichen Arbeitszimmers im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes – EStG –. Der Abzug der Aufwendungen sei im Hinblick auf die vertragliche Verpflichtung zur Bereitstellung eines Heimarbeitsplatzes gerechtfertigt. Der Kläger würde sich vertragsbrüchig machen, wenn er keinen Telearbeitsplatz zur Verfügung stelle. Auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 (4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) werde Bezug genommen. Die dort angestellte Argumentation lasse sich auf den Streitfall übertragen. Die Verpflichtungen des Klägers gingen noch über die im Streitfall genannten zwei Telearbeitstage hinaus. Ausgehend von einer Fünf-Tage-Arbeitswoche sei die Telearbeitszeitverpflichtung des Klägers von 40 bis 60 % eher mit drei als mit zwei Tagen zu bewerten. Es sei eine Mindestarbeitszeit am Telearbeitsplatz vereinbart worden, die von der Einteilung der Arbeitszeit her vielleicht flexibler ausgestaltet worden sei als im Vergleichsfall, vom Anteil der Telearbeit her aber über den Vergleichsfall hinausgehe. Der Telearbeitsplatz sei der vertragliche Regelarbeitsplatz des Klägers.

12Nur hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass der qualitative Tätigkeitsschwerpunkt des Klägers in seinem Arbeitszimmer liege. Dort würden die den Erfolg ausmachenden Aufgaben im Wesentlichen ausgeführt. Zum Nachweis haben die Kläger eine Bescheinigung der X-Bank in K über die Notwendigkeit des Telearbeitsplatzes (Blatt 9 der Gerichtsakte), eine vom Kläger erstellte Aufstellung über die Verteilung der Arbeitszeit (Blatt 9 Rückseite der Gerichtsakte), den Tätigkeitskatalog der X-Bank in K aus Juli 2003 (Blatt 10 Rückseite ff. der Gerichtsakte), das Anforderungsprofil der X-Bank in K aus Dezember 2012 (Blatt 60 f. der Gerichtsakte) sowie eine Aufstellung des Klägers über die verschiedenen Tätigkeiten und den Anteil der Heimarbeit (Blatt 12 f. der Gerichtsakte) eingereicht.

13Ob die prägenden Arbeiten theoretisch auch in der X-Bank durchgeführt werden könnten – wie der Beklagte ausführe –, sei irrelevant. Der Arbeitgeber des Klägers habe ganz bewusst einen Telearbeitsvertrag mit dem Kläger geschlossen, um ihm Entscheidungsfreiheit bezüglich Arbeitszeit und -ort zu geben. Die Selbsteinschätzung des Klägers sei die logische Konsequenz eines auf Vertrauen aufgebauten Arbeitsverhältnisses.

14Im Hinblick auf einen entsprechenden Vorhalt des Beklagen führen die Kläger aus, dass die Arbeitsmittel, die der Kläger von der X-Bank erhalte, gemäß der für die X-Bank geltenden Sicherheitsrichtlinien eingerichtet seien. Fremdsoftware (z.B. Bankprogramme anderer Kreditinstitute zu Testzwecken) könne nicht eingespielt werden, das Aufladen der Geldkarten der X-Bank sei nicht möglich und sogar das X-Bank-Informationsvideo im Internet könne nicht abgespielt werden. Um auch diese Aufgaben erfüllen zu können, sei der Kläger auf den Einsatz von Arbeitsmitteln angewiesen, die die X-Bank nicht zur Verfügung stelle und er daher selbst beschaffen müsse.

15Letztlich liege auch der quantitative Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers, dem allenfalls indizielle Bedeutung zukomme, im Arbeitszimmer. Auf die Aufstellung über die Zeitverteilung (Blatt 9 Rückseite der Gerichtsakte) werde Bezug genommen. Zusätzlich seien die anfallenden unbezahlten Überstunden und die persönlichen Fortbildungszeiten im Arbeitszimmer zu berücksichtigen, wenngleich diese nicht exakt beziffert werden könnten.

16Die Kläger beantragen sinngemäß,

17die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011, 12. Juli 2010 bzw. 28. Juli 2011 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 dahingehend abzuändern, dass der Entfernungspauschale jeweils eine Entfernung von 54 km zugrunde gelegt wird und Arbeitszimmeraufwendungen i. H. v. 1.908 € (2008), 1.263 € (2009) bzw. 1.225 € (2010) als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

18Der Beklagte beantragt,

19              die Klage abzuweisen.

20Im Hinblick auf die Arbeitszimmeraufwendungen macht er geltend, der Streitfall sei mit dem der Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. Januar 2012 4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Der Kläger sei nicht verpflichtet, mindestens zwei Tage pro Woche im häuslichen Arbeitszimmer zu verbringen. Der Arbeitsvertrag stelle ihm den Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers frei. Dies ergebe sich auch aus dem Schreiben der X-Bank in K vom 24. Mai 2004, wonach der Anteil der Telearbeit zwischen 40 und 60 % liege, für das Jahr 2003 jedoch aus organisatorischen Gründen habe vermindert werden müssen.

21Zudem handele es sich bei der Annahme der Kläger, die im häuslichen Arbeitszimmer erledigten Arbeiten seien für den Beruf prägend, um eine bloße Selbsteinschätzung; eine Arbeitgeberbescheinigung fehle. Auf der Grundlage der eingereichten Unterlagen müsse vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Kläger sämtliche prägenden Tätigkeiten am Arbeitsplatz in A erledigen könne. Die geltend gemachten Unzulänglichkeiten des Arbeitsplatzes hätten die Kläger nicht durch eine Arbeitgeberbescheinigung nachgewiesen. Es erscheine zudem wenig glaubhaft, dass die X-Bank ihren Arbeitnehmern wichtige Hilfsmittel (z.B. den Internetanschluss) vorenthalte und hierdurch den Arbeitserfolg gefährde.

22Bei Durchsicht der Selbstbewertung des Klägers falle auf, dass der Anteil der Heimarbeit bei den angeführten Tätigkeiten jeweils zwischen 50 und 100 % liege; keine der genannten Aufgaben werde überwiegend in der X-Bank erledigt. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben höchstens an rund 39 % der Gesamtarbeitstage im häuslichen Arbeitszimmer gearbeitet habe, erscheine dies stark subjektiv eingefärbt. Die eingereichte Arbeitgeberbescheinigung vom 29. November 2011 (Blatt 9 der Gerichtsakte) enthalte nur allgemeine Ausführungen über die Vorteile von Telearbeitsplätzen und keine Aussagen über Zeit, Art und Umfang der Tätigkeit des Klägers an seinem Arbeitsplatz. Das Anforderungsprofil aus Dezember 2012 (Blatt 60 ff. der Gerichtsakte) sei im Hinblick auf die Verteilung von Arbeitszeit und Aufgaben auf Heimarbeitsplatz und X-Bank nicht aussagekräftig. Die vom Kläger angeführten Leistungsprämien seien kein Indiz dafür, dass der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit im Arbeitszimmer ausgeübt werde. Sie würden für die gesamte Arbeitsleistung gezahlt.

23Weiterhin stehe der Vortrag der Kläger im Klageverfahren im Widerspruch zu verschiedenen Schreiben der Kläger aus den Jahren 2009 und 2010. Dort hätten die Kläger vorgetragen, dass der Kläger zuhause und im Betrieb eine in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung erbringe.

24Schließlich sei der Vortrag der Kläger zu den unbezahlten Überstunden und Fortbildungszeiten sehr unkonkret und wenig glaubhaft. Zudem hätte sich der Kläger Überstunden vom X-Bank-Vorstand genehmigen lassen können. Damit liege der quantitative Tätigkeitsschwerpunkt – wie sich aus der entsprechenden Aufstellung ergebe – weiterhin in der X-Bank.

25Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin in tatsächlicher Hinsicht dahingehend verständigt, dass der Entfernungspauschale eine Entfernung von 54 km zugrunde zu legen ist.

26Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die Sitzungsniederschrift, und der beigezogenen Steuerakte des Beklagten Bezug genommen.

27Entscheidungsgründe:

28Im Hinblick auf das Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).

29Die Klage ist nur teilweise begründet.

30Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 bis 2010 vom 9. September 2009 und 14. Oktober 2011, 12. Juli 2010 bzw. 28. Juli 2011 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidungen vom 27. März 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, soweit der Beklagte der Entfernungspauschale nicht eine Entfernung von 54 km zugrunde gelegt und damit höhere Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt hat (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Hingegen stellen sich die angefochtenen Bescheide im Hinblick auf die nicht berücksichtigten Arbeitszimmeraufwendungen i. H. v. 1.908 € (2008), 1.263 € (2009) bzw. 1.225 € (2010) als rechtmäßig dar.

311. Zu Unrecht hat der Beklagte der Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG lediglich eine Entfernung von 49 km zugrunde gelegt. Die Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte des Klägers beträgt 54 km. Darauf haben sich die Beteiligten im Erörterungstermin in tatsächlicher Hinsicht verständigt. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dieser Wert den tatsächlichen Gegebenheiten widersprechen könnte.

322. Hingegen hat der Beklagte den Abzug der Arbeitszimmeraufwendungen zu Recht abgelehnt. Die Kläger haben nicht nachweisen können, dass das Arbeitszimmer in den Streitjahren den Mittelpunkt der beruflichen Betätigung des Klägers dargestellt hat.

33Gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung (§ 52 Abs. 12 Satz 9 EStG) sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht abzugsfähig. Dies gilt allerdings nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG).

34a) Der erkennende Senat hält den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG für eröffnet, obschon der Kläger einen häuslichen Telearbeitsplatz unterhalten hat. Zwar könnte daraus eine – gesteigerte – zwangsläufige Veranlassung der Aufwendungen durch die Erwerbstätigkeit hergeleitet werden (offen gelassen im BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600). Die Beschränkung des Werbungskostenabzugs für ein häusliches Arbeitszimmer dient indes der typisierenden Begrenzung von Aufwendungen, die eine Berührung mit dem privaten Lebensbereich des Steuerpflichtigen aufweisen und in einer Sphäre anfallen, die einer sicheren Nachprüfung durch Finanzverwaltung und Finanzgerichte entzogen ist (BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59). Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für allein maßgebend, ob der Raum, dessen Bereithaltung die betreffenden Aufwendungen verursacht hat, unter den Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers zu subsumieren ist. Dies ist vorliegend unproblematisch der Fall. Den arbeitsvertraglichen Gegebenheiten kommt dabei – entgegen dem Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19. Januar 2012 (4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) – keine weitergehende Bedeutung zu. Dementsprechend ist es ohne Relevanz, wenn arbeitsvertraglich die Verpflichtung besteht, ein häusliches Arbeitszimmer vorzuhalten. Andernfalls könnte die Abzugsbeschränkung allzu leicht umgangen werden, da insoweit regelmäßig kein natürlicher Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen wird.

35Zudem kann der erkennende Senat im Streitfall – im Unterschied zum Sachverhalt, den das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. Januar 2012 4 K 1270/09, EFG 2012, 1625, Revision unter VI R 40/12) zu beurteilen hatte – nicht erkennen, dass aus der Vereinbarung über Telearbeit im Umfang von 40 bis 60 % tatsächlich eine Beschränkung der Verfügungsmöglichkeit des Klägers über den Arbeitsplatz bei seinem Arbeitgeber resultiert hat. Dafür spricht, dass der Kläger den Telearbeitsplatz in den Streitjahren tatsächlich in geringerem Umfang (2008: 31,60 %, 2009: 35,04 %, 2010: 32,27 %, Blatt 9 der Gerichtsakte Rückseite) genutzt hat. Im Übrigen geht aus der gemeinsamen Erklärung des Vorstandes und des Personalrates der X-Bank in K zur Pilotphase Telearbeit (Ziff. 3, vgl. Einspruchshefter des Beklagten) hervor, dass der betriebliche Arbeitsplatz des Telemitarbeiters für die Dauer der Pilotphase nicht anderweitig belegt wird. Dementsprechend geht die X-Bank in K selbst davon aus, dass durch die Telearbeit keine Schreibtische „eingespart“ werden können (Blatt 9 der Gerichtsakte).

36b) Der (auf 1.250 € begrenzte) Werbungskostenabzug ist nicht deshalb eröffnet, weil dem Kläger in der X-Bank kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger in der X-Bank über einen anderen Arbeitsplatz verfügt. Dieser steht ihm auch für die berufliche Tätigkeit zur Verfügung, d.h. der Kläger kann ihn in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83). Wenngleich der Kläger vorgetragen hat, einzelne Arbeitsschritte innerhalb bestimmter Arbeitsgänge („Marktbeobachtung“, „Prüfung der Verfahren und Verfahrenserweiterungen“, „Aus- und Fortbildung“, vgl. Blatt 12 ff. der Gerichtsakte) wegen technischer Restriktionen nur auf einem – aus der Sicht der X-Bank – externen PC ausführen zu können, hat er nicht glaubhaft gemacht, dass gesamte Arbeitsfelder und damit Bürotätigkeiten in erheblichem Umfang nicht (innerhalb der üblichen Bürozeiten) in der X-Bank erbracht werden konnten. Insbesondere im Hinblick auf die Mitwirkung bei sog. Releasewechseln hat der Kläger zwar geltend gemacht, dass Bereitschaftszeiten im häuslichen Arbeitszimmer „akzeptabel und flexibel zu handhaben“ seien. Zudem hat er auf die ansonsten bestehende Notwendigkeit des Gebäudezutritts im Sicherheitsbereich hingewiesen. Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass diese Aufgaben nicht auch in der X-Bank erledigt werden könnten.

37c) Schließlich kommt kein (unbegrenzter) Werbungskostenabzug unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszimmers als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG) in Betracht.

38aa) Dabei kann der Senat offen lassen, ob ein unbegrenzter Werbungskostenabzug schon daran scheitert, dass dem Kläger in der X-Bank ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (s.o.). Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist damit die Ausnahme des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG bereits dem Grunde nach nicht gegeben. Der Abzug von Arbeitszimmeraufwendungen ist nämlich dem Grunde nach nur möglich, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, und scheidet demnach aus, wenn die Berufstätigkeit zum Teil an einem Arbeitsplatz außer Haus und zum Teil in einem häuslichen Arbeitszimmer verrichtet wird (vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rn. 592). Auf die Frage, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet und damit ein unbegrenzter Abzug in Betracht kommt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG), käme es nicht mehr an. Demgegenüber geht die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 2. März 2011 (BStBl I 2011, 195) davon aus, dass der unbegrenzte Abzug im Sinne eines eigenständigen Abzugstatbestandes eröffnet ist, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellt (vgl. auch Bergkemper, jurisPR-SteuerR 17/2011, Anm. 1; Nolte, NWB 2011, 2039, 2040). Nach den Urteilen des FG Düsseldorf vom 17. Juni 2011 (16 K 2791/09, EFG 2011, 2134) und 5. September 2012 (15 K 682/12, EFG 2012, 2270) soll diese – dem Gesetzeswortlaut zuwider laufende – Auslegung aus verfassungsrechtlichen Gründen (drohende unzulässige Rückwirkung durch das Jahressteuergesetz – JStG – 2010 vom 8. Dezember 2010, BStBl I 2010, 1394) jedenfalls im Hinblick auf die Veranlagungszeiträume 2008 und 2009 geboten sein. Der Senat braucht auf diese Problematik allerdings vor dem Hintergrund der nachfolgenden Ausführungen nicht näher einzugehen.

39bb) Die Kläger haben nämlich nicht nachgewiesen, dass das Arbeitszimmer des Klägers in den Streitjahren als dessen beruflicher Betätigungsmittelpunkt anzusehen war.

40Der Begriff des Mittelpunkts der gesamten Betätigung ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Der Mittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen. Wo dieser Schwerpunkt liegt, ist im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen. Im Rahmen dieser Wertung kommt dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Deswegen schließt das zeitliche Überwiegen der außerhäuslichen Tätigkeit einen unbeschränkten Abzug der Aufwendungen nicht von vornherein aus (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 2002 VI R 28/02, BFHE 201, 106, BStBl II 2004, 59; Heinicke, in: Schmidt, EStG, 32. Aufl. 2013, § 4 Rn. 594).

41In Anwendung dieser Grundsätze und unter Abwägung der Gesamtumstände des Streitfalls ist der erkennende Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass das häusliche Arbeitszimmer des Klägers in den Streitjahren 2008 bis 2010 dessen qualitativen Betätigungsmittelpunkt dargestellt hat. Dabei hat er sich insbesondere von der schlüssigen Beschreibung einer typischen Projektabwicklung, die der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins am 19. Februar 2013 vorgenommen hat, leiten lassen. Wenngleich die beschriebene Informationsphase und die Umsetzungsphase vom Telearbeitsplatz aus begleitet werden, gehören der vom Kläger dargestellte Kontakt und der Austausch mit Kollegen sowie die Präsentation der gefundenen Ergebnisse in der X-Bank und die anschließende Besprechung mit dem Vorstand nach Ansicht des Senats zum Kernbereich der Betätigung des Klägers und können nicht vernachlässigt werden.

42Zwar deutet die vom Kläger erstellte Evaluation der einzelnen Tätigkeiten (Blatt 3 ff. der Gerichtsakte) darauf hin, dass ein gewichtiger Teil seiner Berufstätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich dabei naturgemäß um eine bloße Selbsteinschätzung des Klägers handelt, rekurriert er dabei häufig auf die Aspekte des störungsfreien Arbeitens und des Arbeitens außerhalb der regulären Arbeitszeit (vgl. die Aufgaben „Sicherstellung des Fachwissens durch interne Informationsaufnahme“„ Umsetzungsverantwortung“ und „Mitarbeit bei der Entwicklung der Bereichsstrategie“). Hierbei handelt es sich jedoch allein um Arbeitsbedingungen, die für die Frage, ob der Kläger seine Kerntätigkeit in der X-Bank oder im häuslichen Arbeitszimmer ausübt, ebenso wenig von Bedeutung sind wie für die Frage, ob dem Steuerpflichtigen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Es genügt auch nicht, dass nach Feierabend oder am Wochenende im häuslichen Arbeitszimmer Arbeiten verrichtet werden, die grundsätzlich auch an dem anderen Arbeitsplatz verrichtet werden können (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. August 2003 VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83).

43Aus den eingereichten Arbeitgeber-Bescheinigungen folgt nichts anderes. Der Tätigkeitskatalog aus Juni 2003 (Blatt 10 Rückseite der Gerichtsakte) und das Anforderungsprofil aus Dezember 2012 (Blatt 60 f.) lassen keinerlei Rückschlüsse auf den qualitativen Schwerpunkt der Betätigung des Klägers zu. In der Bescheinigung vom 29. November 2011 hat die X-Bank in K zudem lediglich die Notwendigkeit des Telearbeitsplatzes bescheinigt und allgemein die Vorzüge der Telearbeit aufgezeigt (vgl. Blatt 9 der Gerichtsakte). Sie stellt sich als unergiebig dar.

44Nach alledem gehört sowohl die Arbeit in der X-Bank als auch die Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer zum Kernbereich der Betätigung des Klägers. Der erkennende Senat kann nicht erkennen, dass der eine oder andere Bereich der Betätigung in qualitativer Hinsicht das Gepräge gibt. Bei qualitativ gleichwertiger Arbeitsleistung kann subsidiär auf quantitative Gesichtspunkte zurückgegriffen werden (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 2006 VI R 21/03, BFHE 214, 158, BStBl II 2006, 600). In zeitlicher Hinsicht hat die Arbeit des Klägers in der X-Bank in A die Arbeit am häusliches Telearbeitsplatz in den Streitjahren jeweils deutlich überwogen (2008: 49,20 zu 31,60 %, 2009: 42,13 zu 35,04 %, 2010: 41,83 zu 32,27 %). Das Vorbringen der Kläger zu nicht bezahlten Überstunden und Fortbildungszeiten im häuslichen Arbeitszimmer ist nicht substantiiert genug und nicht ansatzweise glaubhaft gemacht. Es kann daher nicht berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund befand sich der Betätigungsmittelpunkt des Klägers jedenfalls in den Streitjahren in der X-Bank in A.

45Die Übertragung der Ermittlung der festzusetzenden Steuerbeträge auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

46Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

47Die Revision war im Hinblick auf das Revisionsverfahren VI R 40/12 wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

Verbindung mehrerer durch ein firmeneigenes Schienennetz verbundener Werksgelände zu einer großräumigen Arbeitsstätte

Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 2103/12 E

Datum:
21.10.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 2103/12 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

2Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).

3I. Das Finanzamt hat den geltend gemachten Verpflegungsmehraufwand des Klägers zu Recht nicht berücksichtigt.

41. Der Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei nichtselbständiger Tätigkeit ist seit Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 1996 (JStG 1996) vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) nur noch nach Maßgabe der in § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG getroffenen Bestimmungen möglich (BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 61/06, BStBl. II 2010, 564).

5Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG wird ein erwerbsbedingter Mehraufwand an Verpflegung typisierend in Form gestaffelter Pauschbeträge und lediglich unter der Voraussetzung steuerlich berücksichtigt, dass der Arbeitnehmer sich aus beruflichen Gründen auf einer Auswärtstätigkeit befunden hat (BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 61/06, BStBl. II 2010, 564 unter Hinweis auf seine geänderte Rechtsprechung u.a. im Urteil vom 11. Mai 2005 VI R 16/04, BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789, unter II. 2. a und b der Gründe). Danach ist eine Auswärtstätigkeit dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitnehmer entweder vorübergehend von seiner Wohnung und dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit (Tätigkeitsmittelpunkt) entfernt beruflich tätig wird (Satz 2 der genannten Vorschrift), oder dass der Arbeitnehmer typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug eingesetzt wird und damit über einen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt seiner beruflichen Tätigkeit nicht verfügt (Satz 3 der genannten Vorschrift). Ist der Arbeitnehmer hingegen an seinem ortsgebundenen Tätigkeitsmittelpunkt (dem entspricht der Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789) tätig, liegt eine zum Ansatz der Verpflegungspauschalen berechtigende Auswärtstätigkeit –abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall der doppelten Haushaltsführung– nicht vor (vgl. Fissenewert, Der Betrieb, Beilage Nr. 6/2006, 32 ff., 34, rechte Sp., m.w.N.).

6Der Gesetzgeber geht dabei in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise typisierend davon aus, dass ein etwa beruflich veranlasster Mehr-Aufwand für Verpflegung nicht anzuerkennen ist, solange sich der Arbeitnehmer am Betriebssitz oder an anderen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers aufhält (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl. II 2010, 564 unter Hinweis auf BFH in BFHE 209, 518, BStBl II 2005, 789). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Arbeitnehmer im Betriebsgebäude (bzw. auf dem Betriebsgelände) regelmäßig Einrichtungen vorfinden wird, an denen er sich vergleichsweise kostengünstig wird verpflegen können (vgl. hierzu Fissenewert, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 252, Anm. zum BFH-Urteil vom 14. September 2005 VI R 22/04, BFH/NV 2006, 507).

7Unter dem Begriff des Tätigkeitsmittelpunkts i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG ist –ebenso wie unter dem Begriff der (regelmäßigen) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG– jede dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers zu verstehen, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 VI R 39/07, BFHE 224, 111, BStBl II 2009, 475, m.w.N.;).

8Es entspricht auch ständiger Rechtsprechung des BFH, dass ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (und damit beim Verpflegungsmehraufwand als Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) in Betracht kommt, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt, auf dem der Arbeitnehmer auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.2009 VI R 61/06, BFHE 226, 59, BStBl. II 2010, 564 unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 5. August 2004 VI R 40/03, BFHE 207, 225, BStBl II 2004, 1074; vom 10. April 2002 VI R 154/00, BFHE 198, 559, BStBl II 2002, 779). Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Werksgelände eine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte bzw. einen Tätigkeitsmittelpunkt darstellen, ebenso auch ein Waldgebiet, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt und sich dort eine ortsfeste Einrichtung vergleichbar einem Betriebssitz befindet (BFH-Urteil vom 17.06.2010, VI R 20/9, BFHE 230, 533, BStBl. II 2012, 32, ebenso auch Schmidt/Loschelder, 32. Auflage 2013, § 9 EStG, Rz 117, m.w.N.; BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 507 – zu einem Schornsteinfeger-Kehrbezirk als einem nicht zusammenhängenden Gebiet).

92. Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze standen dem Kläger während seiner Schichteinsätze auf der Werksbahn keine Verpflegungspauschalen zu. Er bewegte sich in dieser Zeit ausschließlich auf dem großen und räumlich geschlossenen Gebiet seines Arbeitgebers in „A“-Stadt als regelmäßiger Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG. Damit liegt wegen der dort vorhandenen ortsfesten Einrichtungen zugleich in Bezug auf den Verpflegungsmehraufwand ein Tätigkeitsmittelpunkt im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG vor, was damit eine Tätigkeit auf einem Fahrzeug im Sinne des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 3 EStG, welche zur Anerkennung von Verpflegungsmehraufwand führen könnte, ausschließt. Das Werksgebiet erstreckt sich zwar über weite Teile des Stadtgebietes von „A“Stadt. Durch die schienentechnische Verbindung über die firmeneigene Werksbahn auf einem firmeneigenen Bahn-Netz sind die einzelnen unmittelbar aneinander grenzenden Werksteile jedoch zu einem einheitlichen großen räumlich geschlossenen Gebiet verbunden. Dieses Gebiet hat der Kläger während des Schichtbetriebes zu keinem Zeitpunkt verlassen müssen. Dass der Kläger mitunter beim Wechsel in die verschiedenen Werkteile öffentlichen Straßenraum über- bzw. unterqueren musste, ändert hieran nichts. Die durch den Schienenbetrieb technisch vorgegebene Fahrtroute über das firmeneigene Tunnel– und Brückensystem wurde hierdurch nicht beeinträchtigt/verändert, so dass nach wie vor von einem Aufenthalt des Klägers auf einem räumlich verbundenen Werksgelände auszugehen ist.

10Insofern unterscheidet sich der Streitfall von dem Fall eines LKW-Fahrers, welcher für den Arbeitgeber die gleichen Arbeiten ausführen würde wie der Kläger. Der LKW-Fahrer muss im Gegensatz zum Kläger öffentlichen Straßenraum zwangsläufig auch unmittelbar zur Fortbewegung nutzen. Damit ist er zugleich diesem der Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Straßenraum mit all seinen verkehrsmäßigen Unwägbarkeiten wie zum Beispiel Umwegen, Einbahnregelungen, Straßensperrungen u. ä. ausgesetzt. Deshalb könnte in einem solchen Fall nicht mehr von einem einheitlichen, räumlich verbundenen Werksgelände gesprochen werden.

11Der Streitfall unterscheidet sich wegen der von vornherein festgelegten, nicht veränderbaren und damit vorhersehbaren Fahrtmöglichkeiten auch von dem Sachverhalt, welcher der BFH-Entscheidung vom 07.02.1997 VI R 61/96, BFHE 182, 562, BStBl. II 1997, 333 zu Grunde liegt (Hamburger Hafengebiet keine einheitliche großräumige Arbeitsstätte für einen dort tätigen Stauer).

12Er ist wegen der unmittelbaren Verbindung der einzelnen Werkteile durch das firmeneigene Schienen- und Transportsystem ebenfalls nicht mit dem Streitfall vergleichbar, welcher der BFH-Entscheidung vom 14.09.2005 VI R 22/04, BFH/NV 2006, 507 (Schornsteinfeger-Kaminkehrbezirke keine großräumige Arbeitsstätte) zugrundeliegt.

13Schließlich scheidet auch der Vergleich mit einem Zugführer der Deutschen Bahn AG aus, da sich dessen Einsatz auf das Gebiet eines ganzen Bundeslandes oder sogar auf mehrere Bundesländer beziehen kann.

14Gegen den Ansatz einer Pauschale für Verpflegungsmehraufwand spricht zudem, dass der Kläger nach seinen eigenen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung aufgrund der Besonderheiten des firmeninternen Schienen- und Transportsystems gar nicht in der Lage war, sich durch das Aufsuchen einer Gaststätte/Imbissbude oder Ähnlichem zu verpflegen und damit einen Verpflegungsmehraufwand zu verursachen.

153. Der Umstand, dass der Kläger über das werkseigene Schienennetz auch eine Fremdfirma beliefern musste, ändert an dem vorerwähnten Ergebnis nichts. Diese Tätigkeit, bei der in unveränderter Form das firmeneigene Schienen- und Transportsystem genutzt wird, ist untrennbar mit der Fahrtätigkeit des Klägers auf der großräumigen Arbeitsstätte des Arbeitgebers im Sinne von § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG verbunden und teilt daher das rechtliche Schicksal in Bezug auf die Abziehbarkeit von Werbungskosten in Gestalt von Verpflegungsmehraufwand.

16Eine künstliche Aufspaltung in eine Tätigkeit auf einem Fahrzeug im Sinne von § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 3 EStG für die Anlieferungsfahrten zu der Fremdfirma würde zudem ebenfalls nicht zum Ansatz eines Verpflegungspauschbetrages i.H.v. 6 Euro pro Tag führen. Der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt und erst recht nicht nachgewiesen, dass er in Bezug auf die Einzelfahrten zu der Fremdfirma mindestens 8 Stunden von seiner Wohnung abwesend war (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 3 zweiter Halbsatz EStG).

17II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

18Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts (Verbindung mehrerer Werksgelände in verschiedenen Stadtteilen durch ein firmeneigenes Schienennetz zu einer großräumigen Arbeitsstätte) nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Nettolohnvereinbarung: Einkommensteuernachzahlung durch den Arbeitgeber ist nicht auf einen Bruttobetrag hochzurechnen

Der Kläger, ein japanischer Staatsangehöriger, war aufgrund einer Entsendungsvereinbarung als Angestellter in Deutschland tätig. Er traf mit seiner Arbeitgeberin eine Nettolohnvereinbarung. Danach zahlte die Arbeitgeberin den Nettolohn aus und übernahm die darauf anfallenden Steuern. Im Rahmen von Veranlagungen anfallende Einkommensteuererstattungen wurden an die Arbeitgeberin abgeführt. Kam es zu Nachzahlungen, wurden diese von der Arbeitgeberin erbracht.

Zwischen den Beteiligten war streitig, ob die als Arbeitslohn zu erfassenden Einkommensteuernachzahlungen durch die Arbeitgeberin den Brutto- oder Nettolohn des Klägers erhöhen. Mit der Klage wendete sich der Kläger gegen die Handhabung des Finanzamts, das den Nachzahlungsbetrag auf einen Bruttolohn hochrechnete.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben. Nach der Rechtsprechung sei ein Einkommensteuererstattungsanspruch, den der Arbeitnehmer im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung an seinen Arbeitgeber abgetreten habe, im Rahmen des Lohnsteuereinbehalts nur durch einen Abzug vom laufenden Bruttoarbeitslohn und nicht durch Verminderung des laufenden Nettolohns zu berücksichtigen. Diese Grundsätze seien auf den Streitfall übertragbar.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Die Entscheidung im Volltext: 13 K 2184/12 E

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 2184/12 E

Datum:
03.12.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 2184/12 E
Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31.10.2012 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer 2008 auf 88.373 € festgesetzt wird.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

1Tatbestand:

2Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe eine Einkommensteuernachzahlung bei einer Nettolohnvereinbarung als Arbeitslohn zu berücksichtigen ist.

3Die Kläger sind japanische Staatsangehörige. Der Kläger war aufgrund einer Entsendungsvereinbarung seit dem Jahr 2004 als Angestellter für die „N-GmbH“ in „E-Stadt“ tätig. Auf der Grundlage einer Nettolohnvereinbarung zahlte die Arbeitgeberin dem Kläger den vereinbarten Nettolohn aus und übernahm die auf den Nettolohn anfallenden Steuern. Kam es im Rahmen von Einkommensteuerveranlagungen der Kläger zur Erstattung von Einkommensteuer, wurden diese Erstattungsbeträge von dem Beklagten an die Arbeitgeberin abgeführt. Kam es im Rahmen von Einkommensteuerveranlagungen der Kläger zur Nachzahlung von Einkommensteuer, zahlte die Arbeitgeberin diese Nachzahlungsbeträge an den Beklagten.

4Mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 29.3.2006 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2004 auf 32.390 € fest und erstattete überzahlte Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag von insgesamt 15.271,22 € an die Arbeitgeberin des Klägers. Den zurückgezahlten Betrag berücksichtige der Beklagte im Rahmen des Einkommensteuerbescheids 2006 vom 11.06.2008 als negative Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 15.271,22 €.

5Nachdem die Kläger mitgeteilt hatten, dass sie im Jahr 2004 in Japan weitere Einkünfte erzielt hätten, die dem Progressionsvorbehalt unterlägen, erließ der Beklagte am 26.2.2008 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2004, der zu einer Nachzahlungsforderung von Abgaben von 1.219,58 € führte. Diese beglich die Arbeitgeberin im Jahr 2008 (Streitjahr).

6Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2008 erklärten die Kläger den Bruttoarbeitslohn des Klägers lt. Lohnsteuerkarte von 280.057 € (einschließlich einbehaltener Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag von 104.454,96 €) und steuerpflichtigen Arbeitslohn, von dem kein Steuerabzug vorgenommen wurde, von -21.705 € als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Der letztgenannte Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

7

Erstattung gem. Einkommensteuerbescheid 2007 v. 26.11.2008 -5.615,39 €
Erstattung gem. Einkommensteuerbescheid 2006 v. 11.6.2008 -12.129,93 €
Erstattung gem. Einkommensteuerbescheid 2005 v. 26.2.2008 -5.179,57 €
Nachzahlung gem. Einkommensteuerbescheid 2004 v. 26.2.2008 1.219,58 €
Gesamt -21.705,31 €

8Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2008 mit Einkommensteuerbescheid vom 4.1.2011 auf 88.778 € fest. Dabei berücksichtigte er einen Arbeitslohn von 259.321 € – statt wie beantragt von 258.352 € –, weil er den Nachzahlungsbetrag zur Einkommensteuer 2004 auf einen Bruttobetrag von 2.189 € hochrechnete.

9Den hiergegen fristgerecht eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 8.5.2012 als unbegründet zurück.

10Die Kläger haben am 11.6.2012 Klage erhoben.

11Der Beklagte hat am 31.10.2012 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 erlassen, mit dem er die Einkommensteuer weiterhin auf 88.778 € festgesetzt, aber weitere Steuerabzugsbeträge von 970,60 € (920,00 € Lohnsteuer und 50,60 € Solidaritätszuschlag) angerechnet hat.

12Die Kläger machen geltend, die Einkommensteuernachzahlung für 2004 habe nicht zu einer Erhöhung des Nettolohns, sondern des Bruttolohns des Klägers geführt. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteil vom 30.7.2009 (VI R 29/06, Sammlung der Entscheidungen des –BFHE– 226, 219, Bundessteuerblatt –BStBl– II 2010, 148) entschieden, dass bei Nettolohnvereinbarungen an den Arbeitgeber abgeführte Einkommensteuererstattungen den Bruttolohn des Arbeitnehmers minderten. Die vom BFH aufgestellten Grundsätze würden gleichermaßen für Steuererstattungen wie für Steuernachzahlungen gelten. Dem Kläger sei nur der geschuldete Nettojahreslohn zugeflossen. Steuererstattungen und Steuernachzahlungen gehörten nicht dazu. Wegen des weiteren Vorbringens der Kläger wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Kläger vom 11.6.2012 und 14.9.2012.

13Die Kläger beantragen,

14den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31.10.2012 dahingehend zu ändern, dass Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers von 258.352 € angesetzt werden, hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

15Der Beklagte beantragt,

16die Klage abzuweisen, hilfsweise, für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

17Er führt aus, die vom BFH für die Zahlung von Steuererstattungen an den Arbeitgeber aufgestellten Grundsätze könnten nicht auf die Steuernachzahlung durch den Arbeitgeber übertragen werden. Im Streitfall sei keine Saldierung von Steuererstattungen und Steuernachzahlung möglich, da es sich rechtlich um verschiedene Sachverhalte handele. Die Steuererstattungen stellten negative Einnahmen dar, wohingegen die nachgezahlte Einkommensteuer ein Sachbezug sei. Wie alle anderen Sachbezüge müsse auch die nachgezahlte Einkommensteuer mit dem Barlohn auf einen Bruttolohn hochgerechnet werden.

18Entscheidungsgründe:

19Die Klage ist begründet.

20Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 31.10.2012 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

211. Der Beklagte hat zu Unrecht die Nachzahlung zur Einkommensteuer 2004 von 1.219,58 € auf einen Bruttobetrag von 2.189 € hochgerechnet und diesen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfasst. Durch die Nachzahlung ist dem Kläger nur ein Bruttoarbeitslohn von 1.219,58 € zugeflossen.

22a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter anderem Gehälter, Löhne und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn sind gem. § 2 Abs. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Einnahmen können dem Steuerpflichtigen auch dadurch zufließen, dass er Aufwendungen spart, die ein anderer – der Arbeitgeber – für ihn trägt, sofern er hierdurch objektiv bereichert ist (Gröpl in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 8 Rz. B 44). Zu dem Arbeitslohn gehören auch die Vorteile, die dem Arbeitnehmer deshalb zufließen, weil der Arbeitgeber ihn von der geschuldeten Lohnsteuer freistellt (sog. Nettolohnvereinbarung; BFH-Urteil vom 22.6.1990 VI R 162/86, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 1991, 156; BFH-Urteil vom 16.8.1979 VI R 13/77, BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771). Denn der Arbeitnehmer ist Schuldner dieser Steuer (BFH-Beschluss vom 12.12.1975 VI B 124/75, BFHE 117, 553, BStBl II 1976, 543). In der Einkommensteuerveranlagung eines Arbeitnehmers sind deshalb die um die vom Arbeitgeber übernommene Lohnsteuer erhöhten Nettobezüge als Arbeitslohn zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 26.2.1982 VI R 123/78, BFHE 135, 211, BStBl II 1982, 403; BFH-Urteil vom 16.8.1979 VI R 13/77, BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771).

23b) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 30.7.2009 VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148; BFH-Urteil vom 30.7.2009 VI R 30/06, BFH/NV 2010, 191) ist ein Einkommensteuererstattungsanspruch, den der Arbeitnehmer im Rahmen einer Nettolohnvereinbarung an seinen Arbeitgeber abgetreten hat, im Rahmen des Lohnsteuereinbehalts nur durch einen Abzug vom laufenden (Brutto)Arbeitslohn und nicht durch eine Verminderung des laufenden Nettolohns zu berücksichtigen. Insoweit hat der BFH ausgeführt, es handele sich bei den Steuererstattungen um Rückzahlung von überzahltem Arbeitslohn. Ob es sich um negative Einnahmen oder Werbungskosten handele, könne dahinstehen (BFH-Urteil vom 30.7.2009 VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148, unter II.1.c aa). Diese negativen Einnahmen oder Werbungkosten bemäßen sich nach der Höhe des Rückzahlungsbetrags, d. h. nach dem tatsächlich von der Finanzverwaltung an den Arbeitgeber ausgekehrten Erstattungsbetrag. Nur insoweit seien Einnahmen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber zurückgeflossen und der Arbeitnehmer überhaupt belastet (BFH-Urteil vom 30.7.2009 VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148, unter II.1.c cc). Durch die Steuererstattungen werde nicht der laufende Arbeitslohn korrigiert, sondern vielmehr eine in der Nettolohnabrede strukturell angelegte und deshalb arbeitsvertraglich zunächst geschuldete Gehalts- bzw. Steuerüberzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgeglichen. Insoweit fließe dem Steuerpflichtigen jedes Jahr ein Mehr an Einnahmen, als arbeitsvertraglich geschuldet, zu. Nicht zuletzt aus diesem Grund habe sich der Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern deren Einkommensteuererstattungsansprüche abtreten lassen (BFH-Urteil vom 30.7.2009 VI R 29/06, BFHE 226, 219, BStBl II 2010, 148, unter II.1.c dd).

24c) Nach Ansicht des Senats erhöht die Nachzahlung zur Einkommensteuer 2004 den Bruttoarbeitslohn des Klägers im Streitjahr nur um den von der Arbeitgeberin gezahlten Betrag von 1.219,58 €. Diese Zahlung der Arbeitgeberin stellt bei einer Nettolohnvereinbarung keinen Sachbezug dar, für den noch Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag zu erheben wären, die nach der Berechnung des Beklagten 970,60 € ausmachen. Die vom BFH entwickelten Grundsätze zu Steuererstattungen bei einer Nettolohnvereinbarung sind – entgegen der Ansicht des Beklagten – auf den vorliegenden Streitfall übertragbar.

25aa) Bei der Nachzahlung durch die Arbeitgeberin handelt es sich nicht um einen Sachbezug, für den noch zusätzlich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag zu erheben ist. Zwar wird nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich in Höhe des Lohnsteuerbetrags der Zufluss von zusätzlichem Arbeitslohn, der ebenfalls dem Lohnsteuerabzug unterliegt, angenommen, wenn der Arbeitgeber zu wenig Lohnsteuer einbehalten und abgeführt hat und sich nach Aufdeckung dieses Umstands zur Übernahme der zusätzlichen Steuern entschließt (BFH-Urteil vom 10.2.1961 VI 89/60 U, BFHE 72, 376, BStBl III 1961, 139; BFH-Urteil vom 27.9.1957 VI 24/56 U, BFHE 65, 480, BStBl III 1957, 418). Die dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrundeliegenden Fälle sind jedoch nicht mit dem vorliegenden Streitfall vergleichbar. In den dortigen Fällen bestand keine Nettolohnvereinbarung und der Arbeitgeber verzichtete erst nachträglich auf Rückgriffsansprüche gegen den Arbeitnehmer. Bei Bestehen einer Nettolohnvereinbarung, die sich – wie im Streitfall – ausschließlich auf die Übernahme der Lohnsteuer auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, ist es jedoch nicht zulässig, auf die vom Arbeitgeber getragene Lohnsteuer, die bereits Teil des Bruttoarbeitslohns ist, nochmals eine Steuer zu berechnen. Denn die an die Finanzverwaltung abgeführte Lohnsteuer stellt keinen Sachbezug dar, für den noch zusätzlich Lohnsteuer zu erheben ist, sondern sie ist bereits Teil des der Besteuerung unterliegenden Bruttoarbeitslohns. Ob etwas anderes gelten würde, wenn sich die Nettolohnvereinbarung auf die Übernahme der Steuer auf andere Einkünfte erstrecken würde, musste hier nicht entschieden werden. Dementsprechend hat der Beklagte – insoweit zutreffend – auch nicht auf die im Streitjahr einbehaltenen Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag von 104.454,96 € nochmals eine Steuer berechnet. Ebenso wenig kommt jedoch bei der Nachzahlung zur Einkommensteuer 2004 eine nochmalige Steuerberechnung in Betracht.

26bb) Im Streitfall ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass es sich bei der in Rede stehenden Nachzahlung um die teilweise Rückzahlung der im Jahr 2006 im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2004 erhaltenen Erstattung von 15.271,22 € handelt. Wenn – der Rechtsprechung des BFH folgend – die im Jahr 2006 an die Arbeitgeberin gezahlte Erstattung von 15.271,22 € den Bruttoarbeitslohn des Klägers um diesen Erstattungsbetrag mindert, kann die teilweise Rückzahlung dieser Erstattung im Streitjahr den Bruttoarbeitslohn auch nur um den Nachzahlungsbetrag erhöhen. Weder durch die Steuererstattung im Jahr 2006 noch durch deren teilweise Rückzahlung im Streitjahr wird der laufende Arbeitslohn korrigiert. Im Falle der Steuererstattung wird eine Gehalts- bzw. Steuerüberzahlung, im Falle der Rückzahlung der Steuererstattung eine Gehalts- bzw. Steuerminderzahlung ausgeglichen. Beides ist in der zwischen dem Kläger und der Arbeitgeberin geschlossenen Nettolohnvereinbarung angelegt. Hätte der Beklagte bei dem Erlass des erstmaligen Einkommensteuerbescheids 2004 vom 29.3.2006 bereits von den erst nachträglich bekanntgewordenen, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte gewusst, wäre es im Jahr 2006 zu einer niedrigeren Einkommensteuererstattung an die Arbeitgeberin gekommen. Diese hätte im Rahmen des Einkommensteuerbescheids 2006 als negative Einnahmen oder Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit den Bruttoarbeitslohn 2006 gemindert. Für die Höhe des Bruttoarbeitslohn ist es im Rahmen der Nettolohnvereinbarung bei unverändertem Nettolohn des Klägers unbeachtlich, ob die Arbeitgeberin die Lohnsteuer für den Jahresarbeitslohn 2004 bereits im laufenden Jahr in zutreffender Höhe einbehalten und abgeführt hat oder ob es – wie hier – wegen der Überzahlung von Lohnsteuer zunächst zu einer Einkommensteuererstattung für 2004 und später zu einer Teilrückzahlung des Erstattungsbetrags gekommen ist.

272. Der Senat berechnet die festzusetzende Einkommensteuer 2008 wie folgt:

28

Bruttoarbeitslohn neu (lt. Einkommensteuererklärung 2008) 258.352 €
zu versteuerndes Einkommen neu 238.990 €
zu versteuern mit Progressionsvorbehalt 84.677 €
dazu Kindergeld 3.696 €
festzusetzende Einkommensteuer 88.373 €

293. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

304. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

315. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, ob bei einer Nettolohnvereinbarung durch den Arbeitgeber getragene Steuernachzahlungen zu einer Erhöhung des laufenden Bruttoarbeitslohns oder des Nettolohns führen, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

Entstrickungsbesteuerung: Vorlage an den Europäischen Gerichtshof

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Frage der Europarechtskonformität der sog. einkommensteuerrechtlichen Entstrickungsklausel dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt.

Die Klägerin ist eine in Deutschland ansässige Personengesellschaft mit niederländischen Gesellschaftern. Im Jahr 2005 übertrug sie Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte auf ihre niederländische Betriebsstätte. Die Betriebsprüfung war der Ansicht, dass die Überführung der Rechte in Anwendung der sog. Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze unter Aufdeckung der stillen Reserven erfolgen müsse, ließ aus Billigkeitsgründen aber die Bildung eines Ausgleichspostens zu, der innerhalb von zehn Jahren gewinnerhöhend aufgelöst werden musste. Die Klägerin berief sich auf die im Jahr 2008 erfolgte Rechtsprechungsänderung (Aufgabe der sog. Theorie der finalen Entnahme) und machte die Verfassungs- bzw. Europarechtswidrigkeit des im Jahr 2006 geschaffenen und im Jahr 2010 überarbeiteten gesetzlichen Entstrickungstatbestands geltend.

Dem ist das Finanzgericht Düsseldorf jedenfalls teilweise gefolgt. Zwar seien die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig, da der Gesetzgeber nur eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung rückwirkend festgeschrieben habe. Der Entstrickungstatbestand verstoße jedoch gegen die europäische Niederlassungsfreiheit. Im Hinblick auf den eintretenden Liquiditätsnachteil sei es unverhältnismäßig, die Steuer – wenn auch gestreckt auf fünf oder zehn Jahre – vor Aufdeckung der stillen Reserven zu erheben. Dieser Nachteil würde vermieden, wenn dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht zwischen der sofortigen und der aufgeschobenen Zahlung eingeräumt werde.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat das Klageverfahren bis zur Bekanntgabe der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs ausgesetzt.

Die Entscheidungen im Volltext: 8 K 3664/11 F

 

Finanzgericht Düsseldorf, 8 K 3664/11 F

Datum:
05.12.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 K 3664/11 F
Tenor:

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Vorabentscheidung folgende Rechtsfrage vorgelegt:

Ist es mit der Niederlassungsfreiheit des Artikel 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union vereinbar, wenn für den Fall der Übertragung eines Wirtschaftsguts von einer inländischen auf eine ausländische Betriebsstätte desselben Unternehmens eine nationale Regelung bestimmt, dass eine Entnahme für betriebsfremde Zwecke vorliegt mit der Folge, dass es durch Aufdeckung stiller Reserven zu einem Entnahmegewinn kommt, und eine weitere nationale Regelung die Möglichkeit eröffnet, den Entnahmegewinn gleichmäßig auf fünf oder zehn Wirtschaftsjahre zu verteilen?

1Tatbestand

21          Streitig ist, ob die Überführung von Rechten in eine ausländische Betriebsstätte der Klägerin zur Aufdeckung und Versteuerung von stillen Reserven führt.

32           Die Klägerin hat ihren Sitz in „I-Stadt“. Komplementärin ist die „W“ Beteiligungs GmbH, die ebenfalls in „I-Stadt“ ansässig ist. Kommanditisten sind die „U-B.V.“ und die „M-B.V.“, die beide ihren Sitz in den Niederlanden haben. Seit Mai 2005 befasste sich die Klägerin ausschließlich mit der Verwaltung eigener Patent-, Marken- und Gebrauchsmusterrechte. Mit Vertrag vom 25.05.2005 übertrug sie diese Rechte auf ihre niederländische Betriebsstätte in „Z-Stadt“.

43           Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte die Finanzverwaltung zu der Ansicht, die Überführung der Rechte müsse gemäß Tz. 2.6.1 der Grundsätze der Verwaltung für die Prüfung der Aufteilung der Einkünfte bei Betriebsstätten international tätiger Unternehmen (Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätze, Schreiben des Bundesministerium der Finanzen (BMF) vom 24.12.1999, Bundessteuerblatt (BStBl) I 1999, 1076) unter Aufdeckung der stillen Reserven mit dem Fremdvergleichswert im Zeitpunkt der Überführung erfolgen. Der zwischen den Beteiligten übereinstimmend ermittelte Wert der stillen Reserven in Höhe von 4.710.456 € sei allerdings nicht sofort in voller Höhe der Besteuerung zu unterwerfen sondern – wie im BMF-Schreiben vorgesehen – aus Billigkeitsgründen durch einen Merkposten in gleicher Höhe zu neutralisieren; dieser Merkposten sei sodann linear über einen Zeitraum von zehn Jahren gewinnerhöhend aufzulösen.

54           Daraus ergab sich für das Streitjahr 2005 folgende Gewinnberechnung:

6              bisheriger Gewinn:                                                                                           379.748 €

7              Auflösung Merkposten:                                                                                    314.030 €

8                                                                                                                                          693.778 €

9              Erhöhung der Gewerbesteuerrückstellung:                                          ./.         19.096 €

10                                                                                                                                          674.682 €

115                Der Beklagte stellte im Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 17.08.2009 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin mit 674.682 € fest. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 19.09.2011 als unbegründet zurück.

126                Die Klägerin trägt im Wesentlichen Folgendes vor:

137                Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in zwei Urteilen (vom 17.07.2008 I R 77/06, BStBl II 2009, 464; vom 28.10.2009 I R 99/08, BStBl II 2011, 1019) an seiner früheren Rechtsprechung, der zufolge die Überführung von Einzelwirtschaftsgütern aus einem inländischen Stammhaus in eine ausländische Betriebsstätte zu einer gewinnverwirklichenden Entnahme im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) führte, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) von der Besteuerung im Inland freigestellt waren (Theorie der finalen Entnahme), nicht mehr festgehalten. Nunmehr habe der BFH entschieden, dass eine Entnahme nicht vorliege, weil der betriebliche Funktionszusammenhang nicht gelöst worden sei; es fehle infolgedessen an einer Rechtsgrundlage für einen Gewinnrealisierungstatbestand. Darüber hinaus fehle es auch an einem Bedürfnis für die Besteuerung eines Gewinns, da nach heutiger Erkenntnis bei Vereinbarung der Freistellungsmethode in einem DBA der inländische Besteuerungszugriff auf im Inland entstandene stille Reserven nicht verloren gehe.

148                Die in diesen Urteilen angestellten Überlegungen griffen auch im Streitfall. Art. 5 Abs. 2 DBA-Niederlande ermögliche eine Aufteilung eines künftigen Gewinns aus der Veräußerung der Rechte zwischen Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen und lasse damit das Besteuerungsrecht des Stammhausstaates auf die dem Stammhaus zuzurechnenden Gewinnanteile unberührt.

159                Ein schützenswertes Vertrauen in die überholte Rechtsprechung zur Theorie der finalen Entnahme gebe es nicht. Die neue Rechtsprechung des BFH sei vielmehr ein weiterer Schritt in Richtung des übergeordneten Grundsatzes einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und Ausfluss des Realisationsprinzips.

1610            Auch die nachträglich in das EStG aufgenommenen Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG könnten nicht zu einer Besteuerung der stillen Reserven im Veranlagungszeitraum 2005 führen. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG sei nicht einschlägig, da im vorliegenden Fall eine Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland für die stillen Reserven, die bis zur Übertragung der Rechte in die niederländische Betriebsstätte entstanden seien, nicht gegeben sei. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG sei erst mit dem Jahressteuergesetz 2010 in das EStG eingefügt worden. Da diese Vorschrift gemäß § 52 Abs. 8b EStG auch für Wirtschaftsjahre gelte, die vor dem 01.01.2006 enden, entfalte sie eine echte und verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung; die Vorschrift sei daher nichtig. Eine gesetzliche Grundlage für eine Besteuerung der stillen Reserven im Veranlagungszeitraum 2005 sei deshalb nicht vorhanden.

1711            Abgesehen davon verstoße § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 auch gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit aus Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV). Sie – die Klägerin – erleide durch die Überführung der Wirtschaftsgüter in ihre niederländische Betriebsstätte einen Nachteil, denn die Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen zwei inländischen Betriebsstätten würde keine sofortige Besteuerung von nicht realisierten stillen Reserven nach sich ziehen. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung sei geeignet, eine Gesellschaft davon abzuhalten, Wirtschaftsgüter in eine Betriebsstätte in einem anderem Mitgliedsstaat zu überführen.

1812            Gründe des Gemeinwohls, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten, lägen zwar vor, wenn eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedsstaaten nach dem Territorialprinzip sichergestellt werden solle. Die hier einschlägige Regelung, die zu einer sofortigen Einziehung der Steuer zum Zeitpunkt der Überführung der Wirtschaftsgüter führe, sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) jedoch unverhältnismäßig. Weniger einschneidend wäre eine Einziehung der Steuer im Zeitpunkt der Realisierung des Wertzuwachses. Der dadurch entstehende zusätzliche Verwaltungsaufwand sei sowohl für die Finanzverwaltung als auch für die betroffene Gesellschaft tragbar. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der von der Finanzverwaltung im Billigkeitswege durchgeführten Stundung der Einziehung durch die Verteilung der stillen Reserven auf zehn Jahre.

1913            Die Klägerin beantragt,

20den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 17.08.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.09.2011 zu ändern und die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 379.748 € festzustellen.

2114            Der Beklagte beantragt,

22die Klage abzuweisen.

2315            Er meint, einer argumentativen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BFH zur Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme bedürfe es nicht, denn durch § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG sei nachträglich eine gesetzliche Grundlage für die Erfassung des streitigen Gewinns geschaffen worden.

2416            § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG gelte nach § 52 Abs. 8b Satz 3 EStG in allen Fällen, in denen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuwenden sei. Diese Vorschrift wiederum gelte gemäß § 52 Abs. 8b Satz 2 EStG auch für Wirtschaftsjahre, die vor dem 01.01.2006 geendet haben. Diese rückwirkende Anwendung sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Rückwirkung sei zulässig. Durch die Neuregelung sei nämlich eine Rechtslage rückwirkend gesetzlich festgeschrieben worden, die vor der Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen langjährigen Verwaltungspraxis entsprochen habe. Aufgrund dessen habe sich ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der geänderten Rechtsprechung nicht bilden können.

2517            Daneben sei die Rückwirkung aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt. Ohne die rückwirkende Festschreibung der Theorie der finalen Entnahme seien die Rechtssicherheit und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Kontinuität der Rechtsordnung erschüttert. Außerdem bestünden Unsicherheiten darüber, wie die Besteuerung im Zeitpunkt der Gewinnrealisierung sichergestellt werden könne; schließlich ergäben sich Fragen der richtigen Gewinnabgrenzung und Vollzugsdefizite seien zu befürchten.

2618            § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG verstoße auch nicht gegen europarechtliche Grundsätze; ein eventueller Eingriff in die Niederlassungsfreiheit sei durch zwingende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Der EuGH habe bereits mehrfach entschieden, dass ein Mitgliedsstaat nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität das Recht habe, noch nicht realisierte Wertzuwächse im Zeitpunkt der Überführung von Wirtschaftsgütern in das Ausland zu besteuern. Die Entstrickungsregelung verfolge das legitime Ziel, das Besteuerungsrecht des Herkunftsstaates zu sichern.

2719            Die Besteuerung sei auch nicht unverhältnismäßig, denn die aufgedeckten stillen Reserven würden nicht im vollem Umfang sofort besteuert, die Besteuerung werde vielmehr auf zehn Jahre gestreckt. Der Aufschub der Besteuerung bis zur tatsächlichen Realisierung der stillen Reserven sei keine geeignete Alternative, da der Verbleib der Wirtschaftsgüter kaum zu kontrollieren sei, jedenfalls aber mit einem übermäßigen Verwaltungsaufwand verbunden sei.

28Entscheidungsgründe

2920            Der Senat legt die im Tenor zu 2. formulierte Rechtsfrage dem EuGH gemäß Artikel 267 Abs. 2 AEUV zur Vorabentscheidung vor. Die Entscheidung über die Klage hängt von der Beantwortung dieser Frage ab.

3021            A. 1. Für die sogenannte Entstrickungsbesteuerung gab es zunächst keine gesetzliche Grundlage. Sie beruhte auf Rechtsprechung des BFH, der bereits mit Urteil vom 16.07.1969 (I 266/65, BStBl II 1970, 175) entschieden hatte, dass die Überführung eines Wirtschaftsguts aus einem inländischen Unternehmen in dessen ausländische Betriebsstätte als eine mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG anzusehen sei. Durch diese Auslegung des Begriffs Entnahme sollte vermieden werden, dass stille Reserven endgültig der Besteuerung entzogen werden. Diese Rechtsprechung wurde als Theorie der finalen Entnahme bezeichnet.

3122            2. Die Finanzverwaltung folgte dieser Rechtsprechung, milderte sie allerdings, da sie zur Versteuerung von noch nicht realisierten stillen Reserven führte, durch eine Billigkeitsmaßnahme ab. Diese war zuletzt enthalten in Tz. 2.6.1 des oben erwähnten BMF-Schreibens vom 24.12.1999. Dort war vorgesehen, dass aus Billigkeit der Entnahmegewinn noch nicht besteuert wird, sondern dass zunächst ein Merkposten (Ausgleichsposten) gebildet wird, um den Gewinn zu neutralisieren. Dieser Merkposten war bei abnutzbaren Anlagegütern zeitanteilig gemäß der Restnutzungsdauer des Wirtschaftsguts, spätestens aber nach zehn Jahren, gewinnerhöhend aufzulösen. Diese Billigkeitsmaßnahme ist auch im vorliegenden Fall angewendet worden.

3223            3. Erstmals gesetzlich geregelt wurden die Entstrickungstatbestände in dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 07.12.2006 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I 2006, 2782). Ziel des Gesetzes war zum einen, steuerrechtliche Vorschriften an aktuelle EU-rechtliche Vorgaben auf dem Gebiet des Steuerrechts und des Gesellschaftsrechts anzupassen; zum anderen sollte es „der konsequenten Sicherung deutscher Besteuerungsrechte“ dienen und die Besteuerung stiller Reserven unter anderem dann gewährleisten, wenn „Wirtschaftsgüter dem deutschen Besteuerungszugriff entzogen werden“ (siehe Gesetzentwurf der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache (BT-Ds.) 16/2710 vom 25.09.2006, Seite 1, 25 und 26).

3324            Diesem Ziel dient auch die in das EStG eingefügte Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG. Sie lautet: „Einer Entnahme für betriebsfremde Zwecke steht der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts gleich.“ Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Ds. 16/2710, Seite 28) beinhaltet diese Vorschrift eine Klarstellung zum geltenden Recht; zu den Entnahmen für betriebsfremde Zwecke gehöre insbesondere die Überführung eines Wirtschaftsguts von einem inländischen Betrieb in eine ausländische Betriebsstätte, wenn der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte aufgrund eines DBA von der inländischen Besteuerung freigestellt sei.

3425            Nachdem der Bundesrat vorgeschlagen hatte, die Möglichkeit einer zeitlich gestreckten Besteuerung der stillen Reserven zu schaffen, um eine „Europarechtskonforme gesetzliche Fixierung der zentralen Entstrickungstatbestände“ sicherzustellen (Bundesrats-Drucksache (BR-Ds.) 542/06 vom 22.09.2006), wurde § 4g EStG in den Gesetzentwurf eingefügt (BT-Ds. 16/3369 vom 09.11.2006, Seite 5). Diese Vorschrift sieht in Absatz 1 vor, dass in den Fällen, in denen ein Wirtschaftsgut infolge seiner Zuordnung zu einer Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat der EU gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG als entnommen gilt, auf Antrag des Steuerpflichtigen ein Ausgleichsposten in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert des Wirtschaftsguts gebildet wird und dass dieser Ausgleichsposten gemäß Absatz 2 Satz 1 der Vorschrift im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den folgenden vier Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufgelöst wird. Mit dieser Ergänzung wurde das SEStEG dann beschlossen; es gilt ab dem Veranlagungszeitraum 2006.

3526            4. Mit Urteil vom 17.07.2008 (I R 77/06, BStBl II 2009, 464), also zu einem Zeitpunkt, als § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in der Fassung des SEStEG schon galt, gab der BFH – in einem Fall betreffend den Veranlagungszeitraum 1995 – die Theorie der finalen Entnahme auf. Zur Begründung führte er zum einen aus, die bisherige Rechtsprechung finde im Gesetz – jedenfalls in der vor Inkrafttreten des SEStEG geltenden Fassung – keine hinreichende Grundlage; die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte desselben Unternehmens sei keine Entnahme. Zum anderen stützte der BFH seine Meinungsänderung darauf, dass kein Bedürfnis dafür bestehe, die Überführung eines Wirtschaftsguts eines inländischen Unternehmens in dessen ausländische Betriebsstätte als Gewinnrealisierungstatbestand anzusehen, denn die spätere Besteuerung von im Inland entstandenen stillen Reserven sei dadurch, dass die ausländischen Betriebsstättengewinne von der deutschen Besteuerung freigestellt seien, nicht beeinträchtigt. Anders ausgedrückt: Bei Vereinbarung der Freistellungsmethode in einem DBA (im BFH-Fall: Artikel 4 Abs. 2 DBA-Österreich) gehe das inländische Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung eines ins Ausland überführten Wirtschaftsguts nur in dem Umfang verloren, in dem die realisierten Gewinne im Ausland erwirtschaftet worden seien; das inländische Besteuerungsrecht für den im Inland erwirtschafteten Teil der stillen Reserven bleibe bestehen.

3627            5. Aufgrund dieser Rechtsprechungsänderung musste der Gesetzgeber nunmehr befürchten, dass der BFH die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte nicht als Ausschluss oder Beschränkung des inländischen Besteuerungsrechts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG ansehen würde, sodass diese Vorschrift ins Leere gegangen wäre.

3728            In dieser Situation entschloss sich der Gesetzgeber, zusätzlich zu dem bezüglich des BFH-Urteils vom 17.07.2008 I R 77/06 zunächst ergangenen Nichtanwendungserlass (BMF-Schreiben vom 20.05.2009, BStBl I 2009, 671) ein Nichtanwendungsgesetz zu erlassen und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG nachzubessern. Dies geschah im Jahressteuergesetz 2010 vom 08.12.2010 (BGBl I 2010, 1768). Zum einen wurde in § 4 Abs. 1 EStG hinter Satz 3 ein neuer Satz 4 eingefügt; diese Regelung erläutert klarstellend den Hauptanwendungsfall des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (so BT-Ds. 17/3549, Seite 15). Sie lautet: „Ein Ausschluss oder eine Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts liegt insbesondere vor, wenn ein bisher einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen zuzuordnendes Wirtschaftsgut einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen ist.“ Zum anderen wurde § 52 Abs. 8b EStG, in dem bis dahin nur geregelt war, dass § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG in der Fassung des SEStEG ab 2006 gilt, um die Sätze 2 und 3 ergänzt. Satz 2 bestimmt, dass § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG auch für frühere Veranlagungszeiträume gilt, wenn eine Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte stattgefunden hat, deren Einkünfte durch ein DBA im Inland freigestellt sind. Satz 3 des § 52 Abs. 8b EStG bestimmt, dass § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG in allen Fällen gilt, in denen § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG anzuwenden ist.

3829            Durch diese Anwendungsvorschriften soll sichergestellt werden, dass die Grundsätze des BFH-Urteils vom 17.07.2008 I R 77/06 auf den entschiedenen Einzelfall beschränkt bleiben und dass die Theorie der finalen Entnahme, wie sie in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gesetzlich festgeschrieben worden ist, im Interesse einer einheitlichen und kontinuierlichen Rechtsanwendung auf alle noch offenen Fälle anzuwenden ist (BT-Ds. 17/3549, Seite 21 und 22).

3930            B. Durch § 4 Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit Satz 3 EStG ist nunmehr eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, im Falle der Überführung eines Wirtschaftsguts aus einer inländischen in eine ausländische Betriebsstätte desselben Unternehmens eine Entnahme annehmen zu können, die mit dem gemeinem Wert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG). Aufgrund der Anwendungsvorschriften des § 52 Abs. 8b EStG gilt § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG auch im Veranlagungszeitraum 2005, dem Streitjahr des vorliegenden Verfahrens.

4031            Nach diesen Vorschriften müsste der Senat die Klage abweisen, denn § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht wegen eines Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig.

4132            Eine echte Rückwirkung, wie sie hier durch das Jahressteuergesetz 2010 angeordnet wird, ist in der Regel unzulässig. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können muss, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BFH, Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10, BStBl II 2012, 577, Rz. 21, mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind jedoch Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist. Eine dieser Fallgruppen umfasst die Fälle, in denen eine gefestigte, höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (vgl. z. B.: Nichtannahmebeschluss vom 15.10.2008 1 BvR 1138/06, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 187; BFH VI R 74/10, a.a.O., Rz. 22).

4233            So liegt der Fall auch hier. Die Theorie der finalen Entnahme beruhte – wie oben dargelegt – auf einer jahrzehntelangen Rechtsprechung des BFH und wurde allgemein angewendet. Die auf dieser Theorie beruhende Rechtslage wurde durch das Jahressteuergesetz 2010 rückwirkend gesetzlich festgeschrieben. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf eine hiervon abweichende Rechtslage konnte sich jedenfalls bis zur Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme durch das Urteil vom 17.07.2008 I R 77/06 und damit auch für das Streitjahr 2005 nicht bilden.

4334            Ob darüber hinaus auch – wie der Beklagte meint – zwingende Gründe des Gemeinwohls eine ausreichende Rechtfertigung für die echte Rückwirkung darstellen, kann dahinstehen.

4435            C. Zwar fällt der Bereich der direkten Steuern (wie der Einkommensteuer) nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft, die Mitgliedsstaaten müssen jedoch ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (EuGH, Urteil vom 11.03.2004 Rs. C-9/02, Tz. 44). Eine der grundlegenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, die auch von den nationalen Gerichten zu beachten sind, ist die Regelung der Niederlassungsfreiheit (früher: Artikel 43 EG-Vertrag, jetzt: Artikel 49 AEUV). Das Verbot für die Mitgliedsstaaten, die Niederlassungsfreiheit zu beschränken, gilt auch in Bezug auf steuerrechtliche Vorschriften. Der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit wird durch alle Maßnahmen berührt, die deren Ausübung verhindern, beschränken oder weniger attraktiv machen (EuGH, Urteil vom 29.11.2011 Rs. C-371/10; Urteil vom 12.07.2012 Rs. C-269/09).

4536            Nach Auffassung des Senats verstößt der Entstrickungstatbestand des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gegen die so verstandene Niederlassungsfreiheit (ebenso: Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.01.2008 4 K 1347/03, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 680; Finanzgericht Köln, Urteil vom 18.03.2008 1 K 4110/04, EFG 2009, 259; Frotscher, EStG, Praxiskommentar, 149. Lieferung 3/2009, § 4g, Rdnr. 3; Ditz, Internationales Steuerrecht (IStR) 2009, 115; Körner, IStR 2009, 741; Krüger/Heckel, Neue Wirtschaftsbriefe 2010, 1334; zweifelnd: Wied, in: Blümich, Kommentar zu EStG, KStG, GewStG und Nebengesetzen, § 4 EStG, Rdnrn. 21 und 486; anderer Ansicht: Mischke, Die Unternehmensbesteuerung 2011, 328; Musil, Finanzrundschau 2011, 545), denn Anknüpfungspunkt für die Besteuerung von stillen Reserven ist die Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte. Die Überführung desselben Wirtschaftsguts in eine andere inländische Betriebsstätte des Unternehmens würde keine Besteuerung auslösen. Aufgrund dessen ist die Vorschrift geeignet, die Ausübung des Rechts, in einem anderen Mitgliedstaat der EU eine Betriebsstätte zu gründen, einzuschränken.

4637            Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des EuGH im Urteil vom 29.11.2011 dürfte § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 in Verbindung mit § 4g EStG einer europarechtlichen Prüfung nicht standhalten.

4738            Nach dieser Entscheidung ist eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf das Ziel der Vorschriften, zu einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden zu kommen, zwar gerechtfertigt. Nach dem Grundsatz der steuerlichen Territorialität hat die Bundesrepublik Deutschland das Recht, den Wertzuwachs zu besteuern, der sich in der Zeit bis zur Überführung der Wirtschaftsgüter in eine ausländische Betriebsstätte gebildet hat. Dass die Festsetzung der im Inland entstandenen stillen Reserven schon im Zeitpunkt der Überführung des Wirtschaftsguts vorgenommen wird, kann mit dem EuGH auch als verhältnismäßig angesehen werden. Es ist aber unverhältnismäßig, die Steuer auf diese stillen Reserven – wenn auch gestreckt auf fünf Jahre (nach § 4g EStG) oder auf zehn Jahre (nach Tz. 2.6.1 des BMF-Schreibens vom 24.12.1999) – zu erheben, bevor es zu einer Aufdeckung der stillen Reserven gekommen ist; denn trotz der gestreckten Besteuerung kommt es zu einem Liquiditätsnachteil. Dieser Nachteil würde vermieden, wenn dem Steuerpflichtigen, wie vom EuGH in Tz. 73 des Urteils vom 29.11.2011 als die Niederlassungsfreiheit weniger beeinträchtigend angesehen, ein Wahlrecht eingeräumt würde zwischen der sofortigen Zahlung des auf die stillen Reserven entfallenden Steuerbetrags unter Inkaufnahme des dadurch eintretenden Liquiditätsnachteils und einer Aufschiebung der Zahlung bis zur Realisierung des Wertzuwachses unter Inkaufnahme des damit verbundenen Verwaltungsaufwands sowohl für den Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung.

4839            Aus dem Verwaltungsaufwand allein lässt sich jedenfalls keine Rechtfertigung für die Beschränkung der durch den EU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten herleiten (EuGH, Urteil vom 12.07.2012 Rs. C-269/09, Tz. 72).

4940            D. Das Klageverfahren ist gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung bis zur Bekanntgabe der Vorabentscheidung des EuGH über die vorgelegten Rechtsfragen auszusetzen (vgl. BFH, Beschluss vom 29.11.2005 I B 196/04, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 2006, 592).

Erbschaftsteuer: Schweizer Erbe hat Anspruch auf denselben Freibetrag wie ein in Deutschland lebender Erbe

Das Finanzgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein in der Schweiz lebender Erbe, der nur hinsichtlich eines in Deutschland belegenen Grundstücks (beschränkt) erbschaftsteuerpflichtig ist, Anspruch auf denselben Freibetrag hat wie ein Erbe, der in Deutschland wohnt und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist.

Der Kläger ist Schweizer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau war ebenfalls Schweizer Staatsangehörige. Beide hatten ihren Wohnsitz in der Schweiz. Die Ehefrau des Klägers verstarb im Jahr 2009 und wurde vom Kläger beerbt. Sie war Eigentümerin eines in Deutschland belegenen Grundstücks, darüber hinaus Inhaberin von Bankkonten in Deutschland und in der Schweiz. Das Finanzamt setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer für das in Deutschland belegene Grundstück fest. Dabei berücksichtigte es einen Freibetrag von 2.000 €, der nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz für beschränkt Steuerpflichtige vorgesehen ist. Für unbeschränkt steuerpflichtige überlebende Ehegatten gilt ein Freibetrag von 500.000 €.

Das Finanzgericht Düsseldorf hatte dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage vorgelegt, ob die gesetzlich vorgesehene Ungleichbehandlung des beschränkt steuerpflichtigen Klägers im Vergleich zu unbeschränkt Steuerpflichtigen mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren ist. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 17. Oktober 2013 (Rs. C-181/12) verneint. Darüber hinaus hat er entschieden, dass sich auch ein Staatsangehöriger eines Drittstaats – wie hier der Schweiz – auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen kann. Vor diesem Hintergrund hat das Finanzgericht Düsseldorf der Klage nunmehr stattgegeben.

Die Entscheidung im Volltext: 4 K 689/12 Erb

 

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 689/12 Erb

Datum:
27.11.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 689/12 Erb
Tenor:

Der Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

1T a t b e s t a n d:

2Der Kläger ist Schweizer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz. Der Kläger schloss mit der in Deutschland geborenen Erblasserin WS am … Juni 1981 in der Schweiz die Ehe. Dadurch erwarb die Erblasserin die Staatsangehörigkeit der Schweiz. Seit der Eheschließung lebten der Kläger und die Erblasserin in der Schweiz.

3Die Erblasserin verstarb am … März 2009 in der Schweiz. Sie wurde vom Kläger allein beerbt. Die Erblasserin war Eigentümerin eines in X belegenen Grundstücks. Den Grundbesitzwert für das Grundstück stellte das Finanzamt X auf den Todestag der Erblasserin mit 329.200 Euro fest. Ferner war die Erblasserin Inhaberin von Konten bei zwei Banken in Deutschland, die Guthaben von insgesamt 33.689,72 Euro aufwiesen. Darüber hinaus war sie Inhaberin von Konten bei Schweizer Banken, die Guthaben von insgesamt umgerechnet 169.508,04 Euro aufwiesen.

4Von dem Kläger wurde in der Schweiz keine Erbschaftsteuer erhoben.

5Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger erstmals mit Bescheid vom 1. März 2010 Erbschaftsteuer fest. Dabei unterwarf es nur das in X belegene Grundstück der Erblasserin einer Besteuerung und berücksichtigte einen persönlichen Freibetrag von lediglich 2.000 Euro. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.

6Mit Bescheid vom 31. Oktober 2011 setzte das beklagte Finanzamt die Erbschaftsteuer auf 41.450 Euro neu fest. Dabei unterwarf es das in X belegene Grundstück der Erblasserin mit einem Wert von 329.200 Euro abzüglich einer Pauschale für Erbfallkosten von 10.300 Euro einer Besteuerung. Von der sich hiernach ergebenden Bemessungsgrundlage von 318.900 Euro zog es wiederum nur einen persönlichen Freibetrag von 2.000 Euro ab.

7Den Einspruch des Klägers wies das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 23. Januar 2012 zurück. Zur Begründung führte es aus: Der Kläger unterliege mit seinem Erwerb von Todes wegen hinsichtlich des in X belegenen Grundstücks der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Daher könne ihm nach § 16 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) nur ein Freibetrag von 2.000 Euro gewährt werden.

8Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Die Ungleichbehandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen verstoße gegen die durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit.

9Der Kläger beantragt sinngemäß,

10den Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 aufzuheben.

11Das beklagte Finanzamt beantragt,

12die Klage abzuweisen.

13Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat auf Vorlagebeschluss des Senats vom 2. April 2012 mit Urteil vom 17. Oktober 2013 (Rs. C-181/12) entschieden, dass die Art. 56 EG und 58 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung von Erbschaftsteuer entgegenstehen, die für den Fall des Erwerbs eines im Gebiet dieses Staates belegenen Grundstücks durch Erbanfall vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage dann, wenn der Erblasser und der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland wie der Schweizerischen Eidgenossenschaft hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem genannten Mitgliedstaat gehabt hätte.

14Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

16Die Klage ist begründet. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011, der nach § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Das beklagte Finanzamt hat die Erbschaftsteuer zu Unrecht gegen den Kläger festgesetzt.

17Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, das im Streitfall in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 3018) anzuwenden ist, gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Der Erwerb des Klägers von Todes wegen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ist steuerfrei. Das ergibt sich aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Danach bleibt der Erwerb des Ehegatten in Höhe von 500.000 Euro steuerfrei. Obgleich dies nach dem Wortlaut der Bestimmung nur in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gelten soll, kann der Kläger nicht nur auf den Freibetrag des § 16 Abs. 2 ErbStG von 2.000 Euro verwiesen werden. Dem steht das Urteil des EuGH vom 17. Oktober 2013 (Rs. C-181/12) entgegen. Nach diesem Urteil (insbesondere Randnr. 68 der Entscheidung) kann die einschränkende Regelung des § 16 Abs. 2 ErbStG im Streitfall nicht angewendet werden.

18Da der steuerpflichtige Erwerb des Klägers (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes) bei Berücksichtigung des Freibetrags des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereits steuerfrei ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Kläger hieran anknüpfend auch der Versorgungsfreibetrag des § 17 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zusteht.

19Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 Satz 1 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch das Urteil des EuGH vom 17. Oktober 2013 – Rs. C-181/12 – geklärt.

Monat für Monat mehr netto in der Tasche – Jetzt Lohnsteuer- Freibeträge für das Jahr 2014 beantragen

Jetzt besteht die Möglichkeit, beim Finanzamt Freibeträge für den Lohnsteuerabzug 2014 zu beantragen. Auch in diesem Jahr sollten alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer prüfen, ob sie durch die Berücksichtigung eines Freibetrags ihre monatliche Steuerbelastung mindern können.

Dadurch, dass der Arbeitgeber den vom Finanzamt bestätigten Freibetrag bereits beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt, erhöhe sich das monatliche Nettoeinkommen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können so früher über ihr Geld verfügen und müssen nicht mehr bis zum nächsten Jahr warten, um Erstattungsansprüche mit der Einkommensteuererklärung geltend zu machen.

Die Freibeträge sowie alle für die Berechnung der Lohnsteuer wichtigen Daten (wie zum Beispiel Steuerklasse, Kinderfreibeträge, Religion) werden nicht mehr wie früher auf der Papier-Lohnsteuerkarte abgedruckt, sondern nun als elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) gespeichert und den Arbeitgebern elektronisch zum Abruf bereitgestellt.

Ein Freibetrag kann gewährt werden, wenn die abziehbaren Aufwendungen (Werbungskosten wie zum Beispiel die Pendlerpauschale, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) insgesamt 600 Euro im Jahr übersteigen. Bei der Berechnung dieser Antragsgrenze zählen Werbungskosten allerdings nur mit, soweit sie den Arbeitnehmer-Pauschbetrag von jährlich 1.000 Euro übersteigen.

In diesem Zusammenhang wird auf die ab 2014 geltenden Änderungen im Reisekostenrecht hingewiesen.
Künftig könnten für eintägige Dienstreisen mit einer Abwesenheit von mehr als acht Stunden Mehraufwendungen für Verpflegung in doppelter Höhe von nun 12 Euro statt bisher 6 Euro als Werbungskosten angesetzt werden. Dieser neue Pauschbetrag gilt auch bei mehrtägigen Dienstreisen für den An- und Abreisetag; für Zwischentage können dann 24 Euro berücksichtigt werden. Für dienstreisende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfreuliche Verbesserungen und Vereinfachungen. Wie bisher ist ein Werbungskostenabzug für Reisekosten allerdings nicht möglich, wenn die Aufwendungen vom Arbeitgeber steuerfrei erstattet werden.

Im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren können aber auch Verluste aus anderen Einkunftsarten berücksichtigt sowie die Zahl der Kinderfreibeträge oder die Steuerklassen geändert werden, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Die bei Ehegatten geltenden Steuerklassenkombinationen stehen aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai dieses Jahres nun auch eingetragenen Lebenspartnern zu. Damit die für Ehegatten möglichen Steuerklassen und Steuerklassenkombinationen beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber berücksichtigt werden können, wird den Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft empfohlen, – sofern noch nicht geschehen – einen entsprechenden Antrag beim Finanzamt zu stellen.

Wer Freibeträge oder andere Ermäßigungsgründe berücksichtigen lassen möchte, kann ab sofort beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt einen entsprechenden Antrag auf Lohnsteuer-Ermäßigung stellen. Den Weg zum Finanzamt können sich die Bürgerinnen und Bürger ersparen. Die Anträge können nämlich auch auf dem Postwege gestellt werden. Die dafür erforderlichen Formulare sind nicht nur im Finanzamt, sondern auch im Internet unter www.formulare-bfinv.de oderwww.ofd.niedersachsen.de erhältlich.

Wichtig: Um Nachfragen des Finanzamts zu vermeiden, sollten alle erforderlichen Unterlagen und Belege direkt zusammen mit dem Antrag beim Finanzamt eingereicht werden.

Übrigens: Wer für 2013 bisher noch keinen Ermäßigungsantrag gestellt hat, kann dies bis spätestens zum 30. November 2013 nachholen.

PM OFD Niedersachsen

Reform der Grundsteuer – Neue Belastungen für Mieter und Eigentümer vermeiden!

Die meisten Mieter und Eigentümer müssen im Jahr 2014 für Heizung und Strom tiefer in die Tasche greifen. Womöglich wird es bald auch bei der Grundsteuer teurer. Der Bund der Steuerzahler fordert die Politik auf, dafür Sorge zu tragen, dass Wohnen nicht zum Luxusgut wird. Eine höhere Grundsteuer belastet Mieter genauso wie Familien oder Rentner mit Eigenheim. Sie ist quasi eine „Volkssteuer“, weil sie jeden trifft. Daher sollten Politiker im Umgang mit dieser Steuer äußerste Vorsicht walten lassen, mahnt der Bund der Steuerzahler. Einige Kommunen haben zum 1. Januar 2014 ohnehin die Grundsteuerhebesätze angehoben, um höhere Steuern einzunehmen. Die anstehende Reform der Grundsteuer darf nicht zu weiteren Steuererhöhungen führen!

Hintergrund
Der Bundesfinanzhof hatte bereits im Jahr 2010 darauf hingewiesen, dass die Steuer reformiert werden muss. Wesentlicher Kritikpunkt ist die Bewertung des Grundvermögens. Grundlage für die Bewertung sind die sog. Einheitswerte aus dem Jahr 1964 bzw. in den neuen Bundesländern aus dem Jahr 1935. Vielfach entsprechen diese Werte nicht mehr den heutigen Verhältnissen. Die Bundesländer haben daher verschiedene Modelle zur Reform der Grundsteuer vorgeschlagen. Die Modelle wurden im vergangenen Jahr durchgerechnet. Eigentlich sollten diese Ergebnisse bereits im Jahr 2013 veröffentlicht werden. Bisher sind die Berechnungen jedoch nicht publiziert worden. Der Bund der Steuerzahler kritisiert dieses Hin und Her. Eine Reform der Grundsteuer ist dringend erforderlich, sie sollte aber nicht zu mehr Belastungen für die Bürger oder mehr Bürokratie führen.

Reformmodelle
Zuletzt wurden drei Modelle zur Neubewertung des Grundvermögens diskutiert. Nach dem „Südmodell“ der Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg sollen nur noch die Flächen des Grundstücks und die darauf errichteten Gebäude Grundlage für die Besteuerung sein. Auf die streitanfällige Ermittlung von Grundstückswerten wird verzichtet. Unter Federführung der norddeutschen Bundesländer ist ein verkehrswertabhängiges Modell entwickelt worden. Beim sog. „Nordmodell“ stellt sich aber die Frage, ob dies kurzfristig umsetzbar ist. Denn für über 35 Millionen Grundstücke müsste der Verkehrswert erst einmal ermittelt werden. Schließlich gibt es noch ein Mischmodell, das vor allem unter dem Namen Thüringer Modell bekannt geworden war.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 02.01.2014