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Werbungskostenabzug bei Abgeltungssteuer

Finanzgericht Köln entscheidet Musterverfahren zum Werbungskostenabzug bei Abgeltungssteuer

Pressemitteilung vom 17. April 2013
Das Finanzgericht Köln hat heute entschieden, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit Kapitalerträgen, die dem Steuerpflichtigen vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind, weiterhin unbeschränkt als (nachträgliche) Werbungskosten abgezogen werden können. Das im Jahr 2009 mit der Abgeltungssteuer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eingeführte Abzugsverbot für Werbungskosten (§ 20 Absatz 9 EStG) findet auf diese Ausgaben keine Anwendung.
Der Kläger hat Kapitaleinkünfte für das Streitjahr 2010 in Höhe von 11.000 € erklärt. Daneben machte er Steuerberatungskosten in Höhe von 12.000 € als Werbungskosten geltend, die im Rahmen einer Selbstanzeige von Kapitalerträgen der Jahre 2002 bis 2008 entstanden sind. Das Finanzamt gewährte lediglich den Sparer-Pauschbetrag. Die Anerkennung der tatsächlich entstandenen Werbungskosten lehnte es unter Hinweis auf ein einschlägiges Schreiben des Bundesfinanzministeriums ab. Danach sei das mit der Abgeltungssteuer eingeführte Werbungskostenabzugsverbot im Hinblick auf das geltende Abflussprinzip auch anzuwenden, wenn die ab 2009 entstandenen Kosten früher zugeflossene Kapitalerträge betreffen.Der 7. Senat des Finanzgerichts Köln gab der Klage statt (7 K 244/12). Es begründete seine Entscheidung insbesondere mit dem Wortlaut der einschlägigen Anwendungsregelung (§  52a Absatz 10 Satz 10 EStG). Diese sehe ausdrücklich vor, dass die entsprechenden Vorschriften der Abgeltungssteuer erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden seien. Neben den tatsächlichen Werbungskosten in Bezug auf die Einkünfte vor 2009 gewährte der Senat dem Kläger für die Kapitalerträge aus 2010 zusätzlich den Sparer-Pauschbetrag. Denn hier kämen im Grunde zwei Besteuerungssysteme nebeneinander zur Anwendung. Für den nach Abzug des Pauschbetrages und der (nachträglichen) Werbungskosten entstehenden Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen greife auch die Verlustabzugsbeschränkung des § 20 Absatz 6 EStG nicht ein. Auch diese komme nur für Kapitalerträge zur Anwendung, die nach 2008 zugeflossen seien.

Der 7. Senat hat gegen das Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen. Das schriftliche Urteil wird den Beteiligten demnächst zugestellt und auf der Homepage des Finanzgerichts Köln (www.fg-koeln.nrw.de) veröffentlicht werden.

Unter dem Aktenzeichen 8 K 1937/11 ist beim Finanzgericht Köln ein weiteres Verfahren zu derselben Problematik anhängig.

Lebensversicherungen sind auch bei schädlicher Verwendung steuerfrei

Sofern Lebensversicherungsverträge steuerschädlich gemäß § 10 Abs. 2 EStG etwa als Darlehenspolice zur Absicherung von Krediten verwendet werden, unterliegen die Zinsen aus Sparanteilen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG der Besteuerung als Kapitaleinnahmen. Das gilt aber nicht für vor 1974 abgeschlossene Lebensversicherungen. Der BFH stellt klar, dass die Zinsen in diesem Fall nach § 52 Abs. 19 EStG nicht steuerbar sind. Hieran wurde auch mit diversen Neuregelungen aufgrund von späteren Gesetzesänderungen festgehalten.

Hintergrund:

Die Steuerbarkeit der Zinsen wurde mit dem Einkommensteuerreformgesetz 1974 eingeführt und gilt erstmals für zugeflossene Zinsen aus Policen, die ab 1975 abgeschlossen worden sind. Zwar waren die zwischenzeitlich einmal steuerpflichtig, doch über § 52 Abs. 20 EStG wurde rückwirkend die zuvor eingeführte erweiterte Steuerbarkeit der Zinsen wieder aufgehoben und als Folge daraus sind die Zinsen aus den Sparanteilen alter Lebensversicherungen auch heute nicht steuerbar. Hierzu müssen sie zu Verträgen gehören, die nach dem 31.12.1973 abgeschlossen wurden.

Praxishinweis: Unter der Abgeltungsteuer hat eine schädliche Verwendung von vor 2005 abgeschlossenen Verträgen nicht nur die Steuerpflicht der Zinsen, sondern auch des Gewinns aus dem Verkauf gebrauchter Policen zur Folge.

 

  1. Dient ein Darlehen, zu dessen Besicherung Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen eingesetzt werden, nicht dazu, unmittelbar und ausschließlich Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu finanzieren, sondern um ein bereits früher aufgenommenes Darlehen umzuschulden, so ist das i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG unschädlich, wenn der Kläger u.a. nachweisen kann, dass die Darlehensschuld bis zum 13.2.1992 bereits entstanden war.
  2. Hat das „Altdarlehen“ der Finanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts gedient, so dient wirtschaftlich gesehen auch das umgeschuldete „neue“ Darlehen (noch immer) der Finanzierung dieser Anschaffungskosten. Konnten die Lebensversicherungsansprüche daher zur Sicherung des „Altdarlehens“ steuerunschädlich eingesetzt werden, ist nach dem Zweck der Regelung auch die Umschuldung und der dafür wiederum erforderliche Einsatz der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag steuerunschädlich.
  3. Die sich im Rahmen des Üblichen haltende Finanzierung, die auch ein bankübliches Disagio umfassen kann, ist steuerunschädlich, weil das Darlehen lediglich der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten dienen muss, nicht aber unmittelbar der Anschaffung selbst.

BFH-Urteil vom 19.1.2010, VIII R 40/06

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a

Vorinstanz: FG Köln vom 22.6.2006, 10 K 3478/02 (EFG 2006 S. 1509 = SIS 06 36 62)

I. Die Beteiligten streiten über die Steuerpflicht von Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung; im Einzelnen geht es um die Frage, ob eine Lebensversicherung bei der Umfinanzierung eines Darlehens steuerschädlich verwendet wurde.

Die verheirateten und zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben 1987 ein Grundstück in K. Den Grundstückskaufpreis in Höhe von 1.354.681 DM finanzierten sie zum Teil über ein Darlehen bei der X-AG, welches durch eine Lebensversicherungspolice derselben Anstalt abgesichert wurde.

1998 nahmen die Kläger eine Umschuldung vor und lösten die Restvaluta des bestehenden Darlehens von 1 Mio. DM ab durch ein neues Darlehen bei der Y-Bank in Höhe von 1 Mio. DM (Auszahlungskurs 900.000 DM bei einem Disagio von 10 %) sowie durch private Gelder in Höhe von 109.643 DM. In Höhe des Nettodarlehensbetrages traten die Kläger die bestehenden Ansprüche aus der Lebensversicherung bei der X-AG an die Y-Bank ab. Die voraussichtliche Auszahlungssumme der 2013 fälligen Lebensversicherung betrug im Zeitpunkt der Umschuldung 604.285 DM. Die Kläger vereinbarten daher für das Jahr 2013 mit der kreditgebenden Bank die Tilgung eines Darlehensanteils in Höhe von 480.000 DM durch die abgetretenen Lebensversicherungsansprüche.

Nach Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt – FA -) lag eine steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherung vor, weil mit der Umschuldung auch ein Disagio finanziert worden sei. Das FA erließ deshalb am 7.2.2002 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage stützten die Kläger darauf, es handele sich um einen sog. Altfall, da die Lebensversicherung bereits vor 1992 beliehen worden sei. In Altfällen sei die Umschuldung von Darlehen unter Einsatz von Ansprüchen aus Lebensversicherungen steuerunschädlich möglich, sofern das Ablösungsdarlehen die Restvaluta des umgeschuldeten Darlehens nicht übersteige und die Versicherungsansprüche nur bis zu dieser Höhe der Sicherung oder Tilgung des Ablösungsdarlehens dienten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1509 veröffentlichten Urteil vom 22.6.2006, 10 K 3478/02 statt. Das FG vertrat die Auffassung, in sog. Neufällen, d.h. bei der erstmaligen Finanzierung begünstigter Anschaffungs- oder Herstellungskosten beanstande die Finanzverwaltung es nicht, wenn das Darlehen auch bankübliche einmalige Finanzierungskosten (z.B. ein Disagio) umfasse und die Versicherungsansprüche höchstens bis zur Höhe der mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Tilgung oder Sicherung des Darlehens dienten. So liege die Situation auch hier. Zwar handele es sich um einen sog. „Altfall“, weil die Ansprüche aus der Lebensversicherung des Klägers bereits vor dem 13.2.1992 als Sicherheit eingesetzt worden seien; es sei aber nicht erkennbar, weshalb ein sog. Altfall schlechter zu behandeln sei als ein sog. Neufall. Würden Neufälle unter bestimmten Voraussetzungen trotz verschärfter Gesetzeslage als steuerunschädlich behandelt, müsse das erst recht für die Umschuldung von Altdarlehen gelten, die zu einem Zeitpunkt aufgenommen worden seien, als für den Einsatz von Lebensversicherungsverträgen noch überhaupt keine Beschränkungen gegolten hätten.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 10 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und von § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Die Entscheidung der Vorinstanz stehe in Widerspruch zur Verwaltungsauffassung gemäß Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 15.6.2000 IV C 4 -S 2221- 86/00 (BStBl I 2000, 1118, Rn. 72). Das FG lasse außer Acht, dass es bei der Umschuldung eines Darlehens grundsätzlich am Merkmal der ausschließlichen und unmittelbaren Verwendung des Darlehens für begünstigte Anschaffungskosten/Herstellungskosten eines langlebigen Wirtschaftsguts fehle, weil hier lediglich die Ablösung eines Darlehens erfolge. Die Regelung in Rn. 43 und 72 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1118 sei daher lediglich eine Billigkeitsmaßnahme für sog. Altfälle; diese sei klar und eindeutig und nicht auslegungsfähig. Wenn die Kläger davon abgewichen seien, gehe das zu ihren Lasten.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 22.6.2006, 10 K 3478/02 abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zur Lebensversicherung des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) rechtswidrig ist.

1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung vom 16.12.1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3) stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zur Versicherung auf den Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen bestehen nicht (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 180 AO Rz 497 f., m.w.N.).

2. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrages nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als Sonderausgaben abgezogen werden.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom 25.2.1992 (BGBl I 1992, 297; BStBl I 1992, 146) – nachfolgend bis zum 31.12.2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG – gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG abgezogen werden können (vgl. dazu im Einzelnen und mit Nachweisen zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Senatsurteile vom 13.7.2004 VIII R 48/02, BFHE 207, 136, BStBl II 2004, 1060; VIII R 52/03, BFH/NV 2005, 181, und VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184). Anwendbar ist diese Regelung, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nach dem 13.2.1992 zur Sicherung eines Darlehens dienen, es sei denn, der Kläger könnte den Nachweis führen, dass die Darlehensschuld bis zum 13.2.1992 bereits entstanden war und er sich verpflichtet hatte, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Tilgung oder Sicherung dieses Darlehens einzusetzen (vgl. § 52 Abs. 13a Satz 4 und Abs. 20 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 1992).

a) Die vom Kläger abgeschlossene Lebensversicherung ist unstreitig eine Versicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.

b) Die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag haben nach dem 13.2.1992 auch zur Sicherung eines Darlehens gedient, dessen Finanzierungskosten Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).

c) Da das Darlehen unstreitig nicht zur Finanzierung einer betrieblichen Maßnahme abgeschlossen worden ist und damit kein betrieblich veranlasstes Darlehen war (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG) und es sich bei der Lebensversicherung des Klägers auch nicht um eine Direktversicherung handelt (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b EStG), kann die Steuerpflicht nur dann entfallen, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG erfüllt sind. Das setzt ein Darlehen voraus, das unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.

aa) Zwar hat der Kläger mit dem neu aufgenommenen Darlehen bei der Y-Bank nicht unmittelbar und ausschließlich Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts finanziert, das zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, sondern er hat dieses Darlehen eingesetzt, um ein bereits 1987 aufgenommenes Darlehen umzuschulden. Dies ist jedoch unschädlich, wenn der Kläger nachweist, dass die Darlehensschuld bis zum 13.2.1992 bereits entstanden war und er sich verpflichtet hatte, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Tilgung oder Sicherung dieses Darlehens einzusetzen (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 52 Abs. 13a Satz 4 EStG i.d.F. des StÄndG 1992).

bb) Ein solcher „Altvertrag“ ist im Streitfall zu bejahen. Zwar ist die Darlehensschuld über 1 Mio. DM aus dem Kreditvertrag mit der Y-Bank erst 1998 entstanden, d.h. erst nach dem in § 52 Abs. 13a Satz 4 EStG i.d.F. des StÄndG 1992 genannten Zeitpunkt. Bei wirtschaftlicher Betrachtung, die nach dem Gesetzeszweck geboten ist, hat dieses Darlehen aber lediglich das bereits 1987 aufgenommene Darlehen bei der X-AG ersetzt, für dessen Besicherung der Kläger bereits zum damaligen Zeitpunkt (1987) die Ansprüche aus seiner Lebensversicherung bei der X-AG an den Kreditgeber abgetreten hatte und das unstreitig der Finanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts gedient hat. Wirtschaftlich gesehen dient damit auch das „neue“ Darlehen gleichermaßen wie das mit diesem abgelöste „alte“ Darlehen, bei dem die Zinsbindungsfrist abgelaufen war, (noch immer) der Finanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts. Wenn die Kläger das Ursprungsdarlehen, für dessen Besicherung im Jahr 1987 die Ansprüche aus einer Lebensversicherung steuerunschädlich eingesetzt werden konnten, aus ökonomischen Gründen umschulden, ist nach dem Zweck der Regelung auch die Umschuldung und der dafür wiederum erforderliche Einsatz der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als steuerunschädlich zu betrachten. Dafür spricht auch, dass hier kein weiteres zusätzliches Darlehen aufgenommen wurde, sondern wie bei einer steuerunschädlichen Prolongation lediglich der Darlehensgeber gewechselt hat. Wirtschaftlich betrachtet kann es keine Rolle spielen, ob ein bestehendes Darlehen beim nämlichen Kreditgeber prolongiert wird, oder ob sich der Kreditnehmer aus wirtschaftlichen Gründen für eine Umschuldung, d.h. den Wechsel zu einem anderen Darlehensgeber, entscheidet, denn im Ergebnis geht es stets um die Finanzierung oder Weiterfinanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts.

cc) Dass die 1998 abgeschlossene Darlehensvereinbarung (wiederum) die Vereinbarung eines Disagios beinhaltet, steht dem bei teleologischer Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG nicht entgegen. Nach dem Wortlaut der Norm knüpft der Sonderausgabenabzug für die Versicherungsbeiträge u.a. daran an, dass das Darlehen „unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist“. Das Darlehen muss also lediglich der FINANZIERUNG der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dienen, nicht aber unmittelbar der Anschaffung selbst. Daraus folgt, dass jedenfalls die sich im Rahmen des Üblichen haltende Finanzierung nach dem Willen des Gesetzgebers steuerunschädlich sein sollte, denn irgendwelche Einschränkungen sind insoweit weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen.

(1) Zur üblichen Finanzierung gehört auch eine Finanzierung unter Einschluss eines Disagios, soweit sich dieses im banküblichen Rahmen hält, denn zumindest „bankübliche Finanzierungskosten“ dienen auch der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts. Wirtschaftlich betrachtet kann es hinsichtlich der Steuerschädlichkeit einer Finanzierung nicht darauf ankommen, ob sich ein Steuerpflichtiger bei einem Darlehen für eine Auszahlung von 100 % bei einem höheren Zinssatz entscheidet oder für einen niedrigeren Zinssatz unter Inkaufnahme eines Disagios.

Das bankübliche und auch von der Finanzverwaltung akzeptierte Disagio belief sich im Streitjahr auf bis zu 10 % des Nominaldarlehens bei einer Zinsfestschreibung von mindestens fünf Jahren (vgl. BMF-Schreiben vom 31.8.1990 IV B 3 -S 2253 a- 49/90, BStBl I 1990, 366, Rn. 3.3.4; BMF-Schreiben vom 20.10.2003 IV C 3 -S 2253 a- 48/03, BStBl I 2003, 546, Rn. 15; Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl., § 11 Rz 30 Stichwort Damnum; Blümich/Glenk, § 11 EStG Rz 86).

Nach diesen Grundsätzen hielt sich das vom Kläger vereinbarte Disagio von 10 % bei einer Zinsfestschreibung von zehn Jahren noch im bei Finanzierungen üblichen Rahmen, so dass das von ihm bei der Y-Bank aufgenommene Darlehen der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts gedient hat und daher steuerunschädlich verwendet wurde.

(2) Entgegen der Auffassung des FA dient dieses Darlehen auch unmittelbar der Finanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts. Wirtschaftlich betrachtet geht es nämlich nicht um den Ersatz eines auslaufenden Darlehens durch ein Neudarlehen; im Vordergrund steht vielmehr die (weitere) Finanzierung der ursprünglich bereits 1987 angefallenen Anschaffungskosten. Diese Anschaffungskosten werden mit dem bei der Y-Bank aufgenommenen Darlehen weiterhin finanziert. Im Ergebnis dient damit auch das neue Darlehen bei der Y-Bank unmittelbar der Finanzierung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsguts. Dies ist nach dem Zweck des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG steuerunschädlich.

(3) Es ist auch nicht zu erkennen, dass die Vereinbarung eines Disagios im Rahmen einer Umschuldungsmaßnahme dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde, sog. „Zinsaufblähungsmodelle“ zu verhindern. Zum einen führt die Vereinbarung eines – wie hier – im Rahmen des Üblichen liegenden Disagios zu keiner vom Gesetzgeber bekämpften Modellhaftigkeit. Zum anderen gelten für sog. Altfälle i.S. des § 52 Abs. 13a Satz 4 EStG i.d.F. des StÄndG 1992, d.h. für Darlehensverträge, die vor dem 13.2.1992 zu Sicherungszwecken eingesetzt werden, die in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG genannten Einschränkungen für den Sonderausgabenabzug, die auf die Verhinderung von sog. „Zinsaufblähungsmodellen“ zielen, nicht. Das muss auch für das an die Stelle des alten Darlehens tretende „neue“ Darlehen gelten, mit dem wirtschaftlich gesehen nach wie vor die 1987 angefallenen Anschaffungskosten finanziert werden.

dd) Die Finanzverwaltung hat dieser Problematik dadurch Rechnung zu tragen versucht, dass sie im BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 118, Rn. 43 und 72 Umschuldungen unter bestimmten Voraussetzungen als steuerunschädlich anerkennt.

Nach den vorstehend gemachten Ausführungen kommt es indes nicht darauf an, ob die Darlehensaufnahme des Klägers bei der Y-Bank die Voraussetzungen des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 118, Rn. 43 und 72 erfüllt. Der Senat kann auch offenlassen, ob es sich bei den vorgenannten Regelungen um eine Billigkeitsentscheidung der Verwaltung handelt, die nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (§ 102 FGO; vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.5.1999 VI B 39/99, juris und VI B 364/98, BFH/NV 1999, 1592) und grundsätzlich nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann (zur Überprüfung von Ermessensentscheidungen nach §§ 163, 227 AO vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7.10.1993 V R 67/91, BFH/NV 1994, 669; BFH-Beschluss vom 6.6.1991 V R 102/86, BFH/NV 1992, 787; Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 102 Rz 54), oder um eine sog. norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, der keine Rechtsnormqualität zukommt und die die Gerichte nicht bindet (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 26.4.1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754, unter II.3., m.w.N.; Senatsurteil vom 10.8.2005 VIII R 78/02, BFHE 211, 137, BStBl II 2006, 58).

Vermögensanlage in „gebrauchte“ Lebensversicherungen ist kein Gewerbebetrieb

Erwirbt eine Anlagegesellschaft auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt „gebrauchte“ Lebensversicherungen, um die Versicherungssummen bei Fälligkeit einzuziehen, unterhält sie damit auch bei hohem Anlagevolumen und der Einschaltung eines Vermittlers beim Erwerb der Versicherung keinen Gewerbebetrieb. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 11. Oktober 2012 IV R 32/10 entschieden.

 

Die Klägerin, eine deutsche Personengesellschaft, hatte auf Vermittlung einer US-amerikanischen Gesellschaft sog. „gebrauchte“ Lebensversicherungen auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt erworben. Dort bieten Versicherungsnehmer ihre Lebensversicherungen zum Kauf an, wenn sie diese weder fortführen noch kündigen wollen. Die Klägerin bezahlte für die erworbenen Lebensversicherungen während der Restvertragslaufzeit die Versicherungsprämien und zog bei Fälligkeit die Versicherungssummen ein. Ein Weiterverkauf der aus Eigenmitteln erworbenen Lebensversicherungen erfolgte nicht. Das Finanzamt sah die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich an, was ertragsteuerlich u.a. zur Folge gehabt hätte, dass die eingezogenen Versicherungssummen ungeachtet einer Spekulationsfrist bei der Klägerin zu Betriebseinnahmen geführt hätten.

 

Wie das Finanzgericht folgte auch der BFH der Auffassung des Finanzamts nicht. Unter den im Streitfall vorliegenden Umständen sei nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit der Klägerin über eine private Vermögensverwaltung hinausgegangen sei. Das Finanzamt könne sich zur Begründung seiner Auffassung weder allein auf das Anlagevolumen oder den Umfang der getätigten Rechtsgeschäfte noch auf die Einschaltung eines Vermittlers stützen. Vielmehr sei im Streitfall entscheidend, dass sich die Klägerin weder wie ein gewerblicher Händler, dessen Tätigkeit die planmäßige Umschichtung von Vermögenswerten kennzeichne, noch wie ein gewerblicher Dienstleister verhalte. (-> Besteuerung von Erträgen aus Lebensversicherungen)

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 11.10.2012, IV R 32/10

Abgrenzung von Gewerbebetrieb und privater Vermögensverwaltung bei Vermögensanlage in auf dem Zweitmarkt erworbene Lebensversicherungen – Abgrenzung zum echten Factoring bzw. unechten Factoring

Leitsätze

Erwirbt eine Anlagegesellschaft auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt „gebrauchte“ Lebensversicherungen, um die Versicherungssummen bei Fälligkeit einzuziehen, ergibt sich ein ausreichendes Indiz für die Qualifikation der Tätigkeit als Gewerbebetrieb weder allein aus dem Anlagevolumen oder dem Umfang der getätigten Rechtsgeschäfte noch aus der Einschaltung eines Vermittlers.

Tatbestand

1
A. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine im Streitjahr (2004) in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gegründete Anlagegesellschaft. Sie wird als geschlossener Fonds geführt. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die von der Geschäftsführung ausgeschlossene „X-GmbH“. Geschäftsführende Kommanditistin ist die „Y-GmbH“, die ihrerseits die Geschäftsführung und Verwaltung der Klägerin durch Vertrag auf eine weitere Gesellschaft –die Z-GmbH– übertragen hat. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb, das Halten, die Verwaltung und die Verwertung von Lebensversicherungspolicen.
2
An der Klägerin beteiligten sich bis Mitte 2005 ca. 7 500 Kapitalanleger entweder als unmittelbare Kommanditisten oder als mittelbare Treuhandkommanditisten. Das gezeichnete Kommanditkapital belief sich auf rund … Mio. EUR. Mit diesen Mitteln erwarb die Klägerin auf dem Zweitverwertungsmarkt für US-amerikanische Lebensversicherungen das wirtschaftliche Eigentum an insgesamt 208 Lebensversicherungsverträgen, wobei nur drei dieser Verträge mit der deutschen Risikolebensversicherung, die übrigen mit der deutschen gemischten (Kapital-)Lebensversicherung vergleichbar sind. Die (Rest-)Vertragslaufzeiten der erworbenen Lebensversicherungen beliefen sich zum Erwerbszeitpunkt auf drei bis 13 Jahre. Die Versicherungssumme eines einzelnen Versicherungsvertrags betrug mindestens 100.000 USD und durfte grundsätzlich 5 Mio. USD nicht übersteigen.
3
Der Erwerb der Lebensversicherungen erfolgte über die US-amerikanische „A Corporation“ (Settlement-Gesellschaft), die der Klägerin den Zugang zum Zweitverwertungsmarkt für sog. „gebrauchte“ Lebensversicherungen in den USA vermittelte. Auf diesem Markt können Versicherungsnehmer ihre Lebensversicherungen zum Kauf anbieten, wenn sie diese weder fortführen noch kündigen wollen. Vor dem Erwerb der Lebensversicherungen prüfte die Settlement-Gesellschaft die Verträge entsprechend den Anlagekriterien der Klägerin.
4
Nach dem Erwerb veräußerte und übertrug die Settlement-Gesellschaft die erworbenen Lebensversicherungen an den US-amerikanischen „B Trust“ (Trust), der die Lebensversicherungen nach Zahlung des Kaufpreises durch die Klägerin für diese in einem treuhandähnlichen Verhältnis hielt und sie von seinem Vermögen separierte. Die Verwaltung (u.a. Abwicklung der laufenden Prämienzahlungen, Geltendmachung der Ansprüche gegen die jeweiligen Versicherungsgesellschaften auf Auszahlung der Versicherungssummen sowie deren Einziehung) der dem Trust zugeordneten („gebrauchten“) Lebensversicherungen übernahm die Settlement-Gesellschaft. Die Klägerin leistet die Versicherungsprämien und erhält bei Eintritt des Versicherungsfalls die Versicherungssumme ausgezahlt. Ein Weiterverkauf der von ihr (wirtschaftlich) erworbenen Versicherungsverträge ist grundsätzlich nicht vorgesehen und käme allenfalls bei Liquidation der Klägerin vor Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalls in Betracht. Fremdkapital wurde nur in sehr geringem Umfang eingesetzt. Der Erwerb weiterer Lebensversicherungen aus den vereinnahmten Versicherungssummen ist nicht vorgesehen.
5
Für das Streitjahr erklärte die Klägerin negative Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) sah hingegen die Betätigung der Klägerin als gewerblich an und erließ für das Streitjahr am 3. März 2006 entsprechende Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen, den Gewerbesteuermessbetrag sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes. Mit ihren dagegen gerichteten Einsprüchen machte die Klägerin geltend, sie sei vermögensverwaltend tätig geworden.
6
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1883 veröffentlichten Gründen statt. Es folgte der Auffassung der Klägerin, dass deren geschäftliche Aktivitäten nicht als gewerblich anzusehen seien.
7
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes –GewStG–, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–).
8
Es vertritt unter sinngemäßem Hinweis auf die inhaltsgleichen Rundverfügungen der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt am Main vom 24. Februar 2006 S 2240 A – 32 – St II 2.02 (Deutsches Steuerrecht –DStR– 2006, 1458) und der OFD Hannover vom 9. Juni 2004 S 2240-346-StH 241, S 2240-176-StO 221 (juris) die Auffassung, dass die Klägerin durch ihre Tätigkeit gewerbliche Einkünfte erziele. Die Gewerblichkeit werde durch die Übernahme eines unternehmerischen Risikos, die Einschaltung einer Settlement-Gesellschaft, die Höhe des Fondskapitals sowie den Umfang der von dem Fonds getätigten Geschäfte indiziert. Das unternehmerische Risiko der Klägerin folge aus dem Umstand, dass diese im Fall des Vertragsablaufs vor Tod eines Versicherungsnehmers erhebliche Verluste zu tragen hätte. Die Settlement-Gesellschaft erbringe Dienstleistungen (z.B. professionelle Bewertung der Versicherungsverträge) für Rechnung und auf das Risiko der Klägerin. Diese sei auf die Kenntnisse, Erfahrungen und Serviceleistungen der Settlement-Gesellschaft angewiesen, weshalb sie sich deren geschäftsmäßige Organisation zurechnen lassen müsse. Auch sei der Handel mit „gebrauchten“ Lebensversicherungen im Jahr der Tätigkeitsaufnahme ein neues Marktsegment gewesen, weshalb die Klägerin in weit höherem Maße von externem Sachverstand abhängig gewesen sei als der gewöhnliche vermögensverwaltende Privatinvestor. Die Höhe des Investitionsvolumens sei Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit, weil erst durch die Höhe des eingesetzten Kapitals eine Risikostreuung erfolgen könne. Auch sei das Anlagemodell der Klägerin ohne einen hohen Mitteleinsatz nicht denkbar. Die Tätigkeit der Klägerin sei zudem mit der Tätigkeit eines Factors vergleichbar, dessen Tätigkeit unstreitig als gewerblich zu qualifizieren sei. In beiden Fällen würden liquide Mittel zum Forderungserwerb unter dem Nennwert eingesetzt, die erworbene Forderung verwaltet und deren Einzug „betrieben“. Auch bediene sich die Klägerin eines Marktes (Zweitverwertungsmarkt in den USA), den sie genau beobachten müsse, um erfolgreich zu sein.
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Das FA beantragt,die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Revisionsbegründung entspreche schon nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an die Darlegung einer Rechtsverletzung und verstoße deshalb gegen § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zudem sei die Revision unbegründet. Weder der Vergleich mit dem Factoring noch die Einschaltung der Settlement-Gesellschaft begründe die Gewerblichkeit der Klägerin. Insbesondere sei nicht ersichtlich, weshalb sich die Klägerin möglicherweise gewerbliche Leistungen der Settlement-Gesellschaft zurechnen lassen müsse. Für eine Zurechnung fehle es bereits an einer Rechtsgrundlage.

Entscheidungsgründe

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B. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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I. Die Revision ist zulässig. Zwar genügt –worauf die Klägerin zutreffend hingewiesen hat– eine Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen des Revisionsklägers regelmäßig nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 FGO (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 25. August 2009 I R 88, 89/07, BFHE 226, 296, m.w.N.). Die Revisionsbegründung lässt indes hinreichend deutlich erkennen, dass das FA das angefochtene Urteil als mit materiellem Bundesrecht nicht vereinbar ansieht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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Das FA betrachtet die vom FG getroffene Abgrenzung der Einkunftsarten als rechtsfehlerhaft, weil die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich anzusehen sei. Dabei stützt es seine Rechtsansicht auf einen Vergleich der Tätigkeit der Klägerin mit dem (unechten) Factoring sowie auf Ausführungen zur Settlement-Gesellschaft und zum Kapitalanlagevolumen. Damit hat sich das FA mit den tragenden Gründen der finanzgerichtlichen Entscheidung auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb es diese für unrichtig hält. Für das Revisionsgericht ist auch ohne Zitieren einer gesetzlichen Bestimmung ersichtlich, an welchen Maßstäben das angefochtene Urteil gemessen werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 2007 X R 24/06, BFH/NV 2008, 774).
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II. Die Revision ist jedoch unbegründet.
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1. Soweit das Verfahren den Gewinnfeststellungsbescheid 2004 vom 3. März 2006 betrifft, ist lediglich darüber zu entscheiden, ob das FA die streitbefangenen Einkünfte zu Recht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert hat. Hingegen ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, ob das FA unter der Annahme, dass die Tätigkeit der Klägerin mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommen worden sei, die Einkünfte der Höhe nach (hier negative Einkünfte in Höhe von … EUR) zutreffend festgestellt hat.
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a) Ein Gewinnfeststellungsbescheid kann eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen können. Solche selbständige Regelungen (Feststellungen) sind u.a. die Qualifikation der Einkünfte sowie die Höhe des Gesamtgewinns oder Verlustes und dessen Verteilung auf die Mitunternehmer (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 2011 IV R 42/10, BFHE 234, 226, BStBl II 2011, 878, unter B.II.1.a der Gründe, m.w.N.; zur Qualifikation der Einkünfte auch BFH-Urteil vom 1. Juli 2010 IV R 34/07, BFH/NV 2010, 2246, m.w.N.).
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b) Die Klägerin, die für das Streitjahr negative Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt hat, hat sich mit ihrer Klage ausschließlich gegen die Qualifikation ihrer Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewandt. Gegenstand der Klage, soweit sie den angegriffenen Gewinnfeststellungsbescheid betrifft, ist somit allein die diesbezügliche Feststellung. Die übrigen Feststellungen des angefochtenen Feststellungsbescheids sind in Bestandskraft erwachsen; daran ändert nichts, dass dieser Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung –AO–) ergangen ist. Der Senat hat deshalb im vorliegenden Verfahren nicht darüber zu befinden, ob die Einkünfte der vermeintlichen Mitunternehmerschaft der Höhe nach zutreffend festgestellt worden sind und ob das FA anlässlich dieser Feststellung zu Recht von einer Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen ist. Dies schließt indes nicht aus, dass andere für das Streitjahr getroffene Feststellungen –außerhalb des vorliegenden Klageverfahrens– unter den Voraussetzungen der §§ 164 Abs. 2, 176, 181 Abs. 1 Satz 1 AO oder einer sonstigen Änderungsnorm innerhalb der Festsetzungsfrist in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüft werden könnten (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2010, 2246, und vom 9. Februar 2011 IV R 15/08, BFHE 233, 290, BStBl II 2011, 764).
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2. Das FA hat die Einkünfte der Klägerin zu Unrecht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb qualifiziert. Die Klägerin unterliegt demnach auch nicht der Gewerbesteuer.
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a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG zu verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Eine Personengesellschaft erzielt –insoweit als Steuerrechtssubjekt bei der Ermittlung der Einkünfte (z.B. BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 8/10, BFHE 233, 226, BStBl II 2011, 709, m.w.N.)– gewerbliche Einkünfte, wenn die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG) betreiben (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 2246, m.w.N.). Des Weiteren gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).
21
b) Die Klägerin ist keine gewerblich geprägte Personengesellschaft. Die Komplementärin der Klägerin ist von der Geschäftsführung gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen. Diese wird stattdessen von einer als Kommanditistin beteiligten GmbH wahrgenommen. Eine gewerbliche Prägung der Klägerin i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG scheidet daher aus. Für die Qualifikation der wirtschaftlichen Aktivität der Klägerin als Gewerbebetrieb sowie für eine Gewerbesteuerpflicht kommt es somit ausschließlich darauf an, ob die Klägerin originär gewerblich tätig war (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG).
22
c) Auch ein gewerbliches Unternehmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG liegt im Streitfall nicht vor.
23
aa) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH im Übrigen, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3.b aa (1) der Gründe; seitdem ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 31. Mai 2007 IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2. der Gründe).
24
bb) Hinsichtlich der Abgrenzung des Gewerbebetriebs von privater Vermögensverwaltung werden für den Erwerb „gebrauchter“ Lebensversicherungen auf dem US-amerikanischen Sekundärmarkt durch Anlagegesellschaften von der Finanzverwaltung und jedenfalls in Teilen der Literatur unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach der Verwaltungsauffassung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. September 2005 IV B 2 -S 2240- 55/05, nicht veröffentlicht; Verfügungen der OFD Frankfurt am Main vom 28. Mai 2004 S 2240 A – 32 – St II 2.02, DStR 2004, 1386, geändert durch Verfügung in DStR 2006, 1458; Verfügung der OFD Hannover vom 9. Juni 2004 S 2240-346-StH 241, S 2240-176-StO 221, juris) ist ein derartiger Erwerb ertragsteuerlich als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren, während im Schrifttum weitgehend von einer vermögensverwaltenden Tätigkeit ausgegangen wird (vgl. Biagosch/ Greiner, DStR 2004, 1365 ff.; Fleischer/Karten, Betriebs-Berater 2004, 1143; Lohr, Der Betrieb 2004, 2334, 2335; Bader/ Weidinger, Neue Wirtschafts-Briefe Fach 3, 12947 ff. –Heft 30/2004–; Meyer-Scharenberg, DStR 2006, 1437; Hensell/ Reibis, DStR 2008, 87, 90; Hartrott, Finanz-Rundschau 2008, 1095, 1101 ff.; Böhm, Besteuerung von auf dem Zweitmarkt erworbenen deutschen Lebensversicherungen, 87, 105 ff.; offengelassen: Blümich/Bode, § 15 EStG Rz 154; Buge in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1170; Schmidt/Wacker, EStG, 31. Aufl., § 15 Rz 92).
25
cc) Nach Maßgabe der den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG und unter Berücksichtigung der in höchstrichterlicher Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze zur Abgrenzung einer gewerblichen von einer vermögensverwaltenden Tätigkeit ist im Streitfall die Würdigung des FG, dass die Betätigung der Klägerin den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
26
(1) Zur Abgrenzung von Gewerbebetrieb und privater Vermögensverwaltung hat der BFH u.a. die nachfolgend ausgeführten Rechtsgrundsätze entwickelt, die für am Zweitmarkt erworbene Lebensversicherungen um wirtschaftsgutspezifische Gesichtspunkte zu ergänzen sind.
27
(a) Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.1. der Gründe, m.w.N.). Der Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3 AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von Kapitalvermögen und die Vermietung oder Verpachtung von unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird „die Vermögensverwaltung“ gleichwohl nicht abschließend definiert. Sie wird in der Rechtsprechung des BFH letztlich negativ danach bestimmt, „ob die Tätigkeit dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht“ (BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 X R 55/97, BFHE 195, 402, BStBl II 2001, 809, unter II.2.d der Gründe, m.w.N.).
28
(b) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.II. der Gründe, m.w.N.). Es entspricht langjähriger und gefestigter Rechtsprechungstradition, das „Bild des Gewerbebetriebs“ durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu konturieren. Zu diesen gehören die –selbständig und nachhaltig ausgeübten– Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. März 2005 X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817, unter B.II.1.b der Gründe).
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Das „Bild des Handels“ ist durch die Ausnutzung substantieller Werte durch Umschichtung von Vermögenswerten gekennzeichnet; es unterscheidet sich von der „Vermögensumschichtung im Rahmen privater Vermögensverwaltung“ durch den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten (z.B. BFH-Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2.b der Gründe, m.w.N.). Ob Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen Besonderheiten zu beachten (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2.a der Gründe).
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Das „Bild des gewerblichen Dienstleisters“ ist durch ein Tätigwerden für Andere, vor allem ein Tätigwerden für fremde Rechnung geprägt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 29. Oktober 1998 XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II 1999, 448, unter II.2.b der Gründe; vom 20. Dezember 2000 X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II.3.f der Gründe). Umgekehrt deutet ein Tätigwerden ausschließlich für eigene Rechnung im Regelfall darauf hin, dass der Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 774, unter II.2.e bb der Gründe, m.w.N.). Im Zusammenhang mit der gewerblichen Dienstleistung hat das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Vermögensverwaltung in Gestalt einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (vgl. § 14 Satz 3 AO) keine rechtliche Bedeutung. Gewerblicher Dienstleister kann auch sein, wer keinerlei „Früchte aus Substanzwerten zieht“ (BFH-Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II.2.e aa der Gründe).
31
(c) Nach den vorgenannten Maßstäben gehen der Erwerb und das Halten „gebrauchter“ Lebensversicherungen sowie der Einzug der Versicherungssumme im Regelfall nicht über den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung hinaus, wenn diese Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit darstellen. Insoweit verhält es sich nicht anders als bei Erwerb und Veräußerung beweglicher Sachen im Rahmen der Vermietung einzelner beweglicher Gegenstände; stellen diese Vorgänge den Beginn und das Ende einer in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Tätigkeit dar, so kann eine gewerbliche Vermietungstätigkeit –ausnahmsweise– erst in Betracht gezogen werden, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die der Vermietungsleistung insgesamt das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr geben, hinter der die eigentliche Gebrauchsüberlassung des Gegenstandes in den Hintergrund tritt (BFH-Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768, unter II.2.c der Gründe). Zwischen Erwerb und Verwertung einer „gebrauchten“ Lebensversicherung ist die Tätigkeit des Erwerbers regelmäßig in gleicher Weise auf Fruchtziehung ausgelegt wie die des ursprünglichen Versicherungsnehmers. Eine gewerbliche Tätigkeit des Erwerbers kommt daher auch hier nur in Betracht, wenn sich dieser „wie ein Händler“ oder „Dienstleister“ verhält; auch hier ist das Gesamtbild der Verhältnisse entscheidend.
32
(d) Die gesetzlichen Regelungen über die Besteuerung der Leistungen aus Lebensversicherungen und der Gewinne aus ihrer Veräußerung sprechen gleichfalls dafür, dass der Zweiterwerb einer Lebensversicherung und die zeitlich spätere (möglicherweise gewinnbringende) Einziehung der Versicherungsleistung allein noch keine gewerbliche Tätigkeit begründen. Denn bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2008 waren derartige Veräußerungsvorgänge allenfalls als privates Veräußerungsgeschäft i.S. des § 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steuerbar. Dies verdeutlicht die Grundentscheidung des Gesetzgebers, derartige Vorgänge grundsätzlich dem privaten Bereich zuzuordnen. Die gleiche Grundentscheidung kommt in § 20 Abs. 2 Nr. 6 EStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) zum Ausdruck. Denn diese Norm qualifiziert Gewinne aus der Veräußerung von Ansprüchen auf eine Versicherungsleistung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen.
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(2) Dies vorausgesetzt, hat das FG im Streitfall rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Tätigkeit der Klägerin den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung nicht überschritten hat. Das FG hat seine Beurteilung –unter gleichzeitiger Ablehnung der nach Ansicht des FA vermeintlich für die Gewerblichkeit sprechenden Kriterien– maßgeblich darauf gestützt, dass die Klägerin keinen Handel mit erworbenen Versicherungsansprüchen betreibt. Diese Würdigung des FG lässt keine Rechtsfehler, insbesondere keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen.
34
Der Erwerb, das Halten sowie der Einzug der Versicherungsleistungen „gebrauchter“ Lebensversicherungen gehen (auch) im Streitfall nicht über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinaus. Bei der gebotenen wirtschaftsgutspezifischen Betrachtung entspricht die Tätigkeit der Klägerin nicht dem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Insbesondere ist die Tätigkeit der Klägerin nicht mit den vorgenannten Berufsbildern, die dem Bild des Gewerbebetriebs entsprechen, vergleichbar. Auf der Grundlage der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) sind keine Umstände erkennbar, nach denen die Klägerin einen gewerblichen Handel mit den erworbenen Lebensversicherungen betrieben oder gewerbliche Dienstleistungen erbracht hätte.
35
(a) Handelbare Lebensversicherungen können zwar grundsätzlich Gegenstand händlertypischen Umschlags sein. Ein händlertypischer marktmäßiger Umschlag der im Streitfall erworbenen Lebensversicherungen findet jedoch –zumindest planmäßig– nicht statt. Denn die Klägerin erwirbt die („gebrauchten“) Versicherungsansprüche, um diese im Zeitpunkt des Versicherungsfalls einzuziehen. Dies entspricht nicht dem Bild des „Handels“, weil es bereits an einer für den Handel typischen „Veräußerung“ der erworbenen Ware fehlt.
36
Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Urteil des BFH vom 13. Dezember 1961 VI 133/60 U (BFHE 74, 331, BStBl III 1962, 127) die Einziehung einer Forderung zum Nennwert den Veräußerungstatbestand i.S. des § 23 Abs. 1 EStG erfüllt. Ob daran festzuhalten ist (ausdrücklich offengelassen im BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006 IX R 7/04, BFHE 215, 193, BStBl II 2007, 258, unter II.2.b der Gründe, mit Nachweisen zum Diskussionsstand), braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden. Denn der Veräußerungstatbestand des § 23 EStG orientiert sich nicht an dem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht, insbesondere nicht an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern. Folglich kann jene Rechtsprechung auch nicht zur Begründung eines händlertypischen Verhaltens der Klägerin herangezogen werden.
37
Zu keiner anderen Beurteilung führt auch, dass die Klägerin nach dem Gesellschaftsvertrag befugt ist, erworbene Lebensversicherungen weiter zu veräußern. Im Streitjahr fanden solche Veräußerungen nicht statt. Nach den Feststellungen des FG ist die Geschäftstätigkeit der Klägerin auch nicht auf Veräußerungen ausgerichtet. Die gesellschaftsvertragliche Befugnis zur Weiterveräußerung ist vielmehr als Ausnahmeregelung für den Fall zu verstehen, dass die Klägerin vor Eintritt des Versicherungsfalls aufgelöst und liquidiert wird. Damit fehlt es aber an der Planmäßigkeit eines marktmäßigen Umschlags. Insgesamt ist die Teilnahme der Klägerin am Marktgeschehen demnach auf die Abnahme gehandelter Ware in Form von Lebensversicherungen beschränkt. Nicht festgestellt oder sonst ersichtlich ist dagegen, dass die Klägerin als Anbieterin am Markt auftritt.
38
(b) Der Tätigkeit der Klägerin liegt auch keine gewerbliche Dienstleistung zu Grunde. Für eine Dienstleistungstätigkeit fehlt es bereits an einem Tätigwerden für Andere, denn hierzu zählen nicht die an der Klägerin beteiligten Kommanditisten bzw. Treuhandkommanditisten. Zudem erfolgen die Weiterzahlung der Versicherungsbeiträge sowie das Einziehen der Versicherungssummen im Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausschließlich für eigene Rechnung. Schließlich wird das Fehlen eines Tätigwerdens für fremde Rechnung auch durch den Gesellschaftszweck unterstrichen. Danach sind Tätigkeiten nach § 34c der Gewerbeordnung, Bankgeschäfte sowie Finanzdienstleistungen im Sinne des deutschen Kreditwesengesetzes ausdrücklich ausgeschlossen.
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(c) Schließlich führt auch der Vergleich mit dem Berufsbild eines Factors im Streitfall nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit der Klägerin.
40
Beim Factoring-Geschäft wird regelmäßig ein Rahmenvertrag zwischen dem Factor und dem sog. Anschlusskunden als längerfristiges Schuldverhältnis geschlossen. Dabei verpflichtet sich der Anschlusskunde, Forderungen eines bestimmten Geschäfts dem Factor anzudienen, während sich der Factor verpflichtet, die vom Factoringvertrag erfassten Forderungen zu erwerben, was sodann durch die jeweils konkreten Andienungsverträge geschieht. Zivilrechtlich wird zwischen echtem und unechtem Factoring unterschieden. Beide Ausgestaltungen haben den Finanzierungsaspekt als gemeinsamen Nenner, also die Liquidierung der Außenstände des Anschlusskunden (von Westphalen in Röhricht/von Westphalen, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., Besondere Handelsverträge, Factoring Rz 2).
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(aa) Beim echten Factoring erwirbt der Factor die Forderungen seines Anschlusskunden endgültig (Forderungskauf i.S. der §§ 433, 453 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und trägt demzufolge das Risiko des Forderungsausfalls, während der Anschlusskunde den Kaufpreis, den der Factor für die Forderung bezahlt, endgültig behalten darf (endgültige Finanzierung der Forderung). Wegen der Übernahme der Delkredere-Funktion durch den Factor treten beim echten Factoring etwaige Dienstleistungsfunktionen gegenüber dem Anschlusskunden regelmäßig in den Hintergrund. Der Forderungseinzug geschieht auf eigene Rechnung und im eigenen Interesse des Factors. Beim echten Factoring betreibt der Factor folglich keinen Handel mit Forderungen, und auch Dienstleistungen gegenüber Dritten werden grundsätzlich nicht erbracht. Ob seine Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt, ist daher nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen. Hieraus lassen sich jedoch keine allgemeinen Vergleichsmaßstäbe entwickeln, die auch im Streitfall zur Anwendung kommen könnten.
42
(bb) Auch beim unechten Factoring übernimmt der Factor die Forderung seines Anschlusskunden gegen Vergütung und wird zum Einzug im eigenen Namen ermächtigt. Wird die Forderung uneinbringlich, muss jedoch der Anschlusskunde die vorschussweise erhaltene Vergütung zurückbezahlen. Das Risiko des Forderungsausfalls verbleibt demnach beim Anschlusskunden, weshalb es sich wirtschaftlich um eine vorläufige Finanzierung der erworbenen Forderung handelt (von Westphalen in Röhricht/ von Westphalen, a.a.O., Besondere Handelsverträge, Factoring Rz 13). Da der Factor keine Delkredere-Funktion übernimmt, treten regelmäßig Dienstleistungspflichten der Factors (z.B. Buchhaltung, Inkasso und Mahnwesen) in den Vordergrund. Der Forderungseinzug geschieht wirtschaftlich für fremde Rechnung.
43
Danach ist die Tätigkeit der Klägerin mit der eines unechten Factors nicht vergleichbar. Denn das Ausfallrisiko geht mit dem Versicherungsanspruch endgültig auf die Klägerin über. Die beim unechten Factoring typischerweise in den Vordergrund tretenden Dienstleistungspflichten sind mit der Tätigkeit der Klägerin nicht verbunden.
44
(d) Der Würdigung der Tätigkeit der Klägerin als Vermögensverwaltung steht schließlich nicht entgegen, dass sich die Fruchtziehung nicht in einem laufenden (wiederkehrenden) Ertrag (Zinsen oder Dividenden) charakterisiert, sondern in der Differenz zwischen der vereinnahmten Versicherungssumme und dem geleisteten Kaufpreis. Denn die Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Ertragserwartung in der Anspruchsrealisierung liegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706, unter II.2.b der Gründe; vom 30. Juli 2003 X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, unter II.2.c der Gründe).
45
(aa) Das im Streitfall entwickelte Anlagevolumen (Fondskapital) ist kein ausschlaggebendes Indiz für eine gewerbliche Betätigung der Klägerin. Der Einsatz umfangreicher finanzieller Mittel kommt bei Kapitalanlagen sowohl in der betrieblichen als auch in der privaten Sphäre vor. Dabei ist kein Rechts- oder Erfahrungssatz ersichtlich, dass mit steigendem Kapitaleinsatz (zwingend) ein Übergang zur gewerblichen Betätigung einhergeht. Die „Höhe des Anlagevolumens“ ist schon wegen ihrer Unbestimmtheit kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Ohne Bedeutung für den Streitfall ist daher auch der Umfang der von der Klägerin getätigten Rechtsgeschäfte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408, unter II.3.a cc der Gründe). Etwas anderes lässt sich auch nicht dem BFH-Beschluss vom 4. Juli 2002 IV B 44/02 (BFH/NV 2002, 1559, unter 1.b cc der Gründe) und dem BFH-Urteil in BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768 (unter II.2.f der Gründe) entnehmen. Soweit der erkennende Senat in jenen Entscheidungen auf eine quantitative Größe („große Anzahl“) abgestellt hat, bezog sich dies auf die Würdigung des Umfangs von Verkäufen zur Erzielung eines Totalgewinns. Verkäufe der von ihr erworbenen Wirtschaftsgüter, deren Zahl den händlertypischen marktmäßigen Umschlag von Sachwerten indizieren könnte, hat die Klägerin indes nicht getätigt.
46
(bb) Das FG hat dem Umstand, dass die Klägerin eine Settlement-Gesellschaft eingeschaltet hat, zu Recht keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Denn allein die Nutzung fremder (Markt-)Kenntnisse, Erfahrungen und Expertise sowie die Inanspruchnahme fremder Dienste (z.B. Bewertung der auf dem Markt angebotenen Lebensversicherungsverträge, Vermittlung der Verträge, Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls, Einziehung der Versicherungssumme für die Klägerin) begründen noch kein hinreichendes Indiz für einen Gewerbebetrieb (vgl. auch BFH-Beschluss vom 10. April 2006 X B 209/05, BFH/NV 2006, 1461, unter 3. der Gründe); dies gilt selbst dann, wenn Dienstleistungen in erheblichem Umfang in Anspruch genommen werden. In Ermangelung einer Rechtsgrundlage ist die Tätigkeit der Settlement-Gesellschaft auch nicht der Klägerin mit der Folge zuzurechnen, dass eine möglicherweise gewerbliche Tätigkeit oder geschäftsmäßige Organisation jener Gesellschaft auf die Tätigkeit der Klägerin abfärbt.
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(cc) Auch der Hinweis darauf, dass sich eine Anlagegesellschaft wie die Klägerin eines Marktes bediene (Zweitverwertungsmarkt in den USA), den sie für ihren wirtschaftlichen Erfolg genau beobachten müsse, zeigt keinen Umstand auf, der die Gewerblichkeit der Tätigkeit der Klägerin begründen könnte. Unabhängig davon, ob eine genaue Marktbeobachtung beim Zweiterwerb von Lebensversicherungen für einen wirtschaftlichen Erfolg überhaupt erforderlich ist, wenn diese –wie im Streitfall– nicht weiterveräußert werden (vgl. Meyer-Scharenberg, DStR 2006, 1437, 1443), ist die Marktbeobachtung sowohl im betrieblichen als auch im privaten Bereich dazu bestimmt, wirtschaftliche Tendenzen zu erkennen und ggf. darauf zu reagieren. Deshalb bildet auch eine etwa erforderliche Marktbeobachtung allein kein hinreichendes Indiz für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit. Zudem wurde nach dem Vortrag des FA die Marktbeobachtung im Streitfall weitestgehend durch die Settlement-Gesellschaft und nicht durch die Klägerin durchgeführt.
48
(dd) Schließlich ist dem FG darin beizupflichten, dass die Übernahme eines „unternehmerischen Risikos“, verstanden als wirtschaftliche Teilhabe am Erfolg oder Misserfolg einer Investition, ebenfalls kein für die Abgrenzung von Gewerbebetrieb und privater Vermögensverwaltung geeignetes Kriterium bildet. Es kann offenbleiben, ob die Klägerin durch ihre wirtschaftliche Tätigkeit, insbesondere aufgrund ihrer Anlagestrategie, einen wirtschaftlichen Totalverlust erleiden könnte. Jedenfalls kann ein derartiges Risiko sowohl in der betrieblichen als auch in der privaten Sphäre auftreten (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408 – Verluste aus dem Handel mit Wertpapieren waren dort der privaten Vermögenssphäre zuzuordnen). Es beeinflusst daher nicht die hier zu beurteilende Qualifikation der Einkünfte der Klägerin als Personengesellschaft. Ob den Kommanditisten der Klägerin eine gesellschaftsrechtliche oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens, also ein Mitunternehmerrisiko (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Mai 2012 IV R 40/09, BFH/NV 2012, 1440), vermittelt wird, ist vorliegend nicht von Bedeutung; im Übrigen setzte dies eine gewerblich tätige Personengesellschaft voraus.
49
d) Überschreitet im Streitfall die Tätigkeit der Klägerin schon nicht die Grenze der privaten Vermögensverwaltung, braucht nicht entschieden zu werden, ob bzw. welche der in § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Merkmale durch die Betätigung der Klägerin erfüllt werden.

 

 

 

Rentenversicherungen mit fondsgebundener Kapitalanlage, Auszahlungsphase

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) hat angefragt, wie lebenslange Leistungen aus Rentenversicherungen mit fondsgebundener Kapitalanlage in der Auszahlungsphase steuerlich zu behandeln sind (siehe hierzu auch die Besteuerung von Versicherungsleistungen).

Das Bundesministerium der Finanzen hat hierzu mit Schreiben vom 17.4.2008, IV C 8 – S 2255/08/10005, DOK: 2008/0202313 folgende Auffassung vertreten:

Auszahlungen aus einer Rentenversicherung mit fondsgebundener Kapitalanlage (s. Anlage), bei der

·    die Gewährung einer lebenslangen Rente in Höhe eines bestimmten Geldbetrages vereinbart wird und

·    ein Sinken des Rentenzahlbetrages ausgeschlossen ist,

werden gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem Ertragsanteil besteuert.

Dies ist auch der Fall, wenn anstelle des sofortigen Rentenbeginns zunächst eine Aufschubzeit vereinbart wird und die Rentenzahlung (wie oben beschrieben) erst nach deren Ablauf einsetzt.

Im Falle des Rückkaufs des Vertrages unterliegt der Unterschiedsbetrag zwischen dem Rückkaufswert und dem darauf entrichteten Einmalbeitrag der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

aus FMS vom 22.4.2008, 32 – S 2255 – 126 – 15 798/08

 

Anlage Januar 2008

Sofortrente mit fondsgebundener Kapitalanlage des Versicherers

Konzept

Es wird eine Rentenversicherung mit sofort beginnender Zahlung einer garantierten lebenslangen Leibrente gegen Einmalbeitrag abgeschlossen. Das Vorsorgekapital der Rentenversicherung legt der Versicherer überwiegend in Fonds an.

Versicherte garantierte Leibrente und Erhöhung der Garantierente

Die versicherte sofort beginnende Rente wird abhängig von der Lebensdauer der versicherten Person lebenslang gezahlt (Leibrente). Die Rente wird in gleichbleibenden Leistungen gezahlt.

Die Rente wird in Höhe eines konkret bezeichneten %-Satzes des Einmalbeitrags vereinbart. Der Einmalbeitrag wird als EUR-Betrag (oder ggf. einer anderen Währung) nominal festgesetzt, so dass auch die Rente in Höhe eines konstanten EUR-Betrages oder ggf. einer anderen Währung) gezahlt wird.

Das Versicherungsunternehmen garantiert sowohl die lebenslange Rentenzahlung als auch die Höhe der Rente.

Der vereinbarte %-Satz und damit die Höhe der Rente hängt vom Geschlecht, dem Alter und der Lebenserwartung ab. Zudem wird der Prozentsatz von den Verhältnissen am Kapitalmarkt beeinflusst. Unter den derzeitigen Konditionen am Kapitalmarkt wird die ab Beginn garantierte Rente voraussichtlich knapp geringer als die garantierte Rente aus einer konventionellen Rentenversicherung des Versicherungsunternehmens sein.

Eine Erhöhung der garantierten Rente ist abhängig von der Performance der Fonds möglich, in die das Versicherungsunternehmen das Vorsorgekapital der Rentenversicherung anlegt. Wenn die Wertentwicklung der Fondsanteile die Kosten übersteigt, führt dies zu einer proportionalen Erhöhung der garantierten Rente an bestimmten Stichtagen. Die erhöhte Rente wird in der neuen Höhe lebenslang garantiert. Ein Sinken der Rente bei negativer Fondsperformance ist dagegen nicht möglich.

 

Anlage des Vorsorgekapitals durch das Versicherungsunternehmen

Das Vorsorgekapital der Rentenversicherung legt das Versicherungsunternehmen überwiegend in Fonds an. Eine gute Fondsperformance kann zur Erhöhung der garantierten Rente führen (s.o.). Ein Sinken der garantierten Rente ist hingegen – auch bei einer ungünstigen Entwicklung des Kapitalmarkts – nicht möglich.

Leistung bei Tod der versicherten Person

Es ist eine Todesfallleistung in Form einer Kapitalauszahlung eingeschlossen. Die Höhe der Todesfallleistung ergibt sich aus dem Wert der verbliebenen Fondsanteile. Sie hängt von der Wertentwicklung der Fondsanteile ab und sind demnach nicht prognostizierbar. Die Höhe der Todesfallleistung ist nicht garantiert. Bei ungünstiger Wertentwicklung kann eine Todesfallleistung bereits nach kurzer Laufzeit der Versicherung entfallen, bei extrem günstiger Wertentwicklung der Fondsanteile kann trotz der vorgenommenen Erhöhung(en) der Leibrente eine Todesfallleistung ggf. auch nach der mittleren Lebenserwartung zu erbringen sein.

Prämienzahlung

Einmalbeitrag

Rückkauf

Das Versicherungsunternehmen räumt dem Versicherungsnehmer ein Kündigungsrecht ein. Der Kunde hat die Möglichkeit eines Rückkaufs, solange die Todesfallleistung größer Null ist. Der Rückkaufswert ergibt sich aus der Todesfallleistung abzüglich Stornoabzug. Ein anteiliger Rückkauf ist möglich. Dies führt zu einer Reduktion der Garantierente, der Todesfallleistung sowie der Bezugsgröße für die Prüfung einer möglichen Rentenerhöhung.

Flexible Gestaltungsmöglichkeiten

Der Versicherungsnehmer kann bei Abschluss aus verschiedenen Fonds mit unterschiedlichem Risikoprofil wählen.

Die Fondsanteile können nach Wunsch des Versicherungsnehmers in eine andere Strategie umgeschichtet werden. Auf die bis dahin erreichte garantierte Rente hat dies keine Auswirkungen.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb

 

BMF, 17.4.2008, IV C 8 – S 2255/08/10005


Steuerfreie Umsätze aus der Kryokonservierung weiblicher Eizellen.

Das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) hat mit Urteil vom 14.03.2013 ( 5 K 9/11 ) der Klage einer Arztpraxis (Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR -) für Reproduktionsmedizin stattgegeben und entschieden, dass die Kryokonservierung (kühle Lagerung) von Eizellen auch dann als umsatzsteuersteuerfreie Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14 UStG anzuerkennen ist, wenn die Eizellen nach erfolgreicher erster Schwangerschaft zur Herbeiführung von weiteren Schwangerschaften vorgehalten werden.

Hintergrund:

Die Klägerin führt künstliche Befruchtungen durch. Dazu werden der Patientin Eizellen entnommen, befruchtet, kryokonserviert und in einem späteren Zyklus wieder eingesetzt. Überschüssige Eizellen werden für die Herbeiführung von weiteren Schwangerschaften vorgehalten. Die Klägerin behandelte sämtliche Umsätze aus der Kryokonservierung als steuerfrei. Demgegenüber unterschied das beklagte Finanzamt danach, ob die Eizellen für eine erstmalige oder weitere Schwangerschaft verwendet würden. Nur soweit die Konservierung im Zusammenhang mit einer konkreten Fruchtbarkeitsbehandlung dazu diene, überzählige Eizellen aufzubewahren und in einem späteren Zyklus einzusetzen, könne sie Teil einer steuerfreien Heilbehandlung sein. Die Konservierungsleistungen nach einer (ersten) Schwangerschaft stünden aber in keinem Zusammenhang mit der Verhinderung einer Krankheit bzw. einer therapeutischen Maßnahme.

Das NFG ist der Auffassung des beklagten Finanzamts nicht gefolgt. Als Begründung führte es an, dass die Lagerung der Eizellen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft insgesamt therapeutischen Zwecken diene. Dies gelte unabhängig davon, ob die verwahrten Eizellen für eine erstmalige oder für weitere Schwangerschaften verwendet würden. Die Kryokonservierung diene der Linderung einer Krankheit, da die Lagerung im Vergleich zu einer erneuten „Gewinnung“ von Eizellen das mildere und damit verhältnismäßige Mittel sei.

Das NFG hat die Revision zugelassen, weil die aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist. Ein Az. des BFH liegt derzeit noch nicht vor.

Niedersächsisches FG Urteil vom 14.03.2013 – 5 K 9/11

 

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG für ärztliche Leistungen bei Schönheitsoperationen, Schwangerschaftsabbrüchen und Empfängnisverhütungen

 Bezug: Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 12.01.2012 – 6 K 1917/07, Revisionsverfahren V R 16/12

1. Tätigkeit eines ästhetisch-plastischen Chirurgen und bei Schönheitsoperationen

Die Frage, ob die Tätigkeit eines ästhetisch-plastischen Chirurgen bei sog. Schönheitsoperationen als ärztliche Heilbehandlung anzusehen ist und damit zur Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG führt, war Gegenstand einer Erörterung zwischen dem Bund und den obersten Finanzbehörden der Länder.

Dabei wurde Folgendes beschlossen:

 1.1 Allgemeines

Eine generelle Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG für ästhetisch-plastische Leistungen eines Chirurgen (Schönheitsoperationen) kommt  nicht  in Betracht.

Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob diese Leistung der medizinischen Betreuung eines Menschen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dient und somit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (z. B. bei Eingriff wegen psychischer Belastung, nicht jedoch bei rein kosmetischen Eingriffen).

 1.2 Vergleichbare Leistungen anderer Einrichtungen

Wenn Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG steuerpflichtig sind, ist eine Umsatzsteuerpflicht vergleichbarer Leistungen auch bei Krankenhäusern, Diagnosekliniken usw. anzunehmen, da nach § 4 Nr. 14 Buchstabe b UStG n. F. (früher: § 4 Nr. 16 UStG ) ebenfalls nur Heilbehandlungen begünstigt werden sollen.

 1.3 Beispiele für steuerpflichtige Umsätze

Steuerpflichtig sind z. B. folgende Leistungen, sofern sie kosmetischer Natur sind und kein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht (vgl. Tz. 1.1):

Fettabsaugung, Faltenbehandlung, Brustvergrößerung, Brustverkleinerung, Lifting, Nasenkorrekturen, Hautverjüngung (Lasertherapie), Lippenaufspritzung, Botox-Behandlung (Verminderung von Falten durch Einspritzen eines stark verdünnten Nervengiftes Botulinum-Toxin), Permanent Make-up, Anti-Aging Behandlung, Bleaching (Bleichen der Zähne) und Dentalkosmetik.

 1.4 Bestätigung der genannten Grundsätze durch die Rechtsprechung

Der BFH hat die vorgenannten Grundsätze in dem Revisionsverfahren V R 27/03 mit Urteil vom 15.07.2004 , BStBl 2004, II 862 (Vorinstanz: FG Berlin, Urteil vom 12.11.2002 – 7 K 7264/02 ; EFG 2003, 418 ) bestätigt. Die gegen dieses Urteil am 04.10.2004 eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 04.07.2006 – 1 BvR 2241/04 nicht zur Entscheidung angenommen.

 1.5 Nachweis der medizinischen Indikation durch den Unternehmer

Der Unternehmer trägt die objektive Beweislast dafür, dass das Hauptziel der Leistung der Schutz oder die Wiederherstellung der Gesundheit ist (vgl. BFH-Beschluss vom 18.02.2008 – V B 35/06 , BFH/NV 2008, 1001 –1003).

Indiz hierfür kann die regelmäßige Übernahme der Kosten durch Krankenversicherungen sein.

Es führt jedoch nicht zwingend zur Steuerpflicht, wenn die Krankenversicherung nicht zur Kostenübernahme verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 30.01.2008 – XI R 53/06 , BStBl 2008 II, 647 ).

Mit Urteil vom 12.01.2012 – 6 K 1917/07 hat das FG Rheinland-Pfalz entschieden, dass ästhetischplastische Operationen nur dann steuerbefreit sind, wenn die medizinische Indikation im jeweiligen Einzelfall – ggf. durch Einzelgutachten mit Einverständnis des Patienten – nachgewiesen wird.

Das Revisionsverfahren ist beim BFH unter dem Az. V R 16/12 anhängig.

 2. Ärztliche Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen und der Empfängnisverhütung

Die umsatzsteuerliche Behandlung ärztlicher Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen und der Empfängnisverhütung war Thema einer Besprechung der Umsatzsteuerreferatsleiter. Danach sind sowohl die Leistungen im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen als auch alle ärztlichen Leistungen zur Empfängnisverhütung unabhängig von der jeweiligen Verhütungsmethode unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG umsatzsteuerfrei.

Einrichtungen i. S. d. § 13 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zählen zu den in § 4 Nr. 14 Buchstabe b Doppelbuchst. bb UStG genannten Zentren. Zwar erfolgt bei diesen Einrichtungen die für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift notwendige Teilnahme an der vertragsärzlichen Versorgung nicht durch ein Zulassungs- oder Ermächtigungsverfahren (wie in § 95 SGB V gefordert), sondern durch eine vertragliche Regelung (Vergütungsvereinbarung) nach § 75 Abs. 9 SGB V ; eine solche Vereinbarung stellt als Sonderfall der vertragsärztlichen Versorgung jedoch gleichwohl die erforder-liche Teilnahme an dieser her.

Die bisherige Rdvfg. vom 11.03.2010 – S 7170 A – 69 – St 112 ist überholt.

BFH-Urteile vom 17.04.2013

Folgende weitere Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Datum von heute (17.04.2013) veröffentlicht:

– BFH-Beschluss vom 12.03.2013 – XI B 14/13 (Die besondere Zugangsvoraussetzung in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO gilt auch für Anträge auf Aufhebung der Vollziehung);

– BFH-Urteil vom 24.01.2013 – V R 34/11 (Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG – Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen aus Restaurants und Großküchen ist keine “landwirtschaftliche Dienstleistung” – Keine Anwendbarkeit von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO bei Erstbescheiden – Verfassungsmäßigkeit der gesetzmäßigen Besteuerung – Prüfung einer Schätzung durch den BFH);

– BFH-Urteil vom 08.11.2012 – V R 15/12 (Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Überlassung von Grundstücken im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen nach dem BNatSchG – Begriff der “Vermietung von Grundstücken”);

– BFH-Urteil vom 13.12.2012 – IV R 51/10 (Durchschnittssatzgewinnermittlung nach § 13a EStG nicht für reinen Weinbaubetrieb);

– BFH-Urteil vom 19.12.2012 – IV R 29/09 (Ende der Nutzung eines fremden Wirtschaftsguts zur Einkunftserzielung, auf das eigene Aufwendungen geleistet worden waren – Typisierte Verteilung von Aufwendungen – Ausgliederung wesentlicher Betriebsgrundlagen – Anwendung des § 20 UmwStG 1977);

– BFH-Beschluss vom 21.02.2013 – X B 53/11 (Überraschungsentscheidung – Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten – Unterhalt als Sonderausgaben);

– BFH-Beschluss vom 08.03.2013 – III S 2/12 (Erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in derselben Sache vor dem BFH);

– BFH-Beschluss vom 08.03.2013 – III B 24/12 (Divergenz bei mehreren tragenden Urteilsgründen);

– BFH-Beschluss vom 19.09.2012 – X B 40/11 (NZB: Sachaufklärungsmängel);

– BFH-Beschluss vom 05.03.2013 – X B 98/11 (Liebhaberei);

– BFH- Beschluss vom 06.03.2013 – X B 14/13 (Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens – Anspruch auf Akteneinsicht – Voraussetzungen für In-camera-Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO – Prüfung der etwaigen Unwirksamkeit von Grundlagenbescheiden im Verfahren gegen die Folgebescheide – Keine Nichtigkeit des Feststellungsbescheids bei Nichtexistenz der GbR);

– BFH-Beschluss vom 06.03.2013 – III B 113/12 (Keine Anwendung der Vorschriften des Sozialverwaltungsverfahrens über Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten auf die Kindergeldfestsetzung nach dem EStG – Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Übermittlung von Unterlagen nur an den Prozessbevollmächtigten – Zureichender Grund für das Hinausschieben einer Einspruchsentscheidung im Rahmen des § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO);

– BFH-Beschluss vom 14.02.2013 – III B 133/12 (Anforderungen an einen Anspruch des Jugendhilfeträgers auf Erstattung des Kindergelds durch die Familienkasse);

– BFH-Beschluss vom 01.03.2013 – IX B 144/12 (Prozessurteil statt Sachurteil als Verfahrensmangel);

– BFH-Beschluss vom 25.01.2013 – V B 95/12 (Teiloption bei Grundstücksvermietung).

Bundesfinanzhof (BFH)

Voranmeldungszeitraum bei Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft

Voranmeldungszeitraum bei Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft:

Das BMF-Schreiben regelt den Voranmeldungszeitraum für eine Organgesellschaft nach deren Ausscheiden aus dem Organkreis und Bestehen als selbständiges Unternehmen.

“Nach Beendigung der Organschaft wird die bisherige Organgesellschaft selbst Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG. Zur Bestimmung des Voranmeldungszeitraums der bisherigen Organgesellschaft nach Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft bzw. nach dem Ausscheiden der Organgesellschaft aus einer Organschaft wird es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet, wenn grundsätzlich auf die Steuer des vorangegangenen Kalenderjahrs des bisherigen Organkreises abgestellt wird. Soweit die bisherige Organgesellschaft einen davon abweichenden Voranmeldungszeitraum begehrt, ist eine fiktive anteilige Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr durch die bisherige Organgesellschaft zu ermitteln. […]“

Voranmeldungszeitraum bei Wegfall der Voraussetzungen für eine umsatzsteuerliche Organschaft (PDF, 38,4 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

Divergenz bei mehreren tragenden Urteilsgründen

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 08.03.2013
Streitjahr: 2008
Aktenzeichen: III B 24/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 105 Abs 5 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 31 S 4 EStG 2002, § 65 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 70 Abs 2 EStG 2002, Art 10 EWGV 574/72
Divergenz bei mehreren tragenden Urteilsgründen

Leitsatz

NV: Stützt das FG seine Entscheidung kumulativ auf mehrere tragende Gründe, kann die Revision wegen Divergenz nur dann zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Gründe eine Divergenz gegeben ist. Der weitere tragende Grund kann sich auch aus einer vom FG nach § 105 Abs. 5 FGO zu eigen gemachten Begründung der Einspruchsentscheidung ergeben (Rn.11)(Rn.12).

Fundstellen

NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang

vorgehend FG München, 2. Januar 2012, Az: 5 K 2629/10, Urteil
Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
im Text BFH, 19. April 2012, Az: III R 87/09
im Text BFH, 12. Oktober 2011, Az: III B 56/11
im Text FG München, 4. Mai 2011, Az: 9 K 2928/10
im Text BFH, 3. März 2011, Az: III R 11/08
Vergleiche BFH, 11. Juli 2008, Az: IV B 121/07
im Text BFH, 17. April 2008, Az: III R 36/05
im Text BFH, 28. Juni 2006, Az: III R 13/06
im Text BFH, 25. März 2003, Az: VIII R 95/02
Vergleiche BFH, 30. August 2000, Az: III B 62/98

Gründe

1
Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

 

2
1. Eine Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist anzunehmen, wenn das Finanzgericht (FG) mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2011 III B 56/11, BFH/NV 2012, 178).

 

3
a) Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) –der Kindsvater– vorträgt, die Vorentscheidung weiche von dem Urteil des FG München vom 4. Mai 2011 9 K 2928/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 2173) ab, liegt keine Divergenz vor.

 

4
In der vorgeblichen Divergenzentscheidung wird zwar ausgeführt, dass die Entscheidung der ausländischen Behörde, soweit sie die Anwendung deren innerstaatlicher Rechtsvorschriften betreffe, Tatbestandswirkung für die deutschen Behörden habe. Das FG hat aber keinen hiervon abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt, insbesondere nicht entschieden, dass eine derartige Bindungswirkung nicht bestehe. Es hat vielmehr ausgeführt, die Entscheidung der österreichischen Behörde, der Kindsmutter nach dem überstaatlichen Gemeinschaftsrecht österreichische Familienleistungen zu gewähren, binde weder die deutschen Behörden noch Gerichte. Damit fehlt es an voneinander abweichenden abstrakten Rechtssätzen.

 

5
b) Soweit der Kläger behauptet, das FG sei von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. März 2003 VIII R 95/02 (BFH/NV 2003, 1306) abgewichen, ist ebenfalls keine Divergenz gegeben.

 

6
Der Kläger führt zwar in seiner Beschwerdebegründung aus, der BFH habe in dem zitierten Urteil zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden, der dem Steuerpflichtigen nach den §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) zustehende Kindergeldanspruch sei aufgrund der im Ausland dem anderen Elternteil gezahlten Familienleistungen nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen gewesen. Das FG-Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung betreffen jedoch unterschiedliche Rechtsfragen.

 

7
Der BFH hat in dem zitierten Urteil entschieden, dass ein in Deutschland lebender und Unterhalt zahlender Vater bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1998 keinen Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 1 EStG 1997 abziehen kann, wenn die in Österreich lebende Mutter dort für das gemeinsame Kind Kindergeld erhält, das nicht niedriger ist als die Steuerersparnis des Vaters bei Abzug eines Kinderfreibetrages (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1306). Die vorgebliche Divergenzentscheidung betraf daher nicht die Rechtsfrage, ob dem Steuerpflichtigen ein Kindergeldanspruch zustand, sondern ob er einen Kinderfreibetrag abziehen konnte. Für diese Zwecke war im Rahmen der sog. Günstigerrechnung nach § 31 Satz 4 EStG 1997 zu prüfen, ob für den Steuerpflichtigen das Kindergeld oder die durch den Kinderfreibetrag bedingte Steuerentlastung vorteilhafter waren. Zur Ermittlung dieser Vorteilhaftigkeit wurde jedoch nach der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2003 geltenden Rechtslage nicht ein bestehender Kindergeldanspruch einbezogen, sondern das tatsächlich gezahlte Kindergeld, und zwar unabhängig davon, wer Empfänger dieser Zahlungen war (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 1306; s. dazu auch Blümich/Selder, § 31 EStG Rz 54). Das FG-Urteil und die vermeintliche Divergenzentscheidung betreffen daher unterschiedliche Rechtsfragen.

 

8
Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass die Rechtsausführungen des BFH zur Frage des Kindergeldanspruchs des Steuerpflichtigen entscheidungserheblich gewesen sind, wenn –wie dargelegt– nach damaliger Rechtslage auf das tatsächlich gezahlte Kindergeld abzustellen war.

 

9
c) Soweit der Kläger vorträgt, die angegriffene Entscheidung stehe im Widerspruch zu den Senatsurteilen vom 28. Juni 2006 III R 13/06 (BFHE 214, 287, BStBl II 2007, 714) und vom 3. März 2011 III R 11/08 (BFHE 233, 41, BStBl II 2011, 722), kommt eine Zulassung wegen Divergenz ebenfalls nicht in Betracht.

 

10
aa) Der beschließende Senat hat in dem zitierten Urteil in BFHE 233, 41, BStBl II 2011, 722 zwar entschieden, § 70 Abs. 2 EStG betreffe den Fall, dass eine ursprünglich rechtmäßige Festsetzung durch Änderung der für den Kindergeldanspruch erheblichen (rechtlichen oder tatsächlichen) Verhältnisse nachträglich unrichtig werde. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass sich in der Vorentscheidung die Aussage findet, für die Anwendung des § 70 Abs. 2 EStG komme es nicht darauf an, ob der zu ändernde Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig gewesen sei. Bei isolierter Betrachtung dieser Urteilspassage könnte daher eine entscheidungserhebliche Abweichung von der zitierten Senatsrechtsprechung vorliegen.

 

11
bb) Im Ergebnis hat das FG die Entscheidung aber auf einen weiteren selbständig tragenden Grund (sog. kumulative Begründung) gestützt, so dass sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der genannten Abweichung und dem Ergebnis der Entscheidung ausschließen lässt. In einem solchen Fall kann die Revision wegen Divergenz nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Gründe eine Divergenz zu einer Entscheidung eines anderen Gerichts gegeben ist (Senatsbeschluss vom 30. August 2000 III B 62/98, BFH/NV 2001, 455). Hieran fehlt es.

 

12
(1) Der weitere selbständig tragende Grund ergibt sich aus der durch das FG erfolgten Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung. Es hat nach § 105 Abs. 5 FGO auf die (nach seiner Ansicht) zutreffenden Ausführungen der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) „in der Einspruchsentscheidung bezüglich der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsvorschriften, insbesondere zu Art. 76 bis 79 der Verordnung (EWG) 1408/71 und der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72“ verwiesen (s. II. Buchst. d der Gründe). Damit hat sich das FG die diesbezüglichen Gründe der Einspruchsentscheidung zu eigen gemacht (s. BFH-Beschluss vom 11. Juli 2008 IV B 121/07, BFH/NV 2008, 2002). Hiernach war jedoch die zu ändernde Kindergeldfestsetzung rechtmäßig und nicht rechtswidrig.

 

13
Nach der dort vertretenen Rechtsauffassung sei die im Streitfall bestehende Konkurrenz zwischen dem Kindergeldanspruch des Klägers nach dem EStG und dem Anspruch der Kindsmutter auf österreichische Familienleistungen nach dem dem § 65 EStG vorgehenden Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 574/72) aufzulösen. Dies bedeute: Bestehe, wie im Streitfall für die Kindsmutter, ein Anspruch auf Familienleistungen im Wohnland der Kinder, der nicht von einer Versicherung, Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit abhänge, und ein Anspruch auf Familienleistungen im Beschäftigungsland –hier: Deutschland–, wie für den Kläger, so sei das deutsche Kindergeld erst dann bis zur Höhe der im Wohnland geschuldeten Familienleistungen auszusetzen, wenn der Anspruchsberechtigte im Wohnland der Kinder eine Berufstätigkeit ausübe. Diese Situation sei im Streitfall erst im Laufe des Monats November 2008 eingetreten, nachdem die Kindsmutter am 10. November 2008 in Österreich eine Beschäftigung aufgenommen habe.

 

14
Nach dieser Rechtsauffassung schließt daher ein im Wohnland der Kinder bestehender Anspruch auf Familienleistungen, der betragsmäßig über dem deutschen Kindergeld liegt, einen deutschen Kindergeldanspruch erst dann aus, wenn der andere Elternteil im Wohnland der Kinder eine Beschäftigung ausübt. Dem Umstand, ob im Wohnland der Kinder Familienleistungen bezogen werden, kommt keine Bedeutung zu.

 

15
Somit ist nach dieser rechtlichen Beurteilung, die sich das FG zu eigen gemacht hat, die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung zu Recht erfolgt; sie war –entgegen der Ansicht des Klägers– nicht wegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtswidrig.

 

16
(2) Dass das FG mit dieser Beurteilung von der Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen ist, ist nicht geltend gemacht worden. Abgesehen davon wären die Rechtsausführungen zu Art. 10 der VO Nr. 574/72 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (s. dazu Senatsurteile vom 17. April 2008 III R 36/05, BFHE 221, 50, BStBl II 2009, 921; vom 19. April 2012 III R 87/09, BFHE 237, 150).

 

17
2. Mit dem Vortrag, im Streitfall bestünde Klärungsbedarf hinsichtlich der Rechtsfragen, ob erstens eine Bindung der Familienkasse an eine zeitlich frühere positive Entscheidung der ausländischen (österreichischen) Behörde bestehe, aufgrund derer das deutsche Kindergeld übersteigende Familienleistungen gezahlt würden, ob zweitens eine Kindergeldfestsetzung, die in positiver Kenntnis von im Ausland gezahlten Familienleistungen erfolge, wegen eines Verstoßes gegen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG rechtswidrig sei, und ob drittens die Anwendbarkeit des § 70 Abs. 2 EStG von der Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der zu ändernden Festsetzung abhänge, kann die begehrte Revisionszulassung, gleich welcher Zulassungsgrund damit gemeint sein soll, nicht erreicht werden.

 

18
3. Ob die Entscheidung des FG möglicherweise insoweit rechtsfehlerhaft ist, als es auch die Aufhebung der Festsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG für den Monat November 2008 als rechtmäßig beurteilt hat, obwohl sich die tatsächlichen Verhältnisse erst im Laufe des Monats November 2008 (Beschäftigungsaufnahme durch die Kindsmutter am 10. November 2008) zuungunsten des Klägers geändert haben (s. § 66 Abs. 2 EStG), kann dahinstehen, weil es insoweit bereits an der Darlegung eines Zulassungsgrundes fehlt.

 

19
4. Von einer Darstellung des Sachverhalts und weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

 

Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 06.03.2013
Streitjahre: 2000, 2004
Aktenzeichen: X B 14/13
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 74 FGO, § 78 FGO, § 86 Abs 3 FGO, § 175 Abs 1 Nr 1 AO, § 351 Abs 2 AO, § 124 AO, § 125 Abs 1 AO
(Aussetzung eines gegen einen Folgebescheid gerichteten Klageverfahrens – Anspruch auf Akteneinsicht – Voraussetzungen für In-camera-Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO – Prüfung der etwaigen Unwirksamkeit von Grundlagenbescheiden im Verfahren gegen die Folgebescheide – Keine Nichtigkeit des Feststellungsbescheids bei Nichtexistenz der GbR)

Leitsatz

1. NV: Ist ein Grundlagenbescheid bereits ergangen, aber angefochten worden, ist die Aussetzung eines Klageverfahrens gegen einen Folgebescheid zwar nicht zwingend, stellt im Rahmen der erforderlichen Ermessungsentscheidung aber den Regelfall dar. Dies gilt auch dann, wenn das Verfahren gegen den Grundlagenbescheid bereits seit längerer Zeit anhängig ist, das dortige Gericht aber mitteilt, dass in absehbarer Zeit mit einer Entscheidung zu rechnen sei.

 

2. NV: Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht nur in Bezug auf solche Akten, die dem Gericht vorliegen.

 

3. NV: Die Einleitung eines In-camera-Verfahrens nach § 86 Abs. 3 FGO setzt voraus, dass das FG die Vorlage bestimmter Unterlagen oder die Erteilung von Auskünften angefordert hat und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Anordnung nachzukommen.

Orientierungssatz

1. NV: Eine etwaige Unwirksamkeit von Grundlagenbescheiden könnte auch im Verfahren gegen die Folgebescheide geprüft werden (vgl. BFH-Beschluss vom 25.03.1986 III B 6/85).

 

2. NV: Die Nichtexistenz einer GbR führt nur zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des entsprechenden Feststellungsbescheids (vgl. BFH-Beschluss vom 27.03.1986 I S 16/85).

Fundstellen

NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang

vorgehend FG Köln, 4. Januar 2013, Az: 5 K 5076/06, Beschluss
Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
im Text BFH, 12. April 2012, Az: X B 190/11
Vergleiche BFH, 14. Januar 2011, Az: VIII B 56/10
Vergleiche BFH, 18. September 2007, Az: III S 31/07
Vergleiche BFH, 18. Juli 2006, Az: X B 65/06
Vergleiche BFH, 29. Januar 1998, Az: IX B 118/97
Vergleiche BFH, 17. Mai 1995, Az: X R 64/92
Vergleiche BFH, 27. März 1986, Az: I S 16/85
Vergleiche BFH, 25. März 1986, Az: III B 6/85

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Schuldners (Schuldner), der gemeinsam mit einem Mitgesellschafter (M) einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hatte.

 

2
In dem Klageverfahren, das Ausgangspunkt der vorliegenden Beschwerde ist, geht es um die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) gegen den Schuldner erlassenen Einkommensteuerbescheide 2000 und 2004. Die in diesen Bescheiden angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb hat das FA aus (Grundlagen-)Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns einer GbR übernommen. Das für die Gewinnfeststellung zuständige Betriebs-FA hat angenommen, zwischen dem Schuldner und M habe eine einheitliche GbR bestanden, die drei Mietshäuser erworben, saniert, deren Aufteilung in Wohnungs- bzw. Teileigentum betrieben und die künftigen Miteigentumsanteile noch vor Durchführung der Aufteilung an verschiedene Erwerber veräußert habe. Nach Auffassung des Schuldners –die der Kläger übernommen hat– sollen hingegen drei getrennte Objekt-GbR bestanden haben. Der Schuldner und M sind zwischenzeitlich zerstritten.

 

3
Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ das Betriebs-FA für die nach seiner Auffassung existierende einheitliche GbR am 23. Juni 2005 einen Gewinnfeststellungsbescheid für 2004 und am 29. September 2005 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2000. In den vorliegenden Akten befindet sich nur der Feststellungsbescheid für 2000; dieser ist an den Schuldner adressiert und trägt den Hinweis, dass M einen Bescheid gleichen Inhalts erhalten habe.

 

4
Der Schuldner erhob gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 vor dem damaligen Finanzgericht (FG) Berlin (heute FG Berlin-Brandenburg) sowohl eine Anfechtungsklage als auch eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit. Über diese Klagen hat das FG Berlin-Brandenburg bisher nicht entschieden. Der Kläger hat darüber hinaus vorgetragen, das FG Berlin-Brandenburg habe auch über die zur Feststellungsklage gehörenden Eilverfahren –einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung– nicht entschieden.

 

5
Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 2004 legte der Schuldner beim Betriebs-FA Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren ruht bis zur Entscheidung über die gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 anhängigen Klageverfahren.

 

6
Unter dem 24. November 2005 erließ das FA gegen den Schuldner Einkommensteuerbescheide für 2000 und 2004. Der Schuldner legte auch hiergegen Einspruch ein, begründete diesen zwar nicht, bat in seinem Einspruchsschreiben aber um Übersendung der Gewinnfeststellungsbescheide. Im März 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem der Kläger den vom FA zur Insolvenztabelle angemeldeten Einkommensteuerforderungen widersprochen hatte, nahm das FA das Einspruchsverfahren wieder auf. Mit der Einspruchsentscheidung vom 21. November 2006 stellte es die Einkommensteuerforderungen –in geringfügig niedrigerer Höhe als in den Einkommensteuerbescheiden, was nicht näher begründet wurde– gemäß § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung als Insolvenzforderungen fest. Die Einspruchsentscheidung weist als Einspruchsführer den Schuldner aus; der Kläger wird als „Bevollmächtigter“ bezeichnet.

 

7
Mit der hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger geltend, Einkommensteuer sei nicht festzusetzen, weil die Gewinnfeststellungsbescheide nichtig, zumindest aber rechtswidrig seien. Die vom Betriebs-FA angenommene GbR habe niemals bestanden. Die Feststellungsbescheide seien an die GbR bekanntgegeben worden, was wegen der Nichtexistenz der GbR unwirksam sei. M habe sich die GbR gemeinsam mit dem Betriebs-FA „ausgedacht“. Die Bescheide seien „dem Kläger“ nicht bekanntgegeben worden.

 

8
Im Klageverfahren lässt sich der Kläger von einer Steuerberatungs-GmbH (S-GmbH) vertreten, die zuvor bereits den Schuldner vertreten hatte. Mehrere unter dem Briefkopf der S-GmbH erstellte und beim FG eingereichte Schriftsätze sind nicht von den Vertretern dieser Gesellschaft, sondern vom –nicht postulationsfähigen– Schuldner persönlich unterschrieben worden. Die S-GmbH hat lediglich für ein vorgelagertes Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH), nicht aber für das Klage- oder Beschwerdeverfahren eine vom Kläger unterschriebene Prozessvollmacht vorgelegt.

 

9
Mit Beschluss vom 22. Januar 2010 setzte das FG das Klageverfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim FG Berlin-Brandenburg bzw. beim Betriebs-FA anhängigen Klage- bzw. Einspruchsverfahren gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 2000 und 2004 aus. Zur Begründung führte es aus, der Kläger erhebe ausschließlich Einwendungen gegen die Grundlagenbescheide. Der Aussetzung stehe nicht entgegen, dass der Kläger auch die Existenz der GbR in Frage stelle, weil auch diese Frage im anhängigen Klageverfahren auf Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheids für 2000 geklärt werden könne. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten.

 

10
Am 17. Oktober 2012 hat der Kläger beantragt, das ausgesetzte Klageverfahren fortzuführen. Er behauptet, ein Abschluss der Klageverfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2000 und der entsprechenden Eilverfahren sei nicht absehbar. Alle Versuche, das FG Berlin-Brandenburg zur Bearbeitung dieser Verfahren zu bewegen, seien ohne Erfolg geblieben. Zudem seien die Gewinnfeststellungsbescheide offenkundig nichtig. So habe das Kammergericht in einem von M geführten Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von PKH ausgeführt, zwischen M und dem Schuldner habe zu keinem Zeitpunkt eine „Grundstückshandelsgesellschaft“ bestanden, sondern allein eine „Modernisierungsgesellschaft“ für eines der drei Mietshäuser (Beschluss vom … September 2011 …). Auch habe das zuständige Amtsgericht den Schuldner in einem Steuerstrafverfahren mit Urteil vom … Januar 2012 freigesprochen, weil nicht habe geklärt werden können, ob in den Jahren 2000 und 2001 überhaupt Gewinne „in steuerlich verwertbarer Weise“ hätten realisiert werden können.

 

11
Auf Anfrage des FG hat das FG Berlin-Brandenburg am 23. November 2012 mitgeteilt, dass in den Klageverfahren gegen die Gewinnfeststellungsbescheide „leider erst“ mit einer Entscheidung im ersten Halbjahr 2013 zu rechnen sei.

 

12
Mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss vom 4. Januar 2013 hat das FG den Antrag des Klägers auf Fortführung des Verfahrens abgelehnt. Die Gründe für die Aussetzung des Verfahrens bestünden fort. Der Umstand, dass die Dauer der Verfahren gegen die Grundlagenbescheide sehr lange sei, zwinge nicht zur Fortführung des ausgesetzten Klageverfahrens gegen die Folgebescheide, zumal das FG Berlin-Brandenburg mitgeteilt habe, dass im ersten Halbjahr 2013 eine Entscheidung ergehen werde.

 

13
Mit seiner Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, vertritt der Kläger die Auffassung, ein Fortdauern der Aussetzung sei mit der Prozessförderungspflicht des FG nicht vereinbar. Vor allem werde die Aufnahme des Verfahrens aber begehrt, um Einsicht in drei sog. „Hinweisakten“ des Betriebs-FA zu erlangen. Das Betriebs-FA habe diese Akten dem FG Berlin-Brandenburg bisher nicht vorgelegt. Dies sowie die fortwährende Untätigkeit des FG Berlin-Brandenburg begründe den Verdacht, dass sich in diesen „Hinweisakten“ Unterlagen befinden, die dem Fortgang des Verfahrens dienen könnten. Außerdem habe „der Antragsteller“ ein Rehabilitationsinteresse, nachdem er im Strafverfahren freigesprochen worden sei.

 

14
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses des FG Köln vom 4. Januar 2013 5 K 5076/06 anzuordnen, dass das dortige Klageverfahren fortzuführen sei,
Akteneinsicht in die drei „Hinweisakten“ des Betriebs-FA zu gewähren,
hilfsweise, diese Akten im Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO dem Bundesfinanzhof (BFH) vorzulegen.

 

Entscheidungsgründe

15
II. 1. Die Beschwerde ist unbegründet.

 

16
Der angefochtene Beschluss des FG, den Antrag des Klägers auf Fortführung des ausgesetzten Verfahrens abzulehnen, weist keinen Rechtsfehler auf.

 

17
a) Gemäß § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei.

 

18
Ist ein Grundlagenbescheid noch nicht ergangen, ist ein Klageverfahren gegen den Folgebescheid zwingend auszusetzen (Senatsurteil vom 17. Mai 1995 X R 64/92, BFHE 177, 478, BStBl II 1995, 640, unter II.4.); das Ergehen eines Endurteils würde in einem solchen Fall einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellen. Ist –wie hier– der Grundlagenbescheid bereits ergangen, aber gleichfalls angefochten, ist eine Aussetzung des Verfahrens gegen den Folgebescheid zwar nicht zwingend, stellt im Rahmen der erforderlichen Ermessensentscheidung aber den Regelfall dar (BFH-Beschluss vom 29. Januar 1998 IX B 118/97, BFH/NV 1998, 869).

 

19
b) Vorliegend hat das FG zwar in seinen schriftlichen Hinweisen, die dem angefochtenen Beschluss vorangegangen sind, –insoweit rechtlich unzutreffend– formuliert, eine Fortführung würde einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens darstellen. Diese Formulierung hat es im angefochtenen Beschluss aber nicht wiederholt, sondern deutlich gemacht, dass ihm bei der Entscheidung Ermessen zukommt.

 

20
c) Die Ermessenserwägungen des FG zur Fortdauer der Aussetzung lassen keinen Rechtsfehler erkennen.

 

21
Es hat zutreffend erkannt, dass die Gründe für eine Aussetzung des Verfahrens –das Fehlen rechtskräftiger Entscheidungen über die Grundlagenbescheide, die für den Ausgang des Klageverfahrens maßgebend sind– fortbestehen, zumal auch dann, wenn ein Grundlagenbescheid bereits ergangen ist, die Aussetzung eines Klageverfahrens gegen den Folgebescheid den Regelfall darstellt und eine Fortsetzung des Verfahrens besonders zu begründen wäre (siehe oben a).

 

22
Die Erwägung des FG, trotz der bereits sehr langen Dauer der vor dem FG Berlin-Brandenburg geführten Verfahren gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2000 sei die Fortdauer der Aussetzung im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass das FG Berlin-Brandenburg eine Entscheidung für das erste Halbjahr 2013 angekündigt habe, ist jedenfalls vertretbar. Der Kläger muss seine –angesichts der bereits erreichten Verfahrensdauer nachvollziehbaren– Bemühungen um eine Beschleunigung der Verfahren in erster Linie gegenüber dem FG Berlin-Brandenburg entfalten. Dass er in jenen Verfahren bereits von den Rechtsbehelfen der §§ 198 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes Gebrauch gemacht hätte, die ihm zur Erreichung einer Verfahrensbeschleunigung zur Verfügung stehen, hat er nicht vorgetragen.

 

23
Die Entscheidung des FG erweist sich zudem auch deshalb als ermessensgerecht, weil es dem Kläger auch im vorliegenden Verfahren gegen die Folgebescheide offenbar in erster Linie darum geht, Einsicht in Akten des Betriebs-FA zu nehmen. Dieses Begehren muss er aber vorrangig in den Verfahren des FG Berlin-Brandenburg verfolgen, an denen das Betriebs-FA –anders als im vorliegenden Klageverfahren– selbst beteiligt ist.

 

24
d) Zwar weist der Kläger im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass eine etwaige Unwirksamkeit der Grundlagenbescheide auch im Verfahren gegen die Folgebescheide geprüft werden könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 25. März 1986 III B 6/85, BFHE 146, 225, BStBl II 1986, 477, unter 2.). Sein bisheriges Vorbringen zur Unwirksamkeit der Grundlagenbescheide ist aber –auch unter Berücksichtigung des jetzigen Verfahrensstands– so unsubstantiiert, dass das FG es bei seiner Entscheidung über die Fortdauer der Aussetzung außer Betracht lassen durfte.

 

25
aa) Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, die Gewinnfeststellungsbescheide seien deshalb nichtig, weil die GbR, deren Gewinne in diesen Bescheiden festgestellt würden, niemals existiert habe, hat er dem FG bisher keine nachvollziehbare Sachverhaltsdarstellung unterbreitet, aus der sich im Klageverfahren gegen die Folgebescheide ausnahmsweise die Notwendigkeit einer eigenständigen Prüfung der Wirksamkeit der Grundlagenbescheide ergeben könnte. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtexistenz der GbR nur zur Rechtswidrigkeit, nicht aber zur Nichtigkeit des entsprechenden Feststellungsbescheids führt (BFH-Beschluss vom 27. März 1986 I S 16/85, BFH/NV 1986, 632, unter 1.b).

 

26
bb) Auch zu den vermeintlichen Bekanntgabemängeln fehlt es an einem substantiierten Vortrag des Klägers.

 

27
(1) Soweit der Kläger behauptet, die Bekanntgabe sei unwirksam, weil die Bescheide an die GbR gerichtet gewesen seien, hat er diese Behauptung nicht belegt. Jedenfalls der dem erkennenden Senat vorliegende Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 weist als Bekanntgabeadressaten –in rechtlich zutreffender Weise– den Schuldner aus. Dass es sich bei dem –nicht in den vorgelegten Akten enthaltenen– Gewinnfeststellungsbescheid für 2004 anders verhalten könnte, hat der Kläger nicht dargelegt.

 

28
(2) Soweit der Kläger rügt, die Bescheide seien ihm selbst nicht bekanntgegeben worden, übersieht er, dass im Zeitpunkt der Bekanntgabe das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet war. Für eine Bekanntgabe an den Kläger gab es daher seinerzeit keine Veranlassung.

 

29
(3) Soweit der Kläger bestreitet, dass der Schuldner die Gewinnfeststellungsbescheide erhalten habe, ist auch dies unsubstantiiert.

 

30
Der Schuldner persönlich hat gegen beide Gewinnfeststellungsbescheide Einspruch eingelegt. Dafür hätte es keinen Grund gegeben, wenn er die Bescheide nicht erhalten hätte.

 

31
Jedenfalls der Gewinnfeststellungsbescheid für 2000 –der Bescheid für 2004 liegt dem erkennenden Senat nicht vor– war an den Schuldner adressiert; der Kläger selbst hat diesen Bescheid dem FG vorgelegt. Da der Kläger sich nicht dazu geäußert hat, wie er in den Besitz dieses Bescheids gelangt sein könnte, ist davon auszugehen, dass dieser sich in den Unterlagen des Schuldners befunden hat, die der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter in Besitz genommen hat.

 

32
2. Der Antrag auf Einsicht in die drei „Hinweisakten“ des FG Berlin-Brandenburg wird abgelehnt.

 

33
Ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht nur in Bezug auf solche Akten, die dem Gericht vorliegen (BFH-Beschluss vom 14. Januar 2011 VIII B 56/10, BFH/NV 2011, 630). Die drei „Hinweisakten“ liegen dem erkennenden Senat aber nicht vor.

 

34
3. Die Voraussetzungen für das vom Kläger hilfsweise begehrte Verfahren nach § 86 Abs. 3 FGO liegen nicht vor.

 

35
a) Zu den Grundvoraussetzungen für ein solches „In-camera-Verfahren“ gehört, dass das FG die Vorlage bestimmter Unterlagen oder die Erteilung von Auskünften angeordnet hat und die ersuchte Behörde sich daraufhin geweigert hat, dieser Anordnung nachzukommen (BFH-Beschlüsse vom 18. Juli 2006 X B 65/06, BFH/NV 2006, 1699, unter II.2.b, und vom 18. September 2007 III S 31/07, BFH/NV 2008, 83, unter II.2.a).

 

36
Daran fehlt es. Weder hat das FG im vorliegenden Klageverfahren die drei „Hinweisakten“ des Betriebs-FA angefordert noch hat das Betriebs-FA sich einer solchen Anordnung des FG widersetzt.

 

37
b) Im Übrigen wäre der Antrag auf Durchführung eines Verfahrens nach § 86 Abs. 3 FGO nicht beim Rechtsmittelgericht, sondern beim FG als dem „Gericht der Hauptsache“ zu stellen (§ 86 Abs. 3 Satz 2 FGO). Solange das dortige Klageverfahren indes ausgesetzt ist, wäre die Prozesshandlung, die in einem Antrag nach § 86 Abs. 3 FGO zu sehen ist, „ohne rechtliche Wirkung“ (§ 249 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

 

38
4. Es wird darauf hingewiesen, dass im Falle einer künftigen Fortführung des Klageverfahrens Anlass bestehen könnte, ausnahmsweise eine Prozessvollmacht anzufordern (zu den hierfür geltenden Maßstäben vgl. Senatsbeschluss vom 12. April 2012 X B 190-196/11, BFH/NV 2012, 1164, m.w.N.).

 

39
Für das Klageverfahren hat die als Prozessbevollmächtigte auftretende S-GmbH ausschließlich eine vom Schuldner –nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen– unterzeichnete Prozessvollmacht vorgelegt. Diese ist im vorliegenden Verfahren indes unbeachtlich, da der Schuldner nicht am Verfahren beteiligt ist. Eine Vollmacht des Klägers ist nur im vorgelagerten Verfahren über die Gewährung von PKH vorgelegt worden, war aber ausdrücklich auf jenes Verfahren beschränkt.

 

40
Tatsächlich scheint der Schuldner das Verfahren in erheblichen Umfang selbst zu führen. Er hat zahlreiche an das FG gerichtete Schriftsätze unter Verwendung des Briefbogens der als Prozessbevollmächtigte auftretenden S-GmbH persönlich unterschrieben. Auch soweit die auf den Briefbogen der S-GmbH gefertigten Schriftsätze nicht vom Schuldner, sondern von für die S-GmbH vertretungsbefugten Personen unterschrieben worden sind, sind sie inhaltlich teilweise so gefasst, dass zu vermuten ist, dass ihr Inhalt nicht von einer der in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Personen stammt, sondern vom –nicht postulationsfähigen– Schuldner persönlich. Hierfür spricht auch, dass in diesen Schriftsätzen die Bezeichnung „Kläger“ oder „Antragsteller“ häufig nicht für den tatsächlichen Kläger dieses Verfahrens –den Insolvenzverwalter–, sondern für den nicht am Verfahren beteiligten Schuldner verwendet wird.

 

41
Hinzu kommt, dass der IV. Senat des BFH im –parallel gelagerten– Verfahren IV S 1/13 erfolglos eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht angefordert hat und daraufhin die Kosten des dortigen Verfahrens der als vollmachtloser Vertreterin aufgetretenen S-GmbH auferlegen musste.