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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist gegen die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften

FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.2.2013, 1 K 2850/11

Tenor

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumens der Einspruchsfrist gegen die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§§ 22 Abs. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) zu gewähren ist.
2
Der Kläger ist Rentner, geschieden und – jedenfalls nach deutschem Recht – nicht wieder verheiratet. Er erwarb im Mai des Streitjahres (2005) ein Grundstück in X zum Kaufpreis von 40.000 EUR und veräußerte es noch im September des Streitjahres wieder, wobei er einen Veräußerungserlös von 82.500 EUR erzielte. Nachdem er für das Streitjahr trotz Aufforderung des beklagten Finanzamts (des Beklagten) keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, wurde der Kläger durch Bescheid vom 18. Juni 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit geschätzten Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer für 2005 veranlagt.
3
Unter dem 8. September 2009 erließ der Beklagte einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005, in dem er weitere Einkünfte des Klägers aus privaten Veräußerungsgeschäften – nämlich erstmals resultierend aus dem Verkauf des Grundstücks in X – in Höhe von 42.500 EUR in Ansatz brachte und die Steuer entsprechend heraufsetzte. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte zugleich auf. Der Bescheid wurde automatisiert erstellt, an den Kläger unter dessen Anschrift in Y adressiert und noch am gleichen Tag zur Post gegeben.
4
Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 – beim Beklagten eingehend am gleichen Tag – legte der Kläger über seine damalige Steuerbevollmächtigte gegen den geänderten Bescheid Einspruch ein und bat zugleich um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu ließ er vortragen, er habe sich vom 20. August 2009 bis zum 14. Dezember 2009 in Z / Asien befunden und den Bescheid erst am 15. Dezember 2009 erhalten. Er habe einen Bekannten, nämlich Herrn B aus W, damit beauftragt, für die Zeit seiner Abwesenheit seine Post zu verwalten. Herr B habe einen Schlüssel zur Wohnung und zu seinem Briefkasten gehabt und ihn – den Kläger – regelmäßig ein- bis zweimal pro Woche über den aktuellen Stand der Post informiert. Leider habe Herr B dabei die Post des Beklagten übersehen. Zum Nachweis seines Aufenthalts in Z / Asien legte der Kläger eine Farbkopie seines Reisepasses vor, aus der sich zwei auf den 17. November 2009 und auf den 14. Dezember 2009 datierte Stempel sowie ein weiterer Stempel mit den beiden Daten: „17. Nov. 2009“ und „16. Dec. 2009“ ersehen lassen.
5
Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens beantwortete der Kläger die Frage des Beklagten nach der Bedeutung der Stempelangaben auf den 17. November 2009 und auf den 16. Dezember 2009 nicht. Zugleich übergab er eine Stellungnahme des Herrn B, derzufolge dieser die Post für den Kläger überwacht und verwaltet haben will; ein Brief des Beklagten sei – so Herr B – während der Zeit, in der er in dieser Weise tätig geworden sei, „nicht dabei gewesen“. In der Sache selbst bezifferte der Kläger die „Grundsanierungs- und Renovierungskosten“ für das Objekt in X mit Schreiben vom 12. März 2010 auf „etwa 30 000 Euro“.
6
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2010 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für 2005 unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erneut und behandelte weitere, ihm zwischenzeitlich bekannt gewordene Renteneinkünfte des Klägers als steuerpflichtig. Hiergegen legte der Kläger durch seine späteren Prozessbevollmächtigten am 16. November 2010 gleichfalls Einspruch ein. Durch die Bevollmächtigten ließ er zudem vortragen, er habe nicht mit einer Übersendung eines Einkommensteuerbescheids für 2005 während seines Aufenthalts in Z / Asien im Jahre 2009 rechnen müssen. Außerdem habe es sich bei Herrn B nicht um seinen Vertreter, sondern um eine bloße Hilfsperson gehandelt, deren mögliches Verschulden er sich nicht zurechnen lassen müsse. Der Bescheid vom 8. September 2009 habe sich mittlerweile „erledigt“.
7
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 behandelte der Beklagte den Einspruch vom 16. November 2010 als Gegenstand des bereits anhängigen Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009. Zugleich verwarf er den Einspruch „wegen Einkommensteuer 2005“ als unzulässig. Der Einspruch sei verspätet. Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Es stehe nicht fest, dass der Kläger sich tatsächlich in der Zeit von August 2009 bis Dezember 2009 durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe. Einen Einreisestempel in seinem Reisepass für seine Einreise nach Z / Asien habe der Kläger trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Auch die beiden Stempelaufdrucke auf den 17. November 2009 habe er – ebenfalls trotz Aufforderung – nicht erläutert.
8
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 9. August 2011 erhobene und beim Finanzgericht (FG) am 11. August 2011 eingegangene Klage. Mit ihr verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung lässt er ausführen, dass er in Z / Asien mit seiner von ihm nach z-ischen Recht geheirateten Ehefrau lebe, so dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass er sich im Herbst 2009 nicht durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe. An der auf dem Grundstück in X befindlichen Immobilie habe er – der Kläger – erhebliche Sanierungs- und Renovierungsarbeiten durchgeführt.
9
Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Einkommensteuer für 2005 unter Abänderung des Bescheids vom 25. Oktober 2010 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 auf den Betrag herabzusetzen, der sich bei Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 12.500 EUR anstelle von 42.500 EUR ergibt.
10
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
11
Er beruft sich auf die Gründe seiner Einspruchsentscheidung. Ergänzend meint er, auch in der Sache selbst habe der Kläger einen Nachweis der behaupteten Renovierungsarbeiten nicht erbracht.
12
Der Senat hat den Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids mit Beschluss vom 23. April 2012 – 1 V 238/12 (nicht veröffentlicht) abgelehnt. Mit Beschluss vom 4. Februar 2013 hat der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

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1. Das Gericht konnte in dem Rechtsstreit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2013 durch Urteil entscheiden, obwohl der Kläger im Termin nicht persönlich anwesend und auch nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war.
14
Der Kläger war über seine früheren Prozessbevollmächtigten  zur mündlichen Verhandlung mit Telefax vom 4. Februar 2013 gegen Empfangsbekenntnis unter Wahrung der zweiwöchigen Ladungsfrist (§ 91 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –) ordnungsgemäß geladen worden. Die früheren Prozessbevollmächtigten hatten die Zustellung der Ladung unter Angabe des Empfangsdatums 6. Februar 2013 mit Telefax vom 7. Februar 2013 gegenüber dem Gericht bestätigt. Die spätere Mitteilung der früheren Prozessbevollmächtigten, der Kläger werde von ihnen nicht mehr vertreten, hatte auf die Wirksamkeit der Ladung keinen Einfluss, da sie dem Gericht gegenüber erst am 8. Februar 2013 und damit nach Bewirkung der Ladung zum Termin erfolgt ist  (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 22. März 1994 – X R 66/93, BFH/NV 1994, 499, und vom 18. August 2009 – X B 14/09, Zeitschrift für Steuern und Recht – ZSteu – 2009, R1144). Darauf, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden könne, war die Klägerseite in der Ladung zum Termin vom 4. Februar 2013 auch ausdrücklich hingewiesen worden (§ 91 Abs. 2 FGO). Außerdem hat das Gericht den Kläger persönlich durch Schreiben vom 15. Februar 2013 – das ihm mit Postzustellungsurkunde am 20. Februar 2013 übermittelt worden ist – nochmals von dem bevorstehenden Termin und den Folgen des § 91 Abs. 2 FGO in Kenntnis gesetzt.
15
2. Die Klage ist unbegründet.
16
Der Einkommensteuerbescheid vom 25. Oktober 2010, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 8. September 2009 ersetzt hat, kann in dem hier streitbefangenen Punkt der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht zugunsten des Klägers geändert werden. Denn die Entscheidung des Beklagten, die Einkommensteuerfestsetzung vom 8. September 2009 als bestandskräftig zu behandeln und den gegen sie gerichteten Einspruch als unzulässig zu verwerfen (§ 358 Satz 2 AO), ist rechtmäßig. Der Einspruch war verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war dem Kläger nicht zu gewähren.
17
a) Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der – wie vorliegend der Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009 – durch die Post im Inland übermittelt wird, gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO als am dritten Tage nach seiner Aufgabe zur Post bekanntgegeben. War der Einspruchsführer ohne sein Verschulden verhindert, die sich daraus ergebende Einspruchsfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO), wobei das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2 AO). Dieser Wiedereinsetzungsantrag ist – wie auch die versäumte Einlegung des Einspruchs – nach § 110 Abs. 2 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen.
18
b) Dies vorausgeschickt, war der erst am 14. Januar 2010 eingegangene Einspruch offenkundig verspätet. Denn die Monatsfrist zu dessen Einlegung begann mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 8. September 2009 am Freitag, den 11. September 2009 und endete damit – weil der 11. Oktober 2009 auf einen Sonntag fiel – am Montag, den 12. Oktober 2009 (§ 108 Abs. 3 AO). Der erfolgten Bekanntgabe steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich – wie er vorträgt – während dieses Zeitraums durchgehend nicht in Y, sondern bei seiner Lebensgefährtin in Z / Asien aufgehalten haben will. Denn es genügt, dass der Verwaltungsakt derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass diesem die Kenntnisnahme normalerweise möglich ist und dass sie unter gewöhnlichen Umständen auch erwartet werden kann (vgl. Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 10. Aufl., § 122 Rz. 6). Diese Voraussetzungen sind regelmäßig erfüllt, wenn die Sendung entsprechend den postalischen Vorschriften zugestellt wird, und zwar insbesondere dann, wenn der in einem gewöhnlichen Brief enthaltene Bescheid – wie hier – in einen für den Adressaten – hier: den Kläger – bestimmten Briefkasten eingeworfen wird. Auch dass der Bekanntgabeempfänger am Ort der Bekanntgabe den räumlichen Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse hat, erfordert eine wirksame Bekanntgabe nicht (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 6. März 1990 – VIII R 141/85, BFH/NV 1991, 71). Gleichfalls unerheblich ist, ob der Betroffene den Bescheidinhalt tatsächlich zur Kenntnis nimmt (Brockmeyer in Klein, a. a. O.).
19
c) Dem Kläger war auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies würde – wie dargelegt – sowohl ein fehlendes Verschulden des Klägers am Versäumen der Einspruchsfrist (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO) als auch einen Wegfall des Hinderungsgrunds nicht vor dem 14. Dezember 2009 (§ 110 Abs. 2 AO) voraussetzen. Für beide Umstände war der Kläger darlegungs- und nachweispflichtig. Letzteres ist im gesamten Verlauf des Verwaltungs- und des Klageverfahrens nicht geschehen, obwohl die genannten Erfordernisse dem Kläger spätestens aufgrund des Senatsbeschlusses vom 23. April 2012 – 1 V 238/12 (über die Ablehnung der AdV) hinlänglich bekannt waren.
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aa) Der Senat folgt dem Beklagten darin, dass die Behauptung allein, sich vom 20. August 2009 bis zum 14. Dezember 2009 in Z / Asien aufgehalten zu haben, nicht zur Widerlegung der Vermutung ausreicht, dass der Antragsteller seine Wohnung in Y in der Zwischenzeit nicht doch wenigstens einmal aufgesucht hat. War dies aber der Fall, so ist der Hinderungsgrund für das Versäumen der Einspruchsfrist bereits zu diesem Zeitpunkt fortgefallen, so dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet war (§ 110 Abs. 2 AO). Der Kläger hat trotz mehrfacher Aufforderung nicht erläutert, welche Aussage dem auf den 17. November 2009 datierten Stempelaufdruck in seinem Reisepass zuzumessen war. Auch hat er den Reisepass im gesamten Verfahren nicht im Original, sondern nur einzelne Seiten daraus in Fotokopie vorgelegt, so dass dem Beklagten wie auch dem Gericht ein lückenloses Nachvollziehen des vorgeblichen Auslandsaufenthalts im streitrelevanten Zeitraum nicht möglich war. Die damit einhergehende Beweisvereitelung hat der Kläger zu vertreten. Die beiläufige Bemerkung im Klageverfahren, es gebe wegen der Beziehung zu seiner thailändischen Lebensgefährtin keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich nicht durchgehend in Z / Asien aufgehalten habe, ist zu unbestimmt, als dass sie zum Nachweis des Gegenteils ausreichen würde.
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bb) Der Kläger hat daneben auch nicht hinreichend dargelegt, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Einspruchsfrist einzuhalten.
22
Mit dem bloßen Hinweis, er habe sich auf einer viermonatigen Auslandsreise nach Z / Asien befunden, ist das Versäumnis nicht entschuldigt. Jedenfalls bei längerer Abwesenheit entspricht es dem allgemeinen Sorgfaltsgebot bei Teilnahme am Rechtsverkehr, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass man von behördlichen Zustellungen Kenntnis erhält und Fristen gewahrt werden (BFH-Beschluss vom 30. März 2006 – VIII B 197/05, BFH/NV 2006, 1487). Das trifft insbesondere für Personen zu, die sich – wie der Kläger – oft oder länger auf Auslandsreisen befinden und bei denen die Abwesenheit von der Wohnung zur Regel wird (BFH-Urteil vom 12. August 1986 – VII R 202/83, BFH/NV 1988, 89).
23
Zwar trägt der Kläger vor, durch Beauftragung des Herrn B mit der Verwaltung seiner im Abwesenheitszeitraum eingehenden Post eine solche Maßnahme getroffen zu haben. Auch ist ihm darin zu folgen, dass im Falle einer solchen Beauftragung das mögliche Verschulden des Herrn B ihm – dem Kläger – nicht über § 110 Abs. 1 Satz 2 AO als eigenes Verschulden zuzurechnen wäre, weil Herr B – der, anders als etwa ein Prozessbevollmächtigter, nicht aufgrund eines entgeltlichen Auftragsverhältnisses, sondern aus bloßer Gefälligkeit tätig geworden ist – insoweit nicht als „Vertreter“, sondern nur als eine sog. „Hilfsperson“ anzusehen gewesen wäre (BFH-Entscheidungen vom 11. Januar 1983 – VII R 92/80, BFHE 137, 399, BStBl II 1983, 334, und vom 23. Oktober 2001 – VIII B 51/01, BFH/NV 2002, 162). Darum geht es hier indessen nicht, da im Streitfall kein fremdes, sondern ein eigenes Verschulden des Klägers vorgelegen hat.
24
Dieses eigene Verschulden des Klägers ergibt sich aus der – nicht sachgerechten – Hinzuziehung einer dafür nicht geeigneten Hilfsperson. Ein solches Verschulden bei der Auswahl der Hilfsperson folgt daraus, dass der mit der Kontrolle der Eingangspost beauftragte Herr B nicht in der Wohnung in Y anwesend war. Weil der Beauftragte in W und nicht in Y wohnhaft gewesen ist, hätte es für eine sachgerechte Vorkehrung einer Vereinbarung bedurft, wonach die Hilfsperson die Wohnung in Y turnusmäßig aufsuchen sollte (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 162). Eine solche Regelmäßigkeit der Kontrolle der Wohnung in Y auf eingegangene Postzustellungen ist aber nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar. Dies entnimmt das Gericht dem Umstand, dass der im September 2009 erstellte Einkommensteuerbescheid für 2005 während der Zeit, in der Herr B den Posteingang überwacht haben will, „nicht dabei gewesen“ ist und somit während des ganzen Zeitraums von Mitte September 2009 bis Mitte Dezember 2009 keine Nachschau durch Herrn B mehr erfolgt sein kann.
25
3. Die Klage war damit im Streitpunkt der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften abzuweisen. Davon unberührt bleibt die Frage, ob die zuletzt angefochtene Einkommensteuerfestsetzung vom 25. Oktober 2010, die den bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 8. September 2009 ersetzt hat, daneben noch in einzelnen anderen Punkten zugunsten des Klägers abgeändert werden kann. Darüber war im Rahmen des hier anhängigen Klageverfahrens nicht zu entscheiden.
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a) Denn anders als der Beklagte bei Abfassung der Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2011 angenommen hat, ist der Bescheid vom 25. Oktober 2010 nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid vom 8. September 2009 geworden.
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Letzteres ist zwar nach § 365 Abs. 3 Satz 1 AO der Fall, wenn der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt jedoch voraus, dass der vorher eingelegte Einspruch nicht – etwa, wie im Streitfall, wegen Verfristung – unzulässig war, denn die Norm verfolgt den Zweck zu verhindern, dass der Rechtsbehelfsführer ohne Einlegung eines erneuten Rechtsbehelfs aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren hinausgedrängt wird, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt ersetzt wird (Brockmeyer in Klein, a. a. O., § 365 Rz. 6). Dass § 365 Abs. 3 Satz 1 AO von einem zulässigen Einspruch gegen den ursprünglichen Verwaltungsakt ausgeht, ergibt sich auch aus § 358 Satz 2 AO. Denn die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs ist eine Sachentscheidungsvoraussetzung, hinsichtlich derer der Finanzbehörde kein Ermessen eingeräumt ist. § 358 Satz 2 AO aber lässt auf einen „verfristeten“ Einspruch keine andere als die vorgeschriebene Entscheidung („ist als unzulässig zu verwerfen“) zu (BFH-Urteil vom 13. April 2000 – V R 56/99, BFHE 191, 491, BStBl II 2000, 490). Dies hat im Ergebnis im Übrigen auch der Beklagte noch mit Schreiben an die Bevollmächtigten des Klägers vom 24. Januar 2011 zutreffend so gesehen.
28
b) Daraus folgt, dass sich der Bescheid vom 8. September 2009 keineswegs – wie der Kläger meint – durch den nachfolgenden Bescheid vom 25. Oktober 2010 „erledigt“ hat. Die Einkommensteuerfestsetzung vom 8. September 2009 ist vielmehr, wie im Rahmen des hier anhängigen Klageverfahrens entschieden worden ist, bestandskräftig geworden. Zugleich wird der Beklagte – sofern noch nicht geschehen – über den (zulässigen) Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 25. Oktober 2010 noch in der Sache zu entscheiden haben. In diesem Einspruchsverfahren werden die Beteiligten indessen zu beachten haben, dass gemäß § 351 Abs. 1 AO Verwaltungsakte, die – wie der Bescheid vom 25. Oktober 2010 – unanfechtbare Verwaltungsakte – wie hier den Bescheid vom 8. September 2009 – ändern, nur insoweit angegriffen werden können, als die Änderung reicht. Dies bedeutet, dass der Kläger mit seinem Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 25. Oktober 2010 auf die Einwendung beschränkt ist, die dort erstmals besteuerten Renteneinkünfte seien fehlerhaft erfasst oder die Änderungsnorm des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sei nicht zutreffend angewendet worden.
29
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Neues zur Gesamtplanrechtsprechung bei Veräußerung einer KG

Kernproblem

Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils kann unter bestimmten Voraussetzungen mit einem ermäßigten Steuersatz besteuert werden. Hierfür ist u. a. erforderlich, dass sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen mitübertragen werden und die darin liegenden stillen Reserven vollständig aufgelöst werden. Streitigkeiten ergeben sich in der Praxis zumeist dann, wenn bestimmte wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübergehen, sondern im Vorfeld einer geplanten Veräußerung (zu Buchwerten) in ein anderes Betriebsvermögen des Veräußerers überführt werden. Die Aufgriffswahrscheinlichkeit durch die Finanzverwaltung ist dabei umso höher, je enger der zeitliche Zusammenhang zwischen Buchwertübertragung und anschließender Veräußerung des (restlichen) Betriebsvermögens ist. Über eine interessante Ausweichgestaltung hatte nunmehr das Finanzgericht (FG) Niedersachsen zu entscheiden.

Sachverhalt

Kläger sind Kommanditisten einer KG, die über mehrere Geschäftsfelder verfügte. Ein Investor beabsichtigte sich an einem dieser Geschäftsfelder zu beteiligen. Die Kläger gründeten hierzu eine Schwester-KG, auf die sie nahezu alle Wirtschaftsgüter dieses Geschäftsfeldes zu Buchwerten übertrugen. Lediglich ein Grundstück und Knowhow blieben bei der KG zurück und wurden an die Schwester-KG entgeltlich vermietet. Letztere wurde sodann an den Investor verkauft. Die Finanzverwaltung verwehrte die beantragte Tarifvergünstigung für den Veräußerungsgewinn, da nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen der KG auf die Schwester-KG übergegangen und somit nicht alle stillen Reserven der KG in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst worden seien. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

Entscheidung

Nach Auffassung der Richter ist die Tarifermäßigung für den Veräußerungsgewinn zu gewähren, da die stillen Reserven der Schwester-KG vollständig aufgelöst wurden. Ein Einbezug der wirtschaftlichen Verhältnisse einer anderen Schwestergesellschaft (hier der KG) würde den möglichen Wortsinn der Tarifvorschrift überschreiten. Die Gesamtplanrechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei daher vorliegend nicht anwendbar. Ein Gestaltungsmissbrauch i. S. d. der Abgabenordnung sei ebenfalls nicht ersichtlich.

Konsequenz

Mit dem Fall muss sich nun der BFH befassen. Vor dem Hintergrund, dass der dort zuständige IV. Senat ein weites Verständnis der Gesamtplanrechtsprechung hat, erscheint es zumindest fraglich, ob dieser den Ausführungen des Finanzgerichts folgen wird. Entsprechende Gestaltungen sollten daher bis zu einer endgültigen Entscheidung nur nach sorgfältiger Abwägung aller Chancen und Risiken umgesetzt werden.

BMF: Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs

Das BMF hat die Gesamtübersicht über die Kaufkraftzuschläge zum 01.04.2013 (§ 3 Nr. 64 EStG) mit Zeitraum ab 01.01.2012 bekannt gegeben.

Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs; Gesamtübersicht der Kaufkraftzuschläge – Stand: 1. April 2013

“Bekanntmachung über die Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs vom 5. April 2013 – IV C 5 – S 2341/12/10002 –

Das Auswärtige Amt hat für einige Dienstorte die Kaufkraftzuschläge neu festgesetzt. Die Gesamtübersicht wurde entsprechend ergänzt. […]“

Steuerbefreiung des Kaufkraftausgleichs; Gesamtübersicht der Kaufkraftzuschläge – Stand: 1. April 2013 (PDF, 115,2 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Abgeltungsteuer FAQ

Häufig gestellte Fragen und Antworten zur Abgeltungsteuer

Zum 1. Januar 2009 wurde in Deutschland die Abgeltungsteuer eingeführt. Damit unterliegen Zinsen, Dividenden, Fondsausschüttungen sowie Kurs- und Währungsgewinne einem einheitlichen Pauschalsteuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer.

Die Abgeltungsteuer ist eine Quellensteuer, d. h. sie wird vom Schuldner (z. B. Bank) vom Ertrag einbehalten und direkt an das Finanzamt abgeführt.

Wie vormals beim Zinsabschlag können Erträge in Höhe von 801 Euro bei Alleinstehenden bzw. 1.602 Euro bei Ehegatten steuerfrei gestellt werden.

-> Abgeltungssteuerrechner

 

1. Was ist unter „Abgeltungsteuer“ zu verstehen?

Die Abgeltungsteuer ist eine Form der Erhebung der Einkommensteuer durch Abzug an der Quelle.

Der Abgeltungsteuer unterliegen alle Kapitalerträge, die nicht in einem Unternehmen anfallen. Inländische Schuldner oder Zahlstellen (z.B. Banken) sind danach verpflichtet, einen Steuerabzug vorzunehmen und an die Finanzverwaltung abzuführen.

Mit dem Steuerabzug ist die Einkommensteuer des Gläubigers grundsätzlich abgegolten. Die Angabe der Kapitaleinkünfte in der Einkommensteuererklärung ist nicht mehr erforderlich.

Der Steuersatz beträgt einheitlich 25 Prozent. Hinzu kommen Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.

 

2. Welche Einkünfte fallen unter die Abgeltungsteuer?

Unter die Regelungen der Abgeltungsteuer fallen grundsätzlich alle Einkünfte aus dem Kapitalvermögen, insbesondere Zinserträge aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten, Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren, Dividenden, Erträge aus Investmentfonds oder Termingeschäfte und auch Zertifikatserträge.

Weiterhin erfasst die Abgeltungsteuer Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften, insbesondere bei Wertpapieren, Investmentanteilen und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, nicht jedoch Immobilien.

 

3. Ab wann gilt die Abgeltungsteuer?

Der Abgeltungsteuer unterliegen alle laufenden Kapitalerträge, die nach dem 31.12.2008 zufließen.

Gleiches gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Wertpapieren, die nach dem 31.12.2008 gekauft werden, und zwar unabhängig von der Haltedauer. Wertpapiere, die vor dem 1.1.2009 erworben werden, können nach Ablauf eines Jahres steuerfrei veräußert werden.

Für Zertifikate gilt eine besondere Regelung. Diese können ab dem 1. Juli 2009 nur steuerfrei verkauft werden, wenn sie am 14. März 2007 – dem Kabinettsbeschluss zur Abgeltungsteuer – oder vorher erworben wurden. Mit dieser Sonderregelung sollen nicht hinnehmbare Steuerausfälle vermieden werden. Denn während sich der herkömmliche Zertifikatemarkt durch eine überwiegende Zahl von Produkten mit sehr begrenzter Laufzeit auszeichnete, war bereits kurz nach dem Kabinettsbeschluss das Bestreben erkennbar, eine „Schlussrallye“ mit sehr lang oder unbegrenzt laufenden Zertifikaten zu starten.

 

4. Dürfen Verluste, die bei der Veräußerung von Aktien entstehen, die ab dem Jahr 2009 gekauft werden, mit Zins- oder Dividendeneinkünften verrechnet werden?

Nein.
Grund der Einschränkung der Verlustverrechnung ist die Verhinderung von erheblichen Haushaltsrisiken.

Die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, dass Kursstürze an den Aktienmärkten zu einem erheblichen Verlustpotential bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften mit Aktien führen. Denn viele Steuerpflichtige veräußerten während des Börsencrashs 2000-2002 ihre Aktien unter Verlust, so dass allein aus Veräußerungsgeschäften, die innerhalb der – bisher geltenden einkommensteuerrechtlichen – Jahresfrist vorgenommen wurden, bis Ende 2002 Verluste in Höhe von bundesweit 11,2 Mrd. Euro festgestellt wurden. Für das gesamte Steueraufkommen hatten diese gravierenden Verluste keine relevante Bedeutung, da Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften lediglich mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften, also z.B. nicht mit Zins- oder Dividendeneinkünften, verrechnet werden konnten.

Würde man zukünftig jedoch eine Verrechnung von Veräußerungsverlusten aus Aktien mit anderen Erträgen aus Kapitaleinkünften, insbesondere Zinsen und Dividenden, zulassen, bestünde die Gefahr, dass bei vergleichbaren Kursstürzen wie in der Vergangenheit innerhalb kürzester Zeit Steuermindereinnahmen in Milliardenhöhe entstehen.

 

5. Kann man die Abgeltungsteuer – ähnlich wie bisher – mit Nichtveranlagungsbescheinigungen und Freistellungsaufträgen vermeiden?

Ja.
Wer bisher die entsprechenden Anträge gestellt hat oder die Voraussetzungen hierfür erstmals erfüllt, kann dies auch zukünftig tun.

In unserer Rubrik Formulare finden Sie die Vordrucke für den Freistellungsauftragund für den Antrag auf Erteilung einer Nichtveranlagungsbescheinigung.

 

6. Welche Vorteile bringt die Abgeltungsteuer für die Steuerpflichtigen?

Der wichtigste und augenfälligste Vorteil ist die Vereinfachung der persönlichen Einkommensteuererklärung. Wer seine Konten und Depots im Inland unterhält, muss sich nicht mehr um die steuerlichen Folgen seiner Kapitalanlagen kümmern. Dies erledigt sein Kreditinstitut für ihn.

Gleichzeitig eröffnet die Veranlagungsoption ggf. eine niedrigere steuerliche Belastung mit dem individuellen Einkommensteuersatz.

Die Erklärungsvordrucke werden einfacher und verständlicher gestaltet. Dies bringt auch Erleichterungen für den Steuerpflichtigen, der die Veranlagung wählt.

Die einheitliche Behandlung von laufenden Kapitalerträgen und privaten Veräußerungsgewinnen bringt mehr Freiheit für Anlageentscheidungen. Umschichtungen können frei von steuerlichen Zwängen nach rein wirtschaftlichen Erwägungen jederzeit vorgenommen werden.

 

7. Müssen alle Steuerpflichtigen auf ihre Kapitaleinkünfte 25 % Einkommensteuer zahlen?

Nein.
Steuerpflichtige, die auf Grund ihrer geringen Einkünfte einen persönlichen Steuersatz (Grenzsteuersatz) von unter 25 % haben, können zu ihren Gunsten zur Veranlagung ihrer Einkünfte aus Kapitalanlagen optieren, d.h. sie können in der Einkommensteuererklärung ihre Kapitaleinkünfte angeben.

Stellt sich bei der Steuerfestsetzung auf Grund der eingereichten Erklärung heraus, dass die Veranlagung doch nicht günstiger ist als die Abgeltungsteuer, werden die Kapitaleinkünfte bei der Steuerfestsetzung ohne weiteres Zutun des Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt.

 

8. Kann ich bei diesen Kapitaleinkünften Werbungskosten, wie z.B. Depotgebühren, geltend machen?

Nein.
Die Bemessungsgrundlage entspricht den Bruttoerträgen, die nur durch den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 Euro, für Verheiratete in Höhe von 1.602 Euro reduziert werden. Damit werden typisierend Werbungskosten berücksichtigt, die meist weit unter diesem Beträgen liegen.

 

9. Wie wirkt sich die Abgeltungsteuer auf Riester- und Rürup-Verträge aus?

Die Leistungen aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen („Riester-Rente“) und von Basisrentenprodukten („Rürup-Rente“) werden erst in der Auszahlungsphase nachgelagert besteuert. Während der Ansparphase erfolgt keine Besteuerung von Erträgen und Wertsteigerungen.

Auch nach Einführung der Abgeltungsteuer wird bei der Besteuerung der Riester- und Rürup-Verträge der von der Höhe des zu versteuernden Einkommens abhängige persönliche Steuersatz und nicht der Abgeltungsteuersatz angewendet.

Zu den Riester-Produkten gehören sämtliche zertifizierten Altersvorsorgeverträge in Form einer Rentenversicherung, eines Fonds- oder eines Banksparplans. Die Regelungen in der Ansparphase gelten für jeden zertifizierten Altersvorsorgevertrag. Dies gilt unabhängig davon, ob der Anleger im Rahmen der Riester-Rente förderberechtigt ist und ob er die Förderung in Anspruch nehmen wird. D. h., auch ein Selbständiger, der nicht förderberechtigt ist, kann einen entsprechenden zertifizierten Altersvorsorgevertrag abschließen und von den Regelungen profitieren.

Rürup-Produkte können ebenfalls von allen Steuerpflichtigen als private Rentenversicherungen und als fondsgebundene Basisrentenprodukte abgeschlossen werden.

 

10. Was ändert sich bei der Dividendenbesteuerung?

Mit der Einführung der Abgeltungsteuer entfällt für Einkünfte des Privatvermögens natürlicher Personen das Halbeinkünfteverfahren. Dies bedeutet, dass Dividenden aus Aktien beim Anleger genauso besteuert werden wie Zinseinnahmen.

 

11. Gilt die Abgeltungsteuer auch bei Lebensversicherungen?

Teilweise ja.
Sowohl das geltende als auch das zukünftige Recht unterscheidet zwischen Versicherungsverträgen, die vor dem 01. Januar 2005 („Altverträge“) und solchen, die nach dem 31. Dezember 2004 abgeschlossen wurden („Neuverträge“).

Bei Altverträgen gilt zeitlich unbeschränkt die Ermittlung des steuerpflichtigen Ertrags in Form der außerrechnungs- und rechnungsmäßigen Zinsen und die an bestimmte Voraussetzungen (insbes. Mindestvertragsdauer von zwölf Jahren, mind. fünfjährige laufende Beitragszahlung, 60 % Mindesttodesfallschutz) geknüpfte Steuerbefreiung fort.

Bei Neuverträgen ist als steuerpflichtiger Ertrag der Unterschied zwischen der Versicherungsleistung und der auf sie entrichteten Beiträge zu ermitteln. Erfolgt die Auszahlung nach Vollendung des 60. Lebensjahrs (bei Vertragsabschlüssen nach dem 31.12.2011: nach Vollendung des 62. Lebensjahrs) des Steuerpflichtigen und nach Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss, ist nur die Hälfte des Unterschiedsbetrags anzusetzen.

Allerdings fallen Leistungen aus Neuverträgen, bei denen die Voraussetzungen des hälftigen Unterschiedsbetrags vorliegen, nicht unter den abgeltenden Steuersatz von 25 %. In diesen Fällen erfolgt eine Veranlagung gemeinsam mit den Einkünften aus anderen Einkunftsarten unter Anwendung des progressiven Einkommensteuertarifs. Die Ausnahme ist zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gerechtfertigt, da der Wertzuwachs – bei Anwendung des Abgeltungsteuersatzes – bei diesen Leistungen lediglich in Höhe von höchstens 12,5 % besteuert würde. Damit würde ohne sachlichen Grund eine steuerrechtliche Begünstigung von Lebensversicherungsleistungen gegenüber anderen Anlageprodukten erfolgen.

Bei der Erhebung der Steuer ist zu beachten, dass der Steuerabzug von 25 % auch bei Lebensversicherungen vorgenommen wird, die die Voraussetzung der hälftigen Freistellung erfüllen. Der Steuerpflichtige kann diese Freistellung in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen und damit eine Erstattung durch das Finanzamt erreichen. Diese Regelung ist zur Verifikation derartiger steuerpflichtiger Versicherungsleistungen geboten, da ansonsten die Gefahr besteht, dass in diesen Fällen – auf Grund fehlender zusätzlicher Kontrollmöglichkeiten durch die Finanzverwaltung – lediglich eine Besteuerung in Höhe von 12,5 % des Wertzuwachses erfolgt, wenn der Steuerpflichtige die Erträge nicht in seiner Einkommensteuererklärung angibt.

 

12. Wie werden Kapitalanlagen bei Kreditinstituten im Ausland behandelt?

Auf Erträge aus Kapitalanlagen bei Kreditinstituten im Ausland findet die Abgeltungsteuer keine Anwendung. Gleichwohl unterliegen diese Erträge ggf. der Einkommensteuer und müssen daher gegenüber dem Finanzamt angegeben werden.

 

13. Wie wird die Kirchensteuer auf die Kapitaleinkünfte erhoben?

Grundsätzlich sollen die Kreditinstitute die Kirchensteuer – wie die Einkommensteuer – bereits in der Form des Quellensteuerabzugs erheben. Hierfür ist jedoch eine gesonderte Datenbank beim Bundeszentralamt für Steuern notwendig, bei der die Kreditinstitute unter Wahrung des Datenschutzes der Betroffenen eine Abfrage starten können, ob ihre Kunden einer Konfession angehören, für die Kirchensteuer zu erheben ist.

Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Datenbank ihre Arbeit aufnimmt, bestehen für den Steuerpflichtigen hinsichtlich der Kirchensteuererhebung zwei Alternativen:

  • Er kann einerseits bei seinem Kreditinstitut seine Konfession angeben. Dann nimmt das Kreditinstitut – ohne dass die Finanzverwaltung hiervon erfährt – die Erhebung der Kirchensteuer für ihn vor.
  • Er kann in seiner Steuererklärung angeben, in welcher Höhe Kapitalertragsteuer von seinem Kreditinstitut einbehalten wurde. Dann setzt das Finanzamt auf Grund der angegebenen Kapitalertragsteuer die zutreffende Kirchensteuer für ihn fest.
    Eine abweichende Regelung gilt in Bayern: Hier teilt das Finanzamt die maßgebende Kapitalertragsteuer dem zuständigen Kirchensteueramt mit, das dann die Kirchensteuer erhebt.

 

14. Wird zwischen inflationsbedingten und realen Wertänderungen unterschieden?

Nein.
Das Einkommensteuerrecht unterscheidet nicht zwischen realen und nominalen (inflationsbedingten) Wertänderungen. Das sog. Nominalwertprinzip steht auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Einklang mit dem Grundgesetz.

 

15. Gibt es trotz der Abgeltungsteuer weiterhin den Kontenabruf der Finanzbehörden?

Für Fälle, in denen private Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne weiterhin nach altem Recht zu besteuern sind, besteht auch die Kontenabrufmöglichkeit nach altem Recht fort.

Soweit die Abgeltungsteuer Anwendung findet, besteht die Kontenabrufmöglichkeit nur noch für die Fälle, in denen ein Bürger

  • beantragt, seine Kapitaleinkünfte seinem niedrigeren persönlichen Einkommensteuersatz zu unterwerfen,
  • festgesetzte Steuern nicht zahlt,
  • einem steuerlichen Kontenabruf zustimmt,
  • bestimmte staatliche Leistungen beantragt, für die die Höhe des Einkommens von Bedeutung ist (z.B. BAFöG, Wohngeld) oder
  • in Veranlagungszeiträumen bis einschl. 2011 steuerliche Vergünstigungen (z.B. außergewöhnliche Belastungen) in Anspruch nehmen will oder Kindergeld beantragt und für die Höhe des Kindergelds die Einkünfte des Kindes von Bedeutung sind.

 

16. Was passiert mit Altverlusten aus privaten Veräußerungsgewinnen mit Wertpapieren? Kann ich diese weiterhin geltend machen?

Ja.
Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, d.h. Verluste, die nach dem bis 2008 geltenden Recht entstanden sind, können für eine Übergangszeit bis zum Jahr 2013 mit Einkünften aus der Veräußerung von Kapitalanlagen – z.B. Gewinnen aus Aktienverkäufen oder Fondsbeteiligungen – verrechnet werden.

Eine Verrechnung mit Zinseinkünften oder Dividendenausschüttungen ist dagegen nicht zulässig. Dies war auch nach dem bisherigen Recht nicht möglich.

Beispiel:

A hat beim Börsencrash im Jahr 2001 Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 20.000 Euro erzielt, die er bisher noch nicht verrechnen konnte.

Im Jahr 2010 erzielt er Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 20.000 Euro. Hierbei entfallen 9.000 Euro auf Zinseinkünfte und Dividendenausschüttungen (Einkünfte nach § 20 Abs. 1 EStG). Die übrigen Einkünfte von 11.000 Euro stammen aus der Endfälligkeit von Zertifikaten, aus Einlösungsgewinnen bei Finanzinnovationen (z.B. Umtauschanleihen), aus Termingeschäften sowie aus Veräußerungsgewinnen aus Aktien, die er im Jahr 2009 angeschafft hat (Einkünfte nach § 20 Abs. 2 EStG).

A kann einen Verlust von 11.000 Euro verrechnen.

Eine Verrechnung der Altverluste mit den Gewinnen aus den Zinseinkünften und Dividendenausschüttungen ist ausgeschlossen.

Für A besteht allerdings die Möglichkeit, die Verluste noch in den Jahren 2011 bis 2013 geltend zu machen.

Hinweis:

Voraussetzung für die Berücksichtigung von Altverlusten ist, dass der Steuerpflichtige die Altverluste im Jahr ihrer Entstehung in seiner Steuererklärung angegeben hat und sie vom Finanzamt – z.B. durch Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides – berücksichtigt wurden.

Wie lässt sich der Erklärungsbedarf in der Anlage KAP reduzieren?

Seit Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 ist die Abgabe der Anlage KAP zur Einkommensteuererklärung für viele Bürgerinnen und Bürger nicht mehr erforderlich.

Seit dem 1. Januar 2009 hat der Steuerabzug bei Kapitalerträgen abgeltende Wirkung, das heißt, es besteht grundsätzlich keine Pflicht mehr, diese Erträge in der Steuererklärung anzugeben. Die Besteuerung erfolgt mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.

Die Abgeltungsteuer wird nur dann erhoben, wenn die Kapitaleinkünfte den Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro für Ledige oder 1.602 Euro für Verheiratete übersteigen oder wenn keine Nichtveranlagungs-Bescheinigung vorgelegt wird.

Veranlagungswahlrecht

Für die Abgeltungsteuer gilt aber das so genannte Veranlagungswahlrecht. Wer meint, dass die Veranlagung der Kapitaleinkünfte zu einer niedrigeren Steuerbelastung führt, kann eine Einbeziehung seiner Kapitaleinkünfte in die Einkommensteuerveranlagung und damit die Besteuerung mit dem allgemeinen progressiven Einkommensteuertarif beantragen.

Die Höhe des allgemeinen Einkommensteuertarifes ist dabei nicht entscheidend, maßgebend ist allein, wie hoch die Steuerbelastung bei einer Einbeziehung der Kapitaleinkünfte im Vergleich zu einer Besteuerung mit dem Abgeltungsteuersatz ist.

Das Finanzamt prüft beide Alternativen und wendet die für den Steuerpflichtigen günstigere Variante an (sog. Günstigerprüfung).

Grenzbeträge

Für die weit überwiegende Zahl der Steuerpflichtigen dürfte sich die Ausübung des Veranlagungswahlrechts kaum lohnen, denn bereits ab einem zu versteuernden Einkommen von 15.721 Euro und 31.442 Euro bei zusammenveranlagten Ehegatten wird ein (Grenz-)Steuersatz von 25 % erreicht.

Vereinfachtes Beispiel, gerechnet ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer:

Eine steuerpflichtige Person erzielt (nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags) 5.000 Euro Kapitalerträge und 15.000 Euro Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten. Würde eine Veranlagung mit einem zu versteuernden Einkommen (zvE) von 20.000 Euro durchgeführt, wären bei Anwendung des derzeit geltenden allgemeinen Einkommensteuertarifs 2.701 Euro Einkommensteuer zu zahlen; bei Anwendung des Tarifs auf 15.000 Euro zvE fallen 1.410 Euro Steuer in der Veranlagung und 1.250 Euro Abgeltungsteuer, also zusammen 2.660 Euro, an. Die Abgeltungsteuer führt also zu 41 Euro weniger Einkommensteuer.

Fälle mit Altersentlastungsbetrag oder Härteausgleich

Sind die genannten Grenzwerte überschritten, kann der Antrag dann vorteilhaft sein, wenn für die Kapitalerträge die Gewährung des Altersentlastungsbetrags oder eines Härteausgleichs in Betracht kommt.

Der Altersentlastungsbetrag wird ab dem Kalenderjahr gewährt, das auf die Vollendung des 64. Lebensjahrs folgt. Eine Steuerminderung für die Kapitalerträge ergibt sich allerdings nur, wenn der Altersentlastungsbetrag nicht bereits aufgrund anderer positiver Einkünfte vollständig ausgeschöpft ist. Zu beachten ist auch, dass bei der Bemessung des Altersentlastungsbetrags Renteneinkünfte und Versorgungsbezüge außer Betracht bleiben.

Den Härteausgleich erhalten Bezieher von Arbeitslohn, deren Nebeneinkünfte aus anderen Einkunftsarten niedriger als 820 € sind.

Bitte berücksichtigen Sie daher, dass der Antrag auf Günstigerprüfung nur unter bestimmten Voraussetzungen zu einer niedrigeren Besteuerung führt. Liegen diese Voraussetzungen ganz offensichtlich nicht vor, kann auf den Antrag und eine vollumfängliche Erklärung der Kapitalerträge verzichtet werden.

Weitere Möglichkeiten

Sie haben aber auch noch weitere Möglichkeiten, die Angabe von Kapitaleinkünften in der Steuererklärung entbehrlich zu machen, wenn Sie

  • den kontoführenden Kreditinstituten Freistellungsaufträge bis zum Höchstbetrag von insgesamt 801 €, bei zusammenveranlagten Ehegatten bis zu 1 602 €, erteilen und das Freistellungsvolumen erforderlichenfalls der Entwicklung der Kapitalerträge anpassen. Ein Antrag beim Finanzamt auf Überprüfung des Steuereinbehalts zur Berücksichtigung eines beim Steuerabzug nicht vollständig ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrags wird dadurch entbehrlich.
  • als Mitglied einer kirchensteuerhebeberechtigten Religionsgemeinschaft bei den kontoführenden Kreditinstituten die Einbehaltung der Kirchensteuerbeantragen. Soweit die Kapitalerträge dem Kirchensteuerabzug unterlegen haben, sind Angaben in der Anlage KAP grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

Anwalts- und Gerichtskosten im Scheidungsverfahren als außergewöhnliche Belastungen

Im Rahmen eines Scheidungsverfahrens angefallene Anwalts- und Gerichtskosten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen

Finanzgericht Düsseldorf, 10 K 2392/12 E

Datum: 19.02.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 10. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 10 K 2392/12 E
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 wird der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz weiterer 8.195 Euro als außergewöhnliche Belastungen zusätzlich zu den bisher bereits berücksichtigten 94 Euro sowie durch Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer um 114 Euro geändert.

Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand:

2Streitig ist, ob bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2010 Gerichts- und Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen und ob Lohnkosten wegen der Montage einer ausgetauschten Einbauküche als Handwerkerleistungen steuerermäßigend zu berücksichtigen sind.

3Die Ehe der Klägerin wurde mit Urteil des Amtsgerichts A Familiengericht am ………….. 2010 geschieden (Az. …….. ). Gleichzeitig wurden im Urteil Rentenanwartschaften im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Klägerin begründet. Mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom gleichen Tag wurde der Zugewinnausgleich und nachehelicher Unterhalt geregelt. Die Kosten des Verfahrens und die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Am 18. März 2010 erstellte die Prozessvertreterin der Klägerin in der Familiensache die Endabrechnung, die sich auf noch zu zahlende Anwalts- und Gerichtskosten von 8.195,13 Euro belief und von der Klägerin mit Wertstellung zum 15. April 2010 per Banküberweisung bezahlt wurde. Ebenfalls im Streitjahr 2010 ließ die Klägerin in der von ihr genutzten Wohnung eine neue Einbauküche montieren. Gemäß Rechnung vom 22. Juni 2010 betrug der Gesamtpreis einschließlich Lieferung und Montage insgesamt brutto 7.648 Euro. Der Rechnungsbetrag wurde von der Klägerin mittels Banküberweisung unter Anrechnung einer bereits 2010 geleisteten Anzahlung von 2.000 Euro mit Wertstellung 7. Juli 2010 bezahlt. Ausweislich einer Bescheinigung des Küchenlieferunten vom 28. März 2012 ist in der Rechnung ein Lohnkostenanteil von 572,39 Euro enthalten.

4In der Einkommensteuererklärung für 2010 machte die Klägerin u. a. Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 8.195 Euro und als Handwerkerleistung anlässlich der Erneuerung der Einbauküche einen Betrag von 1.530 Euro (20 v. H. des Rechnungsbetrages) geltend. Der Beklagte verweigerte im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 insgesamt die steuerliche Berücksichtigung. In den Erläuterungen des Steuerbescheids heißt es dazu auszugsweise:

5„Als außergewöhnliche Belastungen können Prozesskosten für die Ehescheidung und den Versorgungsausgleich angesetzt werden. Aufwendungen für die Auseinandersetzung gemeinsamen Vermögens und Unterhaltsansprüche(n) sind nicht abzugsfähig. Aus den von Ihnen eingereichten Unterlagen ist eine Trennung der Aufwendungen nicht möglich. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen konnte nicht gewährt werden, weil die Arbeitskosten anhand der Angaben in der Rechnung nicht gesondert ermittelt werden konnten. Eine Aufteilung im Schätzwege ist nicht zulässig.“

6Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012).

7Mit der Klage trägt die Klägerin vor:

8Der Beklagte habe die Prozesskosten entgegen dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Mai 2011 (VI R 42/10, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2011, 1015) nicht anerkannt. Sämtliche ihr im Zusammenhang mit dem Ehescheidungsverfahren erwachsenen Kosten seien zwangsläufig entstanden. Ihre Rechtsverteidigung sei nicht mutwillig gewesen und habe von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt. Gemäß BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 (VI R 28/08, BStBl II 2010, 166) berechtige auch eine nachträgliche Rechnungsergänzung bei einer Handwerkerleistung zum Steuerabzug.

9Die Klägerin beantragt,

10              unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 durch Ansatz von 8.195 Euro für Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen (zusätzlich zu bisher bereits berücksichtigten Krankheitskosten in Höhe von 94 Euro) sowie durch Verminderung der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes um 114 Euro zu ändern.

11Der Beklagte beantragt,

12              die Klage abzuweisen, soweit sie nicht auf die Berücksichtigung der Handwerkerleistungen gemäß § 35 a des Einkommensteuergesetzes in Höhe von 114 Euro gerichtet ist.

13Er trägt vor:

14Prozesskosten seien grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 20. Dezember 2011 IV C 4-S 2284, BStBl I 2011, 1286). Bei berücksichtigungsfähigen Handwerkerleistungen müsse sich der Arbeitslohn aus der Rechnung selbst ergeben. Eine nachträgliche Aufgliederung durch Bestätigung des Rechnungsausstellers sei gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (IV C 4-S 2296-b, BStBl I 2010, 140) nicht mehr möglich.

15Entscheidungsgründe:

16Die Klage ist begründet.

17Der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 10. Februar 2012 sowie die ihn bestätigende Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2012 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -). Bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 sind weitere außergewöhnliche Belastungen von 8.195 Euro zu berücksichtigen und ist die tarifliche Einkommensteuer wegen Handwerkerleistungen um 114 Euro zu ermäßigen.

18Die Aufwendungen der Klägerin für die Montage der von ihr ausgetauschten Einbauküche sind mit 20 v. H. des Arbeitslohnes, also mit 114 Euro, gemäß § 35 a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der festzusetzenden tariflichen Einkommensteuer in Abzug zu bringen. Gemäß Bescheinigung des Küchenlieferanten vom 28. März 2012 hat der Lohnkostenanteil der Rechnung vom 22. Juni 2010 insgesamt 572,39 Euro betragen. Der Austausch einer Einbauküche gehört gemäß BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010 (a. a. O.; dort Anlage 1) zu den begünstigten Handwerkerleistungen. Der Beklagte ist dem Abzug in seinem Klageantrag nicht mehr entgegen getreten. Insoweit ist dieser Verfahrensgegenstand nicht mehr streitig.

19Die insgesamt anlässlich des Ehescheidungsverfahrens geltend gemachten Aufwendungen von 8.195 Euro für Anwalts- und Gerichtskosten sind als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

20Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

21Der BFH hat mit Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) unter Änderung der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten (stets) als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn der Steuerpflichtige darlegen kann, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Prozesskosten, die im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung des Vermögens bzw. mit dem Streit über den Zugewinnausgleich entstehen, sollen dagegen nach bisheriger Rechtsprechung nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sein, da es die Eheleute in der Hand haben, die vermögensrechtliche Einigung ohne Inanspruchnahme der Gerichte herbeizuführen (BFH-Urteile vom 30. Mai 2005 III R 36/03, BStBl II 2006, 491; III R 27/04, BStBl II 2006, 492). Dieser Begrenzung der Abzugsfähigkeit vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen.

22Das Recht der Ehe (Eheschließung und -scheidung einschließlich der daraus folgenden Unterhalts-, Vermögens- und Versorgungsfragen) unterliegt allein dem staatlich dafür vorgesehenen Verfahren. Ein anderes, billigeres Verfahren steht Eheleuten zur Beendigung einer Ehe nicht zur Verfügung; eine gewaltsame Konfliktlösung wird nicht gebilligt. § 623 der Zivilprozessordnung (ZPO) a. F. ordnet für den Fall, dass im Zusammenhang mit der Durchführung eines Scheidungsverfahrens die Regelung einer anderen Familiensache begehrt wird (sog. Folgesachen), einen Verhandlungs- und Entscheidungsverbund zwischen der Scheidungssache und der Folgesache an. Zweck der Vorschrift ist es, den Ehegatten deutlich vor Augen zu führen, welche Wirkungen die Scheidung für sie haben wird. Schließlich wird auch der schwächere Ehegatte, der sich der Scheidung nicht mit Erfolg widersetzen kann, durch den Verhandlungs- und Entscheidungsverbund geschützt. Er kann wenigstens sicher sein, dass die Ehe nicht geschieden wird, bevor die für ihn wichtigen Fragen geregelt sind. Der Verhandlungs- und Entscheidungsverbund bewirkt einen Zwang zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Ein unter Missachtung des Verbunds gefälltes Scheidungsurteil leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

23Diese nicht zuletzt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ‑ GG –) folgenden Erwägungen werden verletzt, wenn die Möglichkeit der Abzugsfähigkeit von Ehescheidungskosten (Anwalts- und Gerichtskosten) auf Fälle des sog. Zwangsverbundes zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich begrenzt wäre. Kausal für die insgesamt zu treffenden Regelungen einschließlich der vermögensrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Beziehungen ist die Beendigung der bisher bestehenden Ehe durch die begehrte Ehescheidung. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die die Ehescheidung Begehrenden letztere durch Urteil klären oder im Vergleichswege vom Gericht beurkunden lassen. Im Übrigen soll das Gericht in jeder Lage eines Verfahrens auf die vergleichsweise Regelung eines Rechtsstreits hinwirken (§ 278 Abs. 1, 2 und 6 der ZPO). Anders als bei einem nicht aus dem Scheidungsverfahren resultierenden Vergleich zur Regelung vermögensrechtlicher oder güterrechtlicher Ansprüche, der der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 2 EStG zuzurechnen ist, ist ein mit dem Scheidungsverfahren bestehender Veranlassungszusammenhang gegeben. Jeder Ehegatte könnte diese Fragen durch Antragstellung zum Verfahrensgegenstand der Scheidungssache machen, über die insgesamt dann durch Urteil zu entscheiden wäre. Unter Heranziehung der durch Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) geänderten Rechtsprechung, wonach Zivilprozesskosten Kläger wie Beklagten unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen, sind die der Klägerin insgesamt mit der Ehescheidung erwachsenen Verfahrensaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig (im Ergebnis ebenso Urteil des Schleswig-Hosteinischen Finanzgerichts vom 21. Februar 2012

241 K 75/11, bisher nicht veröffentlicht).

25Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen betragen gemäß Anwaltsrechnung vom 18. März 2010 insgesamt 8.195 Euro. Die Anwalts- und Gerichtskosten sind entsprechend den Streitwerten nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) und des Gerichtskostengesetzes (GKG) in zutreffender Höhe ermittelt worden.

26Das Gericht hat die Steuerfestsetzung wie erkannt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf den Beklagten übertragen. Dieser wird insbesondere die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) zu berechnen haben.

27Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

28Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen zum Abzug von Prozesskosten zugelassen. Zwar hat der BFH unter Änderung der Rechtsprechung entschieden, dass Zivilprozesskosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen können und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig sind (Urteil vom 12. Mai 2011, a. a. O.). Mit Urteilen vom 30. Mai 2005 (a. a. O.) hat der BFH aber auch entschieden, dass die Kosten der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsverfahren keine außergewöhnlichen Belastungen sind. Es erscheint nach Änderung der Rechtsprechung im Urteil vom 12. Mai 2011 (a. a. O.) angemessen, dem BFH Gelegenheit zu geben, diese einschränkende Rechtsprechung zu den Kosten eines Ehescheidungsverfahrens zu überprüfen. Im Übrigen sind weitere Revisionsverfahren zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen aus der Inanspruchnahme von Gerichten als außergewöhnliche Belastungen beim BFH anhängig (Az. X R 34/12, IX R 41/12, VI R 66/12, VI R 69/12, VI R 70/12). Die Frage der Abzugsfähigkeit erscheint daher insgesamt höchstrichterlich klärungsbedürftig.

Zur Frage der Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 4455/11 E

Datum: 26.02.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 13. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 13 K 4455/11 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand:2Die Beteiligten streiten um die Steuerpflicht von Zinsen aus einer Lebensversicherung.

3Die Klägerin war von 1963 bis 1987 bei der Firma „N-GmbH“ als Auslandskorrespondentin beschäftigt. Mit Schreiben vom 08.09.1969 wurde ihr seitens der Arbeitgeberin für den Versorgungsfall eine Pension zugesagt. Das Arbeitsverhältnis wurde auf Veranlassung der Arbeitgeberin und gegen Zahlung einer Abfindung an die Klägerin aus betrieblichen Gründen zum 31.03.1987 einvernehmlich beendet. Da die Arbeitgeberin auch die Pensionsansprüche der Klägerin abfinden musste, schloss sie am 11.03.1987 zu Gunsten der Klägerin mit der „Versicherung“ einen Lebensversicherungsvertrag in Form einer Firmendirektversicherung. Zur Abgeltung der 24 Dienstjahre zahlte die Arbeitgeberin einen Betrag von 45.600 DM in die Lebensversicherung ein. Diese Einzahlung wurde gem. § 40b Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Einkommensteuersatz von 10% pauschal versteuert. Zur Verbesserung ihrer Altersversorgung zahlte die Klägerin zusätzlich aus ihrem versteuerten Einkommen einen Versicherungsbeitrag von 29.400 DM in Form eines Einmalbeitrags in den Lebensversicherungsvertrag ein. Mit Ablauf des Versicherung zum 01.03.2008 zahlte die „Versicherung“ einen Betrag von 144.103,52 € an die Klägerin aus. Darin enthalten waren rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen von 96.190,69 €.

4Diese Zinsen aus den Sparanteilen erklärten die Kläger nicht im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2008.

5Der Beklagte erfuhr aufgrund einer Mitteilung über steuerpflichtige Leistungen aus einem Altersvorsorgevertrag oder aus einer betrieblichen Altersversorgung der „Versicherung“ von der Auszahlung aus dem Versicherungsvertrag und behandelte die Zinsen aus den Sparanteilen mit Einkommensteuerbescheid 2008 vom 11.01.2011 als steuerpflichtige Leistung aus einem Lebensversicherungsvertrag.

6Mit dem Einspruch machten die Kläger geltend, dass die Leistungen aus der Lebensversicherung steuerfrei seien. Die von der Klägerin vereinnahmte Versorgungsleistung beruhe nicht auf der Erbringung eines Einmalbeitrags, sondern auf 24 Jahresleistungen der Arbeitgeberin zur Abgeltung der erteilten Pensionszusage. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG in der zum 31.12.2004 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.) seien erfüllt.

7Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, die Leistung sei nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in der zum 31.12.2004 geltenden Fassung (nachfolgend: a. F.) steuerfrei. Es handele sich um keine Versicherung gegen laufende Beitragsleistung i. S. des 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG a. F.

8Die Kläger haben am 20.12.2011 Klage erhoben.

9Sie wiederholen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und machen außerdem geltend, die Altersvorsorgeleistungen der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin seien bereits vorgelagert besteuert worden. Die nachgelagerte Besteuerung der Zinsen bei Auszahlung der Versicherungssumme führe daher zu einer Doppelbesteuerung.

10Die Kläger beantragen,

11unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 11.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 die Einkommensteuer 2008 ohne Berücksichtigung des bislang erfassten Betrags von 96.190 € aus der Lebensversicherung festzusetzen.

12Die Beklagte beantragt,

13              die Klage abzuweisen.

14Er macht geltend, dass die Zahlung des Einmalbetrags durch die damalige Arbeitgeberin zur Abgeltung der Ansprüche aus der betrieblichen Versorgungszusage geleistet worden sei, führe nicht dazu, dass es sich um laufende Beitragsleistungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG a. F. handele. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, dass ein Arbeitnehmer aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung eine Abfindung erhalte und er diese in seine Altersversorgung investiere, indem er die Abfindung (als Einmalbeitrag) in eine Rentenversicherung einzahle.

15Entscheidungsgründe:

16Die Klage ist unbegründet.

17Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 11.01.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

18Der Beklagte hat zu Recht die der Klägerin zugeflossenen rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus Sparanteilen i. H. von 96.190,69 € als Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a. F. i. V. m. § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG berücksichtigt.

191. Da vorliegend der Versicherungsvertrag am 11.03.1987 abgeschlossen worden war, ist nach § 52 Abs. 36 Satz 5 EStG für die Frage der Steuerpflicht der aus diesem Versicherungsvertrag resultierenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. maßgeblich.

20Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a.F. gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a.F. gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F., die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von 12 Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden.

212. Im Streitfall sind die Zinsen aus den Sparanteilen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG a. F. als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. sind nicht erfüllt.

22a) Zwar wurden im Streitjahr 2008 rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen aus einer Lebensversicherung mit Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall an die Klägerin ausgezahlt. In Anbetracht des Versicherungsscheins, nach dem der Ablauf der Versicherung auf den 01.03.2008 datierte, sind die Zinsen auch im Versicherungsfall i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. ausgezahlt worden.

23b) Es handelt sich bei der im Jahr 1987 abgeschlossenen Versicherung aber nicht um eine Versicherung i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F.

24Gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. sind Beiträge zu den folgenden Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall Sonderausgaben:

25aa) Risikoversicherungen, die nur für den Todesfall eine Leistung vorsehen,

26bb) Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,

27cc) Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistung, wenn das Kapitalwahlrecht nicht vor Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsabschluss ausgeübt werden kann,

28dd) Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung mit Sparanteil, wenn der Vertrag für die Dauer von mindestens zwölf Jahren abgeschlossen worden ist.

29Für die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. kommt es lediglich darauf an, dass der betreffende Versicherungsvertrag generell zu den nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. begünstigen Vertragstypen gehört. Die Steuerbefreiung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. für Zinsen aus Versicherungen ist nicht an die weiteren Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs für die Versicherungsbeiträge geknüpft (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 01.03.2005 VIII R 47/01, Bundessteuerblatt II 2006, 365, unter II.2.b).

30Die im Jahr 1987 abgeschlossene Lebensversicherung mit Kapitalzahlung im Todes- und Erlebensfall gehört nicht zu den o. g. Risiko- und Rentenversicherungen. Sie gehört auch nicht zu den Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG a. F., da es sich nicht um eine Versicherung gegen laufende Beitragszahlungen handelt. Angesichts der Formulierung „zu den folgenden Versicherungen“ enthält die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. eine abschließende Aufzählung (vgl. Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 16.06.2011 11 K 2096/09, Entscheidung der Finanzgerichte 2012, 115). Nach deren klaren Wortlaut in Doppelbuchst. dd werden nur Kapitalversicherungen gegen laufende Beitragsleistung, nicht jedoch Kapitalversicherungen gegen Einmalbeitrag erfasst. Im Streitfall haben aber die Arbeitgeberin der Klägerin einen Einmalbeitrag von 45.600 DM und die Klägerin selbst einen Einmalbeitrag von 29.400 DM erbracht. Es wurden keine laufenden Beitragsleistungen erbracht.

313. Die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen sind – soweit sie auf dem Einmalbeitrag der Arbeitgeberin beruhen – auch nicht aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. i. V. m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG a. F. steuerfrei.

32Eine analoge Anwendung der genannten gesetzlichen Bestimmungen ist nicht möglich. Es mangelt an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst nur laufende Beitragsleistungen an Kapitalversicherungen zum Sonderausgabenabzug zugelassen und nur Zinsen aus den Sparanteilen solcher Versicherungsverträge steuerfrei gestellt hat. Kapitalversicherungen gegen Einmalbeitrag hat der Gesetzgeber bewusst sowohl vom Sonderausgabenabzug ausgeschlossen als auch die späteren Zinsen aus Sparanteilen solcher Verträge von der Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. ausgenommen.

33Die Sätze 1 und 2 des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG a. F. wurden im Einkommensteuerreformgesetz vom 05.08.1974 (Bundesgesetzblatt –BGBl– I 1974, 1769) in das Gesetz aufgenommen. Der Gesetzgeber führte in seiner Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache –BT-Drucks.– 7/1470, 273) aus, dass rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen aus Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall mit Bausparzinsen vergleichbar seien. Gleichwohl seien solche von den Versicherungsgesellschaften erwirtschafteten Erträge auf die Sparanteile bisher nicht zur Einkommensteuer herangezogen worden. Die Bundesregierung halte diese steuerliche Nichterfassung bei solchen Lebensversicherungen nicht für gerechtfertigt, bei denen der Vorsorgezweck nicht im Vordergrund stehe und bei denen sich ohne wesentliches Risiko ein beachtlicher Vermögenszuwachs erzielen lasse. Deshalb würden rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen, die im Rahmen bestimmter nicht förderungswürdiger Lebensversicherungen anfielen, künftig steuerlich erfasst. Es handele sich dabei um den gleichen Versicherungskreis, für den Versicherungsbeiträge nach § 91 E-EStG (Anmerkung: später umgesetzt in § 10 Abs. 1 EStG a. F.) nicht begünstigt seien. In Satz 2 werde der Kreis der Zinsen aus Versicherungsverträgen umschrieben, die auch künftig nicht der Besteuerung unterlägen.

34Auch der Aufbau des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG a. F. ist geprägt durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 05.08.1974 (BGBl I 1974, 1769). Der Gesetzgeber führte in seiner Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 7/1470, 287) insoweit aus, dass dieser eine abschließende Aufzählung der als Vorsorgeaufwendungen begünstigten Versicherungsbeiträge enthalte. Die Begünstigung von Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall sei dahin eingeschränkt worden, dass Beiträge zu folgenden Versicherungen nicht mehr begünstigt seien, weil bei ihnen der Vorsorgezweck nicht im Vordergrund stehe:

35a)      Versicherungen gegen einmalige Beitragsleistung mit Ausnahme von Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht,

36b)      Kapitallebensversicherungen gegen laufende Beitragsleistungen, die Sparanteile enthalten, mit einer Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren,

37c)      Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen, bei denen das Kapitalwahlrecht vor Ablauf von zwölf Jahren nach Vertragsabschluss ausgeübt werden könne.

38Aufgrund der Gesetzesbegründung besteht im Streitfall für eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG a. F. kein Raum. Aus der abschließenden Aufzählung der als Vorsorgeaufwendungen begünstigten Versicherungsbeiträge ergibt sich, dass der Gesetzgeber nur eine bestimmte Gruppe von Altersvorsorgeverträgen (Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen mit einer Vertragsdauer von mindestens zwölf Jahren, Rentenversicherungen ohne Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen oder Einmalbeitrag) steuerlich fördern wollte. Demgegenüber sollten andere Formen der Altersvorsorge (Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen Einmalbeitrag, Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht gegen laufende Beitragsleistungen mit einer Vertragsdauer von weniger als zwölf Jahren, langfristige Sparpläne bei Banken) nicht steuerlich gefördert werden.

394. Die Besteuerung der Zinsen aus den Sparanteilen führt auch nicht zu einer unzulässigen Doppelbesteuerung. Denn der Beklagte hat zutreffend nur die rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus den Sparanteilen von 96.190,69 € als Einnahmen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG erfasst. Die Rückzahlung der Versicherungsbeiträge, welche aus bereits versteuerten Einkommen der Klägerin stammen, hat der Beklagte nicht als Einnahmen aus Kapitalvermögen eingeordnet.

405. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Energiesteuer | Im Ausland tanken kann steuerliche Folgen haben (FG)

Im Ausland tanken kann steuerliche Folgen haben!

08. April 2013
Fuhrunternehmer lassen häufig in ihre Fahrzeuge durch Karosseriebauer Kraftstoffbehälter einbauen, die ein größeres Fassungsvermögen als die vom Hersteller des Lkw eingebauten Kraftstoffbehälter haben. Anlass hierfür ist regelmäßig, dass Lkws durch Karosseriebauer entsprechend der individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Fuhrunternehmers z.B. zum Transport von Containern, Pkws o.ä. ausgestattet werden. Zu Problemen kann es aber führen, wenn das Unternehmen auch im europäischen Ausland tanken lässt und mit dem getankten Kraftstoff nach Deutschland fährt.Der Zollsenat des Finanzgerichts Düsseldorf hat einen derartigen Fall nunmehr dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. In dem Verfahren (Az.: 4 K 3691/12 VE) geht es um einen Lkw, in dem nach Auslieferung durch den Hersteller durch einen Karosseriebauer der ursprüngliche Tank versetzt und zugleich ein weiterer Tank mit einem Fassungsvermögen von 780 Litern eingebaut wurde. Der Umbau war notwendig, um den Lkw mit Containern beladen zu können. Eine entsprechende Umrüstung durch den Hersteller wäre nicht üblich gewesen. Die Spedition, die das Fahrzeug nutzte, betankte es in den Niederlanden. Nach den Betankungen überquerte der Fahrer des  Fahrzeugs unmittelbar die Grenze nach Deutschland, um Fahrten im Inland durchzuführen. Die Zollverwaltung setzte gegenüber der Spedition Energiesteuer für den in den beiden Tanks eingeführten Diesel fest. Es greife keine Steuerbefreiung ein, da beide Tanks nicht serienmäßig eingebaut worden seien. Dagegen klagte die Spedition.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union den Fall zur Entscheidung vorgelegt. Zwar sei Energiesteuer festzusetzen, wenn Dieselkraftstoff in das Inland verbracht werde. Allerdings sei der Kraftstoff von der Steuer befreit, wenn und soweit er in einem regulären, vom Hersteller eingebauten Tank befördert werde. Nachträglich eingebaute, vergrößerte oder weitere Tankbehälter fielen nicht unter die Steuerbefreiung. Es sei aber europarechtlich zweifelhaft, ob nur vom Hersteller des Fahrzeugs eingebaute Tanks von der Steuerbefreiung erfasst würden. Denn an der Herstellung eines Lkw seien  häufig mehrere Unternehmen beteiligt, um das Fahrzeug entsprechend den Anforderungen des Fuhrunternehmens herzurichten. Es spreche daher vieles dafür, die Steuerbefreiung auch auf von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaute Behälter zu erstrecken. Zudem handele es sich beim Tanken im Ausland in diesen Fällen nicht um einen typischen Fall eines steuerlichen Missbrauchs, sondern um die Nutzung der Preisunterschiede in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten.

„In der Vergangenheit wurden in Deutschland eine Vielzahl derartiger Fälle von den Hauptzollämtern aufgegriffen“, führt Dr. Heide Bauersfeld, zuständige Richterin und Mitglied im Zollsenat des Finanzgerichts Düsseldorf, aus. „Die Zollverwaltung setzte in diesen Fällen Energiesteuer für den Kraftstoff fest, der in den nicht serienmäßigen Tanks eingeführt wurde. Die dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegte Frage hat deswegen für eine Vielzahl von Unternehmen Bedeutung.“

„Ganz anders können die Fälle zu beurteilen sein, in denen sich Privatpersonen vergrößerte oder zusätzliche Tanks in ihren Pkw einbauen lassen und dann im grenznahen Ausland tanken“, warnt Dr. Nils Trossen, Pressesprecher des Finanzgerichts „Wird in diesen Fällen gezielt ausländischer Kraftstoff für Fahrten im Inland genutzt, haben die Fahrer mit der Festsetzung von Energiesteuer zu rechnen. In größeren oder wiederholten Fällen kann sogar mit steuerstrafrechtlichen Ermittlungen zu rechnen sein.“

Quelle: FG Düsseldorf, Pressemitteilung v. 8.4.2013

 

Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 3691/12 VE

Datum: 18.03.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 4. Senat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 4 K 3691/12 VE
Tenor:

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um eine Vorabentscheidung zu folgenden Fragen ersucht:

  • 1 Ist der Begriff des Herstellers im Sinne des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, dahingehend auszulegen, dass hiervon auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst werden, wenn diese den Kraftstoffbehälter im Rahmen eines Herstellungsprozesses des Fahrzeugs eingebaut haben und der Herstellungsprozess aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen im Wege der Arbeitsteilung durch mehrere selbständige Unternehmen erfolgt ist.
  • 2 Sollte die erste Frage zu bejahen sein: Wie ist in diesen Fällen das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, auszulegen, wonach es sich um Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ handeln muss.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

1Gründe:

2I.

3

  • 41 Die Klägerin betreibt ein Speditionsunternehmen. Die A stellte das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ………. her. Bei der Herstellung baute die A in dieses Fahrzeug einen Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von 780 Liter ein. Einen weiteren Kraftstoffbehälter bestellte die Klägerin zunächst nicht bei der A, da sie einen Umbau des Fahrzeugs beabsichtigte. Das Fahrzeug wurde deshalb mit nur einem Kraftstoffbehälter an die Klägerin ausgeliefert.

5

  • 62 Um mit diesem Fahrzeug standardisierte und mit Gestellen versehene Container transportieren zu können, war ein Einbau von Wechselbrückenträgern erforderlich. Dieser Einbau wurde von der B durchgeführt. Dabei musste der schon vorhandene Kraftstoffbehälter (im Folgenden: Tank 1) versetzt werden, um den genormten Wechselbrückenträger am Fahrzeug anbringen zu können. Außerdem wurde ein zweiter Kraftstoffbehälter mit einem Fassungsvermögen von ebenfalls 780 Liter (im Folgenden: Tank 2) eingebaut, der zuvor von der C GmbH & Co. KG bezogen worden war. Den zweiten Kraftstoffbehälter hätte die Klägerin zwar auch direkt von der A einbauen lassen können, dies wäre für sie aber wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen. Denn auch der zweite Kraftstoffbehälter hätte im Rahmen des Umbaus versetzt werden müssen. Beide Kraftstoffbehälter wurden vom Technischen Überwachungsverein (TÜV) auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften über die Straßenverkehrszulassung von Kraftfahrzeugen geprüft und nicht beanstandet.

7

  • 83 Die Klägerin betankte ihre Fahrzeuge regelmäßig in den Niederlanden, um die dort günstigen Kraftstoffpreise zu nutzen. Auch das Fahrzeug der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ……….. wurde in den Niederlanden mit Dieselkraftstoff betankt, und zwar am 2. Dezember 2009 mit 495,03 Liter in den Tank 2 sowie am 14. Februar 2011 mit 618,92 Liter in den Tank 1 und 570,50 Liter in den Tank 2. Nach beiden Betankungen überquerte der Fahrer des Fahrzeugs unmittelbar die deutsch-niederländische Grenze und fuhr in Deutschland weiter. Der getankte Kraftstoff wurde ausschließlich zum eigenen Antrieb des Fahrzeugs verwendet.

9

  • 104 Am 28. Juni 2012 gab die Klägerin bei dem Beklagten für den in Tank 2 gefüllten Dieselkraftstoff von 495,03 Liter und 570,50 Liter jeweils vorsorglich eine Steueranmeldung ab.

11

  • 125 Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 3. Juli 2012 einen Bescheid über insgesamt 501,22 € Energiesteuer für den Kraftstoff in Tank 2. Auf den Vorgang vom 2. Dezember 2009 entfielen 232,86 € Energiesteuer und auf den Vorgang vom 14. Februar 2011 entfielen 268,36 € Energiesteuer. Durch das Verbringen des Dieselkraftstoffs nach Deutschland sei die Energiesteuer entstanden. Der in Tank 2 befindliche Dieselkraftstoff sei nicht von der Energiesteuer befreit.

13

  • 146 Außerdem erließ der Beklagte unter dem 19. September 2012 einen Bescheid über 291,14 € Energiesteuer für den Kraftstoff in Tank 1. Eine Energiesteuerbefreiung sei auch für den in Tank 1 befindlichen Kraftstoff nicht gegeben.

15

  • 167 Die Klägerin legte gegen die Bescheide Einsprüche ein, die jeweils zurückgewiesen wurden.

17

  • 188 Mit ihren Klagen begehrt die Klägerin die Aufhebung der Bescheide. Sie trägt vor: Für den Kraftstoff in beiden Tanks müsse die Energiesteuerbefreiung gelten. Die durch den Beklagten vorgenommene Auslegung des nationalen Rechts verstoße gegen die europäischen Ziele der Vermeidung der Doppelbesteuerung, des freien Waren- und Personenverkehrs sowie die Schaffung und das Funktionieren eines reibungslosen Binnenmarktes. In der Praxis führe die Auslegung des Beklagten dazu, dass in keinem Fall eine Befreiung in Betracht komme. Denn ein – vom Beklagten für die Befreiung geforderter – serienmäßiger Einbau der Tankbehälter werde nicht mehr angeboten. Vielmehr würden die Tanks individuell nach der beabsichtigten späteren Verwendung eingebaut. Außerdem sei eine arbeitsteilige Herstellung der Fahrzeuge zwischen den Herstellern der Rahmen, wie vorliegend der A, und den Karosseriebauern üblich. Würde der Hersteller des Rahmens das Fahrzeug nur mit einem Rangiertank mit einem Fassungsvermögen von 20 Liter ausstatten und der Karosseriebauer die nötigen Umbauarbeiten vornehmen, käme keine Energiesteuerbefreiung mehr in Betracht. Hinsichtlich des Tanks 1 würde die Auslegung des Beklagten selbst bei einem serienmäßig eingebauten Tank dazu führen, dass jeder Austausch zu Reparaturzwecken den Befreiungstatbestand für die Zukunft entfallen lassen würde.

19

  • 209 Der Beklagte ist den Klagen mit der Begründung entgegen getreten, der Kraftstoff in beiden Tanks sei nicht von der Energiesteuer befreit, da die Tanks nicht serienmäßig eingebaut worden seien. Dies sei auch mit den Vorgaben des Unionsrechts zu vereinbaren.

21

  • 2210 Neben dem vorliegenden Verfahren wurden in Deutschland eine Vielzahl gleich gelagerter Fälle von den Behörden aufgegriffen und sind bei den Gerichten anhängig. Gegen den Geschäftsführer der Klägerin wird derzeit ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem zuvor geschilderten Sachverhalt und weiterer gleich gelagerter Fälle geführt.

23II.

24

  • 2511 Für die Entscheidung über die Vorlagefragen sind folgende Vorschriften des nationalen Rechts von Bedeutung:

26Energiesteuergesetz (EnergieStG) vom 15. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1534), in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1979):

27§ 1 Steuergebiet …

28(1) Energieerzeugnisse unterliegen im Steuergebiet der Energiesteuer. Steuergebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland. …

29§ 4 Anwendungsbereich

30Die folgenden Energieerzeugnisse unterliegen dem Steueraussetzungsverfahren (§ 5): …

313. Waren der Unterpositionen 2710 11 bis 2710 19 69 der Kombinierten Nomenklatur; …

32§ 15 Verbringen zu gewerblichen Zwecken

33(1) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuer dadurch, dass der Bezieher

34

  • 351 die Energieerzeugnisse im Steuergebiet in Empfang nimmt oder
  • 362 die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Energieerzeugnisse in das Steuergebiet verbringt oder verbringen lässt. …

37(2) Werden Energieerzeugnisse nach § 4 aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Steuerschuldner ist, wer sie in Besitz hält oder verwendet. …

38(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht

391. für Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen, Spezialcontainern, Arbeitsmaschinen und -geräten sowie Kühl- und Klimaanlagen,

402. für Kraftstoffe, die in Reservebehältern eines Fahrzeugs bis zu einer Gesamtmenge von 20 Litern mitgeführt werden,

413.   für Heizstoffe im Vorratsbehälter der Standheizung eines Fahrzeugs. …

42§ 15 Absatz 2 EnergieStG ist durch Art. 6 Nr. 15 des Gesetzes vom 15. Juli 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1870), mit Wirkung vom 1. April 2010 wie folgt geändert worden:

43Werden Energieerzeugnisse im Sinn des § 4 aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuer dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Dies gilt nicht, wenn die in Besitz gehaltenen Energieerzeugnisse für einen anderen Mitgliedstaat bestimmt sind und unter zulässiger Verwendung eines Begleitdokuments nach Artikel 34 der Systemrichtlinie durch das Steuergebiet befördert werden. Steuerschuldner ist, wer die Energieerzeugnisse versendet, in Besitz hält oder verwendet. …

44Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes

45(Energiesteuer-Durchführungsverordnung – EnergieStV) vom 31. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 1753), in der Fassung des Artikels 6 der Verordnung vom 5. Oktober 2009 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 3262):

46§ 41 Hauptbehälter

47Hauptbehälter im Sinne des § 15 Absatz 4 Nummer 1, § 16 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2, § 21 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 und § 46 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes sind:

481. die vom Hersteller für alle Fahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen,

492. die vom Hersteller in alle Container desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstiger Anlagen von Spezialcontainern während der Beförderung ermöglichen.

50Besteht ein Hauptbehälter aus mehr als einem Kraftstoffbehälter, ist ein Absperrventil in der Leitung zwischen zwei Kraftstoffbehältern unschädlich.

51III.

52

  • 5312 Der Senat setzt das Verfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor formulierten Fragen zur Vorabentscheidung vor. Die Entscheidung über die Klage hängt von der Beantwortung dieser Fragen ab.

54

  • 5513 Die Klagen dürften unter Berücksichtigung der bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs abzuweisen sein.

56

  • 5714 Die Energiesteuer dürfte in der festgesetzten Höhe entstanden sein. Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG entsteht die Steuer, wenn Energieerzeugnisse im Sinne des § 4 EnergieStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines Mitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht werden und sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden. Vorliegend könnte die Energiesteuer dadurch entstanden sein, dass das im Rahmen des steuerrechtlich freien Verkehrs in den Niederlanden mit Dieselkraftstoff betankte Fahrzeug der Klägerin nach Deutschland gefahren wurde und der Kraftstoff in dem Fahrzeug von der Klägerin für ihr Speditionsunternehmen in Besitz gehalten und verwendet wurde.

58

  • 5915 Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Energiesteuer dürften nach der bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung nicht gegeben sein. Nach § 15 Abs. 4 Nr. 1 EnergieStG gilt § 15 Abs. 2 EnergieStG unter anderem nicht, wenn es sich um Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen handelt. Der Begriff des Hauptbehälters wird in § 41 Satz 1 Nr. 1 EnergieStV und dem zugrunde liegenden Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich der Richtlinie (EG) Nr. 2003/96 (EnergieStRL) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom, ABl. EU Nr. L 283/51, definiert als vom Hersteller für alle Fahrzeuge/Kraftfahrzeuge desselben Typs fest eingebauten Behälter, die die unmittelbare Verwendung des Kraftstoffs/Treibstoffs für den Antrieb der Fahrzeuge/Kraftfahrzeuge und gegebenenfalls für den Betrieb der Kühlanlage oder sonstigen Anlagen während der Beförderung ermöglichen. Nach der hierzu bisher ergangenen nationalen Rechtsprechung erfasst der Begriff des Hauptbehälters keine Kraftstoffbehälter, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden sind. Das soll auch in den Fällen der Arbeitsteilung zwischen dem Hersteller und dem Karosseriebauer gelten (Bundesfinanzhof – BFH -, Beschlüsse vom 26. Juli 2010 VII B 276/09, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2010, 2074; vom 24. November 2010 VII B 168/10, BFH/NV 2011, 601; vom 5. Oktober 2011 VII B 12/11, BFH/NV 2012, 238). Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL sei den zollrechtlichen Vorschriften, insbesondere Art. 112 Abs. 1 und 2 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 (VO Nr. 918/83) des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, ABl. EG Nr. L 105/1, nachgebildet. Deshalb könne die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil vom 3. Dezember 1998, C-247/97, Slg. 1998, I-8095) zum zollrechtlichen Begriff des Hauptbehälters zur Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL herangezogen werden, wonach der eng auszulegende Befreiungstatbestand des Art. 112 Abs. 1 VO Nr. 918/83 keine Anwendung auf Behälter finden könne, die von Vertragshändlern oder Karosseriebauern eingebaut worden seien (BFH, Beschluss vom 15. Oktober 2008 VII B 21/08, BFH/NV 2009, 219). Etwas anderes lasse sich auch nicht dem Vorschlag der Europäischen Kommission vom 13. April 2011, KOM (2011) 169/3 zur Änderung der EnergieStRL entnehmen (BFH, Beschluss vom 5. Oktober 2011 VII B 12/11, BFH/NV 2012, 238). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung wäre Tank 2 vorliegend nicht als Hauptbehälter einzustufen, da er von der B und nicht von der A eingebaut worden ist. Auch bei Tank 1 würde es sich nicht um einen Hauptbehälter handeln, wenn man, wie der Beklagte, darauf abstellen würde, dass der Tank zwar ursprünglich von der A eingebaut worden war, im Rahmen des Umbaus aber versetzt und damit von der B erneut fest eingebaut werden musste.

60

  • 6116 Der Senat hat Zweifel, ob die dargestellte enge Auslegung des Herstellerbegriffs in Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL zutreffend ist oder ob vielmehr eine weite Auslegung geboten ist, bei der vom Begriff des Herstellers auch Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst sein könnten.

62

  • 6317 Bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL könnte insbesondere der Sinn und Zweck der Vorschrift eine weite Auslegung gebieten. Der Sinn und Zweck der Energiesteuerbefreiung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL kann dem 19. Erwägungsgrund der Richtlinie 94/74/EG (RL 94/74/EG) des Rates vom 22. Dezember 1994 unter anderem zur Änderung der Richtlinie 92/81/EWG (RL 92/81/EWG) zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle entnommen werden, da dieser sich auf Art. 8a RL 92/81/EWG als Vorgängervorschrift des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL bezieht. In dem 19. Erwägungsgrund zur RL 94/74/EG ist ausgeführt, dass eine Verbrauchsteuerbefreiung durch die Mitgliedstaaten zu regeln ist, um den freien Verkehr von Personen und Waren nicht zu beeinträchtigen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden. Im Hinblick darauf hat der Gerichtshof eine weite Auslegung des Art. 8a RL 92/81/EWG vorgenommen (EuGH, Urteil vom 9. September 2004, C-292/02, Slg. I-7923 Randnr. 41), was vorliegend für eine ebenfalls weite Auslegung des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL sprechen könnte.

64

  • 6518 Die von der nationalen Rechtsprechung bisher vorgenommene enge Auslegung stützt sich dagegen auf ein Urteil des Gerichtshofs zur Verordnung Nr. 918/83 (EuGH, in Slg. 1998, I-8095). Mit dieser Verordnung wurde aber ein anderer Zweck verfolgt als mit den auch vorliegend zu prüfenden Vorschriften des Verbrauchsteuerrechts (EuGH, in Slg. 2004, I-7923 Randnr. 39, 40). Im 2. Erwägungsgrund zur Verordnung Nr. 918/83 wird ausgeführt, dass eine Abgabenerhebung unter bestimmten Umständen nicht gerechtfertigt ist, wenn zum Beispiel die besonderen Bedingungen der Einfuhr keine Anwendung der üblichen Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft erfordern.

66

  • 6719 Der Schutz der Wirtschaft der Europäischen Union im Verhältnis zu Drittländern als Grundgedanke der Vorschriften des europäischen Zollrechts könnte insoweit gerade eine enge Auslegung gebieten, während der freie Verkehr von Personen und Waren sowie die Vermeidung der Doppelbesteuerung innerhalb der Europäischen Union eine weitere Auslegung im vorliegenden Fall erfordern könnten.

68

  • 6920 Gegen diese Unterscheidung und für eine in beiden Fällen enge Auslegung scheinen insbesondere auch nicht die Erfordernisse der Rechtssicherheit und die Schwierigkeiten zu sprechen, denen die einzelstaatlichen Zollverwaltungen gegenüberstehen. Denn dieser Gesichtspunkt wurde vom Gerichtshof, soweit für den vorliegenden Fall ersichtlich, lediglich bei der Frage der engen Auslegung von zollrechtlichen Vorschriften berücksichtigt (EuGH, Urteil vom 18. März 1986, 58/85, Slg. 1986, 1141 Randnr. 12; in Slg. 1998, I-8095 Randnr. 23). Bei der dargestellten Entscheidung zum Verbrauchsteuerrecht (EuGH, in Slg. 2004 I-7923) scheint dieser Gesichtspunkt aber hinter dem Prinzip des Binnenmarktes zurückzutreten.

70

  • 7121 Die Systematik der EngergieStRL würde einer weiten Auslegung nicht zwingend entgegenstehen, da der Wille des Richtliniengebers auch in dem dargestellten 19. Erwägungsgrund zur Richtlinie 94/74/EG zum Ausdruck kommt und dieser für eine weite Auslegung spricht. Auch in den vorbereitenden Rechtsakten waren diese Erwägungen schon inhaltsgleich enthalten, so im 18. Erwägungsgrund zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Änderung u.a. der Richtlinie RL 92/81/EWG vom 30. Juni 1994, KOM (94) 179 endg., ABl. EG Nr. C 215/19.

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  • 7322 Eine weite Auslegung würde über den Wortlaut des Art. 24 Abs. 2 EnergieStRL nicht hinausgehen. Denn von dem Begriff des „Herstellers“ kann unter Berücksichtigung der derzeitigen tatsächlichen Verhältnisse der Produktion von Lastkraftwagen auch ein Karosseriebauer oder Vertragshändler erfasst sein. An der Herstellung eines Lastkraftwagens sind regelmäßig mehrere Unternehmen beteiligt, um das Fahrzeug entsprechend der individuellen technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen ausrüsten zu können.

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  • 7523 Schließlich handelt es sich vorliegend nicht um die typischen Fälle eines Missbrauchs, sondern um die Nutzung der Preisunterschiede in den Mitgliedstaaten, welche in dem noch nicht vollständig harmonisierten Energiesteuersystem ihren Ursprung haben. Ein Steuerwettbewerb in diesem Umfang wird in den Erwägungsgründen zur EnergieStRL gerade hingenommen.

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  • 7724 Kommt man zu dem Ergebnis einer weiten Auslegung des Herstellerbegriffs, stellt sich die Frage, wie das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 2 erster Spiegelstrich EnergieStRL auszulegen ist, wonach Kraftfahrzeuge „desselben Typs“ gegeben sein müssen. Denn ein mehrstufiger Herstellungsprozess, der den technischen und/oder wirtschaftlichen Anforderungen des Einzelfalles gerecht wird, schließt denknotwendig das Herstellen von bestimmten Fahrzeugtypen im Sinne einer Serienproduktion aus.

 

Die Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2012

Einkommensteuer-Richtlinien: EStÄR 2012 im Bundessteuerblatt veröffentlicht

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 – EStÄR 2012) vom 25. März 2013; Herstellungskosten nach R 6.3 EStR

BMF-Schreiben vom 25. März 2013 – IV C 6 – S 2133/09/10001 :004

“Nach R 6.3 Absatz 1 EStÄR 2012 sind in die Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes auch Teile der angemessenen Kosten der allgemeinen Verwaltung, der angemessenen Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs, für freiwillige soziale Leistungen und für die betriebliche Altersversorgung (vgl. R 6.3 Absatz 3 EStR) einzubeziehen. […]“

Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (Einkommensteuer-Änderungsrichtlinien 2012 – EStÄR 2012) vom 25. März 2013 (PDF, 18,4 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

Um­satz­steu­er­sta­tis­tik 2011

Um­satz­steu­er­sta­tis­tik 2011: Um­sätze auf dem Höchst­stand

WIESBADEN – Im Jahr 2011 gaben rund 3,2 Millionen Unternehmen eine Umsatzsteuer-Voranmeldung mit einem voraussichtlichen Nettoumsatz in Höhe von 5,7 Billionen Euro ab. Sowohl bei der Zahl der Unternehmen als auch bei den absoluten Umsatzwerten wurden damit die seit der Wiedervereinigung erzielten bisherigen Höchststände aus dem Jahr 2008 übertroffen. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stieg der Wert der Lieferungen und Leistungen (Umsatz ohne Umsatzsteuer) gegenüber 2010 mit + 8,5 % stark an, während sich die Zahl der Steuerpflichtigen nur leicht um 1,6 % erhöhte.

Ein Blick auf die Wirtschaftsabschnitte zeigt durchweg Umsatzzuwächse gegenüber dem Vorjahr.
Die mit Abstand höchsten Umsätze erzielten das Verarbeitende Gewerbe (2,0 Billionen Euro) und der Handel einschließlich Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen (1,8 Billionen Euro). Somit erzielten diese beiden Bereiche gemeinsam über zwei Drittel des Gesamtumsatzes.

Im Jahr 2011 gab es 492 Unternehmen in Deutschland mit Umsätzen von mehr als 1 Milliarde Euro, das waren 46 Unternehmen mehr als 2010. Zusammen kamen die Umsatzmilliardäre auf Lieferungen und Leistungen im Wert von 1,9 Billionen Euro, dies entspricht 32,9 % der Umsätze aller steuerpflichtigen Unternehmen. Die übrigen rund 10 700 Großunternehmen (Jahresumsatz über 50 Millionen Euro) erzielten einen Umsatzanteil von 30,3 %. Weitere 28,2 % des gesamten Umsatzes erwirtschafteten die 341 000 mittelständischen Unternehmen (Jahresumsatz zwischen 1 und 50 Millionen Euro). Die verbleibenden 2,9 Millionen Kleinunternehmen kamen auf einen Umsatzanteil von 8,6  %.

Über die Hälfte (54,8 %) des gesamten Umsatzes wurde 2011 von 509 000 Kapitalgesellschaften erwirtschaftet. Weitere 27,2 % des Umsatzes entfielen auf 420 000 Personengesellschaften. Die 2,3 Millionen Unternehmen mit einer anderen Unternehmensform erwirtschafteten die übrigen 18,0 % des Umsatzes 2011.

Nicht erfasst werden in dieser Umsatzsteuerstatistik unter anderem Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 17 500 Euro und solche, die vorwiegend steuerfreie Umsätze tätigen.

Steuerpflichtige und deren Lieferungen und Leistungen 2011 nach Wirtschaftsabschnitten
Wirtschaftsabschnitt Steuer-pflichtige Veränderung zum Vorjahr
in %
Lieferungen und Leistungen
in Millionen Euro
Veränderung zum Vorjahr
in %
1 Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (WZ08).
2 Umsätze der Unternehmen, ohne Umsatzsteuer.
Wirtschaftszweige insgesamt 3 215 095 1,6 5 687 179 8,5
A Land-  und Forstwirtschaft, Fischerei 86 154 6,8 34 892 11,9
B Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 2 024 – 1,7 24 442 12,2
C Verarbeitendes Gewerbe 239 397 – 0,2  2 040 082 11,1
D Energieversorgung 55 228 26,4 281 843 5,7
E Wasserversorgung, Abwasser-und Abfallentsorgung, Beseitigung von Umweltverschmutzungen 11 602 – 0,9 46 161 15,1
F Baugewerbe 358 173 1,7 244 067 8,4
G Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen 641 376 – 0,8 1 795 659 8,7
H Verkehr und Lagerei 110 627 – 0,1 209 744 2,3
I Gastgewerbe 227 175 – 1,5 66 086 5,0
J Information und Kommunikation 124 341 1,3 189 285 3,0
K Erbringung von Finanz-  und Versicherungsdienst-leistungen 25 311 1,0 72 187 4,4
L Grundstücks- und Wohnungswesen 286 052 2,0 152 139 5,7
M Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen 466 022 3,6 221 902 5,1
N Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen 168 760 6,9 134 739 7,2
P Erziehung und Unterricht 43 865 2,9 9 677 6,0
Q Gesundheits-und Sozialwesen 46 951 2,4 79 454 7,9
R Kunst, Unterhaltung und Erholung 99 458 1,6 33 737 4,9
S Erbringung von sonstigen Dienstleistungen 222 579 – 0,9 51 083 0,9

Detaillierte Angaben über die steuerpflichtigen Unternehmen und deren Umsätze nach einzelnen Wirtschaftszweigen sind unter Publikationen, Thematische Veröffentlichungen erhältlich. Dort sind auch aktuelle Ergebnisse der Umsatzsteuerstatistik auf Basis der Veranlagungen, die auch die Unternehmen mit einem Jahresumsatz bis 17 500 Euro enthält, abrufbar.

Umsatzsteuerstatistik 2011: Umsätze auf dem Höchststand (PDF, 73KB, Datei ist nicht barrierefrei)

Pressemitteilung Nr. 129 vom 04.04.2013: