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Wie lange darf ein Arbeitgeber mit der Verdachtskündigung warten?

Wie lange darf ein Arbeitgeber mit der Verdachtskündigung warten?

Kernfrage

Eine fristlose Kündigung kann auch auf den bloßen Verdacht einer Straftat gestützt werden (Verdachtskündigung). Allerdings muss in diesen Fällen ein ausreichender Tatverdacht vorliegen und nachgewiesen werden können. Angesichts der insoweit bestehenden Beweisschwierigkeiten wird der Arbeitgeber dahin tendieren, möglichst lange mit der Kündigung zu warten, um die Verdachtsmomente zu erhärten. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat dazu entschieden, welchen Zeitraum dieses Zuwartens der Erhärtung des Tatverdachts der Arbeitgeber verstreichen lassen darf, bevor eine Verdachtskündigung – ähnlich wie eine fristlose Kündigung, die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis vom Kündigungsgrund ausgesprochen sein muss – unwirksam ist.

Sachverhalt

Die Kläger waren in der städtischen Grünpflege beschäftigt; sie hatten Arbeiten für Privatleute durchgeführt und dafür Geld erhalten. Hiervon erfuhr der Arbeitgeber im November 2011, kündigte jedoch erst im Dezember 2011. In den hierzu geführten Kündigungsschutzklagen räumten die Kläger zwar die Fremdarbeiten ein, erklärten jedoch, das Geld sei nicht Entlohnung, sondern Zuwendung aus Dank gewesen, die sie in die Kaffeekasse der Abteilung eingezahlt hätten.

Entscheidung

Das Gericht gab den Klägern recht. Zwar habe mit den Privatarbeiten und der Annahme von Geld – gleich ob dieses in die Kaffeekasse gegangen sei – ein möglicher fristloser Kündigungsgrund vorgelegen. Im Falle des betroffenen Vorarbeiters wäre die fristlose Kündigung auch nach Abwägung aller Interessen wirksam gewesen. Allerdings habe der Arbeitgeber die Zwei-Wochen-Frist ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen nicht eingehalten. Diese gelte auch im Falle der Verdachtskündigung. Der Arbeitgeber habe schlicht zu lange ermittelt.

Konsequenz

Die entscheidende Aussage der Entscheidung ist, dass die Zwei-Wochen-Frist der fristlosen Kündigung auch für Verdachtskündigungen gilt. Faktisch beginnt die Frist mit Entstehung des ersten Anfangsverdachts. Dies zeigt, wie insbesondere auch beweisschwierig Verdachtskündigungen sind. Die Alternative hätte darin bestanden, eine verhaltensbedingte Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auszusprechen.

Verlustabzugsverbot bei unterjährigem schädlichen Beteiligungserwerb

Verlustabzugsverbot bei unterjährigem schädlichen Beteiligungserwerb

Kernproblem

Nach dem Körperschaftsteuergesetz liegt ein so genannter schädlicher Beteiligungserwerb vor, wenn mehr als 25 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar übertragen werden. In diesem Fall „sind insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünften (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar“. Die Finanzverwaltung vertritt hierzu die Auffassung, dass im Fall einer unterjährigen schädlichen Veräußerung ein bis zum Beteiligungserwerb erzielter Gewinn nicht mit einem auf den Schluss des Vorjahres festgestellten Verlustvortrag verrechnet werden kann. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich nunmehr mit dieser höchstrichterlich bisher noch nicht entschiedenen Rechtsfrage befasst.

Sachverhalt

Die klagende GmbH verfügte zum 31.12.2007 über einen Verlustvortrag von rund 60.000 EUR. Am 3.7.2008 veräußerte der bisherige Anteilseigner 50 % der Anteile, mit der Folge, dass ein bestehender Verlustvortrag grundsätzlich zu 50 % verloren ging. Da die GmbH im Veranlagungszeitraum 2008 jedoch einen steuerpflichtigen Gewinn von rund 163.000 EUR erzielte, von dem auch unstreitig 60.000 EUR auf den Zeitraum bis zum Tag der Anteilsübertragung entfielen, begehrte die GmbH eine Verrechnung dieses anteiligen Gewinns mit dem Verlustvortrag. Das veranlagende Finanzamt folgte dem nicht. Der BFH gab der hiergegen gerichteten Klage der GmbH statt.

Entscheidung

Der BFH ist der Auffassung, dass der Wortlaut der Vorschrift zwar nicht eindeutig sei. Lasse dieser aber beide Auslegungen zu, sei auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abzustellen. Die Vorschrift des Körperschaftsteuergesetzes soll laut der Gesetzesbegründung erreichen, dass die bis zum Zeitpunkt des Anteilseignerwechsels erzielten Verluste nicht in nachfolgenden Zeiträumen genutzt werden. Diesem Zweck stehe es nicht entgegen, wenn die nachweislich bis zum Übertragungsstichtag entstandenen Gewinne mit dem bestehenden Verlustabzug verrechnet werden.

Konsequenz

Das Urteil ist zu begrüßen. Aus gestalterischer Sicht bietet es sich bei unterjähriger Anteilsveräußerung an, gezielt stille Reserven zu heben, um einen bestehenden Verlustvortrag aufzubrauchen. Dies kann z. B. durch Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter oder deren Einbringung zu Teilwerten in eine Tochterpersonengesellschaft erfolgen. Aufgrund der zwischenzeitlich im Körperschaftsteuergesetz eingeführten Stille-Reserven-Klausel ist eine solche Gestaltung aber nur noch in Ausnahmefällen (etwa bei Vorliegen stiller Lasten) notwendig und sinnvoll.

Haftung des ausscheidenden Gesellschafters als Scheingesellschafter

Haftung des ausscheidenden Gesellschafters als Scheingesellschafter

Rechtslage

Der ausscheidende Gesellschafter einer Personengesellschaft haftet grundsätzlich für Verbindlichkeiten fort, die während seiner Mitgliedschaft begründet wurden (Altverbindlichkeiten), wenn für den Anspruch im Zeitpunkt des Ausscheidens der Rechtsgrund gelegt war. Bei Dauerschuldverhältnissen genügt der Abschluss des Vertrags, solange die Vertragsidentität gewahrt ist. Eine Haftung kann überdies als Scheingesellschafter begründet werden, sofern der Gesellschafter nicht gegen den gesetzten Rechtsschein vorgeht.

Sachverhalt

Der Kläger schloss im Jahr 2003 mit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Gesellschafterin auch die Beklagte war, einen Verwaltervertrag für ein von ihm vermietetes Wohnhaus. Die Vergütung leistete der Kläger monatlich per Dauerauftrag. Durch Gesellschafterbeschluss ist die Beklagte zum 30.9.2005 aus der Gesellschaft ausgeschieden. Ihr Anteil ist dem weiteren Gesellschafter angewachsen, der die Geschäfte der GbR alleine fortsetzte. Im April 2006 wurde dem Kläger unter der Firma der GbR jeweils eine Rechnung für die Hausverwaltungstätigkeit 2005 und 2006 übermittelt. Aufgrund des irrigen Verständnisses des Klägers, überwies er zusätzlich zu den Zahlungen aus dem Dauerauftrag die ausgewiesenen Beträge, deren Rückzahlung er nun mit der Klage verlangt, aber zunächst erfolglos blieb.

Entscheidung

Der BGH gab dem Kläger schließlich doch Recht und verwies die Sache an die Vorinstanz zurück. Eine Haftung für Altverbindlichkeiten liegt nicht vor, denn die Doppelzahlung begründet sich nicht in dem zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden Verwaltervertrag, sondern in dem irrigen Verständnis des Klägers über die Zahlungsverpflichtung. Dennoch könnte eine Haftung der GbR als Scheingesellschafterin begründet sein, wenn die Beklagte gegen den gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen ist und ein Dritter sich auf den Rechtsschein verlassen hat. Wenn nach Außen eine Veränderung im Gesellschafterkreis nicht ersichtlich ist, muss sich der ausgeschiedene Gesellschafter nämlich so behandeln lassen, als bestehe der bisherige Rechtszustand fort. Die Vorinstanz hat nun zu ermitteln, welche zumutbaren Maßnahmen die Beklagte zur Zerstörung des Rechtsscheins vorgenommen hat.

Konsequenz

Die Haftung des Gesellschafters aus Rechtsscheingründen ist nicht zu vernachlässigen. Er hat aktiv zumutbare Maßnahmen zur Zerstörung des Rechtsscheins einzuleiten. Die Benachrichtigung von Vertragspartnern bei Dauerschuldverhältnissen ist grundsätzlich ratsam.

Gelangensbestätigung: Frist auf den 30.6.2012 verlängert

Gelangensbestätigung: Frist auf den 30.6.2012 verlängert

Kernaussage

Mit Wirkung vom 1.1.2012 wurden die Nachweispflichten für innergemeinschaftliche Lieferungen erheblich verschärft. Zentrales Element der neuen Nachweise ist die Gelangensbestätigung, die die bisherigen Nachweise ersetzen soll. Der Entwurf eines erläuternden Schreibens des Bundesfinanzministeriums (BMF) zu den Neuregelungen stieß ebenso wie die grundsätzliche Regelung auf erhebliche Kritik der Unternehmen und Verbände.

Neue Verwaltungsanweisung

Aufgrund der berechtigten Kritik hat das BMF die bisher bis zum 31.3.2012 gültige Nichtbeanstandungsregelung bis auf den 30.6.2012 verlängert. Bis dahin können die Nachweise noch in der bis zum 31.12.2011 gültigen Form erbracht werden. Die Verlängerung der Frist gilt nur für den Nachweis innergemeinschaftlicher Lieferungen. Die Frist zur Umsetzung der ebenfalls geänderten Nachweise für Ausfuhren in Drittländer wurde nicht verlängert, sie endet zum 31.3.2012.

Konsequenzen

Auch wenn die Fristverlängerung vorerst den Druck von den Unternehmen nimmt, so löst sie das grundlegende Problem nicht. Die Neuregelungen sind schlichtweg nicht praktikabel und behindern Lieferungen in die übrige EU. Für deutsche Unternehmen ergeben sich hierdurch Wettbewerbsnachteile, da in anderen Staaten der EU weniger restriktive Regelungen gelten. Deutsche Unternehmen hingegen müssen fürchten, auf der Umsatzsteuer sitzen zu bleiben, wenn die Gelangensbestätigung nicht erbracht werden kann. Dass dies problematisch ist zeigt sich z. B. an der Reaktion des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes e. V. (DSLV). Dieser rät seinen angeschlossenen Spediteuren nicht nur ab, sich zur Erbringung der Gelangensbestätigung zu verpflichten, er hat mittlerweile auch ein ausführliches Argumentationspapier hierzu veröffentlicht. Auch im Ausland stößt die Gelangensbestätigung nicht auf Akzeptanz. So warnt die Wirtschaftskammer Österreich ihre Spediteure ebenfalls vor der Einholung der Gelangensbestätigung. Unabhängig von den dargestellten Problemen und Widerständen müssen sich die Unternehmen auf die Neuregelung einstellen. Es ist nicht zu erwarten, dass das endgültige BMF-Schreiben eine grundsätzliche Erleichterung schafft, sofern die gesetzlichen Grundlagen unverändert bleiben.

Kein ermäßigter Steuersatz für Partyservice

Kein ermäßigter Steuersatz für Partyservice

Kernaussage

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Jahr 2011 Grundsätze zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes (7 %) bei der Lieferung von Speisen und Getränken aufgestellt. Demnach ist lediglich die Abgabe von standardisierten Speisen umsatzsteuerlich begünstigt, sofern keine weiteren Dienstleistungen erbracht werden. Auf Basis dieser Rechtsprechung hat sich nun der Bundesfinanzhof (BFH) in mehreren Verfahren mit der Thematik auseinandergesetzt, u. a. betraf dies einen Partyservice.

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb einen Partyservice. Die bestellten Speisen lieferte sie in verschlossenen Warmhalteschalen aus. Bei Bedarf wurde auch Besteck, Personal u. ä. zur Verfügung gestellt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Speisenlieferungen, soweit sie mit der Beistellung von Geschirr und Besteck, Stehtischen oder Personal verbunden waren, dem Regelsteuersatz (19 %) unterlägen. Im Einspruchsverfahren erzielten die Beteiligten Einvernehmen darüber, dass die Entgelte für die Speisenlieferungen in den Fällen dem Regelsteuersatz zu unterwerfen seien, in denen die Klägerin auch Bedienungspersonal gestellt hatte. Im Übrigen blieben Einspruch und Klage gegen den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid ohne Erfolg.

Entscheidung

Der BFH widersprach der Ansicht der Klägerin, sie liefere lediglich Standardspeisen. Pommes frites, Rostbratwürste u. ä. Speisen, die an einem Imbissstand feilgeboten werden, erfüllen diese Voraussetzungen, nicht jedoch ein Buffet für 70 Personen mit aufeinander abgestimmten Speisen, wie z. B. Forellenfilet mit Sahnemeerrettich oder Hähnchenschnitzel mit Fruchtspießen etc. Die Leistungen des Partyservices unterliegen daher dem Regelsteuersatz.

Konsequenz

Hatte der EuGH noch recht allgemein geurteilt, dass nur noch standardisierte Speisen begünstigt sind, so legt der BFH den Begriff der Standardspeise eng aus. Dies hat zur Folge, dass Standardspeisen offensichtlich nur Imbissstände o. ä. Einrichtungen liefern können, da sich ihr intellektueller sowie kreativer Einsatz bei Zubereitung der Speisen, nach Ansicht des BFH, auf ein Minimum beschränkt. Da diese Bedingungen i. d. R. bei der Abgabe von Speisen in Schulen, Alten- und Pflegeheimen sowie durch Partyservices nicht erfüllt sind, unterliegen diese dem Regelsteuersatz. Die Prüfung, ob zusätzliche Dienstleistungen erbracht werden, erübrigt sich dann. Die betroffenen Unternehmen müssen daher zum Regelsteuersatz abrechnen. Die Folge werden entweder Preiserhöhungen für die Kunden sein oder reduzierte Margen für die Unternehmer, falls diese die erhöhte Umsatzsteuer nicht überwälzen können. Darüber hinaus birgt die neue Rechtslage in vielen Fällen auch Risiken für die Vergangenheit, falls die Finanzverwaltung keine Übergangsregelung schafft. Eine entsprechende Stellungnahme steht allerdings noch aus.

Enge Voraussetzungen für Schadensersatzanspruch bei Mobbing

Enge Voraussetzungen für Schadensersatzanspruch bei Mobbing

Rechtslage

In Mobbingfällen stellt sich regelmäßig die Frage, inwieweit der mobbende Kollege oder sogar der Arbeitgeber gegenüber dem gemobbten Kollegen zum Schadensersatz und/oder zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet ist. Dabei ist bereits unklar, wann die Grenze des Mobbings überschritten ist bzw. wann es sich nur um eine „normale“ Auseinandersetzung handelt. Allein Einigkeit besteht darüber, dass Mobbing ein gezieltes und systematisches Verhalten über einen längeren Zeitraum hinweg voraussetzt. Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte zu den Voraussetzungen von Ansprüchen wegen Mobbings zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger erhob über mehrere Jahre hinweg Mobbing-Vorwürfe gegen seinen unmittelbaren Vorgesetzten, der ihm bei der Bewerbung auf die Vorgesetztenstelle vorgezogen worden war. Zwischenzeitlich war der Kläger in psychiatrischer Behandlung und arbeitsunfähig. Eine zunächst wegen des Mobbings gegen den Arbeitgeber gerichtete Klage wurde im Verfahren durch Vergleich erledigt, der Kläger daraufhin im Betrieb versetzt. Im hier streitigen Verfahren machte er Schmerzensgeldansprüche gegen den mobbenden Vorgesetzten geltend, unterlag jedoch.

Entscheidung

Zwar bestehe die grundsätzliche Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches, wenn ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen würde. Im Arbeitsleben übliche Konflikte seien aber, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum hinweg andauerten, nicht geeignet, diese strengen Voraussetzungen zu erfüllen. Da im vorliegenden Fall lediglich arbeitstypische Auseinandersetzungen im Raum standen, fehlte es insbesondere an der mobbingtypischen Schaffung eines feindlichen Umfelds.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt, welche, insbesondere im Hinblick auf Beweisfragen, verhältnismäßig hohen Hürden einem Schadensersatz wegen Mobbings im Wege stehen. Gerade die Systematik, mit der Mobbing erfolgen muss, wird regelmäßig schwer nachzuweisen sein.

Anrechnung nicht festgesetzter Steuer nach Verjährung korrigierbar?

Anrechnung nicht festgesetzter Steuer nach Verjährung korrigierbar?

Kernaussage

Das Finanzamt kann versehentlich zu viel angerechnete und an der Steuerpflichtigen erstattete Lohnsteuer nicht mehr zurückfordern, wenn seit dem Erlass des Einkommensteuerbescheides mehr als 5 Jahre vergangen sind. Zu diesem Zeitpunkt entsteht nämlich der Rückforderungsanspruch, der der 5-jährigen Zahlungsverjährungsfrist unterliegt. Auf den Zeitpunkt der Änderung der Anrechungsverfügung kommt es nicht an, denn diese ist ein bloß bestätigender Verwaltungsakt, der keine zusätzlichen Ansprüche begründet.

Sachverhalt

Die Kläger sind für das Jahr 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden. Den ursprünglichen Steuerbescheid hatte das Finanzamt 2002 nach einem Einspruchsverfahren geändert und in diesem Zusammenhang eine Anrechnungsverfügung erlassen, die aufgrund eines Eingabefehlers die für die Kläger einbehaltende Lohnsteuer um das zehnfache zu hoch ausrechnete. Dies führte zu einer Rückerstattung an die Kläger in Höhe von 85.000 EUR, die die Kläger stillschweigend vereinnahmten. In 2008 erkannte das Finanzamt seinen Fehler, korrigierte die Anrechnungsverfügung und forderte die Kläger als Gesamtschuldner auf, die zu Unrecht erstatteten Steuern nebst Zinsen zurück zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Klage, die vom Finanzgericht abgewiesen wurde.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) gab den Klägern Recht, denn der Rückforderungsanspruch hat seine Grundlage in dem Steuerfestsetzungsbescheid. Sind seit Erlass des Steuerbescheides 5 Jahre abgelaufen, tritt Verjährung ein, denn nach Ablauf dieser Frist soll Rechtssicherheit darüber eintreten, was der Steuerpflichtige aufgrund der ergangenen Steuerfestsetzung noch zu zahlen hat bzw. was an ihn erstattet wird. Nach Ablauf dieser Frist kann weder das Finanzamt Zahlungsansprüche geltend machen, noch kann der Steuerpflichtige verlangen, dass auf die festgesetzte Steuer nachträglich etwas angerechnet und erstattet wird. Auf den Zeitpunkt der Änderungsverfügung kommt es nicht an, zumal diese ein deklaratorischer, bloß bestätigender Verwaltungsakt ist, der keine über den Steuerfestsetzungsbescheid hinausgehenden Ansprüche begründet.

Konsequenz

Dem BFH ist zuzustimmen. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet, dass der Rückforderungsanspruch des Finanzamts ebenso wie der Erstattungsanspruch des Steuerpflichtigen nach 5 Jahren, bezogen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheides, verjährt. Würde auf die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung abgestellt, liefe die Verjährungsfrist praktisch ins Leere.

Berechnung der Schadensersatzhöhe bei anrechenbaren Steuervorteilen

Berechnung der Schadensersatzhöhe bei anrechenbaren Steuervorteilen

Kernaussage

Nimmt eine Partei die andere auf Zahlung von Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung bei einer Fondsbeteiligung in Anspruch, ergibt sich der Schadensersatzumfang aus dem Gesetz. Der Geschädigte kann vom Schädiger verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er die Beteiligung nicht gezeichnet. Er hat also grundsätzlich einen Anspruch auf Rückerstattung der von ihm geleisteten Bareinlage nebst Agio gegen Rückübertragung der Beteiligung. Dazu entschied das Frankfurter Oberlandesgericht nun, dass dabei eine Anrechnung von Steuervorteilen im Einzelfall angezeigt sein kann.

Sachverhalt

Im Rahmen einer auf Falschberatung im Zusammenhang mit einer Fondsbeteiligung gestützten Schadensersatzklage hatte das erstinstanzliche Landgericht den beklagten Berater zur Rückzahlung der Einlage nebst Agio und Verzugszinsen Zug-um-Zug gegen Übertragung der Beteiligung. Das Gericht war hierbei der Ansicht, dass Steuervorteile nicht im Wege der Vorteilsausgleichung in Ansatz zu bringen seien, da die Schadensersatzleistung selbst zu versteuern sei. Der Beklagte war anderer Auffassung: der Kläger müsse sich die gezogenen Steuervorteile anrechnen lassen. Dass die nach Abzug der Steuervorteile verbleibende Schadensersatzleistung zu versteuern sei, sei ein zukünftiger Nachteil, den der Kläger über einen Feststellungsantrag abfangen könne, der aber für die Berechnung des Zahlungsantrags außer Betracht zu bleiben habe. Das Oberlandesgericht teilte schließlich die Ansicht des Beraters zur Vorteilsanrechnung.

Entscheidung

Zwar hatte die Vorinstanz zu Recht eine Schadensersatzpflicht des Beraters wegen einer Aufklärungspflichtverletzung bejaht. Ausnahmsweise war aber eine Anrechnung von Steuervorteilen vorzunehmen, auch wenn diese grundsätzlich selbst dann außer Betracht bleiben muss, wenn die Rückabwicklung des Erwerbs ihrerseits zu einer Besteuerung die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt. Etwas anderes gilt nur, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten hat, die über seine Einlageleistungen hinausgehen. So auch hier: bedingt durch die Fondsstruktur erhielt der Anleger für 2002 eine Verlustzuweisung, die selbst nach der Korrektur durch das Finanzamt noch ca. 92,02 % der Nominaleinlage betrug, während als Anlagebetrag nur 55 % der Einlage zzgl. 3 % Agio zu leisten waren. Es standen somit anfängliche Verlustzuweisungen von 23.004 EUR einer tatsächlichen Einlageleistung von nur 14.500 EUR inklusive Agio gegenüber. Damit war von außergewöhnlichen Vorteilen auszugehen.

Konsequenz

Das Urteil überzeugt, denn die das zu versteuernde Einkommen senkenden Verlustzuweisungen und die das zu versteuernde Einkommen erhöhende Schadensersatzleistung sollen sich in etwa die Waage halten. Überschreiten die Verlustzuweisungen bezogen auf den Anlagebetrag die 100 %-Grenze, eröffnet dies die Möglichkeit für etwaige dem Anleger abweichend vom Regelfall billigerweise auf die Entschädigungsleistung anzurechnenden außergewöhnlichen Steuervorteile.

Entfernungspauschale für offensichtlich verkehrsgünstigere Verbindung?

Entfernungspauschale für offensichtlich verkehrsgünstigere Verbindung?

Kernproblem

Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte werden mit der Entfernungspauschale abgegolten. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung maßgebend. Eine längere Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird. In diesen an sich eindeutigen Gesetzestext werden sowohl einschränkende als auch erweiternde Regelungen hineininterpretiert, wenn einmal nicht die kürzeste Entfernung in der Einkommensteuererklärung zum Ansatz kommen soll. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat hier mit zwei Entscheidungen für Klarheit gesorgt.

Sachverhalt

In dem einen Streitfall hatte das Finanzamt mit Billigung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz eine tatsächlich genutzte längere verkehrsgünstigere Strecke nicht anerkannt, weil eine willkürlich verlangte Fahrtzeitverkürzung von mindestens zwanzig Minuten nicht erreicht wurde. Dagegen hatte das Finanzgericht Düsseldorf sogar eine längere Strecke toleriert, die den Finanzrichtern zwar offensichtlich verkehrsgünstiger erschien, aber tatsächlich nicht benutzt wurde.

Entscheidung

Es liegt nahe, dass der BFH nur einen der beiden Fälle zugunsten der Steuerzahler entscheiden konnte. Den Streit verloren hat der Arbeitnehmer mit „fiktiver Umwegstrecke“. Hier haben die Richter klargestellt, dass nur eine tatsächlich zurückgelegte Strecke in Betracht kommt. Der Ansatz einer bloß möglichen, aber vom Steuerpflichtigen nicht benutzten Straßenverbindung scheidet kategorisch aus. Dagegen trat der BFH dem Verlangen nach einer mindestens zwanzigminütigen Zeitersparnis entgegen. Hier seien vielmehr alle Umstände des Einzelfalls, wie z. B. die Streckenführung, die Schaltung von Ampeln o. ä. in die Beurteilung einzubeziehen. Eine Straßenverbindung könne auch dann „offensichtlich verkehrsgünstiger“ sein, wenn bei ihrer Benutzung nur eine geringe Zeitersparnis zu erwarten sei.

Konsequenz

Zu Recht weist der BFH in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass die Forderung nach einer zwanzigminütigen Zeitersparnis die Erweiterungsmöglichkeit für Arbeitnehmer mit insgesamt geringerer Fahrzeit zur Arbeit komplett ausschließen würde. Dagegen sieht er jedoch in einer geringfügigen Verkürzung von unter 10 % keinen ausschlaggebenden Anreiz für die Wahl einer abweichenden Route. Die 10 %-Grenze sollte daher als Anhaltspunkt dienen und eingehalten werden, um am Ende erfolgreich argumentieren zu können.

Wann sind Steuern „in großem Ausmaß“ hinterzogen?

Wann sind Steuern „in großem Ausmaß“ hinterzogen?

Kernaussage

Wer Steuern hinterzieht und dabei einen „besonders schweren Fall“ verwirklicht, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren. Eine Geldstrafe kommt daher bei Steuerverkürzungen im großen Ausmaß nicht mehr in Betracht. Der Bundesgerichtshof (BGH) nahm nun in einem jüngeren Urteil zur Wertgrenze des Merkmals „in großem Ausmaß“ beim Griff in die Staatskasse Stellung.

Sachverhalt

Vor dem Landgericht war der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Trotz Revision ließ der BGH das Urteil bestehen, korrigierte jedoch die Ansicht des Landgerichts, die Grenze der Steuerhinterziehung „im großen Ausmaß“ sei stets erst bei einer Verkürzung von 100.000 EUR überschritten. Zudem erteilte der BGH der landgerichtlichen Auffassung, es mache für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung in großem Ausmaß einen Unterschied, ob ein durch die Tat erlangtes (scheinbares) Steuerguthaben ausgezahlt oder aber mit anderen Steuerschulden verrechnet werde, eine klare Absage.

Entscheidung

Das gesetzliche Merkmal der Steuerhinterziehung „im großen Ausmaß“ bestimmt sich nach objektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 EUR übersteigt. Diese Betragsgrenze kommt dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von so genannten Serviceunternehmen („Griff in die Kasse“). Bei Überschreiten der Wertgrenze ist das Merkmal erfüllt. Lässt der Täter dagegen lediglich die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis und führt dies nur zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ bei 100.000 EUR. Dasselbe gilt, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun begeht, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige Einkünfte oder Umsätze verschweigt und allein dadurch eine Gefährdung des Steueranspruchs herbeiführt. Täuscht der Täter allerdings steuermindernde Umstände vor, indem er z. B. tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht, bleibt es für das gesetzliche Merkmal „in großem Ausmaß“ bei der Wertgrenze von 50.000 EUR. Denn in einem solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Umsätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen „Griff in die Staatskasse“, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden) Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuerforderung führen soll.

Konsequenz

Eine nachträgliche „Schadenswiedergutmachung“ hat für die Frage, ob eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ vorliegt, keine Bedeutung. Die Höhe des auf Dauer beim Fiskus verbleibenden „Steuerschadens“ ist ein Umstand, der nur als Erwägung in die Strafzumessung einbezogen werden kann.