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Schuldzinsenabzug bei mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung

Schuldzinsenabzug bei mitunternehmerischer Betriebsaufspaltung

Kernproblem

Schuldzinsen sind nach dem Einkommensteuergesetz nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt werden. Eine Überentnahme liegt vor, wenn die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Streitig war aktuell, ob eine Entnahme auch dann zu bejahen ist, wenn die geänderte Zuordnung eines Wirtschaftsguts allein auf der Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung beruht.

Sachverhalt

Klägerin ist eine GmbH & Co. KG mit einem einzelnen Kommanditisten. Die von ihm an die Klägerin verpachteten Grundstücke wurden zutreffend als Sonderbetriebsvermögen behandelt. In 2000 übertrug der Kommanditist jeweils 1/5 seines Kommanditanteils sowie einen Miteigentumsanteil von je 1/5 der verpachteten Grundstücke unentgeltlich auf seine beiden Kinder. Die Grundstücke wurden sodann von der durch ihn und die Kinder errichteten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) an die Klägerin verpachtet. Hierdurch entstand eine mitunternehmerische Betriebsaufspaltung, mit der Folge, dass die Bilanzierungskonkurrenz (es lag sowohl Betriebsvermögen der GbR als auch Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin vor) zugunsten der Besitz-GbR zu lösen war. Die Finanzverwaltung sah hierin eine Entnahme des Grundstücks bei der Klägerin (bei gleichzeitiger Einlage des Wirtschaftsguts in die GbR), die zu einem eingeschränkten Schuldzinsenabzug führte. Die hiergegen gerichtete Klage hatte schließlich vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Erfolg.

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH führt die geänderte betriebsvermögensmäßige Zuordnung des Grundstücks während des Bestehens einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung nicht zu einer Entnahme, als sie zum Buchwert und damit ohne Gewinnrealisierung erfolgt. Dies begründet der BFH damit, dass das Wirtschaftsgut seine Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bei der Betriebspersonengesellschaft nicht verliere, sondern dieses lediglich während des Bestehens der Betriebsaufspaltung nicht zum Tragen komme.

Konsequenzen

Im Streitfall bestand die Besonderheit, dass die geänderte Zuordnung des Wirtschaftsguts zu einem anderen Betriebsvermögen derselben Steuerpflichtigen allein durch die Begründung einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung bedingt war. Ein endgültiger Betriebsvermögenstransfer liegt somit nicht vor, da die Eigenschaft als Sonderbetriebsvermögen bei Beendigung der Betriebsaufspaltung wieder auflebt. Vorsicht ist im Hinblick auf den Schuldzinsenabzug aber weiterhin geboten, wenn und soweit Wirtschaftsgüter endgültig zwischen 2 Betrieben desselben Steuerpflichtigen oder zwischen 2 (ggf. beteiligungsidentischen) Schwesterpersonengesellschaften überführt bzw. übertragen werden.

Steuerfreiheit für Offshore-Unternehmen als unzulässige Beihilfe

Steuerfreiheit für Offshore-Unternehmen als unzulässige Beihilfe

Kernproblem

Staatliche Beihilfen, die eine Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Branchen beinhalten und somit einen Einfluss auf den innergemeinschaftlichen Liefer- und Leistungsverkehr haben, sind grundsätzlich mit dem höherrangigen Europarecht nicht vereinbar. Von diesem generellen Beihilfeverbot kann in Ausnahmefällen abgewichen werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass vor deren Umsetzung ein Antrag bei der europäischen Wettbewerbskommission gestellt und von dieser genehmigt wird. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens war ein Antrag des Vereinigten Königreichs aus dem Jahr 2002 zur Reform der Körperschaftsteuer in Gibraltar. Diese sah eine vollständige Aufhebung des alten Steuersystems und die Einführung von nur 3 Steuern für alle Unternehmen in Gibraltar vor: Neben einer Eintragungsgebühr waren dies insbesondere eine Lohnsummensteuer sowie eine Gewerbegrundsteuer, wobei für die beiden letztgenannten Steuern eine Obergrenze von 15 % der Gewinne gelten sollte.

Sachverhalt

Der Antrag wurde 2004 durch die Europäische Kommission abgelehnt, da die angemeldeten Vorschläge zur Reform des Körperschaftsteuersystems in Gibraltar eine staatliche Beihilfenregelung darstellten und daher mit dem Europarecht nicht vereinbar seien. Die hiergegen gerichtete Klage der Regierung von Gibraltar und des Vereinigten Königreichs bleib schließlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erfolglos, er bestätigte die Entscheidung der Kommission.

Entscheidung

Eine Steuerregelung, die so konzipiert ist, dass Offshore-Unternehmen der Besteuerung entgehen, stellt eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare staatliche Beihilfe dar. Der EuGH begründet dies damit, dass durch die Regelung insbesondere Offshore-Unternehmen begünstigt werden (sollen) und somit eine unzulässige selektive Begünstigung vorliege. Die geplante Steuerregelung in Gibraltar sei durch eine Kombination von Lohnsummen- und Gewerbegrundsteuer gekennzeichnet, die im Ergebnis eine Besteuerung von Offshore-Unternehmen von vornherein ausschließe, da diese keine Arbeitnehmer beschäftige und auch keine Geschäftsräume nutze.

Konsequenzen

Eine unmittelbare Bedeutung kommt dem Urteil insoweit nicht zu, weil die streitige Reform bislang nicht in Kraft getreten ist. Das Urteil stellt indes eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung zum Beihilferecht dar, welches bislang im Steuerrecht eine eher untergeordnete Rolle spielte. Die erhebliche Bedeutung des Beihilferechts im Steuerrecht zeigt sich z. B. auch in der Entscheidung der Europäischen Kommission vom Januar 2011, wonach die im Körperschaftsteuergesetz (§ 8c KStG) enthaltene Sanierungsklausel eine unzulässige Beihilfe darstellen soll. Die Bundesregierung hat hiergegen eine Nichtigkeitsklage beim EuGH erhoben, deren Entscheidung mit Spannung zu erwarten ist.

Senioren-/Nachbarschaftshilfevereine und Gemeinnützigkeit

Senioren-/Nachbarschaftshilfevereine und Gemeinnützigkeit

Kernfrage

Ein Verein ist als gemeinnützig anzuerkennen, wenn er nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient. Er darf nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke der Mitglieder verfolgen. Fraglich ist, ob dieser Grundsatz der Selbstlosigkeit auch bei Senioren- und Nachbarschaftshilfevereinen, Tauschringen bzw. Zeitbörsen erfüllt ist.

Sachverhalt

Bei o. g. Vereinen erbringen Mitglieder kleinere Dienstleistungen (wie z. B. kleinere Reparaturen, Hausputz, Kochen, Babysitting, Nachhilfeunterricht, häusliche Pflege) gegenüber anderen Mitgliedern. Die geleistete Arbeit wird mit einem finanziellem Entgelt oder einer Dienstleistungsgutschrift entgolten. Die Vergütung bemisst sich dabei in der Regel nicht nach dem materiellen Wert der erbrachten Dienstleistung. Beschränkt sich der Zweck des Vereins dagegen auf die Förderung der Jugend- und Altenhilfe sowie die Förderung mildtätiger Zwecke, kann eine Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft erfolgen. Insoweit muss die eigene Opferwilligkeit zugunsten eigennütziger Interessen in den Vordergrund treten.

Verfügung

Nach der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt sind derartige Vereine grundsätzlich nicht gemeinnützig, da sie in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke der Mitglieder fördern. Sofern der Verein lediglich die Zeitkonten verwaltet und Dienstleistungen vermittelt, erfüllt er zudem nicht die Voraussetzung der Unmittelbarkeit.

Konsequenz

Um die Gründung eines gemeinnützigen Vereins in diesem Bereich zu erleichtern, hat die OFD Frankfurt eine Mustersatzung für obige Vereine erstellt, die die formellen Erfordernisse erfüllt. Die OFD gibt eine sinnvolle Hilfestellung, die Gemeinnützigkeit durch eine Satzungsänderung und Anpassungen in der täglichen Arbeit zu erlangen. Dies ist zu begrüßen.

Grunderwerbsteuer aus Anteilsübertragung an grundbesitzender Kapitalgesellschaft

Grunderwerbsteuer aus Anteilsübertragung an grundbesitzender Kapitalgesellschaft

Kernaussage

Einlagen in ein Betriebsvermögen sind grundsätzlich mit dem Teilwert anzusetzen, wenn sie aus einem nicht steuerpflichtigen Bereich in ein Betriebsvermögen überführt und dadurch erstmals steuerbehaftet werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH; deren alleiniger Gesellschafter ist ein Bundesland. Die Klägerin war zu 95 % an einer grundbesitzhaltenden AG beteiligt. In 1999 übertrug das Land die restlichen 5 % der Aktien an der AG unentgeltlich auf die Klägerin. Da mit dieser Übertragung sämtliche Anteile an der AG in der Hand der Klägerin lagen, war der Tatbestand einer Anteilsvereinigung i. S. d. Grunderwerbsteuergesetzes verwirklicht. D. h., es lag ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vor. Die Klägerin behandelte die Grunderwerbsteuer als sofort abzugsfähigen Aufwand. Das Finanzamt aktivierte jedoch die Grunderwerbsteuer als Nebenkosten der Anschaffung der Beteiligung an der AG. Das angerufene Finanzgericht schloss sich der Auffassung des Finanzamts an.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch gab der klagenden GmbH Recht. Eine Berücksichtigung der Grunderwerbsteuer als Bestandteil der Anschaffungskosten scheide im Streitfall aus, weil die vom Land aus dessen Hoheitsvermögen übertragenen Aktien bei der Klägerin nicht mit den Anschaffungskosten, sondern mit dem Teilwert zu bilanzieren seien. Zwar umfasse der Teilwert grundsätzlich auch die Aufwendungen, die ein Erwerber im Rahmen der Anschaffung eines Wirtschaftsguts als Nebenkosten zu zahlen hat, jedoch sei bei der Bewertung der Aktien zu bedenken, dass nicht der Erwerb der jeweiligen Aktien als solcher die Grunderwerbsteuerpflicht auslöse.

Konsequenz

Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die eine juristische Person des öffentlichen Rechts in eine Tochtergesellschaft eingelegt hat, sind bei dieser mit dem Teilwert und nicht mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Die infolge der Einlage aufgrund Anteilsvereinigung entstehenden Grunderwerbsteuern erhöhen weder den Teilwert der eingelegten Anteile noch sind sie den bereits vorher gehaltenen (Alt-)Anteilen als nachträgliche Anschaffungs(neben)kosten zuzurechnen.

BFH klärt Vorsteuerabzug für Photovoltaikanlagen

BFH klärt Vorsteuerabzug für Photovoltaikanlagen

Kernaussage

Die Finanzverwaltung ist seit jeher kritisch gegenüber Betreibern von Photovoltaikanlagen eingestellt. Wurden diese früher erst gar nicht als Unternehmer anerkannt, so steht aktuell regelmäßig der Vorsteuerabzug im Fokus der Auseinandersetzung. Damit dürfte nun Schluss sein, da der Bundesfinanzhof (BFH) hierzu nun 3 Grundsatzurteile gefällt hat.

Sachverhalte

Streitig war in einem Fall der Vorsteuerabzug aus der Neueindeckung des Daches einer Scheune im Zusammenhang mit der Errichtung einer Photovoltaikanlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie. In den beiden anderen Fällen ging es um die Errichtung eines Carports und eines Holzschuppens, auf deren Dach die jeweilige Photovoltaikanlage betrieben werden sollte.

Entscheidungen

Der BFH kam zu folgenden Ergebnissen: Aufwendungen für die Neueindeckung eines Daches, auf dem eine unternehmerisch genutzte Photovoltaikanlage installiert wird, berechtigen grundsätzlich zum Vorsteuerabzug. Das Gleiche gilt auch für die Errichtung eines Carports oder Schuppens, auf denen eine Photovoltaikanlage installiert wird. Allerdings ist hier zusätzlich erforderlich, dass die unternehmerische Nutzung mindestens 10 % beträgt und das Objekt dem Unternehmensvermögen zugeordnet wird. Der Vorsteuerabzug ist allerdings begrenzt auf den auf die unternehmerische Nutzung entfallenden Anteil. Entscheidend ist hierbei die Verwendung des gesamten Gebäudes (innen und außen). Zur Ermittlung des Verhältnisses ist nicht auf die Nutzflächen (qm) abzustellen, sondern auf den Umsatzschlüssel, dem gegebenenfalls auch fiktive Mieten zugrunde zu legen sind.

Konsequenz

Die Finanzverwaltung wird nun ihre Auffassung revidieren müssen. Gegen Bescheide der Finanzämter, die den dargestellten Grundsätzen widersprechen, sollte unter Hinweis auf die Urteile Einspruch eingelegt werden. Unabhängig hiervon ist schon bei der Planung sowie der Errichtung der Anlage zu beachten, dass die grundsätzlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug erfüllt werden. Dies betrifft z. B. die rechtzeitige Zuordnung des Gebäudes, auf dem eine Photovoltaikanlage installiert wird, zum Unternehmensvermögen sowie die ordentliche Rechnungsstellung. Für neue Konflikte wird voraussichtlich die Bestimmung des unternehmerischen Nutzungsanteils auf der Grundlage fiktiver Mieten sorgen. Das Verhältnis der Dachflächen mit Photovoltaikanlage zur gesamten Dachfläche wäre eine einfache Lösung, diese akzeptiert der BFH jedoch nicht.

 

Wann können Arbeitnehmer vom Aufhebungsvertrag zurücktreten?

Wann können Arbeitnehmer vom Aufhebungsvertrag zurücktreten?

Rechtslage

Auch der Aufhebungsvertrag über ein Arbeitsverhältnis ist ein „normaler“ schuldrechtlicher Vertrag, auf den die allgemeinen Regelungen zu Pflichtverletzungen und ihren Konsequenzen anzuwenden sind. Das heißt beispielsweise, dass eine Partei vom Aufhebungsvertrag gegebenenfalls zurücktreten kann, wenn die andere Partei ihre Pflichten verletzt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte vor diesem Hintergrund die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen der arbeitnehmerseitige Rücktritt von einem Aufhebungsvertrag zulässig sein kann.

Sachverhalt

Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten sich nach langjähriger Tätigkeit in Form eines Vertrags über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung geeinigt. Während des Zeitraums, den der Aufhebungsvertrag bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsah, wurde der Arbeitgeber insolvent; der Betrieb wurde durch den Insolvenzverwalter an einen Dritten veräußert. Der Arbeitnehmer hatte beim Arbeitgeber zum Beendigungstermin wiederholt die Zahlung der Abfindung unter Fristsetzung angemahnt. Nach Ablauf der letzten Frist trat er vom Aufhebungsvertrag zurück und verlangte aufgrund des durch den Insolvenzverwalter vollzogenen Betriebsübergangs Weiterbeschäftigung durch den Betriebserwerber.

Entscheidung

Anders als noch die Unterinstanzen, wies das Bundesarbeitsgericht die Klage ab. Zwar bestehe grundsätzlich ein Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber die vertraglich vorgesehene Abfindung trotz Mahnung nicht zahle. Voraussetzungen für dieses Rücktrittsrecht seien aber zum Einen, dass das Rücktrittsrecht nicht ausdrücklich oder konkludent abbedungen worden sei. Zum Anderen, dass dem Arbeitgeber ohne Erfolg eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden und die Abfindungsforderung selbst durchsetzbar sei, der Arbeitgeber also leisten müsse und dürfe. An letztem Kriterium scheitere hier der Rücktritt, denn aufgrund des Insolvenzverfahrens sei es dem Arbeitgeber verboten gewesen, über sein Vermögen zu verfügen. Hätte er verfügt, wäre die Abfindungszahlung nach insolvenzrechtlichen Regelungen anfechtbar gewesen.

Konsequenz

Die Entscheidung bringt Rechtssicherheit für denjenigen, der einen Betrieb aus der Insolvenz erwirbt. Gleichzeitig bedeutet es für den Arbeitnehmer, der einen langfristigen Aufhebungsvertrag schließt, dass er das Insolvenzrisiko seines Arbeitgebers trägt (wenn nicht ein vertragliches Rücktrittsrecht hier vorgesehen ist). Der Arbeitnehmer bleibt mit seiner Abfindungsforderung an die Insolvenzmasse verwiesen.

Arbeitgeber muss sich auch bei Insolvenz an Kündigungsverzicht halten

Arbeitgeber muss sich auch bei Insolvenz an Kündigungsverzicht halten

Kernfrage

Im Rahmen von Tarifvereinbarungen können Arbeitgeber und Belegschaft ihre Rechtsbeziehungen festlegen. Die tarifvertraglichen Vereinbarungen oder die Betriebsvereinbarungen sind bindend und für beide Seiten verpflichtend. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte nunmehr darüber zu befinden, ob eine drohende Insolvenz eine solche verbindliche Vereinbarung außer Kraft setzen kann und zwar insbesondere dann, wenn es eine neue, abweichende tarifliche Vereinbarung gibt.

Sachverhalt

Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter hatten eine Betriebsvereinbarung geschlossen, in der der Arbeitgeber auf betriebsbedingte Kündigungen und die Arbeitnehmer im Gegenzug auf Weihnachtsgeld verzichteten. Aufgrund der sich weiter verschlechternden wirtschaftlichen Umstände und damit einer drohenden Insolvenz des Unternehmens, kam es trotz des Verzichts auf betriebsbedingte Kündigung zur Vereinbarung eines Sozialplans mit der Arbeitnehmervertretung und zu betriebsbedingten Kündigungen. Dagegen erhoben die betroffenen Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf urteilte zugunsten der Arbeitnehmer. Denn der vereinbarte Kündigungsverzicht wirke individualvertraglich, so dass auch der im Nachhinein abgeschlossene Sozialplan diese Individualabrede nicht außer Kraft setzen konnte. Hinzu kam, dass die drohende Insolvenz auch keinen Grund eröffnete, die betroffenen Arbeitsverhältnisse aus wichtigem Grund betriebsbedingt kündigen zu können.

Konsequenz

Hervorzuheben ist die individualvertragliche Wirkung des Kündigungsverzichts. Diese individuelle Wirkung kann dann auch durch eine andere, kollektivrechtlich wirkende Vereinbarung nicht mehr durchbrochen werden. Dass die drohende Insolvenz kein außerordentliches Kündigungsrecht eröffnet, entspricht allgemeinen Regelungen. Beispielsweise ist auch ein befristetes Mietverhältnis nicht wegen Insolvenz des Vermieters kündbar, es sei denn, es ist ausdrücklich geregelt.

Wann beginnt die Frist für den Widerspruch gegen einen Betriebsübergang?

Wann beginnt die Frist für den Widerspruch gegen einen Betriebsübergang?

Rechtslage

Kommt es zu einem Betriebsübergang, sind die Arbeitnehmer hierüber detailliert schriftlich zu unterrichten. Erst das ordnungsgemäße Informationsschreiben löst die Widerspruchsfrist zugunsten des Arbeitsnehmers aus, innerhalb derer er sich erklären muss, ob er dem Übergang zustimmt oder widerspricht und beim alten Arbeitgeber verbleibt. Dabei gilt, dass überhaupt erst eine vollständige und ordnungsgemäße Belehrung die Widerspruchsfrist in Gang setzt. Ist das Informationsschreiben unzutreffend, besteht also noch nach langer Zeit die Möglichkeit, dass der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widerspricht und zum alten Arbeitgeber zurückkehrt.

Sachverhalt

Das Arbeitsverhältnis des Klägers war auf einen Betriebserwerber übergegangen. Der Kläger hatte dem Übergang zunächst nicht widersprochen und für den neuen Arbeitgeber gearbeitet. Als es nach 6 Monaten zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber durch Auflösungsvertrag kam, widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses und verlangte Weiterbeschäftigung vom ehemaligen Arbeitgeber. Zur Begründung verwies der Kläger auf ein, seiner Ansicht nach unzutreffendes, Informationsschreiben. Der ehemalige Arbeitgeber wandte ein, das Informationsschreiben sei ordnungsgemäß gewesen; im Übrigen habe der Arbeitnehmer durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags sein Widerspruchsrecht verwirkt.

Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht. Sein Informationsschreiben habe den gesetzlichen Anforderungen hierzu genügt, so dass es die Widerspruchsfrist wirksam in Gang setzen konnte. Maßgeblich für die Fristberechnung für den zulässigen Widerspruch sei daher der Zugang des Informationsschreibens.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht, sondern folgt den gesetzlichen Anordnungen zum Betriebsübergang. Überraschend ist eher, dass das Bundesarbeitsgericht ein Informationsschreiben als den gesetzlichen Anforderungen genügend ansieht. Aus Beratersicht ist bedauerlich, dass die Frage der Verwirkungsmöglichkeit des Widerspruchs durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht weiter thematisiert werden musste.

Auslegung von Abfindungsbestimmungen in GmbH-Satzungen

Auslegung von Abfindungsbestimmungen in GmbH-Satzungen

Rechtslage

Eine gesellschaftsvertragliche Abfindungsbeschränkung ist nichtig, wenn sie bereits bei ihrer Einführung grob unbillig ist, weil der Wert des Anteils den Abfindungsbetrag erheblich übersteigt. War der Wert ursprünglich angemessen und ist das Missverhältnis erst aufgrund der positiven Entwicklung der Gesellschaft entstanden, nimmt der Bundesgerichtshof (BGH) die notwendige Anpassung der Abfindungsklausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung vor. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Gesellschafter eine auf Dauer wirksame und die Gesellschafter gleich behandelnde Regelung wollten.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1994 Gesellschafter und später auch Geschäftsführer der beklagten GmbH. In einer Gesellschafterversammlung im Jahr 2007 wurde beschlossen, den Kläger als Geschäftsführer abzuberufen, seinen Geschäftsführeranstellungsvertrag zu kündigen und seinen Geschäftsanteil unter Berufung auf die Regelungen des Gesellschaftsvertrages einzuziehen. Die Parteien stritten anschließend um die Höhe der Abfindung des Klägers. Die Beklagte beruft sich insofern auf eine Vorschrift ihres Gesellschaftsvertrags, wonach die Abfindung – soweit gesetzlich zulässig – anteilig am nominellen Eigenkapital berechnet wird. Der Kläger hält eine andere Vorschrift des Gesellschaftsvertrags für einschlägig, wonach sich die Abfindung nach dem gemeinen Wert seines Anteils bemisst. Nach zunächst erfolgloser Klage hob der BGH das unterinstanzliche Urteil nun auf und lässt die Sache erneut entscheiden.

Entscheidung

Der Gesellschaftsvertrag der Beklagten ist dahingehend auszulegen, dass die Regelung Anwendung findet, nach der die Abfindung nach dem Verkehrswert bemessen sein soll. Die Bestimmung ist nicht nur als Auffangtatbestand für den Fall konzipiert, dass sich die Abfindung nach dem Nominalwert von Anfang an als unzulässig erweist. Vielmehr soll sie eine Berechnungsmöglichkeit auch für die Fälle bieten, in denen aufgrund positiver Geschäftsentwicklung die Abfindung zum Nominalwert mit der Zeit in gesetzeswidriger Weise unangemessen wird. Es ist davon auszugehen, dass die Gesellschafter eine für die Dauer wirksame und die Gesellschafter gleich behandelnde Berechnung der Abfindung gewollt haben. Entsprechend müssen die Vorschriften als einheitliche Bestimmung verstanden werden, die als Gesamtregelung rechtlich unbedenklich ist.

Konsequenz

Abfindungsklauseln dienen der Einschränkung des Kapitalabflusses und der Vereinfachung der Berechnung der Abfindungshöhe. Dieses Urteil zeigt erneut, dass die Klauseln in der Praxis sehr streitanfällig sind und daher äußerst sorgfältig auszuarbeiten sind.

Abtretungsanzeige ist unwirksam bei fehlenden Angaben zum Grund

Abtretungsanzeige ist unwirksam bei fehlenden Angaben zum Grund

Kernaussage

Der amtliche Vordruck zur Abtretungsanzeige von Steuererstattungsansprüchen ist irreführend. In der Rubrik „Grund der Abtretung/Verpfändung“ besteht lediglich die Auswahl zwischen „Sicherungsabtretung“ oder „Freizeile“. Fälschlicherweise entsteht der Eindruck, dass bei Ankreuzen des Feldes „Sicherungsabtretung“ keine weiteren Angaben erforderlich sind. Das ist jedoch unrichtig und die Abtretungsanzeige ist unwirksam.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Geschäftszweck u. a. mit der Übernahme von Forderungen, Rechten und Sicherungsgütern zum Zwecke der Verwertung umschrieben ist. Im Jahr 2006 ging beim beklagten Finanzamt eine Abtretungsanzeige auf amtlichem Vordruck ein, wonach der Klägerin ein Teilbetrag aus den Umsatzsteuererstattungsansprüchen einer anderen GmbH abgetreten sein sollte. Unter „Grund der Abtretung“ wurde das Feld „Sicherungsabtretung“ angekreuzt. Weitere Angaben zum Grund wurden nicht gemacht. Auf den Antrag der Klägerin auf Auszahlung des Erstattungsbetrags erließ das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid und stellte fest, dass die Klägerin keinen Anspruch habe. Die Abtretung sei nichtig, denn zum geschäftsmäßigen Erwerb und Einziehung abgetretener Steuererstattungsansprüche seien nur Unternehmen befugt, die Bankgeschäfte betreiben dürften. Die Klage über die Wirksamkeit der Abtretung blieb erfolglos.

Entscheidung

Die Abtretung von Steuererstattungsansprüchen hat durch formalisierte Abtretungsanzeige gegenüber dem Finanzamt unter Angabe des Grundes zu erfolgen. Durch diesen Hinweis soll dem Finanzamt die Prüfung ermöglicht werden, ob es sich bei der Abtretung um einen geschäftsmäßigen Erwerb handelt, was grundsätzlich unzulässig ist. Fehlen diese Angaben, leidet die Abtretungsanzeige unter einem Formmangel und ist unwirksam. Sofern das Feld „Sicherungsabtretung“ auf dem Formular angekreuzt wurde, ist dies nicht ausreichend. Die Wirksamkeit der Abtretung kann auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet werden. Zwar erweckt die Gestaltung des amtlichen Vordruckes den Eindruck, dass durch Ankreuzen des Feldes „Sicherungsabtretung“ die erforderlichen Angaben zum Abtretungsgrund gemacht sind, dieser Irrtum ist aufgrund bereits ergangener höchstrichterlicher Rechtsprechung indes vermeidbar.

Konsequenz

Mit der vorliegenden Entscheidung ist die Finanzverwaltung aufgefordert, den amtlichen Vordruck in entsprechender Weise zu ändern und klarzustellen, dass unabhängig von einer Sicherungsabtretung stets Angaben zum Abtretungsgrund zu machen sind.