Archiv der Kategorie: Steuerrecht

Häusliches Arbeitszimmer einer Arbeitsmedizinerin; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Häusliches Arbeitszimmer einer Arbeitsmedizinerin; Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Leitsatz

1. NV: Die Annahme des FG, für das von einer Arbeitsmedizinerin genutzte häusliche Arbeitszimmer greife die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG, ist nicht nachvollziehbar, wenn in dem Urteil jegliche Feststellungen dazu fehlen, inwieweit unter Berücksichtigung der gesetzlichen Aufgabendefinition des § 3 ASiG Tätigkeiten bei den Auftraggebern vor Ort persönlich zu erfüllen waren und welche konkrete Aufgaben in dem beruflich genutzten Raum zu Hause erbracht werden konnten.

 

2. NV: Das Gericht verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es den entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin, es handele sich um eine Arztpraxis mit Publikumsverkehr und nicht um ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, nicht zur Kenntnis nimmt.

Tatbestand

1
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2002 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Arbeitsmedizinerin i.S. des § 3 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG).

 

2
Die arbeitsmedizinische Tätigkeit übte sie an verschiedenen Standorten (Kasernen und Betrieben) aus, wo ihr jeweils ein Raum zur Verfügung gestellt wurde. Die betriebsärztlichen Berichte, Empfehlungen und Gutachten erstellte sie in einem ausschließlich beruflich genutzten Raum im selbstbewohnten Wohnhaus.

 

3
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte sie auf das Arbeitszimmer entfallende Aufwendungen in Höhe von 10.602 € als Betriebsausgaben bei ihren Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) ließ demgegenüber im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr unter Verweis auf die Regelungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur einen Betrag in Höhe von 1.250 € zum Abzug zu, da es sich bei dem von der Klägerin genutzten Raum um ein häusliches Arbeitszimmer handele, das nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilde.

 

4
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 698 veröffentlichten Urteil ab.

 

5
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts und von Verfahrensrecht. Das FG habe keine umfassende Wertung der Tätigkeit der Klägerin vorgenommen, die nicht mit dem Berufsbild des Arztes vergleichbar sei, sondern sich an den Gesetzesbestimmungen des § 3 ASiG orientiere.

 

6
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 25. März 2009  2 K 1396/07 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15. Juli 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Februar 2007 dahin zu ändern, dass bei der Ermittlung der Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit insgesamt Aufwendungen für den betrieblich genutzten Raum in Höhe von 8.929,25 € als weitere Betriebsausgaben abgezogen werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.

 

7
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

8
Das FG habe festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin als Arbeitsmedizinerin vielfältig und gestreut sei. Die aus dieser Feststellung getroffene Schlussfolgerung, dass die Betätigung keinem konkreten Mittelpunkt zugeordnet werden könne, sei möglich und verstoße nicht gegen Denkgesetze. Das FG sei nicht verpflichtet, den Sachverhalt solange zu ermitteln, bis ein Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit festgestellt werden könne.

 

Entscheidungsgründe

9
II. Die Revision der Kläger ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

 

10
1. Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen nicht seine Würdigung, dass der von der Klägerin ausschließlich beruflich genutzte Raum der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterliege.

 

11
a) Das FG hat angenommen, die geltend gemachten Aufwendungen beträfen ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG. Dieses bilde jedoch nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung der Klägerin, da deren Aufgabenbereich so vielfältig gestreut sei, dass die Betätigung keinem konkreten Mittelpunkt zugeordnet werden könne. Die ärztliche Tätigkeit könne grundsätzlich nur durch persönlichen Arbeitseinsatz erbracht werden und setze ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Patienten voraus. Zwar sei die Tätigkeit der Klägerin als Arbeitsmedizinerin nicht ohne weiteres mit der eines Arztes für den Medizinischen Dienst der Krankenkassen vergleichbar. Gleichwohl übe die Klägerin ihre Tätigkeit qualitativ nicht nur im häuslichen Arbeitszimmer aus. Insbesondere die persönliche Anamnese in den Kasernen und Betrieben, die jedenfalls die Regel sei, könne aufgrund des Berufsbildes des Arztes nicht auf einen mechanischen Akt im Rahmen einer unselbständigen Vorbereitungshandlung reduziert werden.

 

12
b) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, weil das FG keine den Senat bindenden Feststellungen getroffen hat, die seine Beurteilung tragen, dass ein häusliches Arbeitszimmer vorliege.

 

13
Unzureichende oder widersprüchliche Sachverhaltsdarstellungen im angefochtenen Urteil stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einen materiell-rechtlichen Fehler dar, der auch ohne diesbezügliche Rüge zum Wegfall der Bindungswirkung des § 118 Abs. 2 FGO führt (BFH-Urteil vom 25. Juni 2003 X R 72/98, BFHE 202, 514, BStBl II 2004, 403, m.w.N.). Das ist u.a. dann der Fall, wenn es den Feststellungen an einer hinreichenden Grundlage fehlt, die das Revisionsgericht in die Lage versetzt nachzuvollziehen, wie das FG zu der seine Entscheidung tragenden Überzeugung gelangt ist, oder das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis der Beweiswürdigung überhaupt nicht kommen konnte, es also gleichsam ins Blaue hinein Feststellungen getroffen hat, die sich in Wahrheit als Mutmaßungen oder bloße Unterstellungen erweisen. Denn die vom FG getroffenen Feststellungen müssen zwar nicht aufgrund der dem FG vorliegenden Beweismittel zwingend sein. Sie müssen jedoch möglich sein. Dazu gehört nicht nur, dass sie nicht in sich widersprüchlich oder sonst mit den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar sind, sondern auch, dass sie auf einer nachvollziehbaren Anwendung von rational einsichtigen Grundsätzen der Beweiswürdigung beruhen (BFH-Urteil vom 17. Mai 2005 VII R 76/04, BFHE 210, 70, m.w.N).

 

14
c) Der Annahme des FG, es liege im Streitfall ein häusliches Arbeitszimmer vor, das der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG unterliege, da der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit der Klägerin nicht bestimmbar sei, fehlt es an der Nachvollziehbarkeit in diesem Sinne. Das FG hat nicht dargelegt, welche Gründe im Einzelnen für seine Feststellung maßgebend waren, dass die Tätigkeit der Klägerin als Arbeitsmedizinerin mit dem Berufsbild eines Arztes vergleichbar sei. Dieses ist nach seiner Auffassung in besonderem Maße durch den persönlichen individuellen Dienst am Patienten geprägt. Konkrete Feststellungen, inwieweit dies auch auf die Tätigkeit der Klägerin zutrifft, fehlen. Dass die persönliche Anamnese in den Kasernen und Betrieben die Regel sei, wird vom FG lediglich behauptet, ohne dass dies durch tatsächliche Feststellungen über die konkrete Tätigkeit der Klägerin im Außendienst untermauert wird. Es fehlen jegliche Feststellungen dazu, inwieweit die Klägerin ihre Aufgaben als Arbeitsmedizinerin bei ihren Auftraggebern vor Ort persönlich zu erfüllen hatte und welche konkreten Aufgaben sie in ihrem beruflich genutzten Raum zu Hause erbringen konnte.

 

15
2. Das Urteil des FG ist darüber hinaus wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG–) aufzuheben (§ 119 Nr. 3 FGO).

 

16
a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör beinhaltet das Recht der Beteiligten, sich zur Sache zu äußern und für das Gericht die Pflicht, entscheidungserhebliches Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Allerdings bedeutet die Gewährung rechtlichen Gehörs nicht, dass das Gericht sich den rechtlichen Ansichten des Klägers anschließen müsste. Vielmehr darf es Vorbringen der Beteiligten aus formellen und materiellen Gründen unbeachtet lassen (BFH-Beschluss vom 20. Juli 2007 VIII B 8/06, BFH/NV 2007, 2069, m.w.N.).

 

17
b) Aus den Ausführungen des FG ergibt sich, dass es den entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin, es handele sich vorliegend um eine Arztpraxis, in der Publikumsverkehr stattfinde, und nicht um ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG, nicht zur Kenntnis genommen hat, denn es hat in seinem Urteil ausgeführt, es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die geltend gemachten Aufwendungen ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung beträfen. Außerdem widerspricht die Darstellung des FG, die Klägerin habe im Einspruchsverfahren geltend gemacht, sie sei als Fachärztin für Arbeitsmedizin kurativ tätig, deren Vortrag im Einspruchs- und Klageverfahren, sie sei als Arbeitsmedizinerin gerade nicht kurativ tätig. Es hat damit entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin übergangen und deren Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.

 

18
3. Das Urteil des FG kann nach alledem keinen Bestand haben. Die Sache wird an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO), um diesem Gelegenheit für eine erneute Prüfung zu geben, ob eine Abzugsbegrenzung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG bereits deshalb ausscheidet, weil es sich nach den von der Rechtsprechung des BFH herausgearbeiteten Kriterien nicht um ein häusliches Arbeitszimmer, sondern um eine ärztliche Praxis handelt, die erkennbar besonders für die Untersuchung von Patienten eingerichtet und für jene leicht zugänglich war (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 16. April 2009 VIII B 222/08, BFH/NV 2009, 1421, m.w.N.). Sollte dies zu verneinen sein, wird das FG festzustellen haben, welche konkreten häuslichen und außerhäuslichen Tätigkeiten von der Klägerin als Arbeitsmedizinerin unter Berücksichtigung der gesetzlichen Aufgabendefinition des § 3 ASiG zu erbringen waren, und ob bei einer Gesamtbetrachtung das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit der Klägerin bildete.

Mittelvorsorgepflicht des Geschäftsführers im Falle der Aufgabe seines Amtes

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 25.4.2013, VII B 245/12

Mittelvorsorgepflicht des Geschäftsführers im Falle der Aufgabe seines Amtes

Leitsatz

1. NV: Als Haftungsschuldner i.S. von § 69 AO kommt auch ein zwischenzeitlich ausgeschiedener Geschäftsführer in Betracht, wenn er die ihm während seiner Tätigkeit obliegende Erfüllung steuerlicher Pflichten der Gesellschaft schuldhaft nicht erfüllt hat.
 
2. NV: Pflichtwidrig handelt der gesetzliche Vertreter, der ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trifft. Dabei kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes pflichtmäßiges Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn dessen Entstehung absehbar war.
 
3. NV: Im Fall der Veräußerung sämtlicher Geschäftsanteile eines wirtschaftlich nahezu vollständig abgewickelten Unternehmens bei gleichzeitiger Aufgabe der Geschäftsführung verletzt ein Geschäftsführer seine Mittelvorsorgepflicht in grob fahrlässiger Weise, wenn er einen vorhandenen, für die Zahlung der bereits entstandenen Gewerbesteuer vorgesehenen Betrag ungesichert dem Zugriff des Erwerbers überlässt.

Tatbestand

1
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) und sein Bruder waren als BGB-Gesellschafter Eigentümer zweier Grundstücke, deren Verwertung sie einer GmbH & Co. KG (KG) übertragen hatten. Kommanditisten der KG und Geschäftsführer der Komplementärin (GmbH) waren beide Brüder.
 
2
Nach Veräußerung der neu geschaffenen Eigentumswohnungen im Jahre 2007 reichte die KG am … September 2008 beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) für die KG eine Gewerbesteuererklärung für 2007 mit einer Steuerschuld in Höhe von 360.308 € ein.
 
3
Aufgrund einer Einzahlung des Antragstellers wies das Geschäftskonto der KG ab 15. September 2008 ein Guthaben in Höhe von 360.308 € aus.
 
4
Mit notariellen Verträgen vom … September 2008 veräußerten der Antragsteller und sein Bruder ihre Anteile an der KG an Herrn B und traten ihre Geschäftsanteile an der Komplementär-GmbH an diesen ab. Zeitgleich wurde B zum alleinigen Geschäftsführer der GmbH bestellt, sowie die Umfirmierung und eine Verlegung des Sitzes der KG beschlossen. Das Entgelt der Überlassung der KG-Anteile sollte in einer gesonderten Erklärung festgesetzt werden, für die GmbH-Anteile war ein Gesamtkaufpreis in Höhe von 3.000 € zur Zahlung auf noch zu benennende Konten vereinbart.
 
5
Im Vertrag über den Verkauf der GmbH-Anteile verpflichtet sich B namens der GmbH, die noch nicht festgesetzte, aber zu erwartende Gewerbesteuernachzahlung der KG in Höhe von 360.308 € zu leisten. Für das Konto, das diesen Betrag auswies, wurde B zugleich uneingeschränkte Kontovollmacht erteilt.
 
6
Mit notariellen Verträgen vom … September 2008 trat B die Kommandit- und GmbH-Anteile an Herrn A ab, der gleichzeitig zum alleinigen Geschäftsführer bestellt wurde. Das Entgelt für die Übertragung sollte außerhalb der notariellen Urkunden geregelt werden. Auch in diesem Vertragswerk wurde auf die zu erwartende Gewerbesteuernachzahlung in Höhe von 360.308 € hingewiesen. A hat durch seine Unterschrift bestätigt, diesen Betrag von B erhalten zu haben.
 
7
Am … September 2008 setzte das FA die Gewerbesteuer entsprechend der eingereichten Steuererklärung auf 360.308 € fest. Die KG entrichtete die Abgabenverbindlichkeit nicht, Vollstreckungsmaßnahmen blieben erfolglos. Der Eigenantrag der KG auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vom Februar 2009 wurde am … Oktober 2009 mangels Masse abgewiesen. Der Gutachter im Insolvenzantragsverfahren hatte noch vorhandene Aktiva in Höhe von 2 € ermittelt, denen fällige Verbindlichkeiten in Höhe von insgesamt … € (davon rückständige Abgabenverbindlichkeiten in Höhe von … €) gegenüberstanden.
 
8
Gegenüber B und A hat das FA auf § 69 i.V.m. § 34 der Abgabenordnung (AO) gestützte Haftungsbescheide über 360.308 € rückständige Gewerbesteuer 2007 der KG erlassen.
 
9
Die ebenfalls auf § 69 i.V.m. § 34 AO gestützten Haftungsbescheide vom 1. September 2010 gegen den Antragsteller und seinen Bruder als ehemalige Mitgeschäftsführer der Komplementär-GmbH wegen der rückständigen Gewerbesteuerschuld der KG in Höhe von 360.308 € befinden sich noch im Einspruchsverfahren.
 
10
Den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Haftungsbescheids lehnten sowohl das FA als auch das Finanzgericht (FG) ab.
 
11
Das FG hat die AdV mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht vor der Abtretung der GmbH-Anteile an B sowie der zeitgleichen Beendigung seines Mitgeschäftsführeramtes am 17. September 2008 für die Entrichtung der Gewerbesteuer 2007 gesorgt. Der Antragsteller habe seine in die Zeit vor der Amtsaufgabe fallende Pflicht, Mittelvorsorge für die bereits entstandenen, aber erst nach Beendigung seiner Amtszeit fällig werdenden Steuern zu treffen, zumindest grob fahrlässig verletzt. Durch die Einzahlung der 360.308 € auf das Geschäftskonto der KG hätten sie ihrer Vorsorgepflicht nicht genügt, da die Geschäftsanteile an eine Person veräußert worden seien, die von vorneherein im Verdacht gestanden habe, selbst „Firmenbestatter“ zu sein oder bereits im Zeitpunkt des Erwerbs sämtlicher GmbH-Anteile die Absicht zu haben, die Anteile kurze Zeit später an einen „Firmenbestatter“ weiterzuveräußern. Sie hätten vor der Veräußerung der Gesellschaftsanteile durch zusätzliche Maßnahmen sicherstellen müssen, dass der Fiskus die am 1. Januar 2008 bereits entstandene Gewerbesteuer 2007 im Zeitpunkt der Fälligkeit vollständig vereinnahmen werde (z.B. durch Bestellung einer Bankbürgschaft zugunsten des Antragsgegners oder Hinterlegung des streitgegenständlichen Betrages beim zuständigen Amtsgericht o.Ä.). Demgegenüber habe sich der Antragsteller in keiner Weise die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des B nachweisen lassen, obwohl dieser ein Unternehmen übernehmen sollte, bei dem nach dem Verkauf der vorhandenen Immobilien nur noch restliche Abwicklungsarbeiten mit –im Vergleich zum Jahr 2007– minimalen Gewinnerzielungschancen durchzuführen gewesen seien. So habe von Anfang an die Gefahr bestanden, dass B die 360.308 € vom Geschäftskonto der KG für unternehmensfremde Zwecke abheben werde (was ja auch tatsächlich geschehen sei). Auch die übrigen Umstände des Anteilsverkaufs (z.B. Verkauf nur wenige Wochen vor Eintritt der Fälligkeit einer hohen und in dieser Höhe für die KG einmalig auftretenden Steuernachzahlung; absehbare Vermögenslosigkeit der KG laut Insolvenzgutachten nach Erbringung dieser Steuerzahlung) sprächen dafür, dass es sich bei diesem nicht um ein normales Verkehrsgeschäft gehandelt habe. Vielmehr ergäben die weiteren Umstände des Falls –Weiterveräußerung der Gesellschaftsanteile von B an A schon eine Woche nach Erwerb und sich aus dem Insolvenzgutachten ergebende Ungereimtheiten in Bezug auf die Person des A bzw. seines Hintermannes aus dem Ausland und die Durchführung des Vertrags B-A– Anhaltspunkte für eine sog. „Firmenbestattung“.
 
12
Das FG hat die Beschwerde gegen den Beschluss wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Der Beschluss ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 2 veröffentlicht.
 

Entscheidungsgründe

13
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
 
14
Nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist der Senat der Auffassung, dass an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids keine ernstlichen Zweifel bestehen, so dass das FG die AdV zu Recht abgelehnt hat.
 
15
1. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bestehen solche Zweifel, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheids neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 23. April 2007 VII B 92/06, BFHE 217, 209, BStBl II 2009, 622, m.w.N.).
 
16
a) Im Streitfall begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das FG von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Antragstellers und damit von seiner berechtigten Haftungsinanspruchnahme als vormaligem Geschäftsführer nach §§ 69, 34 AO ausgegangen ist. Grundsätzlich kommt als Haftungsschuldner i.S. von § 69 AO auch ein zwischenzeitlich ausgeschiedener Geschäftsführer in Betracht, wenn er die ihm während seiner Tätigkeit obliegende Erfüllung steuerlicher Pflichten der Gesellschaft schuldhaft nicht erfüllt hat.
 
17
Das kann der Fall sein, wenn der gesetzliche Vertreter ungeachtet der erkennbar entstehenden Steueransprüche für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trifft. Dabei kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein bestimmtes pflichtmäßiges Verhalten auch schon vor der Entstehung der Steuerforderung geboten sein, wenn die Entstehung absehbar war (ständige Rechtsprechung, Senatsurteil vom 11. März 2004 VII R 19/02, BFHE 205, 335, BStBl II 2004, 967, m.w.N.; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 69 Rz 55, m.w.N.).
 
18
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FG rechtsfehlerfrei erkannt, dass der Antragsteller es nicht mit der Bereitstellung des zur Begleichung der von ihm selbst erklärten Steuern erforderlichen Betrags auf dem Geschäftskonto der GmbH hätte bewenden lassen dürfen, sondern zusätzliche Sicherungsvorkehrungen hätte ergreifen müssen um zu gewährleisten, dass der Fiskus diesen Betrag im Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuern auch tatsächlich vollständig vereinnahmen werde.
 
19
Welche Anforderungen an die einem Geschäftsführer obliegende Pflichterfüllung zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Streitfall hat das FG –sinngemäß dem FA folgend– die besonderen Anforderungen an die Mittelvorsorgepflicht des Antragstellers mit atypischen Umständen des Falls begründet, die den Verdacht einer sog. Firmenbestattung nahelegten.
 
20
Angesichts des vom FG festgestellten Sachverhalts sieht der Senat sich nicht veranlasst zu prüfen, welchen rechtlichen Gehalt der Begriff der Firmenbestattung umschreibt, unter welchen Voraussetzungen also eine solche Rechtsfigur anzunehmen ist und welche abgabenrechtlichen Rechtsfolgen sie gegebenenfalls zeitigt. Denn auch unabhängig davon, ob die Vertragsparteien eine Firmenbestattung beabsichtigt haben, ist nach den –vom Antragsteller nicht in Frage gestellten– Feststellungen des FG nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsteller seine Mittelvorsorgepflicht –zumindest– in grob fahrlässiger Weise verletzt hat, indem er den für die Zahlung der bereits entstandenen Gewerbesteuer erforderlichen Betrag ungesichert dem Zugriff des B ausgesetzt hat. Das FG hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Antragsteller und sein Bruder ihre Gesellschaftsanteile im ersten Jahr nach der erfolgreichen Abwicklung des Unternehmens –Herstellung und Verkauf von Eigentumswohnungen auf ihrem eigenen Grund und Boden– übertragen haben. Die Besonderheit des Sachverhalts liegt einerseits in der Kumulierung des Gewerbeertrags –und damit der einmaligen Entstehung einer hohen Gewerbesteuerschuld– im Vorjahr der Anteilsveräußerung und gleichzeitig der nahezu vollständigen wirtschaftlichen Entwertung der Gesellschaftsanteile. Bei dieser Sachlage mussten die Veräußerer vor Augen haben, dass die Schuldnerin der Gewerbesteuer, die KG, mit Fälligkeit der Steuer insolvent wäre, wenn der dafür von ihnen bereitgestellte Betrag –aus welchen Gründen auch immer (etwa wegen Regressansprüchen aus den abgewickelten Verkäufen)– nicht mehr vorhanden wäre. Ein solches Risiko einzugehen war grob fahrlässig, unabhängig davon, ob sie aufgrund vorangegangener geschäftlicher Beziehungen auf die Seriosität des Erwerbers vertrauen konnten oder von der Absicht der kurzfristigen Weiterveräußerung an den mittellosen A Kenntnis hatten. Demgegenüber hätte es –nicht zuletzt zur Vermeidung der eigenen Haftung– nahegelegen, den angemeldeten Steuerbetrag zurückzubehalten und nach Festsetzung an das FA auszukehren.

Betriebsaufspaltung: Sachliche Verflechtung durch Überlassung von Büroräumen

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 16.4.2013, III B 89/11

Sachliche Verflechtung durch Überlassung von Büroräumen

Leitsatz

1. NV: Wenn es nach dem Rechtsstandpunkt des FG für die sachliche Verflechtung ausreicht, dass der Betrieb Verwaltungsarbeiten erfordert, diese in den angemieteten Büroräumen ausgeführt wurden und die Betriebsgesellschaft insofern auf dieses Grundstück angewiesen war, obwohl die Verwaltungstätigkeiten auch auf einem anderen Grundstück hätten ausgeübt werden können, dann braucht es nicht aufzuklären, welcher Art die in den angemieteten Räumen ausgeführten Verwaltungsaufgaben waren.

 

2. NV: Die Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind nicht erfüllt, wenn eine unterlassene Beweisaufnahme zu der Behauptung gerügt wird, dass ein Großteil der überlassenen Fläche von der Betriebsgesellschaft nicht genutzt worden sei, ohne dass angegeben wird, was die Beweiserhebung voraussichtlich ergeben hätte, d.h. welche Flächen oder Räume in welchen Zeiträumen nicht genutzt worden sind, und dass das FG aufgrund des erwarteten Beweisergebnisses zu einer anderen Beurteilung der sachlichen Verflechtung hätte gelangen können.

 

3. NV: Die Frage der sachlichen Verflechtung infolge der Überlassung von Büroräumen ist durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt.

 

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleiniger Gesellschafter einer GmbH, die aufgrund eines Franchisevertrags schlüsselfertige Einfamilienhäuser erstellt (T-GmbH), sowie einer zweiten GmbH, die für erstere als Subunternehmerin tätig ist (B-GmbH).
2
Der Kläger erwarb im Dezember 2004 aus einer Insolvenz das bebaute Grundstück H und vermietete ab Februar 2005  655 qm Büroräume und 25 Parkplätze an die T-GmbH sowie 50 qm Büroräume und sechs Parkplätze an die B-GmbH; außerdem 40 qm Büroräume und drei Parkplätze an die X-GmbH, deren Anteile er mehrheitlich hielt. Die T-GmbH ist Eigentümerin eines benachbarten Grundstücks –vom Kläger als Bauhof bezeichnet–, das mit einer Lagerhalle und einem Bürogebäude bebaut ist.
3
In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre (2005 bis 2007) erfassten der Kläger und seine Ehefrau die Überlassung des Grundstücks H bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und die Gewinnausschüttungen der T-GmbH und der B-GmbH bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) würdigte die Grundstücksüberlassung und die Gewinnausschüttungen dagegen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, erließ die streitigen Gewerbesteuermessbescheide und wies die dagegen gerichteten Einsprüche als unbegründet zurück.
4
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Klage sei unbegründet, da das FA zu Recht von einer Betriebsaufspaltung ausgegangen sei.
5
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde vor, das FG habe beantragte Beweise nicht erhoben und seine Sachaufklärungspflicht verletzt. Darüber hinaus habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung.

Entscheidungsgründe

6
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
7
1. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
8
a) Das FG war nicht verpflichtet, den Prozessbevollmächtigten als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, ob die T-GmbH auf dem Grundstück H lediglich Buchhaltung und Rechnungslegung erledigt hat. Es hat insoweit weder gegen das Gebot rechtlichen Gehörs (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) verstoßen noch seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verletzt.
9
Bei der Prüfung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist auf den materiellen Rechtsstandpunkt des FG abzustellen (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 4. April 2003 V B 145/02, BFH/NV 2003, 1096; vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788). Das FG ist davon ausgegangen, dass es für die sachliche Verflechtung ausreicht, dass der Betrieb der GmbH Verwaltungsarbeiten erfordert, diese in den angemieteten Büroräumen auf dem Grundstück H ausgeführt werden und die GmbH insofern auf dieses Grundstück angewiesen sei; unerheblich sei, dass der Vertrieb der Haustypen und die Bauleistungen anderswo erbracht würden und ob die Verwaltungstätigkeiten auch auf einem anderen Grundstück ausgeübt werden könnten.
10
Nach diesem Rechtsstandpunkt kam es nicht darauf an, welcher Art die auf dem Grundstück H ausgeführten Verwaltungsaufgaben waren, so dass darüber auch der dazu angebotene Beweis nicht erhoben werden musste.
11
Das FG hat zwar ausgeführt, es liege „auf der Hand, dass für die GmbH zur Erfüllung der in einem Unternehmen anfallenden organisatorischen und kaufmännischen Arbeiten (z.B. Entgegennahme von Kundenaufträgen, Vorbereitung von Vertragsabschlüssen und Preiskalkulation, Überwachung von Einkauf und Wareneingang, Koordination des Einsatzes der Mitarbeiter, Rechnungswesen und Buchführung) Büro- und Verwaltungsräume notwendig“ seien. Dies ist indessen nicht dahin zu verstehen, dass nach seiner Überzeugung sämtliche dieser Tätigkeiten in den angemieteten Räumen des Grundstücks H ausgeführt wurden, sondern besagt –wie die nachfolgenden Sätze des Urteils zeigen– lediglich, dass einige dieser Arbeiten dort verrichtet wurden und diese Arbeiten auch angesichts der Miete in Höhe von 90.000 EUR jährlich nicht von untergeordneter Bedeutung waren. Auch der Hinweis des FG auf das weitere Bürogebäude der GmbH auf dem Nachbargrundstück zeigt, dass es nicht –wie der Kläger meint– davon ausgegangen ist, dass sämtliche Verwaltungstätigkeiten auf dem Grundstück H verrichtet wurden.
12
b) Soweit der Kläger beanstandet, dass der Prozessbevollmächtigte nicht dazu gehört wurde, „dass ein Großteil der Fläche von der … (T) GmbH in den Streitjahren gar nicht genutzt wurde“, sind die Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht erfüllt. Insoweit wären Angaben darüber erforderlich gewesen, was die Beweiserhebung voraussichtlich ergeben hätte, d.h. welche Flächen oder Räume in welchen Zeiträumen nicht von der T-GmbH genutzt worden sind, und dass das FG aufgrund des erwarteten Beweisergebnisses zu einer anderen Beurteilung der sachlichen Verflechtung hätte gelangen können.
13
Der Senat merkt dazu an, dass das FG den Kläger bereits ein halbes Jahr vor der mündlichen Verhandlung ohne Erfolg aufgefordert hatte, die Einzelheiten der Nutzung des Grundstücks H darzulegen.
14
c) Der Kläger hat die Darlegungserfordernisse des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO auch nicht erfüllt, soweit er vorträgt, das FG habe seinen Tatsachenvortrag übergangen, dass die T-GmbH die auf dem Grundstück H ausgeübten Tätigkeiten auch in dem ihr gehörenden, daneben belegenen Verwaltungsgebäude hätte vornehmen können. Denn es fehlt schon jeglicher Vortrag dazu, welchen Platzbedarf die auf dem Grundstück H tätigen Arbeitnehmer hatten und wie sie in dem anderen Gebäude hätten unterkommen können.
15
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), denn die Frage der sachlichen Verflechtung infolge der Überlassung von Büroräumen ist durch die –teilweise vom FG zitierte– Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt (vgl. auch BFH-Beschluss vom 16. Februar 2012 X B 99/10, BFH/NV 2012, 1110; Blümich/Bode, § 15 EStG Rz 624).
16
Der Vortrag des Klägers, das FG habe seine Entscheidung auf die Größe der angemieteten Räume und die Höhe der Miete für die Büroräume sowie auf deren unmittelbare Nähe zum Bauhof der T-GmbH gestützt, und damit den Tatbestand der Betriebsaufspaltung zu weit ausgelegt, erschöpft die Gründe des FG-Urteils nicht. Er richtet sich letztlich gegen die Sachverhaltswürdigung des FG; damit kann die Revisionszulassung jedoch nicht erreicht werden.
17
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

 

Staat lässt Flutopfer nicht allein

In einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung vom 5. Juni 2013 sagt Dr. Wolfgang Schäuble den von Flutschäden betroffenen Bürgern unbürokratische und solidarische Unterstützung zu. Die Kritik an angeblich inszenierten Informationsreisen von Politikern in die Notfallgebiete kann der Bundesfinanzminister nicht nachvollziehen.

LVZ: Flutzeit ist auch immer Solidaritätszeit. Im Sommer 2002 versprach SPD-Kanzler Schröder: „Nach der Flut soll niemand materiell schlechter gestellt sein als vor der Flut.“ Gilt das auch für den Bundesfinanzminister nach der Sommerflut 2013?

Schäuble: Jetzt ist erst einmal die Zeit, den betroffenen Regionen und Menschen unmittelbar und rasch zu helfen und zu versuchen, die Schäden möglichst gering zu halten. THW und Bundeswehr sind dafür vor Ort. Erst nachdem die Flut bewältigt ist, wird es möglich sein, einen wirklichen Überblick über die Schäden zu gewinnen. Und dann werden die Deutschen wie in der Vergangenheit auch zusammenstehen und sicherstellen, dass die Menschen in den Flutgebieten nicht alleine gelassen werden. Genau für solche Fälle gibt es eine Solidargemeinschaft und einen starken Staat.

LVZ: 2002 gab es einen Aufbaufonds, über den unbürokratisch und umfassend schnell abgerechnet werden konnte. Ein Modell, das wiederbelebt werden sollte?

Schäuble: Der Aufbaufonds von 2002 war ein geeignetes Instrument, um die Folgen der Flut zu bewältigen. Er war, nebenbei gesagt, länger aktiv als sich viele vorstellen können. Natürlich kann man immer etwas verbessern und das gilt sicherlich auch für den Aufbaufonds. 2005 bei der Flut in Bayern wurde ein anderer, ebenfalls erfolgreicher Weg gewählt, der sich an den Einzelmaßnahmen des Landes Bayern orientierte und im Bundeshaushalt wiederspiegelte. Wie dem auch sei: Jetzt gilt es erst einmal die Flut zu bewältigen und zu schauen, dass wir den Menschen direkt helfen. Die Fragen, die sich rund um die längerfristige Bewältigung der diesjährigen Flut drehen, werden wir danach gemeinsam lösen. Unabhängig von dieser Frage hat die Bundeskanzlerin aber schon jetzt erklärt, dass der Bund sich an den Sofortmaßnahmen der Länder angemessen beteiligen wird.

LVZ: Was ist notwendige Information und Hilfsbereitschaft, ab wann setzt bei Politiker-Besuchen in Krisenregionen der platte Wahlkampf ein?

Schäuble: Die Bürger erwarten mit Recht, dass sich ihre gewählten Repräsentanten selber vor Ort darum kümmern, dass die Krisenbewältigung klappt und funktioniert und sich auch vor Ort kundig machen. Es ist nicht vorstellbar, dass beispielsweise ein Minister nur fernab der Flut in seinem warmen und trockenen Büro auf Papiere schaut um dann entscheiden zu können, was in den überfluteten Gebieten zu tun oder veranlassen ist. Der Besuch vor Ort vermittelt den Betroffenen unmittelbar Solidarität und Mitgefühl, motiviert die Helfer, denn er drückt Dankbarkeit und Unterstützung aus, löst manchmal Blockaden, denn ein hochrangiger Besuch macht vieles möglich und ermöglicht es dem Entscheidungsträger, sich selber einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Dass die Medien diese Besuche begleiten wollen, ist ein Teil unserer offenen und transparenten Demokratie.

Das Gespräch führte Dieter Wonka.

BdSt verhindert Bürokratie bei Unternehmen – Ausweitung der Künstlersozialabgabeprüfung gestoppt

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) begrüßt die Entscheidung der Koalitionsfraktionen, die Betriebsprüfung der Künstlersozialabgabepflicht bei Unternehmen nun doch nicht auszuweiten. Die neue gesetzliche Regelung sah vor, die bislang stichprobenartige Prüfung der Künstlersozialabgabe bei den Unternehmen künftig lückenlos durchzuführen. Diese Regelung hätte Wirtschaft und Verwaltung zusätzlich mit 50 Mio. Euro belastet. Der Bund der Steuerzahler hatte dieses Vorgehen scharf kritisiert und sich bei den politischen Entscheidungsträgern offensiv gegen die Neuregelung eingesetzt.

„Wir freuen uns, dass mit dieser Entscheidung eine Forderung des Bundes der Steuerzahler umgesetzt wurde und eine zusätzliche Kostenbelastung der Unternehmen verhindert werden konnte“, äußerte sich BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Dies ist ein positives Signal an die Unternehmerinnen und Unternehmer in unserem Land! Nun geht es darum, die bürokratische Künstlersozialversicherung grundsätzlich auf neue Füße zu stellen.“

Denn auch ohne Ausweitung der Betriebsprüfung belastet die Erhebung der Künstlersozialabgabe die Unternehmen unnötig mit Bürokratie. Grundsätzlich ist die Ermittlung der Abgabenlast zu kompliziert, intransparent und neigt zu Ungerechtigkeiten. Ein aktuelles Gutachten des renommierten Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Hans-Wolfgang Arndt, das im Auftrag des Bundes der Steuerzahler erstellt wurde, stuft die Künstlersozialabgabe zudem als verfassungswidrig ein. „Die Abschaffung der derzeitigen Abgabe wäre ein relevanter Beitrag zur Entlastung kleiner und mittelständischer Unternehmer von unnötigen Bürokratiekosten“, meint BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Nach Ansicht des BdSt sollte die Künstlersozialversicherung durch andere, effizientere Mittel als die Künstlersozialabgabe finanziert werden.

Das Gutachten finden Sie auf der Homepage des BdSt.

Quelle: BdSt, Pressemitteilung vom 07.06.2013

Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 20.3.2013, VI R 5/11

Grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO

Leitsätze

Allein der Umstand, dass die mit ElsterFormular abgegebene elektronische Einkommensteuererklärung keinen vollständigen Ausdruck der Steuererklärungsformulare liefert, lässt eine ansonsten gegebene grobe Fahrlässigkeit nicht entfallen.

Tatbestand

1
I. Streitig ist, ob der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid noch geändert werden kann, um in der elektronischen Steuererklärung (ELSTER) nicht angegebene Unterhaltsleistungen nachträglich zu berücksichtigen.
2
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) lebte im Streitjahr (2006) zusammen mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen, im Januar 2006 geborenen Kind. Der Kläger erstellte seit 1992 seine Steuererklärungen selbst. Im Streitjahr verwendete er dazu, wie schon im Vorjahr, das elektronische Steuererklärungsprogramm der Finanzverwaltung (ElsterFormular).
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) erließ auf Grundlage dieser Erklärung am 18. Mai 2007 einen Einkommensteuerbescheid, der bestandskräftig wurde.
4
Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 23. März 2008 die Änderung dieser Einkommensteuerfestsetzung für 2006 mit dem Ziel, Unterhaltsleistungen an seine Lebenspartnerin als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen (§ 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes). Er begründete dies zunächst damit, dass er diese Aufwendungen aus Unerfahrenheit nicht erklärt habe. Später trug er dazu vor, schlichtweg vergessen zu haben, die Aufwendungen zu erklären. Der Fehler sei ihm auch nach nochmaliger Durchsicht des Ausdrucks nicht aufgefallen. Denn beim ELSTER-Verfahren enthalte der abschließende Erklärungsausdruck nur die Felder, in denen auch Eintragungen vorgenommen worden seien. Letztlich habe die Unübersichtlichkeit des ElsterFormulars im Vergleich zur Steuererklärung in Papierform und die fehlende Routine im Umgang mit dem ElsterFormular die Entdeckung des Fehlers verhindert, der allenfalls auf leichter Fahrlässigkeit beruhe.
5
Das FA lehnte es ab, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr zu ändern. Denn den Kläger treffe ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Unterhaltsleistungen. Im ElsterFormular werde ebenso wie in der Anleitung zur Steuererklärung und im Erklärungsvordruck auf den Abzug von Unterhaltsleistungen hingewiesen und nach Angaben zur unterhaltenen Person gefragt.
6
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 1043 veröffentlichten Gründen abgewiesen.
7
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
8
Er beantragt sinngemäß,das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 30. Juni 2010 sowie den ablehnenden Bescheid vom 27. Juni 2008 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2009 aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 18. Mai 2007 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 7.130 EUR herabgesetzt wird.
9
Das FA beantragt,die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der hier streitige bestandskräftige Einkommensteuerbescheid wegen eines den Kläger treffenden groben Verschuldens nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern ist.
11
Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Als grobes Verschulden hat der Steuerpflichtige Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grobe Fahrlässigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (BFH-Urteile vom 9. November 2011 X R 53/09, BFH/NV 2012, 545; vom 19. Dezember 2006 VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866; vom 9. August 1991 III R 24/87, BFHE 165, 454, BStBl II 1992, 65; jeweils m.w.N.).
12
a) Ob der Beteiligte im jeweiligen Einzelfall grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen Tatfrage. Die dazu getroffenen Feststellungen und daraus folgenden Würdigungen des FG können –abgesehen von zulässigen und begründeten Verfahrensrügen– von der Revisionsinstanz nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit und die aus ihm abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt worden sind und ob die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 545, m.w.N.).
13
b) Die Würdigung des FG, angesichts der Ausgestaltung des ElsterFormulars für die Einkommensteuererklärung 2006 und der Anleitung dazu treffe den Kläger ein grobes Verschulden daran, dass die Unterhaltsleistungen erst nachträglich bekannt wurden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
14
aa) Das FG hat im Fall des Klägers den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit zutreffend ausgelegt und die daraus abzuleitenden Sorgfaltspflichten richtig erkannt. Von einem groben Verschulden ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er eine unvollständige Steuererklärung abgibt. Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des BFH, dass kein grobes Verschulden vorliegt, wenn die unvollständige Steuererklärung auf einem subjektiv entschuldbaren Rechtsirrtum beruht. Aber auch der Steuerpflichtige, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, muss im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 545, m.w.N.).
15
bb) Das FG hat nach Maßgabe dieser Grundsätze in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ein grob fahrlässiges Handeln des Klägers angenommen. Es hat das grobe Verschulden insbesondere darin gesehen, dass der Kläger die mit „Unterhalt für bedürftige Personen“ überschriebene Zeile 102 unbeantwortet ließ und er nicht nur die in der Anleitung zur Einkommensteuererklärung aufgeführten zwei auf ihn zutreffenden Sachverhalte, sondern auch den dort angeführten Hinweis nicht beachtete, dass eine Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter eines gemeinsamen Kindes bestehen kann. Dazu hat das FG auch die Einlassung des Klägers, er habe eine elektronische Steuererklärung abgegeben und deshalb deren schriftliche Anleitung nicht zur Verfügung gehabt, in seine Würdigung einbezogen und im Ergebnis als unbeachtlich beurteilt. Denn es hat festgestellt, dass diese Angaben auch in dem vom Kläger verwendeten elektronischen ElsterFormular der Finanzverwaltung enthalten waren. Auch für diese Hinweise gilt –nicht anders als für solche in Papierform–, dass es regelmäßig grob fahrlässig ist, diese unbeachtet zu lassen, sofern sie ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind. Davon war im Streitfall nach den Feststellungen des FG für das ElsterFormular 2006 auszugehen.
16
Der hier zu entscheidende Streitfall unterscheidet sich von dem heute durch den erkennenden Senat ebenfalls entschiedenen Fall zum ElsterFormular des Veranlagungszeitraums 2008 (Urteil vom 20. März 2013 VI R 9/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt), indem aufscheinende Hilfstexte die Sachverhalte nur unvollständig erläuterten und den Steuerpflichtigen angesichts unübersichtlicher Vordruckgestaltungen gerade nicht dazu veranlassten, zur Verfügung gestellte weitere Anlagen zu verwenden. Das FG hat dagegen für die im Streitfall erforderlichen Eingaben in die Maske des Steuerformulars keine im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Besonderheiten in der Programmführung des ElsterFormulars festgestellt. Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall auch von dem des FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13. Dezember 2010  5 K 2099/09, EFG 2011, 685, Revisionsverfahren anhängig unter dem Az. X R 8/11); dort hatten die Anwendungsmodalitäten des Programms den Anwender veranlasst, in eine andere Eingabemaske zu wechseln, ohne nach der Eingabe dort zur ursprünglichen Maske zurückzukehren.
17
Der Kläger kann sich schließlich nicht darauf berufen, dass im Gegensatz zur Einkommensteuererklärung in Papierform das ElsterFormular keinen vollständigen Ausdruck der Steuererklärung liefert, sondern letztlich nur die Werte und Kennziffern aufführt, zu denen der Steuerpflichtige Eintragungen vorgenommen hat. Denn dies mag zwar einen Nachteil der elektronischen Steuererklärung darstellen, betrifft aber nicht den Grund für die Annahme der groben Fahrlässigkeit, nämlich die fehlende An- und Eingabe im ElsterFormular selbst.

 

Automatischer Informationsaustausch in Steuersachen mit den USA

Berlin: (hib/HLE) Deutschland und die USA wollen die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und den automatischen Informationsaustausch weiter ausbauen. Dazu haben die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP den „Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen“ (17/13704) eingebracht. Der Gesetzentwurf steht am Freitag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages.

 

Der Austausch von Steuerdaten war bereits mit dem Doppelbesteuerungsabkommen von 1989 mit Änderungsprotokoll vom 1. Juni 2006 vereinbart worden. „Mit dem vorliegenden Abkommen möchten beide Staaten die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung weiter ausbauen“, heißt es in der Denkschrift zum Abkommen, wo außerdem ausgeführt wird: „Beide Staaten sehen in einem automatischen Informationsaustausch, der die Nutzung ausländischer Bankkonten und bestimmte Kapitalanlagen einbezieht, ein geeignetes Mittel, Steuerhinterziehung im grenzüberschreitenden Bereich zu bekämpfen.“

In dem Abkommen geht es auch um amerikanische Vorschriften zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, die als Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA) bekannt geworden sind. Damit werden ausländische Finanzinstitute in die Bekämpfung der Steuerhinterziehung dadurch einbezogen, indem sie bestimmten Meldepflichten gegenüber der US-Steuerbehörde unterliegen. Dabei geht es um Konten, deren Inhaber in den USA steuerpflichtig sind. Wenn ausländische Finanzinstitute die FATCA-Meldepflichten nicht erfüllen, wird auf Erträge aus amerikanischen Quellen eine besondere Quellensteuer in Höhe von 30 Prozent erhoben, „und diese Steuer wäre nur über aufwändige Verfahren wieder erstattungsfähig“, heißt es in der Denkschrift.

Finanzen/Gesetzentwurf – 05.06.2013

Vermittlungsausschuss macht den Weg für wichtige Änderungen im Steuerrecht frei

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss vom 5. Juni 2013 können wichtige Neuregelungen aus dem Jahressteuergesetz 2013 umgesetzt werden.

Dazu gehört insbesondere die Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Grunderwerbsteuer bei Geschäften unter Lebenspartnern. Die private Nutzung von betrieblichen Elektrofahrzeugen wird künftig steuerlich günstiger bewertet. Für Arbeitnehmer wird es einfacher, einen Lohnsteuerfreibetrag geltend zu machen. Für freiwillig Wehrdienstleistende gelten steuerliche Neuregelungen, ihr Wehrsold bleibt auch in Zukunft steuerfrei. Weiterhin wird die geförderte private Altersvorsorge noch attraktiver gestaltet. Außerdem werden Steuergestaltungsmodelle eingeschränkt.

Dazu erklärt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen Hartmut Koschyk:

„Nach der überfälligen Einigung ist sichergestellt, dass Steueransprüche auch künftig gleichmäßig durchzusetzen sind, ohne dabei aber die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu gefährden. Außerdem wird das Steuerrecht für die Bürger leichter handhabbar und die private Altersvorsorge besser gefördert.“

Mit der vorliegenden Einigung gehören drei Steuergestaltungsmodelle der Vergangenheit an: Dies sind das so genannte Goldfinger-Modell, der RETT-Blocker und die erbschaftsteuerliche Cash-GmbH. Die Regelungen sollen kurzfristig in Kraft treten. Die bisherigen jährlichen Steuermindereinnahmen durch die drei Modelle wurden bisher auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt.

Das so genannte Goldfinger-Modell nutzt den negativen Progressionsvorbehalt aus. Künftig werden bei der Ermittlung von ausländischen Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, Aufwendungen für den Erwerb von Umlaufvermögen erst im Zeitpunkt der Veräußerung der angeschafften Wirtschaftsgüter angerechnet. Damit können Steuerpflichtige, die der Reichensteuer unterliegen, nicht mehr in einem Jahr den negativen Progressionsvorbehalt zu ihren Gunsten ausnutzen, ohne dass sich im Anschluss eine korrespondierende Wirkung zu ihren Lasten ergibt.

Über RETT-Blocker als weiterer Käufer beim Erwerb von Immobilien konnte bisher Grunderwerbsteuer vermieden werden. Der Vermittlungsausschuss einigte sich darauf, dass dies nicht mehr möglich ist, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung die vom RETT-Blocker erworbenen Anteile an der Immobilie dem anderen Erwerber zuzurechnen sind.

Mit einer Cash-GmbH konnte bisher die Erbschaft- und Schenkungsteuer im Bereich der privaten Vermögensverwaltung teilweise vermieden werden. Damit wird verhindert, dass privates Vermögen in erbschaftsteuerlich begünstigtes Betriebsvermögen umgewandelt wird. Im Vermittlungsausschuss wurde vereinbart, wie betrieblich notwendiges und daher steuerlich begünstigtes Finanzvermögen von anderen Finanzmitteln im Einzelnen abzugrenzen ist.

Im Rahmen des EU-Amtshilfegesetz wird weitgehend das bisher vom Bundesrat abgelehnte Jahressteuergesetz 2013 beschlossen. Damit werden bereits lang geplante zwingende Rechtsanpassungen vorgenommen. Arbeitnehmer können zudem die Geltungsdauer eines Freibetrages von einem auf zwei Jahre verlängern. Ebenso wie der Wehrsold freiwillig Wehrdienstleistender bleibt das für den Bundesfreiwilligendienst gezahlte Taschengeld steuerfrei. Weitere Bezüge wie der Wehrdienstzuschlag und besondere Zuwendungen werden dagegen steuerpflichtig.

Mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz wird ein neues Produktinformationsblatt eingeführt, das beim Vergleich der verschiedenen Vorsorgeprodukte helfen wird. Zudem wird die Eigenheim-Rente vereinfacht, indem künftig in der Ansparphase jederzeit Kapital entnommen werden kann.

Sobald Bundestag und Bundesrat dem Vermittlungsvorschlag zustimmen, können die Gesetze in Kraft treten.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 05.06.2013

Siehe dazu auch die Pressemitteilung des Bundesrats:

Durchbruch im Steuerrecht

Nach monatelangen Verhandlungen haben Bund und Länder ihren Streit im Steuerrecht beigelegt. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beschloss am 05.06.2013 einen äußerst umfangreichen Kompromissvorschlag, der noch in dieser Woche beiden Häusern zur Bestätigung vorgelegt wird.

Die Vermittler einigten sich darauf, künftig „unerwünschte Gestaltungen zur Steuervermeidung“ einzuschränken, also bislang legale Steuerschlupflöcher zu schließen. Damit greift der Ausschuss Bedenken der Länder auf, die vor massiven Steuerausfällen und -ungerechtigkeiten gewarnt hatten.

Einschränkungen sieht der Kompromiss unter anderem bei den „Cash-GmbHs“ vor, die es Erben bislang ermöglichten, große private Geldvermögen als Betriebsvermögen zu deklarieren und damit die Erbschaftsteuer drastisch zu reduzieren. Nach dem Vermittlungsvorschlag darf eine solche GmbH nur noch 20 Prozent des Vermögens enthalten.

Ebenfalls begrenzt werden soll die Möglichkeit für Immobilienunternehmen, durch Anteilstausch über so genannte RETT-Blocker die Grunderwerbsteuer zu vermeiden. Der Anwendungsbereich wird stark eingegrenzt. Das als „Goldfinger“ bezeichnete Steuersparmodell mittels An- und Verkauf von Gold über Firmen nach ausländischem Recht will der Vermittlungsausschuss gänzlich aus dem Einkommensteuergesetz streichen.

Der heute beschlossene Einigungsvorschlag ist als komplette Neufassung des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes formuliert. Er integriert den im Dezember 2012 gefundenen Kompromiss zum Jahressteuergesetz 2013 – mit Ausnahme der damals vorgeschlagenen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften, an der das Gesetzgebungsverfahren seinerzeit gescheitert war.

Das neugefasste Gesetz soll im Grundsatz am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Zahlreiche Elemente aus dem Jahressteuergesetz 2013 finden allerdings – wie ursprünglich geplant – bereits für den gesamten Veranlagungszeitraum 2013 Anwendung.

 Quell: Bundesrat, Pressemitteilung vom 05.06.2013

Doppelansatz von Altersvorsorgeaufwendungen bei unklarer Bescheinigung

Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen bei Doppelansatz von Altersvorsorgeaufwendungen aufgrund unklarer Bescheinigung eines Versorgungswerks

 Leitsatz

1. Gibt der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Bescheinigung eines Versorgungswerks in seiner Einkommensteuererklärung Altersvorsorgeaufwendungen in einer Höhe an, die das Doppelte der tatsächlichen Aufwendungen beträgt, so ist das FA nach Kenntnisnahme von der tatsächlichen Höhe der Aufwendungen auch dann nicht durch die Grundsätze von Treu und Glauben an einer auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderung des Bescheids gehindert, wenn ihm seinerseits eine Verletzung von Ermittlungspflichten zur Last fällt, es die Angaben in der Steuererklärung also zum Anlass einer Nachfrage beim Steuerpflichtigen hätte nehmen müssen.

2. Im Anwendungsbereich der Grundsätze von Treu und Glauben kann ein Steuerpflichtiger seine verfahrensrechtliche Position nicht dadurch verbessern, dass er seine Steuererklärung durch einen Steuerberater fertigen lässt und dieser vorbereitende Tätigkeiten seinem Büropersonal überträgt.

3. Weil für die Feststellung einer leichtfertigen Steuerverkürzung auch die persönlichen Fähigkeiten der als Täter in Betracht kommenden Person maßgebend sind, muss das FG diese Person jedenfalls in Grenzfällen persönlich anhören, wenn sich nicht bereits aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien die Leichtfertigkeit eindeutig ergibt.

 Gründe

I.

[1 ] Die Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) sind Eheleute, die in den Streitjahren 2006 und 2007 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Antragsteller erzielte als angestellter Arzt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ferner in geringem Umfang Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Die Antragstellerin war als Arbeitnehmerin tätig.

[2 ] Der Antragsteller ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Zu den Pflichtbeiträgen, die der Höhe nach denen zur gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, zahlt der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Regelungen (in den Streitjahren § 172 Abs. 2 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch —SGB VI —; seit 1. Januar 2012 § 172a SGB VI ) einen hälftigen Zuschuss.

[3 ] In den vom Arbeitgeber des Antragstellers erstellten Lohnsteuerbescheinigungen für die Streitjahre waren die Beiträge zur Altersvorsorge —gesondert nach Arbeitnehmeranteil und Arbeitgeberzuschuss— angegeben. Dass es sich um Beiträge an ein Versorgungswerk handelte, war nach dem unbestrittenen Vorbringen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) aus den Lohnsteuerbescheinigungen nicht erkennbar.

[4 ] Zusätzlich stellte das Versorgungswerk jeweils einen „Jahreskontoausweis” aus. Dieser lautete für das Streitjahr 2007: „wir dürfen Ihnen mit Kontostand vom 31.12.2007 die auf Ihrem Konto im Jahr 2007 bei…<Versorgungswerk> eingegangene Beitragssumme mitteilen: 10.865,52 €”. Hinweise darauf, dass es sich hierbei um den Pflichtbeitrag für Arbeitnehmer handelt, der einen hälftigen Arbeitgeberzuschuss enthält, sind in der Bescheinigung nicht enthalten. Nach dem Vorbringen der Antragsteller hat das Versorgungswerk für das Jahr 2006 einen vergleichbaren Jahreskontoausweis ausgestellt. Da der Antragsteller über den Pflichtbeitrag hinaus keine freiwilligen Mehrzahlungen an das Versorgungswerk geleistet hatte, waren die im Jahreskontoausweis bescheinigten Beiträge mit der Summe der in den Lohnsteuerbescheinigungen aufgeführten Beiträge identisch.

[5 ] Die Antragsteller reichten ihre Einkommensteuererklärungen für 2006 und 2007, die durch eine Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorbereitet worden waren, jeweils im Folgejahr beim FA ein. Sie gaben in den Zeilen 61 und 65 der dritten Seite des Mantelbogens die aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge an. Zusätzlich trugen sie in der Zeile 63 die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks genannten Beträge ein. Ihrer Einkommensteuererklärung 2007 fügten sie den entsprechenden Jahreskontoausweis bei; ob dies auch für das Jahr 2006 geschehen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.

[6]

 

  Insgesamt erklärten die Antragsteller die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen:
  2006

  2007

  Zeile 61 (Antragsteller)

  5.148 Euro;

  5.433 Euro;

  Zeile 61 (Antragstellerin)

  1.339 Euro;

  1.356 Euro;

  Zeile 63 (Antragsteller)

  10.296 Euro;

  10.866 Euro;

  Zeile 65 (Antragsteller)

  5.148 Euro;

  5.432 Euro;

  Zeile 65 (Antragstellerin)

  1.338 Euro;

  1.355 Euro;

 

[7 ] Die Vordrucke zur Einkommensteuererklärung enthalten zu diesen Zeilen die folgenden Angaben:

[8]

 

  –   Zeile 61: „Beiträge zu gesetzlichen Rentenversicherungen u. zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 23 d. Lohnsteuerbescheinigung (Arbeitnehmeranteil)”;
  –   Zeile 63 (Fassung 2006): „Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen;
  –   Zeile 63 (Fassung 2007): „Beiträge zu freiwilligen Versicherungen in den gesetzlichen Rentenversicherungen und zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie Pflichtbeiträge von Nichtarbeitnehmern zu den gesetzlichen Rentenversicherungen”;
  –   Zeile 65: „Arbeitgeberanteil zu gesetzlichen Rentenversicherungen, Zuschüsse zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen lt. Nr. 22 der Lohnsteuerbescheinigung”;.

 

[9 ] Die Einkommensteuererklärung der Antragsteller für 2006 war im FA nur zur überschlägigen Prüfung vorgesehen. Der zuständige Bearbeiter vermerkte in der Prüfungsdokumentation durch Ankreuzen der entsprechenden Formularfelder, die Erklärung sei vollständig, schlüssig und glaubhaft. Demgegenüber war die Steuererklärung für 2007 zur Intensivprüfung vorgesehen. Im elektronisch unterstützten Veranlagungsverfahren wurden dem Bearbeiter zahlreiche maschinelle Prüfhinweise vorgegeben. Einer dieser Hinweise lautete: „Schwerpunktprüfung: Es liegen Eintragungen zu Kz 52.35/36 [= Zeile 63 des Mantelbogens] vor, die zur Anwendung des neuen Rechts führen. Bitte prüfen. Sollte es sich um steuerpflichtige Beiträge zur VBL/ZVK handeln, sind diese in Kz 52.44/46 einzutragen.” Der Sachbearbeiter richtete mit Schreiben vom 1. und 11. August 2008 an die Antragsteller zahlreiche Rückfragen zur Steuererklärung, die allerdings nicht die hier streitigen Beiträge zur Altersversorgung betrafen. Im weiteren Verlauf der Bearbeitung versah er die von den Antragstellern in Zeile 63 eingetragene Zahl mit einem Haken und bescheinigte in der Prüfungsdokumentation, er habe die Intensivprüfung vorgenommen, insbesondere bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, den freiberuflichen Einkünften und den Steuerberatungskosten.

[10 ] Im Ergebnis veranlagte das FA die Antragsteller hinsichtlich der Altersvorsorgeaufwendungen in den nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ursprünglichen Bescheiden für 2006 und 2007 erklärungsgemäß. Dies führte dazu, dass der Gesamtbeitrag des Antragstellers zum Versorgungswerk doppelt berücksichtigt wurde und die folgenden Beträge der Besteuerung zugrunde gelegt wurden:

[11]

 

 2006  2007
 gesamte Altersvorsorgeaufwendungen  23.269 €  24.442 €
 als Sonderausgaben abziehbarer Anteil  7.941 €  8.856 €

 

[12 ] Die Antragsteller legten gegen beide Bescheide aus nicht mehr im Streit befindlichen Gründen Einsprüche ein, denen das FA jeweils abhalf.

[13 ] In der Folgezeit entwickelte die für die Risikoprüfung zuständige Mittelbehörde ein Prüfungsraster, mit dem Fälle, in denen es möglicherweise zu einem doppelten Ansatz von Altersvorsorgeaufwendungen gekommen war, maschinell erkannt werden konnten. Am 9. März 2011 richtete sie an das FA eine Kontrollmitteilung, in der es u.a. hieß: „Die Prüfung der Kennzahlen 52.30/47/32/35…zeigte für o.g. Steuerpflichtigen Merkmale des in der ESt-Kurzinformation 06/2010 beschriebenen Sachverhalts.…Bitte kontrollieren Sie die berücksichtigten Sonderausgaben, insbesondere hinsichtlich möglicher Mehrfacherklärung/-erfassung von Zahlungen aufgrund einer Bescheinigung des Versorgungsträgers zusätzlich zum Ausweis der Beiträge auf der Lohnsteuerbescheinigung. Von einer rein summarischen Kontolle ist abzuraten, da neben Jahresverschiebungen vereinzelt private Zusatzzahlungen festgestellt wurden.”

[14 ] Nach entsprechender Ankündigung erließ das FA am 23. Februar 2012 die im Hauptsacheverfahren angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007, die es verfahrensrechtlich auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützt hat. Darin wurden —materiell-rechtlich zutreffend— nur noch die folgenden Altersvorsorgeaufwendungen angesetzt:

[15]

 

  2006   2007
  gesamte Altersvorsorgeaufwendungen

  12.973 Euro;

  13.576 Euro;

  als Sonderausgaben abziehbarer Anteil

  1.558 Euro;

  1.902 Euro;

 

[16 ] Das FA vertrat zur Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Auffassung, ihm sei die Tatsache, dass die in Zeile 63 eingetragenen Beiträge an das Versorgungswerk nicht zusätzlich zu den in den Lohnsteuerbescheinigungen enthaltenen Altersvorsorgeaufwendungen geleistet worden seien, erst nachträglich bekannt geworden. Es habe auch seine Ermittlungspflicht nicht verletzt. Denn es habe davon ausgehen dürfen, dass die Eintragungen in den Steuererklärungen zutreffend gewesen seien, weil sowohl die Höhe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit den Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen als auch die Höhe der in der Zeile 63 eingetragenen Beträge mit den Angaben im Jahreskontoausweis übereingestimmt habe. Selbst wenn dem FA aber eine Verletzung seiner Ermittlungspflicht unterlaufen sein sollte, werde diese durch die Verletzung der Mitwirkungspflicht der Antragsteller überwogen. Denn es müsse sowohl steuerlich unkundigen Steuerpflichtigen als auch —erst recht— einem Steuerberater klar sein, dass dieselben Aufwendungen nicht mehrfach steuermindernd geltend gemacht werden dürfen. Daher sei, obwohl für das Jahr 2006 die reguläre Festsetzungsfrist bereits abgelaufen sei, auch insoweit eine Änderung zulässig, da den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei und sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre verlängere.

[17 ] Die Antragsteller brachten vor, es gehe im Streitfall nicht um eine Tatsachenfrage, sondern um eine rechtliche Würdigung, die keine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertige. Jedenfalls sei ihnen keine Pflichtverletzung vorzuwerfen, da sie in den Steuererklärungen alle erforderlichen Angaben gemacht und auf die —als unklar anzusehenden— Bescheinigungen des Versorgungswerks ebenso hätten vertrauen dürfen wie das FA. Weder für die Antragsteller noch für das FA sei offensichtlich gewesen, „welche Beiträge nun eigentlich in welcher Bescheinigung bestätigt wurden”. Gerade das FA hätte aber aufgrund der vorgelegten Bescheinigungen den Doppelansatz erkennen können. Außerdem hätten sich dem FA Zweifel an der Richtigkeit der Angaben in den Steuererklärungen aufdrängen müssen, da nach § 16 der Satzung des Versorgungswerks angestellte Mitglieder einen Beitrag in Höhe desjenigen Betrages zu entrichten hätten, der dem ansonsten in die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlenden Beitrag entspreche. Zusätzliche freiwillige Zahlungen seien nach der Satzung nicht zulässig. Das FA hätte unschwer erkennen können, dass die in der Steuererklärung geltend gemachten Beiträge nicht zur Höhe des Arbeitslohns gepasst hätten. Da der Antragsteller Pflichtmitglied im Versorgungswerk sei, habe eindeutig festgestanden, dass die Angaben in den Lohnsteuerbescheinigungen sich nur auf die Beiträge an das Versorgungswerk hätten beziehen können.

[18 ] Der Einspruch blieb ebenso wie der beim FA gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ohne Erfolg. Die anschließend erhobene Klage ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.

[19 ] Mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angefochtenen Beschluss lehnte das FG den Antrag auf AdV ab. Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass das FA die Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO habe ändern dürfen. Maßgebende Tatsache sei, dass den Antragstellern Altersvorsorgeaufwendungen nur in Höhe von etwa der Hälfte der in den Zeilen 61 bis 65 insgesamt erklärten Beträge entstanden seien, weil sie die in Zeile 63 angegebenen Beträge nicht zusätzlich zu den in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträgen gezahlt hätten. Diese Tatsache sei dem FA erst nach Durchführung der ursprünglichen Veranlagungen bekannt geworden, da aus dem Jahreskontoausweis des Versorgungswerks nur hervorgehe, in welcher Höhe dort Beiträge eingegangen seien, nicht aber, dass darin die in der Lohnsteuerbescheinigung angegebenen Beträge enthalten seien.

[20 ] Eine Änderung sei auch nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen. Zwar habe das FA seine Ermittlungspflicht verletzt, weil es die Eintragung in Zeile 63 zum Anlass für weitere Ermittlungen hätte nehmen müssen. Im Rahmen der in diesen Fällen vorzunehmenden Abwägung überwiege die Pflichtverletzung der Antragsteller aber eindeutig. Die Festsetzungsfrist für 2006 sei wegen des Vorliegens einer leichtfertigen Steuerverkürzung noch nicht abgelaufen.

[21 ] Mit ihrer Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, wiederholen und vertiefen die Antragsteller ihr Vorbringen aus dem bisherigen Verfahren. Zusätzlich bringen sie vor, die Steuererklärungen seien im Büro ihres Steuerberaters von einem erfahrenen Steuerfachangestellten bearbeitet worden. Der Steuerberater habe darauf vertrauen dürfen, dass der Angestellte die Steuererklärungen ordnungsgemäß erstelle. Damit treffe den Steuerberater kein eigenes Verschulden; ein eventuelles Verschulden des Steuerfachangestellten sei den Antragstellern aber nicht zurechenbar.

[22 ] Die Antragsteller haben im Beschwerdeverfahren keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, jedoch erklärt, an der „Klage” festhalten zu wollen.

[23 ] Das FA beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

[24 ] Der für das Jahr 2007 vorliegende Jahreskontoausweis des Versorgungswerks habe den Bearbeiter eher darin bestärkt, dass die Angaben in der Steuererklärung zutreffend seien. Eine Tatsache sei dem FA nur dann nicht nachträglich bekannt geworden, wenn sie dem Bearbeiter bereits beim Erlass des vorangehenden Bescheids positiv bekannt gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, die Tatsachen ermitteln zu können, reiche grundsätzlich nicht aus.

II.

[25 ] Die Beschwerde ist für das Streitjahr 2006 begründet; sie führt insoweit zur Gewährung der beantragten AdV. Hinsichtlich des Jahres 2007 ist die Beschwerde unbegründet.

[26 ] 1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO ) soll das Gericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts u.a. aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. aus neuerer Zeit Beschluss des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 6. Februar 2013 XI B 125/12 , BFH/NV 2013, 615 , unter II.2.b, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

[27 ] Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend ernstliche Zweifel an der Anwendbarkeit des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO verneint (dazu unten 2.). Es hat aber verkannt, dass hinsichtlich der Wahrung der Festsetzungsfrist ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006 bestehen (unten 3.).

[28 ] 2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das FA die Einkommensteuerbescheide für 2006 und 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern durfte. Die ursprünglichen Bescheide waren —was zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig ist— materiell-rechtlich unrichtig. Der zuständigen Stelle im FA sind Tatsachen (dazu unten a) nachträglich bekannt geworden (unten b). Die Grundsätze von Treu und Glauben führen nicht dazu, dass ausnahmsweise von der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO abzusehen wäre (unten c).

[29 ] a) Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebenssachverhalt, der Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Tatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 30. Oktober 2003 III R 24/02, BFHE 204, 10 , BStBl II 2004, 394, unter II.1., und vom 19. Oktober 2011 X R 29/10, BFH/NV 2012, 227 , unter II.1.a).

[30 ] Vor dem materiell-rechtlichen steuergesetzlichen Hintergrund, dass nur tatsächlich gezahlte Altersvorsorgeaufwendungen den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes erfüllen, ist im vorliegenden Fall als „Tatsache” der Umstand anzusehen, dass der Antragsteller in den Streitjahren lediglich Altersvorsorgeaufwendungen (einschließlich der Zuschüsse des Arbeitgebers) in Höhe von 10.296 € (2006) bzw. 10.865 € (2007) geleistet hatte, nicht aber die wesentlich höheren in den Steuererklärungen insgesamt als Altersvorsorgeaufwendungen angegebenen Beträge.

[31 ] b) Diese Tatsache ist dem FA nachträglich bekannt geworden.

[32 ] Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die vorangegangene Steuerfestsetzung abgeschlossen war (BFH-Urteil vom 22. April 2010 VI R 40/08 , BFHE 229, 57 , BStBl II 2010, 951, unter II.1.c), im Streitfall also die Zeichnung des Eingabewertbogens zum Erlass der Abhilfebescheide auf die jeweils gegen die Erstbescheide eingelegten Einsprüche hin. Die Kontrollmitteilung der Mittelbehörde ging erst nach Zeichnung dieser Eingabewertbögen im zuständigen Veranlagungsbezirk ein.

[33 ] Hinsichtlich des Grades der erforderlichen Kenntnis ist zu differenzieren: Der Inhalt der in der zuständigen Dienststelle geführten Steuerakten gilt als bekannt, ohne dass es insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters ankommt (BFH-Urteil vom 3. Mai 1991 V R 36/90 , BFH/NV 1992, 221 , unter II.1.b, m.w.N.). Bei Tatsachen, die sich nicht aus den Akten ergeben, ist hingegen die positive Kenntnis des zuständigen Bearbeiters erforderlich; ein Kennenmüssen reicht hier nicht aus (BFH-Urteil vom 19. November 2008 II R 10/08 , BFH/NV 2009, 548 , unter II.1.).

[34 ] Vorliegend ergab sich die Höhe der in den Streitjahren tatsächlich vom Antragsteller geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen weder aus den Akten noch war sie dem zuständigen Bearbeiter positiv bekannt. Die eingereichten Lohnsteuerbescheinigungen ließen nicht erkennen, dass es sich bei den dort eingetragenen Altersvorsorgeaufwendungen um Beiträge zum Versorgungswerk handelte. Anders als die Antragsteller meinen, folgt eine entsprechende Tatsachenkenntnis des zuständigen Sachbearbeiters auch nicht daraus, dass aus den Steuererklärungen die berufliche Tätigkeit des Antragstellers als Arzt erkennbar war. Denn auch nichtselbständig tätige Ärzte unterliegen grundsätzlich der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht. Ihre Befreiung von dieser Versicherungspflicht durch Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk ist nur unter den —vom Gesetzgeber zunehmend eingeschränkten— Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI möglich und setzt sowohl einen entsprechenden Antrag des Pflichtversicherten (§ 6 Abs. 2 SGB VI ) als auch eine positive Bescheidung dieses Antrags durch den Rentenversicherungsträger (§ 6 Abs. 3 SGB VI ) voraus. Umgekehrt enthielten die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks keine Hinweise darauf, dass es sich um Pflichtbeiträge für einen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreiten Arbeitnehmer handelte und in den bescheinigten Beträgen ein hälftiger Arbeitgeberzuschuss enthalten war.

[35 ] Der Umstand, dass dem Bearbeiter bei einer sorgfältigen Analyse der Steuererklärungen Zweifel an der Richtigkeit der dort gemachten Angaben hätten kommen können bzw. müssen, ändert nichts daran, dass ihm die maßgebende Tatsache —objektiv— nachträglich bekannt geworden ist. Dieser Umstand ist allerdings im Rahmen der Prüfung, ob eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nach Treu und Glauben ausgeschlossen ist, zu berücksichtigen.

[36 ] c) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Änderung eines Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trotz Vorliegens aller Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm in Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass die Berufung des FA auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht als treuwidrig anzusehen ist (BFH-Entscheidungen vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319 , BStBl II 2006, 835, und vom 6. Februar 2013 X B 164/12, BFH/NV 2013, 694 , unter II.2.b). Demgegenüber scheidet in Fällen beiderseitiger Pflichtverletzungen eine Änderungsmöglichkeit aus, wenn der Verstoß des FA deutlich überwiegt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83 , BFHE 156, 339 , BStBl II 1989, 585, unter II.6.).

[37 ] aa) Vorliegend hat das FA bei Bearbeitung der Steuererklärungen der Antragsteller seine Ermittlungspflichten verletzt. Sowohl der Umstand, dass Ärzte sich in vielen —wenngleich nicht in allen— Fällen von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen, als auch die —allerdings nur durch Vornahme einer Rechenoperation erkennbare— betragsmäßige Übereinstimmung der Summe der in den Zeilen 61 und 65 eingetragenen Beträge mit dem in Zeile 63 eingetragenen Betrag hätten Anlass zu einer entsprechenden Nachfrage geben müssen. Die zahlreichen anderweitigen Rückfragen des Sachbearbeiters zu der —durchaus umfangreichen— Steuererklärung 2007 zeigen, dass der Bearbeiter die ihm vorgegebene Intensivprüfung vorgenommen hat und ihm im Rahmen dieser Intensivprüfung zahlreiche andere Unstimmigkeiten aufgefallen sind.

[38 ] bb) Jedoch haben auch die Antragsteller ihre Mitwirkungspflichten verletzt.

[39 ] (1) Gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO sind Angaben in Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Daran fehlt es, da der Antragsteller seine tatsächlich nur einmal geleisteten Beiträge zum Versorgungswerk doppelt in den Steuererklärungen angegeben hatte. Die in der doppelten Eintragung derselben Aufwendungen liegende Pflichtverletzung entfällt ersichtlich auch nicht deshalb, weil die Antragsteller —was für das Jahr 2006 ohnehin streitig ist— ihren Steuererklärungen die Jahreskontoausweise des Versorgungswerks beigefügt hatten.

[40 ] (2) Nicht zu folgen vermag der Senat der Argumentation der Antragsteller, sie hätten ihre Mitwirkungspflichten (Steuererklärungspflichten) nicht verletzt, weil die Fehler allein einem weitestgehend selbständig arbeitenden Steuerfachgehilfen unterlaufen seien und Fehler einer solchen Hilfsperson —anders als Fehler des Steuerberaters selbst— ihnen nicht zurechenbar seien.

[41 ] Das —aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleitende und daher einen Ausnahmetatbestand darstellende— Änderungsverbot bewirkt, dass das FA trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO an einer Erhöhung der Steuerfestsetzung gehindert ist. Bei Zugrundelegung der Grundsätze von Treu und Glauben kann der Steuerpflichtige seine verfahrensrechtliche Position aber nicht dadurch verbessern, dass er seine Steuererklärung durch einen Steuerberater fertigen lässt und der Steuerberater insoweit vorbereitende Tätigkeiten seinem Büropersonal überträgt (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 694 , unter II.2.c).

[42 ] Ergänzend weist der Senat auf § 3 der Berufsordnung der Bundessteuerberaterkammer (BO -BStBK) hin: Danach sind Steuerberater verpflichtet, ihre Tätigkeit in eigener Verantwortung auszuüben; sie bilden sich ihr Urteil selbst und treffen ihre Entscheidungen selbständig. Die Beschäftigung von Mitarbeitern ist gemäß § 17 BO -BStBK nur zulässig, soweit diese weisungsgebunden unter der fachlichen Aufsicht und beruflichen Verantwortung des Steuerberaters tätig werden. Auch soweit diese berufsrechtlichen Anforderungen in der Kanzlei des Steuerberaters der Antragsteller nicht erfüllt sein sollten, wären die Antragsteller im Anwendungsbereich der Grundsätze von Treu und Glauben daran gehindert, sich zu ihren eigenen Gunsten auf derartige Organisationsmängel zu berufen.

[43 ] cc) Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Verletzung der Ermittlungspflichten auf Seiten des FA jedenfalls nicht schwerer wiegt als die Verletzung der Steuererklärungspflichten der Antragsteller, so dass die Grundsätze von Treu und Glauben der Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht entgegenstehen.

[44 ] Maßgebend hierfür ist zum einen, dass allein die Antragsteller —jedenfalls auf einer abstrakten Ebene— über die volle Kenntnis des Sachverhalts verfügten. Sie wussten sowohl, dass der Antragsteller ausschließlich Pflichtbeiträge zum Versorgungswerk, nicht aber Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung leistete, und dass die Eintragungen in den Lohnsteuerbescheinigungen sich auf die Beiträge zum Versorgungswerk bezogen. Ferner wussten sie, dass die in den Jahreskontoausweisen des Versorgungswerks bescheinigten Beträge mit den aus den Lohnsteuerbescheinigungen ersichtlichen Beträgen identisch sein mussten, weil der Antragsteller keine über die Pflichtbeiträge hinausgehenden Einzahlungen geleistet hatte.

[45 ] Der beim FA zuständige Bearbeiter der Steuererklärung hatte von diesen Umständen des Sachverhalts hingegen —anders als die Antragsteller— keine positive Kenntnis. Ihm ist nur anzulasten, dass er sich Kenntnis hätte verschaffen können, wenn er den aufgezeigten Ermittlungsansätzen nachgegangen wäre. Hinzu kommt, dass die betragsmäßige Übereinstimmung der Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 einerseits und in der Zeile 63 andererseits vom Sachbearbeiter nur durch Addition zweier vierstelliger Zahlen erkannt werden können, was nicht jedem auf den ersten Blick möglich ist.

[46 ] Zwar hatte der Sachbearbeiter für das Jahr 2007 einen Prüfhinweis zu Zeile 63 der Steuererklärung zu bearbeiten. Der Text des Prüfhinweises war aber nicht auf die Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung von Beiträgen an das Versorgungswerk gerichtet, sondern stand in Zusammenhang mit Beiträgen zu Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes und war daher für die Steuererklärung der Antragsteller nicht einschlägig. Zudem waren gerade die Eintragungen der Antragsteller für das Jahr 2007 durchaus plausibel, weil in Zeile 63 des Erklärungsvordrucks ausdrücklich auch „Beiträge zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen” zu erfassen waren und sowohl für die Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 (Lohnsteuerbescheinigung) als auch für die Eintragung in Zeile 63 (Jahreskontoausweis) entsprechende Belege vorlagen.

[47 ] Unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Auffassung der Antragsteller, aus § 16 der Satzung des Versorgungswerks ergebe sich, dass bei Leistung von Pflichtbeiträgen an das Versorgungswerk (Zeilen 61 und 65) die Zahlung zusätzlicher freiwilliger Beiträge (Zeile 63) ausgeschlossen sei. Das Gegenteil ist der Fall, da gemäß § 21 der Satzung freiwillige Mehrzahlungen bis zum allgemeinen Jahreshöchstbetrag zulässig sind und in der Praxis auch häufig geleistet werden. Dieser Jahreshöchstbetrag liegt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 der Satzung i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes beim Zweieinhalbfachen der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung und ist durch die Pflichtbeiträge des Antragstellers bei Weitem nicht ausgeschöpft worden. Die Eintragung in Zeile 63 war daher aus Sicht des FA auch insoweit —dem Grunde nach— plausibel, als sie zusätzlich zu Eintragungen in den Zeilen 61 und 65 erfolgte.

[48 ] Die Antragsteller haben im Verlaufe des Verfahrens mehrfach vorgetragen, sie hätten auf die unklaren Jahreskontoausweise des Versorgungswerks ebenso vertrauen dürfen wie das FA. Wenn danach aber beide Seiten gleichermaßen in die Irre geleitet worden sind und jedenfalls keine überwiegende Pflichtverletzung des FA erkennbar ist, liegt kein Ausnahmefall vor, in dem trotz Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Anwendung dieser Vorschrift nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen ist.

[49 ] 3. Es bestehen jedoch insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids für 2006, als das FG angenommen hat, dieser Bescheid habe die Festsetzungsfrist gewahrt, weil den Antragstellern eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen sei.

[50 ] a) Im Zeitpunkt des Ergehens des Änderungsbescheids (23. Februar 2012) war die reguläre Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum 2006 bereits abgelaufen. Die Antragsteller hatten ihre Steuererklärung im Jahr 2007 abgegeben; die vierjährige Festsetzungsfrist endete daher mit Ablauf des 31. Dezember 2011.

[51 ] b) Die Festsetzungsfrist würde sich gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängern und wäre durch den Änderungsbescheid vom 23. Februar 2012 gewahrt worden, wenn die Steuer, die aufgrund der doppelten Geltendmachung der Altersvorsorgeaufwendungen in der Steuererklärung 2006 zunächst nicht festgesetzt worden war, als leichtfertig verkürzt (§ 378 Abs. 1 Satz 1 AO ) anzusehen wäre.

[52 ] Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2002 IV R 37/01 , BFHE 200, 495 , BStBl II 2003, 385, unter II.2., m.w.N.). Um den subjektiven Tatbestand einer leichtfertigen Steuerverkürzung feststellen zu können, muss das FG den Steuerpflichtigen jedenfalls in Grenzfällen persönlich anhören, wenn sich nicht bereits aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien die Leichtfertigkeit eindeutig ergibt (BFH-Urteil vom 17. November 2011 IV R 2/09 , BFH/NV 2012, 1309 , unter II.4.b cc).

[53 ] c) Danach bestehen auf der Grundlage des gegenwärtigen Sach- und Streitstands ernstliche Zweifel daran, ob der Antragsteller leichtfertig gehandelt hat. Zwar enthält die Steuererklärung objektiv falsche Angaben. Ob der Antragsteller oder sein Steuerberater aber auch den subjektiven Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung erfüllt hat, ergibt sich weder aus dokumentierten Äußerungen, Urkunden oder sonstigen Indizien noch hat das FG seine Würdigung auf eine persönliche Anhörung des Antragstellers oder seines Steuerberaters gestützt.

[54 ] Zwar weist das FA im Ansatz zutreffend darauf hin, jeder Steuerpflichtige und jeder Steuerberater —oder Steuerfachgehilfe— müsse wissen, dass dieselben Aufwendungen nicht doppelt geltend gemacht werden dürften. Angesichts der fehlenden Erläuterungen sowohl in der Lohnsteuerbescheinigung als auch in den Jahreskontoauszügen liegt aber die Würdigung nahe, dass —aus Sicht des Steuerberaters— nicht schon der Umstand, dass zusätzlich zur Lohnsteuerbescheinigung noch freiwillige Beiträge an das Versorgungswerk geltend gemacht wurden, sondern erst die betragsmäßige Übereinstimmung der Beträge zu einer Überprüfung hätten Anlass geben müssen. Ebenso wie bei der Würdigung des Grades der Verletzung der Ermittlungspflichten des Sachbearbeiters des FA (dazu oben 2.c cc) ist aber auch bei der Prüfung des Verschuldens des Steuerberaters zu würdigen, dass das Erkennen der betragsmäßigen Übereinstimmung die Addition vierstelliger Zahlen voraussetzte, deren Ergebnis nicht ohne weiteres ins Auge springt. Ob den Antragstellern bei der —ihnen trotz Einschaltung eines Steuerberaters eigenverantwortlich obliegenden— Überprüfung der vorbereiteten Steuererklärung der doppelte Ansatz der Altersvorsorgeaufwendungen hätte ins Auge springen müssen, ist Tatfrage und bedarf der weiteren Aufklärung im noch anhängigen Hauptsacheverfahren.

  Fundstelle(n):
NWB DokID: IAAAE-36818

 

Die Prüfung nach dem SchwarzArbG ist keine Außenprüfung i.S. der AO

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 17.4.2013, VII B 41/12

Die Prüfung nach dem SchwarzArbG ist keine Außenprüfung i.S. der AO

Gründe

1
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Prüfung nach § 2 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) einer Außenprüfung nach §§ 193 ff. der Abgabenordnung (AO) entspricht und § 196 AO entsprechend anzuwenden ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Denn sie ist durch Urteil des erkennenden Senats vom 23. Oktober 2012 VII R 41/10 (BFHE 239, 10) geklärt. Danach richtet sich die Prüfung zweifelsfrei nicht nach den Vorschriften über die Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) oder denen über die Nachschau (§§ 210 ff. AO), sondern beruht allein auf § 2 Abs. 1 SchwarzArbG. Besondere Anforderungen an die Prüfungsanordnung stellt das Gesetz nicht. Unschädlich ist danach, dass sich die Prüfung unmittelbar an die Aushändigung der Prüfungsanordnung anschließt. Ermittlungen zur Feststellung von Schwarzarbeit wären aussichtslos, würden sie vorher angekündigt.