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Verdeckte Gewinnausschüttung wegen nicht nachvollziehbar vereinbarter Gewinntantieme

Keine Rückstellung für Eventualverbindlichkeit

 Leitsatz

1. Die Vereinbarung einer wegen unbestimmter Regelungen zur Kürzbarkeit unter einer auflösenden Bedingung stehenden Gewinntantieme zwischen einer GmbH und ihrem Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer bedingt durch das Fehlen einer klaren, eindeutigen und im Voraus getroffenen Vereinbarung eine verdeckte Gewinnausschüttung. Auf die Angemessenheit der Gesamtausstattung des Geschäftsführers kommt es dann ebenso nicht mehr an wie auf die Fremdüblichkeit und tatsächliche Durchführung der Vereinbarung.

2. Rückstellungen für zugesagte nach Ablauf von mehreren Jahren zu zahlende Gratifikation an den Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH und diesem nahestehende Personen, die zukünftige Leistungen, wie eine fehlende Kündigung abgelten sollen, können nicht gebildet werden.

 Gesetze

KStG § 8 Abs. 3 S. 2
HGB § 249
EStG § 5 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 1

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berechnung von Rückstellungen für sich aus von der Klägerin erteilten Einmalzusagen ergebenden Eventualverbindlichkeiten sowie die ertragsteuerliche Behandlung einer Tantiemezusage.

Die Klägerin ist eine am 28. März 2001 gegründete GmbH. Ihr Geschäftsführer ist der am … 1968 geborene … (H S), dessen Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB ) in das Handelsregister eingetragen ist. Er war in den Streitjahren zugleich Alleingesellschafter der Klägerin.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind ausweislich des Handelsregisters: Handel mit Hydraulikzubehör, Konfektionierung von und Handel mit Hydraulikschläuchen und Leitungen, Handel mit Ersatzteilen für die Land- und KFZ-Technik, technischem Bedarf, technischen Gasen und Propan, Schweißtechnik sowie Industrie- und Werkstattbedarf wie auch technischer Service.

Im Geschäftsführervertrag mit H S vom 26. April 2001 ist u.a. bestimmt, das feste Monatsgehalt belaufe sich auf 3.500,– DM. Ferner heißt es: „Weiterhin erhält der Geschäftsführer jährlich eine Tantieme von 25 % des Gewinnes vor sämtlichen Steuern, Wertberichtigungen, Zuführungen zu Rücklagen, Rückstellungen und 1/3 der gesamten Abschreibungen (einschl. Abschreibungen auf geringwertige Wirtschaftsgüter), mindestens jedoch eine Tantieme (Grundtantieme) von 8.000,– DM. …Die feste Vergütung setzt sich wie folgt zusammen: Das feste Monatsgehalt und die Grundtantieme. Die gewinnabhängige Tantieme ist begrenzt auf 25 % der Gesamtvergütung. Die gewinnabhängige Tantieme wird gekappt, sollte sie 25 % der Gesamtvergütung im Sinne der laufenden Bezüge übersteigen. Die laufenden Bezüge und die Grundtantieme stellen 75 % der Gesamtausstattung dar. Die Gewinntantieme davon beträgt maximal 1/3; der übersteigende Betrag wird gekappt. Die Tantieme steht dem Geschäftsführer nur dann zu, wenn der Gewinn der Gesellschaft einen Betrag von 15 % des eingezahlten Stammkapitals übersteigt. Reicht der übersteigende Gewinn nicht zur Erfüllung des vollen Tantiemeanspruchs aus, dann reduziert sich die Tantieme auf einen Betrag, der der Gesellschaft einen Gewinn in Höhe von 15 % des eingezahlten Stammkapitals belässt. Der nicht realisierte (Teil-)Anspruch aus der Grundtantieme wird auf neue Rechnung vorgetragen. Er ist dann so zu behandeln, als ob eine Besserungszusage mit aufschiebend bedingtem Erfolgseintritt besteht. Die Gesellschaft verzichtet insoweit auch auf die Einrede der Verjährung. Die Tantiemezusage ist Gehaltsbestandteil und für das Jahr des Ein- bzw. Austritts zeitanteilig zu gewähren. Maßgebend für die Gewinnermittlung zur Feststellung des Tantiemeanspruchs ist der modifizierte Jahresüberschuss, der sich aus dem unter Anwendung der steuerlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften aufgestellten Jahresabschluss (Steuerbilanz) unter Ausschöpfung aller Sonderabschreibungen, erhöhten Absetzungen, Bewertungsfreiheiten, Übertragungen stiller Reserven und steuerfreien Rücklagen ergibt. Modifiziert wird der Jahresüberschuss …, indem ihm die Tantieme selbst sowie eventuelle andere gewinnabhängige Vergütungen an Dritte hinzugerechnet werden. Im Falle einer Veränderung der Bemessungsgrundlage infolge Abweichung der Finanzverwaltung von der aufgestellten Steuerbilanz … erfolgt eine Korrektur der anteiligen Tantieme auf den Bilanzstichtag, der zur ursprünglichen Ermittlung der Tantieme geführt hat. Eine Verzinsung erfolgt nicht, weil der Anspruch nicht zugeflossen ist. Die Grundtantieme gilt als laufender Gehaltsbestandteil. Die Grundtantieme und die Gewinntantieme werden jeweils auf das Ende eines Geschäftsjahres abschließend rechnerisch ermittelt und damit ist der Anspruch entstanden. Die Grundtantieme wird am Ende des Wirtschaftsjahres ausgezahlt, in dessen Verlauf der Jahresabschluss für die Ermittlung der Tantieme festgestellt wird. Die Gewinntantieme wird nach Ablauf von drei Jahren, die dem Geschäftsjahr folgen, in dem die Tantieme verdient wurde, zur Auszahlung fällig. … die Gesellschaft … muss sich vorbehalten, die Tantiemezusage zu kürzen oder einzustellen, …

wenn die bei Erteilung der Tantiemezusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass der Gesellschaft die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Geschäftsführers nicht mehr zugemutet werden kann, oder

wenn die rechtliche, insbesondere die steuerrechtliche Behandlung der Aufwendungen die zur planmäßigen Finanzierung der Tantiemezahlungen von der Gesellschaft gemacht werden oder gemacht worden sind, sich so wesentlich ändert, dass der Gesellschaft die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann, oder

wenn das Eigenkapital nicht mehr dem gezeichneten Kapital entspricht (analog §§ 30, 31, 32, 32 a GmbHG ).”

Unter dem 30. November 2004 sagte die Klägerin H S eine von beiden als Einmalprämie bezeichnete Leistung für den 30. November 2014 für den Fall eines dann ungekündigten Arbeitsverhältnisses zwischen beiden zu. Weiter war bestimmt: „Im Falle der Kündigung durch die Gesellschaft, die der Geschäftsführer nicht zu vertreten hat, wird die Zuwendung in Form der Einmalzusage zum Kündigungszeitpunkt zeitanteilig, frühestens zum 30.11.2014 – bezogen auf die Dauer des zurückgelegten Bindungszeitraumes von zehn Jahren – ausgeschüttet. …Die Leistungsvoraussetzungen … bestehen nur, wenn in der Zeit vom Beginn der Zusage bis zum 30.11.2014 arbeits- oder zivilgerichtliche Auseinandersetzungen weder von der Gesellschaft noch von dem Geschäftsführer herbeigeführt wurden. Dabei ist unerheblich, aus welchen Gründen und von wem die gerichtliche Auseinandersetzung aufgenommen wurde.” Die Klägerin behielt sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei der Erteilung der Zusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig derart wesentlich geändert hätten, dass ihr die Aufrechterhaltung der zugesagten Zuwendungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Zuwendungsempfängers nicht mehr zugemutet werde könne, oder wenn die rechtliche – insbesondere steuerrechtliche – Behandlung der Aufwendungen, die zur planmäßigen Finanzierung der Zuwendungen von der Klägerin getätigt würden oder worden seien, sich derart wesentlich ändere, dass ihr die Aufrechterhaltung der Einmalzusage nicht zugemutet werden könne. Im Insolvenzfalle werde die Klägerin von den genannten Vorbehalten keinen Gebrauch machen. Ferner heißt es: „Die von dem Zusageempfänger bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Teilanwartschaften … werden von einer solchen Einschränkung nicht berührt.”

Unter demselben Datum erteilte die Klägerin A S, der Ehefrau des H S, eine inhaltsgleiche Zusage.

Gleichfalls unter dem 30. November 2004 sagte die Klägerin E S, dem Vater des H S, eine Einmalzahlung in selber Höhe für den 01. Januar 2009 zu. E S wurde als Prokurist bezeichnet. Es wurde bestimmt, die Einmalzusage trete zum 01. Januar 2004 in Kraft. Voraussetzung des Anspruchs war ein am 31. Dezember 2008 fortbestehendes ungekündigtes Arbeitsverhältnis. Im Falle einer Kündigung durch die Klägerin, die E S nicht zu vertreten habe, sollte die Zuwendung zeitanteilig bezogen auf die Dauer des zurückgelegten Bindungszeitraums von fünf Jahren, frühestens zum 31. Dezember 2006 ausgeschüttet werden. Die Leistungsvoraussetzungen sollten nur bestehen, wenn bis zum 31. Dezember 2008 arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen weder von E S noch der Klägerin herbeigeführt worden seien. Die Kürzungs- und Einstellungsvorbehalte waren mit denen gegenüber H S identisch.

Im Jahresabschluss für 2005 berücksichtigte die Klägerin einen Verlustvortrag i.H.v. 8.162,63 EUR.

Mit Bescheiden vom 12. Juni 2008 setzte das seinerzeitig zuständige Finanzamt X in Auswertung eines Prüfungsberichts die Gewerbesteuermessbeträge für 2004 auf 1.815,– EUR (Gewerbeertrag 36.300,– EUR) und für 2005 auf 11.545,– EUR (Gewerbeertrag 30.900,– EUR) sowie die Körperschaftsteuer für 2004 auf 8.860,– EUR (zu versteuerndes Einkommen 35.440,– EUR) und für 2005 auf 7.329,– EUR (zu versteuerndes Einkommen 29.319,– EUR) fest, den jeweiligen Vorbehalt der Nachprüfung hob es auf. Zugleich hob es den Bescheid vom 11. Juli 2006 über den „verbleibenden Verlustvortrag” unter dem Rubrum „Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004” auf. Dasselbe gilt hinsichtlich des Bescheids vom 05. Januar 2007 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 2005. Desweiteren hob es den Bescheid vom 05. Januar 2007 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2005 auf.

Mit Bescheiden vom 11. Juli 2006 waren zuvor unter dem Vorbehalt der Nachprüfung die Körperschaftsteuer ausgehend und der Gewerbesteuermessbetrag für 2004 auf jeweils 0,– EUR festgesetzt sowie der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2004 mit 7.210,– EUR und der vortragsfähige Gewerbeverlust auf den 31. Dezember 2004 mit 5.964,– EUR festgestellt worden. Ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung waren mit Bescheiden vom 05. Januar 2007 die Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag für 2005 auf jeweils 0,– EUR festgesetzt sowie der verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2005 mit 2.837,– EUR und der vortragsfähigen Gewerbeverlust auf dasselbe Datum mit 9,– EUR festgestellt worden.

Statt Dotierungen der Rückstellungen für die Eventualverbindlichkeiten aus den Einmalzusagen i.H.v. 52.271,89 EUR in 2004 und 2.874,94 EUR in 2005 berücksichtige es für 2004 solche i.H.v. 5.136,– EUR und für 2005 i.H.v. 9.124,50 EUR.

Im Prüfungsbericht ist hierzu ausgeführt, es handele sich um Gratifikationen, welche ein Entgelt für künftig erwartete Betriebstreue bildeten, weil ihr Hauptzweck in der künftigen Bindung des Arbeitnehmers an den Betrieb liege. Es handele sich nicht um sog. Jubiläumsverpflichtungen i.S.d. § 5 Abs. 4 EStG . Die Rückstellung sei zeitanteilig mit 1/60 im Falle des E S und 1/120 je Monat im Falle der anderen Zusageempfänger aufzubauen und abzuzinsen.

In der Dotierung der Tantiemerückstellung im Jahre 2005 liege i.H.v. 13.022,– EUR verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Bei der Berechnung der Tantieme für 2005 habe die Klägerin dem Gewinn keine Wertberichtigungen hinzugerechnet, obwohl z.B. Forderungsabschreibungen i.H.v. 3.672,93 EUR vorgenommen worden seien. Bei den Forderungsabschreibungen handele es sich um sog. Sonderabschreibungen, die sich auf den Gewinn ausgewirkt hätten. Die Vereinbarung sei nicht umgesetzt worden. Seien Wertberichtigungen zu korrigieren, so seien konsequenterweise auch deren Auflösungen zu korrigieren. In jenem Punkte bestehe Unklarheit. Ein fremder Dritter hätte sich auf die Kürzungsvorbehalte der Klägerin nicht eingelassen.

Die am 11. Juli 2008 bei ihm eingegangenen Einsprüche gegen die genannten Verwaltungsakte wies das Finanzamt X unter dem 11. Februar 2009 als unbegründet zurück. Es führte aus, der gesamte Leistungszeitraum für die Gratifikationen des H S belaufe sich auf 13 Jahre und 8 Monate, derjenigen der A S auf 12 Jahre und 6 Monate und derjenigen des E S auf 7 Jahre und 9 Monate. Für die Höhe der Einmalzahlungen seien Merkmale der Vergangenheit nicht maßgeblich gewesen, zumal allen drei Arbeitnehmern trotz unterschiedlich langer Betriebszugehörigkeit, unterschiedlicher Tätigkeitsbereiche und unterschiedlicher Festgehälter Zusagen in selber Höhe gemacht worden seien. Mit den versprochenen Leistungen habe in der Hauptsache das künftige Verhalten des jeweiligen Arbeitnehmers abgedeckt werden sollen, der für eine bestimmte Zeit an den Betrieb der Klägerin unter Förderung seiner künftigen Einsatzbereitschaft habe gebunden werden sollen, weshalb die Rückstellung bis zum Zeitpunkt der Auszahlung in regelmäßigen (ratierlichen) Beiträgen anzusammeln und abzuzinsen sei. Für die Höhe der Einmalzahlungen seien Merkmale der Vergangenheit wie Betriebszugehörigkeit und Höhe des durchschnittlichen Jahresverdiensts im Jahr der Zuteilung nicht maßgebend gewesen, zumal jene zwischen den Zusageempfängern variierten. Die Bindungsfristen seien wesentlich länger als die anzurechnenden Arbeitszeiten. Vordienstzeiten von Sabine und E S im Einzelunternehmen des H S könnten angesichts der Gründung der Klägerin im Jahre 2001 nicht berücksichtigt werden. Schuldrechtliche Abreden zwischen Kapitalgesellschaften und sie beherrschenden Gesellschaftern könnten nur dann steuerlich anerkannt werden, wenn sie im voraus klar und eindeutig getroffen worden seien. Vergütungen müssten ohne Ausübung von Ermessen berechnet werden können. Die Wertberichtigungen, die dem Gewinn zwecks Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Tantieme hinzugerechnet werden sollten, seien nicht klar definiert.

Die hiergegen gerichtete Klage ist beim Gericht am 12. März 2009 eingegangen.

Die Klägerin trägt vor, die Tantieme sei klar und eindeutig geregelt. Die Finanzbehörde könne von Vereinbarungen und Berechnungen des Steuerpflichtigen nur dann abweichen, wenn er seine eigenen Ermittlungen denjenigen des Steuerpflichtigen gegenüber stelle. Hätte sich H S nicht auf den vereinbarten Vorbehalt der teilweisen oder vollständigen Kürzung der Tantieme eingelassen, so hätte ein anderer Geschäftsführer jene akzeptiert. Das Finanzamt habe die von der Klägerin vorgenommene Deckelung der Tantieme unberücksichtigt gelassen. Selbst kleinere Mängel in der Zusammensetzung der Bemessungsgrundlage wären durch die höhere umfassende der seinerzeitigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entstammenden Deckelung absorbiert worden. Maßgeblich für die Beurteilung der Angemessenheit der Tantieme seien die Verhältnisse im Zeitpunkt ihrer Erteilung. Spätere Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse zu Ungunsten der Kapitalgesellschaft seien nicht geeignet, eine Anpassungspflicht zu begründen. Allerdings müsse die künftige Entwicklung in die Angemessenheitsprüfung einbezogen werden. Seinerzeit habe die Rechtsprechung gefordert, dass mindestens 75 v.H. des Gesamtgehalts als Festgehalt gezahlt würden und die Gewinntantieme maximal ¼ der Gesamtvergütung ausmache. Diese Erfordernisse habe die Rechtsprechung fallen lassen. Wenn die Klägerin sie erfüllt habe, so spreche das für eine angemessene Gehaltsgestaltung. Maßgeblich sei allerdings die Angemessenheit der Gesamtbezüge, nicht hingegen die eines einzelnen Gehaltsbestandteils. Es gebe eine Bandbreite angemessener Bezüge, deren Höhe vom Finanzgericht zu schätzen sei. Nur der unangemessene Teil einer Tantieme könne eine vGA bilden. Stets müsse eine Einzelfallprüfung erfolgen.

Die Tantieme habe sie wie folgt berechnet:

 

 vorläufiger Jahresüberschuss

 4.718,34 EUR

 abzüglich Verlustvortrag

 7.210,00 EUR

 zuzüglich § 269 i.V.m. § 282 HGB Ingangsetzung

 0,00 EUR

 zuzüglich Tantiemen

 17.112,50 EUR

 zuzüglich Ertragsteuern

 -0,55 EUR

 zuzüglich Wertberichtigungen

 0,00 EUR

 zuzüglich Zuführung zu den Rücklagen

 351,00 EUR

 zuzüglich Zuführung zu den Rückstellungen

 24.047,57 EUR

 zuzüglich 1/3 d. AfA

 17.785,32 EUR

 Bemessungsgrundlage

 56.804,18 EUR

 Festbezüge
 Gehalt

 48.000,00 EUR

 Grundtantieme

 4.090,00 EUR

 Summe

 52.090,00 EUR

 maximale Gewinntantieme (25/75)

 13.022,50 EUR

 Grundtantieme

 4.090,00 EUR

 Gesamttantieme

 17.112,50 EUR

 

Sie habe die Eventualverbindlichkeiten aus den Einmalzahlungen mit 5,5 v.H. abgezinst. Die Zusagen seien allen leitenden Angestellten auf der Grundlage der zurückgelegten und weiteren langfristigen Zusammenarbeit erteilt worden. Sie hätten einzig den Zweck besessen eine langfristige Zusammenarbeit auch in Zukunft abzusichern. Der Anspruch auf die Einmalzusage sei bereits mit ihrer Erteilung in voller Höhe entstanden.

Die Vorgabe, dass die Einmalzahlung nur zu leisten sei, wenn in der Zeit von Beginn der Zusage bis zum 30. November 2014 arbeits- oder zivilgerichtliche Auseinandersetzungen weder von der Gesellschaft noch von dem Geschäftsführer herbeigeführt würden, sei so zu verstehen sei, dass damit nur gerichtliche Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis bzw. im Zusammenhang der Erteilung der Einmalzahlung gemeint sein sollten.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.           die Bescheide vom 12. Juni 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 11. Februar 2009 über Körperschaftsteuer 2004 und 2005, Gewerbesteuermessbeträge 2004 und 2005, gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 sowie gesonderter Feststellung über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2005 mit folgenden Maßgaben zu ändern:

A)          den Festsetzungen bzw. Feststellungen für den Veranlagungszeitraum 2004 solle ein um 47.135,89 EUR geminderter Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb unter gleichzeitiger Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung zu Grunde gelegt werden,

B)          bei der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 2005 solle ein um 6.772,44 EUR geminderter Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. Gewinn aus Gewerbebetrieb unter gleichzeitiger Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung zu Grunde gelegt werden.

  1. 2.           dass die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten des außergerichtlichen Vorverfahrens dem Beklagten auferlegt werden,
  2. 3.           dass nach Erlass des Urteils des Finanzgerichts die Kosten des Verfahrens gemäß § 149 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 139 Abs. 3 FGO und § 41 der Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV ) gegen den Beklagten festgesetzt werden,
  3. 4.           die Verzinsung der festzusetzenden Kosten mit 5 v.H. über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB ) ab Antragstellung zuzusprechen (155 FGO i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 und § 105 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO – ) und für vollstreckbar zu erklären,
  4. 5.           die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung festzustellen,
  5. 6.           hilfsweise gegen die abweisende Entscheidung des Finanzgerichts die Revision zum Bundesfinanzhof ausdrücklich zuzulassen,
  6. 7.           die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,
  7. 8.           den Streitwert des Verfahrens festzusetzen,
  8. 9.           H S, A S und E S notwendig zum Verfahren beizuladen.

 

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Einspruchsentscheidungen.

 Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die vom Beklagten angenommene verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) in Form der Dotierung der auf die Gewinntantieme entfallenden Rückstellung liegt in vollem Umfang vor.

a) Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die nicht auf einer offenen Gewinnausschüttung beruht, sich auf den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auswirkt und durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst ist.

aa) Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis hat der Bundesfinanzhof (BFH) für den größten Teil der zu entscheidenden Fälle bejaht, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie einem Gesellschaftsfremden unter ansonsten vergleichbaren Umständen nicht zugewendet hätte. Maßstab für den hiernach anzustellenden Fremdvergleich ist das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, der gemäß § 43 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG ) die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anwendet (BFH-Urteil vom 06. April 2005 I R 10/04 , BFH/NV 2005, 2058 ). Aufgabe eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers ist es, unmittelbar im unternehmerischen Interesse der Körperschaft und damit nur mittelbar im Interesse der Gesellschafter, nicht aber unmittelbar im Interesse einzelner Gesellschafter zu handeln (BFH-Urteil vom 23. Februar 2005 I R 70/04 , BStBl II 2005, 882 ). Dies gilt auch im Falle eines Alleingesellschafters.

bb) Es ist nicht nur auf die Sicht der Gesellschaft, sondern auch auf die Position des Leistungsempfängers abzustellen; eine vGA kann deshalb auch dann vorliegen, wenn eine Vereinbarung zwar für die Gesellschaft günstig ist, ein gesellschaftsfremder Vertragspartner sich aber im eigenen Interesse nicht auf sie eingelassen hätte (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2004 I R 4/04 , BFH/NV 2005, 723 ).

cc) Eine vGA ist allerdings nur dann gegeben, wenn die Leistung der Gesellschaft wie im Streitfall dem Grunde nach geeignet ist, beim Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen auszulösen (BFH-Urteile vom 14. Juli 2004 I R 57/03 , BFH/NV 2004, 1603 und vom 07. August 2002 I R 2/02, BStBl II 2004, 131 ).

dd) Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (BFH-Urteil vom 15. September 2004 I R 62/03 , BStBl II 2005, 176 ). In diesen Fällen indiziert das vom Fremdüblichen abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters oder der diesem nahestehenden Person die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis (BFH-Urteil vom 18. September 2007 I R 73/06 , BStBl II 2008, 314 ).

(1) Eine im Hinblick auf die Vergütung des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers getroffene Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter muss dem Grunde und der Höhe nach klar und eindeutig sein. Klare und eindeutige Vereinbarungen erfordern es, dass auch eine mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer getroffene Vereinbarung über besondere Vergütungen zumindest erkennen lassen muss, nach welcher Bemessungsgrundlage (Prozentsätze, Zuschläge, Höchst- und Mindestbeträge) die Vergütung errechnet werden soll (BFH-Urteile vom 27. Februar 1985 I R 187/81 , BFH/NV 1986, 430 , m.w.N.; vom 11. Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126 , BStBl II 1986, 469, unter I.2. der Gründe; vom 26. April 1989 I R 96/85, BFH/NV 1990, 63 ; BFH-Beschluss vom 22. April 2009 I B 162/08 , BFH/NV 2009, 1458 ). Eine vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung liegt nicht vor, wenn durch den Beschluss der Gesellschafterversammlung nur ein Höchstbetrag für die Vergütung festgelegt wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1990, 63 ). Denn es muss ausgeschlossen sein, dass bei der Berechnung der Vergütung ein Spielraum bleibt; die Berechnungsgrundlagen müssen so bestimmt sein, dass allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden kann, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder Gesellschafterversammlung bedarf (BFH-Urteile vom 30. Januar 1985 I R 37/82 , BFHE 143, 263 , BStBl II 1985, 345 ; in BFH/NV 1986, 430 ; vom 29. April 1992 I R 21/90, BFHE 168, 151 , BStBl II 1992, 851 ; vom 17. Dezember 1997 I R 70/97, BStBl II 1998, 545 ; vom 1. April 2003 I R 78/02, I R 79/02, BFH/NV 2004, 86 , unter III.3. der Gründe).

(2) Auch speziell für die Vereinbarung einer Tantieme hat der BFH entschieden, dass diese regelmäßig nur dann dem Klarheitsgebot genügt, wenn nach ihr der Tantiemebetrag allein durch einen Rechenvorgang bestimmt werden kann (BFH-Urteile vom 30. Januar 1985 I R 37/82 , BFHE 143, 263 , BStBl II 1985, 345 ; vom 24. März 1999 I R 20/98, BFHE 189, 45 , BStBl II 2001, 612 , 614 ; vom 01. April 2003 I R 78, 79/02, BFH/NV 2004, 86 ). Das setzt u.a. voraus, dass die Bemessungsgrundlage für die Tantieme durch die Vereinbarung eindeutig festgelegt wird.

(3) Nach der BFH-Rechtsprechung sind Verträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter allerdings zunächst auszulegen. Erst wenn sich der Inhalt eines Vertrages nicht zweifelsfrei feststellen lässt, ist für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung Raum (BFH-Urteil vom 09. Juli 2003 I R 36/02 , BFH/NV 2004, 88 , m.w.N.).

b) Hinsichtlich der Dotierung der Tantiemerückstellung liegt eine vGA zumindest in der vom Beklagten angenommenen Höhe vor. – Hinsichtlich der sog. Grundtantieme hat der Beklagte keine vGA angenommen. –

aa) Bei der Vereinbarung über die Tantieme zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer, der als Alleingesellschafter beherrschender Gesellschafter war, handelt es sich nicht um eine klare, im Voraus getroffene Vereinbarung.

(1) Die Auslegung des Anstellungsvertrages i.S. einer klaren und eindeutigen Regelung kam nicht in Betracht. Es waren aus den Akten und aus dem Vortrag der Beteiligten keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen, die eine entsprechende Auslegung zugelassen hätten.

(2) Der Klägerin war unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit eingeräumt, die Tantieme zu kürzen oder gar ganz zu streichen. Damit stand im Streitfall die Tantieme wie bei dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 29. April 1992 I R 21/90 , BStBl II 1992, 851, zugrunde lag, unter dem Vorbehalt, dass die Gesellschafterversammlung sie nicht niedriger festsetzt, ggf. bis auf 0,00 EUR mindert. Die getroffene Vereinbarung bedeutete, dass die entstandene Gewinntantieme, die erst nach Ablauf von drei Jahren nach Ende des Geschäftsjahres fällig sein sollte, unter einer auflösenden Bedingung stand. Die Klägerin, d.h. die Gesellschafterversammlung der Klägerin, konnte einseitig eine Kürzung vornehmen, wenn die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft es erforderte; ein solcher Vorbehalt ist schädlich (Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Rz 450). Zwar enthält die vertragliche Vereinbarung Vorgaben für die Kürzung, jedoch sind diese so unbestimmt, dass es aus der Sicht eines außen stehenden Dritten unsicher und unklar war, ob und in welcher Höhe die entstandenen Tantiemeansprüche letztlich Bestand haben würden. So unterliegt insbesondere die Frage, ob und inwieweit die Aufrechterhaltung der zugesagten Tantieme der Klägerin zugemutet werden kann, der unternehmerischen Einschätzung der Klägerin, bei der auch zukünftige Unternehmensplanungen Eingang finden können. Wie sich das betragsmäßig auf die verdiente Tantieme auswirkt, kann von einem außen stehenden Dritten im Voraus nicht klar und eindeutig betragsmäßig fixiert werden.

bb) Der Hinweis der Klägerin darauf, dass die Gesamtausstattung des Geschäftsführers angemessen sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Werden – wie im Streitfall – die Sonderbedingungen, denen beherrschende Gesellschafter und ihnen nahestehende Personen unterworfen sind, missachtet und wird die daraus abzuleitende indizielle Vermutung einer gesellschaftlichen Veranlassung von der Kapitalgesellschaft nicht widerlegt, so führt dies bereits dem Grunde nach zur verdeckten Gewinnausschüttung; auf eine Angemessenheitsprüfung kommt es nicht mehr an (Gosch, KStG , 2. Aufl.; § 8 Rz 334). Das heißt, dass die Gesamtausstattung angemessen sein mag, kann das Fehlen einer klaren und eindeutigen, im Voraus getroffene Vereinbarung nicht kompensieren bzw. heilen.

cc) Auch die Auffassung der Klägerin, dass durch das Eingreifen der Kappung die Gewinntantieme zu einer Festvergütung führe, ändert nichts am Ergebnis. Denn auch wenn dies der Fall wäre, änderte dies nichts daran, dass aufgrund des bestehenden Vorbehalts keine klare und eindeutige, im Voraus getroffene Vereinbarung hinsichtlich dieses Vergütungsbestandteils vorliegt.

c) Da die vom Beklagten angesetzte verdeckte Gewinnausschüttung sich bereits aus dem Fehlen einer klaren und eindeutigen, im Voraus getroffenen Vereinbarung ergibt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Vereinbarung in weiteren Punkten unklar ist, fremdüblich ist und tatsächlich durchgeführt wurde. Zur Vermeidung weiterer zukünftiger Rechtsstreite weist das Gericht jedoch auf folgende Probleme hin – ohne dass der Hinweis jedoch Anspruch auf Vollständigkeit erhebt –:

aa) Unter den Begriff „Wertberichtigung” dürften entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nur Wertberichtigungen auf Forderungen fallen. Handelsrechtlich wird bzw. wurde unter dem Begriff „Wertberichtigung” wohl überwiegend verstanden, dass es sich um einen Korrekturposten auf der Passivseite der Bilanz handelt, der den Buchwert eines Vermögenspostens auf seinen niedrigeren tatsächlichen Wert anpasst (indirekte Wertkorrektur; vgl. Brönner/Bareis, Die Bilanz nach Handels- und Steuerrecht, 9. Aufl., IV. Rz 2010 ff). Seit Inkrafttreten des Handelsgesetzbuches (HGB ) 1985 dürfen Wertberichtigungen bei Kapitalgesellschaften allerdings nicht mehr in der Bilanz ausgewiesen werden, nur die direkte Abschreibung ist noch möglich. Eine Ausnahme sah § 281 Abs. 1 i.V.m. § 254 HGB vor zur Berichtigung steuerrechtlicher Abschreibungsvorschriften; diese Vorschrift, in der allein der Begriff „Wertberichtigung” auftauchte, gibt es seit Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25. Mai 2009 auch nicht mehr.

bb) Die Vereinbarung dürfte auch nicht fremdüblich sein, wenn nur die Zuführungen zu Rücklagen und Rückstellungen die Tantieme beeinflussen, nicht jedoch deren Auflösung bzw. Minderung. Die Berücksichtigung von Erträgen aus der Auflösung muss konsequenterweise erfolgen, wenn der Aufwand aus der Zuführung hinzugerechnet wird (Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Rz 454).

cc) Die Tantiemevereinbarung ist außerdem insoweit nicht fremdüblich, als in ihrer Bemessungsgrundlage nicht der tatsächlich vom Geschäftsführer erwirtschaftete Erfolg abgebildet wird:

(1) Einem Fremdgeschäftsführer wird der von ihm insgesamt erwirtschaftete Erfolg vergütet. Fremdüblicherweise sind vom Geschäftsführer erwirtschaftete Verluste zunächst einmal durch spätere Gewinne auszugleichen, so dass lediglich der einen Verlustvortrag übersteigende Teil des Jahresüberschusses in die Bemessungsgrundlage der Tantieme eingehen kann (BFH-Urteil vom 18. September 2007 I R 73/06 , BStBl II 2008, 314 ). Es fehlt daher womöglich an der Berücksichtigung von vom Geschäftsführer erwirtschafteten Verlusten in Form der Schmälerung der Bemessungsgrundlage der Tantieme.

(2) Rückstellungen schmälern fremdüblicherweise die Bemessungsgrundlage der Gewinntantieme. Denn sie sind (Eventual)Verbindlichkeiten. Soweit sie zu dotieren sind, entsteht Aufwand, der den Jahresüberschuss schmälert.

(3) Auch Abschreibungen schmälern fremdüblicherweise die Bemessungsgrundlage der Gewinntantieme. Denn sie dienen der gewinnschmälernden Berücksichtigung von Aufwand. Der vom Geschäftsführer erwirtschaftete Erfolg besteht in der positiven Differenz zwischen Erträgen und Aufwendungen. Werden letztere nur teilweise berücksichtigt, so wird ein tatsächlich nicht eingetretener Erfolg vergütet, was gegenüber einem gesellschaftsfremden Angestellten nicht geschähe. Alle Negativbeträge, die im Verantwortungsbereich des Gesellschafter-Geschäftsführers entstanden seien, wirken sich fremdüblicherweise mindernd auf die Tantiemebemessungsgrundlage aus (vgl. Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 KStG Rz 454). Bei einer Korrektur der Abschreibungen, wie sie die streitgegenständliche Vereinbarung vorsieht, würde auf Dauer ein Betrag von einem Drittel der Abschreibungen der Berücksichtigung bei der Tantiemeberechnung entzogen, obwohl insoweit das Ergebnis gemindert wurde.

(4) Dass Sonder- und erhöhte Abschreibungen zu 2/3 zu Lasten des Zusageempfängers berücksichtigt werden ist nicht fremdüblich. Denn sie schmälern den erwirtschafteten Erfolg tatsächlich insoweit nicht, als sie über den tatsächlichen Wertverzehr der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens durch Abnutzung hinausgehen.

Die Ausübung bilanzpolitischer Gestaltungswahlrechte obliegt den Gesellschaftern i.R.d. Feststellung des Jahresabschlusses nach §§ 42 a Abs. 2, 46 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG ) durch die Gesellschafterversammlung (§ 48 Abs. 1 GmbHG ); die Gesellschafterversammlung ist an den Bilanzentwurf des Geschäftsführers nicht gebunden (Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG , 10. Aufl., 2007, § 46, Rz 14). Ein Fremdgeschäftsführer kann mithin die Ausübung der steuerrechtlichen Wahlrechte nicht steuern. Er wird erkennen, dass die Berücksichtigung von Sonder- und erhöhten Abschreibungen die Bemessungsgrundlage seiner Erfolgsvergütung unter den tatsächlich von ihm erwirtschafteten Erfolg sinken lassen, wird die unvollständige Korrektur diese Effekts nicht akzeptieren, insbesondere aber nicht, dass sogar lediglich mögliche, jedoch tatsächlich nicht in Anspruch genommene Abschreibungen dieser Natur seine Vergütung reduzieren.

(5) Ebenso ist es nicht fremdüblich, für den Falle des Beginns oder Endes der Geschäftsführertätigkeit den Erfolg des gesamten Wirtschaftsjahres zur Bemessungsgrundlage einer Tantieme zu machen; zumindest das vor der Aufnahme der Tätigkeit erwirtschaftete Ergebnis werden einander fremde Dritte nicht in die Bemessungsgrundlage einbeziehen: Eine GmbH wird einem Fremdgeschäftsführer nicht von ihm erwirtschaftete Gewinne nicht vergüten, ein Fremdgeschäftsführer wird nicht akzeptieren, dass von ihm nicht zu verantwortende Verluste die Bemessungsgrundlage seiner erfolgsabhängigen Vergütung schmälern.

(6) Zudem wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, der eine Eigenkapitalverzinsung sicher gestellt wissen will, diese nicht auf die bloße Verzinsung des Stammkapitals begrenzen.

(7) Es kann dahinstehen, ob die Tantiemevereinbarung die Berücksichtigung von Verlustvorträgen vorsieht.

Sollte der in der Zusage verwendete Begriff „Gewinn” ertragsteuerrechtlich zu verstehen sein, so würde ein Verlustvortrag die Bemessungsgrundlage der Tantieme nicht schmälern, wohingegen die Klägerin vertreten durch ihren geschäftsführenden Alleingesellschafter eine durch Verlustvorträge geschmälerte Bemessungsgrundlage der Tantieme berücksichtigt hat.

Sollte der verwendete Begriff den „Bilanzgewinn” i.S.d. § 268 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) meinen, so wäre ein Verlustvortrag in ihn einzubeziehen, zugleich aber auch ein Gewinnvortrag, was den vorgetragenen Gewinn die Bemessungsgrundlage der Tantieme nach seinem Entstehungsjahr erneut steigern ließe. Letzteres war von den Vertragsparteien nicht gewollt.

Selbst wenn der verwendete Begriff im Sinne von § 86 Abs. 2 des Aktiengesetzes (AktG) a.F. dahingehend zu verstehen sein sollte, dass der „Gewinn” der um den Verlustvortrag geschmälerte Jahresüberschuss wäre, so hätte die durch den geschäftsführenden Alleingesellschafter vertretene Klägerin die Vereinbarung nicht vollständig umgesetzt, nämlich ein niedrigeren als den tatsächlich bestehenden Verlustvortrag berücksichtigt, was darin begründet sein mag, dass sie nicht den handelsrechtlichen, sondern den körperschaftsteuerrechtlichen Verlustvortrag berücksichtigt haben könnte.

d) Es kann dahin stehen, ob die Tantiemevereinbarung mit dem beherrschenden H S wie vereinbart umgesetzt worden ist, weil ein bloßer Rechenfehler unbeachtlich sein könnte, oder aber bereits aufgrund der abweichenden Umsetzung der mit dem beherrschenden Gesellschafter getroffenen Abrede eine vGA vorliegt. Die Klägerin hat, wobei sie auch insoweit durch ihren geschäftsführenden Alleingesellschafter und Empfänger der Zusage handelte, die Gewinntantieme auf ¼ der festen Vergütung i.S.d. der Tantiemezusage gekappt (13.022,50 EUR von EUR 52 .090,– EUR), während sie der Zusage selbst entsprechend lediglich auf 1/3 dieser (17.363,33 EUR) zu kappen gewesen wäre, womit erreicht worden wäre, dass sie ¼ der Gesamtvergütung i.S.d. Tantiemezusage nicht überstiegen hätte.

2. Die Klägerin ist durch die Behandlung der Zusagen der Einmalzahlungen durch den Beklagten nicht in ihren Rechten verletzt.

a) Denn in den Dotierungen der Rückstellungen für die Einmalzahlungen liegen vGA.

aa) Dies ergibt sich ebenso wie hinsichtlich der Tantieme aus der der Klägerin eingeräumten Möglichkeit, die Einmalzahlungen zu kürzen oder ganz zu streichen.

bb) Vater und Ehefrau bildeten dem Alleingesellschafter der Klägerin nahe stehende Personen. Auch Ihnen gegenüber sind die Sonderbedingungen für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer zu beachten. Im Streitfall sind sie wie bei H S nicht eingehalten worden.

b) Im Übrigen gilt: Die Rückstellungen für die Einmalzahlungen sind in den Streitjahren nicht über das vom Beklagten in den streitgegenständlichen Bescheiden berücksichtigte Maß hinaus zu dotieren gewesen, da mit ihnen, auch dem Vortrag der Klägerin nach, zukünftige Leistungen abgegolten werden sollten.

aa) Hinsichtlich des Jahres 2005 ist die Behandlung der Einmalzusagen durch den Beklagten ohnehin günstiger als diejenige durch die Klägerin.

bb) Hinsichtlich des Jahres 2004 ist die Klägerin durch die Behandlung der Einmalzusagen durch den Beklagten nicht in ihren Rechten verletzt.

(1) Nach § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG musste die Klägerin im Rahmen des anzustellenden Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 EStG ) dasjenige Betriebsvermögen ansetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Zu diesen zählt u.a. der Grundsatz, dass Rückstellungen nur in den durch § 249 HGB bestimmten Fällen gebildet werden dürfen (§ 249 Abs. 3 HGB ). Bei der Anwendung dieses Grundsatzes auf das Steuerrecht ist zudem zu beachten, dass nach gefestigter Rechtsprechung des BFH eine Passivierung steuerrechtlich nur dann zulässig ist, wenn sie handelsrechtlich geboten ist (BFH-Urteile vom 28. April 1971 I R 39,40/70, BFHE 102, 270 , BStBl II 1971, 601 ; vom 20. Januar 1983 IV R 168/81, BFHE 137, 489 , BStBl II 1983, 375 ; vom 29. November 1990 IV R 131/89, BFHE 168, 24 , 27 , BStBl II 1992, 715, 717, m.w.N.). Nach § 249 Abs. 1 HGB sind für ungewisse Verbindlichkeiten in der Handelsbilanz Rückstellungen zu bilden. Ungewisse Verbindlichkeiten in diesem Sinne sind zum einen solche, die am maßgeblichen Stichtag dem Grunde nach entstanden sind, jedoch der Höhe nach nicht feststehen. Zum anderen fallen hierunter Verbindlichkeiten, die am Stichtag nicht mit Sicherheit entstanden sind, deren Bestehen aber wahrscheinlich ist. Schließlich ist eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 HGB für Verbindlichkeiten geboten, die am Stichtag rechtlich noch nicht entstanden, wirtschaftlich aber in einem abgelaufenen Zeitraum verursacht worden sind (BFH-Urteil vom 25. März 1992 I R 69/91, BFHE 168, 527, BStBl II 1992, 1010, 1011, m.w.N.). Für Verbindlichkeiten, die am Bilanzstichtag weder rechtlich entstanden noch wirtschaftlich verursacht sind, darf hingegen eine Rückstellung nicht gebildet werden (BFH-Urteil vom 24. Januar 2001 I R 39/00, BStBl II 2005, 465). Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 d) Satz 1 EStG waren Rückstellungen insbesondere höchstens unter Berücksichtigung folgender Grundsätze anzusetzen: Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich war, waren zeitanteilig in gleichen Raten anzusammeln. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 e) Satz 1 Halbs. 1 EStG waren sie mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen.

(2) Es kann dahinstehen, ob der Rückstellungsbildung die ertragsteuerliche Anerkennung schon deshalb zu versagen war, weil sog. Jubiläumsrückstellungen i.S.d. § 5 Abs. 4 EStG vorliegen und diese womöglich nur dann zulässig sind, wenn die Jubiläumsdienstzeit in Jahren ohne Rest durch 5 teilbar ist (so Weber-Grellet in Schmidt, EStG , 31. Aufl., 2012, § 5, Rz 415), was im Streitfall womöglich nicht der Fall ist.

(3) Es kann ferner dahinstehen, ob die zeitanteilige unverfallbare Anwartschaft der Zusage den Charakter des Versprechens einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums nimmt.

(4) Denn eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit darf nur gebildet werden, soweit deren wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag liegt (BFH-Urteil vom 18. Januar 2007 IV R 42/04 , BStBl II 2008, 956 ).

(a) Ob Verpflichtungen aus der Zusage einer Gratifikation, die an die Arbeitnehmer nach Ablauf mehrerer Jahre auszuzahlen ist, Aufwand im Jahr der Zusage oder in den Jahren bis zur Auszahlung auslösen, hängt davon ab, ob sie in der Hauptsache an ein zurückliegendes oder aber ein künftiges Verhalten des Arbeitnehmers anknüpfen. Eine freiwillig übernommene Gratifikation kann sowohl Entgelt für die in der Vergangenheit gezeigte Betriebstreue als auch für die im Jahr der Zusage erbrachte Arbeitsleistung, aber auch für die künftig erwartete Betriebstreue bilden. Gäbe es für die Aufteilung der zugesagten Leistung keine Anhaltspunkte, so müsste die Eventualverbindlichkeit als vollumfänglich bereits im Jahre der Zusage verursacht behandelt werden (BFH-Urteil vom 07. Juli 1983 IV R 47/80 , BStBl II 1983, 753 ).

(b) Hängt die Verpflichtung des Arbeitgebers, seinem Arbeitnehmer nach Ablauf mehrerer Jahre eine Gratifikation zu zahlen, wie im Streitfall entscheidend davon ab, dass der Arbeitnehmer nicht kündigt, so darf der erst künftig entstehende Aufwand nicht durch die Bildung einer Rückstellung vorweggenommen werden. Der Sachverhalt ist objektiv zu würdigen. Der – auch im Streitfall eintretende – Wegfall des Anspruchs auf die Gratifikation im Falle einer Kündigung spricht gegen die Annahme, er habe die Vergütung durch Dienstleistungen in der Vergangenheit erworben. In diesem Fall ist Hauptzweck der Zusage, den Arbeitnehmer für eine gewisse Zeit an den Betrieb zu binden, so dass die Zusage kein Entgelt für in der Vergangenheit geleistete Dienste, sondern anteilig Aufwand in den Jahren aus, in denen das Unternehmen Nutzen aus ihr zieht, auslöst (BFH-Urteil vom 18. März 1965 IV 116/64 U , BStBl III 1965, 289 ). In diesem Fall kann die Aufwandsverteilung ausschließlich Mittels einer in den Jahren zwischen Zusage und Auszahlung zunehmenden Rückstellung erreicht werden (BFH-Urteil vom 07. Juli 1983 IV R 47/80 , BStBl II 1983, 753 ).

(5) Die Abschläge für Fluktuation und Zinsen sind zwischen den Beteiligten unstreitig.

II. Weder H noch A noch E S sind notwendig beizuladen. Eine notwendige Beiladung setzt voraus, dass an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, verändert oder zum Erlöschen bringt. Ein solches Verhältnis der gegenseitigen Abhängigkeit liegt im Hinblick auf die Behandlung einer Leistung als verdeckte Gewinnausschüttung einerseits auf der Ebene der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft und andererseits auf der Ebene des empfangenden Gesellschafters nicht vor. Der auf der Hinzurechnung einer verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ) basierende Körperschaftsteuerbescheid gegenüber der Kapitalgesellschaft und der Steuerbescheid, der auf der Ebene des Anteilseigners Kapitaleinkünfte i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 KStG einbezieht, stehen nicht im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid gemäß § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ; vielmehr ist darüber in dem jeweiligen Besteuerungsverfahren selbständig zu entscheiden. Dass sich in beiden Besteuerungsverfahren mit der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis die gleiche Vorfrage stellt und diese logisch nur einheitlich beantwortet werden kann, reicht für die notwendige Beiladung nicht aus (BFH-Beschluss vom 14. Oktober 2008 I B 48/08 , BFH/NV 2009, 213 ). Hieran hat sich auch nach Schaffung der Korrespondenzregelungen in § 32a, § 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Sätze 2 und 3 EStG , jeweils i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878 , BStBl I 2007, 28 ) nichts geändert (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2012 VIII R 9/09 , BFH/NV 2013, 278 , m.w.N.). Zudem führen verdeckte Gewinnausschüttungen in Form von einer einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nahe stehenden Personen von der Gesellschaft gewährten Vorteilen nicht etwa zu Einnahmen im Rahmen steuerlicher Einkünfte bei diesen Personen, sondern beim Gesellschafter selbst (Weber-Grellet in Schmidt, EStG , 31. Aufl. 2012, § 20, Rz 56).

III. Der Streitwert ist nicht durch das Gericht festzusetzen. Die Ermittlung und die Festsetzung des Streitwerts sind im Regelfall unselbständiger Teil des Kostenansatzverfahrens bzw. -festsetzungsverfahrens und obliegen daher in erster Linie dem Kostenbeamten (vgl. Ratschow in Gräber, FGO , 7. Aufl.2010, vor § 135 Rz 111). Einem Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sich wie im Streitfall die Höhe des Streitwerts eindeutig aus den gestellten Sachanträgen sowie aus den von der Rechtsprechung zur Bemessung des Streitwerts in gleichartigen Fällen entwickelten Grundsätzen ermitteln lässt (BFH-Beschluss vom 07. März 2012 V B 131/11 , BFH/NV 2012, 1154 ).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO . Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten ist nicht zu treffen, da die Klägerin sämtliche Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

V. Eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren bildet rechtlich keinen Bestandteil eines Urteils. Im Streitfall erübrigt sie sich, da der Kläger ohnehin die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

VI. Eine Kostenfestsetzung hätte außerhalb des Urteils zu erfolgen. Im Streitfall erübrigt sie sich aus vorgenanntem Grund ebenso wie eine Verzinsung der Kosten.

VII. Gründe für eine etwaige Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Statistik über die Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern im Jahr 2012

Das Bundesministerium der Finanzen hat aus den Einspruchsstatistiken der Steuerverwaltungen der Länder die folgenden Daten zur Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern im Jahr  2012 zusammengestellt:

Unerledigte Einsprüche am 1.1.2012 3.532.797
Eingegangene Einsprüche 4.139.601
(Veränderung gegenüber Vorjahr: + 14,8 %)
Erledigte Einsprüche 3.648.073
(Veränderung gegenüber Vorjahr: – 12,1 %)
davon erledigt durch Rücknahme des Einspruchs 824.664 (= 22,6 %)
Abhilfe 2.275.351 (= 62,4 %)
Einspruchsentscheidung
(ohne Teil-Einspruchsentscheidungen) 472.794 (= 12,9 %)
Teil-Einspruchsentscheidung 75.264 (= 2,1 %)
Unerledigte Einsprüche am 31.12.2012 4.024.325 (+ 13,9 %)
Teil-Einspruchsentscheidungen (§ 367 Absatz 2a der Abgabenordnung – AO -) werden als
Erledigungsfall im Sinne der Statistik behandelt, da davon auszugehen ist, dass insoweit die
Einspruchsverfahren in den meisten Fällen – anders als in den Fällen zur Entfernungspauschale („Pendlerpauschale“) – durch eine Allgemeinverfügung nach § 367 Absatz 2b AO abgeschlossen werden, was dann kein Erledigungsfall im Sinne der Statistik ist.
Der Endbestand (4.024.325) enthält 2.556.619 Verfahren, die nach § 363 AO ausgesetzt sind
oder ruhen und daher von den Finanzämtern nicht abschließend bearbeitet werden konnten.
Abhilfen beruhen häufig darauf, dass erst im Einspruchsverfahren Steuererklärungen abgegeben oder Aufwendungen geltend gemacht bzw. belegt werden. Ferner kann Einsprüchen, die
im Hinblick auf anhängige gerichtliche Musterverfahren eingelegt wurden, durch Aufnahme
eines Vorläufigkeitsvermerks in den angefochtenen Steuerbescheid abgeholfen worden sein.
Aus einer Abhilfe kann daher nicht „automatisch“ geschlossen werden, dass der angefochtene
Bescheid fehlerhaft war.

Gewerbesteuermessbetrag: Abgrenzung freiberufliche und gewerbliche Tätigkeit

Finanzgericht Köln, 15 K 4041/10

Datum: 24.10.2012
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 15. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 15 K 4041/10
Nachinstanz: Bundesfinanzhof, VIII R 45/13
Tenor: Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
1Tatbestand2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb ausgeübt hat.

3Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde.

4Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die in allen Streitjahren Einkünfte aus Übersetzer- und Dolmetschertätigkeit erzielte. Im September 2009 verlegte die Klägerin ihren zuvor in der A-Straße …, … B, belegenen inländischen Betriebssitz in die C-Straße …, … D. Aufgrund einer zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt D geschlossenen Zuständigkeitsvereinbarung gem. § 26 Satz 2 AO blieb der Beklagte (u.a.) bis zur Beendigung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide für die Besteuerung der Klägerin zuständig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und dem Finanzamt D vom 18. Oktober und 2. Dezember 2009 verwiesen (Blatt 254, 255 der Prozessakte 15 K 57/11).

5Gesellschafter der Klägerin waren in den Streitjahren Frau E und Herr F. Frau E ist von Beruf Dipl.-Übersetzerin; Herr F absolvierte nach einem Unfall in den Jahren 1989 bis 1991 eine zweijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker (NC-Programmierer). Anschließend absolvierte er ein Studium als Dipl.-Ingenieur an der Fachhochschule B, das er im Juli 1995 erfolgreich abschloss. In den Streitjahren verfügte Herr F bereits über eine jahrelange Erfahrung als Programmierer für Datenbanken und als Fachübersetzer in den Sprachen Deutsch, Spanisch und Englisch.

6Die Klägerin selbst war und ist spezialisiert auf technische Übersetzungen. Wie in anderen spezialisierten Übersetzungsbüros ist sie dabei aufgrund des beruflichen Werdegangs und der Erfahrungen des Herrn F in der Lage, ihren Kunden zusätzliche Ingenieurleistungen wie bspw. Projektmanagement, Terminologiearbeit, IT-Leistungen, etc. zur Verfügung zu stellen. Aufgrund der Maschinenbaukenntnisse des Herrn F ist sie überdies in der Lage, die Leistungen eines technischen Redakteurs anzubieten.

7Wegen der Spezialisierung auf den Maschinenbaubereich bearbeitete die Klägerin Texte mit hoher Textwiederholungsrate. Dabei bestellten die Kunden Übersetzungen der von ihnen selbst erstellten Dokumentationen. Die Klägerin erstellte hieraus qualitativ hochwertige, fertig übersetzte und layoutete Handbücher, Bedienungsanleitungen, etc.. Die Bearbeitung der Dokumentationen erfolgte dabei in speziellen Programmen wie z.B. Framemaker, Interleaf, QuarkXpress. Aufgrund der technischen Erfahrung des Herrn F konnte die Klägerin dabei Dokumentationen mit hoher Komplexität bearbeiten (z. B. Mietanlagen für Luftfahrtindustrie, Werkzeugmaschinen, Straßenbaumaschinen, etc.). Hierzu setzte die Klägerin von Anfang an Translation-Memory-Systeme – TMS – ein, die sämtliche übersetzten Segmente abspeichern konnten. Die für die Verwaltung und die Arbeit mit diesen Systemen benötigten besonderen Fachkenntnisse brachte Herr F aufgrund seines beruflichen Werdeganges mit.

8Anfangs bot die Klägerin ihren Kunden lediglich Übersetzungen in den Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch und Französisch an, die ihre Gesellschafter komplett selbst anfertigen konnten. Aufgrund der guten Erfahrungen mit den Dienstleistungen der Klägerin gaben die Kunden nach und nach auch andere Sprachkombinationen in Auftrag, die die Klägerin unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern fertigte. Zum Teil ließ die Klägerin auch Übersetzungen von Sprachen, die ihre Gesellschafter beherrschten von Fremdübersetzern anfertigen.

9Aus den Gewinn- und Verlustrechnungen – GuV – der Klägerin ergeben sich in den Veranlagungszeiträumen 2003 bis 2007 folgende Ausgangsumsätze (netto) und bezogene Fremdleistungen (netto):

10

GuV 2003 2004 2005 2006 2007
Umsatzerlöse 170.826 280.339 271.226 208.478 429.154
Fremdleistungen 86.514 158.096 121.297 59.784 110.603
Verhältnis ca. 50 % ca. 56 % ca. 45 % ca. 28 % ca. 26 %

11Für das Streitjahr 2005 existiert eine Aufteilung der Ausgangsumsätze auf die übersetzten Sprachen. Danach entfallen die Umsatzerlöse zu insgesamt 56,69 % 147.078,21 €) auf die von den Gesellschaftern der Klägerin selbst beherrschten Sprachen Deutsch, Spanisch, Französisch und Englisch. Die verbleibenden 43,31 % entfallen auf die Sprachen Portugiesisch, Polnisch, Italienisch, Schwedisch, Dänisch, Arabisch, Niederländisch, Türkisch, Slowenisch, Russisch, Norwegisch, Tschechisch und sowie verschiedene weitere Sprachen. Zur Aufteilung wird auf die Anlage 3 zum Schriftsatz des Beklagten vom 12. Oktober 2009 in dem Aussetzungsverfahren 15 V 2981/09 verwiesen (Bl. 235 der Prozessakte 15 V 2981/09).

12Die in den Streitjahren erstellten Ausgangsrechnungen der Klägerin sind in einem einheitlichen Layout verfasst. Die darin enthaltenen Angaben lassen sich beispielhaft wie folgt darstellen:

13

Beschreibung TM-System Match Zeilen je Match E-Preis Zeile Ges.Preis
Übersetzung technische Dokumentation …Seiten …

Sprachkombination: …

Dokumentation: …. Seiten, Word-Format

Gesamtzeilen Zieltext    Basispreis      Tats. Durchschn.

… Zeilen             …€/Zeile               … €/Zeile

Service: Formatierung gemäß Fax-Vorlage, so dass kein Nacharbeitsaufwand entsteht. Firmenspezifische Terminologieverwaltung

Anmerkung: Erforderliche Formatierungsarbeiten sowie das Einscannen der Graphiken wurden als Serviceleistung ohne Aufpreis durchgeführt.

100%75-99%

< 75%

……

……

……

14Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausgangsrechnungen in den dem Gericht vorgelegten Buchführungsunterlagen verwiesen.

15Die Klägerin betrieb ihr Unternehmen in der A-Straße …, … B und seit Mitte des Veranlagungszeitraums 1999 in einer weiteren Betriebsstätte in G, H, Spanien. Die in ihrer spanischen Betriebsstätte erzielten Umsätze führte die Klägerin nahezu ausschließlich an in Deutschland ansässige Unternehmen aus. Den Gewinn aus ihrem (einheitlichen) Unternehmen ermittelte sie durch separate Betriebsstätten-Buchführungen. Den Gewinn aus der deutschen Betriebsstätte ermittelte sie auf Grund einer Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes – EStG –, den Gewinn der spanischen Betriebsstätte aufgrund eines Bestandsvergleichs nach spanischem Recht.

16Gewerbesteuererklärungen gab die Klägerin nicht ab, weil sie die von ihr erzielten Einkünfte als solche aus freiberuflicher Tätigkeit ansah (§ 18 EStG).

17Gemäß Prüfungsanordnung vom 26. August 2008 und Prüfungserweiterung vom 24. Oktober 2008 führte der Beklagte vom 07. Oktober 2008 bis 22. Juni 2009 (Datum des Bp-Berichts) eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin durch. Diese führte zu folgenden, auszugsweise wiedergegebenen Prüfungsbeanstandungen.

18Tz. 2.3.2 des Bp-Berichts: Methodik der Berechnung und Ermittlung der Anteile

19Da die Klägerin keine Aufzeichnungen darüber geführt hat, welche Einnahmen/Ausgaben welcher Betriebsstätte zuzurechnen sind, war eine nachträgliche Ermittlung der Betriebsstättengewinne nach der direkten Methode nicht mehr möglich. Aus diesem Grunde konnten die Gewinne nur noch schätzungsweise nach der indirekten Methode auf die Betriebsstätten verteilt werden. Mit der Klägerin wurden einvernehmlich folgende Gewinnanteile der jeweiligen Betriebsstätte ermittelt:

20

2002 2003 2004 2005 2006
Deutschland 8,36 % 25,07 % 72,60 % 65,21 % 70,14 %
Spanien 91,64 % 74,93 % 27,40 % 34,79 % 29,86 %

21Tz. 2.16 des Bp-Berichts: Gewerbesteuer

22Die Klägerin erklärte bislang nur Einkünfte gemäß § 18 EStG. Im Rahmen der Prüfung ergab sich, dass die Klägerin in nicht unbeträchtlichem Umfang Fremdleistungen in Anspruch genommen hat. Diese Fremdleistungen beruhen größtenteils auf Rechnungen von Drittübersetzern, die Sprachen übersetzten, die die Klägerin selbst nicht anbieten konnte. Nach ständiger Rechtsprechung und Hinweis 15.6 (Mithilfe anderer Personen) der Einkommensteuerrichtlinien – EStR – liegen insoweit keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sondern gewerbliche Einkünfte vor.

23Der Umstand, dass die Klägerin keine Fließtext-Übersetzungen für ihre Kunden anfertigte, ändert an dieser Beurteilung nichts, da es sich bei den über die reinen Übersetzungen hinausgehenden Tätigkeiten um „handwerkliche“ und organisatorische Nebentätigkeiten zum Hauptprodukt „Übersetzung“ handelt, die weder für sich gesehen noch im Gesamtkontext eine freiberufliche Tätigkeit darstellen. Da die Klägerin im Prüfungszeitraum keine Trennung der gewerblichen und selbständigen Tätigkeiten vollzogen hat, liegen nach der Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Satz 1 EStG insgesamt gewerbliche Einkünfte vor. Die Gewerbesteuerpflicht beschränkt sich dabei gemäß § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz – GewStG – auf die inländische Betriebsstätte. Aus Verjährungs- und Freibetragsgründen ist erstmalig ab 2003 Gewerbesteuer festzusetzen. Dabei sind nur die inländischen Gewinne zu Grunde zu legen:

24Auf Basis dieser Prüfungsbeanstandungen erließ der Beklagte auf den 6. und 13. August 2009 datierende erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2006, gegen die die Klägerin am 18. August und 10. September 2009 Einsprüche einlegte. Ihre Einsprüche richteten sich gegen den Ansatz gewerblicher Einkünfte als solche, die Höhe der Einkünfte und die Verteilung auf die in- und ausländische Betriebsstätte stehen nicht in Streit.

25Ferner beantragte die Klägerin eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO. Hierzu trug sie mit Schreiben vom 13. Juli und 24. August 2010 betreffend „div. Einspruchsverfahren“ vor, dass den Gesellschaftern nach Abschluss der Rechtsbehelfsverfahren nicht zugemutet werden könne, weiter um den Erhalt ihrer Altersvorsorgerücklagen als Schonvermögen zu kämpfen. Insbesondere aufgrund der bisherigen Rechtsauffassung des Finanzamtes zur Gewerbesteuerpflicht der Klägerin seien Billigkeitsmaßnahmen schon im Festsetzungsverfahren zu gewähren, da die nachträglich festgesetzten Gewerbesteuern und Zinsen in Höhe von 125.642 € für die Jahre 2003 bis 2007 den Tatbestand der Existenzgefährdung hervorriefen. Es werde daher nochmals auf den Antrag gemäß § 163 AO hingewiesen und ausdrücklich eine abweichende Steuerfestsetzung im Rahmen der Entscheidung über die Einspruchsverfahren durch Freistellung eines Altersvorsorgevermögens von mindestens 150.000 € beantragt (Bl. 70 ff. der Prozessakte 15 K 4041/10).

26Diesen Antrag übersandte der Beklagte am 19. November 2010 an die Stadt B, die er als hebeberechtigte Gemeinde für den Erlass der begehrten Billigkeitsmaßnahme als sachlich zuständig ansah. Über den Erlassantrage ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Wegen der Einzelheiten wird auf den diesbezüglichen Schriftwechsel verwiesen (Blatt 231 – 250 der Prozessakte 15 K 57/11).

27Am 25. November 2010 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

28Hiergegen hat die Klägerin am 23. Dezember 2010 Klage erhoben.

29Sie ist der Auffassung, der Beklagte qualifiziere die von ihr erzielten Einkünfte zu Unrecht als Gewinne aus Gewerbebetrieb. Es habe sich bei ihr in den Jahren 2003 bis 2007 um eine Personengesellschaft mit überwiegend freiberuflichem Charakter gehandelt, die von zu Hause betrieben worden sei und daher keinerlei Infrastruktur der Stadt genutzt habe. Vor diesem Hintergrund sei es gleichheitswidrig, wenn sie auf ihren gesamten Gewinn Gewerbesteuer zahlen müsste, während andere, die Infrastruktur der Stadt nutzende Betriebe von der Gewerbesteuer verschont würden.

30Die von ihr erbrachten freiberuflichen und gewerblichen Betätigungsanteile könnten nicht getrennt voneinander beurteilt werden, ihr gesamter Betrieb sei nach der Verkehrsauffassung vielmehr als einheitliches Unternehmen anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 02. Oktober 2003, BStBl II 2004, 363 und im Urteil vom 24. April 1997, BStBl II 1997, 567, komme eine Umqualifizierung von Einkünften nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht in Betracht, wenn eine gemischte Tätigkeit als einheitliche Gesamtbetätigung anzusehen sei. Eine solche Tätigkeit müsse vielmehr unabhängig von der Abfärbetheorie danach qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gebe. Eine einheitliche Erfassung sei stets dann geboten, wenn sich die Tätigkeiten gegenseitig bedingten und derart miteinander verflochten seien, dass der gesamte Betrieb nach der Verkehrsauffassung als einheitlich anzusehen sei. In ihrem Unternehmen würden die Kunden in aller Regel ein Handbuch oder einzelne Textbausteine eines solchen in Auftrag geben, die in verschiedene Sprachen übersetzt werden müssten. Eine Einzelbestellung in lediglich drei Sprachen komme nicht vor, der Kunde erwarte vielmehr einen Gesamterfolg in mehreren Sprachen. Sie verfüge über etliche EdV-Systeme, Hardware, Abläufe und organisatorische Strukturen, die für sämtliche Sprachkombinationen gemeinsam eingesetzt würden, so dass eine nicht aufzulösende Verflechtung hinsichtlich der selbst gesprochenen und der von ihren Gesellschaftern nicht beherrschten Sprachen vorliege, bei denen auch wiederum nur teilweise Fremdübersetzer neu beauftragt würden. Alle Leistungsbestandteile würden mit eigenem personellem Einsatz erbracht. So arbeite Herr F wegen des großen Termindrucks parallel an verschiedenen Projekten in unterschiedlichen Sprachen, wenn beispielsweise ein Handbuch in fünf Sprachen gleichzeitig übersetzt werde müsse und bereits Teile des Handbuches in allen Sprachen im TMS vorhanden seien. Die Ingenieurleistungen (Projektmanagement, Vorbereitung des Handbuchs zur Bearbeitung in mehreren Sprachen, Ressourcenplanung, etc.) würden zusammen für das gleiche Projekt erbracht, so dass eine Aufteilung nicht möglich sei. Bei der Leistungserbringung überwiege zweifelsohne die freiberufliche Tätigkeit als technischer Redakteur und die eigenen Übersetzungsleistungen. Diese untertrennbaren Leistungen seien für alle Sprachen und Aufträge erforderlich und würden vom Kunden übergreifend beauftragt.

31Ihre Gesellschafter hätten als Freiberufler die Durchführung der Arbeiten überwacht, grundsätzliche Fragen selbst entschieden und ihre Arbeitskraft so eingesetzt, dass sie die uneingeschränkte fachliche Verantwortung auch für die nicht von ihnen persönlich, sondern von Mitarbeitern erbrachten Leistungen übernommen hätten. Die Fachkenntnisse müssten sich auf den gesamten Bereich der Berufstätigkeit erstrecken. Die von ihnen übersetzten Handbücher trügen in erheblichem Maße den Stempel ihrer Persönlichkeit. Ingenieurleistungen und technische Redaktionsleistungen würden in den Handbüchern in unterschiedlichen Sprachen untrennbar miteinander verbunden.

32Die von Herrn F genehmigten bzw. überarbeiteten Texte der Fremdübersetzer seien Textauszüge oder Textmodule, die für die Erstellung mehrerer Handbücher verwendet würden. Ein Übersetzer könne z. B. 170 Zeilen für ein Handbuch A und 100 für ein Handbuch B liefern, dann weitere 100 Zeilen für die Datenbank und verschiedene Termini für eine Tabelle eines Handbuch C. Das sei von Fall zu Fall verschieden. Herr F würde im Falle des Handbuches A die 170 Zeilen in die zentrale Datenbank des TMS importieren und erst anschließend den Übersetzungsprozess für das beauftragte Produkt im eigenen Hause automatisch durchführen. Das Endprodukt sei ein 250 Seiten starkes Handbuch, z. B. in Polnisch, für das lediglich 170 Zeilen neu und unter Kontrolle von Herr F erstellt worden seien. Es könne auch vorkommen, dass ein Projekt (Handbuch oder Terminologie-Liste) in einer von den Gesellschaftern der Klägerin nicht beherrschten Sprache ohne erneuten Zukauf von Fremdübersetzungen vollständig aus dem TMS erstellt würde. Das Lektorat übernehme z. B. die Filiale des Kunden im Zielland. Die Ausgangsrechnungen mit hohen Fremdleistungen sagten daher nichts über den Anteil dieser Fremdleistungen am eigentlichen Endprodukt aus. Selbst wenn in einem Handbuch ein größerer Anteil an übersetzten Text verwendet werde (z. B. 70 % neu übersetzte Textbausteine), seien diese 70 % immer noch nicht das, was der Kunde bestellt habe. Sie würden erst zum kompletten Handbuch, nachdem die 70 % zunächst in das TMS eingespeist und dann auf Vollständigkeit und richtige Terminologieverwendung überprüft worden seien. Dies sei nur aufgrund der Kenntnisse des Herrn F als Übersetzer und seiner technischen Erfahrungen möglich. Nachdem das Handbuch aus dem TMS bei der Klägerin neu generiert worden sei, würden abschließend alle Tabellen und Grafiken manuell durch Herrn F ergänzt, beschrieben und formatiert. Somit sei trotz der Beauftragung einer größeren Textmenge von Übersetzungen der Anteil von Herrn F an jedem Handbuch immer in ausreichendem Umfang vorhanden, so dass der Stempel seiner Persönlichkeit immer gegeben sei. Im Falle einer Reklamation eines Handbuchs, für das der Einkauf von Fremdleistungen erforderlich gewesen sei, könne sie sich nicht an die Fremdübersetzer wenden, da der gesamte endgültige Text des Handbuchs aus dem TMS generiert worden und allein Herr F dafür verantwortlich gewesen sei. Aus diesem Grunde kontrolliere er die Übersetzungen. Ohne die Tätigkeit von Herrn F seien die von den Fremdübersetzern gelieferten Textmodule für den Kunden überhaupt nicht verwertbar. Ihre Arbeitsweise sei von den Arbeitsabläufen vergleichbar mit der eines Zahnarztes, welcher einen Zahntechniker zur Erstellung von Zahnbrücken, Zahnkronen oder sonstigen Zahnprothesen beauftrage. Der Zahntechniker habe aufgrund einer speziellen Ausbildung Kenntnisse und Fähigkeiten, über die ein Zahnarzt nicht in gleichem Maße verfüge. Trotzdem sei der Zahnarzt (wie auch Herr F für das Übersetzungsbüro) in der Lage, die Leistung des Zahntechnikers zu kontrollieren und diese anschließend weiter zu verarbeiten, in dem sie den Patienten passend eingesetzt werde.

33Ihr gewerblicher Teil beschränke sich lediglich auf den Einkauf von Texten in nicht beherrschten Fremdsprachen. Alle anderen Arbeitsabläufe und Tätigkeiten zur Erstellung der vom Kunden bestellten Handbücher würden persönlich und ohne die Inanspruchnahme von Angestellten oder Fachkräften durchgeführt. Dass der freiberufliche Teil ihrer Betätigung dem Unternehmen das Gepräge gebe, lasse sich auch erkennen, wenn man die eingekauften Texte in den von den Gesellschaftern nicht beherrschten Sprachen zum Nettoumsatz der Gesellschaft ins Verhältnis setze.

34

2004 2005 2006 2007 2008
Netto-Gesamtumsatz 100 % 100 % 100 % 100 % 100 %
gewerblicher Anteil (Einkauf der Texte in nicht beherrschten Sprachen 26 % 25 % 15 % 21 % 23 %
freiberuflicher Anteil (alle anderen Tätigkeiten der GbR) 74 % 75 % 85 % 79 % 77 %

35Auch die Auffassung des Beklagten, ihre Gesellschafter könnten den Arbeiten den Stempel ihrer Persönlichkeit nicht ausreichend aufdrücken, weil sie die Sprache der Fremdübersetzer nicht beherrschten und es in Bezug auf diese Fremdleistungen an der Eigenverantwortlichkeit der Leistungserbringung fehle, werde durch den oben belegten geringen Anteil der eingeholten Fremdleistungen an der Gesamtleistungserbringung widerlegt.

36Der Beklagte gehe offenbar davon aus, dass die eingekauften Übersetzungen von ihren Gesellschaftern kontrolliert werden müssten wie Klassenarbeiten in der Schule. Das Finanzamt stelle sich offenbar vor, sie müsse die Grammatik und Stilistik prüfen und die Fremdübersetzer wie Schüler korrigieren. Das sei natürlich nicht der Fall gewesen. Die Qualitätssicherung in einem technischen Ingenieurbüro basiere auf ISO- und DIN-Normen und werde auf die Forderungen der Kunden angepasst. Die Qualitätssicherung und damit die Leitung und eigenverantwortliche Tätigkeit ihrer Gesellschafter habe somit lange vor der Beauftragung von Fremdübersetzern begonnen und ende lange nach Erhalt der eingekauften Übersetzungen.

37Während des gesamten Übersetzungsprozesses habe Herr F den Übersetzern im Übrigen zur Seite gestanden und Anweisungen erteilt, wie welche Systeme einzusetzen seien. Er habe Hilfe bei Problemen mit dem Einsatz der Programme geleistet, technische Zusammenhänge erklärt und Terminologieunterstützung geleistet, in dem er z.B. die Funktionsweise und Einsatzbeispiele für entsprechende Bauteile erklärt habe.

38Die eingekauften Texte seien nicht einfach unbesehen in die Handbücher eingefügt worden, sondern hätten einen ausgefeilten Prozess durchlaufen, der spezielle Kennt-nisse in den verschiedenen Bereichen voraussetze. Es handele sich bei ihr somit nicht um ein einfaches Übersetzungsbüro, sondern um ein Ingenieurbüro für technische Kommunikation, in dem sie ein Nischenprodukt mit spezialisierten Dienstleistungen, die eine Kombination aus Übersetzungs- und Ingenieurleistungen darstellten, anbiete.

39Die technischen Handbücher hätten die Überprüfung, Korrektur und intensive Bearbeitung durch die Gesellschafter vorausgesetzt (z.B. das Lektorat der Ausgangsdokumentationen auf Verständlichkeit, Terminologiegebrauch, Vollständigkeit, Einhaltung/Umwandlung von Einheiten und Zahlen, Vorgaben zur Textlänge, etc,). Sämtliche zugekauften Texte seien erst nach vorheriger Prüfung durch die Gesellschafter in ein TMS importiert worden. Anschließend sei die endgültige Übersetzung durch die Gesellschafter intern zusammen mit den bereits in den Systemen enthaltenen Texten oder Kapiteln in den betreffenden Sprachen entstanden.

40Ihre Gesellschafter hätten die von den Fremdübersetzern verwendete Fachterminologie z.B. anhand der eigenen Terminologiedatenbanken, durch Internetrecherchen, in Rücksprache mit anderen Fachübersetzern, in Rücksprache mit dem Kunden und den ausländischen Filialen der Kunden, etc., überprüft. Bei der Kontrolle der nicht beherrschten Sprachen seien einige zusätzlich speziell hierfür ausgearbeitete Arbeitsschritte den Qualitätssicherungsprozessen zugefügt worden.

41Verfahrensrechtlich sei zu berücksichtigen, dass sich in den Steuerakten Hinweise finden ließen, dass der Beklagte bereits 2003 für den Veranlagungszeitraum 2001 eine Veranlagung zur Gewerbesteuer ins Auge gefasst habe, weil es sich bei dem Gesellschafter F um eine berufsfremde Person gehandelt habe. Auch seien die hohen Fremdleistungen dem Beklagten bereits lange vor der BP bekannt gewesen. Gleichwohl habe eine solche Außenprüfung nicht stattgefunden. Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, ob der Beklagte nach Treu und Glauben überhaupt noch befugt gewesen sei, erst im Anschluss an die BP gewerbliche Gewinne anzusetzen.

42Ihre Gesellschafter hätten aufgrund der jährlichen Steuerfestsetzung Vermögensdispositionen getroffen und Gelder für deren Altersvorsorge zurückgelegt. Dieses Geld hätten sie zu ihrem bisherigen steuerlichen Nachteil nicht in einen privaten Altersvorsorgevertrag eingezahlt und somit von der Steuer abgesetzt. Wäre der Beklagte seiner Ermittlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen, hätten ihre Gesellschafter im Jahr 2002 eine Korrektur ihrer Vermögensdisposition durchgeführt.

43Die Vorgehensweise des Beklagten lasse keinen anderen Schluss zu, als dass das Finanzamt sie unter Missachtung der §§ 85, 88 und 89 AO gezielt ins Visier genommen habe, nachdem sie offensichtlich falsch beraten worden sei. Trotz Kenntnis des Finanzamts hinsichtlich der unrichtigen Steuererklärungen seien die weiteren Erklärungen wissentlich unrichtig veranlagt worden, um die Fehler in einer späteren Betriebsprüfung aufzudecken. Die Motivation des Finanzamts liege auf der Hand, es lohne sich für die Finanzbehörde nicht, eine Firma bereits nach einem Jahr darauf aufmerksam zu machen, dass sie steuerrechtlich einem Irrtum unterlegen sei, da die Steuerpflichtige den Fehler korrigieren könne und das Finanzamt in den folgenden Jahren keine Mehrsteuer erzielen würde.

44Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 12. Oktober 2011 (Blatt 236 der Prozessakte 15 K 4041/10) und den ergänzenden Sach- und Rechtsvortrag ihrer Gesellschafter in der mündlichen Verhandlung verwiesen (Sitzungsprotokoll).

45Die Klägerin beantragt,

46die Gewerbesteuermessbescheide 2003 bis 2006 vom 13. August 2009 und den Gewerbesteuermessbescheid 2007 in der Fassung vom 15. Oktober 2009 sowie die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 25. November 2010 aufzuheben.

47Der Beklagte beantragt,

48die Klage abzuweisen.

49Er trägt vor, die Klägerin bestätige, dass die Anteile der Fremdleistungen für nicht beherrschte Sprachen zwischen 15% und 26% gelegen hätten. Dieser Anteil gebe der Tätigkeit der Klägerin zwar nicht das Gepräge, er führe aber zu einer Infektion zur Gewerblichkeit. Insoweit räume die Klägerin auch ein, dass die eingekauften Übersetzungsleistungen von ihr nicht überprüft worden seien. Gefordert werde für die Annahme eines freiberuflichen Unternehmens, dass der individuelle, über eine bloße Leitungsfunktion hinausgehende Einsatz des Betriebsinhabers den gesamten Bereich seiner Tätigkeit umfasse. Der Betriebsinhaber müsse eigene Fachkenntnisse besitzen, die sich auf den gesamten Bereich seiner Tätigkeit erstreckten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die bestellten Handbücher seien ins Türkische, Arabische, Schwedische, Slowenische, Polnische, Italienische, Dänische, Niederländische, Russische, Portugiesische und noch in weitere Sprachen übersetzt worden. In diesen Sprachen hätten die Gesellschafter der Klägerin nicht über die nötigen Fachkenntnisse verfügt. Damit hätte der Einsatz der Betriebsinhaber nicht den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfasst. Insoweit hätten die Gesellschafter der Klägerin die freiberufliche Tätigkeit erst gar nicht ausgeübt. Daran ändere auch der Umstand, dass die fremdbezogenen Texte nachgearbeitet (layoutet) und auf die Einhaltung einer bestimmter Terminologie überprüft worden seien, nichts. Die Klägerin sei aufgrund des fehlenden Fachwissens in den genannten Sprachen nicht in der Lage gewesen, die Übersetzungen selbstständig zu erstellen. Auch wenn sich die Klägerin nicht als Übersetzungsbüro fühle, sondern als Ingenieurbüro für technische Kommunikation, handele es sich bei den Übersetzungen nicht um reine Nebentätigkeiten. Das zeige sich bereits darin, dass ein hoher Anteil an Übersetzungen habe eingekauft werden müssen.

50Die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge sei auch nicht verwirkt. Zum einen sei es nicht zutreffend, dass bereits 2003 eine Veranlagung zur Gewerbesteuer habe erfolgen sollen. Die Angaben in der Eingabemaske des Veranlagungszeitraums 2001, auf die sich die Klägerin u.a. beziehe, seien bspw. erst nach der BP im Jahre 2008 erstellt worden.

51Im Übrigen habe das Finanzamt keinen Vertrauenstatbestand gesetzt, die Gewerbesteuermessbeträge nicht festsetzen zu wollen.

52Entscheidungsgründe

53Der Senat ist nicht daran gehindert, in der Sache zu entscheiden. Insbesondere war die Verhandlung nicht im Hinblick auf das noch anhängige Verfahren über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO auszusetzen.

54Gemäß § 74 FGO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung u.a. dann anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Eine Aussetzung der Verhandlung ist in aller Regel geboten, wenn in einem Rechtsstreit über einen Folgebescheid Besteuerungsgrundlagen strittig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen noch ausstehenden oder noch nicht bestandskräftigen Grundlagenbescheid vorbehalten ist (Gräber/Koch FGO, 7. Aufl., § 74 Rz. 12 m.w.N.). Die Entscheidung über die Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 FGO ist eine vom Finanzgericht zu treffende Ermessensentscheidung, im Rahmen derer prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind (Koch in Gräber, FGO, § 74 Rz 7; Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz 16, jeweils m.w.N.). Eine Pflicht zur Aussetzung der Verhandlung besteht nur in Ausnahmefällen (BFH-Urteil vom 08.05.1991 I B 132, 134/90, BStBl II 1991, 641).

55Diesen Grundsätzen folgend war die Verhandlung im Streitfall nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass ihnen an einer zeitnahen Klärung der rechtlichen Einordnung der von der Klägerin erzielten Einkünfte unter die zutreffende Einkunftsart gelegen ist. Ein Antrag auf Aussetzung der Verhandlung hat folgerichtig keiner der Beteiligten gestellt. Vor diesem Hintergrund wäre eine Aussetzung der Verhandlung nur dann geboten, wenn mit einer Entscheidung über den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen alsbald zu rechnen wäre. Gerade das ist nach der im Streitfall gegebenen Tatsachenlage nicht der Fall.

56Der Beklagte hat sich für diesen Antrag zutreffend als sachlich unzuständig angesehen und ihn an die Stadt B weitergeleitet (§ 184 Abs. 2 AO). Je nach Entscheidung dieser Behörde müsste in dem Billigkeitsverfahren u.U. zunächst ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht B geführt werden. Hierauf hat weder der Beklagte noch der erkennende Senat zeitlichen und/oder inhaltlichen Einfluss. Der Senat sieht es nicht als ermessensgerecht an, den Beteiligten die Klärung der Rechtsfragen des vorliegenden Verfahrens, an der ihnen gelegen ist, über einen unabwägbar langen Zeitraum vorzuenthalten.

57Die Klage ist unbegründet.

58Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

59Zutreffend hat der Beklagte die Tätigkeit der Klägerin als Gewerbebetrieb eingestuft. Gemäß § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist; ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH ferner, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465, m.w.N.). Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehört nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe.

60Ergänzend hierzu bestimmt § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, dass die mit Einkünfteerzielungs-absicht unternommene Tätigkeit einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht.

61Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat die Klägerin in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG unterhalten.

62Zwar übte die Klägerin vom Grundsatz her die Tätigkeit eines sog. freien Berufes i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus, denn sowohl der Beruf des Dolmetschers als auch der Beruf des Ingenieurs wird ausdrücklich im Katalog dieser Vorschrift erwähnt. Insoweit bedarf es nicht des Rückgriffs auf die Geprägerechtsprechung des Bundesfinanzhofs, auf die sich die Klägerin in Abgrenzung zu der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG normierten Abfärbewirkung stützt.

63Diese Geprägerechtsprechung besagt, dass die Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte in gewerbliche Gewinne nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG („Abfärbetheorie“) nur dann in Betracht kommt, wenn die Tätigkeit nicht als einheitlich zu betrachtende Gesamtbetätigung anzusehen ist. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind diese getrennt zu betrachten, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen (BFH-Urteil vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BStBl II 1992, 413, m.w.N.). Sind allerdings bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (BFH, a.a.O.). Infolge dessen muss eine gemischte Tätigkeit, unabhängig von der „Abfärbetheorie“, danach qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gibt (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1997 IV R 60/95, BStBl II 1997, 567; vom 1. Februar 1979 IV R 113/76, BStBl II 1979, 574).

64Diese Rechtsprechung ist von Bedeutung, wenn ein Steuerpflichtiger sowohl eine – originär – freiberufliche als auch eine – originär – gewerbliche Tätigkeit ausübt (im BFH-Verfahren IV R 60/95 war dies die Tätigkeit als beratender Ingenieur (freiberuflich) unter gleichzeitigem Verkauf von Computerhardware (gewerblich)). In einem solchen Fall ist (zunächst) zu ermitteln, ob und ggf. welche der ausgeübten Tätigkeiten dem Betrieb das Gepräge gibt.

65Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall nicht verwirklicht. Die Klägerin hat keine gemischten Tätigkeiten im Sinne der Geprägerechtsprechung ausgeübt. Denn die von ihr gefertigten Übersetzungen unterfallen allesamt dem Katalogberuf des Dolmetschers. Das wird auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt.

66Gleichwohl liegen im Streitfall Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Denn allein die Ausübung eines Katalogberufes reicht zur Bejahung freiberuflicher Einkünfte nicht aus. Auch bei der Ausübung eines Katalogberufs erfordert der Charakter der selbständigen Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG, dass die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen geprägt ist (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 85/93, BStBl. II 1995, 732, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Fehlt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen der „Stempel seiner Persönlichkeit“, so ist sie – auch im Bereich der Katalogberufe – keine freiberufliche (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00, DStRE 2001, 577, 578). Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Auftrags zu tragen. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss vielmehr dem Steuerpflichtigen selbst und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter zuzurechnen sein. Es genügt daher nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter (vgl. z.B.: BFH-Urteil vom 1. Februar 1990 IV R 140/88, BStBl. II 1990, 507 ff., 508, 509 m.w.N.).

67Bei dieser Prüfung stehen die Tatbestandsmerkmale „leitend“ und „eigenverantwortlich“ selbständig nebeneinander. Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag daher die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00 a.a.O. m.w.N.). Das ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Danach ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient: Voraussetzung ist jedoch, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist.

68Im Bezug auf Übersetzungsbüros hat der Bundesfinanzhof die vorstehenden Grundsätze dahingehend konkretisiert, dass der individuelle, über die Leitungsfunktion hinausgehende Einsatz eines Steuerpflichtigen, der die wichtigste Sprache seines Übersetzungsbüros beherrscht, den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfassen muss, wenn die Voraussetzungen für ein freiberufliches Unternehmen gegeben sein sollen (BFH-Beschluss vom 10. August 1993 IV B 1/92, BFH/NV 1994, 168; Urteil vom 5. Dezember 1968 IV R 125/66, BStBl. II 1969, 165; Urteil vom 2. Dezember 1980 VIII R 32/75, BStBl. II 1981, 170 ff.; Urteil vom 11. September 1968 I R 173/66, BStBl. II 1968, 820 ff.; ebenso: BFH-Beschluss vom 12.6.1996 IV B 121/95, BFH/NV 1997, 25). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Es ist der Klägerin nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Ausführung jedes einzelnen Übersetzungsauftrags durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung ihrer Gesellschafter und deren Fachkenntnissen geprägt war. Die Klägerin hat in nicht unerheblichen Umfang in den Streitjahren Übersetzungen in Türkisch, Arabisch, Schwedisch, Slowenisch, Polnisch, Italienisch, Dänisch, Niederländisch, Russisch, Portugiesisch, Bulgarisch und etliche weitere Sprachen gefertigt. Dies konnte sie nur unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern, wobei ihr eine inhaltliche Kontrolle der übersetzten Texte wegen der insoweit fehlenden Sprachkenntnisse nicht möglich war. In Bezug auf diese Fremdübersetzungen konnten die Gesellschafter der Klägerin nicht – wie es das Gesetz fordert – auf Grund eigener Fachkenntnisse, sondern nur im Vertrauen auf die Richtigkeit der von den Übersetzern geleisteten Vorarbeiten leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Hierin unterscheidet sich der Sachverhalt von dem Beispielsfall des Zahnarztes, auf den sich die Klägerin beruft. Anders als der Zahnarzt, der einen einzusetzenden Zahnersatz zwar nicht selbst herstellt, wohl aber auf dessen Verwendungsfähigkeit hin prüfen kann, mussten die Gesellschafter der Klägerin auf die Fehlerfreiheit der Übersetzungsleistungen vertrauen.

69Daran ändert auch der Umstand, dass die Klägerin für die Erstellung der Handbücher, etc., ein Translation-Memory-System einsetzte, nichts. Denn mit Hilfe dieses TMS hätte ein neuer Übersetzungsauftrag in einer nicht beherrschten Sprach allenfalls dann ohne Beauftragung eines weiteren Fremdübersetzers ausgeführt werden können, wenn eine hundertprozentige Übereinstimmung zwischen dem Ausgangstext und den im TMS gespeicherten Segmenten bestanden hätte. Ausweislich der Ausgangsrechnungen der Klägerin war das nur äußerst selten der Fall. In den Ausgangsrechnungen lassen sich nur sehr vereinzelt sog. 100%-Matches finden. Der weit überwiegende Teil besteht aus Matches unter 75%, die nach den Angaben der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung von Fremdübersetzern bearbeitet werden mussten. Aber selbst wenn ein komplettes Handbuch in einer nicht von den Gesellschaftern der Klägerin beherrschten Sprache aus dem TMS heraus hätte erstellt werden können, wäre ein solches nicht durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung der Klägerin geprägt gewesen, weil es bereits den im TMS gespeicherten Texten an dieser Eigenschaft mangelte.

70Damit waren die Übersetzungsleistungen in Sprachen, die die Gesellschafter der Klägerin nicht beherrschten, nicht durch die persönliche, auf eigener Fachkenntnis beruhende individuelle Arbeitsleistung der Gesellschafter der Klägerin geprägt, auch wenn das für den Rest der Arbeiten, die erst zu dem fertigen Übersetzungsprodukt (Handbuch) führten, zu bejahen ist.

71Auch der Umstand, dass die Klägerin die Texte ihrer Kunden nicht lediglich in ihrer Urform übersetzte, sondern auf Verständlichkeit und technische Richtigkeit hin überprüfte und ordnete, ggf. die Übersetzungsreife erst herstellte und das in Auftrag gegebene Handbuch layoutete und so ein Gesamtprodukt herstellte, das über eine reine Übersetzung hinausging, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts.

72Denn auch wenn diese Leistungen für die Kunden der Klägerin von großer Bedeutung waren, bestand ein ganz wesentlicher Teil ihrer Aufgaben in der Übersetzung der von den Kunden gelieferten Texte. Insofern konnte die Klägerin den Senat nicht davon überzeugen, dass ihre Tätigkeit eigentlich der eines technischen Redakteurs entsprach. Sicherlich spielten die technisch redaktionellen Leistungen der Klägerin für den Kunden eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Der Senat ist aber nicht davon überzeugt, dass dieser Teil den Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin ausmachte, gegenüber dem die Übersetzungsarbeiten in den Hintergrund getreten wären. Dagegen sprechen insbesondere Abrechnungen mit den Kunden, in denen die Klägerin nur die Übersetzungsleistungen als solche fakturiert hat. Die technisch redaktionellen Tätigkeiten werden in den Rechnungen lediglich als Serviceleistungen aufgeführt, für die ein gesondertes Entgelt nicht in Rechnung gestellt wird.

73Da die Klägerin in Bezug auf die Übersetzungsleistungen in nicht von ihren Gesellschaftern beherrschten Sprachen teilweise gewerblich tätig war, gilt ihre gesamte Betätigung nach der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewerbebetrieb.

74Wie der Bundesfinanzhof bereits mehrfach entschieden hat, führt diese Abfärbung nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen, denn der Eintritt der Abfärbewirkung kann durch Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeit auf eine personenidentische zweite Gesellschaft vermieden werden. Die unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist zudem sachlich gerechtfertigt. Das Steuerrecht folgt insoweit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, die auf der Vorstellung beruhen, dass Personengesellschaften nur eine einheitliche Tätigkeit ausüben können und dass diese insgesamt als kaufmännisch anzusehen ist, wenn diese Voraussetzungen auch nur partiell erfüllt sind. Nur bei einem sehr geringen Anteil der gewerblichen Tätigkeit greift die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein (BFH, Urteil vom 29. November 2001 IV R 91/99, BStBl II 2002, 221 ff., 224, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit im Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04 festgestellt (BVerfGE 120, 1 ff.).

75In dieser Entscheidung hat der Bundesfinanzhof eine gewerbliche Teilbetätigung, die lediglich 1,25 v.H. der Gesamtumsätze betrug und deren Einnahmen deutlich unter der Gewerbesteuerfreibetragsgrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG lag, als unerheblich angesehen. Ein gewerblicher Anteil von mehr als 6 v. H. wurde vom Bundesfinanzhof schon als schädlich eingestuft (BFH-Urteil vom 29. November 2001 IV R 91/99, a.a.O.; vom 10: August 1994 I R 133/93; BStBl II 1995, 171). Im Streitfall ist diese „Bagatellgrenze“ angesichts der umfangreichen Fremdübersetzungen in nicht von den Gesellschaftern der Klägerin beherrschten Sprachen überschritten. Denn auch nach den Berechnungen der Klägerin machten diese 15 bis 26% des Gesamtumsatzes aus und lagen damit deutlich über der Gewerbesteuerfreibetragsgrenze von 24.500 € in den Streitjahren.

76Die Heranziehung der Klägerin zur Gewerbesteuer verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass zu dieser Steuer nur Gewerbetreibende herangezogen werden und nicht auch Freiberufler und sonstige Selbstständige, die die Infrastruktur der Kommune in gleicher Weise oder sogar mehr beanspruchen wie beispielsweise die Klägerin.

77Auch insoweit hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04 (a.a.O.) die Verfassungsmäßigkeit bejaht.

78Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin war das Recht (und die Verpflichtung) des Beklagten, Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen im Streitfall auch nicht verwirkt.

79Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des auch im Steuerschuldrechtsverhältnis geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben.

80Dieser Grundsatz gebietet u.a. für Steuergläubiger und Steuerpflichtigen gleichermaßen, auf die Belange des anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise in Widerspruch zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BStBl II 1993, 174 m.w.N.). Dabei ist es anerkanntes Recht, dass das Finanzamt auch außerhalb einer verbindlichen Zusage (§§ 204 ff. AO) oder einer verbindlichen Auskunft nach Treu und Glauben an eine Zusicherung, eine zweifelhafte Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne zu beurteilen, gebunden sein kann und hieraus verpflichtet ist, bei einer späteren Veranlagung der Zusicherung gemäß zu handeln (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1958 I 176/57 U, BStBl III 1959, 52; vom 15.12.1966 V 181/63, BStBl III 1967, 212; vom 13.01.1970 I R 122/67, BStBl II 1970 352).

81Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin reicht hierzu jedoch eine fehlerhafte Einkünftequalifizierung – auch über mehrere Jahre hinweg – nicht aus. Denn aus einer fortgesetzten fehlerhaften Rechtsanwendung lässt sich aus Sicht des Steuerpflichtigen nicht schließen, dass die Finanzbehörde das Recht auch dann noch zu Gunsten des Steuerpflichtigen fehlerhaft anwenden und von einer möglichen Korrektur der Bescheide absehen will, wenn es die Fehlerhaftigkeit erkannt hat. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu einer ausdrücklichen oder konkludenten Zusicherung, der ein solcher Bindungswille immanent ist.

82Auch der Umstand, dass die Klägerin im Vertrauen auf die bisherige Rechtsanwendung insoweit Dispositionen getroffen hat, als sie den „gewerbesteuerschädlichen“ Teil ihrer Betätigung nicht auslagerte, führt nicht dazu, dass sich die Korrektur der Bescheide als treuwidrig erweist. Denn die Disposition des Steuerpflichtigen ist kein rechtfertigendes Kriterium, das Verhalten der Finanzbehörde wie eine Zusicherung zu behandeln. Die Disposition des Steuerpflichtigen stellt, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Verwirkung vorliegen, eine eigenständige Voraussetzung dar, ohne die sich der Steuerpflichtige auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen kann (vgl. zur Disposition des Steuerpflichtigen auch BFH-Urteil vom 23.05.1989 X R 17/85, BStBl II 1989, 879 m.w.N.).

83Ein in diesem Sinne rechtsmissbräuchliches Verhalten ist dem Beklagten nicht vorzuwerfen. Denn der Beklagte hat keinen über die fehlerhafte Einkünftequalifizierung hinausgehenden Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den die Klägerin ein Vertrauen in das Fortbestehen der fehlerhaften Besteuerung stützen könnte.

84Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine im Widerspruch zum geltenden Recht stehende Bindung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstößt, weil die Bevorzugung eines Steuerpflichtigen für alle anderen Personen, die dem Gesetz entsprechend behandelt werden, eine Benachteiligung bedeutet (vgl. BFH-Urteil vom 26.10.1962 VI 215/61 U, BStBl 1963 III S. 86), und der Steuerpflichtige bei einer fehlerhaft zu niedrigen Besteuerung oft jahrelang wettbewerbsmäßig gegenüber anderen Unternehmern, die bei gleichen Verhältnissen dem Gesetz entsprechend zur Steuer herangezogen worden sind, im Vorteil war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16.07.1964 V 92/61 S, BStBl III 1964, 634).

85Ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn im Streitfall der Veranlagungsbezirk und die Betriebsprüfungsstelle des Beklagten, wie die Klägerin dies vermutet, tatsächlich eine Außenprüfung mit dem Ziel „verschleppt“ hätte, die Klägerin von einer Umstrukturierung ihres Betriebes abzuhalten, um auf diese Weise im Nachhinein Steuern festzusetzen, die die Klägerin bei einer Umstrukturierung zumindest teilweise hätte vermeiden können, kann dahinstehen. Denn dieser von der Klägerin vermutete Sachverhalt lässt sich nicht anhand ausreichender objektivierter Kriterien verifizieren und damit vom Gericht nicht feststellen.

86Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

87Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Kriterien, unter denen die Ausübung eines Katalogberufs ausnahmsweise als Gewerbebetrieb anzusehen ist, in der Rechtsprechung geklärt sind, so dass im Streitfall ein Sachverhalt unter feststehende Rechtssätze zu subsumieren war.

Gewerbesteuermessbetrag: Abgrenzung freiberufliche und gewerbliche Tätigkeit, kein Änderungshindernis nach Treu und Glauben bei Mitwirkungspflichtverletzung

Entscheidungsgründe

70

Der Senat ist nicht daran gehindert, in der Sache zu entscheiden. Insbesondere war die Verhandlung nicht im Hinblick auf das noch anhängige Verfahren über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO auszusetzen.

71

Gemäß § 74 FGO kann das Gericht die Aussetzung der Verhandlung u.a. dann anordnen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet. Eine Aussetzung der Verhandlung ist in aller Regel geboten, wenn in einem Rechtsstreit über einen Folgebescheid Besteuerungsgrundlagen strittig sind, deren abschließende Prüfung dem Verfahren über einen noch ausstehenden oder noch nicht bestandskräftigen Grundlagenbescheid vorbehalten ist (Gräber/Koch FGO, 5. Aufl., § 74 Rz. 12 m.w.N.). Die Entscheidung über die Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 FGO ist eine vom Finanzgericht zu treffende Ermessensentscheidung, im Rahmen derer prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen sind (Koch in Gräber, FGO, § 74 Rz 7; Brandis in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung/ Finanzgerichtsordnung, § 74 FGO Rz 16, jeweils m.w.N.). Eine Pflicht zur Aussetzung der Verhandlung besteht nur in Ausnahmefällen (BFH-Urteil vom 08.05.1991 I B 132, 134/90, BStBl II 1991, 641).

72

Diesen Grundsätzen folgend war die Verhandlung im Streitfall nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Die Beteiligten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, dass ihnen an einer zeitnahen Klärung sowohl der Verfahrensrechtlichen Problematik hinsichtlich der Änderungsbefugnis des Beklagten nach § 173 Abs. 1 Satz 1 FGO als auch hinsichtlich der Einordnung der von der Klägerin erzielten Einkünfte unter die zutreffende Einkunftsart gelegen ist. Ein Antrag auf Aussetzung der Verhandlung hat folgerichtig keiner der Beteiligten gestellt. Vor diesem Hintergrund wäre eine Aussetzung der Verhandlung nur dann geboten, wenn mit einer Entscheidung über den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen alsbald zu rechnen wäre. Gerade das ist nach der im Streitfall gegebenen Tatsachenlage nicht der Fall.

73

Der Beklagte hat sich für diesen Antrag nicht zuständig gesehen und ihn an das für die Klägerin nunmehr örtlich zuständige Finanzamt D weitergeleitet. Der Senat hat vor dem Hintergrund, dass § 18 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. 180 Abs.1 Nr. 2 b) AO hinsichtlich der Durchführung einer gesonderten und einheitlichen Feststellung auf die Verhältnisse am Schluss des Gewinnermittlungszeitraums abstellt, Bedenken, dass sich eine Zuständigkeit des Finanzamtes D herleiten lässt. Je nach Entscheidung dieser Finanzbehörde müsste in dem Billigkeitsverfahren u.U. zunächst ein Verfahren vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg und ggf. ein weiteres Verwaltungsverfahren vor dem Beklagten mit einem sich ggf. anschließendem Klageverfahren vor dem Finanzgericht Köln geführt werden. Es ist nicht ermessensgerecht, den Beteiligten die Klärung der Rechtsfragen des vorliegenden Verfahrens, an der ihnen gelegen ist, über einen unabwägbar langen Zeitraum vorzuenthalten.

74

Die Klage ist zulässig.

75

Der Klägerin fehlt es insbesondere nicht an der nach § 40 Abs. 2 FGO erforderlichen Klagebefugnis. Soweit sich die Klägerin gegen die Erhöhung des festgestellten Gewinns wendet, liegt das auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung.

76

Aber auch soweit sich die Klägerin gegen die Feststellung gewerblicher Einkünfte statt solcher aus selbständiger Arbeit wendet, ist sie klagebefugt. Denn auch die gesonderte Feststellung einer unzutreffenden Einkommensart stellt eine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs.2 FGO dar (BFH-Urteil vom 24. Januar 1985 IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676).

77

Die Klage ist unbegründet.

78

Der angefochtene Änderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

79

Der Beklagte war befugt, den bestandskräftigen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 2005 vom 12. September 2007 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern.

80

Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsache ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestands erfüllt; also Zustände und Vorgänge der Seinswelt, die Eigenschaften der Gegenstände dieser Seinswelt und die gegenseitigen Beziehungen zwischen diesen Gegenständen, z.B. Einnahmen, Ausgaben, Forderungen oder Verbindlichkeiten (Tipke/Kruse, AO, § 173 Rz. 2, mit zahlreichen Nachweisen aus der Finanzrechtsprechung). Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie die zuständige Veranlagungsstelle des Finanzamtes im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 226/84, BFHE 149, 141, BStBl II 1987, 416; vom 18. Mai 2010, X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225). In der heutigen Zeit der elektronischen Veranlagung entspricht dies der Freigabe des Steuerfalles zur Übersendung an das für die elektronische Steuerberechnung zuständige Rechenzentrum. Bekannt ist der zuständigen Dienststelle dabei der Inhalt der bei ihr geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2010, X R 49/08, BFH/NV 2010, 2225 m.w.N.).

81

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Neue Tatsache ist im Streitfall nicht die Kenntnis über die Existenz der spanischen Betriebsstätte und auch nicht die Kenntnis, dass die dort erzielten Einkünfte nicht in der Gewinnermittlung erklärt wurden. Insoweit weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass das für den Beklagten keine neuen Tatsachen darstellen. Denn dieser Lebenssachverhalt war dem Beklagten zumindest aus den jährlichen Bescheinigungen der Steuerberaterin in der Gewinn- und Verlustrechnung des Beklagten bekannt, selbst wenn diese nicht zur Kenntnis genommen worden sein sollten.

82

Als neue Tatsache ist jedoch die Kenntnis über die konkrete Höhe der in beiden Betriebsstätten erzielten Einnahmen und über das Fehlen von Aufzeichnungen bzw. Unterlagen aus denen sich eine direkte Zuordnung der insgesamt angefallenen Einnahmen und Ausgaben auf die beiden Betriebsstätten ergibt, anzusehen. Sowohl die genaue Höhe der insgesamt erzielten Einnahmen und Ausgaben als auch die Zuordnung auf die einzelnen Betriebsstätten sind für die Ermittlung der in Deutschland steuerpflichtigen Gewinne und die Berechnung des Progressionsvorbehalts von Bedeutung. Diese steuererhöhenden Tatsachen sind dem Beklagten erst im Verlauf der Betriebsprüfung und damit nach der Freigabe des Feststellungsbescheides vom 12. September 2007 bekannt geworden.

83

Damit liegen die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor.

84

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist es dem Beklagten nicht verwehrt, sich auf das Vorliegen dieser nachträglich bekannt gewordenen Tatsache zu berufen. Insbesondere steht der damit eröffneten Änderungsbefugnis des Beklagten nicht der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.

85

§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sieht selbst keinerlei diesbezüglichen Einschränkungen vor. Gleichwohl ist es in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs anerkannt, dass eine Änderung der Steuerfestsetzung bzw. gesonderten Feststellung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zum Nachteil des Steuerpflichtigen ausscheidet, wenn sie auf Tatsachen beruht, die der Finanzbehörde infolge der Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht (§ 88 AO) trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen zunächst unbekannt geblieben sind (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 49/09, BFH/NV 2012, 692 m.w.N.). Trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung bedeutet, dass diese Änderungsschranke nur eingreift, wenn der Steuerpflichtige seinerseits die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten in zumutbarer Weise erfüllt hat (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH- Urteil vom 6. Juni 2004 X R 56/01, BFH/NV 2004, 1200; vom 13.November 1985 II R 208/82, BStBl II 1986, 241). Liegt sowohl eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FA als auch eine Verletzung der Mitwirkungspflicht durch den Steuerpflichtigen vor, sind die beiderseitigen Pflichtverstöße grundsätzlich gegeneinander abzuwägen. In einem solchen Fall trifft nach ständiger Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs in der Regel die Verantwortung den Steuerpflichtigen mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BstBl II 1995, 293). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Verstoß des Finanzamtes gegen dessen Ermittlungspflicht den Verstoß des Steuerpflichtigen gegen dessen Mitwirkungspflicht deutlich überwiegt (vgl. FG des Saarlandes vom 3. Dezember 2008 1 K 2374/04, EFG 2009, 731 m.w.N. auf die Rechtsprechung des BFH).

86

Der erkennende Senat folgt dieser ganz vorherrschenden Auffassung in der (höchstrichterlichen) Finanzrechtsprechung und kann sich der insbesondere in der mündlichen Verhandlung geäußerten Rechtsauffassung des Prozessbevollmächtigten, § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stelle bei kumulativen Pflichtverstößen nicht auf ein Überwiegen der Ermittlungspflichtverletzung des Finanzamtes ab, nicht anschließen.

87

Die vorgenannten Voraussetzungen, unter denen es dem Finanzamt nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf die nachträgliche Kenntnis einer steuererhöhenden Tatsache zu berufen, liegen im Streitfall nicht vor.

88

Zwar hat der Beklagte seine Ermittlungspflichten dadurch verletzt, dass er nach Einreichung der Feststellungserklärung keine Ermittlungen über etwaige in Spanien bezogene Einnahmen angestellt hat. Ausreichenden Anlass hierzu hätten die der Gewinn- und Verlustrechnung – nicht zum ersten Mal vorgelegten – Bescheinigungen der Steuerberaterin gegeben. Dieser Pflichtverstoß wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

89

Er überwiegt jedoch nicht in deutlichem Maße die der Klägerin anzulastenden Mitwirkungspflichtverletzungen.

90

Die Klägerin war verpflichtet, die in Spanien und in Deutschland erzielten Einkünfte zutreffend auf die jeweiligen Betriebsstätten aufzuteilen. Ferner war sie verpflichtet, die hiernach im Inland steuerpflichtigen Einnahmen und Ausgaben zutreffend in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung zu erklären. Hinsichtlich der in Deutschland nicht steuerpflichtigen Einkünfte aus der spanischen Betriebsstätte war die Klägerin verpflichtet, diese in den Zeilen 38 bis 43 Anlage AUS zu erklären, um ihren Mitwirkungspflichten zu genügen. Hierüber werden die Steuerpflichtigen durch folgenden Hinweis in der Anleitung zur Anlage AUS ausdrücklich belehrt:

91

„Wenn Einkünfte auf Grund eines DBA im Inland steuerfrei sind, dürfen diese nicht in den Anlagen zur Einkommensteuererklärung enthalten sein (ausgenommen Anlage N). Die Einkünfte unterliegen jedoch regelmäßig dem Progressionsvorbehalt, d.h. die Einkünfte werden in die Bemessung des Steuersatzes einbezogen, der auf das zu versteuernde Einkommen anzuwenden ist. Geben Sie – getrennt nach Staaten – die Höhe dieser Einkünfte, die Einkommensquelle und die Einkunftsart an. (…)“.

92

Aufgrund ihrer Mitwirkungspflichtverletzungen hat die Klägerin bei der Abgabe der Feststellungserklärung für das Streitjahr 2005 dem Beklagten den steuerlich relevanten Sachverhalt nicht in Übereinstimmung mit den von dem Erklärungsvordruck geforderten Angaben (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO) vollständig und deutlich zur rechtlichen Prüfung unterbreitet. Dieser Erklärungsverstoß wieg insoweit schwer, als die Feststellungserklärung selbst – und nicht die der Gewinn- und Verlustrechnung beigefügte Bescheinigung der Steuerberaterin – die Grundlage für die Veranlagung der Klägerin bildete. Insoweit ist bereits seit langer Zeit in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt, dass die Finanzbehörde einer ihrem Wortlaut nach eindeutigen Steuererklärung nicht mit Misstrauen begegnen muss, sondern regelmäßig auf die Richtigkeit und Vollständigkeit einer solchen Erklärung vertrauen darf (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569, 572; vom 5. Dezember 2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588; so auch Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 65, m.w.N.). Das gilt selbst dann, wenn die Erklärung – anders als im Streitfall – ohne Mitwirkung einer fachkundigen Person erstellt worden ist und wenn sie u.a. die Beurteilung von Rechtsfragen zum Gegenstand hat (BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/03, BFHE 206, 303, BStBl II 2004, 911). Auch in einem solchen Fall muss die Behörde deshalb im Allgemeinen nur dann in weitere Ermittlungen eintreten, wenn sich aus der Erklärung Unklarheiten oder Zweifel ergeben (vgl. BFH-Beschluss vom 27. März .2007 I B 16/06, nv. Juris-Dokument).

93

Im Streitfall ergaben sich aus der Erklärung selbst keine Zweifel hinsichtlich weiterer in Spanien erzielter Einkünfte. Dass sich solche – wie in den Vorjahren – aus dem der Gewinn- und Verlustrechnung beigefügten Hinweis der Steuerberaterin ergeben haben, reicht insoweit nicht aus. Denn ohne die Abgabe einer Anlage AUS kann ein solcher, lediglich der Gewinn- und Verlustrechnung beigefügter Hinweis bei der laufenden Steuerveranlagung schnell übersehen oder aber seinem rechtlichen Gehalt nach falsch gedeutet werden. Die im Steuererklärungsvordruck selbst abgefragten Angaben könnte das Finanzamt demgegenüber nur durch bewusstes Wegschauen übersehen. Insoweit entspricht es gerade dem Zweck der amtlichen Erklärungsvordrucke, die Finanzverwaltung explizit auf die dort anzugebenden Besteuerungsgrundlagen hinzuweisen. Wenn das Finanzamt es unterlässt, den Mangel einer vollständig ausgefüllten Steuererklärung dadurch zu beheben, dass es sich die steuerlich relevanten Tatsachen aus den mit der Steuererklärung eingereichten Anlagen selbst heraussucht, wiegt dieser Ermittlungsfehler jedenfalls nicht schwerer als die unvollständig ausgefüllte Steuererklärung, an sich.

94

Der Beklagte hat die der Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitigen Einkünfte auch zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.

95

Gemäß § 2 Abs. 1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist; ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung des BFH ferner, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 1/97, BFH/NV 1999, 465, m.w.N.). Zu der freiberuflichen Tätigkeit gehört nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Rechtsanwälte, Notare, Patentanwälte, Vermessungsingenieure, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten, Heilpraktiker, Dentisten, Krankengymnasten, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer, Lotsen und ähnlicher Berufe.

96

Ergänzend hierzu bestimmt § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, dass die mit Einkünfteerzielungs-absicht unternommene Tätigkeit einer offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft oder einer anderen Personengesellschaft in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt, wenn die Gesellschaft auch eine Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ausübt oder gewerbliche Einkünfte im Sinne des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bezieht.

97

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat die Klägerin in den Streitjahren einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG unterhalten.

98

Zwar übte die Klägerin vom Grundsatz her die Tätigkeit eines sog. freien Berufes i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus, denn sowohl der Beruf des Dolmetschers als auch der Beruf des Ingenieurs wird ausdrücklich im Katalog dieser Vorschrift erwähnt. Insoweit bedarf es nicht des Rückgriffs auf die Geprägerechtsprechung des Bundesfinanzhofs, auf die sich die Klägerin in Abgrenzung zu der in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG normierten Abfärbewirkung stützt.

99

Diese Geprägerechtsprechung besagt, dass die Umqualifizierung freiberuflicher Einkünfte in gewerbliche Gewinne nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG („Abfärbetheorie“) nur dann in Betracht kommt, wenn die Tätigkeit nicht als einheitlich zu betrachtende Gesamtbetätigung anzusehen ist. Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind diese getrennt zu betrachten, sofern dies nach der Verkehrsauffassung möglich ist. Das gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen (BFH-Urteil vom 11. Juli 1991 IV R 102/90, BStBl II 1992, 413, m.w.N.). Sind allerdings bei einer Tätigkeit beide Tätigkeitsarten derart miteinander verflochten, dass sie sich gegenseitig unlösbar bedingen, so liegt eine einheitliche Tätigkeit vor, die steuerlich danach zu qualifizieren ist, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht (BFH, a.a.O.). Infolge dessen muss eine gemischte Tätigkeit, unabhängig von der „Abfärbetheorie“, danach qualifiziert werden, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gibt (vgl. BFH-Urteile vom 24. April 1997 IV R 60/95, BStBl II 1997, 567; vom 1. Februar 1979 IV R 113/76, BStBl II 1979, 574).

100

Diese Rechtsprechung ist von Bedeutung, wenn ein Steuerpflichtiger sowohl eine – originär – freiberufliche als auch eine – originär – gewerbliche Tätigkeit ausübt (im BFH-Verfahren IV R 60/95 war dies die Tätigkeit als beratender Ingenieur (freiberuflich) unter gleichzeitigem Verkauf von Computerhardware (gewerblich)). In einem solchen Fall ist (zunächst) zu ermitteln, ob und ggf. welche der ausgeübten Tätigkeiten dem Betrieb das Gepräge gibt.

101

Ein solcher Sachverhalt ist im Streitfall nicht verwirklicht. Die Klägerin hat keine gemischten Tätigkeiten im Sinne der Geprägerechtsprechung ausgeübt. Denn die von ihr gefertigten Übersetzungen unterfallen allesamt dem Katalogberuf des Dolmetschers. Das wird auch vom Beklagten nicht in Abrede gestellt.

102

Gleichwohl liegen im Streitfall Einkünfte aus Gewerbebetrieb vor. Denn allein die Ausübung eines Katalogberufes reicht zur Bejahung freiberuflicher Einkünfte nicht aus. Auch bei der Ausübung eines Katalogberufs erfordert der Charakter der selbständigen Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG, dass die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen geprägt ist (ständige Rechtsprechung des BFH: vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. März 1995 XI R 85/93, BStBl. II 1995, 732, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Fehlt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen der „Stempel seiner Persönlichkeit“, so ist sie – auch im Bereich der Katalogberufe – keine freiberufliche (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00, DStRE 2001, 577, 578). Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpft sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Auftrags zu tragen. Die Ausführung jedes einzelnen Auftrags muss vielmehr dem Steuerpflichtigen selbst und nicht dem qualifizierten Mitarbeiter zuzurechnen sein. Es genügt daher nicht eine gelegentliche fachliche Überprüfung der Mitarbeiter (vgl. z.B.: BFH-Urteil vom 1. Februar 1990 IV R 140/88, BStBl. II 1990, 507 ff., 508, 509 m.w.N.).

103

Bei dieser Prüfung stehen die Tatbestandsmerkmale „leitend“ und „eigenverantwortlich“ selbständig nebeneinander. Auch eine besonders intensive leitende Tätigkeit, zu der u.a. die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse gehören, vermag daher die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 8/00 a.a.O. m.w.N.). Das ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. Danach ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann noch freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient: Voraussetzung ist jedoch, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist.

104

Im Bezug auf Übersetzungsbüros hat der Bundesfinanzhof die vorstehenden Grundsätze dahingehend konkretisiert, dass der individuelle, über die Leitungsfunktion hinausgehende Einsatz eines Steuerpflichtigen, der die wichtigste Sprache seines Übersetzungsbüros beherrscht, den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfassen muss, wenn die Voraussetzungen für ein freiberufliches Unternehmen gegeben sein sollen (BFH-Beschluss vom 10. August 1993 IV B 1/92, BFH/NV 1994, 168; Urteil vom 5. Dezember 1968 IV R 125/66, BStBl. II 1969, 165; Urteil vom 2. Dezember 1980 VIII R 32/75, BStBl. II 1981, 170 ff.; Urteil vom 11. September 1968 I R 173/66, BStBl. II 1968, 820 ff.; ebenso: BFH-Beschluss vom 12.6.1996 IV B 121/95, BFH/NV 1997, 25).

105

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Es ist der Klägerin nicht gelungen, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Ausführung jedes einzelnen Übersetzungsauftrags durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung ihrer Gesellschafter und deren Fachkenntnissen geprägt war. Die Klägerin hat in nicht unerheblichen Umfang in den Streitjahren Übersetzungen in Türkisch, Arabisch, Schwedisch, Slowenisch, Polnisch, Italienisch, Dänisch, Niederländisch, Russisch, Portugiesisch, Bulgarisch und etliche weitere Sprachen gefertigt. Dies konnte sie nur unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern, wobei ihr eine inhaltliche Kontrolle der übersetzten Texte wegen der insoweit fehlenden Sprachkenntnisse nicht möglich war. In Bezug auf diese Fremdübersetzungen konnten die Gesellschafter der Klägerin nicht – wie es das Gesetz fordert – auf Grund eigener Fachkenntnisse, sondern nur im Vertrauen auf die Richtigkeit der von den Übersetzern geleisteten Vorarbeiten leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Hierin unterscheidet sich der Sachverhalt von dem Beispielsfall des Zahnarztes, auf den sich die Klägerin beruft. Anders als der Zahnarzt, der einen einzusetzenden Zahnersatz zwar nicht selbst herstellt, wohl aber auf dessen Verwendungsfähigkeit hin prüfen kann, mussten die Gesellschafter der Klägerin auf die Fehlerfreiheit der Übersetzungsleistungen vertrauen.

106

Daran ändert auch der Umstand, dass die Klägerin für die Erstellung der Handbücher, etc., ein Translation-Memory-System einsetzte, nichts. Denn mit Hilfe dieses TMS hätte ein neuer Übersetzungsauftrag in einer nicht beherrschten Sprach allenfalls dann ohne Beauftragung eines weiteren Fremdübersetzers ausgeführt werden können, wenn eine hundertprozentige Übereinstimmung zwischen dem Ausgangstext und den im TMS gespeicherten Segmenten bestanden hätte. Ausweislich der Ausgangsrechnungen der Klägerin war das nur äußerst selten der Fall. In den Ausgangsrechnungen lassen sich nur sehr vereinzelt sog. 100%-Matches finden. Der weit überwiegende Teil besteht aus Matches unter 75%, die nach den Angaben der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung von Fremdübersetzern bearbeitet werden mussten. Aber selbst wenn ein komplettes Handbuch in einer nicht von den Gesellschaftern der Klägerin beherrschten Sprache aus dem TMS heraus hätte erstellt werden können, wäre ein solches nicht durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung der Klägerin geprägt gewesen, weil es bereits den im TMS gespeicherten Texten an dieser Eigenschaft mangelte.

107

Damit waren die Übersetzungsleistungen in Sprachen, die die Gesellschafter der Klägerin nicht beherrschten, nicht durch die persönliche, auf eigener Fachkenntnis beruhende individuelle Arbeitsleistung der Gesellschafter der Klägerin geprägt, auch wenn das für den Rest der Arbeiten, die erst zu dem fertigen Übersetzungsprodukt (Handbuch) führten, zu bejahen ist.

108

Auch der Umstand, dass die Klägerin die Texte ihrer Kunden nicht lediglich in ihrer Urform übersetzte, sondern auf Verständlichkeit und technische Richtigkeit hin überprüfte und ordnete, ggf. die Übersetzungsreife erst herstellte und das in Auftrag gegebene Handbuch layoutete und so ein Gesamtprodukt herstellte, das über eine reine Übersetzung hinausging, ändert an der rechtlichen Beurteilung nichts.

109

Denn auch wenn diese Leistungen für die Kunden der Klägerin von großer Bedeutung waren, bestand ein ganz wesentlicher Teil ihrer Aufgaben in der Übersetzung der von den Kunden gelieferten Texte. Insofern konnte die Klägerin den Senat nicht davon überzeugen, dass ihre Tätigkeit eigentlich der eines technischen Redakteurs entsprach. Sicherlich spielten die technisch redaktionellen Leistungen der Klägerin für den Kunden eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Der Senat ist aber nicht davon überzeugt, dass dieser Teil den Schwerpunkt der Tätigkeit der Klägerin ausmachte, gegenüber dem die Übersetzungsarbeiten in den Hintergrund getreten wären. Dagegen sprechen insbesondere Abrechnungen mit den Kunden, in denen die Klägerin nur die Übersetzungsleistungen als solche fakturiert hat. Die technisch redaktionellen Tätigkeiten werden in den Rechnungen lediglich als Serviceleistungen aufgeführt, für die ein gesondertes Entgelt nicht in Rechnung gestellt wird.

110

Da die Klägerin in Bezug auf die Übersetzungsleistungen in nicht von ihren Gesellschaftern beherrschten Sprachen teilweise gewerblich tätig war, gilt ihre gesamte Betätigung nach der Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG als Gewerbebetrieb.

111

Wie der Bundesfinanzhof bereits mehrfach entschieden hat, führt diese Abfärbung nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Personengesellschaften gegenüber Einzelunternehmen, denn der Eintritt der Abfärbewirkung kann durch Ausgliederung der gewerblichen Tätigkeit auf eine personenidentische zweite Gesellschaft vermieden werden. Die unterschiedliche Behandlung von Einzelunternehmen und Personengesellschaften ist zudem sachlich gerechtfertigt. Das Steuerrecht folgt insoweit den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben, die auf der Vorstellung beruhen, dass Personengesellschaften nur eine einheitliche Tätigkeit ausüben können und dass diese insgesamt als kaufmännisch anzusehen ist, wenn diese Voraussetzungen auch nur partiell erfüllt sind. Nur bei einem sehr geringen Anteil der gewerblichen Tätigkeit greift die umqualifizierende Wirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG nicht ein (BFH, Urteil vom 29. November 2001 IV R 91/99, BStBl II 2002, 221 ff., 224, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit im Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04 festgestellt (BVerfGE 120, 1 ff.).

112

In der oben genannten Entscheidung hat der Bundesfinanzhof eine gewerbliche Teilbetätigung, die lediglich 1,25 v.H. der Gesamtumsätze betrug und deren Einnahmen deutlich unter der Gewerbesteuerfreibetragsgrenze des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG lag, als unerheblich angesehen. Ein gewerblicher Anteil von mehr als 6% wurde vom Bundesfinanzhof schon als schädlich eingestuft (BFH-Urteil vom 29. November 2001 IV R 91/99, a.a.O.; vom 10: August 1994 I R 133/93; BStBl II 1995, 171). Im Streitfall ist diese „Bagatellgrenze“ angesichts der umfangreichen Fremdübersetzungen in nicht von den Gesellschaftern der Klägerin beherrschten Sprachen überschritten. Denn auch nach den Berechnungen der Klägerin machten diese 15 bis 26% des Gesamtumsatzes aus und lagen damit deutlich über der Gewerbesteuerfreibetragsgrenze von 24.500 € in den Streitjahren.

113

Die Heranziehung der Klägerin zur Gewerbesteuer verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass zu dieser Steuer nur Gewerbetreibende herangezogen werden und nicht auch Freiberufler und sonstige selbstständige, die die Infrastruktur der Kommune in gleicher Weise oder sogar mehr beanspruchen wie beispielsweise die Klägerin.

114

Auch insoweit hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04 (a.a.O.) die Verfassungsmäßigkeit bejaht.

115

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin war das Recht (und die Verpflichtung) des Beklagten, Gewerbesteuermessbeträge festzusetzen im Streitfall auch nicht verwirkt.

116

Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des auch im Steuerschuldrechtsverhältnis geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben.

117

Dieser Grundsatz gebietet u.a. für Steuergläubiger und Steuerpflichtigen gleichermaßen, auf die Belange des anderen Teils Rücksicht zu nehmen und sich zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise in Widerspruch zu setzen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BStBl II 1993, 174 m.w.N.). Dabei ist es anerkanntes Recht, dass das Finanzamt auch außerhalb einer verbindlichen Zusage (§§ 204 ff. AO) oder einer verbindlichen Auskunft nach Treu und Glauben an eine Zusicherung, eine zweifelhafte Rechtsfrage in einem bestimmten Sinne zu beurteilen, gebunden sein kann und hieraus verpflichtet ist, bei einer späteren Veranlagung der Zusicherung gemäß zu handeln (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1958 I 176/57 U, BStBl III 1959, 52; vom 15.12.1966 V 181/63, BStBl III 1967, 212; vom 13.01.1970 I R 122/67, BStBl II 1970 352).

118

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin reicht hierzu jedoch eine fehlerhafte Einkünftequalifizierung – auch über mehrere Jahre hinweg – nicht aus. Denn aus einer fortgesetzten fehlerhaften Rechtsanwendung lässt sich aus Sicht des Steuerpflichtigen nicht schließen, dass die Finanzbehörde das Recht auch dann noch zu Gunsten des Steuerpflichtigen fehlerhaft anwenden und von einer möglichen Korrektur der Bescheide absehen will, wenn es die Fehlerhaftigkeit erkannt hat. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu einer ausdrücklichen oder konkludenten Zusicherung, der ein solcher Bindungswille immanent ist.

119

Auch der Umstand, dass die Klägerin im Vertrauen auf die bisherige Rechtsanwendung insoweit Dispositionen getroffen hat, als sie den „gewerbesteuerschädlichen“ Teil ihrer Betätigung nicht auslagerte, führt nicht dazu, dass sich die Korrektur der Bescheide als treuwidrig erweist. Denn die Disposition des Steuerpflichtigen ist kein rechtfertigendes Kriterium, das Verhalten der Finanzbehörde wie eine Zusicherung zu behandeln. Die Disposition des Steuerpflichtigen stellt, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Verwirkung vorliegen, eine eigenständige Voraussetzung dar, ohne die sich der Steuerpflichtige auf den Grundsatz von Treu und Glauben nicht berufen kann (vgl. zur Disposition des Steuerpflichtigen auch BFH-Urteil vom 23.05.1989 X R 17/85, BStBl II 1989, 879 m.w.N.).

120

Ein in diesem Sinne rechtsmissbräuchliches Verhalten ist dem Beklagten nicht vorzuwerfen. Denn der Beklagte hat keinen über die fehlerhafte Einkünftequalifizierung hinausgehenden Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den die Klägerin ein Vertrauen in das Fortbestehen der fehlerhaften Besteuerung stützen könnte.

121

Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine im Widerspruch zum geltenden Recht stehende Bindung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstößt, weil die Bevorzugung eines Steuerpflichtigen für alle anderen Personen, die dem Gesetz entsprechend behandelt werden, eine Benachteiligung bedeutet (vgl. BFH-Urteil vom 26.10.1962 VI 215/61 U, BStBl 1963 III S. 86), und der Steuerpflichtige bei einer fehlerhaft zu niedrigen Besteuerung oft jahrelang wettbewerbsmäßig gegenüber anderen Unternehmern, die bei gleichen Verhältnissen dem Gesetz entsprechend zur Steuer herangezogen worden sind, im Vorteil war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 16.07.1964 V 92/61 S, BStBl III 1964, 634).

122

Ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn im Streitfall der Veranlagungsbezirk und die Betriebsprüfungsstelle des Beklagten, wie die Klägerin dies vermutet, tatsächlich eine Außenprüfung mit dem Ziel „verschleppt“ hätte, die Klägerin von einer Umstrukturierung ihres Betriebes abzuhalten, um auf diese Weise im Nachhinein Steuern festzusetzen, die die Klägerin bei einer Umstrukturierung zumindest teilweise hätte vermeiden können, kann dahinstehen. Denn dieser von der Klägerin vermutete Sachverhalt lässt sich nicht anhand ausreichender objektivierter Kriterien verifizieren und damit vom Gericht nicht feststellen.

123

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

124

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Kriterien, unter denen der Änderung eines Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht und die Kriterien, unter denen die Ausübung eines Katalogberufs i.S.d. § 18 EStG ausnahmsweise als Gewerbebetrieb anzusehen ist, in der Rechtsprechung geklärt sind, so dass im Streitfall ein Sachverhalt unter feststehende Rechtsätze zu subsumieren war.

Körperschaftsteuer: Versagung des erhöhten AfA-Satzes für eine ausländische Kapitalgesellschaft verstößt gegen unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit

Finanzgericht Köln, 10 K 2408/10

Datum:
10.07.2013
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 2408/10
Nachinstanz:
Bundesfinanzhof, I R 58/13
Tenor:

Der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2004 vom 31.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung wird dahingehend geändert, dass der verbleibende Verlustabzug auf 1.856.368 € festgestellt wird.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten über die Höhe des anzusetzenden AfA-Satzes hinsichtlich der von der Klägerin vermieteten Objekte.

3Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts, welche im Inland weder eine Zweigniederlassung noch eine Betriebsstätte hat.

4Im Mai 2004 erwarb sie mehrere Immobilien in Deutschland, deren Kaufpreis sowie die damit verbundenen Kosten zwischen Beteiligten unstreitig sind. Wegen der Berechnungsgrundlagen wird insbesondere auf die Blätter 172 und 173 der Gerichtsakten Bezug genommen. Sämtliche Immobilien sind an ein Unternehmen aus dem A-Konzern vermietet. Sie dienen nicht zu Wohnzwecken. Die Bauanträge wurden ab 1986 gestellt.

5Der Beklagte ging bei der Verlustfeststellung zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 auf Basis von § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz von einem anzuwendenden AfA-Satz i.H.v. 2 % jährlich aus.

6Die Klägerin begehrte den Ansatz eines AfA-Satzes i.H.v. 3 % nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG.

7Den diesbezüglichen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.06.2010 als unbegründet zurück, indem er auf den Gesetzeswortlaut verwies.

8Hiergegen richtet sich die Klage vom 28.07.2010.

9Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die einschlägigen Vorschriften europarechtswidrig seien.

10Aufgrund der Qualifikation sämtlicher Einkünfte einer unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 8 Abs. 2 KStG würden Immobilien von inländischen Kapitalgesellschaften immer dem Betriebsvermögen zugeordnet. Entsprechend käme diesen Kapitalgesellschaften der erhöhte AfA-Satz nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG zugute.

11Ausländische Kapitalgesellschaften ohne Betriebsstätte oder Zweigniederlassung in Deutschland würden im Streitjahr 2004 hinsichtlich ihrer im Inland belegenen Immobilien lediglich von § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG erfasst. § 49 Abs. 2 EStG normiere die sogenannte isolierende Betrachtungsweise, wonach im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht zu bleiben hätten. Daraus folge, dass die Vermietungseinkünfte einer ausländischen Kapitalgesellschaft im Inland lediglich als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nicht als gewerbliche Einkünfte betrachtet würden. In der Folge käme nur der AfA-Satz i.H.v. 2 % nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zur Anwendung.

12Diese unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung sei nicht ersichtlich. Hinsichtlich der anzusetzenden AfA handele es sich um objektbezogene Steuernormen. Insoweit dürften bei im Inland belegenen Immobilien keine Differenzierungen hinsichtlich des Sitzes der Eigentümer gemacht werden.

13Im Übrigen hätte der Gesetzgeber unterdessen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Einkommensteuergesetz eingeführt. Dies zeige, dass der Gesetzgeber selbst die Rechtswidrigkeit der unterschiedlichen Behandlung erkannt habe.

14Die Klägerin beantragt,

15den angefochtenen Verlustfeststellungsbescheid zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2004 vom 31.03.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass weiterer Aufwand i.H.v. 177.173 € Verlust erhöhend berücksichtigt wird.

16Der Beklagte beantragt,

17die Klage abzuweisen.

18Er weist darauf hin, dass aufgrund der isolierenden Betrachtung bei der Klägerin von Vermietungseinkünften auszugehen sei. Durch die isolierende Betrachtungsweise werde gewährleistet, dass sich die Steuerbarkeit ausschließlich auf Einkunftsquellen mit inländischem Anknüpfungspunkt beziehe.

19Im Übrigen sei kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gegeben, da in- und ausländische Kapitalgesellschaften insoweit nicht vergleichbar seien. Für die Annahme der Gewerblichkeit von Einkünften sei es notwendig, dass gewerbliche Aktivitäten im Inland auch entfaltet würden. Werde eine ausländische Kapitalgesellschaft im Inland lediglich als Vermieter tätig, fehle es an einer solchen Gewerblichkeit.

20Entscheidungsgründe

21Die Klage ist begründet.

221. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 FGO.

23Es verstößt gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit, dass der Klägerin die Anwendung des AfA-Satzes nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG i.H.v. 3 % verwehrt wird, während inländische Kapitalgesellschaften bei ansonsten gleichem Sachverhalt eine AfA i.H.v. 3 % einkommensmindernd geltend machen können.

24a. Bei Gebäuden sind gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 als Absetzung für Abnutzung bis zur vollen Absetzung folgende Beträge abzuziehen:

25aa. Bei Gebäuden, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31.03.1985 gestellt worden ist, jährlich 3 %,

26bb. bei Gebäuden, soweit die Voraussetzungen unter aa. nicht erfüllt und die nach dem 31.12.1924 fertig gestellt worden sind, jährlich 2 %.

27b. Gemäß § 8 Abs. 2 EStG in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung sind bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind, alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln.

28c. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung erzielen beschränkt Steuerpflichtige inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Einkommensteuerpflicht durch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wenn das unbewegliche Vermögen im Inland belegen sind.

29Nach § 49 Abs. 2 EStG bleiben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte im Sinne des Abs. 1 nicht angenommen werden könnten, sog. isolierende Betrachtungsweise.

30§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG regelt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei beschränkt Steuerpflichtigen. Die Vermietungseinkünfte hinsichtlich von im Inland belegenen Objekten durch eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft werden von der Regelung nicht erfasst (vgl. Lindauer/ Westphal, JStG 2009: Änderungen bei inländischen Vermietungseinkünften durch ausländische Kapitalgesellschaften, BB 2009, 420).

31d. In Anwendung dieser Grundsätze erzielte die Klägerin im Streitjahr als beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Die Klägerin ist als ausländische Kapitalgesellschaft nicht zur Führung von Büchern nach den Vorschriften des HGB verpflichtet. Nach Maßgabe der Bestimmungen zur isolierenden Betrachtungsweise hat die Tatsache, dass die Klägerin als Kapitalgesellschaft grundsätzlich nur eine gewerbliche Sphäre hat, außer Betracht zu bleiben, da ansonsten eine Besteuerung der Vermietungseinkünfte nach § 49 Abs. 1 EStG nicht möglich wäre (vgl. insoweit auch Schnitger/ Fischer, Einkünfteermittlung bei ausländischen grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaften und Gemeinschaftsrecht, DB 2007, 598).

32In der Folge ist jedoch bei Anwendung des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG folgerichtig nicht davon auszugehen, dass die vermieteten Gebäude zu einem Betriebsvermögen gehören. Damit kann in Anwendung der gesetzlichen Vorschriften – und dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig – durch die Klägerin als Absetzung für Abnutzung jährlich nur ein Betrag von 2 % der maßgeblichen Kosten in Ansatz gebracht werden.

33Eine inländische Kapitalgesellschaft könnte für Gebäude, welche nicht zu Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt wurde nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG einen AfA – Betrag i.H.v. 3 % abziehen, da die Immobilien zwingend zu ihrem Betriebsvermögen gehören.

34Im Ergebnis wird damit eine inländische Kapitalgesellschaft in Bezug auf den ansetzbaren AfA – Betrag anders behandelt als die Klägerin.

35e. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass zu den Maßnahmen, die Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche gehören, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (EuGH, Urteile vom 31. März 2011, Schröder, C-450/09, Slg 2011, I-2497; vom 25. Januar 2007, Festersen, C-370/05, Slg. 2007, I-1129 und vom 18. Dezember 2007, A, C-101/05, Slg. 2007, I-11531).

36Als derartige Beschränkungen können nicht nur nationale Maßnahmen angesehen werden, die geeignet sind, den Erwerb von in anderen Mitgliedstaaten belegenen Immobilien zu verhindern oder zu beschränken, sondern auch Maßnahmen, die davon abhalten können, solche Immobilien zu behalten (EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-35/08, Busley und Cibrian, Slg. 2009, I-09807).

37Der EuGH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine Regelung mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Einklang zu bringen ist, wonach ein in Deutschland Steuerpflichtiger bezüglich einer inländischen Immobilie eine höhere Abschreibung in Anspruch nehmen kann als für eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Immobilie. Durch die Nichtgewährung eines höheren Abschreibungssatzes werde dem Steuerpflichtigen ein Liquiditätsvorteil vorenthalten. Dieser steuerliche Nachteil sei geeignet, Steuerpflichtige davon abzuhalten, in einem anderen Mitglied belegene Immobilien zu erwerben bzw. zu behalten. Der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sei auch nicht gerechtfertigt (EuGH, Urteil vom 15.10.2009, C-35/08, Busley und Cibrian, Slg. 2009, I-09807).

38Ausgehend von dieser Entscheidung wird in der Literatur vertreten, dass die Verweigerung der erhöhten Abschreibung für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG ebenfalls mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Einklang zu bringen sei. Unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften seien in Bezug auf die steuerobjektbezogenen Umstände vergleichbar. Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG wirke sich im Hinblick auf beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften mit identischem Investorenprofil nachteilig im Hinblick auf Ihre Liquidität aus. Ein solcher Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit sei auch weder durch die Grundsätze der Kohärenz, des Territorialprinzips oder zur Missbrauchsverhinderung gerechtfertigt (vgl.Cloer/ Nagel, Unterschiedliche Gebäude – AfA bei Auslandsbezug, DB 2010, 1901; Schnitger/ Fischer, Einkünfteermittlung bei ausländischen grundstücksverwaltenden Kapitalgesellschaften und Gemeinschaftsrecht, DB 2007, 598).

39Die Finanzverwaltung vertritt hingegen die Auffassung, dass eine erhöhte AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2009 infolge der ab diesem Zeitpunkt geltenden Gesetzesänderung im Hinblick auf beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften zu gewähren sei (BMF vom 16.05.2011, IV C 3-S 2300/08/10014, 2011/0349521, BStBl I 2011, 530). Die Differenzierung zwischen beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften in den Vorjahren sei eine Folge der isolierenden Betrachtungsweise. Durch sie werde gewährleistet, dass sich die Steuerbarkeit ausschließlich auf Einkunftsquellen mit inländischem Anknüpfungspunkt beziehe. Ein Steuerpflichtiger dürfe nicht von den Vorzügen der isolierenden Betrachtungsweise profitieren, ohne deren Nachteile in Kauf zu nehmen. Daher sei kein Verstoß gegen europäisches Recht erkennbar, da es zu keiner ungerechtfertigten Ungleichbehandlung komme (Kurzinformation 99/2009 des FM Brandenburg vom 20. Oktober 2009, 35 – S 2300 – 1/09, juris).

40f. In Anwendung dieser Grundsätze geht der Senat davon aus, dass die Nichtgewährung der erhöhten AfA in Bezug auf die Klägerin einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV darstellt.

41Die Klägerin ist hinsichtlich ihres Investorenprofils und hinsichtlich der im Inland erworben und verwalteten Objekte vergleichbar einer inländischen unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft, welche Immobilien zum Zwecke der Vermietung nutzt. Während die inländische Kapitalgesellschaft diese Immobilien im Rahmen ihres Betriebsvermögens zu erfassen hat und damit in der Folge bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen die erhöhte AfA i.H.v. 3 % nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG in Anspruch nehmen kann, kann die Klägerin dies nicht, da sie aufgrund der isolierende Betrachtungsweise des § 49 Abs. 2 EStG lediglich Vermietungseinkünfte erzielt und die Tatsache, dass sie als Kapitalgesellschaft letztlich nur Betriebsvermögen haben kann, ignoriert wird. Insoweit teilt der Senat nicht die Auffassung der Finanzverwaltung das hier unterschiedliche Konstellationen verglichen würden. Es kommt für die Frage, in welcher Höhe ein Steuerpflichtiger Absetzungen für Abnutzungen geltend machen kann, insbesondere auch nicht darauf an, ob ein gegebenenfalls später erwirtschafteter Veräußerungsgewinn aus einem Immobiliengeschäft steuerpflichtig wäre oder nicht.

42Für den Senat steht vielmehr fest, dass die Ungleichbehandlung im Hinblick auf den ansetzbaren AfA-Satz in Übereinstimmung mit der bereits veröffentlichten Rechtsprechung des EuGH als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit zu werten ist, ohne dass ein Rechtfertigungsgrund erkennbar wäre. Einen solchen hat die Finanzverwaltung auch nicht vorgetragen.

43Aus diesem Grund sieht der Senat auch keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und eine Vorlagefrage an den EuGH zu richten, da Rechtslage und Auffassung des EuGH eindeutig sind.

44f. Da die Verweigerung des erhöhten AfA–Satzes in Bezug auf die Klägerin mit der Kapitalverkehrsfreiheit nicht in Einklang zu bringen ist, war der Klage stattzugeben und die Klägerin insoweit wie eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft zu behandeln.

452. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

463. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

474. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

IDW äußert sich kritisch zum überarbeiteten Entwurf eines BMF-Schreibens zu den GoBD

Der neuerliche Entwurf eines BMF-Schreibens zu den GoBD greife die vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (kurz: IDW) zur Vorgängerfassung geäußerte Kritik nur unzureichend auf. Auch die jetzt vorgelegte Fassung sei wegen des überzogenen Administrationsaufwands nicht akzeptabel, so das IDW in einer aktuellen Stellungnahme an das BMF.

Neben den Kritikpunkten, die das IDW dem BMF bereits am 2.5.2013 vorgetragen hat, sind weitere Klarstellungen, z.B. zur Zulässigkeit der Verwendung von Steuerschlüsseln, unumgänglich, um Rechtssicherheit zu schaffen.

Auch die beabsichtigte Ausdehnung der Aufbewahrungsfristen für Anschaffungsbelege bei langlebigen Wirtschaftsgütern ist nicht hinnehmbar. Es besteht nach wie vor die Gefahr, dass die Neuregelung einseitig zulasten der Steuerpflichtigen geht.

Quelle: IDW online v. 5.9.2013

 

Entwurf eines BMF-Schreibens „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterla-gen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD)“

Sehr geehrter Herr Dr. Misera, sehr geehrte Damen und Herren,
wir danken Ihnen für die Gelegenheit, auch zu der überarbeiteten Fassung des o.g. Entwurfs Stellung nehmen zu können. Bereits mit unserem Schreiben vom 2. Mai 2013 hatten wir Ihnen zahlreiche Kritikpunkte zum Erstentwurf der GoBD übermittelt. In der überarbeiteten Fassung des Entwurfs wird diese Kritik leider nur unzureichend aufgegriffen. Es wurden wenige, überwiegend redaktionelle Änderungen und ergänzende Klarstellungen vorgenommen. Auch die jetzt vor-gelegte Fassung ist nach unserer Auffassung nicht akzeptabel.
Insofern verweisen wir auf die Anmerkungen in unserer Stellungnahme vom 2. Mai 2013 (als Anlage beigefügt), die wir inhaltlich aufrecht erhalten, und er-lauben uns, lediglich die Punkte, die unverändert in den neuerlichen Entwurf übernommen, aber gleichwohl zwingend einer Änderung bedürfen, nachfolgend aufzuführen. Dies betrifft insbesondere die Ausführungen
– zum Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit (3.1) sowie zur Zeitgerechtheit (3.2.3),
– zum Belegwesen (4.) sowie zur Zuordnung zwischen Beleg und Grundauf-zeichnung oder Buchung (4.2),
– zur Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle in sachlicher Ordnung (5.3),
– zum internen Kontrollsystem (6.) und zur Datensicherheit (7.),
Seite 2/5 zum Schreiben vom [Datum] an [Adressat]
– zur Unveränderbarkeit, Protokollierung von Änderungen (8.),
– zur Aufbewahrung (9.), insbesondere im Hinblick auf die maschinelle Aus-wertbarkeit (9.1), die elektronische Aufbewahrung (9.2), die elektronische Er-fassung von Papierdokumenten (9.3) sowie zur Auslagerung von Daten aus dem Produktivsystem und Systemwechsel (9.4),
– zur Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit (10.) sowie
– zum Datenzugriff (11.).
Im Übrigen greifen wir in dieser Stellungnahme lediglich die Änderungen bzw. Ergänzungen auf, soweit sie die von uns vorgetragenen Anregungen betreffen oder die vorgenommenen Anpassungen neue Fragestellungen aufwerfen. Dies vorausgeschickt, möchten wir zu folgenden Aspekten im Einzelnen Stellung nehmen:
Zu 2. Verantwortlichkeit (i.V.m. 12. Zertifizierung und Software-Testate)
Nach Tz. 21 hat der Steuerpflichtige die Pflicht, sich zu informieren, ob das in seinem Unternehmen eingesetzte DV-System den GoBD entspricht. Dies hat zur Konsequenz, dass er bspw. auf „Zertifikate“ oder „Testate“ Dritter (sog. Software-Testate) zurückgreifen muss, die aber nach Tz. 170 der Entwurfsfas-sung gegenüber der Finanzbehörde keine Bindungswirkung entfalten sollen. Ziel der Softwareprüfung gemäß IDW PS 880 ist es insbesondere, mit hinrei-chender Sicherheit zu beurteilen, ob das Softwareprodukt den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und den damit verbundenen Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit und Sicherheit rechnungslegungsbezogener Programm-funktionen entspricht.
Insofern stellt sich die Frage, auf welche Hilfsmittel der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Informationspflicht zurückgreifen soll, wenn selbst Softwarebe-scheinigungen mit einem vollständige Prüfungsbericht über die Softwareprüfung nicht als Indiz für die GoB-Konformität gewertet werden können. Wir bitten da-her klarzustellen, inwieweit sich der Steuerpflichtige auf ein Software-Testat be-ziehen kann und ggf. welche weiteren Informationspflichten bestehen.
Zu 3.2.4 Ordnung
In Tz. 56 wird ausgeführt, dass die „nicht getrennte Verbuchung“ von nicht steu-erbaren, steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen ohne genügende Kenn-zeichnung in der Regel gegen die Grundsätze der Wahrheit und Klarheit einer kaufmännischen Buchung verstößt. Unklar bleibt, ob die Verwendung von Steu-erschlüsseln zur Kennzeichnung ausreicht oder ob für die betreffenden Umsät-
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ze jeweils gesonderte Konten zu führen sind. Unseres Erachtens reicht es aus, wenn bei der Auswertung der Konten die Umsatzgruppen separat abgerufen werden können. Die Notwendigkeit, gesonderte Konten einzurichten und fortlau-fend zu führen, ist nicht sachgerecht und verursacht zusätzlichen Administrati-onsaufwand. Wir regen daher an klarzustellen, dass bei Verwendung von Steu-erschlüsseln den Grundsätzen der Wahrheit und Klarheit entsprochen wird.
Zu 3.2.5 Grundsatz der Unveränderbarkeit
In Tz. 60 wird gefordert, dass Veränderungen und Löschungen von und an Da-ten, Datensätzen, elektronischen Dokumenten und anderen Unterlagen ent-sprechend den Vorgaben der § 146 Abs. 4 AO bzw. § 239 Abs. 3 HGB zu pro-tokollieren sind. In diesem Zusammenhang wird auch auf Tz. 8 des überarbeite-ten Entwurfs verwiesen. Diese Textziffer verlangt, dass sich die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten auf steuerliche und außersteuerliche Daten bezie-hen. Insofern wird die beabsichtigte Konkretisierung, dass sich diese Anforde-rung nur auf solche Daten, Datensätze und elektronische Dokumente beziehen kann, die unzweifelhaft zu einer Buchung zuzuordnen sind und damit Beleg-funktion haben, nicht erreicht. Zur Klarstellung regen wir an, den Verweis auf Tz. 8 zu streichen.
Zu 4.3 Erfassungsgerechte Aufbereitung der Buchungsbelege
Textziffer 77 verlangt, dass für jeden Geschäftsvorfall, der in der Grundauf-zeichnung erfasst und im Journal verbucht wird, u.a. der Buchungsbetrag bzw. die Mengen- und Wertangaben anzugeben sind, aus denen sich der zu bu-chende Betrag ergibt. Diesen Anforderungen an eine erfassungsgerechte Auf-bereitung der notwendigen Daten kann aus unserer Sicht nicht gefolgt werden. Die geforderten Pflichtinhalte und -angaben für alle Geschäftsvorfälle gehen über das sachlich gebotene Maß hinaus, da von den Unternehmen zum einen eine teilweise redundante Aufzeichnung von Daten gefordert wird. Zum anderen erfolgt in vielen Rechnungslegungssystemen die Festlegung der Buchungsperi-ode über das Buchungsdatum. Ferner ist es unüblich, in Hauptbüchern Men-gen- und Wertangaben zu erfassen, aus denen sich der Buchungsbetrag ergibt.
Ebenfalls ist die zwingende Eintragung des Erfassungsdatums bisher nicht vor-gegeben und wird infolgedessen auch in vielen Rechnungslegungsprogrammen nicht berücksichtigt, zumal nicht die Erfassung eine Buchung festlegt, sondern die entsprechende Journalisierung. Die Vorgehensweise und die aus diesen Vorgaben resultierenden Konsequenzen für betrieblichen Abläufe und Struktu-ren sind nicht sachgerecht und bedingen, dass das Datenmodell vieler Soft-warehersteller anzupassen wäre. Ferner weisen wir darauf hin, dass nach der geplanten Neuregelung keine Möglichkeit einer Vorerfassung im Rechnungswe-
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sen mit nachgelagerter Kontrolle und Autorisierung mehr besteht. Dies führt zu einer erheblichen Verschärfung der Handhabung in der Praxis. Unseres Erach-tens sollte daher weder für das Erfassungsdatum noch für Mengen- und Wert-angaben eine Erfassungspflicht in der Grundaufzeichnung bestehen; gleiches gilt für die Pflicht zur Buchung im Journal. Wir bitten dies entsprechend zu re-geln.
Zu 4.4 Besonderheiten (i.V.m. 9. Aufbewahrung)
Laut Auffassung der Finanzverwaltung erstreckt sich die Aufbewahrungspflicht gemäß Tz. 112 auf die „nach außersteuerlichen und steuerlichen Vorschriften aufzeichnungspflichtigen und nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen“. Diese Formulierung findet sich auch in Abschnitt 11.1 (Umfang und Ausübung des Rechts auf Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO). Die ausdrückli-che Einbeziehung außersteuerlicher Vorschriften ist neu und in den bisherigen Äußerungen der Finanzverwaltung so nicht enthalten.
Dabei wird die Dauer, während der Anschaffungsbelege bei langlebigen Wirt-schaftsgütern aufzubewahren sein sollen, übermäßig ausgedehnt; die Aufbe-wahrungsfrist für den Anschaffungsbeleg soll erst mit Ablauf der steuerlichen Nutzungsdauer beginnen (Tz. 81). Dies hat zur Folge, dass Belege über lange Zeit, z.B. bei Gebäuden über mehr als 40 Jahre, aufzubewahren sind.
Gemäß § 147 Abs. 3 AO sind Buchungsbelege zehn Jahre aufzubewahren; die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Buchungsbeleg entstanden ist (§ 147 Abs. 4 AO). Somit besteht keine Rechts-grundlage für eine weitergehende Archivierungspflicht. Wir bitten daher von der geplanten Regelung auch mit Blick auf die den Unternehmen aufgebürdeten Ar-chivierungslasten abzusehen. Mit der zehnjährigen Aufbewahrungspflicht wird dem Interesse einer ordnungsmäßigen Buchführung und ihrer Überprüfung hin-reichend Rechnung getragen.
Zu 5.2 Verbuchung im Journal
Der Erstentwurf sah in Abschnitt 5.2 vor, dass zur Erfüllung von Journal- und Kontenfunktion ein „Buchungssatzzähler“ zu erfassen bzw. zu speichern ist, wenn es sich um Splitbuchungen oder Teilbuchungen handelt. Diese Anforde-rung wurde gestrichen. Stattdessen wurde im letzten Satz der Tz. 94 eine Er-gänzung aufgenommen, die die begrüßenswerte Streichung des Buchungssatz-zählers relativiert. Danach muss über eine einheitliche und je Wirtschaftsjahr eindeutige Identifikationsnummer des Geschäftsvorfalls die Identifizierung und Zuordnung aller Teilbuchungen einschließlich Steuer-, Sammel-, Verrechnung- und Interimskontenbuchungen eines Geschäftsvorfalls gewährleistet sein. Hier-
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bei ist zu unterscheiden zwischen Identifikationsnummern für das Haupt- und Nebenbuch. Die gestellten Anforderungen sind ebenfalls weder sachgerecht noch gibt es dafür eine Rechtsgrundlage. Es ist dem Steuerpflichtigen überlas-sen, wie er sicherstellt, dass eine Zuordnung möglich ist. Diesem Grundsatz tragen die GoBS hinreichend Rechnung. Dort ist zutreffend geregelt, dass das Ordnungsprinzip erfüllt wird, wenn auf die gespeicherten Geschäftsvorfälle und/oder Teile gezielt zugegriffen werden kann.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass auch der überarbeitete Entwurf ei-nes BMF-Schreibens unverändert eine Vielzahl rechtlicher und technischer Fra-gen aufwirft und erheblichen organisatorischen Zusatzaufwand mit sich bringt. Außerdem vermittelt der Entwurf den Eindruck, dass zum Teil Lösungsansätze gewählt werden, die ausschließlich die Anforderungen der Steuerverwaltung an die Auswertbarkeit der Rechnungslegung im Rahmen von Betriebsprüfungen, nicht aber die unternehmerischen Anforderungen berücksichtigt, die z.B. für die Integration des Rechnungswesens in Geschäftsprozesse von Bedeutung sind.
Wir erlauben uns, unsere Empfehlung zu wiederholen, vor Veröffentlichung ei-nes endgültigen BMF-Schreibens mit allen Beteiligten (Unternehmen, Soft-wareherstellern, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern) eine tragfähige und rechtlich sichere Lösung zu suchen. Daran wirken wir gerne mit.
Mit freundlichen Grüßen
Hamannt

Vorsteuerberichtigung von sog. Umlaufvermögen nach § 15a Abs. 2 UStG

Verfügungen des Bayerischen Landesamts für Steuern

S 7316.2.1-3/5 St33 vom 26.08.2013

Nach § 15a Abs. 2 UStG ist eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen, wenn sich bei einem Wirtschaftsgut, das nur einmalig zur Erzielung eines Umsatzes verwendet wird, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse ändern.

Diese Regelung des § 15a Abs. 2 UStG beruht auf Art. 5 Abs. 12 des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes (EURLUmsG) vom 9.12.2004.

1. Anwendung

§ 15a UStG in der Fassung von Art. 5 Nr. 12 EURLUmsG ist zum 1.1. 2005 in Kraft getreten. Die Regelungen sind nur auf Vorsteuerbeträge anzuwenden, deren zugrunde liegende Umsätze i.S.v. § 1 Abs. 1 UStG nach dem 31.12.2004 ausgeführt werden (§ 27 Abs. 11 UStG). Damit scheidet eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG für Wirtschaftsgüter aus, die vor dem 1.1.2005 angeschafft oder hergestellt wurden, selbst wenn die Verwendung im Zeitraum der Neuregelung liegt (vgl. BFH-Urteil vom 12.2.2009, BStBl II S. 76). Gleiches gilt für vor dem 1.1.2005 bezogene Lieferungen und sonstigen Leistungen für Wirtschaftsgüter, die erst nach dem 31.12.2004 fertig gestellt und verwendet werden.

2. Berichtigungsobjekt

Berichtigungsobjekt i.S.d. § 15a Abs. 2 UStG sind Wirtschaftsgüter, die nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden. Das sind im Wesentlichen die Wirtschaftsgüter, die ertragsteuerrechtlich Umlaufvermögen darstellen. Ertragsteuerrechtliches Anlagevermögen kann ebenfalls betroffen sein, wenn es veräußert oder entnommen wird, bevor es zu anderen Verwendungsumsätzen gekommen ist (Abschn. 15a.1. Abs. 2 Nr. 2 UStAE).

Zur Feststellung des Berichtigungsobjekts ist jeweils auf den Gegenstandabzustellen. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Gegenstände gleicher Art und Güte geliefert wurden. Bei der Lieferung vertretbarer Sachen ist hingegen auf die zwischen leistendem Unternehmer und Leistungsempfänger geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen im Verwendungszeitpunkt abzustellen (vgl. Abschn. 15a.11. Abs. 1 UStAE).

Stellt der Unternehmer Erzeugnisse selbst her, ist Berichtigungsobjekt immer dasfertige Erzeugnis im Zeitpunkt der Verwendung. Alle für die Herstellung notwendigen Vorbezüge – sei es Lieferungen oder Dienstleistungen – gehen in dieses Berichtigungsobjekt ein; eine Vorsteuerberichtigung für diese Vorbezüge wird damit anteilig über die Vorsteuerberichtigung der Endprodukte vorgenommen.

Beispiele aus der Landwirtschaft:

Sachen gleicher Art und Güte; z.B. Viehbestand:
Soweit Tiere individualisierbar sind (z.B. Rinder durch die Eintragung in der „Hit-‚DatenBank“), handelt es sich um einzelne Gegenstände (Abschn. 15a.11. Abs.1 Satz 3 UStAE), selbst wenn Tiere in einer Partie erworben oder verkauft werden. Das gleiche gilt für Schweine, vgl. BFH-Urteil vom 03.11.2011, V R 32/10, BStBl 2012 II S. 525. Damit ist das maßgebliche Berichtigungsobjekt der einzelne Gegenstand, hier das einzelne Tier im Zeitpunkt seiner Verwendung = Verkauf.

Vertretbare Sachen, z.B. für Zwecke des späteren Verkaufs eingelagertes Getreide:
Getreide ist eine vertretbare Sache. Berichtigungsobjekte sind die einzelnen Mengen, wie sie der Landwirt nach den vertraglichen Vereinbarungen im Verwendungszeitpunkt verkauft.

Vertretbare Sachen, z.B. stehende Feldfrüchte (zum Verkauf bestimmter Winterweizen):
Maßgebliches Berichtigungsobjekt ist das Endprodukt, d.h. der später geerntete Weizen. Da es sich um vertretbare Sachen handelt, ist jedes Verkaufsgeschäft als einzelnes Berichtigungsobjekt zu erfassen.

3. Änderung der Verhältnisse

Für die Frage, ob eine Änderung der Verhältnisse vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der tatsächlichen Verwendung im Vergleich zum ursprünglichen Vorsteuerabzug entscheidend (vgl. § 15a Abs. 2 S. 1 UStG und Abschn. 15a.2. Abs. 2 UStAE).

Verwendung i.S.v. § 15a UStG ist die tatsächliche Nutzung des Berichtigungsobjekts zur Erzielung von Umsätzen. Als Verwendung sind auch die Veräußerung und die unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b und 9a UStG anzusehen (vgl. Abschn. 15a.2. Abs. 1 UStAE).

Beispiel (Abschn. 15a.5. Abs. 2 UStAE):

Unternehmer U erwirbt am 1. 7. 01 ein Grundstück zum Preis von 2.000.000 €. Der Verkäufer des Grundstücks hat im notariell beurkundeten Kaufvertrag auf die Steuerbefreiung verzichtet (§ 9 Abs. 3 Satz 2 UStG). U möchte das Grundstück unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG weiterveräußern, so dass er die von ihm geschuldete Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG als Vorsteuer abzieht. Am 1. 7. 03 veräußert er das Grundstück entgegen seiner ursprünglichen Planung an eine hoheitlich tätige juristische Person des öffentlichen Rechts, so dass die Veräußerung des Grundstücks nicht nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelt werden kann und nach § 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG steuerfrei ist.

Die tatsächliche steuerfreie Veräußerung schließt nach § 15 Abs. 2 UStG den Vorsteuerabzug aus und führt damit zu einer Änderung der Verhältnisse im Vergleich zu den für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen. Da Grundstück nur einmalig zur Ausführung eines Umsatzes verwendet wird, ist der gesamte ursprüngliche Vorsteuerabzug i.H.v. 380 000 € nach § 15a Abs. 2 UStG im Zeitpunkt der Verwendung für den Besteuerungszeitraum der Veräußerung zu berichtigen. Der Vorsteuerbetrag ist demnach für den Monat Juli 03 zurückzuzahlen (Beispiel 1 aus Abschn. 15a.5. Abs. 2 UStAE).

Eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a UStG liegt auch beim Wechsel von Besteuerungsformen (von §§ 19, 23, 23a, 24 UStG zur Regelbesteuerung und umgekehrt) vor (vgl. § 15a Abs. 7 UStG; Abschn. 15a.9. UStAE).

Gleiches gilt bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes von einem der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegenden Betriebsteils in einen der Regelbesteuerung unterliegenden Betrieb und umgekehrt (sog. Mischbetriebe – § 24 Abs. 3 UStG).

4. Zeitpunkt der Vorsteuerberichtigung

Eine Berichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG ist im Zeitpunkt der tatsächlichen Verwendung durchzuführen, wenn diese von der ursprünglichen Verwendungsabsicht beim Erwerb abweicht (Abschn. 15a.5. Abs. 1 UStAE).

Der Zeitpunkt der tatsächlichen Verwendung ist der Zeitpunkt, an dem mit dem jeweiligen Berichtigungsobjekt ein Umsatz ausgeführt wird, d.h. der Umsatz löst die Vorsteuerberichtigung aus. Dieser Grundsatz gilt auch für Berichtigungen nach § 15a Abs. 7 i.V.m. Abs. 2 UStG.

Beispiel:

Schreiner S stellt eine Küche her. Beim Wechsel der Besteuerungsform (zum 31.12.2007) ist die Küche halbfertig. Die Küche wird nach Fertigstellung im Mai 2008 verkauft. Maßgebendes Berichtigungsobjekt ist die fertige Küche im Zeitpunkt der Verwendung. Die Vorsteuerberichtigung ist grundsätzlich im Voranmeldungszeitraum des Verkaufs (Monat Mai oder zweites Quartal 2008) vorzunehmen, also im Verkaufszeitpunkt. § 44 Abs. 2 ff. UStDV ist zu beachten.

Beispiel:

Wie Beispiel zu Tz. 3, nur erfolgt die tatsächliche steuerfreie Veräußerung erst 18 Jahre nach dem steuerpflichtigen Erwerb des Grundstücks. Das Grundstück ist zwischenzeitlich tatsächlich nicht genutzt worden. Da § 15a Abs. 2 UStG keinen Berichtigungszeitraum vorsieht, muss auch hier die Vorsteuer nach § 15a Abs. 2 UStG berichtigt werden. U hat den Vorsteuerbetrag i.H.v. 380 000 € für den Voranmeldungszeitraum der Veräußerung zurückzuzahlen (Beispiel 2 aus Abschn. 15a.5. Abs. 2 UStAE).

5. Durchführung der Vorsteuerberichtigung

Bei der Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist von den gesamten Vorsteuerbeträgen auszugehen, die auf das Berichtigungsobjekt entfallen. Dabei ist ein prozentuales Verhältnis des ursprünglichen Vorsteuerabzugs zum Vorsteuervolumen insgesamt zu Grunde zu legen (Abschn. 15a.1. Abs. 3 UStAE). Auf das Beispiel 2 der Tz. 9 wird verwiesen.

6. Anwendung der Nichtaufgriffsgrenze von 1.000 €

Eine Vorsteuerberichtigung unterbleibt, wenn die auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts entfallende Vorsteuer 1.000 € nicht übersteigt (§ 44 Abs. 1 UStDV). Nach Abschn. 15a.11. Abs. 1 Satz 2 UStAE ist bei der Prüfung der Betragsgrenze auf den Gegenstand abzustellen. Der Gegenstand entspricht dem in Tz. 2 beschriebenen Berichtigungsobjekt.

Beispiel:

Sachverhalt wie Beispiel in Tz. 4. Vorsteuern auf Herstellungskosten der Küche betragen insgesamt 1.200 €, davon sind 700 € bis zum 31.12.2007 angefallen. Die Nichtaufgriffsgrenze des § 44 Abs. 1 UStDV greift nicht, da die Vorsteuern aus der Summe der Herstellungskosten der Prüfung zu Grunde zu legen sind.

Die zum 1.1.2005 erhöhten Beträge in § 44 UStDV finden nur in Fällen Anwendung, in denen das Wirtschaftsgut nach dem 31.12.2004 angeschafft und hergestellt bzw. die sonstige Leistung bezogen wurde (Tz. 70 des BMF-Schreibens vom 6.12.2005, BStBl I S. 1068).

7. Ermittlung der Berichtigungsbeträge

Das Vorsteuervolumen ist für jedes Berichtigungsobjekt einzeln zu ermitteln. In die Vorsteuerberichtigung sind alle Vorsteuerbeträge einzubeziehen ohne Rücksicht auf besondere ertragsteuerrechtliche Regelungen, z.B. sofort absetzbare Beträge oder Zuschüsse, die der Unternehmer erfolgsneutral behandelt (Abschn. 15a.1. Abs. 4 UStAE).

Grundsätzlich sind die Berichtigungsbeträge anhand der vom Unternehmer zu führenden Aufzeichnungen i.S.d. § 22 Abs. 4 UStG zu ermitteln. In der Regel liegen dem Unternehmer Aufzeichnungen vor, da er diese für das einzelne Berichtigungsobjekt von dem Zeitpunkt an zu führen hat, für den der Vorsteuerabzug vorgenommen worden ist. Die besondere Aufzeichnungspflicht nach § 22 Abs. 4 UStG entfällt insoweit, als sich die erforderlichen Angaben aus den sonstigen Aufzeichnungen oder der Buchführung des Unternehmers eindeutig und leicht nachprüfbar entnehmen lassen (Abschn. 15a.12. UStAE).

Kleinunternehmer und land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die die Durchschnittssätze nach § 24 UStG anwenden, sind allerdings von den Aufzeichnungspflichten des § 22 Abs. 4 UStG befreit (§§ 65, 67 UStDV). Soweit es um buchführende Betriebe handelt, liegen die für die Vorsteuerberichtigung erforderlichen Unterlagen vor. Ansonsten hat der Unternehmer seine begehrte Berichtigung anhand von Einzelbelegen etc. nachzuweisen.

Eine Vorsteuerberichtigung ist nur vorzunehmen, wenn im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 UStG vorlagen. Insbesondere muss eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegen und die bezogene Leistung im Zeitpunkt des Leistungsbezugs dem Unternehmen zugeordnet sein (vgl. hierzu Abschn. 15a.1. Abs. 6 UStAE, BFH-Urteil vom 12.10.2006, BStBl II 2007 S. 485). Zum Nachweis der Vorsteuer im Einzelnen vgl. Abschn. 15.11 UStAE. Vorsteuerbeträge, für die diese Voraussetzungen nicht vorliegen, sind von der Berichtigung ausgenommen.

Diese Grundsätze gelten auch, soweit die Berichtigung nach § 15a UStG zu einem erstmaligen Vorsteuerabzug führt, weil der Vorsteuerabzug beim Leistungsbezug nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG oder § 19 UStG ausgeschlossen oder mit der Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 UStG abgegolten war (Abschn. 15a.1. Abs. 5 UStAE).

8. Vereinfachungsregelung

Eine vereinfachte Ermittlung des Berichtigungsbetrags ist nur zulässig, wenn eine Einzelermittlung nicht oder nur mit erheblichem Ermittlungsaufwand möglich ist. Der Berichtigungsbetrag eines selbst hergestellten Erzeugnisses ist dabei immer für das konkrete fertige Erzeugnis als Berichtigungsobjekt zu ermitteln (vgl. Tz. 2). Kommt im Einzelfall eine vereinfachte Ermittlung in Betracht, muss darauf geachtet werden, dass der Berichtigungsbetrag ggf. um Abschläge für die in die Herstellungskosten des Berichtigungsobjekts eingeflossenen Aufwendungen für den Wertverzehr von Anlagegütern (Berichtigung nach § 15a Abs. 1 UStG) bereinigt wird.

Die Vereinfachungsregelung für den Verkauf der Ernte nach Aufgabe des Betriebs (sog. nachlaufende Ernte) in Abschn. 217 e Abs. 7 UStR 2008 ist überholt, vgl. BMF-Schreiben vom 15.3.2010, BStBl I S. 255, Abschn. 24.1. Abs. 4 S. 3 UStAE.

9. Beispiele:

Beispiel 1:

Unternehmer U ist im Jahr 01 Kleinunternehmer. Er erwirbt im Jahr 01 Waren, die zur Veräußerung bestimmt sind (Umlaufvermögen). Im Jahre 02 findet wegen Überschreitens der Umsatzgrenze die Kleinunternehmerregelung keine Anwendung. Im Jahr 03 liegen die Voraussetzungen der Kleinunternehmerbesteuerung wieder vor und U wendet ab 03 die Kleinunternehmerregelung an. U veräußert die im Jahr 01 erworbenen Waren im Jahr 03.

Lösung:

Weder für das Jahr 02 noch für das Jahr 03 ist eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen (Beispiel ausführlich in Abschn. 15a.9. Abs. 3 UStAE).

Beispiel 2:

Ein Schreiner stellt eine Küche her. Zum 31.12.2007 ist die Küche halbfertig. Die Küche wird nach Fertigstellung im Mai 2008 verkauft. Wegen Überschreitens der Umsatzgrenze kommt die Kleinunternehmerregelung ab 2008 nicht mehr zur Anwendung. Der Unternehmer gibt seine Voranmeldungen vierteljährlich ab.

Dem Schreiner wurden folgende Vorsteuerbeträge in Rechnung gestellt:

auf verwendetes Material bis zum Zeitpunkt

des Wechsels der Besteuerungsform               760,- €

nach Wechsel der Besteuerungsform bis

zum Verkauf                                             1.520,- €

Lösung:

Eine Vorsteuerberichtigung ist wegen des Wechsels von der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) zur Regelbesteuerung vorzunehmen (§ 15a Abs. 2 i.V.m. Abs. 7 UStG).

Prüfung der Nichtaufgriffsgrenze des § 44 Abs. 1 UStDV):

Da als maßgebliches Berichtigungsobjekt die fertige Küche im Zeitpunkt des Verkaufs anzusehen ist, sind in die Prüfung der Betragsgrenze des § 44 Abs. 1 UStDV die Vorsteuerbeträge aus den gesamten Produktionskosten mit einzubeziehen.

Gesamte Vorsteuer aus den Herstellungskosten            2.280,- €

Damit ist § 44 Abs. 1 UStDV nicht anwendbar.

Feststellung des Berichtigungsbetrags:

Bisher nicht abziehbare Vorsteuern des Jahres 2007        760,- €

bisher in 2008 geltend gemachte Vorsteuer                 1.520,- €

Änderung der Verhältnisse:     33,3% (760 : 2.280)

Berichtigungsbetrag: 33,3 % x 2.280,- € =                     760,- €

Der Schreiner kann die Vorsteuerberichtigung erst in der Jahressteuererklärung 2008 geltend machen (§ 44 Abs. 3 und Abs. 4 S. 1 UStDV).

Beispiel 3:

Landwirt A (§ 24 UStG) erwirbt im Kalenderjahr 2007 in einem Liefervorgang fünf Bullenkälber. Er kauft im Jahr 2007 von einem anderen Landwirt Kraftfutter zu (10.000 € zzgl. USt = 1.070 €). Zum Stichtag 31.12.2007 liegt noch Kraftfutter im Wert von 6.000 € netto auf Lager. Am 20.04.2008 und am 25.04.2008 verkauft der Landwirt diese fünf Mastbullen an einen fleischverarbeitenden Betrieb.

Nach dem Verkauf der Mastbullen ist noch Kraftfutter im Wert von 1.000 € vorhanden, das er wegen einer Betriebsumstellung Ende August 2008 an einen anderen Landwirt verkauft.

Ab dem 01.01.2008 optiert er zur Regelbesteuerung.

Lösung:

Eine Vorsteuerberichtigung ist wegen des Wechsels von der Durchschnittssatzbesteuerung (§ 24 UStG) zur Regelbesteuerung vorzunehmen (§ 15a Abs. 2 i.V.m. Abs. 7 UStG). Das maßgebliche Berichtigungsobjekt ist der einzelne Mastbulle im Zeitpunkt seiner Verwendung = Verkauf. In das Berichtigungsobjekt gehen alle Vorbezüge (hier z.B. das eingekaufte Kraftfutter) ein.

Als „Berichtigungsvolumen“ sind die Vorsteuern zu Grunde zu legen, die auf die gesamten bis zum Verkaufstag aufgelaufenen Produktionskosten bezogen auf jeden einzelnen Bullen entfallen sind. Dieses Berichtigungsvolumen ist auch bei der Prüfung des § 44 Abs. 1 UStDV als maßgeblicher Wert zu Grunde zu legen. Der Veräußerungspreis oder die auf die bis zum Stichtag 31.12.2007 aufgelaufenen Produktionskosten entfallende Vorsteuer sind insoweit unerheblich.

Es kann davon ausgegangen werden, dass die Summe der Vorsteuerbeträge aus den gesamten Produktionskosten (z.B. Anschaffungskosten, Futter, Tierarztkosten) eines jeden einzelnen Mastbullens die 1.000 €-Grenze des § 44 Abs. 1 UStDV nicht übersteigt. Somit kann Landwirt A hinsichtlich der Mastbullen keine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Abs. 2 UStG beanspruchen.

Mit dem Verkauf des noch auf Lager befindlichen Kraftfutters wird diese Menge selbst zu einem Endprodukt und damit zu einem selbständigen Berichtigungsobjekt. Die auf die Anschaffungskosten des Restpostens entfallenden Vorsteuern liegen unter 1.000 € (§ 44 Abs. 1 UStDV). Eine Vorsteuerberichtigung unterbleibt.

Beispiel 4:

Unternehmer B gründet im Jahr 2007 ein Handelsgeschäft für Jeans. In diesem Jahr unterliegt er der Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG. Er erwirbt im Jahr 2007 ein Posten von Jeansjacken im Wert von 9.000 € zzgl. USt (= 1.710 €). Die Warenlieferung umfasst 60 Jeansjacken à 150 € + 28.50 € USt. B veräußert – einzeln – 20 Stück der Jeansjacken im Jahr 2007, die restlichen 40 Stück im Jahr 2008.

Im Jahr 2008 muss er wegen Überschreitens der Umsatzgrenze im Jahre 2007 zur Regelbesteuerung übergehen.

Lösung:

Eine Vorsteuerberichtigung ist wegen des Wechsels von der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) zur Regelbesteuerung vorzunehmen (§ 15a Abs. 2 i.V.m. Abs. 7 UStG).

Als Berichtigungsobjekt ist jede einzelne Jeansjacke anzusehen, weil jede Jacke in einem gesonderten Geschäftsvorgang verkauft wird. Eine Vorsteuerberichtigung entfällt (§ 44 Abs. 1 UStDV).

Zur Frage nach der Höhe des Grunderwerbsteuersatzes; Bedingung der Erteilung einer Auskiesungsgenehmigung

Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 563/13 GE

Datum: 29.07.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 7. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 7 K 563/13 GE
Tenor: Unter Änderung des Bescheides vom 22.11.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 22.01.2013 wird die Grunderwerbsteuer auf 1.611 Euro herabgesetzt.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

1T a t b e s t a n d:

2Die Klägerin erwarb durch notariellen Vertrag vom 25. 5. 2004 von „A“ das Grundstück „X“. Der Kaufpreis betrug 3,50 €/qm für die landwirtschaftliche Fläche, insgesamt 20.814,50 €. Weiterhin wurde Folgendes vereinbart:

3„Sollte der Firma „B“ die Zulassung der Auskiesung des veräußerten Grundstücks innerhalb der nächsten 15 Jahre unter wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen bestandskräftig erteilt werden, gerechnet von heute an, so verpflichtet sich die Firma „B“ zur Zahlung eines zusätzlichen Kiesentgeltes in Höhe von 9,80 €/qm für die alsdann genehmigte Kiesabbaufläche auf der genannten Fläche. Das Kiesentgelt wird fällig vier Wochen nach Eintritt der Bestandskraft der Entkiesungsgenehmigung. Rein schuldrechtlich vereinbaren die Beteiligten: Sollte der Firma „B“ innerhalb von 15 Jahren ab heute keine Auskiesungsgenehmigung erteilt werden oder aber innerhalb dieses Zeitraums eine Auskiesungsgenehmigung bestandskräftig abgelehnt werden, so steht jeder Partei das Recht zu, innerhalb eines Jahres ab Entstehung des Rücktrittsgrundes von diesem Vertrag zurück zu treten.“

4Weiterhin wurde in dem Vertrag die Auflassung bezüglich des übertragenen Grundbesitzes erklärt und die Eintragung des Eigentumswechsels bewilligt.

5Der Kaufpreis von 20.814,50 € wurde im Jahr 2004 gezahlt. Das beklagte Finanzamt setzte hierfür gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

6In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin um eine Auskiesungsgenehmigung für einen Bereich, in dem auch das erworbene Grundstück lag. Diese Genehmigung wurde im Jahr 2012 erteilt. Daraufhin zahlte die Klägerin an die Veräußerin das vereinbarte Kiesentgelt in Höhe von 46.030 € und teilte dies dem Finanzamt mit.

7Mit Bescheid vom 22. 11. 2012 setzte der Beklagte hierfür Grunderwerbsteuer iHv 2.301 € fest, wobei er als Bemessungsgrundlage das gezahlte Kiesentgelt zugrunde legte und einen Steuersatz von 5 % anwandte. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich gegen den Steuersatz von 5 % wandte. Der Erwerbsvorgang sei vor dem 1. 10. 2011 verwirklicht worden. Der Beklagte wies den Einspruch am 22. 1. 2013 zurück.

8Hiergegen richtet sich die Klage.

9Die Klägerin trägt vor:

10Der Beklagte habe rechtswidrig den mit NRW-Landesgesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer vom 25. 7. 2011 (GV NRW S. 389), in Kraft getreten am 1. 10. 2011, eingeführten Steuersatz von 5 % auf den vorliegenden Fall angewandt. Das Gesetz sehe einen Steuersatz von 5 % für alle Erwerbsvorgänge vor, die sich auf im Land NRW gelegene Grundstücke bezögen; es sei anzuwenden auf Erwerbsvorgänge, die ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes verwirklicht worden seien. Dem hier streitgegenständlichen Erwerb liege der am 25. 5. 2004 abgeschlossene Kaufvertrag zugrunde. Ein Erwerbsvorgang sei iSv § 23 GrEStG verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden sei, wenn also die Vertragsparteien im Verhältnis zueinander gebunden seien, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöse oder nicht (BFH BStBl II 1003,308). Der Zeitpunkt des Erwerbs sei vom Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs zu unterscheiden. Zeitpunkt des Erwerbs sei der Zeitpunkt, in dem der zugrunde liegende Erwerbsvorgang durch Änderung der Rechtszuständigkeit an dem Grundstück gewissermaßen in die Tat umgesetzt werde. Dieser Zeitpunkt sei maßgeblich für die Bestimmung, wann ein Steuertatbestand bzw. –anspruch entstehe. Er sei aber irrelevant für die Frage, wann der Erwerbsvorgang verwirklicht sei. Damit sei für die Anwendbarkeit des Landesgesetzes entscheidend, wann eine Bindung der Parteien an das im Kaufvertrag Vereinbarte eingetreten sei. Der Vertrag über den Kauf des Grundstücks zum Preis von 20.814,50 € sei in 2004 bindend abgeschlossen worden. Neben der schuldrechtlichen Einigung sei auch die Auflassung erklärt worden. Die im Vertrag angesprochene behördliche Genehmigung stelle eine bloße Rechtsbedingung dar, die nicht als aufschiebende Bedingung iSv § 14 GrEStG zu werten sei. Auch das vereinbarte Rücktrittsrecht beeinträchtige die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs nicht. Auch durch die Vereinbarung der Zahlung des Kiesentgeltes bei Erteilung der Genehmigung sei der Erwerbsvorgang nicht insgesamt aufschiebend bedingt.

11Ebenso wenig werde mit Eintritt der Bedingung in 2012 ein weiterer, neuer Erwerbsvorgang verwirklicht. Aufschiebend bedingt sei lediglich ein abgegrenzter Teil der Gegenleistung. Das Entgelt für den im Grundstück enthaltenen Kies werde an die Möglichkeit des Erwerbers, diesen zu verwerten, geknüpft. Unabhängig davon hätten die Parteien die Wirkungen des Erwerbsvorgangs jedoch sofort und ohne Bedingung eintreten lassen. Auch nach der Rechtsprechung werde im Fall der teilweise aufschiebend bedingten Gegenleistung angenommen, dass ein einziger ursprünglicher Erwerbsvorgang mit Abschluss des Vertrages vorliege, dem abhängig von der Gestaltung der Gegenleistung zwei unterschiedliche Steuertatbestände zuzuordnen seien (BFH vom 22. 11. 1995 II R 26/92). Ein neuer Erwerbsvorgang werde mit Eintritt der Bedingung gerade nicht verwirklicht. Der Anwendungserlass der OFD Rheinland vom 16. 8. 2011 verkenne die Rechtslage, in dem er von einem neuen Erwerbsvorgang ausgehe.

12Die Klägerin beantragt,

13den Grunderwerbsteuerbescheid vom 22. 11. 2012 idF der Einspruchsentscheidung vom 22. 1. 2013 dahingehend zu ändern, dass die Steuer auf 1.611 € herabgesetzt wird.

14Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

15Der Beklagte trägt vor,

16das Kiesentgelt stelle eine aufschiebend bedingte Gegenleistung iSv § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG dar und sei wie eine nachträglich vereinbarte Gegenleistung zu behandeln. Mit Eintritt der Bedingung entstehe ein neuer Steueranspruch. Vor Eintritt der Bedingung sei die Verpflichtung zur Leistung des aufschiebend bedingten Teils der Gegenleistung nicht wirksam, so dass daraus keine Grunderwerbsteuer entstehen könne. Erst mit Bedingungseintritt werde die Teilgegenleistung für die Besteuerung maßgeblich.

17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

18Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, § 100 Abs. 1 FGO, soweit die Grunderwerbsteuer nach einem Steuersatz von 5 % festgesetzt wurde.

19Nach § 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer vom 25. Juli 2011 (G VRW 2011,389) beträgt der Steuersatz für Erwerbsvorgänge, die sich auf im Land NRW gelegene Grundstücke beziehen, 5 v.H.; der Steuersatz ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes verwirklicht werden. Nach § 2 tritt das Gesetz am 1. Oktober 2011 in Kraft.

20Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Erwerbsvorgang verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind (BFH-Urteile vom 17. September 1986 II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35; vom 8. Februar 2000 II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318, m.w.N.; vom 22. September 2004 II R 45/02 BFH/NV 2005,1137). Die erforderliche Bindung der Beteiligten muss einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG betreffen. Deshalb können rechtsgeschäftliche Erklärungen nur dann zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs führen, wenn sie unmittelbar die die Steuerbarkeit eines Rechtsvorgangs i.S. von § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG konstituierenden Merkmale erfüllen, ohne dass bereits ein Erwerb eintritt. Zu diesen Merkmalen gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Erwerb des Eigentumsverschaffungsanspruchs. Durch Vereinbarungen, die dem Erwerber keinen solchen Anspruch verschaffen sollen, kann deshalb ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht verwirklicht werden. Liegt eine rechtsgeschäftliche Bindung der Vertragsparteien vor, ist es für die Verwirklichung des Steuertatbestandes unerheblich, ob der Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst (Bouttau/Viskorf § 23 GrEStG Rz. 24).

21Bei aufschiebend bedingten Erwerbsvorgängen ist der Zeitpunkt der Verwirklichung nicht zwingend identisch mit dem der Steuerentstehung, die nach § 14 GrEStG hinausgeschoben ist (Pahlke/Franz § 23 GrEStG Rz. 6). Nach § 14 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuer, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist, mit dem Eintritt der Bedingung. Ist nur die Gegenleistung insgesamt oder zum Teil bedingt geschuldet, ist § 14 GrEStG entsprechend im Umfang der Bedingung anwendbar (Pahlke/Franz § 14 GrEStG Rz. 12).

22Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ist von dem der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs zu unterscheiden. Für den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ist grundsätzlich auf die bereits durch die rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen eingetretene Bindungswirkung und nicht auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts abzustellen. Das bedingte Rechtsgeschäft ist tatbestandlich bereits mit seiner Vornahme vollendet und gültig; lediglich seine Rechtswirkungen sind hinausgeschoben (Boruttau/Viskorf § 23 GrEStG Rz. 29; Pahlke/Franz § 23 GrEStG Rz. 6). Aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte sind nach dem Recht zu beurteilen, das für den Zeitpunkt des die Beteiligten bindenden Vertragsabschlusses gilt (Boruttau/Viskorf § 14 GrEStG Rz. 82).

23Im Streitfall haben die Beteiligten des Vertrages in 2004 die Veräußerung des Grundbesitzes an die Klägerin bindend vereinbart. Der Erwerbsgegenstand, die sofort fällige Gegenleistung sowie die weitere Teilgegenleistung waren in dem Vertrag festgelegt. Die Entstehung der Teilgegenleistung von weiteren 9,80 €/qm war lediglich aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Auskiesungsgenehmigung. Der Erwerbsvorgang war damit im Jahr  2004 insgesamt verwirklicht.

24Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 9 Abs. 2 GrEStG. § 9 Abs. 2 GrEStG erfasst  nachträgliche Leistungen, die nach Verwirklichung des Erwerbsvorgangs begründet worden sind, z.B. wenn der Kaufpreis nachträglich erhöht wird (Loose § 9 GrEStG Rz. 551 f.). Vereinbaren die Beteiligten eines Rechtsgeschäfts iSv § 1 Abs. 1 GrEStG nachträglich eine Erhöhung der Gegenleistung, ist der darin liegende Erwerbsvorgang iSv § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in dem Zeitpunkt iSv § 23 GrEStG verwirklicht, in dem die Bindung der Vertragspartner bezüglich der zusätzlich gewährten Gegenleistung eingetreten ist (BFH vom 26. April 2006  II R 3/05 BStBl II 2006,604; Loose § 9 GrEStG  Rz. 556). Vorliegend hatte die Klägerin sich bereits im Jahr 2004 verpflichtet, die erhöhte Gegenleistung zu leisten, wenn sie die Auskiesungsgenehmigung erhielt. Die erhöhte Gegenleistung ist insofern nicht nachträglich vereinbart worden. Daher war sie dem Steuersatz von 3,5 % zu unterwerfen.

25Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Umsatzsteuer-Umrechnungskurse; Monatlich fortgeschriebene Gesamtübersicht für das Jahr 2013

Das BMF hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für August 2013 bekannt gegeben (BMF, Schreiben v. 2.9.2013 – IV D 3 – S 7329/13/10001 (2013/0823157)).

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 UStG wird die monatlich fortgeschriebene Gesamtübersicht für das Jahr 2013 über die bekannt gegebenen Umsatzsteuer-Umrechnungskurse veröffentlicht.

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Deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen

Das deutsche Abkommensnetz umfasst im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen derzeit DBA mit mehr als 90 Staaten. Ungeachtet des Einflusses der Abkommensmuster der OECD und der Vereinten Nationen werden DBA individuell in einem intensiven Verhandlungsprozess zwischen Vertragsstaaten mit jeweils eigener DBA-Politik und Rechtstradition ausgehandelt. Die vorliegende Verhandlungsgrundlage soll einer effizienten Umsetzung der deutschen Abkommensziele unter Verwendung möglichst einheitlicher Formulierungen dienen.

  • Im Rahmen der Abkommensverhandlungen ist jedoch stets eine an den konkreten bilateralen Wirtschaftsbeziehungen ausgerichtete Abwägung der Wettbewerbsinteressen des inländischen Wirtschaftsstandortes, der Auslandsaktivitäten exportorientierter deutscher Unternehmen und der Sicherung des deutschen Besteuerungsinteresses vorzunehmen.
  • Aufgrund der jeweiligen Unterschiede im innerstaatlichen Recht und der nationalen DBA-Politik der anderen Vertragsstaaten werden sich daher auch weiterhin je nach Verhandlungssituation Unterschiede in Form und Inhalt von DBA-Regelungen ergeben.
  • Die Verhandlungsgrundlage wird nach Bedarf verändert oder ergänzt werden.

Quelle: BMF online

Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen

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