Archiv der Kategorie: Steuerrecht

Geburtstagsfeiern mit Mitarbeitern/Geschäftspartnern in der Regel privat veranlasst

Kernproblem

Oftmals werden Bewirtungsaufwendungen im Zusammenhang mit persönlichen Ereignissen getätigt. Hierbei ist dann für die Zuordnung der Aufwendungen zum beruflichen oder privaten Bereich auch von Bedeutung, wer als Gastgeber auftritt, wer die Gästeliste bestimmt und ob es sich bei den Gästen um Kollegen, Geschäftsfreunde oder Mitarbeiter, Angehörige des öffentlichen Lebens, der Presse, um Verbandsvertreter oder um private Bekannte oder Angehörige handelt. Bei der Bewirtung von Kollegen im Zusammenhang mit Feiern für Abschied, Jubiläum, Weihnachten, Jahresabschluss oder Versetzung sieht der Bundesfinanzhof (BFH) durchaus einen betrieblichen Charakter. Bei einem runden Geburtstag aber hört die Feierlaune beim Finanzamt auf.

Sachverhalt

Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Ingenieurgesellschaft wurde 60 Jahre alt und ließ sich nicht lumpen. So lud er mit einem netten Vers die Mitarbeiter des Unternehmens in ein Burghotel zu einer Feier ein: „Wird Mann wird Frau bald 60 Jahre – es gilt für alle Jubilare: den Runden feiert man ganz groß, denn Kneifen ist charakterlos. Und dazu ist es angeraten, recht viele Gäste einzuladen. So ist es gute alte Sitte, der schöne Ruf sonst etwas litte“. Zuletzt bat er die Kollegen im Schreiben auf dem Briefkopf des Unternehmens darum, ihn bei „diesem schweren Schritt“ zu unterstützen. Dem Aufruf folgten 117 Personen, davon 18 Geschäftspartner und lediglich 6 Verwandte. Die große Beliebtheit des Geschäftsführers färbte jedoch nicht auf das Finanzamt ab, denn dieses wollte die Rechnung von über 6.000 EUR nicht als Werbungskosten anerkennen. So ging es zum Finanzgericht. Ob es dort weiterhalf, dass im gleichen Jahr seine 35jährige Betriebszugehörigkeit dazukam?

Entscheidung

Das FG Münster nimmt u. a. den Einladungstext zum Anlass, eine private Veranlassung der Feier zu unterstellen. Denn hier fehlten ebenso Aussagen zur Betriebszugehörigkeit, wie auf der Gästeliste. Zudem wurde dem 60jährigen vorgehalten, in dem Einladungsschreiben persönlich (und nicht als Unternehmensvertreter) aufgetreten zu sein, Gästeliste und Inhalt der Einladung nicht mit den beiden anderen Geschäftsführern abgestimmt zu haben und die Veranstaltung nicht auf dem Betriebsgelände, sondern auf einer Burg (und dann noch mit überdurchschnittlich 55,43 EUR je Person) durchgeführt zu haben. Der Tatsache, dass außer 6 Verwandten nur Betriebsangehörige und Geschäftspartner an der Veranstaltung teilnahmen, wollte das FG nicht die gewünschte Bedeutung beimessen.

Konsequenz

Ob das Urteil angesichts des mittlerweile aufgeweichten Aufteilungsverbots noch stimmig ist, erscheint fragwürdig. Will man Streit vermeiden, bietet der Einladungstext erste Möglichkeiten für einen günstigeren Ausgang.

Hundesteuer für Rottweiler

BVerwG Beschluss vom 31.08.2011 – 9 B 8.11 (HI2754444)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Hundesteuer für Rottweiler

 

Leitsatz (Sonst)

1. Die Hundesteuer gehört zu den herkömmlichen Aufwandsteuern, weil das Halten eines Hundes über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und einen Aufwand erfordert.

2. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die erhöhte Besteuerung von Hunden bestimmter Rassen, denen wegen bestimmter Merkmale ein abstraktes Gefahrenpotenzial zugesprochen werden muss, mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil vom 16.03.2004, 1 BvR 1778/01 (BVerfGE 110, 141, 169) nicht entschieden, dass für die hier in Rede stehenden Hunderassen Deutscher Schäferhund, Dobermann und Rottweiler die abstrakte Gefährlichkeit gleich zu beurteilen ist.

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 336 EUR festgesetzt.

 

Normenkette

GG Art. 105 Abs. 2a, Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

OVG für das Land NRW (Urteil vom 19.10.2010; Aktenzeichen 14 A 1847/09)

 

Gründe

Rz. 1

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

Rz. 2

1. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht begründet. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

Rz. 3

Die Beschwerde macht als Verfahrensmangel geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO und das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verletzt, weil es die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge des Klägers zu Unrecht abgelehnt habe; darüber hinaus habe sich eine Beweiserhebung aufgedrängt.

Rz. 4

Liegen bereits Gutachten oder Auskünfte zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es nach § 98 VwGO i.V.m. § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Auskünfte oder Sachverständigengutachten einholt; das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen, die von einer Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden, stützen (Beschluss vom 23. August 2006 – BVerwG 4 A 1067.06 – juris Rn. 6 m.w.N.). Eine Pflicht zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht nur dann, wenn sich die fehlende Eignung der vorliegenden Gutachten aufdrängt. Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen sind dann ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht (Beschlüsse vom 4. Januar 2007 – BVerwG 10 B 20.06 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 353 Rn. 12 und vom 5. Dezember 2008 – BVerwG 9 B 28.08 – Buchholz 406.25 § 50 BImSchG Nr. 6 Rn. 4 m.w.N.).

Rz. 5

Dass die Ablehnung der Beweisanträge gemessen an diesen Grundsätzen zu beanstanden sein könnte, ergibt sich aus dem Vorbringen der Beschwerde nicht. Die insgesamt 13 Beweisanträge waren im Ergebnis darauf gerichtet, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens “Feststellungen dahingehend zu treffen, dass ein Rottweiler nicht gefährlicher als ein Schäferhund oder Dobermann ist bzw. ungefährlicher als ausländische (Kampf-) Hunderassen” (Beschwerdebegründung S. 8). Die Notwendigkeit zur Einholung eines solchen Gutachtens hat das Oberverwaltungsgericht mit dem Hinweis auf die ihm vorliegenden Erkenntnisse verneint. Dass diese Erkenntnisse, namentlich die amtliche Beißstatistik für Nordrhein-Westfalen, methodische oder sonstige erhebliche Mängel aufweisen und deswegen nicht geeignet sind, die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zu stützen, legt die Beschwerde nicht dar. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, zu kritisieren, dass das Berufungsgericht unter Heranziehung dieser und weiterer Erkenntnisquellen sowie unter Berücksichtigung der Vorgaben des besonderen Haltungsregimes für Rottweiler nach dem Landeshundegesetz Nordrhein-Westfalen zu einer anderen Würdigung der Gefährlichkeit von Hunden der Rasse Rottweiler kommt als insbesondere das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht und als der Kläger selbst. Fehler in der Tatsachen- und Beweiswürdigung sind aber – wenn sie denn vorlägen – revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen. Eine Ausnahme hiervon kommt bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht (Beschluss vom 5. Dezember 2008 a.a.O. Rn. 6). Ein solcher Mangel wird von der Beschwerde nicht substantiiert dargetan.

Rz. 6

2. Auch die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht begründet.

Rz. 7

Der Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegt nur dann vor, wenn für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 <91 f.> und vom 20. Februar 2002 – BVerwG 9 B 63.01 – Buchholz 442.40 § 6 LuftVG Nr. 32 S. 2). Daran fehlt es hier.

Rz. 8

Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam,

ob es von der Besteuerungskompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG noch gedeckt sowie mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, wenn der gemeindliche Satzungsgeber in seine Liste höher zu besteuernder gefährlicher Hunderassen bislang steuerlich privilegierte deutsche Schutz- und Gebrauchshunderassen (Schäferhund, Rottweiler, Dobermann) einstellt,

und falls ja,

ob dies dergestalt erfolgen darf, dass nur eine dieser Rassen (Rottweiler) einer erhöhten Besteuerung unterworfen wird, obschon die anderen Rassen (Schäferhund, Dobermann) von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NVwZ 2004, 597 <602>) für genauso gefährlich bzw. genauso ungefährlich gehalten werden.

Rz. 9

Der Umfang der Besteuerungskompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil er in der Rechtsprechung geklärt ist. Aufwandsteuern im Sinne dieser Vorschrift sollen die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abschöpfen. Ob eine Abgabe danach örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG ist und die Länder dafür die Gesetzgebungskompetenz haben, bestimmt sich nicht nach ihrer Bezeichnung, sondern nach ihrem Steuertatbestand, ihrem Steuermaßstab und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen. Fragen der materiellen Verfassungsmäßigkeit der Steuer, insbesondere ihre Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz oder den Freiheitsgrundrechten, sind ohne Einfluss auf die Beurteilung der Gesetzgebungskompetenz (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 – BVerfGE 123, 1 <16 ff.>; sich dem anschließend BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – BVerwG 9 C 12.08 – BVerwGE 135, 367 Rn. 17 = Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 47). Dass die Hundesteuer zu den herkömmlichen Aufwandsteuern gehört, weil das Halten eines Hundes über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und einen Aufwand erfordert, stellt auch die Beschwerde nicht in Abrede.

Rz. 10

Dem Beschwerdevorbringen ist auch nicht zu entnehmen, welche mit dem Verständnis von Art. 3 Abs. 1 GG im Zusammenhang stehende Frage für klärungsbedürftig gehalten wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht die Zulassung der Revision allenfalls dann zu begründen, wenn die Auslegung der – gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab aufgeführten – bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (vgl. Beschluss vom 27. Februar 2007 – BVerwG 6 B 81.06 – Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 83 Rn. 6). Danach reicht es für die Zulassung der Revision nicht aus, dass in der Rechtssache die Vereinbarkeit einer gemeindlichen Satzung mit Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen war.

Rz. 11

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass die erhöhte Besteuerung von Hunden bestimmter Rassen, denen wegen bestimmter Merkmale ein abstraktes Gefahrenpotenzial zugesprochen werden muss, mit dem Gleichheitssatz vereinbar ist (Urteil vom 19. Januar 2000 – BVerwG 11 C 8.99 – BVerwGE 110, 265 <273 ff.>). Auch das Bundesverfassungsgericht hat in dem von der Beschwerde zitierten Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – (BVerfGE 110, 141 <169> = NVwZ 2004, 597 <602>) nicht entschieden, dass für die hier in Rede stehenden Hunderassen Deutscher Schäferhund, Dobermann und Rottweiler die abstrakte Gefährlichkeit gleich zu beurteilen ist.

Rz. 12

Der Verweis der Beschwerde auf das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 30. Mai 2001 – 11 K 4333/00 – (NVwZ-RR 2001, 749), das hinsichtlich der Gefährlichkeit dieser Hunderassen zu einer anderen Tatsachenwürdigung gekommen ist als das Berufungsgericht im vorliegenden Fall, rechtfertigt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenfalls nicht. Auf Unterschiede in der Tatsachenfeststellung und Sachverhaltswürdigung durch die Instanzgerichte kann eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden.

Rz. 13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Storost, Buchberger, Prof. Dr. Korbmacher

 

Steht die private Kfz-Nutzung der Kleinunternehmerregelung entgegen?

Steht die private Kfz-Nutzung der Kleinunternehmerregelung entgegen?

Kernaussage

Unternehmer, die jährlich Umsätze von maximal 17.500 EUR erzielen, gelten nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) als Kleinunternehmer. Bei diesen verzichtet das Finanzamt auf die Erhebung der Umsatzsteuer. Im Gegenzug dürfen die Kleinunternehmer weder Umsatzsteuer in Rechnung stellen noch Vorsteuer ziehen. Umstritten ist, ob im Rahmen der Prüfung der Umsatzgrenze die private Kfz-Nutzung zu berücksichtigen ist. Hierzu entschied nun das Finanzgericht Berlin-Brandenburg.

Sachverhalt

Der Kläger betrieb seit 2002 eine Hausverwaltung. Bis einschließlich 2006 galt er als Kleinunternehmer. Für 2007 forderte das Finanzamt von ihm Umsatzsteuer, da er in 2006 die Umsatzgrenze für Kleinunternehmer überschritten habe. Entscheidend für die Überschreitung war, dass das Finanzamt erstmals die mittels der 1 %-Regelung ermittelte private Nutzung des im Jahr 2004 angeschafften betrieblichen Pkw in die Berechnung der maßgeblichen Umsätze einbezog. Der Kläger vertrat hingegen die Ansicht, dass der Eigenverbrauch für den Pkw bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nicht zu berücksichtigen sei und verlangte die Aufhebung des streitigen Umsatzsteuerbescheids. Die Klage hatte Erfolg.

Entscheidung

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gab dem Kläger Recht, der entsprechend weiterhin als Kleinunternehmer zu behandeln ist. Da es bisher zu der umstrittenen Rechtsfrage an höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt, hat das FG die Revision zugelassen, die bereits beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängig ist. Die endgültige Entscheidung bleibt daher abzuwarten.

Konsequenz

Kleinunternehmer, die bei Berücksichtigung der privaten Kfz-Nutzung Gefahr laufen, ihren Status als Kleinunternehmer zu verlieren, sollten den Ausgang des Verfahrens genau verfolgen. Folgt der BFH nicht der Entscheidung des FG, so können sich zahlreiche Probleme für die Betroffenen ergeben. Die Finanzämter werden versuchen, nachträglich die Umsatzsteuer einzutreiben. Können die Kleinunternehmer diese nicht mehr nachbelasten, muss die Steuer aus dem Netto beglichen werden. Im Gegenzug steht ihnen zwar nun der Vorsteuerabzug, z. B. aus der Anschaffung des Kfz zu, aber nur, wenn ordnungsgemäße Rechnungen in der Vergangenheit vorgelegen haben. Hierauf ist allerdings grundsätzlich zu achten, da die Kleinunternehmergrenze auch aus anderen Gründen überschritten werden kann.

Änderung der Abgabefrist und des Meldezeitraums für die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung seit dem 1. Juli 2010

An das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) werden vermehrt Anfragen von Unternehmern zu den geänderten Meldepflichten im Zusammenhang mit der Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (ZM) gerichtet. Es wird deshalb auf Folgendes hingewiesen:

Die ZM ist bis zum 25. Tag nach Ablauf des Meldezeitraums abzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Unternehmer vom zuständigen Finanzamt für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung eine Dauerfristverlängerung (§§ 46 bis 48 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung) gewährt wurde.

Meldezeitraum für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 Umsatzsteuergesetz (UStG)) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG ist im Regelfall der Kalendermonat (§ 18a UStG). Ausnahmsweise ist der Meldezeitraum das Kalendervierteljahr, soweit die Summe der Bemessungsgrundlagen für diese meldepflichtigen Umsätze weder für das laufende Kalendervierteljahr noch für eines der vier vorangegangenen Kalendervierteljahre jeweils mehr als 100.000 Euro (mit Wirkung nach dem 31. Dezember 2011: 50.000 Euro) beträgt.

Wird die o.g. Betragsgrenze im Laufe eines Kalendervierteljahres überschritten, hat der Unternehmer bis zum 25. Tag nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Betragsgrenze überschritten wird, eine ZM für diesen Kalendermonat und die bereits abgelaufenen Kalendermonate dieses Kalendervierteljahres zu übermitteln. Unabhängig von der o.g. Betragsgrenze hat der Unternehmer das Wahlrecht, die ZM monatlich zu übermitteln, sofern er dies dem BZSt anzeigt. Die Ausübung dieses Wahlrechts bindet den Unternehmer mindestens für die Dauer von 12 Kalendermonaten, darüber hinaus bis zum Zeitpunkt des Widerrufs.

Meldezeitraum für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführte steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet (innergemeinschaftliche sonstige Leistungen im Sinne des § 18a Absatz 2 Satz 1 UStG), ist das Kalendervierteljahr. Übermittelt der Unternehmer für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG eine monatliche ZM, hat er die Möglichkeit, in dieser ZM auch seine innergemeinschaftlichen sonstigen Leistungen anzugeben. Weitergehende Informationen enthält das BMF-Schreiben vom 15. Juni 2010 (BStBl I Seite 569).

Gleichbehandlung von Ehegatten/eingetragenen Lebenspartnern bei Grunderwerbsteuer

Kernaussage

Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten unterliegen nicht der Grunderwerbsteuer (§ 3 Nr. 4 GrEStG). Die Befreiungsvorschrift wurde mit dem Jahressteuergesetz 2010 auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgedehnt. Anders als die vergleichbaren Regelungen zum Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht jedoch nicht rückwirkend, sondern erst ab Inkrafttreten des Jahressteuergesetz 2010 am 14.12.2010.

Sachverhalt

Der Antragsteller trennte sich im Jahr 2009 von seinem Lebenspartner. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung erhielt der Antragsteller von seinem Lebenspartner dessen Miteigentumsanteil an einem Hausgrundstück und beantragte die Befreiung von der Grunderwerbsteuer. Das Finanzamt verweigert die Befreiung und verwies auf den seiner Meinung nach eindeutigen Wortlaut der grunderwerbsteuerlichen Vorschrift (§ 3 Nr. 4 GrEStG), der eine Steuerbefreiung im Streitjahr nur für „Ehegatten“ vorsehe und diese nicht auf „Lebenspartner“ ausdehne.

Entscheidung

Das niedersächsische Finanzgericht gewährte dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz in Form der Aufhebung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids. Es folgt dabei den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer und überträgt die dort vorgebrachten Gründe vollumfänglich auf die Grunderwerbsteuer. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgericht zur Gleichbehandlung zielen nach Ansicht des Finanzgerichts auf die gesamte Rechtsordnung ab, mithin auch auf das Steuerrecht und damit auf das Grunderwerbsteuerrecht und nicht allein auf das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht. Nach Ansicht des Finanzgerichts sei es zumindest „grenzwertig“, wenn der Gesetzgeber die noch offenen Lebenspartner-Altfälle (Erwerbsvorgänge zwischen dem 1.8.2001 und dem 13.12.2010) bei der Grunderwerbsteuer nicht den Ehegattenerwerbsvorgängen gleichstelle und damit nicht von der Besteuerung befreit.

Konsequenz

Das Gericht fordert in seinem Beschluss den Gesetzgeber unmissverständlich auf, eine entsprechende Gesetzeskorrektur bei der Grunderwerbsteuer mit einer Anwendungsregelung für die Vergangenheit, wie etwa bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer, vornehmen. Andernfalls werde man die Angelegenheit dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorlegen.

 

BVerfG: Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig

BVerfG Beschluss vom 18.07.2012 – 1 BvL 16/11

Pressemitteilung Nr. 62/2012 des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG):

“Mit dem am 14. Dezember 2010 in Kraft getretenen Jahressteuergesetz 2010 hat der Gesetzgeber die eingetragenen Lebenspartner den Ehegatten hinsichtlich sämtlicher für sie geltenden grunderwerbsteuerlichen Befreiungen gleichgestellt. Diese Neufassung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gilt jedoch nicht rückwirkend, sondern ist auf Erwerbsvorgänge nach dem 13. Dezember 2010 beschränkt. Für alle noch nicht bestandskräftigen Altfälle ab Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 gelten daher weiterhin die Bestimmungen des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung von 1997 (GrEStG a. F.), das für eingetragene Lebenspartner – anders als für Ehegatten – keine Ausnahme von der Besteuerung des Grunderwerbs vorsieht. Nach der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Regelung des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. ist der Grundstückserwerb durch den Ehegatten des Veräußerers von der Grunderwerbsteuer befreit. Von der Besteuerung ausgenommen ist auch der Grundstückserwerb im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach der Scheidung durch den früheren Ehegatten des Veräußerers (§ 3 Nr. 5 GrEStG a. F.). Ferner sieht § 3 GrEStG a. F. – vorwiegend aus güterrechtlichen Gründen – weitere Befreiungsvorschriften für Ehegatten vor.

Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind eingetragene Lebenspartner und schlossen im Rahmen ihrer Trennung im Jahre 2009 eine Auseinandersetzungsvereinbarung, mit der sie sich wechselseitig ihre Miteigentumsanteile an zwei jeweils zur Hälfte in ihrem Eigentum stehenden Immobilien zum Zwecke des jeweiligen Alleineigentums übertrugen. Ihre gegen die jeweils festgesetzte Grunderwerbsteuer gerichteten Klagen führten zur Vorlage durch das Finanzgericht, das die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz für verfassungswidrig hält. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a. F. sowie auch die übrigen Befreiungsvorschriften des § 3 GrEStG a. F. mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, soweit sie eingetragene Lebenspartner nicht wie Ehegatten von der Grunderwerbsteuer befreien. Der Gesetzgeber hat bis zum 31. Dezember 2012 eine Neuregelung für die Altfälle zu treffen, die die Gleichheitsverstöße rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft zum 1. August 2001 bis zum Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2010 beseitigt.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

1. Die Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern hinsichtlich der Befreiung von der Grunderwerbsteuer muss sich – neben den spezifisch steuerrechtlichen Ausprägungen des Gleichheitssatzes – an strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen messen lassen, weil die Differenzierung an die sexuelle Orientierung von Personen anknüpft. Hinreichend gewichtige Unterschiede, welche die Schlechterstellung der Lebenspartner im Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung von 1997 rechtfertigen könnten, bestehen nicht.

Die Privilegierung der Ehegatten gegenüber den Lebenspartnern lässt sich nicht unter familien- und erbrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen. Eingetragene Lebenspartner sind Ehegatten familien- und erbrechtlich gleichgestellt sowie persönlich und wirtschaftlich in gleicher Weise in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft miteinander verbunden. Die der Steuerbefreiung zugrundeliegende gesetzgeberische Vermutung, dass Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten wie bei den ebenfalls steuerbefreiten nahen Verwandten häufig zur Regelung familienrechtlicher Ansprüche der Ehegatten untereinander oder in Vorwegnahme eines Erbfalls erfolgen, gilt daher ebenso für eingetragene Lebenspartner. Des Weiteren begründet die eingetragene Lebenspartnerschaft ebenso wie die Ehe eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht, so dass die Ungleichbehandlung auch nicht mit einem aus besonderen rechtlichen Bindungen gespeisten Familienprinzip zu rechtfertigen ist.

Schließlich kann die Schlechterstellung der Lebenspartner gegenüber den Ehegatten auch nicht mit der in der Art. 6 Abs. 1 GG verankerten Pflicht des Staates, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern, gerechtfertigt werden. Geht die Förderung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt die bloße Verweisung auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht.

2. Es besteht keine Veranlassung, den Gesetzgeber von der Pflicht zur rückwirkenden Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage zu entbinden. Insbesondere ist die Weitergeltung der für verfassungswidrig erklärten Befreiungsvorschriften nicht wegen einer zuvor nicht hinreichend geklärten Verfassungsrechtslage anzuordnen. Eine solche, von der grundsätzlichen Rückwirkung sowohl einer Nichtigkeits- als auch Unvereinbarkeitserklärung abweichende Anordnung kommt nur im Ausnahmefall in Betracht und bedarf einer besonderen Rechtfertigung. Allein die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass ein Gesetz gegen Bestimmungen des Grundgesetzes verstößt, vermag indessen nicht ohne weiteres eine in diesem Sinne zuvor ungeklärte Verfassungsrechtslage zu indizieren und damit den Gesetzgeber von einer Pflicht zur rückwirkenden Behebung verfassungswidriger Zustände zu befreien.”

Bundesverfassungsgericht (BVerfG)

Schadensersatz: Verjährungsbeginn bei fehlerhaftem Einspruch des Steuerberaters

Schadensersatz: Verjährungsbeginn bei fehlerhaftem Einspruch des Steuerberaters

Kernaussage

Legt ein Steuerberater gegen einen Sammelbescheid mit mehreren selbstständig anfechtbaren Regelungsgegenständen einen Einspruch ein, der eindeutig auf einen Teil des angefochtenen Sammelbescheids beschränkt ist, so beginnt die Verjährung eines Regressanspruchs gegen den Steuerberater mit Ablauf der Einspruchsfrist.

Sachverhalt

Die Kläger nutzten, zunächst als Leasingnehmer, während der Jahre 1997 bis 2001 ein Flugzeug zur Personenbeförderung. Im Januar 2000 wurde der Leasingvertrag gekündigt. Die Kläger erwirtschafteten während des gesamten Zeitraums nur Verluste. Infolge einer Betriebsprüfung vertrat das beklagte Finanzamt die Auffassung, eine Gewinnerzielungsabsicht sei nicht festzustellen. Mit Sammelbescheid vom 22.7.2004 wurden daher für 1997 die Verluste herabgesetzt, die Verluste der Jahre 1997 bis 1999 von solchen aus gewerblicher Tätigkeit in solche aus Vermietung und Verpachtung umqualifiziert und die Einkünfte für 2000 und 2001 auf Null festgesetzt. In dem dagegen durch den beklagten Steuerberater eingelegten Einspruch vom 11.8.2004 zählte dieser im Betreff nur die Feststellungsbescheide 1997, 1998, und 1999 auf. Die Einspruchsbegründung vom 19.9.2004 bezog sich auf den gesamten Feststellungszeitraum bis 2001. Hinsichtlich der Jahre 2000 und 2001 wurde der Einspruch wegen verspäteter Einlegung verworfen. Die Kläger nahmen den Beklagten deshalb auf Schadensersatz in Anspruch, dieser erhob die Einrede der Verjährung.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Revision der Kläger als unbegründet wegen Verjährung der Schadensersatzforderung zurück. Anzuwenden war die Vorschrift des § 68 StBerG a. F., da der Anspruch noch vor dem 15.12.2004 entstanden war. Besteht die Pflichtwidrigkeit des Steuerberaters darin, dass der gebotene Einspruch gegen einen Feststellungsbescheid unterblieben ist, so entsteht der Schaden nämlich bereits mit Ablauf der Einspruchsfrist. Nach Ansicht der Richter sprach die Abfassung des Einspruchs für eine klare Beschränkung des Anfechtungsumfangs. Dementsprechend bestand bei Ablauf der Einspruchsfrist wegen der mangelhaften Abfassung des Einspruchsschreibens nicht nur ein bloßes Schadensrisiko, sondern ein eingetretener Schaden. Damit wurde die Verjährung in Gang gesetzt.

Konsequenz

Insbesondere in Sammelbescheiden ist auf eine sprachliche Genauigkeit zu achten, um eine ungewollte Beschränkung der Anfechtung zu vermeiden. Hinsichtlich der Verjährungsvorschriften sind Schadensersatzansprüche gegen Steuerberater nunmehr auch der Regelverjährung (3 Jahre, §§ 195, 199 BGB) unterstellt.

BStBK begrüßt Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu Erstattungszinsen

Vom Finanzamt geleistete Zinsen auf Einkommensteuererstattungen sind nicht zu versteuern. So lautet die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 15. Juni 2010. Die Bundessteuerberaterkammer begrüßt diese Änderung der Rechtsprechung ausdrücklich, da sie die bisherige Ungleichbehandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen schon immer kritisch gesehen hat. Bereits 2002 hat sich die Bundessteuerberaterkammer für eine Gleichbehandlung in ihren 55 Vorschlägen zur Steuervereinfachung ausgesprochen.

Nachzahlungszinsen, die ein Steuerpflichtiger an das Finanzamt zu zahlen hat, können steuerlich nicht geltend gemacht werden. Erstattungszinsen, die er selbst für zuviel entrichtete Steuern vom Finanzamt erhält, waren dagegen stets als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern. „ Dieses Ungleichgewicht in der Behandlung der Zinsen widerspricht dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden. Wir befürworten ausdrücklich die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, da sie zu einem sachlichen Gleichlauf führt, der für alle betroffenen Steuerzahler nachvollzieh­bar ist“, sagt Dr. Horst Vinken, Präsident der Bundessteuerberaterkammer.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs betrifft in erster Linie die persönliche Einkommensteuer und die Erbschaftsteuer. Hier werden die Steuerrückerstattung und damit auch die darauf entfallenden Nachzahlungszinsen ausdrücklich dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen. In diesem Fall führen weder die Steuer­erstattung noch die darauf entfallenden Erstattungszinsen beim Steuerpflichtigen zu versteuernden Einnahmen. Grundsätzlich jedoch bleiben Erstattungszinsen steuer­pflichtig. Steuerberater sollten nun prüfen, welche ihrer Mandanten von dieser neuen Rechtsprechung profitieren.

Erhöhte Hundesteuer für American Staffordshire Terrier

BVerwG Beschluss vom 25.03.2010 – 9 B 74.09

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Hundesteuer für American Staffordshire Terrier

 

Leitsatz (Sonst)

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 26.03.2009 – 2 S 1619/08 – (Juris), wonach die Regelung in einer Hundesteuersatzung – für Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier eine erhöhte Hundesteuer (600,– EUR anstatt 81,– EUR) zu erheben – nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier ein genetisches Potenzial sowohl in Bezug auf körperliche Merkmale – insbesondere Beißkraft – als auch auf Charaktereigenschaften besitzen, aufgrund dessen sie in besonderem Maße, gegenüber dem Deutschen Schäferhund, Rottweiler, Dobermann oder Weimaraner, die Eignung aufweisen, ein gefährliches Verhalten zu entwickeln und diese Einschätzung der Hunderasse American Staffordshire Terrier auch im Hinblick auf aktuelle fachwissenschaftliche Veröffentlichungen keinen Bedenken begegnet, wurde als unbegründet abgewiesen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. März 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 519 EUR festgesetzt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 26.03.2009; Aktenzeichen 2 S 1619/08)

 

Gründe

Rz. 1

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Rz. 2

1. Sämtliche Grundsatzrügen i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bleiben ohne Erfolg.

Rz. 3

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 14). Dies lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Rz. 4

a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam,

ob eine jährliche Hundesteuer in Höhe von 600 EUR noch von der Besteuerungskompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG gedeckt ist oder als formenmissbräuchliche Abgabenregelung erdrosselnde Wirkung hat.

Rz. 5

Die Frage, ab welcher Höhe eine Hundesteuer erdrosselnde Wirkung entfaltet, kann nur aufgrund einer dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse beantwortet werden. Es handelt sich daher um eine Tatsachenfrage, die sich einer verbindlichen Klärung im Revisionsverfahren entzieht (§ 137 Abs. 1 und 2 VwGO).

Rz. 6

b) Die Beschwerde hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig,

“ob es einen sachlichen Grund im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gibt, Deutsche Schutz- und Gebrauchshunderassen wie den Deutschen Schäferhund, Rottweiler, Dobermann oder Weimaraner nicht, Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier hingegen schon als gefährliche, höher zu besteuernde Hunde einzustufen”.

Rz. 7

Damit ist keine zu klärende Rechtsfrage aufgeworfen. Vielmehr will die Klägerin im Gewand einer Grundsatzrüge eine tatsächliche Feststellung zur Vergleichbarkeit der genannten Hunderassen erwirken. Zu solchen Feststellungen ist das Revisionsgericht nicht berufen (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Rz. 8

c) Des Weiteren hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig,

“wie die vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Januar 2000 (NVwZ 2000, 929 <932>) postulierte, spätere Überprüfung bzw. Beobachtung des Sachverhalts im Hinblick auf die Prämisse rassebedingt erhöhter Gefährlichkeit von Hunden konkret auszugestalten ist”,

“ob der Steuerpflichtige, der Satzungsgeber oder ein Gericht für die Durchführung dieser Überprüfungs- und Kontrollpflicht berufen ist”

und

“ob eine Hundesteuersatzung allein durch das Unterlassen jedweder Überprüfung und Beobachtung unwirksam wird”,

sowie

“ob bei der Ausübung der Überprüfungs- bzw. Beobachtungspflicht insbesondere das Beißverhalten sog. Kampfhunde zu erfassen und zu bewerten ist oder ob andere Gesichtspunkte für die Beurteilung ihrer Gefährlichkeit ausschlaggebend sind”.

Rz. 9

Diese Fragen wären in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die erste und die letzte aufgeworfene Frage stellen keine Rechtsfragen dar, sondern zielen auf tatsächliche Feststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die zweite und dritte Frage gehen an den maßgeblichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs vorbei. Dieser hat sich zu dem von der Beschwerde in Bezug genommenen Gebot, eine auf unsicherer Tatsachengrundlage erlassene Regelung “unter Kontrolle zu halten” nicht geäußert. Die Beschwerde legt im Übrigen auch nicht dar, dass der vorliegende Fall Anlass zur Fortentwicklung der Rechtsprechung geben könnte. Das ist auch nicht erkennbar. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist die Änderungssatzung der Beklagten, die erstmals einen besonderen Steuersatz für Kampfhunde vorsieht, am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Der streitgegenständliche Steuerbescheid datiert vom 29. Januar 2007 und der Bescheid, mit dem der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen wurde, vom 23. April 2007. Angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen Normgebung und Veranlagung liegt auf der Hand, dass hier eine Pflicht zur Beobachtung des Erkenntnisfortschritts nicht zum Tragen kommen konnte.

Rz. 10

2. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Beschlusses von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hat die Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet. Es fehlt eine für die hinreichende Benennung einer Divergenz erforderliche Darlegung divergierender, die jeweilige Entscheidung tragender und auf dieselbe Rechtsvorschrift bezogener abstrakter Rechtssätze.

Rz. 11

a) Soweit die Beschwerde dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 (BVerwG 11 C 8.99 – BVerwGE 110, 265) die – sinngemäße – Aussage entnimmt,

“dass es sich bei der Beurteilung der Gefährlichkeit von Hunden bestimmter Rassen um einen noch nicht endgültig geklärten Sachverhalt handelt, der eine spätere Überprüfung und fortschreitende Differenzierung durch den Satzungsgeber erfordert”,

wird bereits kein abstrakter Rechtssatz benannt.

Rz. 12

Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof den von der Beschwerde bezeichneten Rechtssatz, dass

“den Satzungsgeber keine Überprüfungs- und Kontrollpflicht bzgl. der Beurteilung der Gefährlichkeit von Hunden bestimmter Rasse trifft”,

weder wörtlich noch sinngemäß aufgestellt. Wie bereits ausgeführt, hat er sich zur Frage der späteren Überprüfung einer bereits erlassenen Satzung nicht geäußert, sondern im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf abgestellt, dass ein Satzungsgeber bei der Normsetzung Regelungen eines anderen Normgebers übernehmen kann, sofern es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie offensichtlich falsch bzw. überholt sind (Beschluss vom 28. Juli 2005 – BVerwG 10 B 34.05 – Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 10 Rn. 9).

Rz. 13

b) Ebenfalls nicht durchgreifen kann die Divergenzrüge, soweit die Beschwerde meint, das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8.01 – BVerwGE 116, 347 <354>) und das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – BVerfGE 110, 141 <160 f.>) hätten den Rechtssatz aufgestellt,

“dass sich allein aus der Zugehörigkeit zu einer (Hunde-) Rasse, einem Typ oder gar einer entsprechenden Kreuzung nach dem Erkenntnisstand der Fachwissenschaft nicht ableiten lässt, dass von den Hundeindividuen Gefahren ausgehen”.

Rz. 14

Demgegenüber gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus,

“dass es durchaus wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche, Hunden bestimmter Rassen aufgrund ihrer genetischen Disposition ein gesteigertes Aggressionsverhalten zuzuschreiben”.

Rz. 15

Entgegen der Auffassung der Beschwerde handelt es sich insoweit nicht um Rechts-, sondern um Tatsachensätze. Außerdem sind die genannten Aussagen nicht zu derselben Rechtsvorschrift erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 1 Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz vom 12. April 2001 (BGBl I, S. 530) überprüft, das Bundesverwaltungsgericht §§ 1, 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere vom 5. Juli 2000 (Nds. GVBl S. 149). Hier geht es um die Rechtmäßigkeit der Hundesteuersatzung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Besteuerungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG.

Rz. 16

3. Sämtliche Verfahrensrügen i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

Rz. 17

a) Keine der Rügen, mit denen die Beschwerde die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO geltend macht, greift durch.

Rz. 18

Die Beschwerde rügt die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil sich das angegriffene Urteil als Überraschungsentscheidung erweise. Das Urteil verstoße zudem gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, da die Parteien nicht erst durch das Urteil von einer bis dahin nicht erörterten Fallbewertung erfahren dürften. Der Verwaltungsgerichtshof habe in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben, auf welche Erkenntnisquellen er seine Entscheidung habe stützen wollen. Eine “Tendenz” sei weder angedeutet worden noch sei eine solche erkennbar gewesen. Die herangezogene Literatur sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Der Senat habe auch nicht zu erkennen gegeben, dass er dem von den Autorinnen der Dissertationen Mittmann und Johann gezogenen Schluss nicht folgen wolle. Der Verwaltungsgerichtshof habe ohne eigene Sachkunde seine Auffassung an diejenige der Wissenschaftlerinnen gesetzt, ohne die Verfahrensbeteiligten darauf hinzuweisen. Damit hat die Beschwerde einen Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt.

Rz. 19

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 <429>; stRspr). An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, 177 <182 f.>; 19, 32 <36>; stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt jedoch grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Januar 1984 – 1 BvR 272/81 – BVerfGE 66, 116 <147> und vom 5. November 1986 – 1 BvR 706/85 – BVerfGE 74, 1 <6>; BVerwG, Urteil vom 10. April 1991 – BVerwG 8 C 106.89 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235 S. 84; Beschluss vom 7. Mai 2008 – BVerwG 9 B 35.07 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 75 S. 17).

Rz. 20

aa) Gemessen an diesem Maßstab liegt eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben hat, dass er die abstrakte Gefährlichkeit von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier auch mit Blick auf die Dissertationen Mittmann und Johann möglicherweise anders beurteilen würde als die Vorinstanz. Aus Art. 103 Abs. 1 GG lässt sich keine Pflicht des Gerichts ableiten, den Beteiligten stets vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und bewertet. Das folgt schon daraus, dass in aller Regel die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der Schlussberatung vorbehalten bleiben und sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten im Allgemeinen entziehen (vgl. schon Urteil vom 13. Mai 1976 – BVerwG 2 C 26.74 – Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1; Beschluss vom 5. Februar 1999 – BVerwG 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 4; ferner auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. April 1987 – 1 BvR 883.86 – DB 1987, 2287). Unzulässig sind nur Überraschungsentscheidungen, die auf Gesichtspunkte gestützt werden, mit denen die Beteiligten nicht rechnen konnten (Beschluss vom 8. August 1994 – BVerwG 6 B 87.93 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 335; BGH, Urteil vom 13. Juni 1989 – VI ZR 216/88 – NJW 1989, 2756). Auf entscheidungserhebliche tatsächliche Gesichtspunkte, die der Klägerin nicht bekannt gewesen wären oder bei denen für sie nicht erkennbar sein konnte, dass es auf sie ankam, hat der Verwaltungsgerichtshof bei der Bewertung der genannten Dissertationen jedoch nicht abgestellt.

Rz. 21

Eine Überraschungsentscheidung kann insbesondere auch nicht deshalb angenommen werden, weil das Verwaltungsgericht dem zusammenfassenden Ergebnis in der Dissertation Johann gefolgt ist, der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht. Im Berufungsverfahren musste die Klägerin damit rechnen, dass die Bewertung, die das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, auf den Prüfstand gestellt wird, zumal die Beklagte für ihren Vortrag zur Gefährlichkeit der Rasse American Staffordshire Terrier ausdrücklich auf die genannten Dissertationen und auf das Qualzuchtgutachten des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hingewiesen hat.

Rz. 22

bb) Soweit die Beschwerde als Gehörsverstoß ansieht, dass der Verwaltungsgerichtshof aus den Dissertationen Mittmann und Johann einen anderen Schluss zieht als die Verfasserinnen, liegt darin ein Angriff auf die Tatsachenwürdigung durch das Gericht, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist und mit der ein Verfahrensverstoß nicht begründet werden kann (Beschluss vom 10. Oktober 2001 – BVerwG 9 BN 2.01 – Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 7 S. 12).

Rz. 23

cc) Eine Überraschungsentscheidung liegt auch nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat, dass er davon ausgehe, Schutz- und Gebrauchshunde aus Deutschland gälten “als sozial akzeptiert”. Mit dieser Annahme musste die Klägerin angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts rechnen. Der Verwaltungsgerichtshof war nicht verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass er den abweichenden Einschätzungen des Oberverwaltungsgerichts Münster sowie der Verwaltungsgerichte Münster, Aachen und Düsseldorf nicht folgen werde.

Rz. 24

dd) Soweit die Beschwerde eine Überraschungsentscheidung darin sieht, dass der Verwaltungsgerichtshof auch darauf abgestellt hat, der Satzungsgeber habe sich bei der Festsetzung der erhöhten Hundesteuer für bestimmte Hunderassen davon leiten lassen dürfen, dass jedenfalls die in erster Linie als Kampfhunde bezeichneten Rassen nicht selten von Personen gehalten würden, die nicht die Gewähr für ein gefahrloses Verhalten der Tiere böten, ist nicht dargelegt, dass diese Erwägung entscheidungserheblich ist. Eine Entscheidungserheblichkeit ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof eine steuerrechtliche Privilegierung bestimmter Hunderassen auch im Hinblick auf deren Gebrauch als Wach- und Gebrauchshunde als gerechtfertigt erachtet, die eine größere soziale Akzeptanz zur Folge habe (“darüber hinaus”).

Rz. 25

ee) Es mag dahinstehen, ob der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt haben kann, dass er seiner Entscheidung allgemein zugängliche Literatur zur Gefährlichkeit von American Staffordshire Terriern zugrunde gelegt hat, ohne sie vor seiner Entscheidung ausdrücklich in das Verfahren einzuführen und so den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den von dieser Literatur vertretenen tatsächlichen Auffassungen zu äußern. Zur Darlegung eines Gehörsverstoßes gehört nämlich auch, dass der Beschwerdebegründung entnommen werden kann, was die Klägerin bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Daran fehlt es hier. Zwar hat die Beschwerde angeführt, welche Personen sie als Sachverständige benannt hätte, wäre ihr die Verwendung der Literatur bekannt gewesen. Jedoch hat sie nicht dargelegt, was die von ihr benannten Personen, die sie als Sachverständige benannt hätte, hätten genau beweisen sollen. Die Klägerin hat insoweit lediglich darauf hingewiesen, dass “der Senat seine Auffassung von der vermeintlich höheren Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen nicht mehr aufrechterhalten können” würde, weil die genannten Personen “diesem falschen Ansatz heutzutage entschieden entgegen” träten. Damit genügt sie angesichts der konkreten Tatsachen, die der Verwaltungsgerichtshof aus der zitierten Literatur entnommen hat, ihrer Darlegungslast nicht.

Rz. 26

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde liegt auch kein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO vor, weil der Verwaltungsgerichtshof der Schlussfolgerung in der Dissertation Johann nicht gefolgt ist. Er hat sich damit nicht an die Stelle der Verfasserin dieser Dissertation gesetzt, sondern in der Begründung ausgeführt, weshalb er aufgrund der vorgelegten Untersuchungsergebnisse zu einem anderen Schluss gelangt ist. Darin liegt eine Würdigung von Tatsachen. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz kann jedoch ein Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht aufgezeigt werden, weil Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 19. Oktober 1999 – BVerwG 9 B 407.99 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 11 und vom 10. Oktober 2001 a.a.O.).

Rz. 27

c) Die Beschwerde macht weiterhin als Verfahrensmangel geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, weil er zu den Ergebnissen der Untersuchungen in der Dissertation von Johann keine weitere Sachaufklärung betrieben, insbesondere die Vernehmung der Verfasserin oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlassen habe. Diese Rüge greift ebenfalls nicht durch. Denn auch insoweit greift sie die Tatsachenwürdigung an. Zudem mussten sich die von der Beschwerde bezeichneten Ermittlungen nicht aufdrängen, weil der Verwaltungsgerichtshof von seinem Standpunkt aus die Untersuchungsergebnisse der Verfasserin seinen Schlussfolgerungen zugrunde gelegt hat und mithin nicht von abweichenden Tatsachen ausgegangen ist.

Rz. 28

d) Die Beschwerde sieht weiterhin eine fehlerhafte Aufklärung des Sachverhalts, § 86 Abs. 1 Abs. 2 VwGO, darin, dass die von ihr gestellten Beweisanträge zu Unrecht abgewiesen worden seien.

Rz. 29

aa) Die Beschwerde rügt die Ablehnung der Beweisanträge, die im Kern das Beweisthema zum Inhalt gehabt hätten, wonach von einem Hund der Rasse American Staffordshire Terrier kein höheres abstraktes Gefahrenpotential ausgehe als von einem Hund der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund oder Rottweiler. Hätte der Verwaltungsgerichtshof die beantragte Beweiserhebung durchgeführt, so hätte sich ergeben, dass die Prämisse von der gesteigerten Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen, hier der Rasse American Staffordshire Terrier, falsch sei. Mit der Ablehnung der Beweisanträge nehme der Senat der Klägerin die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes, da er de facto die Satzung der Beklagten entgegen Art. 19 Abs. 4 GG immunisiere.

Rz. 30

Die Ablehnung eines Beweisantrags kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, hier des Verwaltungsgerichtshofs, für die Entscheidung erheblich war. Über Tatsachen, die für die Entscheidung nicht erheblich sind, muss kein Beweis erhoben werden. So liegt die Sache hier. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zwar eingehend mit der Frage der rassebedingten Gefährlichkeit der American Staffordshire Terrier befasst. Die steuerrechtliche Privilegierung anderer Hunderassen (wie z.B. Deutscher Schäferhund, Dobermann, Rottweiler oder Weimaraner), von denen ebenfalls eine abstrakte Gefahr ausgehe, wird jedoch damit gerechtfertigt, dass diese Hunde als Wach- und Gebrauchshunde größere soziale Akzeptanz genössen. Der Verwaltungsgerichtshof geht mithin davon aus, dass auch andere Hunde, ebenso wie solche der Rasse American Staffordshire Terrier, abstrakt gefährlich im Rechtssinn sind, billigt aber insoweit der Beklagten einen Gestaltungsspielraum zu. Deshalb kam es auf eine Beweiserhebung, die dahin zielt, die Gefährlichkeit von American Staffordshire Terriern und anderen Hunden vergleichend zu betrachten, nicht an.

Rz. 31

bb) Gleiches gilt für die Beweisbehauptung, wonach Beißattacken von Hunden der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund und Rottweiler ebenso schwer wiegen wie solche von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier. Wegen ihrer Unerheblichkeit ist auch nicht, wie die Beschwerde meint, davon auszugehen, dass mit der Ablehnung der Beweisanträge der Verwaltungsgerichtshof de facto die Satzung der Beklagten immunisiere. Die Klägerin missversteht den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2005 (a.a.O. S. 32 f.). In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die Ablehnung eines Beweisantrags als unzulässig angesehen, weil die dieser Ablehnung zugrunde liegende Rechtsauffassung die Frage der Beweiserheblichkeit selbst betraf und nicht die prozessuale Folge der materiellen Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts im Übrigen war. Hier beruht die Ablehnung auf der materiellen Rechtsauffassung zur Frage der gerechtfertigten Privilegierung.

Rz. 32

cc) Den Antrag, Beweis zu erheben darüber, dass Hunde der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund und Rottweiler ein höheres abstraktes Gefahrenpotenzial aufwiesen als Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht als unzulässigen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt vor in Bezug auf Tatsachenbehauptungen, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich “aus der Luft gegriffen”, “aufs Geratewohl” oder “ins Blaue hinein” aufgestellt werden, für die tatsächliche Grundlagen jedoch fehlen (Beschlüsse vom 27. März 2000 – BVerwG 9 B 518.99 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 S. 6 und vom 30. Januar 2002 – BVerwG 1 B 326.01 – Buchholz 310 § 98 Nr. 69 S. 31). Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof die beantragte Beweiserhebung abgelehnt, weil die Klägerin für die unter Beweis gestellte Tatsache keine tatsächlichen Anhaltspunkte oder fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen benannt hat. Der Hinweis auf die Beißstatistiken ändert hieran nichts, weil die Anzahl der Beißvorfälle in Bezug zum Bestand der betreffenden Hunde gesetzt werden muss (BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 a.a.O. S. 161).

Rz. 33

dd) Mit der weiteren Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe ihren Beweisantrag, dass Hunde der Rasse Golden Retriever keine geringere abstrakte Gefährlichkeit als Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier aufwiesen, zu Unrecht als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bzw. Ausforschungsbeweisantrag abgelehnt, kann die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund seiner Würdigung der Dissertation Johann keinerlei Anhaltspunkte gesehen, die die Beweisbehauptung stützen könnten. Weitere Anhaltspunkte als die Dissertation Johann hat die Klägerin aber nicht dargetan.

Rz. 34

ee) Die Beschwerde rügt weiter, zu Unrecht sei auch ihr Beweisantrag dazu, dass es wahrscheinlicher sei, von einem Hund der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund, Rottweiler oder Golden Retriever als von einem Hund der Rasse American Staffordshire Terrier gebissen zu werden, als unerheblich abgelehnt worden. Das trifft nicht zu. Es liegt auf der Hand, dass für eine Gefahrenprognose bezüglich der genannten Hunderassen auf der Grundlage von Beißvorfällen auf das Verhältnis dieser Zahlen zum Gesamtaufkommen der einzelnen Hunderassen abgestellt werden muss (BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 a.a.O.).

Rz. 35

ff) Nicht durchdringen kann die Beschwerde auch mit der Rüge, ihr Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier keine rassespezifischen Merkmale wie niedrigere Beißhemmung, herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe, Kampfinstinkt oder einen genetisch bedingten Schutztrieb aufwiesen, die ein im Vergleich zu den Hunden der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund, Rottweiler und Golden Retriever besonderes Gefährdungspotential begründeten und unter dem Aspekt der vorsorgenden Gefahrenabwehr besondere Anforderungen an die Haltung und den Umgang erforderten, sei ebenfalls zu Unrecht abgelehnt worden. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung dieses Beweisantrags nachvollziehbar damit begründet, dass ihm aus allgemein zugänglichen fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen ausreichende Erkenntnisse über den American Staffordshire Terrier und insbesondere über die bei ihm vorhandenen körperlichen Merkmale, über seine Charaktereigenschaften sowie über die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Haltung und den Halter der Hunde vorlägen, wonach das Halten eines solchen Hundes eine ganz besondere Verantwortung und Sachkunde verlange, und dass die Klägerin gegen diese allgemein zugänglichen fachwissenschaftlichen Erkenntnisse keine detaillierten und substantiierten Beanstandungen erhoben habe. Angesichts der eingehenden Behandlung der herangezogenen Erkenntnismittel im angefochtenen Urteil kann eine fehlerhafte Ausübung des bei der Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung von Sachverständigengutachten bestehenden tatrichterlichen Ermessens (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO in entsprechender Anwendung) nicht festgestellt werden.

Rz. 36

gg) Entsprechendes gilt schließlich für die weitere Rüge der Klägerin, ihr Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, dass Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier aufgrund ihrer Zuchtgeschichte keine erhöhte Gefährlichkeit zugeschrieben werden kann, sei zu Unrecht abgelehnt worden. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung auch dieses Beweisantrags nachvollziehbar damit begründet, dass ihm aus allgemein zugänglichen fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen ausreichende Erkenntnisse über diese Zuchtgeschichte vorlägen, die zur Einschätzung eines erhöhten Gefährdungspotentials wesentlich beitrügen, ohne dass dies von der Klägerin substantiiert beanstandet worden sei. Die in der Klageschrift enthaltenen Hinweise der Klägerin auf Aspekte dieser Zuchtgeschichte, die jenen Beitrag relativieren, stehen dazu nicht in Widerspruch.

Rz. 37

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Storost, Buchberger, Dr. Christ

 

Fundstellen

BFH/NV 2010, 1775
 

 

Neue Kraftfahrzeugsteuer für Pkw in Kraft getreten

Was sie für wen kostet

Seit 1. Juli 2009 gilt die neue Kraftfahrzeugsteuer. Wesentlicher Kern des neuen Modells: Die Kraftfahrzeugsteuer wird von nun an auch an den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) gekoppelt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück betonte, dass der Autoverkehr auch in Zukunft äußerst wichtig bleibe und deshalb „insbesondere Pkw auch künftig mit Blick auf die nachhaltige Schonung unserer Umwelt fortentwickelt und die CO2-Emissionen deutlich gesenkt werden müssen“.

Das Wichtigste zur Kraftfahrzeugsteuer in Kürze

Wie funktioniert sie? Die neue Kraftfahrzeugsteuer weist zwei zentrale Komponenten auf: den Kohlendioxidausstoß und den Hubraum des Pkw. Die Umwelt-Komponente ist vorrangig. Die für die Besteuerung wichtigen Angaben sind damit der CO2-Wert, der Hubraum und die Antriebsart – alle sind im Fahrzeugschein zu finden.

Wer ist betroffen? Das neue Modell betrifft alle Halter eines Pkw mit Erstzulassung ab 1. Juli 2009. Pkw, die vor dem 1. Juli 2009 zugelassen wurden, werden grundsätzlich nach altem Kraftfahrzeugsteuerrecht behandelt. Ausnahme: Für Pkw mit Erstzulassung zwischen 5. November 2008 bis 30. Juni 2009 gelten Besonderheiten. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer ersten Konjunkturmaßnahmen die Kraftfahrzeugsteuer unter bestimmten Umständen ausgesetzt. Näheres dazu finden Sie hier.

Wohin fließen die Einnahmen? Mit dem 1. Juli 2009 fließen die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer nicht mehr den Ländern zu. Die Verwaltung und der Ertrag der Kraftfahrzeugsteuer gehen ab diesem Zeitpunkt auf den Bund über. Für die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer wird das Bundesministerium der Finanzen zuständig, das sich hierfür bis zum 30. Juni 2014 der Landesfinanzbehörden im Wege der Organleihe bedient. Diese gelten insoweit als Bundesfinanzbehörden.

Wer ist der Ansprechpartner? Für die Bürgerinnen und Bürger bleibt damit wie bisher ihr Finanzamt vor Ort der direkte und kompetente Ansprechpartner für Fragen zur Kraftfahrzeugsteuer. Verkehrsrechtliche Fragen, die mit der Kraftfahrzeugsteuer zusammenhängen, beantworten nach wie vor die Zulassungsbehörden.

Themenschwerpunkt Kraftfahrzeugsteuer
Detaillierte Informationen finden Sie in unserer Liste häufiger Fragen. Außerdem können Sie mit unserem interaktiven Rechner die neue Kraftfahrzeug-Jahressteuer individuell berechnen.

Zur Umsatzsteuerfreiheit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil vom: 06.09.2007
Aktenzeichen: V R 50/05
Rechtsgebiete: UStG 1993, Richtlinie 77/388/EWG
Vorschriften: UStG 1993 § 4 Nr. 11, Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. a
Eingestellt am: 13.12.2007

Zur Tätigkeit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler i.S. von § 4 Nr. 11 UStG gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers i.S. des § 4 Nr. 11 UStG sind richtlinienkonform nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und nicht handelsrechtlich nach den Begriffen des Versicherungsvertreters und Handelsmaklers i.S. von § 92 und §93 HGB auszulegen (Änderung der Rechtsprechung).


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1993 bis 1997 als sog. Werbeagent für die KG selbständig tätig. Die KG vermittelte Versicherungen an Unternehmer, mit denen sie Gesprächstermine vereinbarte, die durch den Kläger wahrgenommen wurden. Ziel dieser Erstgespräche war der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Interessenten und der KG. Der Kläger erhob bei den Gesprächen im Regelfall Daten über Sozialversicherungen, private Lebensversicherungen, Pensionsvereinbarungen und Direktversicherungen (versicherungstechnische Inventur), äußerte sich dabei aber nicht zu den zu vermittelnden Versicherungen. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger von der KG Provisionen, deren Höhe sich nach dem Umfang der durch den Kläger jeweils ausgeübten Tätigkeit richtete. Es kam insoweit insbesondere darauf an, ob der Kläger die versicherungstechnische Inventur nur anbahnte oder auch durchführte.

Auf der Grundlage der vom Kläger erhobenen Daten erstellte die KG ein Versicherungskonzept, das den potentiellen Kunden durch die von der KG gleichfalls beauftragten Hauptvertreter unterbreitet wurde. Die Hauptvertreter waren zum Abschluss von Versicherungsverträgen mit den Kunden berechtigt. Sie erhielten für ihre Tätigkeit Abschlussprovisionen.

In seinen Umsatzsteuererklärungen behandelte der Kläger die von der KG bezogenen Provisionen als Entgelte für nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen.

Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) von umsatzsteuerpflichtigen Leistungen aus und setzte die Umsatzsteuer 1993 bis 1997 dementsprechend fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 17. August 2000 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Steuerfreiheit der Leistungen des Klägers, da § 4 Nr. 11 UStG nur berufstypische Umsätze erfasse. Maßgeblich seien die handelsrechtlichen Begriffsbestimmungen nach §§ 92 und 93 des Handelsgesetzbuches (HGB). Der Kläger sei kein Handelsmakler gewesen, da er ständig für die KG tätig gewesen sei. Der Kläger habe auch nicht als Versicherungsvertreter nach § 92 HGB gehandelt, da dies ein Verhandeln mit den Vertragsparteien des abzuschließenden Vertrages voraussetze. Der Kläger habe mit der Erhebung von versicherungsrelevanten Daten lediglich Geschäftsbeziehungen angebahnt und eine bloße Werbetätigkeit ausgeübt. Die Tätigkeit des Klägers sei auch nicht der eines Generalvertreters mit eigenem Vertreterstab vergleichbar, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) durch umsatzsteuerfreie Superprovisionen vergütet werde. Im Gegensatz zu derartigen Generalvertretern habe der Kläger weder Mitarbeiter betreut noch überwacht. Der Kläger könne sich für die Steuerfreiheit seiner Umsätze auch nicht auf das Gemeinschaftsrecht berufen. Denn Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) setze für die Steuerfreiheit der Leistungen eines Versicherungsvertreters voraus, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherer und dem Versicherten vorliege, an der es im vorliegenden Fall fehle.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 4 Nr. 11 UStG. Er stützt die Revision insbesondere darauf, dass das FG den Begriff des Handelsvertreters nach § 84 HGB verkannt habe und beantragt, das Urteil des FG vom 30. Juni 2005 und die Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2000 aufzuheben.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

Kläger und FA haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die vom Kläger ausgeführten Umsätze sind nicht gemäß § 4 Nr. 11 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

1. § 4 Nr. 11 UStG befreit die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden.

Die von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen, um eine in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu verhindern (Urteil vom 3. März 2005 C-472/03, Arthur Andersen, Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 25).

Zu den wesentlichen Aspekten der nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 36). Leistungen von Versicherungsvertretern und -maklern sind dabei nur steuerfrei, wenn sie zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 33). Dienstleistungen wie z.B. die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter gehören demgegenüber nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters (EuGH-Urteil Arthur Andersenin Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 35). Allgemein sind Unterstützungsleistungen für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden Aufgaben steuerpflichtig. Insoweit bestehen zwischen den Steuerbefreiungen für den Versicherungsbereich und für den Bank- und Finanzbereich nach Art. 13 Teil B Buchst. a und Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine Unterschiede (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 37 f.).

Im Hinblick auf die danach gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 11 UStG unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der es für den Umfang der Steuerbefreiung auf die handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers nach §§ 92 f. HGB ankam (BFH-Entscheidungen vom 29. Januar 1998 V R 41/96, BFH/NV 1998, 1004; vom 9. Juli 1998 V R 62/97, BFHE 187, 56, BStBl II 1999, 253, und vom 10. Juni 1999 V R 10/98, BFHE 189, 192, BStBl II 1999, 686) nicht mehr fest (Änderung der Rechtsprechung).

2. Das FG ist zwar noch von den bisherigen Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgegangen. Das Urteil erweist sich im Ergebnis aber gleichwohl als richtig, da die Tätigkeit des Klägers nicht steuerfrei ist.

a) Der Kläger war nicht an der Suche nach potentiellen Interessenten beteiligt und führte diese auch nicht mit Versicherern zusammen. Nach den Feststellungen des FG vereinbarte die KG die Gesprächstermine mit den Interessenten, so dass das Ermitteln potentieller Interessenten der KG oblag. Die Klägerin hat die Interessenten auch nicht mit den Versicherern zusammengeführt. Die Auswahl der Versicherungsprodukte und damit das Herstellen der Verbindung zu einzelnen Versicherungsgesellschaften erfolgte durch die KG, die für potentielle Kunden auch das Versicherungskonzept erstellte. Der Kläger beschränkte sich im Wesentlichen auf das bloße Erheben von Daten. Zwar konnten die Versicherungen ohne vorherige Datenerhebung nicht abgeschlossen werden. Dies reicht aber für die Steuerfreiheit nicht aus, da es sich nur um eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Versicherungssituation des Interessenten handelte, ohne den Kunden Versicherungsangebote auch nur zu erläutern.

b) Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, inwieweit die nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit der Versicherungsvertreter und -makler, die zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen müssen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 33), in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfällt, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind. Nach dem zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteil des EuGH vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig (BFH/NV Beilage 2007, 398, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2007, 617 Randnr. 34 ff.) sind die Wirtschaftsteilnehmer bei einer Kreditvermittlung berechtigt, ein ihnen zusagendes Organisationsmodell zu wählen, ohne dass dies zur Steuerpflicht der Leistung führt. Dies gilt aber nur, wenn die einzelne Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt.

Selbst unter Berücksichtigung des zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen EuGH-Urteils Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 Randnr. 34 ff. und der in diesem Urteil betonten Wahlfreiheit hinsichtlich des Organisationsmodells der Vermittlung war der Kläger nicht als Versicherungsvertreter oder -makler tätig. Denn das bloße Einholen von Kundendaten erfüllt nicht als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit.

c) Im Übrigen kommt es nicht darauf an, dass die für die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteile des EuGH zu Sachverhalten ergangen sind, die durch einen noch geringeren Bezug zur Versicherungsvermittlung geprägt waren als die Tätigkeit des Klägers. Denn der EuGH hat nicht über Einzelfälle, sondern über die abstrakte Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden. Seine Urteile enthalten somit allgemeine Auslegungsgrundsätze, die auch im vorliegenden Fall zu beachten sind.