Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Einkommensteuer | Eigener Hausstand bei der doppelten Haushaltsführung (BFH)

Doppelte Haushaltsführung – gemeinsamer Haushalt von Eltern und erwachsenen, wirtschaftlich eigenständigen Kindern

 Leitsatz

1. Dient die Wohnung am Beschäftigungsort dem Steuerpflichtigen lediglich als Schlafstätte, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Mittelpunkt der Lebensführung noch am Heimatort zu verorten ist und dort der Haupthausstand geführt wird.

2. Ein eigener Hausstand kann auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird. Einer gleichmäßigen Beteiligung des Kindes an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten bedarf es hierfür nicht.

3. Bei erwachsenen, berufstätigen Kindern, die zusammen mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt wohnen, ist im Regelfall davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen.

 Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5

 Instanzenzug

FG Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2012 3 K 2338/09 (EFG 2012, 1921) BFH VI R 46/12

 Gründe

1  I. Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorliegen.

2  Der im Jahre 1964 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist alleinstehend und erzielte im Streitjahr 2007 als Chemiker Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er arbeitete im Streitjahr in B. Diese Stelle hatte er im Jahr 2006 angetreten und dort auch seinen Zweitwohnsitz begründet. Seinen Hauptwohnsitz behielt er in N bei und wohnte dort zusammen mit seiner Mutter im Einfamilienhaus, das im Streitjahr seiner (im Streitjahr 71 Jahre alten) Mutter zu 3/4 und dem Kläger und seiner Schwester zu jeweils 1/8 gehörte. Er nutzte nach eigenen Angaben in dem Einfamilienhaus ein Schlaf- und Arbeitszimmer sowie ein Badezimmer allein. Die Küche, das Ess- und Wohnzimmer wurden von ihm und seiner Mutter gemeinsam genutzt. Im Jahr 2010 wurde das Anwesen auf den Kläger übereignet.

3  In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger erfolglos Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von insgesamt 7.053 € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Einspruch und Klage blieben ebenfalls ohne Erfolg. Zwar seien sich die Beteiligten inzwischen einig, dass der Kläger das Fortbestehen seines Lebensmittelpunktes am Heimatort durch geeignete Belege nachgewiesen habe. Gleichwohl habe der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) die geltend gemachten Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung bei der angefochtenen Einkommensteuerfestsetzung zu Recht nicht berücksichtigt. Denn der Kläger habe in N keinen eigenen Hausstand unterhalten, sondern sei lediglich in den Haushalt der Mutter eingegliedert gewesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1921 veröffentlicht.

4  Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

5  Er beantragt,

das Urteil des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2012 3 K 2338/09 und die Einspruchsentscheidung vom 11. September 2009 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 4. März 2009 dahingehend abzuändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung in Höhe von 2.949 € als Werbungskosten berücksichtigt werden, hilfsweise

das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) oder des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Gesetzeslage bzw. Verwaltungspraxis.

6  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7  II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).

8  1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Dies gilt grundsätzlich auch für einen alleinstehenden Arbeitnehmer; auch er kann einen doppelten Haushalt führen (ständige Rechtsprechung des Senats, zuletzt Urteil vom 21. April 2010 VI R 26/09, BFHE 230, 5 , BStBl II 2012, 618, m.w.N.).

9  a) Hausstand i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt. Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer ist entscheidend, dass er sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstands zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der nicht verheiratete Arbeitnehmer als nicht die Haushaltsführung wesentlich bestimmender bzw. mitbestimmender Teil in einen Hausstand eingegliedert ist, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin —wenn auch gegen Kostenbeteiligung— im elterlichen Haushalt ihr Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann in einem dieser häufigen Fälle zwar, auch wenn das Kind am Beschäftigungsort eine Unterkunft bezogen hat, wie bisher der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sein, sie ist aber nicht ein von dem Kind unterhaltener eigener Hausstand (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90 , BFHE 175, 430 , BStBl II 1995, 180). Bei älteren, wirtschaftlich selbständigen, berufstätigen Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist hingegen davon auszugehen, dass sie die Führung des Haushalts maßgeblich mitbestimmen, so dass ihnen dieser Hausstand als „eigener” zugerechnet werden kann. Diese Regelvermutung gilt insbesondere, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort dem Arbeitnehmer im Wesentlichen nur als Schlafstätte dient. Denn dort ist regelmäßig weder der Haupthausstand noch der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Steuerpflichtigen zu verorten. Entspricht die Wohnsituation am Heimatort der Wohnung am Beschäftigungsort in Größe und Ausstattung oder übertrifft sie diese, ist dies vielmehr ein wesentliches Indiz dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensführung nicht an den Beschäftigungsort verlegt worden ist, sondern der Haupthausstand dort fortgeführt wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 175, 430 , BStBl II 1995, 180). Dies gilt umso mehr, wenn der Steuerpflichtige dort sein Privatleben führt, weil zum Heimatort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen, beispielsweise wegen der —mit steigender Lebenserwartung immer häufiger— alten, betreuungs- oder sogar pflegebedürftigen Eltern (BFH-Urteile in BFHE 175, 430 , BStBl II 1995, 180; vom 9. August 2007 VI R 10/06, BFHE 218, 380 , BStBl II 2007, 820).

10  b) Der Umstand, dass der Arbeitnehmer dabei am Heimatort nicht über eine abgeschlossene Wohnung verfügt, steht dieser Vermutung nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können die durch das Leben am Beschäftigungsort zusätzlich entstehenden notwendigen Aufwendungen grundsätzlich auch dann zu Werbungskosten führen, wenn die Wohnverhältnisse des Steuerpflichtigen am Ort seines Lebensmittelpunktes vergleichsweise einfach oder beengt sein sollten (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02 , BFHE 207, 292 , BStBl II 2005, 98, m.w.N.). Insbesondere müssen die dem Arbeitnehmer zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Räumlichkeiten nicht den bewertungsrechtlichen Anforderungen an eine Wohnung gerecht werden (BFH-Urteil in BFHE 207, 292 , BStBl II 2005, 98). Der Senat hat es in dieser Entscheidung auch für unerheblich angesehen, dass sich der Arbeitnehmer in der ihm von seinen Eltern überlassenen Wohnung die Sanitäreinrichtung mit seiner Schwester teilen musste, weil ihm die übrigen Räumlichkeiten eine eigenständige Haushaltsführung ermöglichten (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Dezember 2005 III R 27/05 , BFHE 212, 376 , BStBl II 2006, 561, m.w.N.). Entsprechendes gilt, wenn dem Arbeitnehmer die Küche nicht zur alleinigen Verfügung steht (BFH-Urteil vom 30. Juli 2009 VI R 13/08 , BFH/NV 2009, 1986 ). Deshalb kann ein eigener Hausstand auch dann unterhalten werden, wenn der Erst- oder Haupthausstand gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil geführt wird (Senatsurteil vom 26. Juli 2012 VI R 10/12, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2013, 112 ).

11  c) Auch bedarf es der Übernahme einer besonderen finanziellen Verantwortung für den (gemeinsamen) Hausstand durch die gleichmäßige Beteiligung an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten durch den Steuerpflichtigen nicht. Denn eine finanzielle Beteiligung, aus der auf eine gemeinsame Haushaltsführung von Eltern und Kindern geschlossen werden kann, kann auch vorliegen, wenn etwa eine Aufteilung nach laufenden und einmaligen Kosten oder nach gewöhnlichem und außergewöhnlichem Aufwand vorgenommen wird. Im Übrigen ist dem Merkmal der Entgeltlichkeit lediglich —eine gewichtige— Indizfunktion beizumessen. Denn die Entgeltlichkeit ist keine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) einer steuererheblichen doppelten Haushaltsführung. Dies gilt sowohl für die Überlassung der Wohnung selbst als auch für die Kostentragung im Übrigen. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass ein alleinstehender Steuerpflichtiger auch dann einen eigenen Haushalt unterhält, wenn nicht er selbst, sondern Dritte für diese Kosten aufkommen. Denn eine eigene Haushaltsführung des auswärts Beschäftigten ist nicht zwingend ausgeschlossen, wenn sich dessen finanzielle Beteiligung am Haushalt nicht feststellen lässt, wie auch umgekehrt aus einem finanziellen Beitrag allein nicht zwingend auf das Unterhalten eines eigenen Haushalts zu schließen ist (Senatsurteile vom 28. März 2012 VI R 87/10 , BFHE 236, 553 , BStBl II 2012, 800, und in BFH/NV 2013, 112 ).

12  2. Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen nicht. Denn die Vorinstanz hat zum einen die gleichmäßige Beteiligung von Eltern und Kindern an den laufenden Haushalts- und Lebenshaltungskosten zu einer unverzichtbaren Voraussetzung für eine doppelte Haushaltsführung im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts erhoben. Zum anderen hat das FG verkannt, dass bei einem erwachsenen, wirtschaftlich selbständigen Kind —wie dem Kläger, ein im Streitjahr 43 Jahre alter promovierter Diplomchemiker— regelmäßig vermutet werden kann, dass es nicht als Gast in den elterlichen Haushalt eingegliedert ist, sondern jedenfalls dann, wenn es dort lediglich unterbrochen durch Arbeits- und Urlaubsaufenthalte gemeinsam mit den Eltern oder einem Elternteil wohnt und deshalb dort der Mittelpunkt der Lebensinteressen zu verorten ist, auch die gemeinsame Haushaltsführung wesentlich mitbestimmt. Schließlich hat die Vorinstanz im Streitfall auch nicht alle maßgeblichen Umstände in ihre Überzeugungsbildung einbezogen. Denn es hat weder die Wohnsituationen am Heimat- wie Beschäftigungsort in den Blick genommen noch gegeneinander abgewogen. Dies stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar. Auch deshalb bindet die Würdigung des FG, der Kläger habe keinen steuererheblichen doppelten Haushalt geführt, den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht.

13  3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der vorgenannten Rechtsgrundsätze entsprechende weitere Feststellungen zu dem behaupteten Haupthausstand, insbesondere zu den Wohnsituationen des Klägers am Heimat- wie Beschäftigungsort zu treffen haben. Sollte es dabei zu der Erkenntnis gelangen, dass der Kläger am Beschäftigungsort nur über eine kleine bescheidene Unterkunft (Schlafstätte) verfügt —wofür die geltend gemachten Unterkunftskosten von weniger als 200 € monatlich sprechen— und am Heimatort bei seiner Mutter zwei Zimmer und ein Badezimmer alleine nutzt, liegt es nahe, aufgrund des Alters des Klägers und seiner wirtschaftlichen Unabhängigkeit sowie dem Umstand, dass der Lebensmittelpunkt von den Beteiligten unstreitig am Heimatort verortet wird, vom Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG auszugehen. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob der Kläger sich an den laufenden Haushaltskosten (beispielsweise für Wasser, Strom und Gas) beteiligt hat. Im Übrigen spricht das Vorbringen des Klägers, der behauptete gemeinsame Haushalt sei —abredegemäß— dergestalt finanziert worden, dass seine Mutter die laufenden Haushaltskosten und er die einmaligen hohen Kosten (beispielsweise für Instandhaltungsmaßnahmen, Schönheitsreparaturen, Gartenpflege u.Ä.) übernommen habe, ohnehin gegen eine unentgeltliche Überlassung der vom Kläger zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten.

14  4. Der Senat muss nicht entscheiden, ob dem FG die von dem Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind. Der Kläger hat seine Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. In einem solchen Fall muss der BFH das angefochtene Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts prüfen, ohne dabei an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein (Senatsurteil vom 21. Januar 2010 VI R 51/08, BFHE 228, 85 , BStBl II 2010, 700; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 118 Rz 73). Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der Senat nicht noch darüber entscheiden, ob der Kläger auch infolge eines Verfahrensfehlers in seinen Rechten verletzt ist.

Verspätete Steuererklärung bei Rentnern: Zinserlass aus Billigkeitsgründen?

Rentner, aufgepasst!

Bund der Steuerzahler NRW rät: Antrag auf Erlass von Nachzahlungszinsen stellen: Viele Rentner werden von den Finanzämtern aufgefordert, ihre Steuererklärung für die vergangenen Jahre abzugeben. Die Betroffenen sind verunsichert und empört – besonders, wenn sie Nachzahlungszinsen zahlen sollen. Der Bund der Steuerzahler NRW rät, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen und zusätzlich den Erlass der Nachzahlungszinsen beim Finanzamt zu beantragen. Der Einspruch muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Steuerbescheides eingereicht werden. Der Bund der Steuerzahler NRW bietet entsprechende Musterschreiben an.

Düsseldorf. Ein Schreiben des Finanzamts sorgt derzeit bei vielen Rentnern in Nordrhein-Westfalen für große Verunsicherung. Sie werden aufgefordert, ihre Steuererklärung für das Jahr 2010 abzugeben. Zudem sollen sie prüfen, ob sie für die Jahre 2005 bis 2009 steuerpflichtig sind. Die Mehrheit der Senioren ist allerdings davon ausgegangen, dass sie von der Abgabe befreit sei. Hintergrund für das Schreiben des Finanzamts ist eine Neuregelung des Alterseinkünftegesetzes, wonach seit 1. Januar 2005 mehr Rentner und Pensionäre als zuvor verpflichtet sein können, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Die Finanzverwaltung brauchte mehrere Jahre, um die Rentenbezugsmitteilungen auszuwerten und wendet sich nun an die betroffenen Rentner.

Betroffen sind auch Rentner, die von ihren Finanzämtern zuvor die Auskunft bekommen hatten, nicht steuerpflichtig zu sein oder die sogar eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung erhalten hatten. „Die Finanzämter haben sich sechs Jahre Zeit gelassen, die Rentner zu informieren. Ihnen jetzt Nachzahlungszinsen in Rechnung zu stellen, ist frech“, erklärt Katharina te Heesen, Rechtsanwältin beim BdSt NRW. Der Verband empfiehlt den Betroffenen, beim Finanzamt einen Einspruch gegen die Höhe der Nachzahlungszinsen innerhalb eines Monats nach Erhalt des Steuerbescheides einzulegen (Download Musterschreiben). Gleichzeitig sollten Rentner beantragen, dass ihnen die Nachzahlungszinsen im Wege der Billigkeit erlassen werden (Download Musterschreiben). Zusätzliche Informationen zu dem Thema finden Sie hier.

Der Bund der Steuerzahler NRW möchte zudem einen Musterprozess führen und sucht nach einem geeigneten Kläger. Rentner, die vom Finanzamt eine Nichtveranlagungs-Bescheinigung erhalten haben und nun trotzdem Nachzahlungszinsen zahlen müssen, können sich mit uns in Verbindung setzen! Vielen Dank für Ihre Hilfe!

Höchstbetrag für häusliche Arbeitszimmer

Höchstbetrag für häusliches Arbeitszimmer ist bei gemeinschaftlicher Nutzung durch Ehegatten objektbezogen

 Leitsatz

1. Der Höchstbetrag für ein häusliches Arbeitszimmer ist objekt- und nicht personenbezogen, so dass Ehegatten, die gemeinsam ein häusliches Arbeitszimmer nutzen, den Höchstbetrag jeweils nur anteilig und insgesamt nur einmal geltend machen können.

2. Die verfassungsrechtlich zulässige Typisierung knüpft lediglich an die bewusste Willensentscheidung der Steuerpflichtigen an. Auf die geltende Rechtslage (und Rechtsprechungslage) konnten (und können) sich die Steuerpflichtigen bei ihren Dispositionen einrichten. Es besteht verfassungsrechtlich kein Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber alle möglichen Handlungsalternativen eines Steuerpflichtigen vollkommen gleich behandelt.

 Gesetze

EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b S. 3
EStG § 52 Abs. 12 S. 9
EStG § 9 Abs. 5 S. 1
GG Art. 3 Abs. 1

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 i.V.m. § 52 Abs. 12 Satz 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgesehene Höchstbetrag der abziehbaren Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer personenbezogen oder objektbezogen ist.

Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin ist Gymnasiallehrerin, der Kläger ist Realschullehrer. Familienwohnsitz der Kläger ist seit Oktober 2005 die Hauptwohnung (Wohnfläche: 135,87 qm) eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung in X, das den Klägern je zur Hälfte gehört. Am xx.xx. 2008 wurde der gemeinsame Sohn C und am xx.xx. 2010 der gemeinsame Sohn D geboren. Die Klägerin befand sich im Anschluss an die Geburt von C und dem gesetzlichen Mutterschutz in Elternzeit. Während der Elternzeit leitete sie weiterhin einmal wöchentlich eine Arbeitsgemeinschaft für Theater.

Mit ihren Einkommensteuererklärungen für 2005 (Bl. 105 der Einkommensteuerakte – ESt-A –) und 2006 (Bl. 151 ESt-A) gaben die Kläger ausdrücklich an, im neuen Haus zwei Arbeitszimmer zu nutzen, wobei sie die steuerrechtlichen Folgen daraus erst ab dem Jahr 2006 zogen und im Jahr 2005 noch aus Vereinfachungsgründen die Verhältnisse am früheren Familienwohnsitz in Y zugrunde legten. Im Rahmen der Steuererklärung für 2006 setzten die Kläger zwei Arbeitszimmer mit jeweils 1.250 EUR an.

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2007 wiederholten die Kläger diesen Vortrag und behielten diese Vorgehensweise bei (Bl. 297, 308, 314 ESt-A). Auch in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 vom 23. September 2009 machten die Kläger zwei Arbeitszimmer geltend (Bl. 356, 360 ESt-A). Der Beklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte die geltend gemachten Kosten in den Einkommensteuerbescheiden für 2007 vom 27. April 2009 sowie für 2008 vom 2. Dezember 2009 zunächst überhaupt nicht, da die Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit der Kläger bildeten.

Mit ihrem Einspruch vom 11. Mai 2009 für 2007 beantragten die Kläger die Anerkennung der Kosten für zwei Arbeitszimmer. Die Versagung des Abzugs sei verfassungswidrig. Gleichzeitig beantragten sie das Ruhen des Einspruchsverfahrens. Ihren Einspruch vom 7. Dezember 2009 betreffend 2008 begründeten die Kläger –unter Hinweis auf die Vorläufigkeit des Bescheids hinsichtlich der Kosten für häusliche Arbeitszimmer– mit anderen Einwendungen. Daneben legte der Klägervertreter namens der Kläger unter dem 22. Dezember 2009 auch Einspruch hinsichtlich der Streichung der Aufwendungen für häusliche Arbeitszimmer ein. Er beantragte ebenfalls Ruhen des Verfahrens. Mit Schreiben vom 10. Februar 2010 nahm der Klägervertreter seinen Einspruch wieder zurück. Die übrigen beiden Einspruchsverfahren ruhten antragsgemäß.

Mit Schreiben vom 24. Februar 2011 teilte das FA den Klägern mit, dass die ruhenden Einspruchsverfahren für 2007 und 2008 (Streitjahre) wiederaufgenommen werden, und übersandte den Klägern einen Fragebogen. Der Klägervertreter legte diesen Fragebogen nebst Anlagen mit Schreiben vom 5. April 2011 vor und fügte als Anlage auch ein Antwortschreiben der Kläger vom 20. März 2011 als Anlage bei. Auf den Fragebogen (Bl. 45 ff. Rechtsbehelfsakte –Rb-A–) wird Bezug genommen. Die Kläger gaben darin an, die Fläche des Arbeitszimmers betrage 25,89 qm, und fügten Grundrisse bei, aus denen sich ergab, dass es sich in Wahrheit um nur ein Arbeitszimmer handelte. Die auf das Arbeitszimmer entfallenden Kosten (2.866,48 EUR in 2007, 2.762,61 EUR in 2008) ordneten sich die Kläger je zur Hälfte als Werbungskosten zu.

Durch Einspruchsentscheidung vom 29. Dezember 2011 für 2007 und 2008 half das FA den Einsprüchen (nach vorheriger Anhörung) jeweils nur insoweit ab, als es Kosten für ein Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR berücksichtigte und diesen Betrag als Werbungskosten den Klägern je zur Hälfte zurechnete. Im Übrigen wies es die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage vom 2. Februar 2012 verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie lassen geltend machen, sowohl bei der Klägerin als auch beim Kläger seien Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 1.250 EUR abzuziehen. Der Gesetzgeber habe sich nach den Gesetzesmaterialien bei der Bemessung der Betragsgrenze von 1.250 EUR an einem Raum von 12 bis 14 qm orientiert. Verdoppele man diesen Wert, weil der Raum durch zwei Personen genutzt werde, liege die Raumgröße des Arbeitszimmers der Kläger in diesem Rahmen. Sehe man den Höchstbetrag hingegen als objektbezogen an, drohe ein verfassungswidriger Gleichheitsverstoß, weil man durch das einfache Einfügen einer Wand den Abzugsbetrag verdoppeln könne. Der Fall, dass zwei Steuerpflichtige einen größeren Raum gemeinsam nutzen, sei steuerrechtlich genauso zu behandeln wie die Nutzung von zwei getrennten, kleineren Räumen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Einkommensteueränderungsbescheide für 2007 und 2008 vom 29. Dezember 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom selben Tag dahin gehend zu ändern, dass sowohl bei der Klägerin als auch beim Kläger weitere Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 625 EUR als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Im Erörterungstermin vom 10. Juli 2012, in dem der Kläger zur Verdeutlichung der Raumsituation im Arbeitszimmer die Ausdrucke mehrerer Lichtbilder vorgelegt hat, haben beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen. Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Höchstbetrag für häusliches Arbeitszimmer nach der Rechtsprechung des BFH objektbezogen und nicht personenbezogen ist.

I. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768 ) dürfen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht; in diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 und 3 Halbsatz 1 EStG ). Der Gesetzgeber stellte dadurch die bis zur Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2007 geltende frühere Rechtslage insoweit wieder her, als in den Fällen, in denen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ein Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug bis zu einer Höhe von 1.250 EUR der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer zugelassen wurde (BT-Drs. 17/3549, S. 15, zu Nr. 6 Buchst. b).

1. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden. Der Gesetzgeber ist damit seiner Verpflichtung aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09 (BVerfGE 126, 268 , BFH/NV 2010, 1767 ) nachgekommen, den zuvor bestehenden verfassungswidrigen Zustand rückwirkend auf den 1. Januar 2007, den Beginn des Anwendungszeitraums des Steueränderungsgesetzes 2007 , durch Neufassung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu beseitigen. Diesen hat das BVerfG für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt, soweit danach der Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann ausgeschlossen war, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Demgegenüber ist die Begrenzung des Abzugs auf 1.250 EUR verfassungsgemäß (so bereits BVerfG-Beschluss vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98 , BVerfGE 101, 297 , BStBl II 2000, 162).

2. Für den im Streitfall maßgeblichen Bereich der sog. „Überschusseinkünfte” (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG ), bei denen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a) die Einkünfte sind, gilt u.a. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG sinngemäß (§ 9 Abs. 5 Satz 1 EStG ).

3. Nutzen –wie vorliegend– Ehegatten gemeinsam ein häusliches Arbeitszimmer, steht nach der Rechtsprechung des BFH (zuletzt BFH-Urteil vom 23. September 2009 IV R 21/08 , BFHE 227, 31 , BStBl II 2010, 337) einem Ehegatten, der seine Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 1 EStG beschränkt abziehen kann, der Höchstbetrag nach dieser Vorschrift nur anteilig zu. Die Abzugsbeschränkung ist objektbezogen; die abziehbaren Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind damit unabhängig von der Zahl der nutzenden Personen auf 1.250 EUR begrenzt (BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 30/03 , BFHE 204, 176 , BStBl II 2004, 775). Diese Auffassung wird von der Finanzverwaltung (z.B. BMF vom 2. März 2011, BStBl I 2011, 195, Tz. 21) vollumfänglich, in der Literatur hingegen nur teilweise geteilt (zustimmend z.B. Schmidt/Krüger, EStG , 31. Auflage, § 19 Rz. 60; Hartz/Meeßen/Wolff, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort „Arbeitszimmer”, Rz. 74; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 4 EStG Rz. 1796; wohl auch Kirchhof/Bode, EStG , 11. Auflage, § 4 Rz. 218b; a.A. z.B. Bergkemper, jurisPR-Steuerrecht 17/2011, Anm. 1, unter II.7.; Heuermann/Wagner, Lohnsteuer, F 509; Blümich/Wied, EStG /KStG/GewStG, § 4 EStG Rz. 849; Paul in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG /KStG , § 4 EStG Rz. 1563). Der Senat schließt sich der Auffassung des BFH trotz der Einwendungen der Kläger ebenfalls an.

a) Der BFH hat seine Auffassung damit begründet, dass für die objektbezogene Abzugsbeschränkung zunächst der Wortlaut spreche. Die Regelung knüpfe nur an das Vorhandensein des Arbeitszimmers, nicht jedoch an den Aufwand des einzelnen Steuerpflichtigen oder an die Zahl der darin tätigen Personen an. Die Objektbezogenheit der Regelung werde zudem durch die Gegenüberstellung mit der unbegrenzten Abzugsmöglichkeit deutlich. Der Gesetzgeber habe darin zum Ausdruck gebracht, dass er in Ausnahmefällen den Abzug der Aufwendungen der Höhe nach begrenzt bis zu 1.250 EUR, in eng umgrenzten weiteren Ausnahmefällen aber unbegrenzt zulassen will. Durch eine Verdoppelung oder gar Vervielfachung des begrenzten Abzugsbetrages würde die vom Gesetzgeber für den Regelfall beabsichtigte Deckelung der tatsächlichen Aufwendungen einem unbegrenzten Abzug nahe kommen und damit die Unterscheidung der beiden Tatbestandsalternativen faktisch wieder aufgehoben. Gegen eine Verdoppelung oder Vervielfachung des Begrenzungsbetrages spreche zudem, dass die Raumaufwendungen bei Mehrfachnutzung weitgehend identisch sind mit den Raumaufwendungen bei der Nutzung durch nur eine Person. Höhere Aufwendungen entstehen bei der Mehrfachnutzung eines Arbeitszimmers vor allem für die Einrichtung. Auf diese Aufwendungen erstrecke sich § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG jedoch ohnehin nicht.

b) Aus dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268 , BFH/NV 2010, 1767 ergibt sich – entgegen der Auffassung der Kläger – ebenso wenig etwas anderes wie aus dem Gleichheitssatz. Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass ihnen der Höchstbetrag von 1.250 EUR zweimal gewährt werden würde, wenn sie zwei steuerrechtlich anzuerkennende Arbeitszimmer statt einem nutzten. Das BVerfG hat jedoch (a.a.O. unter C.II.5.a) ausdrücklich betont, dass angesichts der möglichen vielfältigen Faktoren, von denen die Entscheidungen der Steuerpflichtigen über Lage, Größe und Qualität ihrer Wohnung einschließlich eines Arbeitszimmers abhängen, der Ansatz einer grob pauschalierenden Höchstgrenze, wie sie nach der Vorgängerregelung bestimmt war, verfassungsrechtlich unbedenklich ist. So liegt es letztlich auch hier: Ob z.B. die Kläger die – ebenfalls im Dachgeschoss liegenden– zwei kleineren Zimmer jeweils einzeln (Höchstbetrag 2 × 1.250 EUR) oder das größere Zimmer gemeinsam (Höchstbetrag 1 × 1.250 EUR) als Arbeitszimmer nutzen, war (und ist) letztlich ihre (in ganz erheblichem Umfang „privat” motivierte) Entscheidung, zumal sie damals noch keine zwei Kinder hatten. Hätten sich die Kläger als dritte Möglichkeit z.B. dafür entschieden, ihre Büroarbeiten statt in einem (oder zwei) separaten Arbeitszimmer(n) lieber in einem (25,89 qm größeren) Wohnzimmer mit zu erledigen, wäre möglicherweise gar kein Abzug zu gewähren gewesen. Diese unterschiedlichen Rechtsfolgen – je nach Disposition des Steuerpflichtigen– sind jedoch – entgegen der Auffassung der Kläger – keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, sondern die Folge unterschiedlicher Sachverhalte. Die verfassungsrechtlich zulässige Typisierung knüpft lediglich an die bewusste Willensentscheidung der Steuerpflichtigen an. Auf die geltende Rechtslage (und Rechtsprechungslage) konnten (und können) sich die Kläger bei ihren Dispositionen einrichten. Ein Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber alle möglichen Handlungsalternativen eines Steuerpflichtigen vollkommen gleich behandelt, besteht von Verfassungs wegen nicht.

II. Ausgehend davon hat das FA zu Recht nur Aufwendungen in Höhe von 1.250 EUR gewährt und den Klägern je zur Hälfte zugerechnet. Darüber, dass es sich bei dem Zimmer im Dachgeschoss um ein unter die Abzugsbegrenzung fallendes Arbeitszimmer handelt, besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) .

IV. Der erkennende Senat lässt die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, weil die Kläger Gesichtspunkte vorgetragen haben, die eine erneute Prüfung der sich im Streitfall stellenden Rechtsfrage durch den BFH erforderlich erscheinen lassen.

V. Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.

Einkommensteuer | Werbungskosten bei Ruhegehaltszahlungen an Priester (FG)

Ruhegehaltszahlungen an Priester als VersorgungsbezügeIm Steuerfestsetzungsverfahren grundsätzlich kein Werbungskostenabzug für Aufwendungen eines katholischen Priesters im Ruhestand
Berücksichtigung der Aufwendungen eines Priesters im Ruhestand im Billigkeitswege

 Leitsatz

1. Beim Ruhegehalt eines katholischen Priesters handelt es sich angesichts der unstreitigen Anknüpfung der Versorgung der katholischen Pfarrer in Deutschland an beamtenrechtliche Versorgungsregelungen um Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b EStG. Die Ruhegehaltszahlungen stellen nachträgliches Entgelt für die in der Zeit vor dem Ruhestand geleistete Arbeit im Dienste der Kirche dar.

2. Das Ruhegehalt der katholischen Pfarrer wird unabhängig davon bezahlt, ob und ggf. in welchem Ausmaß später weitere Tätigkeiten wahrgenommen werden. Vor diesem Hintergrund sind nach dem Eintritt in den Ruhestand anfallende Aufwendungen eines katholischen Priesters im Zusammenhang mit einer freiwilligen Tätigkeit im Rahmen der Fokolar-Bewegung, Mess- oder Pfarrstellenvertretungen, Einladungen des Bischofs sowie sonstigen religiösen Veranstaltungen nicht durch die Erzielung des steuerpflichtigen Ruhegehalts veranlasst und daher insoweit nicht als Werbungskosten abziehbar. Es handelt sich insoweit auch nicht um nachträgliche Werbungskosten für die früheren Bezüge des Pfarrers aus seiner aktiven Dienstzeit. Die Aufwendungen können auch nicht als vorweggenommene Werbungskosten im Hinblick auf eine nach dem Streitjahr aufgenommene priesterliche, eigens vergütete Tätigkeit abgezogen werden, wenn diese Tätigkeit im Streitjahr noch nicht absehbar war.

3. Die Tätigkeiten eines katholischen Pfarrers im Ruhestand können aufgrund der kirchenrechtlichen Verpflichtungen eine andere Qualität als freiwilliges Engagement besitzen. Insoweit kann die vor dem Ruhestand gezahlte Vergütung eines katholischen Pfarrers auch als in der Erwartung geleistet angesehen werden, dass der Pfarrer im Ruhestand seine kirchenrechtlichen Verpflichtungen weiter erfüllt. Vor diesem Hintergrund kann es angezeigt sein, Aufwendungen eines Pfarrers im Ruhestand, die unmittelbar aus der Erfüllung von mit der Priesterweihe entstandenen kirchenrechtlichen Verpflichtungen resultieren und auf einer der Ausübung des Direktionsrecht des Arbeitgebers ähnlichen Weisung beruhen, im Wege einer Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO wie Werbungskosten zu berücksichtigen. Das Billigkeitsverfahren ist ein gegenüber dem Steuerfestsetzungsverfahren eigenständiges, gesondertes Verwaltungsverfahren.

Nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter bei der Einnahmenüberschussrechnung

Einnahmenüberschussrechnung:Berücksichtigung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens

 Leitsatz

Anschaffungs- oder Herstellungskosten für eine Forderung auf Lieferung und Übereignung von Rundhölzern sind erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

 Gesetze

EStG § 4 Abs 3 Satz 4

 Instanzenzug

BFH X B 172/12

 Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen der Klägerin als Verluste aus einem Gewerbebetrieb „Holzhandel”.

Die 1957 geborene Klägerin erzielte in den Streitjahren 2006 und 2007 als Diplom-Psychologin Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie aus verschiedenen Beteiligungen als Mitunternehmerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Sie schloss am 18.12.2006 einen als „Rundholz-Kaufvertrag” bezeichneten Vertrag mit der A Anlagen GmbH in C (im Folgenden: A). Danach verkauft und liefert A an die Klägerin in eigenen Pflanzungen erzeugtes Rundholz der Holzart Robinie in einer Länge von mindestens 2,50 Meter zu einem Gesamtkaufpreis von 14.397,86 EUR gemäß den folgenden Angaben:

 

 Nummer der Lieferung

 1a

 1b

 1c

 Lieferjahr

 2014

 2020

 2026

 Holzart

 Robinie

 Robinie

 Robinie

 Liefermenge in m³

   

   

 352

 Baumalter bei Ernte in Jahren

 8

 14

 20

 Durchmesser in cm

 18

 29

 42

 Anteiliger Kaufpreis in %

 7

 14

 30

 

Die Rundholzlieferungen sollen nach Ziff. 2 des Vertrags im o. g. Lieferjahr – also 2026 – erfolgen, wobei der Lieferort CIF im von der Klägerin genannten Bestimmungsort liegt, der in der Europäischen Union und in einer Entfernung (Luftlinie) von nicht mehr als 1.800 Kilometer von D (Bulgarien) liegen muss. Das Eigentum am Holz soll mit Übergabe am Lieferort auf die Käuferin übergehen.

Nach dem ebenfalls am 18.12.2006 – jedenfalls von der Klägerin, nicht von der Vertragspartnerin – unterzeichneten „Rahmenvertrag über Geschäftsbesorgung” mit der A Handels GmbH, C, beabsichtigt die Klägerin, gewerblich im Holzhandel tätig zu werden. Die GmbH erklärt sich bereit, für Rechnung der Klägerin den Verkauf des Holzes gegen eine Provision von 2,5% der Erlöse zu besorgen.

In der Einkommensteuererklärung 2006 erklärte die Klägerin in der Anlage GSE u. a. gewerbliche Einkünfte aus „Holzhandel” von ./. 70.178 EUR. Für 2007 erklärte die Klägerin einen weiteren Verlust aus „Holzhandel” bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 54.529 EUR.

In dem dazu vorgelegten „Rundholz-Kaufvertrag” mit der o.g. L GmbH vom 5./12.12.2007 ist ein Kaufpreis von 54.529,23 EUR vereinbart. Im Übrigen enthält dieser Vertrag grundsätzlich wortidentisch dieselben bereits oben aufgeführten Bedingungen. Hierin sind folgende Lieferungen und Holzarten vereinbart:

 

 Nummer der Lieferung

 1a

 1b

 1c

 2a

 2b

 2c

 Lieferjahr

   2015

   2021

   2026

   2013

   2018

   2023

 Holzart

 Robinie

 Robinie

 Robinie

 Teak

 Teak

 Teak

 Liefermenge in m³

 18,7

 38,8

 84,0

 17,4

 23,1

 63,0

 Baumalter bei Ernte in Jahren

 8

 14

 20

 10

 15

 20

 Durchmesser in cm

 18

 29

 42

 22

 32

 40

 Anteiliger Kaufpreis in %

 7

 14

 30

 8

 11

 29

 

Als Lieferort ist im Vertrag hier zusätzlich hinsichtlich des Teak-Holzes –mit einer Länge von mindestens 2,44 Meter– FOB im Hochseehafen B (Brasilien) vereinbart. Ein – mit dem oben dargestellten Vertrag wortgleicher – „Rahmenvertrag über Geschäftsbesorgung” wiederum mit der schon o. g. A Handels GmbH datiert ebenfalls vom 5./12.12.2007.

Bereits für 2003 hatte die Klägerin unter „Holzhandel” Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Verlust von 46.935 EUR erklärt. Diesen Verlust berücksichtigte der Beklagte in den Einkommensteuerbescheiden für 2005, zuletzt im Änderungsbescheid vom 7.09.2007, in denen er die Einkommensteuer hinsichtlich dieser Einkünfte aus Gewerbebetrieb wegen eventuellerer Liebhaberei teilweise vorläufig festgesetzt hat.

Für die Streitjahre 2006 und 2007 berücksichtigte der Beklagte die geltend gemachten Verluste bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in den Einkommensteuerbescheiden für 2006 vom 20.03.2008 und für 2007 vom 5.12.2008 jedoch nicht.

Die dagegen fristgerecht eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin mit Vorlage der Vertragsunterlagen und führte dazu im Wesentlichen erläuternd aus: Erst nach der Ernte realisiere die Klägerin einen Ertrag. Alle angefallenen Kosten seien im Kaufpreis berücksichtigt; daher sei keine gesonderte Gewinnermittlung erstellt worden.

Der Beklagte erließ am 21.01.2009 aus anderen, hier nicht streitigen Gründen einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2007 und wies – nach Einschaltung der OFD Rheinland – die Einsprüche der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 27.03.2009 als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, dass die Klägerin sich nicht wie ein Händler verhalte. Sie trete nicht nach außen in Erscheinung, da sie einen Agenten beauftragt habe, den Holzverkauf für sie zu übernehmen. Darüber hinaus sei die Klägerin in den Streitjahren und in den folgenden Jahren selbst nicht tätig geworden. Mit dem Abschluss der Kaufverträge warte sie nur noch darauf, dass die Baumpflanzungen geerntet und von ihrem Agenten zum Verkauf angeboten würden. Auch fehle es an der Nachhaltigkeit der Tätigkeit der Klägerin. Sie habe nur 2 Kaufverträge abgeschlossen und werde in den nächsten – mindestens 8 – Jahren nicht mehr tätig werden bzw. nicht ihren Agenten beauftragen, für sie tätig zu werden. Die Klägerin überschreite mit ihrer Tätigkeit nicht die Grenze der privaten Vermögensverwaltung. Anders als etwa in Fällen gewerblichen Grundstückshandels durch Erschließung erworbener Grundstücke wirke die Klägerin nicht aktiv mit, um eine Wertsteigerung der erworbenen Baumpflanzungen herbeizuführen.

Daraufhin hat die Klägerin am 30.04.2009 die vorliegende Klage erhoben, mit der sie weiterhin die Berücksichtigung der Verluste aus Holzhandel begehrt.

Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt: Zunächst sei festzuhalten, dass es sich bei den Verträgen nicht um Holzlieferrechte ähnlich wie einer Kapitalanlage handele, also Kauf eines Rechts auf Verschaffung der Verfügungsmacht, sondern um einen Sachkauf ähnlich wie bei den in der Landwirtschaft üblichen Verkäufen über die Ernte auf dem Halm.

Sie – die Klägerin – beteilige sich allgemein am wirtschaftlichen Verkehr dadurch, dass sie von Anfang an eine bestimmte Veräußerung der eingekauften Ware „Rundholz” nach Eintritt der Erntereife vorsehe. Eine Veräußerungsabsicht sei daher von vorneherein gegeben. Bedingt durch das lange Heranwachsen der eingekauften Ware sei eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr speziell bei diesem Produkt erst bei Erntereife notwendig. Erst kurz davor sei daher ein Auftritt am Markt erforderlich, der dann auch erfolgen werde. Das Einschalten branchenerfahrener Zwischenhändler sei dabei nicht schädlich, sondern üblich. Das Unterhalten eines Geschäftslokals sei hierbei nicht notwendig, schon gar nicht in Zeiten des Internets und Online-Handels.

Sie – die Klägerin – sei auch nachhaltig tätig. Dass sie erst in mehreren Jahren wieder tätig werde, sei eine Unterstellung des Beklagten. Sie habe folgende Käufe getätigt:

 

 2003  für 29.052 EUR,
 2005  für 49.635 EUR,
 2006  für 70.178 EUR,
 2007  für 54.529 EUR.

 

Sie habe sich bereits bei Vertragsabschluss auf bestimmte Erntezeitpunkte festgelegt und damit eine unbedingte Veräußerungsabsicht vor Ablauf der Nutzungsdauer der erworbenen, heranwachsenden Bäume bekundet. Während der Wachstumsperiode könne sie als Holzhändlerin schon natur- und unternehmensbedingt nichts weiter tun, als planmäßig die Erntereife abwarten und dann planmäßig wirtschaftlich handeln. Wann das zur Veräußerung geplante Produkt erworben werde, könne keinen Unterschied machen.

Schließlich liege keine private Vermögensverwaltung vor, weil die von vorneherein geplante Veräußerung eines Wirtschaftsguts nach seinem Erwerb immer eine Umschichtung von Vermögenswerten darstelle, nämlich hier von Ware in Guthaben bei Kreditinstituten.

In anderen Klageverfahren vor den Finanzgerichten sei darauf verwiesen worden, dass auf der aktuellen Website der A der Charakter der Vermögensanlage werblich hervorgehoben werde. Dazu sei zu erläutern: Bereits seit 2002 werde gewerblicher Holzhandel nicht mehr in standardisierter Form mit einem Prospekt angeboten, um die Selbständigkeit des Käufers als Gewerbetreibenden in einem solchen Fall zu unterstreichen. Um den gewerblichen Holzhandel möglichst von der nichtgewerblichen Vertragsgestaltungen A nobilis zu trennen, sei für den gewerblichen Holzhandel die A Anlagen GmbH geschaffen worden, mit der die gewerblichen Holzhändler ihre Verträge schlössen. Für den Bereich des Sachkaufs in Form von Rundholzkaufverträgen sei die A Investitionen AG zuständig. Regelmäßig frage ein zukünftiger Holzhändler bei A an, ob die Möglichkeit bestehe, Holz zu kaufen, ohne dass im Kaufvertrag bereits eine Regelung an der Mitwirkung der späteren Veräußerung enthalten sei. Unabhängig vom Kaufvertrag bestehe die Möglichkeit, mit der A Handels GmbH einen Geschäftsbesorgungsvertrag als Agent einer späteren Veräußerung gegen Provision abzuschließen. Ähnlich wie bei einem Immobilienmakler ohne Alleinvermittlungsvertrag halte sich der Gewerbetreibende zusätzlich eine freihändige Unterstützung beim Verkauf nach der Ernte offen und entscheide später selbst, ob er diese in Anspruch nehmen wolle.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2006 vom 20.03.2008 und für 2007 vom 21.01.2009 und Aufhebung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 27.03.2009 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines weiteren Verlustes bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 70.178 EUR für 2006 und 54.529 EUR für 2007 niedriger festzusetzen,

hilfsweise im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte – nach Rücksprache mit der OFD Rheinland – zunächst auf seine Einspruchsentscheidung. Zudem trägt er vor, die Klägerin habe keine erkennbare Erfahrung bzw. Kenntnisse im geplanten Edelholzverkauf; dieser werde vielmehr über die A AG abgewickelt. Die Klägerin habe keinen Einfluss auf diese Vermarktung und bestimme diese nicht. Das Holz werde von der A auf Rechnung der Klägerin veräußert und direkt an den Enderwerber geliefert. Der Holzverkauf stelle keine Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung dar, sondern eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung zum Erwerb einer Beteiligung am späteren Verkaufserlös des Holzes. Insgesamt entspreche die Tätigkeit der Klägerin daher nicht dem Bild eines gewerblichen Holzhändlers, sondern dem eines privaten Kapitalanlegers. Ihre Initiative beschränke sich auf die Geldhingabe; typische Merkmale eines Gewerbebetriebes wie Kundenakquisition, kaufmännische Führung, Lagerräume für Holz etc. seien sämtlich nicht erfüllt. Alleine das Risiko des Kapitalverlustes mache die Klägerin nicht zu einer Gewerbetreibenden.

Auch weise die A AG unter www.….de darauf hin, dass die vorliegend zu beurteilende Tätigkeit eine nicht steuerbare sei.

Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Verfügung vom 9.05.2012 darauf hingewiesen, dass die Norm des § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG im Streitfall einschlägig sein könne, wie dies bereits das FG Köln in seinem Urteil vom 1.03.2012 12 K 3259/09 sowie das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 25.10.2011 5 K 3460/08 gesehen haben.

Die Klägerin und der Beklagte haben sich mit Schriftsätzen vom 27.04.2012 (Bl. 39 FG-Akte) bzw. vom 4.05.2012 (Bl. 44 FG-Akte) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Sie haben bestätigt, dass diese Erklärung auch nach dem Hinweis des Berichterstatters weiterhin Gültigkeit hat.

 Entscheidungsgründe

I.

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO– ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten dazu ihr Einverständnis erklärt haben.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht die geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb außer Ansatz gelassen.

1.

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob die Betätigung der Klägerin die Merkmale eines Gewerbebetriebs erfüllt. Vieles spricht vielmehr dafür, dass die Klägerin mit dem Abschluss der Rundholz-Kaufverträge eine Kapitalanlage getätigt hat, die den steuerlich unbeachtlichen Vermögensbereich betrifft.

Ein Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet. Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und Vermögensverwaltung andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsauffassung abzustellen. In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.2009 X R 25/06 , BStBl II 2009, 965). Eine vom Steuerpflichtigen vorgenommene Eigenqualifikation ist unbeachtlich, wenn sie nicht durch die tatsächlichen Gegebenheiten gedeckt ist. Rein formale Handlungen wie etwa eine Gewerbeanmeldung sind nicht ausschlaggebend.

Im Streitfall weist der Beklagte mit beachtlichen Argumenten auf ein für einen Holzhändler untypisches Verhalten und fehlende Merkmale eines Holzhandels hin (keine Kundenakquisition, keine kaufmännische Betriebsführung, weder Büro noch Lager, kein kontinuierlicher Geschäftsbetrieb usw.). Die Gegenargumentation der Klägerin erscheint demgegenüber kaum geeignet, die Verkehrsanschauung eines gewerblichen Holzhandels zu begründen.

2.

Letztlich kann jedoch unentschieden bleiben, ob die Tätigkeit der Klägerin in den Streitjahren als Gewerbebetrieb zu qualifizieren sein könnte. Denn selbst dann, wenn die Aufwendungen Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb wären, dürften diese nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG nicht in den Streitjahren 2006 und 2007, sondern erst zum Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder der Entnahme berücksichtigt werden.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG (in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 <Bundesgesetzblatt – BGBl – I S. 1095>) sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erst im Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme dieser Wirtschaftsgüter als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.

Diese Norm ist im Streifall einschlägig, denn die Klägerin hat eine Forderung auf Lieferung und Übereignung von Rundhölzern erworben, die ein nichtabnutzbares Anlagevermögen darstellt. Forderungen sind bei betrieblich veranlasster Entstehung Betriebsvermögen in Form nicht abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlage- oder Umlaufvermögens (Wied in: Blümich, EStG , § 4 Rz. 180 <Stand: Oktober 2010>). Hier handelt es sich um Forderungen des Anlagevermögens, weil auch beim stehenden Holz selbst die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen erst mit dem Einschlag endet (Kleeberg, Finanzrundschau – FR – 1998,189 und BFH-Beschluss vom 7. Mai 1987, IV R 150/84 , BStBl. II 1987,670, vgl. zuletzt noch BFH-Urteil vom 5.06.2008 IV R 50/07 , BStBl II 2008, 968). Vorliegend mussten die Bäume, mit denen das an die Klägerin zu liefernde Rundholz erzeugt werden soll, erst noch gefällt werden.

Für den Senat besteht insoweit keine Veranlassung, die Forderung der Klägerin auf Lieferung des Holzes anders zu behandeln als das Holz selbst. Zudem handelt es sich um eine langfristige Forderung, wie sich aus den vertraglichen Lieferzeitpunkten ergibt (wie hier auch schon FG Baden Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2011 5 K 3460/08 und FG Köln, Urteil vom 01. März 2012 12 K 3259/09, beide n.v. – juris-Dokumente). Die Frage einer Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen stellt sich somit allenfalls in Veranlagungszeiträumen nach den Streitjahren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO nicht gegeben sind.

Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge eines Schweizer Arbeitgebers (FG)

Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bei einem ausländischen ArbeitgeberKeine Anwendung des Freizügigkeitsabkommens auf SteuergesetzeVertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung

 Leitsatz

1. Wird die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit eines im Inland ansässigen Grenzgängers, der bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigt ist, als fester Bestandteil des Monatslohnes allgemein pauschaliert abgegolten und ist deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht in Betracht.

2. Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln.

3. Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber.

4. Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG steht dem nicht entgegen, da dieses auf Steuernormen keine Anwendung findet und als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat und damit den Steuergesetzen nicht vorgeht.

5. Das FA ist bei einem Zuständigkeitswechsel nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen FA gebunden.

6. Vertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung wird nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt.

 Gesetze

EStG § 3b
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 59 Abs. 2
FZA Art. 21
AO § 2

 Instanzenzug

BFH 21.12.2012 – VI R 48/12

 Tatbestand

Die Kläger (Kl) sind Eheleute, die zusammen veranlagt werden und ihren Wohnsitz im Inland haben. Der Kl ist als Lokomotivführer seit 1. Mai 2004 bei der C GmbH, X/Schweiz, im Schichtdienst tätig. Er fährt „Cargo” und nicht Personenverkehr. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen (Ziffer 8 des Arbeitsvertrags). Nach Ziffer „9. Gehalt” des Arbeitsvertrags erhält der Arbeitnehmer ein

„jährliches Bruttosalär von CHF 108.600.–, zahlbar in 12 Monatslöhnen von je brutto CHF 9050,– spätestens am Ende jeden Monats. … In diesen Beträgen sind CHF 13600,– p.a. bzw. CHF 1133,33 p.M. an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. …”

Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen (Klage-Akte, S. 99-101).

Der Lohnausweis des Kl für das Streitjahr 2006 (Einkommensteuer(ESt)-Akte, S. 62) wies einen Bruttolohn von 112.896 Schweizer Franken (SFr.) aus und darauf hin, dass im Bruttolohn 16.000 SFr. Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst enthalten seien. Darüber hinaus hat der Kl Reisespesen von insgesamt 4.898 SFr. erhalten. Diese setzen sich nach den Angaben des Kl aus Reisekosten (3.586,30 SFr. für Hin- und Rückfahrten zum/vom Einsatzort) und einer Ausbleibeentschädigung von 1,30 Sfr. ab der 16. Stunde von insgesamt 1.311,30 SFr. zusammen. Der Steuerberater des Arbeitgebers des Kl bestätigte mit Schreiben vom 8. Oktober 2008, dass es sich bei den Reisespesen um die Erstattung „effektiver Auslagen (z.B. für auswärtige Übernachtungen)” handelt (Rechtsbehelfs(Rb)-Akte, S. 14 f.). Die Spesenabrechnungen, abgezeichnet vom Arbeitgeber, legte der Kl vor (Rb-Akte, S. 58 ff.).

Nach der Lohnabrechnung Januar 2006 in SFr. erhielt der Kl:

 

 „Monatslohn

 7 ‚716.65

 Sonn-, Feiertags- und Nachtd.

 1 ‚333.35

 Total AHV-pflichtiger Lohn

 9’050.00 …

 Nettolohn

 7’688.80 …

 Reisespesen für den Monat Dezember 2005

 237,25

 Ausbleibeentschädigung für den Monat Dezember 2005

 151.05…”

 

Der Monatslohn sowie der Betrag für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst war in den Monaten Februar 2006 bis Dezember 2006 identisch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lohnabrechnungen der Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 21-32).

Der Kl reichte einen Einzelnachweis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 mit folgenden Angaben ein:

 

 „Tag  Gearbeitet  bis  Std.  Sonntag  Feiertag  Nacht  Davon
 von  Std.  Std.  Std.20,00-6,00Uhr  Std. 0,00-4,00 Uhr”

 

Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen (Klage-Akte, S. 33-50).

In seiner Jahresaufstellung der tatsächlich geleisteten Arbeit 2006 (Klage-Akte, S. 51) gab er Folgendes an:

 

 Monat  Std.  Sonntag Std.  Feiertag Std.  Nacht Std. 20,00-6,00 Uhr  Davon Std. 0,00-4,00 Uhr
 Januar

 61,36

 16,03

 5,01

 Februar

 114,49

 2,26

 25,13

 12,15

 März

 190,39

 1,30

 29,37

 12,45

 April

 139,57

 11,03

 6,13

 17,47

 6,53

 Mai

 75,13

 15,46

 4,45

 Juni

 124,06

 38,06

 16,28

 Juli

 128,36

 3,21

 36,01

 22,32

 August

 70,33

 24,57

 13,40

 September

 58,08

 13,07

 12,03

 Oktober

 47,16

 15,22

 3,50

 November

 147,47

 7,33

 39,00

 27,30

 Dezember

 110,53

 29,58

 16,59

 1.269,43

 18,20

 13,46

 300,57

 154,41

 

Der Kl machte in seiner ESt-Erklärung 2006 geltend, von seinem auf dem Schweizer Lohnausweis ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn sei von den von seinem Arbeitgeber pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von 16.000 SFr. ein Betrag von 9.108,25 SFr. steuerfrei.

Diesen ermittelte er wie folgt:

 

 „Grundlohn 7.716,25 Sfr. × 12 = 92.595,00 Sfr.:  tatsächlich geleistete Arbeitsstunden
 1.269,43 Std. = 72,90 Sfr. = 47,02 EUR

 

Tatsächlich geleistete Sonn- und Feiertagsarbeitsstunden

 

 Sonntag

 18,20 Std. á 36,45 Sfr.

 =

 663,39 Sfr.

 Feiertagszuschlag

 13,46 Std. á 91,13 Sfr.

 =

 1.226,61 Sfr.

 Nachtarbeit von
 20.00 – 24.00 u. 04.00 – 06.00

 146,16 Std. á 18,58 Sfr.

 =

 2.715,65 Sfr.

 Nachtarbeit von
 00.00 – 04.00

 154,41 Std. á 29,16 Sfr.

 =

 4.502,60 Sfr.

 Gesamt Sonn- und Feiertagszuschläge

 9.108,25 Sfr.”

 

Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung Bezug genommen (Klage-Akte, S. 52).

Der Beklagte (Bekl) behandelte die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit als steuerpflichtigen Arbeitslohn des Kl. Er berücksichtigte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit des Kl in Höhe von (72.521 EUR Bruttoarbeitslohn ./. 8.442 EUR Werbungskosten =) 64.079 EUR, da das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 2 Nummer 10 (Stand Dezember 2004) zur steuerlichen Behandlung der pauschalen Schichtzulage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) u.a. ausführt:

„Steuerliche Behandlung der pauschalen Schichtzulage

…Eine Schichtpauschale kann  steuerfrei bleiben, wenn und soweit sie sich der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit konkret zuordnen lässt,  d.h. wenn sie sich erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt. ….

Die in der Pauschale enthaltenen Einzelzuschläge können aber nur für die am Sonntag, Feiertag und in der Nacht  tatsächlich geleistete  Arbeit steuerfrei bleiben. Soweit sie auf nicht geleistete Stunden (Krankheit, Absenzen, Urlaub) entfallen, sind die Zuschläge in jedem Fall steuerpflichtig (A 30 Abs. 6 Satz 2 LStR ). Dies erfordert, dass der Schweizer Arbeitgeber die tatsächlich geleisteten SFN-Arbeitsstunden festhält.

Darüber hinaus macht die Verwaltung in A 30 Abs. 7 LStR (bestätigt durch BFH-Urteil vom 25.03.1998, a.a.O.) die Steuerbefreiung von einer  Einzelabrechnung durch den Arbeitgeber  abhängig, mit der dieser spätestens am Jahresende eventuell zu viel gezahlte Pauschalzuschläge der Lohnbesteuerung unterwirft. Auf diese Voraussetzung kann bei Grenzgängern verzichtet werden. Die LStR enthalten Anweisungen für den Lohnsteuerabzug durch den inländischen Arbeitgeber. Ein Arbeitgeber in der Schweiz hat keine Steuerabzugsverpflichtung; folglich kann er selbst bei durchgeführter Abrechnung zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nie der Lohnbesteuerung unterwerfen. Aus diesem Grund ist die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen bzw. das deutsche Finanzamt im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung zulässig.

Die vom Finanzamt für die Abrechnung benötigten Angaben führen zu einer Steuerermäßigung; deswegen liegt die Feststellungslast beim Grenzgänger. …

Die Schichtzulage … ist teilweise steuerfrei zu belassen, wenn

  • • der Grenzgänger das jeweilige Reglement vorlegt und daraus die  Zusammensetzung  der Schichtzulage ersichtlich ist sowie
  • • der Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die  tatsächlich geleisteten  Arbeitsstunden an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt. Zur optimalen Ausnutzung der steuerfreien Nachtzuschläge sind die Nachtstunden von 0.00 Uhr bis 4.00 Uhr getrennt von der übrigen Nachtarbeit auszuweisen (§ 3b Abs. 3 EStG ). Für die abgelaufenen Jahre ist der Nachweis der tatsächlich geleisteten SFN-Arbeit auch nachträglich möglich (BFH-Urteil vom 28.11.1990, BStBl II 1991, S. 298), z.B. durch einen Abgleich des Schichtplans mit der Urlaubs- und Krankenkartei.

 

Der Bekl wich außerdem von den erklärten Werbungskosten des Kl bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und aus Vermietung und Verpachtung ab und setzte mit Bescheid vom 22. September 2008 die ESt 2006 in Höhe von 10.080 EUR fest. Er zog hiervon die Schweizer Abzugssteuer in Höhe von 3.226 EUR zurück.

Hiergegen legten die Kl Einspruch ein.

Während des Rechtsbehelfsverfahrens änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 mit Bescheid vom 17. Juli 2009 zugunsten der Kl – er berücksichtigte nunmehr die vom Kl geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit – auf 9.386 EUR. Im Übrigen wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2009 als unbegründet ab.

Hiergegen erhoben die Kl Klage und machen im Wesentlichen geltend, die vom Schweizer Arbeitgeber des Kl gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit seien gemäß § 3b Einkommensteuergesetz (EStG) in der für das Streitjahr geltenden Fassung steuerfrei. Diese würden für tatsächlich geleistete Dienste an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht neben seinem festen Monatssalär vergütet. Das Grenzgängerhandbuch Fach B Teil 12 Nummer 10 sehe vor, dass auch Pauschalzuschläge steuerfrei sein können, soweit sie den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistet Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entsprächen. Diese Vorgehensweise stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Danach seien pauschal gezahlte Zuschläge dann steuerfrei, wenn der Arbeitgeber die entsprechenden tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden auflistet, danach zum Jahresende abrechnet und zu viel gezahlte Pauschalzuschläge nachträglich der Lohnbesteuerung unterwirft. Da ein Schweizer Arbeitgeber nicht zum Steuerabzug an den deutschen Fiskus verpflichtet sei, könne die erforderliche „Abrechnung” vom Steuerpflichtigen vorgenommen werden und zwar im Rahmen der Grenzgänger-Veranlagung. Die Schichtzulage sei danach unter Beachtung des Grenzgängerhandbuchs steuerfrei zu belassen, da die Zuschläge durch Einzelauflistung den tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten konkret zugeordnet werden könne. Die Einzelauflistung weise die tatsächlichen Arbeitsstunden für das gesamte Jahr nach und damit auch an Sonntagen, Feiertagen und für Nachtarbeit, wobei die Nachtarbeit zwischen 0 Uhr und 4 Uhr nochmals getrennt ausgewiesen worden sei. Die steuerfreien Zuschläge beliefen sich auf 9.108,25 SFr. (5.783 EUR). Des Kl Arbeitslohn sei damit mit 66.738 EUR anzusetzen.

Im Übrigen sei bei den Veranlagungen der Vorjahre diese Berechnung der Steuerfreiheit der Zuschläge vom Bekl anerkannt worden. Die Einzelaufstellung habe der Kl auf Wunsch des Bekl -früher sei für seine Besteuerung die Hauptstelle zuständig gewesenerstellt. Ein entsprechendes Schreiben des Bekl vom 28. Juni 2006 (Herrn D) habe er zur Einsichtnahme vorgelegt. Ändere sich die interne Zuständigkeit, könne dies nicht zu einer abweichenden Steuerfestsetzung führen. Er habe die von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Dienstpläne verwendet. Die Dienstpläne würden vom Bundesamt für Verkehr mit Sitz in Bern überprüft. Dieses überprüfe aus Sicherheitsgründen die Arbeitszeiten. Diese überprüften Arbeitszeiten habe der Kl seiner Auflistung und Berechnung zugrunde gelegt. Außerdem unterschreibe der Betriebsleiter die Arbeitszeitlisten. Sein Arbeitgeber habe auch die Einzelaufstellungen unterschrieben, welche von seinem Prozessbevollmächtigten für den Bekl aufbereitet worden seien.

Die Kl beantragen,

den geänderten ESt-Bescheid 2006 vom 19. Januar 2012 dahin gehend zu ändern, dass die ESt in Höhe von 7.522 EUR festgesetzt wird;

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise, die Zulassung der Revision.

Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, Zuschläge, die in festen Monatsbeträgen pauschal ohne Rücksicht auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gezahlt werden, seien nicht steuerfrei. Allein die Aufzeichnung der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden reiche für eine Steuerbefreiung nicht aus. Unterliege der Arbeitslohn bei Grenzgängern zur Schweiz nicht dem Lohnsteuerabzug, finde keine für die Steuerbefreiung erforderliche Einzelabrechnung der Pauschalzuschläge durch den Arbeitgeber statt. Nach den bestehenden Verwaltungsanweisungen (Grenzgängerhandbuch) könne zwar eine „Abrechnung” durch den Kl bzw. den Bekl im Rahmen der ESt-Veranlagung vorgenommen werden. Dies setze indes voraus, dass sich die Pauschale erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetze, die sich wiederum an den tatsächlichen Soll-Arbeitsstunden der Arbeitnehmer orientierten und darüber hinaus vom Schweizer Arbeitgeber im Lohnausweis oder einer Anlage dazu auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen bzw. zur Nachtzeit sowie den darauf entfallenden Zuschlag einschließlich Zuschlagsatz bescheinigt werden. Der Kl erhalte jedoch neben dem Grundlohn eine feste Schichtzulage und zwar auch während den Urlaubs- und Krankheitszeiten. In solch einem Falle stelle die Zulage keine Abschlagszahlung dar, die im Hinblick auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werde. Im Übrigen setze die Steuerfreiheit der Zulage voraus, dass der Kl das jeweilige Reglement vorlege, woraus ersichtlich sei, wie sich die Schichtpauschale im Einzelnen zusammensetze. Einen solchen Nachweis habe der Kl nicht erbracht, da es nach seinen Angaben kein Reglement gebe, in dem die Zusammensetzung der gezahlten Schichtpauschale geregelt sei.

Die Berichterstatterin erörterte mit den Beteiligten am 28. Juli 2011 die Sach- und Rechtslage. Der Kl legte u.a. ein Schreiben seines Arbeitgebers für 2010 zur Einsichtnahme vor, nach dem er auch aus beruflichen Gründen in der Schweiz übernachtet habe. Eine Freistellung der Einkünfte begehre er indes nicht. Die Berichterstatterin gab u.a. zu bedenken, dass der Kläger in den Streitjahren in einer Anlage auf Grund von Einzelaufzeichnungen die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden aufgezeichnet habe und ein Abgleich mit dem Schichtplan unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Krankentagen erfolgt sei. Danach sei eine sachlich zutreffende Aufteilung der Zuschläge tatsächlich möglich, so dass eine Aufteilung der dem Kläger gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen erfolgen könne (vgl. BFH-Beschluss vom 9. August 2004 IV B 160/02 , Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2004, 1649; Moritz in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG , § 3b Rn. 23). Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen (Klage-Akte, S. 81-83).

Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 5. August 2011, nach Hinzuziehung der Akten der Vorjahre, dass der Kl laut Ziffer 9 des Arbeitsvertrags vom 2. Februar 2004 ein jährliches Bruttosalär von 108.600 Sfr., zahlbar in 12 Monatslöhnen von je 9.050,– Sfr. erhalte. In diesen Beträgen seien 13.600,– Sfr. jährlich bzw. 1.133,35 Sfr. monatlich an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. Dieser sei in der monatlichen Pauschale von 1.333,35 Sfr. enthalten und betrage wohl monatlich 200,– Sfr. Auf der Grundlage der vom Kl gefertigten Aufstellungen könne zwar ermittelt werden, in welcher Höhe ihm der Arbeitgeber nach der Vorschrift des § 3b EStG steuerfreie Zuschläge auszahlen dürfe. Ein Nachweis darüber, dass ihm der Arbeitgeber derartige Einzelzuschläge mit der Schichtpauschale von monatlich 1.133,35 Sfr. auch tatsächlich ausbezahlt hat, sei indes nicht erbracht worden. Die Voraussetzung für eine Steuerfreiheit, wonach eine Schichtpauschale u.a. nur dann steuerfrei bleiben könne, wenn sie sich auch erkennbar aus Einzelzuschlägen zusammensetzt, sei damit nicht erfüllt. Soweit der Bekl für die Vorjahre eine andere bzw. falsche Rechtsauffassung vertreten habe, sei er hieran wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung nicht gebunden.

Der Bekl schilderte noch die Vorgehensweise der Betriebe der Basler Chemischen Industrie in Bezug auf die pauschalen Zuschläge ihrer Mitarbeiter, die Grundlage für die Ausführungen im Grenzgängerhandbuch gewesen seien. Recherchen des Bekl im Internet hätten ergeben, dass im hier betroffenen Bereich der Schweizer Eisenbahnen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit Zuschläge gezahlt würden, die deutlich unter den Beträgen liegen würden, die sich nach den Vomhundertsätzen des § 3b EStG ergäben. Informationen habe er von der E, der D AG, und der G AG (dort sei der Kl vom 1. Januar 2003 bis 30. April 2004 beschäftigt gewesen) bekommen. Nach den Berechnungen des Kl ergäben sich im Streitfall Zulagen, die weit über den tatsächlich ausbezahlten Zulagen lägen und infolge der rechnerischen Ermittlung jährlich schwankten. § 3b EStG stelle auf den einzelnen Zuschlag für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ab und nicht auf die Summe der Zuschläge für Arbeit zu diesen Zeiten. Nur eine konkrete Zuordnung der Pauschale zu den einzelnen begünstigten Zuschlagsarten ermögliche – wegen der unterschiedlichen Vomhundertsätze für die einzelnen Zuschläge – die Überprüfung der Begrenzung der Steuerfreiheit auf die einzelnen Höchstsätze. Hinsichtlich der vom Kl gefertigten Aufstellungen sei noch darauf hinzuweisen, dass der Grundstundenlohn nicht nach der tatsächlich geleisteten, sondern der im Anstellungsvertrag vereinbarten Sollarbeitszeit (laut Ziffer 8 des Vertrags wöchentlich 40 Stunden) zu ermitteln sei. Wegen der Einzelheiten wird auf diesen Schriftsatz nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 93-132).

Daraufhin bat die Berichterstatterin den Kl um Stellungnahme und Vorlage des Gesamtarbeitsvertrags und/oder des Spesenreglements seines Arbeitgebers.

Der Kl antwortete, dass ein Ortszuschlag nicht bezahlt werde. Ein Ortszuschlag würde die Zuschläge erhöhen. Dies ergebe sich aus der Bescheinigung des Arbeitgebers vom 19. September 2011. In dieser wird ausgeführt:

  1. 1.           „Die Mitarbeiter der C Schweiz GmbH sind keinem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt. Die Zulagen sind gemäß Arbeitsvertrag bzw. in der Planungs- und Einsatzrichtlinie der C Schweiz GmbH geregelt. Zudem werden die gesetzlichen Vorgaben gemäß Arbeitszeitgesetz (AZG) eingehalten und umgesetzt.
  2. 2.           Es ist richtig, dass die C Schweiz GmbH derzeit keine Lokführer angestellt hat, welche einen anderen Dienstort als X/Schweiz haben. Somit wird hier in X/Schweiz kein Ortszuschlag vergütet.
  3. 3.           Die Einsätze an Sonn- und Feiertagen ergaben sich zum einen aus der Schichtrotation, aber auch aus der aktuellen betrieblichen Lage im Tagesgeschäft. Eine tatsächliche Berechnung der Nebenbezüge (Zulagen) im Vorfeld ist somit nicht möglich, sondern kann allenfalls geschätzt werden.
  4. 4.           Das Arbeitsgesetz ist für alle konzessionierten Eisenbahnunternehmen in der Schweiz grundlegend und findet bei der C Schweiz GmbH vollumfänglich Anwendung. Das Bundesamt für Verkehr hat als hoheitliche Behörde stets das Recht, Kontrollen bezüglich der Einhaltung durchzuführen.”

 

Die Planungs- und Einsatzrichtlinien seines Arbeitgebers, gültig ab 1. Januar 2010, fügte der Kl bei. Darin ist u.a. vermerkt:

„7. Leistungsnachweis

Grundsätzlich wird die erbrachte Arbeitszeit von MEV übernommen. In der Abrechnungsstelle werden nur noch die Zeitgutschriften (Nachtzuschlag) nachgetragen.

8. Pausen / Nachtzuschläge

8.1 AZG

Die Abrechnung respektive die Zuschläge für die Pausen wie auch die Zuschläge für Nachtarbeit werden gemäss AZG [Arbeitszeitgesetz] / AZGV [Verordnung zum Arbeitszeitgesetz ] kalkuliert und auf Ihrer persönlichen Abrechnung ausgewiesen.

8.2 Verpflegungspauschale

Die Höhe der Pauschale richtet sich nach der Abwesenheit vom Dienstort und bezieht sich jeweils auf die Dienstschichten. Die Abrechnung erfolgt über die Schichtprotokolle und Stundenabrechnungen. …

10. Ausfüllen des Leistungsformulars

10.1 Spalte Datum / Tag

Jeder Tag muss vermerkt werden; Ruhetage oder UEZ [Überstundenzuschlag] – Bezug sind immer einzeln als solche in der Spalte Arbeit zu vermerken. Bei Ferien können die reinen Ferientage MO – FR als Block zusammengefasst werden.

10.6 Spalten Arbeitszeit, Zuschläge

In Basisarbeitszeit ist das Total der AZ des ganzen Dienstes, also innerhalb DA [Dienstantritt] – DE [Dienstende] zu notieren. Die übrigen Zuschläge errechnen sich nach den Vorgaben des AZG/AZGV. (Die letzte Spalte Auswärts-Zuschlag ist nicht AZG-relevant).”

Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 30. September 2011 nebst Anlagen Bezug genommen (Klage-Akte, S. 135-145).

Mit Bescheid vom 19. Januar 2012 änderte der Bekl die ESt-Festsetzung 2006 auf 9.234 EUR. Er erkannte nunmehr bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 504 EUR für eine Fahrt zum vermieteten Objekt an.

Mit Schreiben vom 22. Mai 2012 wies die Berichterstatterin den Vertreter des Kl sowie den Bekl auf das nach dem Erörterungstermin ergangene Urteil des BFH vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 (Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2012, 291 ) nebst zwei Aufsätzen hierzu hin.

Der Bekl erwiderte mit Schreiben vom 4. Juni 2012, dass der BFH bestätige, dass pauschal gezahlte Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nur in Ausnahmefällen steuerfrei belassen werden dürften. Der Kl habe zwar unstreitig die Anzahl der geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitsstunden nachgewiesen. Die Zahlung der monatlichen Pauschale sei indes nicht an eine bestimmte im Vorhinein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte Stundenzahl geknüpft worden (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 28. November 1990 VI R 56/90 , BStBl. II 1991, 298). Im Übrigen seien in den Urteilsfällen VI R 56/90 und VI R 18/11 –im Gegensatz zum Streitfall– die vom Arbeitgeber bezahlten Einzelzuschläge auch der Höhe nach (im Voraus) vertraglich festgelegt gewesen. Im Streitfall habe der Kl rein rechnerisch ermittelt, in welcher Höhe sein Arbeitgeber steuerfreie Zuschläge hätte auszahlen dürfen. Er könne aber keinen Aufschluss darüber geben, welche Stundenzahl und welche Zuschläge der Arbeitgeber bei den Ermittlungen der monatlichen Pauschale tatsächlich zugrunde gelegt hat. Infolgedessen sei in Bezug auf die Pauschale weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich. Ferner werde im Streitfall die Pauschale nicht neben dem Grundlohn gewährt, sondern sei Teil der einheitlichen Entlohnung. Dies ergebe sich aus dem Arbeitsvertrag Ziffer 9, wonach der Kl ein jährliches Bruttosalär einschließlich der pauschalen Zuschläge erhalte.

Die Kl antworteten mit Fax vom 20. Juni 2012, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, dass das Verfahren VI R 18/11 einen Steuerpflichtigen mit einem inländischen Arbeitgeber betreffe. Im Streitfall gebe es die Besonderheit, dass der Schweizer Arbeitgeber des Kl nicht nach § 41b EStG verpflichtet werden könne, eine jährliche Abrechnung zu erstellen. Ferner sei im Verfahren VI R 27/10 keine Einzelauflistung / Einzelabrechnung vorgelegt, sondern eine prozentuale Ermittlung vorgenommen worden. Ein Pauschalzuschlag sei steuerfrei, als er insoweit den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entspreche. Da der Kl einen Schweizer Arbeitgeber habe, sei die erforderliche „Abrechnung” durch den Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung zulässig. Seine, des Kl, Schichtzulage sei steuerfrei, da sie durch seine Einzelauflistung der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zugeordnet worden sei.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, so der Bekl mit Schreiben vom 5. August 2011 und die Kl mit Schreiben vom 30. September 2011.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Von den vom Schweizer Arbeitgeber an den Kl pauschal gezahlten Zuschlägen in Höhe von insgesamt 16.000 SFr. ist nicht ein Betrag von 9.108,25 SFr. als steuerfreier Arbeitslohn zu behandeln.

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen. Nach § 3b Abs. 2 S. 1 EStG ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Er ist in einen Stundenlohn umzurechnen. Unter Berücksichtigung des Wortlauts „neben” kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b Abs. 1 EStG nicht in Betracht, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit allgemein pauschaliert abgegolten wird und deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich ist (BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 , BStBl. II 2012 , 291 ).

Der Kl hat indes eine pauschale Vergütung der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten, die nicht neben seinem Grundlohn, sondern als fester monatlicher Bestandteil seines Arbeitslohns ausbezahlt wurde. Sie war Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch nachts, bzw. an Sonntagen und Feiertagen geleistete Tätigkeit des Kl. Dies belegt § 9 des Arbeitsvertrags, nach dem der Kl einen monatlichen Fixbetrag ausbezahlt bekommt, unabhängig davon, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit er seine Arbeit verrichtet. Der Kl hat die pauschalen Zuschläge endgültig erhalten. Sie haben nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung den Charakter einer allgemeinen Lohnerhöhung, da sie unabhängig von der tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ausbezahlt werden und zwar jeden Monat i.H.v. 1.333,35 SFr. Sie gehören infolgedessen zum laufenden –steuerpflichtigen– Arbeitslohn. Denn laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, laufende Zulagen oder Zuschläge, etc.; BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 VI R 50/09 , BStBl. II 2011, 43). Vereinbaren der Kl und sein Arbeitgeber einen monatlichen Betrag, nach dem die Zuschläge aus Praktikabilitätsgründen ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet werden, dient die Pauschale nicht lediglich als rechnerische Größe zur Ermittlung des Lohnzusatzes. Denn der Arbeitgeber des Kl hat die pauschalen Zuwendungen nicht als Abschlagszahlung oder Vorschuss auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 2011 VI R 18/11 , Juris).

Diese Auslegung ist mit dem Sinn und Zweck der Norm vereinbar. Denn § 3b Abs. 1 EStG soll gewährleisten, dass nur Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeine Gegenleistung für die Arbeitsleistung – so wie im Streitfalldarstellen (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08 , BFH/NV 2010, 201 ).

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht unter Berücksichtigung der vom Kl anhand der Dienstpläne gefertigten und von seinem Arbeitgeber unterschriebenen Einzelaufstellungen der unstreitig tatsächlich geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und des hieraus verhältnismäßig ermittelten steuerfreien Arbeitslohns. Zu Recht geht zwar der Kl davon aus, dass eine Steuerfreiheit zu bejahen ist, wenn eine sachlich zutreffende, d.h. nicht nur rechnerische, Aufteilung der ihm pauschal gezahlten Zuschläge in steuerpflichtige und steuerfreie Zahlungen möglich ist (BFH-Beschluss vom 9. August 2004 VI B 160/02 , BFH/NV 2004, 1649 ). Die Aufstellungen und Berechnungen des Kl ermöglichen jedoch allenfalls eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten). Eine Zurechnung der Höhe nach (Steuerfreistellung nach %-Sätzen des Grundlohns) ergibt sich aus ihnen nicht. Die vom Arbeitgeber des Kl bezahlten Einzelzuschläge sind der Höhe nach nicht vertraglich festgelegt gewesen. Vereinbart war eine Pauschale, deren Ermittlung weder dem Arbeitsvertrag noch dem Schreiben des Arbeitgebers vom 19. September 2011 noch den Planungs- und Einsatzrichtlinien des Arbeitgebers zu entnehmen ist. Der Arbeitgeber des Kl verweist insoweit auf seine Kalkulation gemäß AZG und AZGV. Außerdem schwanken infolge der rechnerischen Ermittlung durch den Kl die Zuschläge jährlich.

Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln (siehe zur „Differenzbesteuerung” BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 16/08 , BFH/NV 2010, 201 ). Denn die Steuerbefreiung setzt voraus, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagsarbeit und dem Lohn hergestellt wird (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 27/10 , BFH/NV 2011, 683 ).

Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung sind nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG ) gleichmäßig anzuwenden. Eine Differenzierung nach dem Sitz des Arbeitgebers wäre insoweit nicht sachgerecht.

Dem steht nicht das Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft (EG ) und ihren Mitgliedern vom 21. Juni 1999 (sog. Freizügigkeitsabkommen – FZA –, Bundesgesetzblatt – BGBl. – II 2001, 811), das am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist (offen gelassen vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Nichtannahmebeschluss vom 3. November 2003 2 BvR 168/02, Internationales Steuerrecht (IStR) 2004, 125) entgegen, auch wenn das FZA, ein sektorspezifisches Abkommen, ein völkerrechtlicher Vertrag ist, der bestimmte, im Einzelnen geregelte Freiheiten garantiert und ein allgemeines Diskriminierungsverbot formuliert (vgl. Urteil des Finanzgerichts – FG – Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, Entscheidungen der FG – EFG – 2010, 1997).

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfasst nach Art. 39 Abs. 2 und 3 des Vertrags zur Gründung der EG vom 7. Februar 1992 in der Fassung des Vertrags von Nizza vom 26. Februar 2001 (BGBl. 2002 II, 1666 ), geändert durch den Beitrittsvertrag (BGBl. 2003 II, 1477 ), das Recht auf Ausreise aus dem Heimatstaat, das Recht auf Einreise und Aufenthalt im Aufnahmestaat sowie das Recht auf Gleichbehandlung beim Zugang und bei Ausübung einer Beschäftigung (Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003 , Beilage 2, 75). Der Sinn und Zweck der Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht in der Möglichkeit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Sie enthält neben einem Diskriminierungsverbot, einem Gebot der Inländergleichbehandlung im Aufnahmestaat, ein Recht auf nahezu unbegrenzt grenzüberschreitende Betätigung (Freiheitskomponente), das in ein Beschränkungsverbot mündet. Sie ist damit auch betroffen, wenn eine nationale Regelung geeignet ist, einen Arbeitnehmer an der Aufnahme einer Arbeit in einem anderen Staat zu behindern (EuGHUrteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00, BFH/NV 2003 , Beilage 2, 75). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Denn dem Kl wird die Steuerfreiheit des § 3b Abs. 1 EStG nicht deshalb verwehrt, weil sein Arbeitgeber ein Schweizer Arbeitgeber ist, sondern weil die Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 EStG nicht erfüllt sind. Letztendlich begehrt der Kl die Möglichkeit eines einfacheren Nachweises der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung eines Teils seines Arbeitslohns, da er einen ausländischen Arbeitgeber hat. Eine solche Beweiserleichterung lässt sich jedoch mit dem FZA nicht begründen. Nach Art. 31 Abs. 1 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge ist das FZA nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen (EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-70/09, Tz. 36, 42, Juris). Für seine Auslegung sind die im Abkommen selbst festgeschriebenen Zielsetzungen sowie „das Niveau der sektoriellen Integration in den gemeinsamen Binnenmarkt entscheidend” (Imhof, Das Freizügigkeitsabkommen EG -Schweiz und seine Auslegungsmethode – Teil 1, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht – ZESAR – 2007, 155 ff.). Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Art. 21 FZA darauf schließen lässt, dass, nach dem Willen der Vertragsparteien, das FZA grundsätzlich keine Anwendung auf Steuernormen finden soll (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 21. Juli 2010 14 K 1469/10, EFG 2010, 1997 ). Hinzu kommt, dass das FZA als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG ) und damit einem Steuergesetz nicht vorgeht. § 2 Abgabenordnung (AO) , nach dessen Wortlaut völkerrechtliche Verträge über die Besteuerung den Steuergesetzen vorgehen, kann als einfaches Recht keinen allgemeinen Vorrang völkerrechtlicher Verträge begründen, so dass eine Normenkollision im konkreten Einzelfall nach den allgemeinen Regeln aufzulösen ist (Drüen in Tipke/Kruse, AO , § 2 Rn. 1 f., 38). Entscheidend ist daher, welche Vorschrift als die speziellere anzusehen ist. Dies ist im Streitfall § 3b Abs. 1 EStG .

Entgegen der Ansicht der Kl war der Bekl ferner nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes nach Treu und Glauben am Erlass des angefochtenen ESt-Bescheids 2006 gehindert. Der Bekl ist bei einem Zuständigkeitswechsel infolge der Abschnittsbesteuerung nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen Bearbeiters gebunden. Im Übrigen stellt das Schreiben des früheren Bearbeiters vom 28. Juni 2006 keine verbindliche Auskunft dar. Es fehlt insoweit an einer behördlichen Erklärung, die sich auf einen erst in Zukunft zu verwirklichenden Sachverhalt bezieht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Mai 2004 I R 54/03 , BStBl. II 2004, 767). Soweit die Kl geltend machen, die Entscheidung weiche von Fach B Teil 2 Nummer 10 des Grenzgängerhandbuchs ab, geht es ihnen um einen Vertrauensschutz aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls. Sie begehren die Anwendung der Ausführungen im Grenzgängerhandbuch, einer Verwaltungsanweisung, zu ihren Gunsten. Diesbezüglicher Vertrauensschutz wird nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1998 X R 110/95 , BStBl. II 1999 , 225 ; vom 30. April 2009 V R 15/07, BStBl. II 2009, 744 und vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256 ). Streitgegenstand ist jedoch die ESt-Festsetzung 2006.

Aus den genannten Gründen kann dahin gestellt bleiben, ob der Kl den Grundlohn entsprechend § 3b Abs. 2 S. 1 EStG berechnet hat. Danach orientiert sich dieser an der für den Kl maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit und nicht nach den tatsächlich geleisteten Stunden.

Nachdem das Einverständnis beider Beteiligter vorliegt, hält es der Senat für sachgerecht, gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kl gemäß § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ). Denn das Verhältnis des FZA zum nationalen Steuerrecht bei einem Arbeitnehmer und dessen Auswirkungen auf Nachweispflichten ist noch nicht geklärt.

Berücksichtigung von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen (BFH)

Steuerrechtliche Berücksichtigung von ausländischen Sozialversicherungsbeiträgen

 Leitsatz

1. Obligatorische Beiträge an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie aus Einkünften stammen, die in Deutschland aufgrund des DBA-Schweiz steuerfrei sind.

2. Der fehlende Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

3. Die entsprechenden Beiträge können auch nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden.

 Gesetze

EStG § 10 Abs. 2 Nr. 1
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32b Abs. 1 Nr. 3
EStG § 32b Abs. 2 Nr. 2
GG Art. 3
EG Art. 43
FZA Art. 1 Buchst. a
FZA Art. 16 Abs. 2

 Instanzenzug

FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 21. Juli 2009 11 K 378/07 (EFG 2010, 208 )BFH X R 62/09

 Gründe

A.

1  Der im Inland ansässige Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 2005 als Unternehmensberater Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Geschäftsführer der U-Aktiengesellschaft mit Sitz in A, Schweiz) sowie aus Gewerbebetrieb (R-Unternehmensberatung, mit Sitz in B, Schweiz).

2  Die gewerblichen Einkünfte sind —was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht— nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BStBl I 1972, 518) i.d.F. des Revisionsprotokolls vom 12. März 2002 (BStBl I 2003, 165) —DBA-Schweiz — in Deutschland steuerfrei. Sie unterliegen allerdings dem Progressionsvorbehalt nach § 32b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung (EStG ).

3  Auf diese Einkünfte hatte der Kläger Beiträge zur Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) in Höhe von 31.096,61 € zu entrichten. Dabei handelt es sich nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) um obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung (vgl. Art. 112 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 i.V.m. Art. 1a Abs. 1 Buchst. b, Art. 8 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung —AHVG—). Diese Beiträge sind nach dem Einkommensteuerrecht der Schweiz zur Ermittlung des Reineinkommens abziehbar (Art. 33 Abs. 1 Buchst. d des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer —DBG—) und wurden vom Kläger bei der Ermittlung seines der Schweizer Bundessteuer unterliegenden Einkommens abgezogen. In seiner deutschen Einkommensteuererklärung machte der Kläger die AHV-Beiträge zum einen als Sonderausgaben geltend und erhöhte zum anderen für Zwecke der Ermittlung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte das der schweizerischen Besteuerung unterliegende Einkommen um diese Beträge auf 641.024,35 CHF (413.460,71 €).

4  Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte die AHV-Beiträge weder als Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen der Sonderausgaben noch zog das FA die AHV-Beiträge bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes gemäß § 32b EStG von den gewerblichen Einkünften in Höhe von 413.460 € ab.

5  Mit seiner nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte der Kläger im Wesentlichen geltend, unter Berücksichtigung des Paradigmenwechsels bei der Besteuerung der Renten im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG ) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427 ) stehe der AHV-Beitrag in Zusammenhang mit (künftig) steuerpflichtigen Rentenzahlungen. Demnach seien Vorsorgeaufwendungen nicht nur Maßnahmen der Einkommensverwendung, sondern Aufwendungen zur Einkünfteerzielung. Auch die Rente seines ausländischen Versorgungsträgers sei bei Auszahlung im Inland steuerpflichtig. Müsse er aber die Renteneinnahmen im Zeitpunkt des Zuflusses versteuern, ohne dass die hierfür erforderlichen Beiträge als Sonderausgaben berücksichtigt worden seien, treffe ihn eine doppelte Belastung. Werde der vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710) geprägte Grundsatz der intertemporalen Korrespondenz beachtet, seien die AHV-Beträge abziehbar.

6  Das FG wies die Klage mit dem in Entscheidungen des Finanzgerichte (EFG) 2010, 208 veröffentlichten Urteil ab. Die Beiträge des infolge seines inländischen Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtigen Klägers zur Schweizer AHV in Höhe von 31.096,61 € seien nicht als Sonderausgaben abziehbar, weil sie gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den aufgrund des DBA-Schweiz steuerfreien Einkünften aus der Unternehmensberatung des Klägers stünden. Der Kläger werde durch die Versagung des Sonderausgabenabzugs nicht doppelt belastet, da eine Doppelbelastung nur vorliege, wenn ein Steuerpflichtiger seine Beiträge zur Altersversorgung aus versteuertem Einkommen leiste. Die Einkünfte aus der Unternehmensberatung des Klägers hätten sein im Inland zu versteuerndes Einkommen nicht erhöht und seien schon deshalb „steuerfrei” gestellt worden. Im Übrigen seien die Beiträge zur AHV auch nicht in der Schweiz besteuert, sondern vielmehr von den Einkünften abgezogen worden, so dass auch staatenübergreifend keine Doppelbelastung vorliege.

7  Der Kläger wendet sich mit seiner Revision gegen die Anwendung des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG . Das Merkmal „Zusammenhang mit steuerfreien Einkünften” müsse im Hinblick auf die nachgelagerte Besteuerung anders ausgelegt werden. Seit dem Inkrafttreten des AltEinkG bestehe nicht mehr allein ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Vorsorgeaufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung und den Einkünften desselben Zeitraums, sondern auch mit den zukünftigen steuerpflichtigen Einnahmen im Rentenbezugszeitraum. Die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs sei nach der bis 2004 geltenden Rechtslage sinnvoll gewesen, weil der Zufluss der späteren Renteneinkünfte seinerseits steuerfrei geblieben wäre. Dadurch sei eine überproportionale Begünstigung des Steuerpflichtigen vermieden worden, der neben —ggf. unter Progressionsvorbehalt stehenden— steuerfreien auch steuerpflichtige Einkünfte bezogen habe. Nach dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung könne es jedoch nicht allein darauf ankommen, welches Schicksal die im Zusammenhang mit den Aufwendungen stehenden jetzigen Einnahmen hätten. Vielmehr ergebe sich aus dem ebenfalls unbestreitbaren Sachzusammenhang mit den späteren steuerpflichtigen Renten ein weiteres Differenzierungskriterium. Die Vorsorgeaufwendungen würden aus Einkünften geleistet, die dem Grunde nach besteuert werden könnten. Die Freistellung aufgrund des DBA-Schweiz bewirke, dass der Schweiz das Recht zur Besteuerung zugeteilt werde. Ob die Schweiz von diesem Recht Gebrauch mache, dürfe nicht von Bedeutung sein, da es eine Frage des schweizerischen Steuerrechts sei.

8  Der Kläger beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den geänderten Bescheid über die Einkommensteuer 2005 vom 25. Juni 2007 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens ein weiterer Betrag in Höhe von 31.096 € bei der Berechnung der anzusetzenden Altersvorsorgeaufwendungen berücksichtigt wird.

9  Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10  Unter dem 12. Januar 2010 und unter dem 15. Februar 2011 wurde der Einkommensteuerbescheid 2005 jeweils aus zwischen den Beteiligten nicht strittigen Gründen geändert.

B.

I.

11  Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, da der während des Revisionsverfahrens ergangene Änderungsbescheid vom 15. Februar 2011 an die Stelle des Änderungsbescheids vom 12. Januar 2010 trat, der seinerseits an die Stelle der Einkommensteuerfestsetzung vom 25. Juni 2007 getreten war. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (siehe dazu Senatsurteil vom 21. Juli 2004 X R 46/02, BFH/NV 2004, 1643 , m.w.N.).

12  Der Bescheid vom 15. Februar 2011 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich durch den Änderungsbescheid der bisherige Streitstoff nicht verändert hat, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 127 Rz 2). Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (vgl. BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00 , BFHE 201, 269 , BStBl II 2004, 43).

II.

13  Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO ). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die von ihm an die AHV geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen zwar grundsätzlich gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in den Grenzen des § 10 Abs. 3 EStG geltend machen kann (unten 1.), dem Sonderausgabenabzug jedoch § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG entgegensteht (unten 2.). Eine Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des Progressionsvorbehalts ist ebenfalls nicht möglich (unten 3.).

14  1. Die AHV-Beiträge sind grundsätzlich als Vorsorgeaufwendungen abziehbar, weil die AHV als Sozialversicherungsträger i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG anzusehen ist. Hierzu hat das FG —den erkennenden Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend— festgestellt, dass im Streitfall obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung vorliegen. Ob es sich um einen in- oder ausländischen Sozialversicherungsträger handelt, ist insoweit ohne Belang (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06, BFHE 225, 421 , BStBl II 2009, 1000).

15  2. Der Sonderausgabenabzug der aufgrund der gewerblichen Tätigkeit zu entrichtenden Beiträge an die AHV scheitert jedoch gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG daran, dass die Beiträge in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

16  Ein solcher unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht zwischen den vom Kläger an die AHV geleisteten Beiträgen und seinen im Inland steuerbefreiten Einkünften aus der in der Schweiz ausgeübten gewerblichen Tätigkeit (unten a und b). Der Ausschluss dieser ausländischen Vorsorgeaufwendungen vom Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht (unten c).

17  a) Zu § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. vor dem Inkrafttreten des AltEinkG hat der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen ist, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (Urteile vom 18. Juli 1980 VI R 97/77, BFHE 131, 339 , BStBl II 1981, 16 zum steuerfreien Arbeitslohn aufgrund des Montage-Erlasses; vom 27. März 1981 VI R 207/78, BFHE 133, 64 , BStBl II 1981, 530 zum gemäß § 3 Nr. 63 EStG 1975 steuerfreien Arbeitslohn für eine Tätigkeit in der Deutschen Demokratischen Republik, und vom 29. April 1992 I R 102/91, BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149 zu den aufgrund eines DBA steuerfreien Einkünften). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst. In diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor. Die mit der Verausgabung der Pflichtbeiträge verbundene Minderung der Leistungsfähigkeit wird bereits durch den Bezug der steuerfreien Einnahmen aufgefangen (so auch u.a. BFH-Urteil in BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149).

18  Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist danach dadurch gegeben, dass die steuerfreien Einnahmen verpflichtend der Finanzierung der Vorsorgeaufwendungen dienen. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob die Vorsorgeaufwendungen zu steuerfreien Einnahmen führen (vgl. auch Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff —KSM—, EStG , § 10 Rz M 5 ff., M 13 ff.).

19  b) Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des erkennenden Senats ebenfalls für die Rechtslage nach Inkrafttreten des AltEinkG .

20  aa) Durch das AltEinkG wurde der Wortlaut des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht geändert. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelungen zu den Nrn. 1 und 2 Buchst. a und c der bisherigen Regelung entsprächen (Gesetzentwurf des AltEinkG , BTDrucks 15/2150, 34).

21  Durch das Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 16. Juli 2009 (BGBl I 2009, 1959 ) wurde lediglich eine Sonderregelung für steuerfreie Zuschüsse zu Kranken- und Pflegeversicherungen eingeführt. Danach stehen derartige Zuschüsse insgesamt in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG . Hierdurch wird sichergestellt, dass Beiträge zur Absicherung von Mehrleistungen bei privat krankenversicherten Arbeitnehmern genauso behandelt werden wie bei gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmern (vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/13429, 44).

22  bb) Das neue System der Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte aufgrund des AltEinkG mit der grundsätzlichen Ausrichtung auf die nachgelagerte Besteuerung, die zu einer die gesamten Renteneinnahmen umfassenden Besteuerung führt, erfordert keine Änderung bzw. Anpassung der BFH-Rechtsprechung.

23  Mit dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung wurde die Besteuerung von Leibrenten neu geregelt. Rentenzuflüsse, also die zeitlich gestreckte Auszahlung der Versicherungssumme, können jetzt, auch soweit sie auf eigenen Beitragszahlungen des Steuerpflichtigen zur Rentenversicherung beruhen, über den Ertragsanteil hinaus der Besteuerung unterworfen werden. Zumindest solange die Beitragszahlungen „steuerfrei” gestellt werden, wird der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum nicht überschritten (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710).

24  Eine solche Steuerfreistellung ist hier gegeben. Zwar mindern die Beiträge zur schweizerischen AHV die inländische Bemessungsgrundlage nicht. Dafür werden aber die mit den AHV-Beiträgen untrennbar verbundenen gewerblichen Einkünfte des Steuerpflichtigen gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DBA-Schweiz von der inländischen Bemessungsgrundlage ausgenommen. Einer weitergehenden steuerlichen Berücksichtigung dergestalt, dass die Beiträge zusätzlich noch die inländische Bemessungsgrundlage vermindern, bedarf es nicht.

25  c) Die fehlende steuerliche Berücksichtigung der auf die gewerbliche Tätigkeit des Klägers entfallenden schweizerischen AHV-Beiträge verstößt weder gegen verfassungsrechtliche Grundsätze noch gegen das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen —FZA—, BGBl II 2001, 811 ).

26  aa) In dem fehlenden Sonderausgabenabzug liegt keine Verletzung des aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleiteten Leistungsfähigkeitsprinzips, insbesondere kein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip.

27  aaa) Die Altersvorsorgeaufwendungen sind zwar seit der Neuregelung durch das AltEinkG unstreitig ihrer Rechtsnatur nach Werbungskosten. Der erkennende Senat hat aber in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Gesetzgeber diese Vorsorgeaufwendungen trotz ihrer Rechtsnatur konstitutiv den Sonderausgaben und nicht den Werbungskosten zuweisen konnte (vgl. u.a. Senatsurteile vom 18. November 2009 X R 34/07 , BFHE 227, 99 , BStBl II 2010, 414, X R 45/07, BFH/NV 2010, 421 , unter II.2.b bb, X R 9/07, BFH/NV 2010, 412 ; X R 6/08, BFHE 227, 137 , BStBl II 2010, 282, und vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165 , BStBl II 2010, 348).

28  bbb) Verfassungsrechtlich kann die Einordnung der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben nur dann einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen, wenn die daraus resultierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen zu einer nicht gerechtfertigten steuerlichen Ungleichbehandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Vergleich zu anderen vorweggenommenen Werbungskosten führen (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2010, 421 , unter II.2.b cc).

29  So ist die unterschiedliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und anderen (vorweggenommenen) Werbungskosten, wie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, vor dem Hintergrund, dass diese Aufwendungen keinen ausschließlichen Werbungskostencharakter haben, sachlich gerechtfertigt, zumal es sich eher um Ausnahmefälle mit nicht besonders gravierenden unterschiedlichen Rechtsfolgen handelt, so dass die damit verbundenen Nachteile vor allem aus Gründen der Praktikabilität hinzunehmen sind (zur Vermeidung von Wiederholungen vgl. statt vieler Senatsurteil in BFHE 227, 165 , BStBl II 2010, 348, unter B.II.2.b cc ccc und ddd).

30  ccc) Im Streitfall ist jedoch bereits keine Ungleichbehandlung zu erkennen. Bei einer Einordnung der ausländischen Vorsorgebeiträge als Werbungskosten wäre zwar nicht § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG , dafür aber § 3c Abs. 1 EStG zu prüfen gewesen. Danach dürfen Ausgaben nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

31  Da der Wortlaut beider Abzugsverbote im Kern identisch ist, ist davon auszugehen, dass auch der Begriff „unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang” in beiden Vorschriften gleich auszulegen ist (ebenso BFH-Urteil in BFHE 168, 157 , BStBl II 1993, 149). Das bedeutet dann aber auch, dass es zu einer verfassungsrechtlich problematischen Ungleichbehandlung nicht kommen kann, unabhängig davon, ob § 3c Abs. 1 EStG oder § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG anzuwenden ist.

32  So wären im Streitfall die AHV-Beiträge, die wegen der gewerblichen Tätigkeit in der Schweiz zu entrichten waren, wegen ihres unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs mit steuerfreien Einnahmen i.S. des § 3c Abs. 1 EStG selbst dann nicht abziehbar, wenn sie einkommensteuerrechtlich als Werbungskosten anzusehen wären.

33  Bei Altersvorsorgeaufwendungen wird die Zuordnungsproblematik dadurch erschwert, dass sie sowohl untrennbar mit den steuerbefreiten Einkünften als auch untrennbar mit den zukünftigen steuerpflichtigen Renteneinkünften verbunden sind. Diese Konstellation ist mit der Sachlage vergleichbar, bei der Werbungskosten oder Betriebsausgaben, die zu steuerpflichtigen Einnahmen führen, steuerfrei erstattet werden und deshalb wegen § 3c Abs. 1 EStG nicht abziehbar sind. Das Abzugsverbot basiert in den Fällen des Aufwendungsersatzes auf der Annahme, dass ein Abzug wegen des Fehlens einer wirtschaftlichen Belastung nicht gerechtfertigt sei (BFH-Urteile vom 6. Juli 2005 XI R 61/04 , BFHE 210, 332 , BStBl II 2006, 163, und vom 20. September 2006 I R 59/05, BFHE 215, 130 , BStBl II 2007, 756, unter II.6.d, jeweils m.w.N.). Nach der Senatsrechtsprechung bedarf es im Rahmen des § 3c Abs. 1 EStG keines unmittelbaren Zusammenhangs innerhalb derselben Einkunftsart, da entscheidend ist, dass die Ausgaben und die steuerfreien Einnahmen durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (Senatsurteil vom 28. Mai 1998 X R 32/97, BFHE 186, 275 , BStBl II 1998, 565). Damit ist ein den Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausschließender unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Ausgaben auch dann gegeben, wenn steuerfreie Einnahmen der einen Einkunftsart Werbungskosten einer anderen Einkunftsart ersetzen. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann jedoch nicht gegeben, wenn die steuerfreien Einnahmen lediglich der bloßen Finanzierung von Aufwendungen dienen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 1989 I R 208/85 , BFHE 158, 388 , BStBl II 1990, 88).

34  Bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung wäre im Streitfall der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S. des § 3c Abs. 1 EStG erfüllt gewesen, da aufgrund der obligatorischen Verpflichtung in Art. 1a Abs. 1 Buchst. b AHVG die steuerfreien gewerblichen Einnahmen des Klägers unmittelbar und untrennbar mit den AHV-Beiträgen verbunden waren; die steuerfreie Tätigkeit des Klägers war allein ursächlich.

35  ddd) Dass es systemgerecht ist, für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG entscheidend auf die Steuerfreiheit der Einnahmen, aus denen die Vorsorgeaufwendungen stammen, abzustellen, obwohl die künftigen Renteneinkünfte dem deutschen Besteuerungsrecht unterliegen und gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG nicht mehr lediglich mit dem Ertragsanteil, sondern mit dem Besteuerungsanteil —und ab dem Jahr 2040 vollständig— besteuert werden, zeigt die umgekehrte Konstellation, in der die Vorsorgeaufwendungen aus steuerpflichtigen Einkünften stammen und zu steuerfreien Einkünften führen.

36  Für diese Sachlage hat der erkennende Senat entschieden, dass im Ausland geleistete Sozialversicherungsbeiträge in dem durch § 10 Abs. 3 EStG vorgegebenen Rahmen im Inland abziehbar sind, obwohl sie zu künftigen nach dem DBA steuerfreien Alterseinkünften führen, da die Beiträge aus im Inland steuerpflichtigen Einkünften stammen (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 X R 57/06, BFHE 225, 421 , BStBl II 2009, 1000). Auf die steuerliche Behandlung der Altersrenten kommt es daher für die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht an (siehe zur vergleichbaren Konstellation beim Sonderausgabenabzug von Krankenversicherungsbeiträgen, die zu nach § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG steuerfreien Leistungen führen, KSM/Söhn, a.a.O., § 10 Rz M 13).

37  bb) Die gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG fehlende Berücksichtigung der Altersvorsorgeaufwendungen über die Steuerfreistellung der zugrunde liegenden Einkünfte hinaus stellt im Streitfall keinen Verstoß gegen das subjektive Nettoprinzip dar. Zwar hat der Senat in seinem Beschluss vom 18. Dezember 1991 X B 126/91 (BFH/NV 1992, 382 ) verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine entsprechende Auslegung des § 10 Abs. 2 EStG für den Fall geäußert, dass ein Steuerpflichtiger weder im Tätigkeitsstaat (als beschränkt Steuerpflichtiger) noch im Inland (als unbeschränkt Steuerpflichtiger) seine Vorsorgeaufwendungen geltend machen kann. Diese Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, da der Kläger —wie das FG für den Senat bindend festgestellt hat— seine Beiträge zur AHV in der Schweiz im Rahmen der Ermittlung seiner gewerblichen Einkünfte gemäß Art. 33 Abs. 1 Buchst. d DBG steuermindernd berücksichtigen konnte.

38  cc) Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG ), jetzt Art. 49 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV ), i.V.m. dem FZA aufgrund einer steuerlichen Diskriminierung seiner in der Schweiz ausgeübten gewerblichen Tätigkeit berufen.

39  aaa) Zwar ist in Art. 1 Buchst. a des seit dem 1. Juni 2002 gültigen FZA das Ziel vereinbart worden, zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz ein Recht auf Niederlassung als Selbständiger einzuräumen, so dass der Anwendungsbereich des FZA die Niederlassungsfreiheit einer natürlichen Person umfasst (Gerichtshof der Europäischen Union —EuGH—, Urteil vom 11. Februar 2010 Rs. C-541/08 —Fokus Invest—, Slg. 2010, I-1025). Auch enthalten die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit nach ständiger EuGH-Rechtsprechung das Verbot für den Herkunftsstaat, die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat zu behindern (vgl. u.a. EuGH-Urteile vom 13. April 2000 Rs. C-251/98 —Baars—, Slg. 2000, I-2787, Rz 28; vom 11. März 2004 Rs. C-9/02 —de Lasteyrie du Saillant—, Slg. 2004, I-2409, Rz 42), so dass die Weigerung des Wohnsitzstaates —hier Deutschland—, einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen die steuerliche Berücksichtigung der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge zu gewähren, eine Beschränkung dieser Freiheit darstellt, weil die betroffenen Steuerpflichtigen davon abgehalten werden könnten, die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV ) zu nutzen (so EuGH-Urteil vom 19. November 2009 Rs. C-314/08 —Filipiak—, Slg. 2009, I-11049, Rz 60 ff. und 71).

40  bbb) Allerdings beruht das letztgenannte Urteil ausdrücklich auf der Prämisse, dass die von einem Steuerpflichtigen in dem Staat der Niederlassung entrichteten Pflichtbeiträge in diesem Staat nicht abgezogen werden konnten (EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-11049, Rz 51). Diese Prämisse ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt, da der Kläger die AHV-Beiträge in der Schweiz steuermindernd geltend machen konnte.

41  ccc) Es bedarf daher keiner Entscheidung, inwieweit der Kläger sich überhaupt auf die Niederlassungsfreiheit in ihrer Ausgestaltung durch die EuGH-Rechtsprechung berufen könnte, da nach Art. 16 Abs. 2 FZA nur die Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens (21. Juni 1999) berücksichtigt werden kann, soweit für die Anwendung des FZA Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden. Später ergangene Entscheidungen des EuGH zu inhaltsgleichen Bestimmungen können wegen dieses statischen Verweises nicht zur Auslegung des FZA herangezogen werden, soweit der gemäß Art. 14 FZA eingesetzte Gemischte Ausschuss dies nicht beschlossen hat. Infolgedessen gibt das FZA eine qualitativ-zeitliche Begrenzung zur Berücksichtigung der —zumindest nicht lediglich präzisierenden— EuGH-Rechtsprechung vor (so auch BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10 , BFHE 235, 215 , m.w.N.).

42  3. Die streitigen Aufwendungen zur AHV können nicht bei der Bemessung des auf das zu versteuernde Einkommen des Klägers anzuwendenden Steuersatzes berücksichtigt werden.

43  a) Nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind die durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der deutschen Besteuerung freigestellten Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Daran anknüpfend bestimmt § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG , dass die betreffenden Einkünfte den anzuwendenden Steuersatz erhöhen oder vermindern, so dass in die von § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG vorgeschriebene Berechnung nur „Einkünfte” eingehen. Sonderausgaben zählen nicht zu den Einkünften, sondern werden erst im Anschluss an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Abs. 4 EStG ). Dies schließt ihre Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts aus (so BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 73/09 , BFH/NV 2011, 773 zur steuerlichen Berücksichtigung von Beiträgen zu einer niederländischen Krankenversicherung im Rahmen des Progressionsvorbehalts; sowie vorgehend FG Köln, Urteil vom 26. Mai 2009 1 K 3199/07 , EFG 2010, 415 ; zur Europarechtskonformität vgl. FG des Saarlandes, Urteil vom 17. Juli 2008 2 K 2194/05 , EFG 2008, 1708 ).

44  b) Da der Gesetzgeber die Altersvorsorgeaufwendungen mit konstitutiver Wirkung den Sonderausgaben zugewiesen hat (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. auch jüngst Senatsurteil vom 16. November 2011 X R 15/09, BFHE 236, 69 , BStBl II 2012, 325, unter II.2.b bb), sind die vom Kläger gezahlten AHV-Beiträge nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes abzuziehen. Die unterschiedliche Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und anderen (vorweggenommenen) Werbungskosten ist, wie oben unter B.II.2.c aa ccc dargestellt, sachlich gerechtfertigt. Für die Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen im Rahmen des § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG gilt nichts anderes.

 

Doppelbesteuerung | Ausschüttungen einer französischen SICAV (BFH)

Besteuerung von Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte an Sportveranstaltungen nach dem DBA-Österreich – BFH-Urteil vom 13.06.12   I R 41/11

 

Der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 13. Juni 2012 I R 41/11 entschieden, dass Vergütungen, die eine im Ausland ansässige Gesellschaft für die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten an Sportveranstaltungen von einer im Inland ansässigen Gesellschaft erhält, nicht in Deutschland besteuert werden können.

 

Im entschiedenen Fall hatte die Klägerin, eine in Österreich ansässige GmbH, mit einer im Inland ansässigen Sportrechtevermarktungsgesellschaft Verträge über die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten abgeschlossen. Zweck der Überlassung war die Liveübertragung bzw. Aufzeichnung bestimmter internationaler Sportveranstaltungen im deutschen Fernsehen. Die inländische Gesellschaft zahlte entsprechende Vergütungen an die Klägerin aus, behielt jedoch Steuerabzugsbeträge ein, die an das zuständige Finanzamt abgeführt wurden. Die Klägerin beantragte daraufhin beim beklagten Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) die Erstattung dieser einbehaltenen Beträge, da aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich (DBA-Österreich) Deutschland kein Besteuerungsrecht an diesen Vergütungen zustehe. Dem waren zunächst das BZSt und dann das Finanzgericht nicht gefolgt. Der BFH gab nun der Klägerin Recht.

 

Nach der Entscheidung des BFH ordnet das DBA-Österreich in seinem Art. 17 (zur Besteuerung von Künstlern und Sportlern) das Besteuerungsrecht dem anderen Vertragsstaat zu, in dem der Rechteinhaber ansässig ist (hier Österreich). Die Vergütungen für die Fernsehübertragungsrechte, welche vom Rechteinhaber erworben werden, werden geleistet, um die Sportveranstaltung im Fernsehen zeigen zu dürfen. In der Übertragung schlagen sich zwar maßgeblich auch die sportlichen Tätigkeiten der einzelnen Sportler nieder. Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich aber nicht um Einkünfte des Sportlers selbst. Dies ist nach Auffassung des BFH aber Voraussetzung, um zu einer Besteuerung dieser Einkünfte im Quellenstaat (hier Deutschland) kommen zu können.

 

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.6.2012, I R 41/11

Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte nach dem DBA-Österreich 2000 – Abkommensrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Veranstalters von Sportveranstaltungen

Leitsätze

1. Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 setzt nicht voraus, dass Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler selbst gezahlt werden.

 

2. Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers (Anschluss an Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625).

Tatbestand

1
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die auf ihre Einkünfte aus der Überlassung von Fernsehübertragungsrechten einbehaltenen und abgeführten Abzugsteuern nach § 50d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) ein Freistellungsbescheid zu erteilen ist.
2
Die Klägerin, eine in Österreich ansässige GmbH, unterhielt in den Streitjahren 2006 und 2007 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) weder eine Betriebsstätte noch hatte sie einen ständigen Vertreter. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Rechten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit schloss sie mit der in Deutschland ansässigen B-GmbH in den Jahren 2005 bis 2007 Verträge über die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten an näher bezeichneten internationalen Sportveranstaltungen ab, die zum Teil in Deutschland stattfanden. Zweck der Überlassung war die Liveübertragung oder Nachverwertung von Aufzeichnungen der bezeichneten Sportveranstaltungen im deutschen Fernsehen. Aufgrund dieser Verträge zahlte die B-GmbH in den Streitjahren die in den Verträgen vereinbarten Brutto-Vergütungen und behielt hiervon gemäß § 50a Abs. 4 EStG 2002 Abzugsbeträge zur Körperschaftsteuer ein, die sie an das zuständige Finanzamt abführte.
3
Mit mehreren seit dem 11. April 2006 gestellten Anträgen beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundeszentralamt für Steuern –BZSt–) nach § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 i.V.m. § 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) zunächst die Freistellung von Abzugsteuern und sodann die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000 (BGBl II 2002, 734, BStBl I 2002, 584) –DBA-Österreich 2000–.
4
Das BZSt lehnte den Erlass einer Freistellungsbescheinigung sowie eines Freistellungsbescheides auf der Grundlage des § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 ab. Es vertrat die Ansicht, dass nach Art. 17 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den Vergütungen Deutschland zustehe. Das Finanzgericht (FG) Köln wies die anschließende Klage, mit der die Klägerin nur noch die Erstattung der abgeführten Beträge begehrte, mit Urteil vom 17. März 2011  2 K 2278/08 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1428) ab. Es war der Auffassung, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch hinsichtlich der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge zustehe, da nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den streitigen Vergütungen Deutschland als Quellenstaat zustehe.
5
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das FG-Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das BZSt zu verpflichten, in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin B-GmbH für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … einen Freistellungsbescheid zu erlassen.
6
Das BZSt beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Ausspruch der begehrten Verpflichtung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das BZSt ist verpflichtet, der Klägerin einen Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … zu erteilen. Die inländische Besteuerung der an die Klägerin gezahlten Vergütungen für die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten war nach Maßgabe des DBA-Österreich 2000 ausgeschlossen.
8
1. Auf Einkünfte, die dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG 2002 –im Streitfall des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002 und § 8 Abs. 1, § 2 Nr. 1 und § 31 Abs. 1 KStG 2002– unterliegen, sind nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer –im Streitfall nach § 50a Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG 2002– durch den Schuldner der Vergütungen i.S. des § 50a EStG 2002 auch dann anzuwenden, wenn sie nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung –im Streitfall dem DBA-Österreich 2000– nicht besteuert werden können. Unberührt davon bleibt nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 der Anspruch des Gläubigers der Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer. Die Erstattung erfolgt auf Antrag des Gläubigers der Vergütungen auf der Grundlage eines Freistellungsbescheids nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002. Voraussetzung für die Erteilung eines Freistellungsbescheids und der nach § 50d Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 hieran anknüpfenden Auszahlung des zu erstattenden Betrags ist neben weiteren –im Streitfall unproblematischen– Voraussetzungen, dass die Einkünfte, von der die Abzugsteuer einbehalten und abgeführt worden ist, nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht besteuert werden können. Im Streitfall konnten die Vergütungen nicht nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 i.V.m. Abs. 2 DBA-Österreich 2000 in Deutschland besteuert werden.
9
a) Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 dürfen ungeachtet der Art. 7, 14 und 15 Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person u.a. als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden. Ungeachtet auch des Art. 12 dürfen nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, im anderen Vertragsstaat auch dann besteuert werden, wenn dort keine persönliche Tätigkeit ausgeübt wird. Entsprechendes gilt gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Fließen Einkünfte der in Abs. 1 des Art. 17 DBA-Österreich 2000 genannten Art nicht dem Sportler selbst, sondern einer anderen Person zu, so dürfen nach Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 deren Einkünfte ungeachtet der Art. 7, 12, 14 und 15 in dem Vertragsstaat besteuert werden, aus dem sie stammen.
10
b) Soweit die Klägerin Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte von der B-GmbH bezogen hat, handelt es sich um Einkünfte, die einer „anderen Person“ i.S. des Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 zugeflossen sind. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit und muss nicht näher ausgeführt werden. Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 setzt jedoch weiter voraus, dass es sich um Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art handelt. Soweit die Vorinstanz dies unter Berufung auf den Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 bejaht hat, kann dem nicht gefolgt werden. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 setzt zwar ebenso wie Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 –im Unterschied zu Art. 17 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) oder Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) –DBA-Schweiz– nicht voraus, dass die Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler gezahlt werden. Dies ist bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte, die vom Veranstalter selbst oder über einen Dritten überlassen werden, nicht der Fall.
11
aa) Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte werden geleistet, um die Sportveranstaltung im Fernsehen zeigen zu dürfen. In der Übertragung schlagen sich zwar maßgeblich auch die sportlichen Tätigkeiten der einzelnen Sportler nieder. Letztlich beruht eine solche Veranstaltung aber auf einer Vielzahl von organisatorischen, technischen, kaufmännischen und sonstigen Tätigkeiten (z.B. die Überlassung der Sportstätte, die Organisation des Wettkampfs etc.), die vom Veranstalter, ggf. unter Einschaltung weiterer Personen, erbracht und koordiniert werden. Die verschiedenen Tätigkeiten des Veranstalters stellen sich in ihrer Gesamtheit als eine originär ihm zuzurechnende Leistung dar. Dementsprechend geht auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die Fernsehübertragungsrechte dem Veranstalter in seiner Eigenschaft als solchem zustehen und er sie nicht aus Rechtspositionen der teilnehmenden Sportler ableitet (z.B. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. März 1990 KVR 4/88, BGHZ 110, 371; Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 19. März 2009  2 U 47/08, Zeitschrift für Sport und Recht 2009, 252; für einen Teil der Einkünfte hierauf abstellend auch Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, 1999, S. 137). Werden die Übertragungsrechte vom Veranstalter des Sportereignisses an einen Dritten überlassen, sind die von dem Dritten dafür vereinnahmten Vergütungen nicht für die persönlich ausgeübte Tätigkeit der an den Veranstaltungen beteiligten einzelnen Sportler gezahlt worden. Vielmehr handelt es sich um Einkünfte, die ihrem Wesen nach der Tätigkeit des jeweiligen Veranstalters entstammen.
12
bb) Für die Tätigkeit eines Veranstalters hat der erkennende Senat in einem Fall zum DBA-Schweiz entschieden, dass dessen Tätigkeit nicht zu den von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz erfassten Tätigkeiten gehört (Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625). Er hat sich dabei maßgebend darauf gestützt, dass die fragliche Regelung im DBA-Schweiz –ebenso wie im OECD-MustAbk– an die persönlich ausgeübte Tätigkeit als Sportler anknüpft. Jedenfalls aus abkommensrechtlicher Sicht stellt sich die Tätigkeit des Veranstalters damit lediglich als Verwertung der durch die einzelnen Sportler persönlich erbrachten Tätigkeiten dar. Die Verwertung wird aber von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz nicht erfasst. Dies gilt für die insoweit wortgleiche Regelung in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 entsprechend. Eine unmittelbar an den Veranstalter gezahlte Vergütung für die (Live-)Fernsehübertragungsrechte fällt somit nicht unter Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000.
13
cc) Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird allerdings durch Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 ergänzt. Abweichend von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 für Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, nicht mehr auf eine persönlich ausgeübte Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers im Quellenstaat abgestellt. Entsprechendes gilt nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Das Urteil des Senats in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz, in dem vergleichbare Regelungen fehlen, kann daher nicht ohne Weiteres auf die Rechtslage nach dem DBA-Österreich übertragen werden. Entgegen der Vorinstanz ist daraus jedoch nicht der Schluss zu ziehen, nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 könnten alle Einkünfte aus der Verwertung einer künstlerischen oder sportlichen Darbietung im Quellenstaat besteuert werden. Die Vergütungen müssen zwar nicht aus einer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden, es muss sich aber weiterhin um Vergütungen des Künstlers oder Sportlers selbst handeln (vgl. Lang/Stefaner in Debatin/Wassermeyer, Österreich Art. 17 Rz 15; dieselben, Internationales Steuerrecht –IStR– 2003, 829, 830; Stockmann in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 17 Rz 82; unklar Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 17 DBA-Österreich Rz 26 einerseits, Rz 41 andererseits).
14
aaa) Dies folgt in zweifelsfreier Deutlichkeit aus dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 („dieser Person“) sowie Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, der Einkünfte erfassen will, die „nicht dem Künstler oder Sportler selbst“ zufließen. Der subjektbezogene Charakter des Art. 17 DBA-Österreich 2000 zeigt sich bereits in der Überschrift der Norm und setzt sich im systematischen Zusammenhang der einzelnen Absätze der Vorschrift fort. Wenn Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dagegen auf „Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen“ abstellt, wird der Bezug zu den Einkünften des Künstlers oder Sportlers nicht gelöst. Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 zielt –ebenso wie Satz 2 der Vorschrift– ersichtlich (nur) darauf ab, das Quellenbesteuerungsrecht ohne Rücksicht darauf zu erweitern, ob der betreffende Künstler oder Sportler in diesem Staat auch tatsächlich seine künstlerischen oder sportlichen Aktivitäten erbringt, und zwar –über die Benutzung von Persönlichkeitsrechten des Künstlers oder Sportlers nach Satz 2 hinausgehend– auch für Vergütungen für die Überlassung bestimmter Verwertungsrechte. Die tatbestandlichen Grunderfordernisse der vorangehenden Sätze 1 und 2 der Vorschrift und damit auch jener Bezug zu den Einkünften der Künstler und Sportler selbst bleiben dadurch aber unberührt. Indem Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 über die Worte „Entsprechendes gilt“ an die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Österreich 2000 anknüpft, kommt dies hinlänglich klar zum Ausdruck. Bestätigt wird dieses Verständnis nicht zuletzt durch Abs. 2 der Vorschrift. Denn ein anderweitiges Regelungsverständnis, von Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dahingehend, dass losgelöst von Einkünften des Künstlers oder Sportlers alle Einkünfte aus Aufzeichnungen und Übertragungen durch Rundfunk und Fernsehen dem Quellenstaat zugeordnet werden, hätte zur Folge, dass für derartige Einkünfte ein Rückgriff auf Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 nicht mehr erforderlich wäre. Eines Durchgriffs auf eine „andere Person“ bedürfte es nicht, wenn bereits über die Grundnorm in Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 andere Einkünfte als die Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst zu erfassen wären. Abs. 2 der Vorschrift nimmt aber unterschiedslos auf (alle) Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art Bezug und lässt nicht erkennen, dass ihm bezogen auf Abs. 1 Satz 3 lediglich deklaratorische Bedeutung zukäme. Dass Letzteres ausgeschlossen ist, belegt vielmehr der Abgleich mit Art. 17 Abs. 2 OECD-MustAbk, der das (Quellen-)Besteuerungsrecht im Falle des Künstler- oder Sportlerdurchgriffs wie beschrieben demjenigen Vertragsstaat zuweist, „in dem der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit ausübt“; Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 weist das Besteuerungsrecht für diese Fälle demgegenüber dem Vertragsstaat zu, aus dem die Einkünfte „stammen“, was unter den Vorgaben der nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 gegenüber Satz 1 erweiterten Einkunftskategorien allein dann „Sinn“ macht, wenn es sich auch auf alle drei dieser Kategorien bezieht (Lang/Stefaner, IStR 2003, 829, 836).
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bbb) Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers. Dies hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 bereits zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz entschieden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies für die Rechtslage nach dem DBA-Österreich anders beurteilt werden sollte. Es mag zwar richtig sein, dass die an der Veranstaltung beteiligten Organisationen vom Veranstalter häufig Zahlungen erhalten werden, die sie ihrerseits vollständig oder zum Teil zur Honorierung der für sie tätigen Sportler verwenden. Dadurch werden die hier zu beurteilenden Vergütungen aber nicht zur Gänze oder anteilig zu Entgelten für den Auftritt der Sportler. Denn die Sportler erhalten die ihnen zustehenden Vergütungen aufgrund eigenständiger vertraglicher Beziehungen mit Dritten, und jene Vergütungen können auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht im Sinne einer (teilweisen) Weiterleitung der Entgelte für die Übertragungsrechte verstanden werden. Vielmehr vollziehen sich beide Vorgänge auf unterschiedlichen Ebenen und –vor allem– in nur mittelbar zusammenhängenden Geschäftskreisen. Das reicht für die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 auf die an die Klägerin gezahlten Vergütungen nicht aus.
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c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht geboten, wenn man –bezogen auf die Streitjahre rückwirkend– die Konsultationsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) der Bundesrepublik Deutschland und dem BMF der Republik Österreich vom 9./12. Juli 2010 in BStBl I 2010, 647, in die Überlegungen einbezieht. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, die Abkommenspraxis der Vertragsstaaten, wie sie in einer Verständigungsvereinbarung oder Konsultationsvereinbarung zum Ausdruck kommt, bei der Abkommensauslegung zu berücksichtigen (Grundsatz der Entscheidungsharmonie; vgl. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394). Ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame Übung der beteiligten Finanzverwaltungen können weiterhin nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757), für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein. Dies aber immer nur insofern, als sie sich aus dem Wortlaut des Abkommens ableiten lassen. Der Abkommenswortlaut, nicht aber eine Verständigungsvereinbarung stellt in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar (Senatsurteil in BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; s. auch Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; vom 11. November 2009 I R 84/08, BFHE 227, 410, BStBl II 2010, 390; vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602, und vom 12. Oktober 2011 I R 15/11, BFH/NV 2012, 640).
17
An dieser Grenze scheitert im Streitfall die vom BZSt verfochtene Zuordnung der Entgelte für die Übertragung und Aufzeichnung u.a. sportlicher Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen zum Quellenstaat, auch wenn diese Vergütungen von einer oder über eine Verwertungsgesellschaft gezahlt werden. Denn dem Wortlaut des Abkommens und dem systematischen Verständnis der Vorschrift des Art. 17 DBA-Österreich 2000 ist zu entnehmen, dass es sich um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst handeln muss. Dem wird eine –vom BZSt der Konsultationsvereinbarung entnommene– Zuordnung jeder Art von Entgelten für die Aufzeichnung und Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen nicht gerecht. Den von der Revision formulierten Zweifeln, ob die Konsultationsvereinbarung im Sinne des BZSt zu interpretieren ist, muss daher nicht weiter nachgegangen werden.
18
2. Unter welche andere Bestimmung des DBA-Österreich die in Rede stehenden Vergütungen fallen, kann im Streitfall offenbleiben. Denn keine der in Betracht kommenden Vorschriften gestattet eine Besteuerung in Deutschland. Handelte es sich um Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, wäre gemäß Art. 12 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 nur Österreich als Ansässigkeitsstaat der Klägerin steuerberechtigt. Dasselbe gälte, wenn die Überlassung der Übertragungsrechte aufgrund ihres „verbrauchenden“ Charakters als „Veräußerung“ i.S. des Art. 13 Abs. 3 DBA-Österreich 2000 anzusehen wäre (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Mai 2001 I R 64/99, BFHE 196, 210, BStBl II 2003, 641). Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBA-Österreich 2000 können ausgeschlossen werden, da die Klägerin im Inland keine Betriebsstätte unterhalten hat und auch keinen ständigen Vertreter hatte.
19
3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Die Sache ist spruchreif und der Klage stattzugeben. Der Klägerin ist ein Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 wie beantragt zu erteilen.

Doppelbesteuerung | Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte (BFH)

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.6.2012, I R 41/11

Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte nach dem DBA-Österreich 2000 – Abkommensrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Veranstalters von Sportveranstaltungen

Leitsätze

1. Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 setzt nicht voraus, dass Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler selbst gezahlt werden.

 

2. Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers (Anschluss an Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625).

Tatbestand

1
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die auf ihre Einkünfte aus der Überlassung von Fernsehübertragungsrechten einbehaltenen und abgeführten Abzugsteuern nach § 50d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) ein Freistellungsbescheid zu erteilen ist.
2
Die Klägerin, eine in Österreich ansässige GmbH, unterhielt in den Streitjahren 2006 und 2007 in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) weder eine Betriebsstätte noch hatte sie einen ständigen Vertreter. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Vermarktung von Rechten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit schloss sie mit der in Deutschland ansässigen B-GmbH in den Jahren 2005 bis 2007 Verträge über die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten an näher bezeichneten internationalen Sportveranstaltungen ab, die zum Teil in Deutschland stattfanden. Zweck der Überlassung war die Liveübertragung oder Nachverwertung von Aufzeichnungen der bezeichneten Sportveranstaltungen im deutschen Fernsehen. Aufgrund dieser Verträge zahlte die B-GmbH in den Streitjahren die in den Verträgen vereinbarten Brutto-Vergütungen und behielt hiervon gemäß § 50a Abs. 4 EStG 2002 Abzugsbeträge zur Körperschaftsteuer ein, die sie an das zuständige Finanzamt abführte.
3
Mit mehreren seit dem 11. April 2006 gestellten Anträgen beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Bundeszentralamt für Steuern –BZSt–) nach § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 i.V.m. § 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) zunächst die Freistellung von Abzugsteuern und sodann die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24. August 2000 (BGBl II 2002, 734, BStBl I 2002, 584) –DBA-Österreich 2000–.
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Das BZSt lehnte den Erlass einer Freistellungsbescheinigung sowie eines Freistellungsbescheides auf der Grundlage des § 50d Abs. 1 und 2 EStG 2002 ab. Es vertrat die Ansicht, dass nach Art. 17 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den Vergütungen Deutschland zustehe. Das Finanzgericht (FG) Köln wies die anschließende Klage, mit der die Klägerin nur noch die Erstattung der abgeführten Beträge begehrte, mit Urteil vom 17. März 2011  2 K 2278/08 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1428) ab. Es war der Auffassung, dass der Klägerin kein Erstattungsanspruch hinsichtlich der einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge zustehe, da nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 DBA-Österreich 2000 das Besteuerungsrecht an den streitigen Vergütungen Deutschland als Quellenstaat zustehe.
5
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
das FG-Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das BZSt zu verpflichten, in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin B-GmbH für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … einen Freistellungsbescheid zu erlassen.
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Das BZSt beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Ausspruch der begehrten Verpflichtung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das BZSt ist verpflichtet, der Klägerin einen Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 in Bezug auf die von der Vergütungsschuldnerin für die Klägerin einbehaltenen und abgeführten Steuerabzugsbeträge in Höhe von … zu erteilen. Die inländische Besteuerung der an die Klägerin gezahlten Vergütungen für die Überlassung von Fernsehübertragungsrechten war nach Maßgabe des DBA-Österreich 2000 ausgeschlossen.
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1. Auf Einkünfte, die dem Steuerabzug aufgrund des § 50a EStG 2002 –im Streitfall des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002 und § 8 Abs. 1, § 2 Nr. 1 und § 31 Abs. 1 KStG 2002– unterliegen, sind nach § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002 die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer –im Streitfall nach § 50a Abs. 5 Satz 1 bis 3 EStG 2002– durch den Schuldner der Vergütungen i.S. des § 50a EStG 2002 auch dann anzuwenden, wenn sie nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung –im Streitfall dem DBA-Österreich 2000– nicht besteuert werden können. Unberührt davon bleibt nach § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 der Anspruch des Gläubigers der Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer. Die Erstattung erfolgt auf Antrag des Gläubigers der Vergütungen auf der Grundlage eines Freistellungsbescheids nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002. Voraussetzung für die Erteilung eines Freistellungsbescheids und der nach § 50d Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 hieran anknüpfenden Auszahlung des zu erstattenden Betrags ist neben weiteren –im Streitfall unproblematischen– Voraussetzungen, dass die Einkünfte, von der die Abzugsteuer einbehalten und abgeführt worden ist, nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht besteuert werden können. Im Streitfall konnten die Vergütungen nicht nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 i.V.m. Abs. 2 DBA-Österreich 2000 in Deutschland besteuert werden.
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a) Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 dürfen ungeachtet der Art. 7, 14 und 15 Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person u.a. als Sportler aus ihrer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezieht, im anderen Staat besteuert werden. Ungeachtet auch des Art. 12 dürfen nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, im anderen Vertragsstaat auch dann besteuert werden, wenn dort keine persönliche Tätigkeit ausgeübt wird. Entsprechendes gilt gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Fließen Einkünfte der in Abs. 1 des Art. 17 DBA-Österreich 2000 genannten Art nicht dem Sportler selbst, sondern einer anderen Person zu, so dürfen nach Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 deren Einkünfte ungeachtet der Art. 7, 12, 14 und 15 in dem Vertragsstaat besteuert werden, aus dem sie stammen.
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b) Soweit die Klägerin Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte von der B-GmbH bezogen hat, handelt es sich um Einkünfte, die einer „anderen Person“ i.S. des Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 zugeflossen sind. Dies steht zwischen den Beteiligten nicht in Streit und muss nicht näher ausgeführt werden. Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 setzt jedoch weiter voraus, dass es sich um Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art handelt. Soweit die Vorinstanz dies unter Berufung auf den Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 bejaht hat, kann dem nicht gefolgt werden. Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 setzt zwar ebenso wie Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 –im Unterschied zu Art. 17 Abs. 2 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MustAbk) oder Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) –DBA-Schweiz– nicht voraus, dass die Vergütungen aus einer im anderen Staat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden. Es muss sich jedoch um Vergütungen handeln, die dem Sportler gezahlt werden. Dies ist bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte, die vom Veranstalter selbst oder über einen Dritten überlassen werden, nicht der Fall.
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aa) Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte werden geleistet, um die Sportveranstaltung im Fernsehen zeigen zu dürfen. In der Übertragung schlagen sich zwar maßgeblich auch die sportlichen Tätigkeiten der einzelnen Sportler nieder. Letztlich beruht eine solche Veranstaltung aber auf einer Vielzahl von organisatorischen, technischen, kaufmännischen und sonstigen Tätigkeiten (z.B. die Überlassung der Sportstätte, die Organisation des Wettkampfs etc.), die vom Veranstalter, ggf. unter Einschaltung weiterer Personen, erbracht und koordiniert werden. Die verschiedenen Tätigkeiten des Veranstalters stellen sich in ihrer Gesamtheit als eine originär ihm zuzurechnende Leistung dar. Dementsprechend geht auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die Fernsehübertragungsrechte dem Veranstalter in seiner Eigenschaft als solchem zustehen und er sie nicht aus Rechtspositionen der teilnehmenden Sportler ableitet (z.B. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. März 1990 KVR 4/88, BGHZ 110, 371; Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 19. März 2009  2 U 47/08, Zeitschrift für Sport und Recht 2009, 252; für einen Teil der Einkünfte hierauf abstellend auch Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, 1999, S. 137). Werden die Übertragungsrechte vom Veranstalter des Sportereignisses an einen Dritten überlassen, sind die von dem Dritten dafür vereinnahmten Vergütungen nicht für die persönlich ausgeübte Tätigkeit der an den Veranstaltungen beteiligten einzelnen Sportler gezahlt worden. Vielmehr handelt es sich um Einkünfte, die ihrem Wesen nach der Tätigkeit des jeweiligen Veranstalters entstammen.
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bb) Für die Tätigkeit eines Veranstalters hat der erkennende Senat in einem Fall zum DBA-Schweiz entschieden, dass dessen Tätigkeit nicht zu den von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz erfassten Tätigkeiten gehört (Senatsurteil vom 4. März 2009 I R 6/07, BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625). Er hat sich dabei maßgebend darauf gestützt, dass die fragliche Regelung im DBA-Schweiz –ebenso wie im OECD-MustAbk– an die persönlich ausgeübte Tätigkeit als Sportler anknüpft. Jedenfalls aus abkommensrechtlicher Sicht stellt sich die Tätigkeit des Veranstalters damit lediglich als Verwertung der durch die einzelnen Sportler persönlich erbrachten Tätigkeiten dar. Die Verwertung wird aber von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz nicht erfasst. Dies gilt für die insoweit wortgleiche Regelung in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 entsprechend. Eine unmittelbar an den Veranstalter gezahlte Vergütung für die (Live-)Fernsehübertragungsrechte fällt somit nicht unter Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000.
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cc) Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird allerdings durch Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 ergänzt. Abweichend von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Österreich 2000 wird nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 für Vergütungen jeder Art, die für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung des Namens, des Bildes oder sonstiger Persönlichkeitsrechte dieser Person gezahlt werden, nicht mehr auf eine persönlich ausgeübte Tätigkeit des Künstlers oder Sportlers im Quellenstaat abgestellt. Entsprechendes gilt nach Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 für Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen. Das Urteil des Senats in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz, in dem vergleichbare Regelungen fehlen, kann daher nicht ohne Weiteres auf die Rechtslage nach dem DBA-Österreich übertragen werden. Entgegen der Vorinstanz ist daraus jedoch nicht der Schluss zu ziehen, nach dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 könnten alle Einkünfte aus der Verwertung einer künstlerischen oder sportlichen Darbietung im Quellenstaat besteuert werden. Die Vergütungen müssen zwar nicht aus einer im anderen Vertragsstaat persönlich ausgeübten Tätigkeit bezogen werden, es muss sich aber weiterhin um Vergütungen des Künstlers oder Sportlers selbst handeln (vgl. Lang/Stefaner in Debatin/Wassermeyer, Österreich Art. 17 Rz 15; dieselben, Internationales Steuerrecht –IStR– 2003, 829, 830; Stockmann in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 17 Rz 82; unklar Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 17 DBA-Österreich Rz 26 einerseits, Rz 41 andererseits).
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aaa) Dies folgt in zweifelsfreier Deutlichkeit aus dem Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 Satz 2 DBA-Österreich 2000 („dieser Person“) sowie Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, der Einkünfte erfassen will, die „nicht dem Künstler oder Sportler selbst“ zufließen. Der subjektbezogene Charakter des Art. 17 DBA-Österreich 2000 zeigt sich bereits in der Überschrift der Norm und setzt sich im systematischen Zusammenhang der einzelnen Absätze der Vorschrift fort. Wenn Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dagegen auf „Einkünfte aus der Duldung von Aufzeichnungen und Übertragungen von künstlerischen und sportlichen Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen“ abstellt, wird der Bezug zu den Einkünften des Künstlers oder Sportlers nicht gelöst. Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 zielt –ebenso wie Satz 2 der Vorschrift– ersichtlich (nur) darauf ab, das Quellenbesteuerungsrecht ohne Rücksicht darauf zu erweitern, ob der betreffende Künstler oder Sportler in diesem Staat auch tatsächlich seine künstlerischen oder sportlichen Aktivitäten erbringt, und zwar –über die Benutzung von Persönlichkeitsrechten des Künstlers oder Sportlers nach Satz 2 hinausgehend– auch für Vergütungen für die Überlassung bestimmter Verwertungsrechte. Die tatbestandlichen Grunderfordernisse der vorangehenden Sätze 1 und 2 der Vorschrift und damit auch jener Bezug zu den Einkünften der Künstler und Sportler selbst bleiben dadurch aber unberührt. Indem Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 über die Worte „Entsprechendes gilt“ an die Regelung in Art. 17 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DBA-Österreich 2000 anknüpft, kommt dies hinlänglich klar zum Ausdruck. Bestätigt wird dieses Verständnis nicht zuletzt durch Abs. 2 der Vorschrift. Denn ein anderweitiges Regelungsverständnis, von Art. 17 Abs. 1 Satz 3 DBA-Österreich 2000 dahingehend, dass losgelöst von Einkünften des Künstlers oder Sportlers alle Einkünfte aus Aufzeichnungen und Übertragungen durch Rundfunk und Fernsehen dem Quellenstaat zugeordnet werden, hätte zur Folge, dass für derartige Einkünfte ein Rückgriff auf Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 nicht mehr erforderlich wäre. Eines Durchgriffs auf eine „andere Person“ bedürfte es nicht, wenn bereits über die Grundnorm in Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 andere Einkünfte als die Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst zu erfassen wären. Abs. 2 der Vorschrift nimmt aber unterschiedslos auf (alle) Einkünfte der in Abs. 1 genannten Art Bezug und lässt nicht erkennen, dass ihm bezogen auf Abs. 1 Satz 3 lediglich deklaratorische Bedeutung zukäme. Dass Letzteres ausgeschlossen ist, belegt vielmehr der Abgleich mit Art. 17 Abs. 2 OECD-MustAbk, der das (Quellen-)Besteuerungsrecht im Falle des Künstler- oder Sportlerdurchgriffs wie beschrieben demjenigen Vertragsstaat zuweist, „in dem der Künstler oder Sportler seine Tätigkeit ausübt“; Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich 2000 weist das Besteuerungsrecht für diese Fälle demgegenüber dem Vertragsstaat zu, aus dem die Einkünfte „stammen“, was unter den Vorgaben der nach Art. 17 Abs. 1 Sätze 2 und 3 DBA-Österreich 2000 gegenüber Satz 1 erweiterten Einkunftskategorien allein dann „Sinn“ macht, wenn es sich auch auf alle drei dieser Kategorien bezieht (Lang/Stefaner, IStR 2003, 829, 836).
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bbb) Bei Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte handelt es sich nicht um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers. Dies hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 224, 353, BStBl II 2009, 625 bereits zur Rechtslage nach dem DBA-Schweiz entschieden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dies für die Rechtslage nach dem DBA-Österreich anders beurteilt werden sollte. Es mag zwar richtig sein, dass die an der Veranstaltung beteiligten Organisationen vom Veranstalter häufig Zahlungen erhalten werden, die sie ihrerseits vollständig oder zum Teil zur Honorierung der für sie tätigen Sportler verwenden. Dadurch werden die hier zu beurteilenden Vergütungen aber nicht zur Gänze oder anteilig zu Entgelten für den Auftritt der Sportler. Denn die Sportler erhalten die ihnen zustehenden Vergütungen aufgrund eigenständiger vertraglicher Beziehungen mit Dritten, und jene Vergütungen können auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht im Sinne einer (teilweisen) Weiterleitung der Entgelte für die Übertragungsrechte verstanden werden. Vielmehr vollziehen sich beide Vorgänge auf unterschiedlichen Ebenen und –vor allem– in nur mittelbar zusammenhängenden Geschäftskreisen. Das reicht für die Anwendung des Art. 17 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 auf die an die Klägerin gezahlten Vergütungen nicht aus.
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c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht geboten, wenn man –bezogen auf die Streitjahre rückwirkend– die Konsultationsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) der Bundesrepublik Deutschland und dem BMF der Republik Österreich vom 9./12. Juli 2010 in BStBl I 2010, 647, in die Überlegungen einbezieht. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, die Abkommenspraxis der Vertragsstaaten, wie sie in einer Verständigungsvereinbarung oder Konsultationsvereinbarung zum Ausdruck kommt, bei der Abkommensauslegung zu berücksichtigen (Grundsatz der Entscheidungsharmonie; vgl. Senatsurteil vom 2. September 2009 I R 90/08, BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394). Ein übereinstimmendes Abkommensverständnis und eine gemeinsame Übung der beteiligten Finanzverwaltungen können weiterhin nach Art. 31 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985 (BGBl II 1985, 926) am 20. August 1987 (BGBl II 1987, 757), für eine Abkommensauslegung bedeutsam sein. Dies aber immer nur insofern, als sie sich aus dem Wortlaut des Abkommens ableiten lassen. Der Abkommenswortlaut, nicht aber eine Verständigungsvereinbarung stellt in abschließender Weise die „Grenzmarke“ für das „richtige“ Abkommensverständnis dar (Senatsurteil in BFHE 226, 267, BStBl II 2010, 394; s. auch Senatsurteile vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; vom 11. November 2009 I R 84/08, BFHE 227, 410, BStBl II 2010, 390; vom 11. November 2009 I R 15/09, BFHE 227, 419, BStBl II 2010, 602, und vom 12. Oktober 2011 I R 15/11, BFH/NV 2012, 640).
17
An dieser Grenze scheitert im Streitfall die vom BZSt verfochtene Zuordnung der Entgelte für die Übertragung und Aufzeichnung u.a. sportlicher Darbietungen durch Rundfunk und Fernsehen zum Quellenstaat, auch wenn diese Vergütungen von einer oder über eine Verwertungsgesellschaft gezahlt werden. Denn dem Wortlaut des Abkommens und dem systematischen Verständnis der Vorschrift des Art. 17 DBA-Österreich 2000 ist zu entnehmen, dass es sich um Einkünfte des Künstlers oder Sportlers selbst handeln muss. Dem wird eine –vom BZSt der Konsultationsvereinbarung entnommene– Zuordnung jeder Art von Entgelten für die Aufzeichnung und Übertragung durch Rundfunk oder Fernsehen nicht gerecht. Den von der Revision formulierten Zweifeln, ob die Konsultationsvereinbarung im Sinne des BZSt zu interpretieren ist, muss daher nicht weiter nachgegangen werden.
18
2. Unter welche andere Bestimmung des DBA-Österreich die in Rede stehenden Vergütungen fallen, kann im Streitfall offenbleiben. Denn keine der in Betracht kommenden Vorschriften gestattet eine Besteuerung in Deutschland. Handelte es sich um Lizenzgebühren i.S. des Art. 12 Abs. 2 DBA-Österreich 2000, wäre gemäß Art. 12 Abs. 1 DBA-Österreich 2000 nur Österreich als Ansässigkeitsstaat der Klägerin steuerberechtigt. Dasselbe gälte, wenn die Überlassung der Übertragungsrechte aufgrund ihres „verbrauchenden“ Charakters als „Veräußerung“ i.S. des Art. 13 Abs. 3 DBA-Österreich 2000 anzusehen wäre (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Mai 2001 I R 64/99, BFHE 196, 210, BStBl II 2003, 641). Unternehmensgewinne i.S. des Art. 7 DBA-Österreich 2000 können ausgeschlossen werden, da die Klägerin im Inland keine Betriebsstätte unterhalten hat und auch keinen ständigen Vertreter hatte.
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3. Die Vorinstanz hat ein abweichendes Rechtsverständnis vertreten. Die Sache ist spruchreif und der Klage stattzugeben. Der Klägerin ist ein Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 wie beantragt zu erteilen.

DBA-DK | Auf Schiffen im „Dansk Internationalt Skibregister“ tätiges Personal (BMF)

Deutsch-dänisches Doppelbesteuerungsabkommen (DBA DK); Bezüge des auf Schiffen im „Dansk Internationalt Skibregister“ (DIS) tätigen Personals

Schreiben des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein vom 23. November 2011
– VI 305 – S 1301 – 1193 –
GZ IV B 3 – S 1301-DNK/0-05
DOK 2012/0743260
Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben
vom 4. März 2002 – IV B 6 – S 1301 Dän – 5/02 – mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012
aufgehoben.

Dieses BMF-Schreiben regelt, dass Bezüge des in Deutschland ansässigen Personals, das auf
im „Dansk Internationalt Skibregister“ (DIS) registrierten Schiffen tätig ist, aufgrund der
Rückfallklausel des Artikels 24 Abs. 3 DBA DK der deutschen Besteuerung unterliegen, da
sie nach den Steuergesetzen Dänemarks nicht mit Steuern vom Einkommen belastet werden.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die vorgenannten Einkünfte im Einzelfall in die
Bemessungsgrundlage der dänischen Einkommensteuer einfließen. Ich stelle jedoch klar, dass
die Rückfallklausel des Artikels 24 Abs. 3 DBA DK abhängig vom Einzelfall anzuwenden ist.
Die vorgenannten Einkünfte sind der deutschen Besteuerung zu unterwerfen, wenn sie in
Dänemark nicht tatsächlich besteuert werden.

 

Bezug: Aufgehoben durch: BMF v. 15.08.2012 – IV B 3 – S 1301 DNK/0-05

Deutsch-dänisches DBA; Bezüge des Personals, das auf im „Dansk Internationalt Skibregister” (DIS) registrierten Schiffen tätig ist

Die Bezüge des in Deutschland ansässigen Personals, dass auf im „Dansk Internationalt Skibregister” (DIS) registrierten Schiffen tätig ist, werden nach den Steuergesetzen Dänemarks nicht mit Steuern vom Einkommen belastet. Artikel 24 Abs. 3 DBA-Dänemark stellt für beide Vertragsstaaten klar, dass Einkünfte im Wohnsitzstaat nur dann von der Besteuerung freizustellen sind, wenn sie im anderen Staat in Übereinstimmung mit dem Abkommen tatsächlich besteuert werden.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten FinBeh der Länder ist in diesen Fällen die Rückfallklausel des Artikels 24 Abs. 3 DBA-Dänemark für Einkünfte ab dem 1.1.2003 anzuwenden mit der Folge, dass die vorgenannten Einkünfte ab diesem Zeitpunkt der deutschen Besteuerung unterliegen.
Das BMF-Schr. v. 15.6.1993 – IV C 5 – S 1301 Dän – 17/93 – ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr anzuwenden.

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
BMF 15.08.2012 – S 1301 DNK, BStBl 2012 I S. 864 (Deutsch-dänisches Doppelbesteuerungsabkommen (DBA …
BMF 27.03.2012 – O 2000, BStBl 2012 I S. 370 (Anwendung von BMF-Schreiben; BMF-Schreiben, die bis zu…
BMF 04.04.2011 – O 1000, BStBl 2011 I S. 356 (Anwendung von BMF-Schreiben; BMF-Schreiben, die bis zu…
BMF 23.04.2010 – O 1000, BStBl 2010 I S. 391 (Eindämmung der Normenflut; BMF-Schreiben, die bis zum …
BMF 29.03.2007 – O 1000, BStBl 2007 I S. 369 (Eindämmung der Normenflut; BMF-Schreiben, die vom 1. J…