Archiv der Kategorie: Steuern & Recht

Existenzgründungen durch Freie Berufe

Existenzgründungen in den freien Berufen

Eine über einen längeren Zeitraum kontinuierlich erhobene Existenzgründungstatistik für Freie Berufe besteht – im Unterschied zu gewerblichen Gründungen – nicht. Das Gründungsgeschehen im Bereich der Freien Berufe konnte daher bisher nicht zuverlässig dargestellt und quantifiziert werden. Auf Anregung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie hat das IfM Bonn daher im Jahr 2011 im Rahmen des Forschungsprojekts „Weiterentwicklung der Gründungsstatistik des IfM Bonn – Berücksichtigung
der Gründungen im Bereich der Freien Berufe und der nicht marktaktiven Gründer“ eine Methode entwickelt, mit der auf der Basis der Neuzugänge im Grundinformationsdienst der Finanzverwaltungen eine bundesweite Auswertung der Zugangsstatistik für Selbstständige vorgenommen werden kann. So konnte erstmals die Zahl der Gründungen in Freien Berufe für die Jahre 2008 bis 2011 ermittelt werden. Keine Erhebungen liegen bisher zur Zahl der Liquidationen in Freien Berufen vor, so dass eine Darstellung des Gründungssaldos derzeit noch nicht möglich ist. Die Existenzgründungsstatistik für Freie Berufe soll auch in der Zukunft fortgeschrieben und weiterentwickelt werden.

Für die Jahre 2008, 2009 und 2010 sind jeweils insgesamt rund 687.000, 716.000 bzw. 728.000 Zugänge in die Selbstständigkeit als Gewerbetreibende, Freie Berufe oder Land- und Forstwirte zu verzeichnen. Darunter waren konstant rund 156.000 (2008), 154.000 (2009) und 155.000 (2010) Existenzgründungen im Bereich der Freien Berufe, wobei bei den freiberuflichen Gründungen aber nicht zwischen Haupt- und  Nebenerwerbsgründungen unterschieden wird. Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft fiel hingegen die Zahl der Neuzugänge in die Selbstständigkeit von 16.000 im Jahr 2008 auf 12.000 im Jahr 2010.

Der Anteil der freiberuflichen Existenzgründungen an allen Gründungen befindet sich damit seit dem Jahr 2008 auf gleich bleibend hohen Niveau: Jede fünfte Gründung erfolgt durch Freie Berufe (2010: 21,2 %; 2009: 21,9 %; 2008 22,6 %). Auch für das Jahr 2011 wird ein Anteil von ca. 21 % freiberuflicher Gründungen an der Gesamtzahl der Gründungen erwartet.

Hervorzuheben ist, dass große regionale Unterschiede hinsichtlich des Gründungsgeschehens in Freien Berufen bestehen. Eine besonders hohe Gründungsneigung ist in den Stadtstaaten zu beobachten. So weisen die freiberuflichen Gründungen in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg weit überdurchschnittliche Anteilswerte von 30 bis 40 % auf, gefolgt von dem durch Metropolregionen geprägten Land Nordrhein-Westfalen mit einem Anteil von 25 bis 30 %. Die niedrigsten Anteilswerte freiberuflicher Gründungen mit unter 15 % am Gründungsgeschehen sind in eher ländlich geprägten Ländern wie Niedersachsen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und dem Saarland zu verzeichnen.

Die in Deutschland insgesamt hohe Zahl freiberuflicher Existenzgründungen belegt die wachsende Bedeutung der Freien Berufe für den Mittelstand und die Wirtschaft in Deutschland. Die Gründungsforschung ging Anfang der 1990er Jahre von einem Anteil freiberuflicher Gründungen in Höhe von ca. 10 % an der Gesamtzahl der Existenzgründungen aus.13 Auch wenn diese Zahlen – wie dargestellt – nicht auf einer Gründungsstatistik beruhen, hat sich die Zahl der Gründungen durch Freie Berufe in den letzten 20 Jahren doch mehr als verdoppelt. 

Gründungsförderung

Die Bundesregierung bietet den Freien Berufen in mehrfacher Hinsicht Unterstützung im Bereich der Gründung an:

Gründercoaching Deutschland

Wer sich in einem Freien Beruf selbstständig macht, kann in den ersten fünf Jahren mit dem Programm „Gründercoaching Deutschland“ für externe Beratungsleistungen und Coachingmaßnahmen zu allen wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen eine finanzielle Förderung erhalten. Anträge auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Coachingmaßnahmen sind an die KfW Bankengruppe zu richten (www.gruenden.kfw.de).

Initiative „Gründerland Deutschland“

Mit der Initiative „Gründerland Deutschland“ stärkt die Bundesregierung die Gründungskultur und gibt zusätzliche Impulse, um eine höhere Gründungsdynamik zu erreichen. An der Initiative wirkt auch der Bundesverband der Freien Berufe aktiv mit. Zentrale Maßnahme ist die Gründerwoche Deutschland, an der 2012 bundesweit 920 Partner über 1. 650 Veranstaltungen durchführten, um die Chancen und Perspektiven der unternehmerischen Selbstständigkeit aufzuzeigen. Ziel ist es, mehr und vor allem junge Menschen für eine selbstständige Tätigkeit zu begeistern und zu motivieren.

Gründungsinformationen

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gibt in den Publikationen „Starthilfe“, „GründerZeiten“, dem eMagazin „EXG“ sowie im Existenzgründungsportal www.existenzgruender.de umfassende Tipps und alle Informationen, die Gründerinnen und Gründer zur Umsetzung ihres Vorhabens in einem Freien Beruf benötigen. Im Expertenforum des BMWi-Existenzgründungsportals können konkrete Fragen zu freiberuflichen Gründungen gestellt werden. Zur Unterstützung der selbstständigen Berufstätigkeit
von Frauen bietet die Bundesregierung in Kooperation mit der bundesweiten gründerinnenagentur (bga) insbesondere das Internetportal www.existenzgruenderinnen.de des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie weitere spezifische Projekte an.

Beratungsförderung für Angehörige der Freien Berufe

Um die Wettbewerbsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen und ihre Anpassung an veränderte wirtschaftliche Bedingungen zu erleichtern, fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Inanspruchnahme von Unternehmensberatungen. Seit dem Jahr 2002 können auch alle Angehörigen der Freien Berufe diese Förderung in Anspruch nehmen. Die Zahl der Zuschüsse für Angehörige der Freien Berufe für Beratungen zur Verbesserung des unternehmerischen Know-hows ist im Berichtszeitraum deutlich auf über 23 % im Jahr 2011 gestiegen. 

Die wirtschaftliche Situation der Freien Berufe

Die Umsätze und Einkommen der einzelnen Freien Berufe entwickeln sich – nicht zuletzt aufgrund ihrer Vielfalt – uneinheitlich. Nach der Umsatzsteuerstatistik7 hatten im Jahr 2010 die Apotheken mit im Durchschnitt über 2 Mio. Euro noch vor den Wirtschafts- und Buchprüfungskanzleien mit durchschnittlich 1,7 Mio. Euro die höchsten steuerbaren Umsätze. Am unteren Ende der durchschnittlichen steuerbaren Umsätze
liegen selbstständige Journalisten und Pressefotografen mit 70.000 Euro, Übersetzer und Dolmetscher mit 94.000 Euro sowie Heilpraktikerpraxen mit 99.000 Euro im Jahr 2010. Zwischen 2007 und 2010 sind dabei in den meisten Freien Berufe trotz eines wirtschaftlich schwierigen Umfelds Umsatzzuwächse zu verzeichnen, bei Apotheken sogar erhebliche Zuwächse. Bei Patentanwaltskanzleien, Notariaten, Rechtsanwaltskanzleien,
Journalisten und Heilpraktikern sind hingegen leichte Umsatzrückgänge festzustellen, bei PR- und Unternehmensberatungen sogar recht deutliche Rückgänge.

Bei den durchschnittlichen Einkünften je Steuerpflichtigem lagen nach der letzten Einkommensstatistik des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2007 Notare mit 192.000 Euro und Patentanwälte mit 154.000 Euro an der Spitze, gefolgt von Zahnärzten und Ärzten mit 122.000 und 105.000 Euro9. Insbesondere Notare und Patentanwälte konnten die durchschnittlichen Einkünfte im Vergleich zu 2004 deutlich steigern. Am   nteren Ende der Einkünfte lagen Journalisten und Pressefotografen mit jährlichen Einkünften von 19.000 Euro, Übersetzer und Dolmetscher mit 18.000, Künstlerische Berufe und Heilpraktiker mit 16.000 Euro sowie freiberufliche Lehrer mit 15.000 Euro. Gegenüber dem Jahr 2004 ist in diesen Berufen lediglich ein geringer Zuwachs bei den durchschnittlichen Einkünften festzustellen.

Umsatzsteuer: Weitergabe von Versicherungsbestätigungskarten

Umsatzsteuer: Frage der Steuerbefreiung der Umsätze aus d. entgeltlichen Weitergabe von Versicherungsbestätigungskarten

 Leitsatz

Durch den Verkauf von Blanko-Versicherungsbestätigungskarten beschränkt sich die Tätigkeit des Stpfl. im Wesentlichen auf die bloße Weitergabe, nämlich das Kaufen und Verkaufen von Angeboten zum Abschluss von Kurzzeitversicherungsverträgen. Dies reicht für die Steuerbefreiung nicht aus, da es sich nur um eine Art Handelstätigkeit handelt, die aber keinen spezifischen oder wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweist.

 Gesetze

UStG § 4 Nr 11

 Tatbestand:

Streitig ist, ob durch die entgeltliche Weitergabe von Versicherungsbestätigungskarten getätigte Umsätze nach § 4 Nr. 10 oder Nr. 11 Umsatzsteuergesetz (UStG ) steuerfrei sind.

Die Klägerin (Klin.) ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der F AG in T, welche u.a. Kraftfahrzeugkennzeichen herstellt und sie im In- und Ausland vertreibt. Im Inland erfolgt deren Vertrieb über eigene und fremde Prägestellen, die sich zumeist in der Nähe von Kraftfahrzeugzulassungsstellen befinden. Die Klin. betreibt ebenfalls einen Handel mit Kraftfahrzeugschildern, jedoch in geringem Umfang. Den Großteil ihrer Umsätze erzielte sie in den Streitjahren mit dem Absatz von

Versicherungsbestätigungskarten (sog. Deckungskarte, bis 31.12.2002 auch unter dem Namen „Doppelkarte” bekannt), dessen steuerliche Behandlung hier streitig ist. Die Deckungskarten im vorliegenden Verfahren betrafen den gesetzlich vorgeschriebenen Haftpflichtversicherungsschutz bei Überführungsfahrten innerhalb Deutschlands (Deckungskarten für Überführungskennzeichen) oder bei der Ausfuhr von Fahrzeugen (Deckungskarten für Ausfuhrkennzeichen). Die Klin. war dabei in eine Leistungskette eingeschaltet, deren Ziel und Ergebnis es war, den Endabnehmern Kurzzeit-Kfz-Haftpflichtversicherungen zu verschaffen.

In den Streitjahren erwarb die Klin. hierzu von verschiedenen Firmen, die selbst keine Versicherungsunternehmen waren, eine Vielzahl von Blanko-Deckungskarten inländischer und ausländischer Versicherungen. Beispielsweise kaufte die Klin. mit Rechnung vom 19.03.2007 2.300 Blanko-Deckungskarten der B S.A. aus Luxemburg von der Firma C aus Belgien zum Gesamtpreis von 85.156 EUR. Die von ihr erworbenen Blanko-Deckungskarten repräsentierten jeweils ein Angebot der jeweiligen Versicherung auf Abschluss einer Kurzzeitversicherung. Die Klin. nahm diese Angebote auf Abschluss der Versicherung nicht selbst an und brachte damit die Versicherungen nicht selbst zum Abschluss. Im Zeitpunkt des Erwerbs der Blanko-Deckungskarten durch die Klin. stand noch nicht fest, wer die jeweilige Kurzzeitversicherung abschließt. Die Klin. vertrieb die Blanko-Deckungskarten dann über eigene Prägestellen oder verkaufte sie an fremde Prägestellen. Hierfür stellte sie die gewünschten Karten nach Anzahl, Versicherungsgesellschaft und Leistung für die jeweiligen Besteller zusammen und verkaufte sie dann ohne Umsatzsteuer (USt) an die Prägestellen, die den Kunden den Versicherungsschutz vermittelten. Die Klin. selbst trat hierbei nie mit den Versicherungen und den Endabnehmern, die die Karten für Überführungsfahrten und Ausfuhren nutzten, in rechtliche Verbindung. Auch bestand kein unmittelbarer Kontakt mit den Versicherern oder den Endabnehmern. Die Endabnehmer erhielten jeweils eine Ausfertigung der mit dem Namen des Versicherten und der Bezeichnung des Versicherungsobjekts versehenen Versicherungskarte über die Straßenverkehrsbehörde, die die Zulassung von dem Eintritt des Versicherungsschutzes abhängig macht. Die Endabnehmer zahlten jeweils die auf der Deckungskarte vermerkte Endprämie (einschließlich Versicherungssteuer). Die Margen/Provisionen, die die Klin. bzw. die anderen Zwischenhändler erhielten, waren in dem auf der Deckungskarte ausgewiesenen Preis inbegriffen.

Die Klin. erklärte in ihren Umsatzsteuer(USt)-Erklärungen lediglich steuerpflichtige Umsätze aus dem Verkauf der Kfz-Kennzeichen. Die Ausgangsumsätze aus der Abgabe der Deckungskarten behandelte sie als umsatzsteuerfrei.

Ab 2007 fand bei der Klin. eine USt-Sonderprüfung statt, die sich auf die USt 2004 bis 2006 und die USt-Voranmeldungszeiträume I. bis IV. Quartal 2007 bezog. Der Prüfer stellte in seinem Bericht vom 03.09.2008 wie folgt fest:

Die von der Klin. mit dem Handel von Kurzzeit-Versicherungskarten erzielten Umsätze seien steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10 a UStG komme nicht in Betracht, da die Klin. weder Versicherer noch Versicherungsnehmer sei. Auch die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 b UStG komme nicht zur Anwendung, da diese Vorschrift voraussetze, dass der Unternehmer mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließe, mithin dass der Unternehmer selbst Versicherungsnehmer sei. Die „Verschaffung von Versicherungsschutz” im Sinne des UStG sei im rechtlichen Sinne zu verstehen, so dass entgegen der Auffassung des Kl.-Vertreters nicht jedwede Leistung darunter falle, die darauf gerichtet sei zu bewirken, dass die an dem Versicherungsschutz Interessierten diesen erhalten würden. Schließlich liege auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG nicht vor. Der Erwerb von Versicherungskarten bei Vermittlungsgesellschaften in eigenem Namen und auf eigene Rechnung und der Weiterverkauf an Schilderprägestellen oder weitere Zwischenhändler stelle kein Vermitteln von Verträgen durch Versicherungsvertreter und -makler im Sinne der Begriffsbestimmung der §§ 92 und 93 des Handelsgesetzbuches (HGB) dar. Tatbestandsmerkmale eines Strukturvertriebs seien nach seinen Feststellungen nicht gegeben. Etwas anderes gelte nur soweit die Klin. Doppelkarten an Endkunden – Mitarbeitern der F-Gruppe – veräußert habe. Insoweit führe die Klin. selbst eine Vermittlung aus und könne im weitesten Sinne als Versicherungsvertreterin angesehen werden. Die hieraus erzielten Umsätze seien daher weiterhin steuerfrei zu belassen. Soweit die Klin. unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 03.04.2008, Rechtssache C-124/07 (J.C.M. Beheer), geltend mache, dass es für die Steuerbefreiung von Vermittlungsleistungen nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (6. EG-RL ) nicht darauf ankomme, ob die tätige Mittelsperson, hier die Klin., unmittelbare Rechtsbeziehungen mit einer der Parteien des Versicherungsvertrages unterhalte, sei dem entgegenzuhalten, dass die Tätigkeit „unbestreitbar” die Merkmale eines Versicherungsvertreters oder Versicherungsmaklers aufweisen müsse. Die Klin. sei aber nicht als Versicherungsvertreterin bzw. -maklerin anzusehen. Die steuerpflichtigen Umsätze der Klin. seien damit wie folgt zu erhöhen:

 

 2004:  130.115,52 Euro
 2005:  173.534,48 Euro
 2006:  275.950,09 Euro
 2007:  170.035,72 Euro

 

Der Beklagte (Bekl.) schloss sich den Feststellungen des Betriebsprüfers an und erließ gem. § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderte USt-Bescheide 2004 bis 2006 vom 12.09.2008 sowie einen erstmaligen USt-Bescheid 2007 vom 23.09.2008. Hierbei setzte er die USt 2004 auf 22.644,23 Euro, die USt 2005 auf 27.806,67 Euro, die USt 2006 auf 33.045,95 Euro und die USt 2007 auf 102.691,67 Euro fest. Für den Monat März 2008 setzte er die USt-Vorauszahlung im Bescheid vom 01.12.2008 mit 10.755,38 Euro fest.

Mit dem gegen diese Bescheide gerichteten Einspruch machte die Klin. geltend, dass ihre Umsätze im Zusammenhang mit der Vermittlung von Kurzzeit-Versicherungskarten als umsatzsteuerfrei zu behandeln seien. Durch § 4 Nr. 10a, Nr. 10b und Nr. 11 UStG werde sichergestellt, dass Versicherungsleistungen umsatzsteuerfrei beim Endverbraucher ankommen und keine Steuerkumulierungen dadurch entstehen würden, dass Dritte in den Vertriebsweg eingeschaltet würden. So zahle in der gesamten Versicherungsbranche auch keiner der in den Vertriebsweg eingeschalteten Unternehmer USt. Die Steuerbefreiung ihrer eigenen Leistungen ergebe sich vorrangig aus § 4 Nr. 10b UStG , da sie Personen, die Versicherungsschutz benötigen würden, diesen verschaffen würde. Die Vorschrift sei zudem im Lichte des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL bzw. ab 01.01.2007 im Lichte des Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL ) auszulegen, unter deren Regelungsbereich ihre Tätigkeit falle. Aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität folge zudem die Wahlfreiheit des Organisationsmodells, ohne Gefahr laufen zu müssen, die vorgesehene Steuerbefreiung zu verlieren. Unbeachtlich für die Steuerbefreiung sei, dass sie, die Klin., weder mit der Versicherung noch mit dem Endkunden persönlich und unmittelbar in Kontakt getreten sei. Des Weiteren könne allein die körperliche Weitergabe der papiernen Deckungskarten eine Handelstätigkeit ihrerseits nicht begründen.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 17.12.2009 wies der Bekl. den Einspruch wegen USt 2004 bis 2007 und USt-Voranmeldungen März 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er wie folgt aus:

Die Tätigkeit der Klin. erfülle nicht die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung im Sinne des § 4 Nr. 11 UStG und sei damit nicht umsatzsteuerbefreit. Die Vorschrift des § 4 Nr. 11 UStG diene der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ). Wesentlich für eine hiernach steuerbefreite Vermittlungstätigkeit sei es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Vermittlung könne dabei in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen, wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden solle, beziehen müsse (EuGH, Urteil vom 03.03.2005 Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 ; BFH, Urteile vom 30.10.2008 V R 44/07, BFH/NV 2009, 330 und vom 28.05.2009 V R 7/08, BFH/NV 2009, 1744 ). Nicht steuerbefreit seien hingegen Leistungen, die allenfalls dazu dienen würden, den Versicherer bei dem ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten. Die Tätigkeit der Klin. beschränke sich lediglich darauf, die Kfz-Prägestellen mit Versicherungskarten diverser Versicherungen zu beliefern, damit diese bei Bedarf schnell ihren Kunden die Versicherungsverträge mit dem Versicherer vermitteln und zum Abschluss bringen könnten. Damit habe die Leistung der Klin. keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften. Die Leistung der Klin. bestehe allenfalls darin, andere Unternehmer, hier u.a. Kfz-Prägestellen, die Vermittlungsleistungen erbringen, zu unterstützen.

Auch aus der Freiheit des Organisationsmodells (EuGH, Urteil vom 21.06.2007 Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 ) ergebe sich keine über die Vermittlung von Einzelabschlüssen hinausgehende Steuerfreiheit für Vertriebstätigkeiten. Die

Vermittlung könne zwar in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfallen, die ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sein könnten, doch gelte dies nur dann, wenn es sich bei der einzelnen Leistung um ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes handele, dass die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlung erfülle. Die allgemeine undifferenzierte Weitergabe von Versicherungskarten an einzelne Vertriebsstellen, die diese für sich auf Vorrat kaufen würden, um ihrerseits ihren Kunden bei Bedarf schnell den benötigten Versicherungsabschluss zu ermöglichen, erfülle demnach nicht die Voraussetzung einer Vermittlung (mit Hinweis auf Prätzler, Juris PR-SteuerR 41/2009 Anm. 7).

Es liege auch keine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 10 b UStG vor. Unstreitig schließe die Klin. keinen Versicherungsvertrag mit einem Versicherungsnehmer ab. Schließlich treffe auch die Vorschrift des § 4 Nr. 8 c UStG nicht den Fall. Denn es würden mit den Blanko-Versicherungskarten keine Forderungen verkauft. Die Versicherungskarte selbst beinhalte keine Forderung. Erst durch den Eintritt des Versicherungsfalles entstehe eine Forderung aufgrund des Versicherungsvertrags. Auch sei eine Umsatzsteuerbefreiung unter Anwendung des § 3 Nr. 11 UStG auszuschließen, da die Klin. für eigene Rechnung gehandelt habe.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Klin. geltend macht, dass die streitgegenständlichen Leistungen nach § 4 Nr. 10 b UStG bzw. nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei seien.

Zunächst erfülle ihre streitgegenständliche Tätigkeit die Voraussetzungen des § 4 Nr. 10 b UStG , da sie den Personen, die gesetzlichen Haftpflichtversicherungsschutz benötigen würden, diesen verschaffen würde. Der Begriff „verschaffen” sei sprachlich ein weiter Oberbegriff für beliefern, besorgen oder vermitteln und sei in dem Sinne zu verstehen, dass jedwede Leistung darunter falle, die darauf gerichtet sei, zu bewirken, dass die an dem Versicherungsschutz Interessierten diesen erhalten würden. Auch würde eine Belastung ihrer Leistungen mit Mehrwertsteuer dem Zweck der Steuerbefreiung, eine Steuerkumulierung durch Versicherungssteuer und Mehrwertsteuer zu vermeiden, zuwiderlaufen. Die besondere Abwicklungsform für den Vertrieb der Versicherungsleistungen sei ebenso wenig steuerschädlich wie beim mehrstufigen Vertrieb von Kreditleistungen. Andere Organisationsformen zur Verschaffung von Versicherungsschutz dürften für die Steuerbefreiung unter Beachtung des Neutralitätsgebots nicht schädlich sein.

Die Einschlägigkeit der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 10 UStG ergebe sich zudem unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht. Bei Auslegung der deutschen Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 Nr. 10 und 11 UStG im Lichte des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ) seien sowohl die Leistungen des Versicherers (Versicherungsunternehmens) als auch die Leistungen aller mit der Gewährung von Versicherungsschutz verbundenen Verschaffungs-, Besorgungs- und Vermittlungsleistungen steuerfrei. Ihre eigene Tätigkeit sei darauf gerichtet, an dem hier in Rede stehenden spezifischen Haftpflichtversicherungsschutz interessierte Personen und Zwischenpersonen zu finden und diesen den Versicherungsschutz zu verschaffen. Die besondere Form der Vertragsabwicklung, die von den Versicherern bzw. den Eigenheiten der zu versicherten Risiken vorgegeben sei, führe wegen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität nicht dazu, dass es sich um sonstige Dienstleistungen außerhalb des Regelungsbereichs der Steuerbefreiungen handele.

Die Richtigkeit eines weiten Grundsatzverständnisses mit der Folge der Steuerbefreiung für die streitgegenständlichen Umsätze werde durch die Entscheidungen des EuGH vom 21.06.2007 (Rs. C-453/05 – Ludwig) und vom 03.04.2008 (Rs. C-124/07 – J.C.M. Beheer) bestätigt. Ebenso wie bei Leistungen für den Kreditvertrieb komme es auch bei Leistungen im Rahmen der Verschaffung bzw. des Vertriebs von Versicherungen nicht auf die Modalitäten an, sondern nur darauf, dass die Leistungen darauf gerichtet seien, Interessenten den Versicherungsschutz entweder zu verschaffen oder ihnen diesen zu vermitteln.

Die Steuerbefreiung ergebe sich ferner aus § 4 Nr. 11 UStG . Diese Vorschrift finde nicht nur bei Versicherungsvertretern und -maklern im Sinne der §§ 92 und 93 HGB Anwendung, was auch der neuen Rechtsprechung zur Kreditvermittlung und auch der geänderten Verwaltungsauffassung entspreche. Sie erfülle den vom BFH in seiner Entscheidung vom 06.09.2007, V R 50/05 für eine steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit aufgeführten wesentlichen Aspekt, „Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen.” Die Käufer der Karten stünden zunächst lediglich mit ihr, der Klin., in Kontakt. Erst mit dem Kauf der Versicherungskarte würden sie in unmittelbarere Geschäftsbeziehungen zu den Versicherungsgesellschaften treten. Nur gegen diese würden Rechtsansprüche erworben. Das vorliegend fehlende Herantreten an die Versicherung bzw. den Endkunden dürfe nicht zu ihrem Nachteil berücksichtigt werden. Unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH sei für die Steuerbefreiung ein persönlicher oder unmittelbarer Kontakt und auch eine Einflussnahme auf die Auswahl der Endkunden nicht erforderlich. Aufgrund der umsatzsteuerlichen Neutralität sei sie befugt, das Organisationsmodell zu wählen, das ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen am ehesten entspreche, ohne Gefahr zu laufen, eine Steuerbefreiung zu verlieren.

Zudem könne aus der Dokumentation der vermittelten Versicherungen mittels Deckungskarten nicht gefolgert werden, dass sie als Händlerin tätig werde. Eine solche Betrachtung würde Inhalt und Bedeutung der Versicherungskarte verkennen. Die vollständig ausgefüllte (und von der Versicherung akzeptierte) Deckungskarte bestätige lediglich, dass Versicherungsschutz bestehe. Es ergebe sich daraus aber kein eigenes Recht, da die Karte lediglich eine Versicherungsbestätigung sei und bei der Zulassungsstelle als Nachweis diene, dass für das Fahrzeug Versicherungsschutz bestehe. Bevor die Versicherungskarte nicht vollständig ausgefüllt sei, habe sie keinen eigenständigen Wert. Aus dieser Funktion der Deckungskarte als Versicherungsbestätigung ergebe sich, dass sie, die Klin., nicht als Händlerin tätig werde, sondern Versicherungen (Versicherungsschutz) vermittele. Allein die körperliche Weitergabe der papiernen Deckungskarten, die im Übrigen aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Umstellung auf EDV nicht mehr verwendet würden, würde eine Handelstätigkeit nicht begründen.

Die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung ergebe sich auch aus dem Neutralitätsgrundsatz, zu dessen Wahrung sichergestellt sein müsse, dass die Versicherungsleistung beim Endverbraucher umsatzsteuerfrei ankomme und keine Steuerkumulierungen dadurch entstehen würden, dass Dritte in den Vertriebsweg eingeschaltet würden. So zahle keiner der in den Vertriebsweg eingeschalteten Unternehmer USt. Würde sie, die Klin., anders als alle anderen an der Geschäftsabwicklung Beteiligten mit ihren Leistungen der USt unterworfen, entstünde ein strangulierender Wettbewerbsnachteil, da eine Abwälzung der USt auf die Geschäftspartner nicht möglich sei. Dies sei weder vereinbart, noch könnten die Geschäftspartner wegen ihrer USt-Befreiung den Vorsteuerabzug genießen.

Der am 26.01.2010 eingereichten USt-Erklärung 2008 stimmte der Bekl. zunächst zu. Am 23.04.2010 erließ der Bekl. einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten USt-Bescheid für 2008, in dem er die streitigen Umsätze der Klin. weiterhin als steuerpflichtig erkannte und die USt 2008 auf 126.139,29 Euro festsetzte.

Die Klin. beantragt,

dass die USt-Änderungsbescheide 2004 bis 2006 vom 12.09.2008 und der USt-Änderungsbescheid 2007 vom 23.09.2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.12.2009 und der USt-Änderungsbescheid 2008 vom 23.04.2010 aufgehoben werden,

hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung führt er ergänzend zu den Ausführungen in der EE wie folgt aus: Die Tätigkeit der Klin. würde sich nachgewiesenermaßen nicht auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden solle, beziehen, sondern würde sich regelmäßig auf den Erwerb und die Weiterveräußerung einer Vielzahl von Blanko-Doppelkarten beziehen. Es fehle am Handeln gegenüber dem individuellen Vertragsinteressenten, so wie es bei der Vermittlung gegenüber „F-Mitarbeitern” der Fall sei. Des Weiteren fehle der Klin. die Möglichkeit, wenigstens mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken zu können.

Auch die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 10 b UStG komme nicht in Betracht, da die Verschaffung von Versicherungsschutz im rechtlichen Sinne zu verstehen sei, d. h. sie liege nur dann vor, wenn der Unternehmer unmittelbar mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließe.

Die Sache ist am 31.01.2013 vor dem Senat mündlich verhandelt worden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die vom Bekl. vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die USt-Änderungsbescheide 2004 bis 2006 vom 12.09.2008 und der USt-Änderungsbescheid 2007 vom 23.09.2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.12.2009 und der USt-Änderungsbescheid 2008 vom 23.04.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO ).

Der Bekl. hat die von der Klin. im Zusammenhang mit der entgeltlichen Weitergabe von Blanko-Versicherungsbestätigungskarten getätigten Umsätze zu Recht der USt unterworfen. Die Umsätze sind steuerpflichtig und insbesondere nicht gemäß § 4 Nr. 10 oder 11 UStG steuerbefreit.

Die hier streitigen Umsätze der Klin. sind nicht gemäß § 4 Nr. 11 UStG bzw. unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (ab 01.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ) umsatzsteuerfrei.

§ 4 Nr. 11 UStG befreit die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die im vorliegenden Klageverfahren allein in Betracht kommende Tätigkeit der Klin. als Versicherungsmaklerin bedarf der Auslegung im Lichte des Unionsrechts, da § 4 Nr. 11 UStG der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL (ab 01.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL ) dient. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden.

Die von Art. 13 der 6. EG-RL bzw. Art. 132 ff. MwStSystRL verwendeten Begriffe sind nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 20.11.2003, Rs. C-8/01 (Taksatorringen), UR 2004, 82 , Rn. 36; Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 , Rn. 25; Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 14 und 15) autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die unter Beachtung des Gesamtzusammenhangs des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems eine in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen. Die autonomen gemeinschaftsrechtlichen Begriffe sind eng auszulegen, da die Steuerbefreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. Auf die handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsmaklers und -vertreters nach §§ 92 f. HGB kommt es damit nicht an (BFH, Urteil vom 06.09.2007 V R 50/05 , BStBl II 2008 , 829 ; Urteil vom 28.05.2009 V R 7/08, BStBl II 2010, 80).

Der Begriff des Versicherungsmaklers ist mit dem Begriff des Versicherungsvermittlers gleichzusetzen (EuGH, Urteil vom 20.11.2003, Rs. C-8/01 (Taksatorringen), UR 2004, 82 Rn. 44). Die Anerkennung der Eigenschaft eines Versicherungsmaklers und damit – vermittlers hängt vom Inhalt der in Rede stehenden Tätigkeit ab (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 17). Zu den wesentlichen Aspekten der nach Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen (EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 , Rn. 36; BFH, Urteil vom 06.09.2007 V R 50/05 , BStBl II 2008, 829). Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen, wobei sich die Tätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, beziehen muss (BFH, Urteil vom 30.10.2008 V R 44/07 , BFH/NV 2009, 330 ; Urteil vom 28.05.2009 V R 7/08, BStBl II 2010, 80). So hat der EuGH in Bezug auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL entschieden, dass die Vermittlungstätigkeit u. a. darin bestehen kann, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrags nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei Zweck dieser Tätigkeit ist, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt hat (EuGH, Urteil vom 13.12.2001, Rs. C-235/00 (CSC Financial Services), UR 2002, 84 , Rn. 39; Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 , Rn. 28). Nicht steuerfrei sind hingegen Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, als Subunternehmer den Versicherer bei den ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten, wie z.B. bei der Festsetzung und Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter (zu sog. „Backoffice”-Tätigkeiten EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03 (Arthur Andersen), UR 2005, 201 , Rn. 37, 38; BFH, Urteil vom 28.05.2009 V R 7/08 , BStBl II 2010, 80). Demgemäß sind nach der Rechtsprechung des BFH nicht steuerfrei die Tätigkeit eines Werbeagenten, der Kundendaten zur Vorbereitung eines Versicherungsabschlusses erhebt (BFH, Urteil vom 06.09.2007 V R 50/05 , BStBl II 2008, 829) oder eines „Overhead-Handelsvertreters”, der Betreuungs-, Schulungs- und Überwachungsleistungen erbringt (BFH, Urteil vom 30.10.2008 V R 44/07 , BFH/NV 2009, 330 ). Derartige Leistungen sind nur steuerfrei, wenn der Unternehmer, der die Leistungen der Betreuung, Überwachung oder Schulung übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist (BFH, Urteil vom 09.07.1998 V R 62/97 , BStBl II 1999, 253; Urteil vom 30.10.2008 V R 44/07, BFH/NV 2009, 330 ).

Wie der EuGH in seinem Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , ausführt, schließt Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL seinem Wortlaut nach nicht grundsätzlich aus, dass die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sich in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lässt, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind. Daher können auch Untervermittler, die bei der Vermittlung von Verträgen ohne unmittelbare Beauftragung durch eine der beiden Parteien des abzuschließenden Vertrags tätig werden, steuerfreie Vermittlungsleistungen erbringen. Dies folgt aus dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wonach die Wirtschaftsteilnehmer befugt sind, das Organisationsmodell zu wählen, das ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen am ehesten entspricht, ohne Gefahr zu laufen, eine Steuerbefreiung zu verlieren. Hierzu gehört auch die Befugnis, die Dienstleistungen eines Versicherungsvertreters i.S. des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL in verschiedene Dienstleistungen aufzuteilen (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 27, 28). Soweit eine Vermittlungstätigkeit in verschiedene Dienstleistungen aufgeteilt ist, kann die Dienstleistung jedes einzelnen Unternehmers allerdings nur dann als ein von der Steuer befreiter Umsatz qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt (zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 , Rn. 36; zu Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer), UR 2008, 504 , Rn. 27; zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 05.06.1997, Rs. C-2/95 (SDC), Slg. 1997, I-03017, Rn. 66, und EuGH, Urteil vom 13.12.2001, Rs. C-235/00 (CSC Financial Services), UR 2002, 84 , Rn. 25, zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-RL EuGH, Urteil vom 04.05.2006 , C-169/04 (Abbey National), UR 2006, 352 , Rn. 70). Der Begriff der Vermittlung setzt daher nicht unbedingt voraus, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbaren Kontakt mit den beiden Vertragsparteien tritt, um alle Klauseln des Vertrags auszuhandeln; Voraussetzung ist jedoch, dass sich seine Tätigkeit z. B. nicht nur auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt (EuGH, Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05 (Ludwig), UR 2007, 617 , Rn. 38).

Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat der Bekl. zu Recht die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG versagt, weil die Tätigkeit der Klin. nicht die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlung erfüllt.

Die Klin. war nicht an der Suche nach potentiellen Interessenten beteiligt und führte diese auch nicht mit Versicherern zusammen. Die Klin. verkaufte lediglich Blanko-Versicherungsbestätigungskarten, die das Angebot der jeweiligen Versicherung beinhalteten, einen konkreten Versicherungsvertrag abzuschließen. Die Klin. gab damit zwar grundsätzlich die Gelegenheit zum Abschluss eines Versicherungsvertrags entgeltlich weiter. Doch trat sie hierbei nicht mit den Endabnehmern in Kontakt, sondern nur mit Prägestellen, die gerade keine Versicherungsverträge selbst abschließen wollten und die selbst und ohne Hilfestellung durch die Klin. nach potentiellen Interessenten suchten. Die Klin. konnte keinen Einfluss auf die Auswahl der Endabnehmer nehmen. Insbesondere die fremden Prägestellen handelten auch nicht im Namen oder für die Klin., so dass deren Nachweistätigkeit auch nicht der Klin. zuzurechnen war. Indem die Klin. eingekaufte Versicherungsangebote nach den Wünschen der Prägestellen zusammenstellte und an diese verkaufte, erbrachte sie schließlich auch keine Verhandlungstätigkeit in dem hier erforderlichen Sinne in Form von beratenden Gesprächsterminen oder Ähnlichem. Auch die Auswahl der Versicherungsprodukte erfolgte letztlich durch die Prägestellen, die die von ihr benötigten Versicherungsangebote der Klin. mitteilten, welche daraufhin lediglich die jeweils bestellte Menge zusammenstellen musste, um sie an die Prägestellen zu verkaufen. Damit beschränkte sich die Tätigkeit der Klin. im Wesentlichen auf die bloße Weitergabe, nämlich das bloße Kaufen und Verkaufen von Angeboten zum Abschluss von Kurzzeitversicherungsverträgen. Dies reicht aber für die Steuerfreiheit nicht aus, da es sich nur um eine Art Handelstätigkeit handelt, die aber keinen spezifischen oder wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweist.

Die Tätigkeit der Klin. war auch nicht vergleichbar mit der Tätigkeit der Klägerin in dem vom FG München entschiedenen Fall (FG München, Urteil vom 19.05.2010 3 K 134/07 , juris, mit Kommentar Zugmaier, NWB 2011, 3913 ). Die dortige Klägerin hat über ein Internetportal die Möglichkeit gegeben, sich unter Angabe persönlicher Daten sowie aller relevanter Fahrzeugdaten eine Übersicht der sieben günstigsten Kfz-Versicherungstarife anzeigen zu lassen und hat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Daten über eine Schnittstelle an die vom Kunden gewählte Versicherung weitergeleitet oder aber dem potentiellen Kunden ein schriftliches Vertragsangebot zugesandt. Die Tätigkeit der dortigen Klägerin betraf somit anders als die der hiesigen Klin. den Kernbereich der Vermittlungstätigkeit, da sie aktiv an der Suche nach am Abschluss einer Versicherung interessierten Personen und der Zusammenführung mit dem Versicherer beteiligt war.

Selbst unter Berücksichtigung der Wahlfreiheit hinsichtlich des Organisationsmodells der Vermittlung mit der Möglichkeit der Aufteilung der Vermittlungstätigkeit in verschiedene Dienstleistungen kann die Dienstleistung der Klin. nicht als ein von der Steuer befreiter Umsatz qualifiziert werden. Denn der bloße Erwerb und Verkauf von Willenserklärungen zum Vertragsabschluss ist nicht als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit erfüllt, anzusehen. Die Klin. hat noch nicht einmal einen Ausschnitt der Tätigkeit eines Versicherungsmaklers erbracht.

Auch nach nationaler Definition des Begriffs der Vermittlung handelt es sich vorliegend nicht um eine Versicherungsvermittlungstätigkeit. Denn hiernach erfordert eine Vermittlereigenschaft, dass der Unternehmer in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt (vgl. BFH, Urteil vom 15.05.2012 XI R 16/10 , BFH/NV 2012, 2094 ). Die Klin. handelte jedenfalls nicht für fremde Rechnung, weil sie die Versicherungsangebote zunächst für eigene Rechnung einkaufte, um sie dann für eigene Rechnung zu verkaufen. Sie trug das Risiko der Nichtabnahme. Damit wurde sie auch nicht mittelbar für Rechnung der Versicherungen tätig.

Schließlich kann die Klin. die Steuerbefreiung ihrer Umsätze auch nicht unmittelbar aus Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL bzw. Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL beanspruchen (EuGH, Urteil vom 10.09.2002, Rs. C-1441/00 (Kügler), UR 2002, 513 ; Urteil vom 08.06.2006 Rs. C-106/05 (L.u.P. GmbH), UR 2006, 464 ; BFH, Urteil vom 28.09.2006 V R 57/05 , BFH/NV 2007, 371 ), weil diese keine im Vergleich zum nationalen Recht weitergehende Befreiung regelt.

Die hier streitigen Umsätze der Klin. sind zudem nicht gemäß § 4 Nr. 10 b UStG umsatzsteuerbefreit. Diese Vorschrift dient ebenfalls der Umsetzung des Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL bzw. ab 01.01.2007 Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL . Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der „Versicherungsumsätze” umfasst auch die Verschaffung von Versicherungsschutz (EuGH, Urteil vom 25.02.1999 C-349/96, Card Protection Plan (CPP), UR 1999, 254 , Rn. 19).

Nach § 4 Nr. 10 b UStG sind Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, umsatzsteuerbefreit. Die Verschaffung von Versicherungsschutz i.S. von § 4 Nr. 10 b UStG liegt vor, wenn der Unternehmer mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließt (BFH, Urteil vom 16.01.2003 V R 16/02 , BStBl II 2003, 445; Urteil vom 09.10.2002 V R 67/01, BFH/NV 2003, 130 ), mithin der Unternehmer selbst einem Dritten Versicherungsschutz verschafft. Versicherungsnehmer muss hiernach der Unternehmer selbst sein. Unerheblich ist, ob das Recht, im Versicherungsfall die Versicherungsleistung fordern zu können, unmittelbar gegenüber dem Versicherungsunternehmen oder mittelbar über den Unternehmer geltend gemacht werden kann. Damit wird die „Verschaffung von Versicherungsschutz” im rechtlichen Sinne verstanden und nicht wie von der Klin. vorgetragen als sprachlich sehr weit gefasster Oberbegriff, welcher jede Leistung erfasst, die darauf gerichtet ist zu bewirken, dass die an dem Versicherungsschutz Interessierten diesen erhalten.

Vorliegend verschafft die Klin. den Endkunden keinen Versicherungsschutz in dem von § 4 Nr. 10 b UStG geforderten Sinne, weil sie nicht selbst Versicherungsnehmerin wird, sondern die Willenserklärungen der Versicherungen auf Abschluss von Kurzzeitversicherungsverträgen lediglich „weiterreicht”, ohne die Angebote auf Vertragsabschluss vorher selbst anzunehmen. Die Klin. räumt Dritten lediglich die Befugnis ein, einen Versicherungsvertrag abschließen zu können. Diese Tätigkeit fällt jedoch nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 10 b UStG .

Die Klin. erbringt schließlich auch keine Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses (§ 4 Nr. 10 a UStG ), da ein solches bei Verkauf der Deckungskarten durch die Klin. noch gar nicht bestand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 FGO ).

Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer Heimarbeitsplatz

Es ist gefragt worden, in welcher Höhe bei einem Arbeitnehmer, der für einen Heimarbeitsplatz ein häusliches Arbeitszimmer nutzt, die dadurch entstehenden Kosten abgezogen werden können, wenn er seine berufliche Tätigkeit an einem Tag oder zwei Tage die Woche in der Firma ausübt und er den dortigen Arbeitsplatz auch an den anderen Tagen nutzten könnte.

Sind die im Arbeitszimmer und der Firma ausgeübten Tätigkeiten qualitativ gleichwertig, liegt der Mittelpunkt der Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer, da der Arbeitnehmer mehr als die Hälfte der Arbeitszeit dort tätig wird (Rz 11 des BMF-Schreibens vom 02.03.2011).

§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG lautet:

Die folgenden Betriebsausgaben dürfen den Gewinn nicht mindern …

6b. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung.   2Dies gilt nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.   3In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1 250 Euro begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet;

Ergänzend hierzu regelt Rz 1 des BMF-Schreibens vom 02.03.2011:

Bildet das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung, dürfen die Aufwendungen in voller Höhe steuerlich berücksichtigt werden (§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b Satz 3, 2. Halbsatz EStG). Steht für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung, sind die Aufwendungen bis zur Höhe von 1.250 Euro je Wirtschaftsjahr oder Kalenderjahr als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar (§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 6b Satz 2 und 3, 1. Halbsatz EStG).

Daraus ergibt sich, dass das Vorliegen eines „anderen Arbeitsplatzes” für den Abzug von Arbeitszimmerkosten nur schädlich ist, wenn das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Folglich kann ein Arbeitnehmer, der einen Heimarbeitsplatz hat und bei dem das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit bildet, die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer auch dann in voller Höhe geltend machen, wenn ihm ein „anderer Arbeitsplatz” zur Verfügung steht.

Beleg- und Buchnachweispflichten bei der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen und für innergemeinschaftliche Lieferungen

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium für Finanzen zum Entwurf eines BMF-Schreibens zu den Beleg- und Buchnachweispflichten bei der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen und für innergemeinschaftliche Lieferungen

13.01.2012

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Übersendung des o. g. Entwurfs und nehmen die Gelegenheit zur Stellungnahme gern wahr.

Unsere Ausführungen zu dem Entwurf haben wir in zwei Teile gegliedert. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, noch einmal verstärkt auf grundsätzliche Problembereiche und nach wie vor offene Fragen im Zusammenhang mit der Änderung der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung hinzuweisen. Im zweiten Teil sind wir konkret auf den Entwurf des BMF-Schreibens eingegangen.

Unsere Ausführungen im Einzelnen finden Sie anliegend.

Mit freundlichen Grüßen
i. V.

Jörg Schwenker
Geschäftsführer

Anlage

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines BMF-Schreibens zu den Beleg- und Buchnachweispflichten bei der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen und für innergemeinschaftliche Lieferungen

I.                  Allgemeine Anmerkungen

Ende des letzten Jahres wurde die Zweite Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen verkündet, obwohl sich die Bundessteuerberaterkammer und die Wirtschaftsverbände explizit gegen diese Verordnung, insbesondere gegen die Einführung einer vom Abnehmer zu unterzeichnenden Gelangensbestätigung, ausgesprochen haben.

Damit wurden die Vorschriften der UStDV über den Beleg- und Buchnachweis mit Wirkung zum 1. Januar 2012 grundlegend geändert. Die tendenziell als Sollvorschriften ausgestalteten Vorschriften zum Beleg- und Buchnachweis wurden in Mussvorschriften umgewandelt.

Darüber hinaus wurden zum einen die Beleg- und Buchnachweispflichten für Ausfuhrlieferungen an die seit dem 1. Juli 2009 bestehende EU-einheitliche Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Ausfuhrverfahren angepasst.

Zum anderen wurden die Nachweisregelungen für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen überarbeitet und anstelle von vielen verschiedenen Belegen wurde eine Gelangensbestätigung eingeführt.

Wie wir bereits in unserer Stellungnahme zur Zweiten Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen angedeutet haben, begrüßen wir es sehr, dass das BMF die Regelungen zum Beleg- und Buchnachweis vereinfachen und anpassen möchte. Die Altregelungen zum Beleg- und Buchnachweis waren sehr kompliziert und differenziert ausgestaltet. Zudem konnte in der Vergangenheit der Beleg- und Buchnachweis oftmals nicht ordnungsgemäß geführt werden. Gerade im Bereich der Spediteursbescheinigungen gab es große Defizite. Die Neuregelung ist der Versuch, den Beleg- und Buchnachweis stark zu vereinfachen.

Dennoch ist die Einführung einer Gelangensbestätigung für liefernde Unternehmer mit erheblichen Praxisproblemen behaftet. Wir möchten an dieser Stelle noch mal ausdrücklich betonen, dass die Einführung einer solchen Bescheinigung der gängigen Praxis entgegensteht.

Es liegt in der Natur einer sog. Gelangensbestätigung, die den Ort und Tag des Erhalts des Gegenstands bestätigt, dass diese erst nach erfolgter Lieferung ausgestellt werden kann. Dies impliziert, dass auch die Rechnung erst dann ausgestellt werden kann, wenn dem liefernden Unternehmer die Gelangensbestätigung vorliegt bzw. er vom Transportunternehmen eine Versicherung über das Vorliegen der Bestätigung erhalten hat. Denn erst zu diesem Zeitpunkt hat er Kenntnis, ob der Belegnachweis erfüllt ist und er eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt hat und die Rechnung ohne Ausweis von Umsatzsteuer auszustellen ist.

Oft werden Rechnungen im Voraus bei Lieferbeginn oder während des Liefervorgangs ausgestellt. Dies ist eine gängige Praxis. Die Neuregelung des Beleg- und Buchnachweises steht dem entgegen, da der Unternehmer im Voraus nicht weiß, ob er die Gelangensbestätigung erhält oder ob diese vollständig ist. Dadurch kann der Unternehmer nicht wissen, ob die Rechnung mit oder ohne Umsatzsteuer auszustellen ist. Der erhöhte Arbeitsanfall durch die Zuordnung der Gelangensbestätigung zu den entsprechenden Warenausgangsbelegen belastet die Steuerpflichtigen. Zuordnungsfehler und Probleme aufgrund zeitlicher Unterschiede zwischen Rechnungsausstellung und Gelangensbestätigung sind vorprogrammiert.

Um eine Gelangensbestätigung vom Abnehmer zu erhalten, gibt es im Falle einer Versendungslieferung zwei Möglichkeiten:

a)      Entweder der Unternehmer beschafft sich die Gelangensbestätigung direkt von seinem Abnehmer
b)      oder er lässt sich die Gelangensbestätigung durch die von ihm beauftragte Spedition beschaffen.

Beide Möglichkeiten stoßen in der Praxis auf diverse Probleme.

Von wichtiger Bedeutung ist u. E. die Frage, ob es für deutsche Unternehmen überhaupt durchsetzbar sein wird, von ihren europäischen Kunden eine solche Gelangensbestätigung direkt zu erhalten, wenn diese umständliche Nachweisführung im europäischen Ausland gar nicht bekannt ist. Dies bedeutet Mehraufwand für den europäischen Kunden, den dieser unter Umständen nicht tragen will. Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen könnten die unangenehme Folge sein.

Für das weitere Vorankommen in dieser Sache ist es unerlässlich herauszufinden, wie die gängige Praxis in anderen europäischen Ländern ist. Erst dann kann man bewerten, ob die Führung eines solchen Belegnachweises im europäischen Kontext mit der Praxis vereinbar ist. Darüber hinaus müssten Unternehmer, würden Sie auf diese Variante zurückgreifen, ihre gesamten Prozesse umstellen und die europäischen Abnehmer umfassend informieren, dass Sie künftig eine zusätzliche Bescheinigung ausstellen müssen. Dies würde die Steuerpflichtigen zusätzlich belasten.

Wenn sich der Unternehmer die Gelangensbestätigung des Abnehmers von der Spedition beschaffen lassen will, steht man aktuell vor dem Problem, dass sich die Spediteure weigern, eine solche Gelangensbestätigung vom Abnehmer zu beschaffen.

Mit der Begründung, es liegt alleinig im Interesse des Versenders und des Abnehmers, die Warenlieferung umsatzsteuerfrei abzurechnen, nehmen sich die Spediteure aus diesem Vorgang aus. Insbesondere in Fällen, in denen die Transporte mittels einer Kette von Frachtführern durchgeführt werden, kann nur in der direkten Beziehung zwischen Lieferanten und Abnehmer sichergestellt werden, dass eine Gelangensbestätigung den Lieferanten tatsächlich erreicht.

In § 17a Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 und 2 UStDV werden die Spediteure wie folgt eingebunden:

Bei einer Versendung ist es ausreichend, wenn sich die Gelangensbestätigung bei dem mit der Beförderung beauftragten selbständigen Dritten befindet und auf Verlangen der Finanzbehörde zeitnah vorgelegt werden kann. In diesem Fall muss der Unternehmer eine schriftliche Versicherung des mit der Beförderung beauftragten selbständigen Dritten besitzen, dass dieser über einen Beleg mit den Angaben des Abnehmers verfügt.

Die Aufbewahrung der Gelangensbestätigung als auch das Abgeben einer schriftlichen Versicherung lehnen die Speditionsunternehmen bis dato rigoros ab, da dies nach Auffassung des DSLV weder in ihrem Einflussbereich noch in ihrem Pflichtenkreis liegt.

Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist, dass die Gelangensbestätigung durch den Abnehmer zu unterzeichnen ist.

In den Fällen, wo die Ware direkt an den Abnehmer geliefert wird und die Person vor Ort eine Gelangensbestätigung ausfüllen muss, ist die Regelung u. E. vollkommen unpraktikabel. Oftmals ist bei Warenanlieferung nicht immer ein Vertretungsberechtigter anwesend, z. B. wenn die Ware an einen externen Lagerhalter geliefert wird oder nur Hilfskräfte anwesend sind oder die Warenannahme automationsgestützt erfolgt. Und selbst wenn ein vertretungsberechtigter Arbeitnehmer vor Ort ist, ist es fraglich, ob dieser dann eine solche Bestätigung über den Erhalt der Ware, wohlmöglich in einer Sprache, die er nicht versteht, unterzeichnet. Außerdem gehen Logistikunternehmen immer mehr dazu über, sich den Erhalt der Ware für interne Nachweiszwecke mit einer Unterschrift auf einem Handscanner (zur Sendungsverfolgung) vom Abnehmer bestätigen zu lassen. Eine manuelle Unterschrift ist in diesen Fällen gar nicht vorgesehen.

Zudem stellt sich auf Seiten des liefernden Unternehmers und auf Seiten der Finanzbehörden die wichtige Frage, wie man die Gültigkeit oder die Nichtgültigkeit einer Unterschrift aus dem europäischen Ausland überhaupt nachweisen kann.

Es können hier viele Fragen aufgeworfen werden: Wie leserlich muss die Unterschrift des Abnehmers sein? Wie weist man nach, ob derjenige, der die Gelangensbestätigung unterzeichnet hat, auch hierzu bevollmächtigt war. Diese Fragen spitzen sich zu, wenn der Vorgang bereits 5 Jahre zurückliegt. In der Regel wird der Geschäftsführer eine solche Gelangensbestätigung nicht unterschreiben. Die Finanzverwaltung steht vor der unlösbaren Aufgabe, die Unterschrift bzw. die Vertretungsbefugnis nachzuprüfen. In diesem Zusammenhang ist die fol­gende Ausführung in Abschnitt 6a.3 Abs. 5 Satz 4 UStAE-E nicht sehr hilfreich für die Praxis:

„ Sofern an der Vertretungsberechtigung im konkreten Einzelfall Zweifel bestehen, ist der Nachweis der Vertretungsberechtigung zu führen. Dieser kann sich aus anderen Unterlagen, die dem liefernden Unternehmer vorliegen, ergeben (z.B. aus dem Lieferauftrag bzw. Bestellvorgang).“

Im Regelfall wird die Gelangensbestätigung nicht von derselben Person unterzeichnet, die den Lieferauftrag unterzeichnet bzw. den Bestellvorgang ausführt. Insofern macht dieser Satz u. E. wenig Sinn.

Vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Punkte regen wir an:

  1. Abzuwägen, ob die UStDV ggf. zu überarbeiten und an die gängige Praxis anzupassen ist. Dabei sollte die Belegnachweisführung nicht an eine Unterschrift des Abnehmers festgemacht werden bzw. alternativ der Belegnachweis nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zugelassen werden (Bescheinigung des Spediteurs).
  2. Sollte die UStDV nicht überarbeitet werden, muss der Entwurf des BMF-Schreibens angepasst werden und den Steuerpflichtigen noch mehr Zeit gegeben werden, die Prozesse umzustellen. Daher sollte die Nichtbeanstandungsregelung um weitere sechs Monate bis zum 30. September 2012 verlängert werden.

II.                  Besonderer Teil – Anmerkungen zum Referentenentwurf

Wir möchten unseren Ausführungen Folgendes voranstellen:

Der vorliegende Referentenentwurf macht deutlich, dass das BMF sehr bemüht ist, praxisnahe Lösungen zu finden. Wir möchten betonen, dass im vorliegenden BMF-Schreiben bestimmte Möglichkeiten geschaffen wurden, die den Steuerpflichtigen entgegenkommen. Die Ausgabe einer Mustergelangensbestätigung in drei Sprachen, das Zulassen der Übersendung der Gelangensbestätigung per E-Mail und die Möglichkeit, Sammelbestätigungen auszustellen, sind alles Dinge, die es den Unternehmen ermöglichen, Wege zu finden, wie Sie nach Umstellung ihrer Prozesse den Beleg- und Buchnachweis einfach und ordnungsgemäß erfüllen können.

Dennoch sehen wir einige Unstimmigkeiten im vorliegenden Referentenentwurf, auf die wir sie gerne hinweisen möchten. Wie ausdrücklich von Ihnen vorgeschlagen, bezieht sich die nachfolgende Stellungnahme ausschließlich auf den Referentenentwurf des BMF-Schreibens.

1.      Ausfuhrlieferungen

Abschnitt 6.9 Abs. 11

In unserer Stellungnahme vom 2. September 2011 haben wir auf die Undurchdringlichkeit der Regelungen in Fällen der Ausfuhr eines für den Straßenverkehr zugelassenen Fahrzeugs hingewiesen. Durch die Umgliederung von §§ 9, 10 UStDV und die Neufassung von Abschnitt 6.9 Abs. 11 UStAE-E sind diese Regelungen u. E. nunmehr verständlich formuliert worden.

2.      Innergemeinschaftliche Lieferungen – Gelangensbestätigung

Abschnitt 6a.3 Abs. 6 UStAE-E

„Die Gelangensbestätigung muss in Verbindung mit dem Doppel der Rechnung einen Zusammenhang zu der Lieferung, auf die sich die Bestätigung bezieht, erkennen lassen. Es ist aber nicht erforderlich, die Gelangensbestätigung für jeden einzelnen Liefergegenstand auszustellen. Bei Lieferungen, die mehrere Gegenstände umfassen, oder bei Rechnungen, in denen einem Abnehmer gegenüber über mehrere Lieferungen abgerechnet wird, ist es regelmäßig ausreichend, wenn sich die Gelangensbestätigung auf die jeweilige Lieferung bzw. auf die Sammelrechnung bezieht. Die Gelangensbestätigung kann daher auch als Sammelbestätigung ausgestellt werden. Bei dauerhaften Liefervereinbarungen wird es nicht beanstandet, wenn die Gelangensbestätigung für den vereinbarten Leistungszeitraum ausgestellt wird.“

Das Zulassen einer Sammelbestätigung kommt dem Steuerpflichtigen sehr entgegen.

In diesem Abschnitt sind allerdings nur einige wenige Fälle aufgezählt, bei denen eine Sammelbestätigung zulässig ist. Vor dem Hintergrund, dass die Beschaffung einer Gelangensbe­stätigung über den Spediteur große Probleme bereitet, könnte zumindest bei dauerhaften Vertragsbeziehungen zwischen liefernden Unternehmern und Abnehmern das Zulassen einer Sammelbestätigung für einen bestimmten Zeitraum sehr sinnvoll sein. Dabei sollten sich Sammel-Gelangensbestätigungen auf Rechnungen eines Monats, eines Vierteljahres oder eines Jahres beziehen können. Es sollte nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine dauerhafte Liefervereinbarung besteht, sondern grundsätzlich die Möglichkeit geschaffen werden, eine Sammelbestätigung auszustellen. In der Praxis wäre vorstellbar, dass sich die Sammelbestätigung z. B. auf die jeweiligen Rechnungsnummern bezieht.

Abschnitt 6a.3 Abs. 6a Satz 1 – 5 UStAE-E

„Die Gelangensbestätigung des Abnehmers kann in jeder die erforderlichen Angaben enthaltender Form erbracht werden. […] Die Gelangensbestätigung kann auch aus mehreren Dokumenten bestehen, aus denen sich die geforderten Angaben insgesamt ergeben. Die Bestätigung muss sich also nicht zwingend aus einem einzigen Beleg ergeben. Sie kann z. B. auch aus einer Kombination des Lieferscheins mit einer entsprechenden Be­stätigung über den Erhalt des Liefergegenstands bestehen.“

Diese Regelung im Entwurf des BMF-Schreibens stellt grundsätzlich eine Vereinfachung für die Praxis dar und ist daher zu begrüßen.

Abschnitt 6a.3 Abs. 6a Satz 7 UStAE-E

„Die Gelangensbestätigung kann auch auf elektronischem Weg, z. B. per E-Mail, per Computer-Telefax oder Fax-Server, per Web-Download oder per EDI übermittelt werden. Die Echtheit der Herkunft der Gelangensbestätigung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen in diesem Fall gewährleistet sein.“

Die Möglichkeit, die Gelangensbestätigung elektronisch zu übermitteln, kommt den Steuerpflichtigen sehr entgegen und eröffnet die Möglichkeit, den Belegnachweis zeitnah zu erhalten. Unseres Erachtens ist diese Regelung eine große Vereinfachung für die Praxis. Dennoch ist nicht ganz klar, wie die Echtheit der Herkunft der Gelangensbestätigung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit gewährleistet werden können. Wir bitten insoweit um Klarstellung, was hiermit gemeint sein soll. Ein innerbetriebliches Kontrollverfahren, welches ggf. noch nachzuweisen ist, steht in keinem Zusammenhang zur Bedeutung des Belegnachweises und sollte u. E. nicht verlangt werden. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, wie die elektronisch übermittelte Gelangensbestätigung zu archivieren ist. Ist dieses Dokument zwingend elektronisch aufzubewahren oder reicht ein Ausdruck der E-Mail und der beigefügten Gelangens­bestätigung? Diese Informationen sollten aus Gründen der Rechtssicherheit u. E. im Anwendungsschreiben enthalten sein.

Überraschend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Unterschrift des Abnehmers auf der Gelangensbestätigung bei elektronischer Ermittlung nicht mehr erforderlich ist. Da diese Regelung eine starke Vereinfachung darstellt, werden viele Unternehmen in der Praxis wahrscheinlich auf diese Möglichkeit zurückgreifen. Aus diesem Grunde ist es nach unserer Auffassung sehr wichtig, alle Pflichten im Zusammenhang mit der Archivierung aufzuzeigen. Es sollte auch erläutert werden, wie die Echtheit der Herkunft der Gelangensbestätigung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit nach Auffassung der Finanzverwaltung gewährleistet werden kann.

Wir bitten insoweit um Ergänzung des Schreibens.

Abschnitt 6a.2 Abs. 8 UStAE-E

„In besonders begründeten Einzelfällen kann der jeweils bezeichnete Nachweis – mit Ausnahme der Gelangensbestätigung (§ 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV) – auch durch andere Mittel erbracht werden.“

Die Gelangensbestätigung ist nach dieser Regelung offenbar ein nicht substituierbarer Bestandteil des Belegnachweises. Es macht bei einer solchen strikten Anforderung keinen Sinn, die Möglichkeit einzuräumen, dass sich „aus der Gesamtheit der Belege“ (in Kombination mit Buchnachweisen) die innergemeinschaftliche Lieferung eindeutig und leicht nachprüfbar ergibt. Denn die Belegführung umfasst zukünftig nur noch das Rechnungsdoppel und die Gelangensbestätigung. Insoweit ist aber nicht zu erwarten, dass sich die innergemeinschaftliche Lieferung aus dem Rechnungsdoppel in Kombination mit Buchnachweisen belegen lässt. Im Übrigen besteht ein Widerspruch zu Abschnitt 6a.3 (6d) UStAE-E.

Abschnitt 6a.3 (6d) UStAE-E

„Befördert der liefernde Unternehmer oder der Abnehmer den Liefergegenstand selbst und liegt dem liefernden Unternehmer die Gelangensbestätigung des Abnehmers nicht vor, kann die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nur dann gewährt werden, wenn auf Grund der objektiven Beweislage feststeht, dass der Liefergegenstand tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist.“

Nach unserem Verständnis ist im Beförderungsfall die Gelangensbestätigung für den Nachweis der Steuerbefreiung entbehrlich, wenn – und das ist die einzige Voraussetzung – es aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass der Liefergegenstand tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Es wird nicht ganz klar, wie der Nachweis in diesen Fällen aussehen soll. Nach unserem Verständnis kann der Nachweis auch im Sinne des früheren §17a Abs. 2 UStDV geführt werden.

Wie bereits angedeutet, widersprechen sich diese beiden Regelungen. In den allgemeinen Ausführungen zum Thema (Abschnitt 6a.2 Abs. 8 UStAE-E) wird klar formuliert, dass die Gelangensbestätigung nicht ersetzbar ist. Andererseits ist die Gelangensbestätigung in Abholfällen doch ersetzbar. Wir bitten insofern um Klarstellung.

3.      Abholfälle

In den Fällen, in denen der Abnehmer die Ware direkt beim Unternehmer abholt, sei es persönlich oder durch eine Spedition, geht der liefernde Unternehmer nach der Neuregelung ein Risiko ein. Nach den alten Regelungen zum Beleg- und Buchnachweis reichte eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Diese Versicherung konnte sich der liefernde Unternehmer direkt bei Übergabe der Ware unterzeichnen lassen.

Mit der Neuregelung muss er die Gelangensbestätigung beim Abnehmer nachträglich anfordern und hat dadurch einen erheblichen Mehraufwand zu tragen. Er trägt das Risiko, dass er die Gelangensbestätigung nicht erhält und ggf. Umsatzsteuer nachbelasten muss. Bei Einmalgeschäften wird er häufig auch das finanzielle Risiko tragen, wenn der Abnehmer nicht bereit ist, die Umsatzsteuer nachzuentrichten. Dies sind alles Dinge, die den Steuerpflichtigen zusätzlich belasten.

Wir regen daher an, dass der Unternehmer in Abholfällen den Belegnachweis durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten erbringen kann. Wir schlagen vor, Abschnitt 6a.3 (6d) UStAE-E entsprechend anzupassen und zu erweitern.

4.      Reihengeschäfte

Abschnitt 6a.3 Abs. 5 Satz 6 USTAE-E

 Der in der Gelangensbestätigung genannte Abnehmer kann nur der Abnehmer einer warenbewegten (und die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllenden) innergemeinschaftlichen Lieferung, nicht aber z. B. im Rahmen eines Reihengeschäftes der Abnehmer einer sogenannten ruhenden Lieferung sein.“

Für die Praxis ist nicht ganz klar, wie mit dieser Neuregelung im Fall von Reihengeschäften umgegangen werden soll. Im Entwurf wird klargestellt, dass es für Zwecke der Gelangensbe­stätigung immer auf den Abnehmer in der Reihe ankommt, an den die steuerfreie Lieferung im Rahmen eines Reihengeschäftes ausgeführt wird – also immer der Unternehmer, der in direkter Beziehung zu dem Unternehmer steht, der die bewegte Lieferung ausführt.

Dies ist in den Fällen sehr problematisch, in denen ein Unternehmer eine Gelangensbestätigung als Abnehmer unterzeichnen muss, der nicht Warenempfänger ist. In der Praxis sind es grundsätzlich die Fälle, in denen der erste bzw. ein mittlerer Unternehmer in der Reihe den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet.

Beispiel:

Der Gegenstand der Lieferung wird vom Unternehmer A versendet. In diesem Fall gilt die Lieferung des A an B als bewegte Lieferung. A muss die Steuerfreiheit seiner innergemeinschaftlichen Lieferung durch das Doppel der Rechnung und durch die Gelangensbestätigung nachweisen.

Nach der bisherigen Regelung hat der Lieferant (hier A), welcher die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in Anspruch nehmen möchte, nachzuweisen, dass die Ware ins EU-Ausland gelangt ist.

Im Rahmen der Neuregelung soll dies durch seinen Kunden (hier B) bestätigt werden, dass dieser die Waren zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort, in einem bestimmten anderen Mitgliedstaat erhalten hat. Da B als Empfänger der warenbewegten Lieferung nicht der letzte Abnehmer im Reihengeschäft ist, kann er diese Bestätigung nicht abgeben. Zum einen liegt ihm diese Information, wann die Ware beim letzten Abnehmer und ob sie angekommen ist, nicht direkt vor. Andererseits kann er die Information mangels bestehender geschäftlicher Beziehungen zum letzten Abnehmer auch nicht einfordern.

Die aktuelle Regelung im Entwurf macht insoweit – zumindest im Rahmen von Reihengeschäften – wenig Sinn. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, inwiefern auch die in Abschnitt 6a.3 Abs. 6c UStAE-E erwähnte Bescheinigung ausreicht, wenn die Versendung im Auftrag des ersten Unternehmers durch einen Kurierdienst direkt an den letzten Abnehmer erfolgt?

Die sich im Reihengeschäft ergebenen Nachweisprobleme erhöhen sich mit der Anzahl der an dem Reihengeschäft beteiligten Parteien. Die Anknüpfung der Verpflichtung zur Ausstellung der Gelangensbestätigung an die warenbewegte Lieferung und nicht an den tatsächlichen Warenweg lässt darüber hinaus eine fälschliche Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen sowie diesbezügliche Missbräuche verstärkt zu.

Im EU-Ausland wird das Ansinnen an den Abnehmer, eine Gelangensbestätigung abzugeben, insbesondere dann, wenn er im Fall von Reihengeschäften nicht am Transport beteiligt ist und die Ware nicht zu ihm gelangt, überdies kaum vermittelbar sein.

Es sollte daher nicht beanstandet werden, wenn im Fall von Reihengeschäften ausnahmsweise anstelle der Gelangensbestätigung der Nachweis durch bestimmte andere Dokumente wie vor allem die sog. „Weiße Spediteursbescheinigung“ oder ein vom Endabnehmer unterzeichneter Frachtbrief erbracht wird. Vorstellbar wäre auch, dass die Gelangensbestätigung anstatt durch den Abnehmer entweder durch den Frachtführer des Unternehmers oder durch den Endabnehmer im Reihengeschäft erteilt werden kann, da nur er den tatsächlichen physischen Verbleib der Ware bestätigen kann. Ersatzweise sollte der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung den Endabnehmer bevollmächtigen können, den Erhalt der Ware gegenüber dem Unternehmer zu bestätigen.

5.      Anlage 4 – Gelangensbestätigung/Bescheinigung für Umsatzsteuerzwecke

Wenn die Versendung im Auftrag des liefernden Unternehmers/Abnehmers durch einen Spediteur/Frachtführer erfolgt, schlägt das BMF das Muster in der Anlage 4 vor.

Die Bedeutung dieser Musterbescheinigung wird nicht ganz klar. Es handelt sich hierbei um eine überarbeitete Version der „Weißen Spediteursbescheinigung“. Eine vollständig ausgefüllte Bescheinigung dieser Art bedeutet nicht, dass der Belegnachweis für diese Lieferung erfüllt ist. Aus diesem Grund denken wir, dass diese Musterbescheinigung irreführend ist.

Hier werden Daten angefordert, die für den eigentlichen Belegnachweis nach der Neuregelung unbedeutend sind. Es wird auf den Tatbestand der Beförderung/Versendung abgestellt und darauf, wann die Gegenstände von einem bestimmten Unternehmer/einer bestimmten Person an den Spediteur übergeben worden sind. Entscheidend ist aber der Tag und Ort der Entgegennahme durch den Abnehmer.

Neu an dieser Bescheinigung ist, dass der Spediteur hier versichert, dass er die Gelangensbestätigung für den Lieferanten aufbewahrt. Unseres Erachtens sollte diese Versicherung formularmäßig von einer sonstigen Bescheinigung getrennt werden und in Abstimmung mit den Speditionsunternehmen überarbeitet werden. Unseres Erachtens ist das vorliegende Muster nicht sehr hilfreich für die Praxis.

 

 

Umsatzsteuer; Vorliegen einer Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) bei Vermietung wesentlicher Grundlagen

BMF-Schreiben Konsequenzen des EuGH-Urteils vom 10. November 2011, C-444/10, sowie des BFH-Urteils vom 18. Januar 2012, XI R 27/08
GZ IV D 2 – S 7100-b/11/10002
DOK 2012/0954863

Unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10. November 2011, C-444/10, hat der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 18. Januar 2012, XI R 27/08, entschieden, dass die Übereignung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung eines Einzelhandelsgeschäfts unter gleichzeitiger Vermietung des Ladenlokals an den Erwerber auf unbestimmte Zeit, allerdings aufgrund eines von beiden Parteien kurzfristig kündbaren Vertrags, eine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäftsveräußerung darstellt, sofern die übertragenen Sachen hinreichen, damit der Erwerber eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird Abschnitt 1.5 Abs. 3 Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 31. August 2012 – IV D 3 – S 7346/12/10002 (2012/0810509), BStBl I, S. 923 – geändert worden ist, wie folgt gefasst und ein neuer Satz 4 angefügt:
1 Die Urteile werden zeitgleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.

„Hierfür reicht eine langfristige Vermietung oder Verpachtung für z. B. acht Jahre aus (vgl. BFH-Urteil vom 23. 8. 2007, V R 14/05, BStBl 2008 II S. 165). Ebenfalls ausreichend ist eine Vermietung oder Verpachtung auf unbestimmte Zeit (vgl. EuGH-Urteil vom 10. 11. 2011, C-444/10, BStBl 2012 II S. ___, und BFH-Urteil vom 18. 1. 2012, XI R 27/08, BStBl II S. ___); die Möglichkeit, den Miet- oder Pachtvertrag kurzfristig zu kündigen, ist hierbei un-schädlich.“

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 1. Januar 2013 ausgeführte Umsätze wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn die beteiligten Unternehmer bei der Überlassung wesentlicher Betriebsgrundlagen im Rahmen unbefristeter Miet- oder Pachtverträge ein-vernehmlich davon ausgehen, dass die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1a UStG nicht vorliegen.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

 

Besteuerung der Altersrenten der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungsgemäß

1. NV: Bei der Überprüfung des Verbots der Doppelbesteuerung werden den aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen die von dem Steuerpflichtigen bereits bezogenen und entsprechend der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartenden Rentenzahlungen, die nicht der Besteuerung unterliegen gegenüberstellt(Rn.13).

2. NV: Die Privilegierung der privaten Leibrenten verstößt nicht gegen Art. 3 GG (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung)(Rn.7).

 

Gesetze

EStG § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchstabe a, Doppelbuchstabe aa,
EStG § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchstabe a Doppelbuchstabe bb

siehe auch Besteuerung der Altersrenten

 Instanzenzug

Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 27.09.2011 3 K 73/11

 Gründe

1  Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2  Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO sind zum Teil nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt worden, teils liegen sie nicht vor.

3  1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend, so muss er u.a. substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene für den Streitfall entscheidungserhebliche Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt.

4  Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit muss begründet werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist. Dazu gehört auch, dass sich der Beschwerdeführer mit der zu dieser Rechtsfrage bereits vorhandenen Rechtsprechung auseinandersetzt und substantiiert darlegt, weshalb nach seiner Ansicht diese Rechtsprechung keine Klärung herbeigeführt habe. Hat der Bundesfinanzhof (BFH) bereits früher über die Rechtsfrage entschieden, muss der Beschwerdeführer begründen, weshalb er gleichwohl eine erneute Entscheidung zu dieser Frage für erforderlich hält. Hierzu muss er substantiiert vortragen, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Frage weiterhin umstritten ist, insbesondere welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und/oder in der Literatur gegen die Rechtsprechung des BFH vorgebracht worden sind (ständige BFH-Rechtsprechung, siehe z.B. Senatsbeschluss vom 10. August 2011 X B 228/10, BFH/NV 2011, 1873 ; vgl. auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 116 Rz 33, m.w.N.).

5  Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze kann die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden.

6  a) Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist der Auffassung, die Fragen, ob Rentenbezieher, die in der Zeit von 2005 bis 2040 Altersrenten beziehen und/oder deren Renteneintritt in diesen Zeitraum falle, finanzielle Nachteile infolge tatbestandlich bestehender Doppelbesteuerung und/oder infolge der Privilegierung privater Rentenversicherer als verfassungskonform hinnehmen müssten, seien von grundsätzlicher Bedeutung. Trotz der Rechtsprechung des angerufenen Senats sei die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Vorschriften des Alterseinkünftegesetzes (AltEinkG ) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427 ) nach wie vor ungeklärt, da eine abschließende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehle.

7  aa) In Bezug auf die Privilegierung der privaten Renten hat der Senat bereits in seinem Grundsatzurteil vom 26. November 2008 X R 15/07 (BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710) entschieden, dass deren Besserstellung nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstößt. Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung sei, dass der Gesetzgeber im Massensteuerverfahren vereinfachen und typisieren könne und müsse. Die realitätsgerechte Typisierung habe zudem zwangsläufig Privilegierungen/ Härten zur Folge. Der Senat hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine Übergangsregelung sich an der gesetzlichen Neukonzeption ausrichten könne. Entspreche ein Besteuerungstatbestand in einem Teilbereich bereits der neuen Konzeption, müsse der Gesetzgeber „keinen Schritt zurück” machen. So sei es auch bei der Besteuerung der privaten Leibrentenversicherungen: Diese seien Teil der privaten Altersvorsorge und gehörten zur sog. dritten Schicht der Altersvorsorge, für die das Prinzip der vorgelagerten Besteuerung und damit die Ertragsanteilsbesteuerung gelte (vgl. Senatsurteil in BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710, unter II.2.b cc).

8  Eine gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotene substantiierte Auseinandersetzung mit den Argumenten des Senats bleibt der Kläger schuldig. Sein Hinweis, die Klärung dieser Rechtsfrage berühre eine unüberschaubare, ständig wachsende Vielzahl von Rentnern, reicht zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht aus (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2009 III B 117/08 , Zeitschrift für Steuern und Recht 2009, R906; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 34; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 115 FGO Rz 93, jeweils m.w.N.).

9  bb) In Bezug auf die geltend gemachten finanziellen Nachteile infolge tatbestandlich bestehender Doppelbesteuerung kann die Revision nicht zugelassen werden, weil die Rechtsfrage im Rahmen einer Revision nicht klärungsfähig wäre. Im Streitfall ist eine Doppelbesteuerung nicht gegeben.

10  Das Finanzgericht hat —den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend— festgestellt, dass der Kläger in der Zeit vom 4. Januar 1946 bis zum 31. Juli 1995 Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rentenversicherung inklusive der Arbeitgeberanteile in Höhe von 41,85 Reichsmark sowie 288.301,96 DM erbracht hat, während er bis Ende 2006 Rentenzahlungen in Höhe von mindestens 337.579 DM steuerfrei erhalten hat. Unter Anwendung der vom Senat aufgestellten Grundsätze zur Überprüfung der Doppelbesteuerung (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710, unter II.2.c) liegt selbst bei unterstellter vollständiger Nichtabziehbarkeit der Beiträge (vgl. dazu aber Senatsurteil in BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710, unter II.2.c bb und ee) eine Doppelbesteuerung nicht vor.

11  cc) Sofern der Kläger geltend macht, die Frage, ob das AltEinkG zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung führt, könne nur abstrakt und nicht lediglich in Bezug auf einen konkreten Rentenfall beantwortet werden, wendet er sich gegen die ständige Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte. Seine Begründung kann indes nicht zur Zulassung der Revision führen:

12   (1) Der Kläger macht sinngemäß geltend, bei Zugrundelegung der Rechtsprechungsgrundsätze käme es zu eher zufälligen Ergebnissen: Der Eintritt der Verfassungswidrigkeit hinge (auch) von dem Lebensalter ab, das der jeweilige Rentner erreiche: Wer nur für kurze Zeit Rente beziehe, wäre einer verfassungswidrigen Besteuerung ausgesetzt, während der Rentner, der den „sogenannten break even-point” erreiche, „noch einmal davonkomme”. Ebenso hinge die Verfassungswidrigkeit von dem Zeitpunkt ab, in dem der jeweilige Rentner sein Klagebegehren rechtshängig mache: Klage er kurz nach Rentenbeginn, müsste die Verfassungswidrigkeit bejaht werden; klage er demgegenüber erst gegen Ende eines langen Lebens, wäre die Verfassungswidrigkeit unter Umständen zu verneinen.

13  Der Kläger übersieht mit dieser Argumentation, dass die Rechtsprechung bei der Überprüfung des Verbots der Doppelbesteuerung den aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen nicht nur die von dem Steuerpflichtigen bereits bezogenen, sondern auch die entsprechend der statistischen Lebenserwartung künftig zu erwartenden, nicht der Besteuerung unterliegenden Rentenzahlungen gegenüberstellt (Senatsurteile in BFHE 223, 445 , BStBl II 2009, 710, unter II.2.c ee, und vom 4. Februar 2010 X R 52/08, BFH/NV 2010, 1253 , unter II.3.c). Durch die Einbeziehung auch der künftigen Rentenbezugsjahre aufgrund der statistischen Lebenserwartung kommt es gerade nicht zu den vom Kläger gerügten Problemen und Zufälligkeiten.

14  Für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger vor Erreichen der statistischen Lebenserwartung verstirbt, von ihm erlangte Rentenzahlungen aber gleichwohl mit dem gesetzlich festgelegten Anteil der Besteuerung unterworfen werden, hat der angerufene Senat bereits entschieden, dass dies eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung darstelle. In einem solchen Fall verwirkliche sich das typische Rentenrisiko; während bei einem Teil der Steuerpflichtigen die Lebenszeit die statistische Lebenserwartung unterschreite, werde diese bei anderen überschritten (Senatsbeschluss vom 18. August 2010 X B 50/09, BFH/NV 2010, 2270 ).

15   (2) Sofern der Kläger geltend macht, es komme bei der Überprüfung der Doppelbesteuerung nicht auf die Beiträge und Renten an, sondern auf die Summe der jeweils darauf entrichteten Steuern, hat er dies nicht näher begründet. Der Senat vermag auch keine Gründe hierfür zu erkennen. Die Doppelbesteuerung bezieht sich auf das Steuersubstrat; die tatsächlich entrichteten Steuern sind Folge der Besteuerung.

16  2. Eine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO setzt voraus, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen „zur Fortbildung des Rechts” zu entscheiden ist. Dieser Zulassungsgrund konkretisiert den der Nr. 1 und gebietet eine Zulassung, wenn über bisher ungeklärte abstrakte Rechtsfragen zu entscheiden ist (BFH-Beschluss vom 10. November 2010 VIII B 159/09 , BFH/NV 2011, 300 ). Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten strengen Darlegungsanforderungen (Senatsbeschluss vom 22. März 2011 X B 165/10, BFH/NV 2011, 985 ). Ein diesen Vorgaben genügendes klägerisches Vorbringen fehlt (vgl. dazu die Erläuterungen unter 1.).

Mehr Transparenz bei der Riester-Rente

Das Bundeskabinett hat am 26. September 2012 die Formulierungshilfe für ein Altersvorsorge- Verbesserungsgesetz beschlossen. Mit einem für die Anbieter verpflichtenden Produktinformationsblatt, das die wichtigsten Kriterien übersichtlich darstellt, sollen die Transparenz und Vergleichbarkeit von geförderten Altersvorsorgeprodukten (Riester-Rente / Basis-Rente) erhöht werden. Zudem sollen die Abschluss- und Vertriebskosten bei einem Vertragswechsel begrenzt werden. Weitere Verbesserungen sind bei der Basisversorgung im Alter und dem so genannten „Wohn-Riester“ vorgesehen. Auch die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Riester-Vertrags gegen die verminderte Erwerbsfähigkeit abzusichern, soll erleichtert werden. Die Maßnahmen sind ein wesentlicher Beitrag, um die private Vorsorge für das Alter zu stärken.

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Im Einzelnen:

Einführung eines Produktinformationsblatts

Für zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträge wird ein standardisiertes anbieter- und produktübergreifendes Produktinformationsblatt eingeführt. Gestaltung und Inhalt werden vorgegeben. Eine übersichtliche Darstellung der anfallenden Kosten, der Rendite Erwartung und des Anlage- Risikos sollen es dem Verbraucher künftig besser als bisher ermöglichen, sich vor Vertragsabschluss einen Überblick über die wesentlichen Vertragsmerkmale zu verschaffen.

Riester-Rente: Begrenzung der Abschluss- und Vertriebskosten bei einem Vertragswechsel

Dem Anleger steht das Recht zu, den Anbieter seines Altersvorsorgevertrages zu wechseln. In diesem Fall entstehen auch für das bereits geförderte Altersvorsorgevermögen erneut Abschluss- und Vertriebskosten. Dies Kosten sollen begrenzt werden. Es ist vorgesehen, dass im Fall eines Anbieterwechsels maximal 50 % des geförderten übertragenen Kapitals bei der Berechnung der Abschluss- und Vertriebskosten beim neuen Anbieter berücksichtigt werden dürfen. Damit wird die Bemessungsgrundlage für die Kosten gedeckelt. Zudem sollen auch die Wechselkosten beim abgebenden Anbieter gedeckelt werden. Basisversorgung im Alter: Erhöhung des Abzugsvolumens und Absetzbarkeit von Beiträgen zur Absicherung der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit

Das steuerliche Abzugsvolumen für eine Basisversorgung im Alter von bisher 20.000 € soll auf 24.000 € angehoben werden. Zudem können künftig Beiträge zur Absicherung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit im Rahmen des Abzugsvolumens der Basisrente geltend gemacht werden. Voraussetzung für das neue Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsprodukt ist, dass bei Eintritt des Versicherungsfalls eine lebenslange Rente gezahlt wird.

„Wohn-Riester“: Mehr Flexibilität

Hier sollen sich mehrere Punkte verbessern.

Jederzeitige Kapitalentnahme für selbstgenutztes Wohneigentum: Die förderunschädliche Entnahme von gefördertem Altersvorsorgevermögen für die selbstgenutzte Wohnung ist derzeit nur eingeschränkt möglich. So muss die Entnahme entweder im zeitlich unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung beziehungsweise Herstellung der selbstgenutzten Wohnung erfolgen oder zur Entschuldung dieser Wohnung unmittelbar zu Beginn der Auszahlungsphase. Diese Einschränkung soll aufgehoben werden. Gefördertes Altersvorsorgevermögen kann dann jederzeit für die Bildung von selbstgenutztem Wohneigentum entnommen werden.

Jederzeitige „Einmal“-Besteuerung des Wohnförderkontos während der Auszahlungsphase: Der Steuerpflichtige kann sich nach geltendem Recht nur einmalig – zu Beginn der Auszahlungsphase – entscheiden, ob er die ratierliche Besteuerung des Wohnförderkontos bis zum 85. Lebensjahr oder die Einmalbesteuerung wählt. Bei der Einmalbesteuerung des Wohnförderkontos zu Beginn der Auszahlungsphase werden lediglich 70 % des in der Wohnimmobilie gebundenen, geförderten Kapitals mit dem individuellen Steuersatz besteuert.

Zukünftig soll diese Möglichkeit, sich für eine „Einmal“-Besteuerung – hinsichtlich des dann noch vorhandenen Wohnförderkontos – zu entscheiden, während der gesamten Auszahlungsphase bestehen. Verminderung der jährlichen Erhöhung der in das Wohnförderkonto eingestellten Beträge von 2 % auf 1 %: Das geförderte Kapital („Wohn-Riester“) wird betragsmäßig in einem Wohnförderkonto erfasst. Während der Ansparphase erfolgt die Erfassung der Förderung fortlaufend. Das Wohnförderkonto wird jährlich um 2 % erhöht. Dieser Wert soll auf 1 % gesenkt werden. Hierdurch wird die Attraktivität des „Wohn-Riesters“ weiter verbessert, da der Stand des Wohnförderkontos langsamer anwächst, und die spätere (nachgelagerte) Besteuerung in der Altersphase entsprechend geringer ausfällt.

Einbeziehung eines behindertengerechten bzw. barrierereduzierenden Umbaus: Für bestimmte Umbaumaßnahmen an der selbstgenutzten Wohnung soll zukünftig die „Wohn-Riester“-Förderung in Anspruch genommen werden können. Voraussetzung dafür soll sein, dass die betreffenden Aufwendungen mindestens 6.000 € betragen und innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren nach der Anschaffung oder Herstellung der selbstgenutzten Wohnung entstanden sind, oder die Aufwendungen mindestens 30.000 € betragen. Außerdem muss in beiden Fällen durch einen Sachverständigen bestätigt werden, dass das für den Umbau entnommene Kapital zu mindestens 50 Prozent auf Umbaumaßnahmen im Sinne der DIN 18040-2 (barrierefreies Bauen) entfällt, soweit diese Standards aufgrund der Gegebenheiten der Immobilie baustrukturell möglich sind, und der verbleibende Teil der Kosten der Reduzierung von Barrieren dienen. Für die insoweit berücksichtigten Aufwendungen ist dann die Inanspruchnahme des § 35a EStG und die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen.

Mehr zum Thema

  • Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge (Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz – AltvVerbG) (PDF, 188,3 KB)

Sicherheit fürs Alter: Staatliche Rente und private Vorsorge

Überalterung ist das Stichwort, mit dem die deutsche Bevölkerung in Zukunft immer häufiger konfrontiert werden wird: Während die durchschnittliche Lebenserwartung kontinuierlich steigt, sinken die Geburtenraten auf ein neues Rekordtief. Die Folge ist ein demografischer Wandel, der die Grundfesten des gesetzlichen Rentensystems ins Wanken bringt. Deswegen diskutiert die Bundesregierung über alternative Konzepte, die wachsenden Probleme bei der Rente zu bekämpfen. Gerade für junge Menschen wird dabei das Thema private Vorsorge immer wichtiger.

Das neue Arbeitsblatt erläutert das Modell der gesetzlichen Rentenversicherung und weist auf Problemstellungen hin. Neben aktuellen Änderungen im Rentensystem werden ebenso Möglichkeiten privater und betrieblicher Altersvorsorge aufgezeigt. In weiterführenden Aufgaben formulieren Schülerinnen und Schüler Optionen zur finanziellen Absicherung und setzen sich kritisch mit den staatlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Rentenfrage auseinander.

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  • Arbeitsblatt Oktober: Sicherheit fürs Alter: Staatliche Rente und private Vorsorge (PDF, 732,9 KB)

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Finanzen zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen für eine Zweite Verordnung zur Änderung steuerlicher Verordnungen

Sehr geehrter Herr ,
wir bedanken uns für die Einladung zu der Öffentlichen Anhörung zum oben bezeichneten Gesetzentwurf, an der wir gern teilnehmen. Unsere in der Anlage beigefügten Anmerkungen beziehen sich ausschließlich auf die Änderungen steuerlicher Vorschriften.
Wir möchten insbesondere auf zwei Aspekte vorab hinweisen:
Im Zusammenhang mit dem Entwurf der Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 und dem Entwurf des BeitrRLUmsG möchten wir eindringlich auf eine u. E. sehr brisante Problematik in Bezug auf Schenkungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften aufmerksam machen.
Einerseits gilt der koordinierte Ländererlass vom 20. Oktober 2010 (BStBl. I 2010, S.1207) zu „ Leistungen von Gesellschaftern und Dritten an Kapitalgesellschaften (R 18 ErbStR, H 18 ErbStH) weiterhin, da die ErbStR 2011 in dieser Hinsicht unbesetzt geblieben sind. Andererseits sollen nach der im BeitrRLUmsG vom Bundesrat ergänzten Nummer 1a (§ 7 Abs. 8 ErbStG – neu) verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) und die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen der Schenkungsteuer unterliegen.
Nach der vom Bundesrat eingefügten Fiktion ist jegliche Leistung an eine Gesellschaft bzw. jede Einlage eine Schenkung an die Mitgesellschafter, soweit sie zu einer Werterhöhung in ihren Anteilen führt. Zwar wird das Ziel erreicht, Besteuerungslücken zu schließen, jedoch hat die Vorschrift u. E. einen stark überschießenden Charakter, denn es werden auch solche Leistungen erfasst, die nicht freigebig sondern betrieblich veranlasst sind.
Die Folgen für alle Kapitalgesellschaften sind weitreichend und für die einzelnen Unternehmen kaum überschaubar.
In Bezug auf die Schenkungsteuerbarkeit einer vGA beruft man sich auf Rechtsprechungsgrundsätze des BFH (BFH-Urteil vom 7. November 2007, Az. II R 28/06). Betrachtet man diese BFH-Rechtsprechung näher, stellt sich allerdings heraus, dass es sich nur um ein obiter dictum in einem einzelnen Fall handelt. Es ist nicht klar, ob der BFH in einem ähnlichen Fall wieder so entscheiden würde. Eine gesetzliche Grundlage für diese Sichtweise gibt es nicht und sie lässt sich auch nicht nach den allgemeinen Grundsätzen erklären.
Vor diesem Hintergrund erscheint die vorgeschlagene gesetzliche Änderung als überhastet und sollte im Zusammenhang mit den Änderungen in den ErbStR 2011 u. E. noch einmal überdacht werden.
Der Bundesrat schlägt in seiner Stellungnahme sowohl im Einkommensteuergesetz als auch in der Abgabenordnung Änderungen vor, die letztlich das Fiskusprivileg in der Insolvenz wieder einführen.
Die Bundessteuerberaterkammer lehnt die Wiedereinführung des Fiskusprivilegs im Insolvenzverfahren ab und hat dies bereits in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Haushaltbegleitgesetzes 2011 zu den dort vorgesehenen Änderungen der Insolvenzordnung, die den Fiskus gegenüber anderen Gläubigern begünstigen, kritisch beurteilt.
Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahre 1999 gilt im deutschen Insolvenzrecht der Grundsatz, dass – anders als in der vorgehenden Konkursordnung – alle Gläubiger gleich zu behandeln sind. Durch die Besserstellung des Fiskus soll dieser in der Praxis seit mehr als zehn Jahren bewährte Grundsatz zum Nachteil der anderen Gläubiger lediglich aus haushalterischen Gründen aufgegeben werden. Der kurzfristigen Sanierung des Bundeshaushaltes stehen jedoch im Falle der Insolvenz der Unternehmen die dauerhafte Belastung der Sozialkassen durch arbeitslos gewordene Beschäftigte und Steuerausfälle gegenüber. Die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung der Unternehmen verschlechtern sich.
Auch vor dem Hintergrund des ESUG, welches auf die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen ausgerichtet ist, sollte vom Fiskusprivileg in der Insolvenz Abstand genommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
i. V.
Jörg Schwenker
Geschäftsführer

 

Anlage

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – BeitrRLUmsG)

Artikel 2: Änderung des Einkommensteuergesetzes

Der Regierungsentwurf enthält umfassende Regelungen für den Bereich der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. Mit den gesetzlichen Maßnahmen sollen die lohnsteuerlichen Verfahrensvorschriften damit an das elektronische Verfahren angepasst werden, welches ab 2012 angewendet werden soll.

Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) begrüßt grundsätzlich das Vorhaben der Finanzverwaltung, dieKommunikation zwischen Bürger, Unternehmen und Finanzamt individuell, papierlos und sicher auf elektronischem Wege zu ermöglichen. Die Einführung und Anwendung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale sehen wir generell als geeignet an, Arbeitsabläufe zu vereinfachen und Verfahrenskosten zu senken.

Zu Nr. 3 i. V. m. Nr. 30: (§ 10a Abs. 3 Satz 2, § 79 EStG)
Die vorgesehene Gesetzesänderung stellt sicher, dass zukünftig alle – unmittelbar und mittelbar – Zulageberechtigten den Mindestbeitrag von 60,00 € in ihren Riestervertrag einzahlen und es damit bei einem Übergang von einer mittelbaren zu einer unmittelbaren Zulageberechtigung nicht mehr zu Versäumnissen kommen kann. Da die vom mittelbar Zulageberechtigten nun zu zahlenden 60,00 € beim Sonderausgabenabzug des Ehegatten auch zusätzlich berücksichtigt werden können, kommt es bei diesem zu keiner Verschlechterung.

Die Änderungen sind daher zu unterstützen.
Zu Nr. 11 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 2 Nummer 6a – neu – (§ 39 Abs. 2a – neu – EStG))
Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum BeitrRLUmsG eine Regelung vorgeschlagen, die die Insolvenzanfechtung gezahlter Lohnsteuern deutlich einschränkt.
Vorgesehen ist, § 38 EStG um einen neuen Absatz 2a zu ergänzen, wonach „die Entrichtung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber in den Fällen des Absatzes 1 als eine Leistung des Schuldners im Sinne des § 142 Satz 1 der Insolvenzordnung gilt“. Das heißt, es wird die Fiktion eines Bargeschäfts geschaffen, welches nur unter bestimmten Voraussetzungen anfechtbar ist.

Mit der vorgeschlagenen Regelung soll die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umgangen werden, nach der es sich bei der Zahlung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber an das Finanzamt um eine Leistung aus dem eigenen Vermögen des Arbeitgebers handelt, die den allgemeinen insolvenzrechtlichen Anfechtungsregeln unterliegt. Der Bundesrat sieht hier im Fall der Insolvenzanfechtung beträchtliche Steuerausfälle des Fiskus, die mit der neuen Vorschrift aufgefangen werden sollen.
Die BStBK lehnt die Privilegierung des Fiskus im Insolvenzverfahren ab. Vergleiche auch unsere Ausführungen zu Nr. 23 der Stellungnahme des Bundesrates.

Die Wiedereinführung eines Fiskusprivilegs ins Insolvenzverfahren widerspricht der Vereinbarung im Koalitionsvertrag der 17. Legislaturperiode, die die Gleichbehandlung aller Gläubiger als wesentliche Errungenschaft der Insolvenzordnung sieht. Unter Ziffer „1.3 Investitionsbremsen lösen“ heißt es zur Reform des Insolvenzrechts: „Hiermit (Gleichbehandlung aller Gläubiger) nicht vereinbar ist die in der letzten Wahlperiode gegen den Willen der Rechtspolitiker aller Fraktionen erfolgte Privilegierung der Sozialkassen im Insolvenzverfahren. Diese werden wir beenden.“

Diese Aussage bezieht sich auf § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV mit nachfolgendem Wortlaut: „Die Zahlung des vom Beschäftigten zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht.“ Damit sollte die Möglichkeit der Anfechtung dieser Zahlung im Insolvenzverfahren eingeschränkt werden. Nach Auffassung des BGH kann die Zahlung der Arbeitnehmeranteile auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge allerdings ungeachtet dieser Regelung als Rechtshandlung des Arbeitgebers im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers als mittelbare Zuwendung an die Einzugsstelle angefochten werden (BGH Urteil vom 7.4.2011 IV ZR 118/10; BHGZ 183, 86). Auch diesen Teil der Sozialversicherungsbeiträge leiste der Arbeitgeber aus seinem Vermögen. Die Leistung der von den Arbeitnehmern geschuldeten Lohnsteuer sei anfechtungsrechtlich nicht anders zu beurteilen. Zwar seien Schuldner der Steuer allein die Arbeitnehmer. Die Leistung der Lohnanteile an das Finanzamt erfolge jedoch ebenso wie die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Vermögen des Arbeitgebers.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Fiktion eines Bargeschäftes, mit der Rechtsfolge der eingeschränkten Anfechtbarkeit, ist aus den vorgenannten Gründen nicht nachvollziehbar und wird von uns abgelehnt.
Darüber hinaus ist es nicht nachvollziehbar, dass Regelungen, die das Insolvenzverfahren betreffen, in einem Gesetz „versteckt“ werden, welches in erster Linie der Umsetzung von EU-Richtlinien gilt.
Zu Nr. 26 Buchst. b) und c): (§ 51a Abs. 2c und Abs. 2e EStG)

Das Gesetz sieht vor, die bisher bestehende Wahlmöglichkeit, die Festsetzung der Kirchensteuer auf Kapitaleinkünfte im Zuge der Veranlagung vorzunehmen, entfallen zu lassen. Der Abzug der Kirchensteuer soll vielmehr durch ein automatisiertes Abzugsverfahren ersetzt werden.

Vom Grundsatz her unterstützt die BStBK den automatisierten Abzug als mit dem Grundgedanken einer Abgeltungsteuer im Einklang stehendes Verfahren. Bei der Umsetzung sind jedoch zwei Vorgaben besonders zu beachten.

Zum einen sollte das Verfahren möglichst einfach ausgestaltet werden. Zum anderen sind dabei aber Datenschutzaspekte zu beachten. Wie diese beiden Vorgaben angemessen kombiniert werden können, kann nur konkret mit den Kirchensteuerabzugsverpflichteten erörtert werden. Aus unserer Sicht können aus Vereinfachungsgründen dabei auch pauschale Lösungen zum Tragen kommen.
Ergänzender Vorschlag: Änderung des § 22a Abs. 3 EStG:
Es sind in der Vergangenheit verschiedentlich Fälle aufgetreten, in denen die Mitteilungen der Rentenversicherung an das Finanzamt Fehler enthielten. Derartige Probleme gibt es dem Vernehmen nach hauptsächlich bei Renten, die keine Altersrenten sind, wie z. B. Erziehungsrenten, Waisenrenten oder Witwenrenten.

Die Finanzämter sind an die Mitteilungen der Rentenversicherungsträger gebunden. Der Steuerpflichtige oder sein steuerlicher Berater erfahren jedoch oftmals nicht, welche Werte der Rentenversicherungsträger an das Finanzamt gemeldet hat. Der Steuerpflichtige erfährt lediglich, dass eine solche Meldung gemacht wurde. Um eine Überprüfung der Inhalte dieser Mitteilungen durch den Steuerpflichtigen oder den Steuerberater bereits vorab zu ermöglichen und erforderliche Berichtigungen nicht erst mittels eines Einspruchsverfahren durchsetzen zu müssen, schlagen wir folgende Änderung des § 22a Abs. 3 EStG vor:
„Der Mitteilungspflichtige hat den Leistungsempfänger jeweils darüber zu unterrichten, welche Leistung der zentralen Stelle mitgeteilt wird.“

Artikel 4: Änderung des Körperschaftsteuergesetzes
Zu Nr. 1: Aufhebung des § 8c Abs. 1a KStG:
Die vorgesehene Aufhebung des Absatzes 1a der Vorschrift beruht auf der Entscheidung der EU-Kommission vom 26. Januar 2011, wonach die sog. Sanierungsklausel gegen EU-Beihilferecht verstößt. Nach Auffassung der EU-Kommission weicht die Sanierungsklausel vom allgemeinen Prinzip im Unternehmenssteuerrecht Deutschlands ab, welches einen Verlustvortrag genau dann verhindert, wenn bei dem betroffenen Unternehmen ein maßgeblicher Eigentümerwechsel stattgefunden hat. Die Sanierungsklausel verschafft dagegen angeschlagenen Unternehmen und möglicherweise ihren Käufern einen klaren finanziellen Vorteil durch die Möglichkeit einer Verlustverrechnung trotz maßgeblichen Wechsels in der Eigentümerstruktur.
Nach unserer Auffassung verkennt die EU-Kommission bei ihrer Entscheidung, dass grundsätzlich, ungeachtet auch der Einschränkungen durch die Mindestgewinnbesteuerung des § 10d EStG, in Deutschland die Verrechnung von Verlusten zulässig ist und aufgrund des Leistungsfähigkeitsprinzips im Steuerrecht auch zulässig sein muss. Ein struktureller Fehler des § 8c KStG liegt allerdings insoweit vor, als diese Norm, anders als ihre Vorgängervorschrift § 8 Abs. 4 KStG a. F., nicht mehr erkennbar auf die Verhinderung von Missbräuchen ausgerichtet war. Dies ist in der Literatur auch von Anfang an immer wieder kritisiert worden (vgl. etwa Suchanek/Herbst, FR 2007, S. 863; Schwedhelm, GmbHR 2008, S. 404; Lang, DStZ 2009, S. 751). Die allgemeine Geltung der Norm führt aber gerade dazu, dass eine Ausnahmeregelung für Härtefälle, eine Sanierungsklausel also, wirtschaftlich geboten ist.

Die Bundesregierung hat allerdings Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der EU-Kommission erhoben, so dass deren Entscheidung noch einmal überprüft werden wird. Vor diesem Hintergrund wäre es u. E. verfrüht, § 8c Abs. 1a EStG bereits jetzt aufzuheben.
Artikel 11: Änderung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
Zu Nr. 1 b): § 2 Abs. 3 – neu –

Wir begrüßen die vorgeschlagene Ergänzung des § 2 als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings geht das Urteil des EuGH in der Rs. Mattner (Rs. C-510/08 vom 22. April 2010), das dieser Gesetzesänderung zugrunde liegt, über die vorgeschlagene Änderung hinaus.
Denn der EuGH hatte über einen Fall der beschränkten Schenkungsteuerpflicht zu entscheiden, so dass das im Gesetzentwurf normierte Erfordernis der unbeschränkten Steuerpflicht, hier auf Antrag, zumindest als problematisch anzusehen ist. Insoweit ist die Gesetzesbegründung aus unserer Sicht auch nicht zwingend, denn der BFH hat in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH gerade Zweifel daran geäußert, ob eine Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht auch auf dem Gebiet der Schenkungsteuer angebracht sei, da in diesem Fall ausschließlich der zugewendete Vermögensgegenstand einer Besteuerung unterliege und es somit keine unterschiedliche Bemessungsgrundlage für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige gäbe.

Die zu den vier Grundfreiheiten gehörende Kapitalverkehrsfreiheit schützt ausdrücklich auch den Kapitalverkehr in Bezug auf Drittstaaten. Dies ist allerdings nicht berücksichtigt worden und an dieser Stelle erweist sich diese Regelung als zu kurz.
Bedenklich ist es u. E. auch, dass der Freibetrag nach § 16 Abs.1 ErbStG Gebietsfremden nur dann gewährt wird, wenn diese einen Antrag stellen. Es ist hier eine faktische Ungleichbehandlung zwischen Gebietsfremden und Steuerinländern zu erkennen, denn nicht jeder zulässige Antrag wird an dieser Stelle gestellt werden, was in der Natur der Sache liegt (Unkenntnis oder Berührungsängste mit einem fremden Steuerrechtssystem).
Zu Nr. 22 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 11 Nr. 1a.: § 7 Abs. 8 – neu –)

Nach Satz 1 des neuen Absatzes 8 soll auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ein Gesellschafter durch die Leistung einer anderen Person an die Gesellschaft erlangt, als Schenkung gelten.
Wir halten diese Regelung in der vorgesehenen Form für ungeeignet und überschießend, und wir lehnen sie daher nachdrücklich ab.

Ziel der Finanzverwaltung ist es, Gestaltungen abzuwehren, in denen die Erbschaft- und Schenkungsteuer dadurch umgangen wird, dass Vermögen in eine Kapitalgesellschaft eingelegt wird, an der die zu beschenkende Person beteiligt ist. Dies ist durchaus nachvollziehbar. Solche Schenkungen sind jedoch u. E. nur bei Familiengesellschaften bzw. zwischen Angehörigen z. B. im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge denkbar. Nach der vorgeschlagenen Formulierung des Gesetzestextes wären jedoch auch disquotale Einlagen und vGA bei Gesellschaften betroffen, bei denen die Gesellschafter lediglich Geschäftspartner sind. Im normalen Geschäftsverkehr ist aber nicht davon auszugehen, dass Geschäftspartner sich gegenseitig beschenken wollen.

Beispiel 1:
Beteiligt an der A&B-GmbH sind A mit 35 % und B mit 65 %; zwischen A und B bestehen keinerlei verwandtschaftliche Verhältnisse. B hatte Geld am Kapitalmarkt angelegt, das nun fällig wird. Wegen der niedrigen Zinsen ist die Investition in die eigene Gesellschaft rentabler als eine Neuanlage am Kapitalmarkt.
Eine Schenkung an A ist in diesem Fall nicht vorgesehen. Die Entscheidung für die Einlage erfolgt auf der Grundlage rein betriebswirtschaftlicher Überlegungen. Um hier eine Schenkungsteuer zu vermeiden, könnte B an Stelle einer Einlage der GmbH allenfalls ein Gesellschafterdarlehen geben. Das volkswirtschaftliche Ziel einer verbesserten Eigenkapitalausstattung von Unternehmen würde durch die vorgesehene Fiktion einer freigebigen Zuwendung damit deutlich behindert.

Beispiel 2:
B habe der A&B-GmbH (vgl. oben) im Jahr 01 ein Gesellschafterdarlehen gegeben. Im Jahr 04 gerät die GmbH in wirtschaftliche Schwierigkeiten. B verzichtet daher auf seine Forderung gegen die GmbH.
Auch hier würde eine Schenkung des B an den A fingiert, da bei dem Verzicht eines Gesellschafters auf seine Forderung eine betriebliche Veranlassung in aller Regel verneint wird. Eine solche wird allenfalls dann anerkannt, wenn alle Gläubiger auf ihre Forderungen verzichten. Ein gleichlaufender Verzicht des A ist aber hier nicht möglich, da er der GmbH kein Darlehen gegeben hat. Ziel des B ist aber nicht eine freigebige Zuwendung an den Mitgesellschafter, sondern lediglich die Sicherung der Zahlungsfähigkeit der GmbH und damit des Fortbestandes der Gesellschaft und der Chance, zukünftig weiterhin Einkünfte aus ihr zu erzielen.
Bei der Umsetzung der Gesetzesänderung hat im Ergebnis nicht nur die GmbH Ertragsteuern auf den werthaltigen Teil der erlassenen Forderung zu leisten, sondern es entsteht auch Schenkungsteuer zum Steuersatz von 30 %, ohne dass es eine Rolle spielt, ob oder zu welchem Anteil die erlassene Forderung überhaupt noch werthaltig war.

Beispiel 2 sollte erkennen lassen, dass die vorgesehene Regelung auch und gerade für in wirtschaftliche Schieflage geratene Gesellschaften eine weitere Verschärfung der Situation mit sich bringt. Dies gilt nicht nur für den Fall eines Forderungsverzichts, sondern ggf. auch bereits bei einem Verzicht auf die Verzinsung des gegebenen Darlehens. Eine Sanierung solcher Gesellschaften bringt bereits jetzt aus ertragsteuerlicher Sicht erhebliche Probleme mit sich. Diese würden zukünftig noch erweitert um eine lediglich auf einer Fiktion beruhenden Belastung mit Schenkungsteuer. Statt hier später zu versuchen, mit einer neuen Sanierungsklausel nachzubessern, sollte die Regelung in der vorgesehenen Form gar nicht erst verabschiedet werden.
Eine Sonderregel gilt nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG-E in der Sphäre zwischen den Kapitalgesellschaften. Sie soll die Folgen des Satz 1 und die Folgen einer der Erbschaftsteuer unterliegenden vGA für Wertverschiebungen innerhalb eines Konzerns entschärfen.

Voraussetzung ist, dass diese Vermögensverschiebungen betrieblich veranlasst sind. Der offene Rechtsbegriff sorgt an dieser Stelle für weiteren Zündstoff. Es stellt sich die Frage, was unter einer betrieblichen Veranlassung zu verstehen ist. Die Auffassung in der Entwurfsbegründung ist u. E. nicht haltbar. Hiernach liegt eine betriebliche Veranlassung regelmäßig nicht vor, wenn der leistende und der begünstigte Gesellschafter nahe Angehörige sind. Eine solche Vermutung verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Die Sonderregel nach § 7 Abs. 8 Satz 2 ErbStG-E ist zwar dem Grunde nach zu begrüßen, reicht aber nicht weit genug, da die normale mittelständische GmbH mit nicht verwandten, natürlichen Personen als Gesellschafter davon nicht profitiert. Betroffen von der Neuregelung sind damit insbesondere die Gesellschaften, bei denen eine missbräuchliche Gestaltung am wenigsten wahrscheinlich ist.

Zu Nr. 22 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 11 Nr. 1b.: § 15 Abs. 4 – neu –)
Nach § 15 Abs. 4 ErbStG-E soll bei einer Schenkung durch eine Kapitalgesellschaft das persönliche Verhältnis des Erwerbers zu der unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Person zugrunde gelegt werden, durch die die Schenkung veranlasst ist.

Dieser Punkt ist stark zu kritisieren. Zum einen wird hier unterstellt, dass eine ertragsteuerliche vGA, die beim Gesellschafter zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt, gleichzeitig der Schenkungsteuer unterliegt.
Dass diese aus einem obiter dictum eines BFH-Urteils (BFH-Urteil vom 7. November 2007, Az. II R 28/06) abgeleitete Konsequenz an dieser Stelle im Gesetz eingeordnet wird, ist nicht nachvollziehbar und vollkommen unsystematisch. Paragraf 15 ErbStG kann erst einschlägig sein, wenn unter einen steuerbaren Tatbestand subsumiert worden ist.

Der koordinierte Ländererlass vom 20. Oktober 2010 (BStBl. I 2010, S.1207) geht zu Unrecht davon aus, dass bei einer vGA Schenkungen der Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter bzw. an nahestehende Personen in Betracht kommen können. Eine Kapitalgesellschaft kann bei einer vGA nicht Zuwendender im Sinne des ErbStG sein – es fehlt ihr an einem eigenständigen Willen zur Unentgeltlichkeit. Die ertragsteuerliche wirtschaftliche Betrachtungsweise der vGA findet grundsätzlich im ErbStG keinen Niederschlag.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es hier zu einer Kollision zwischen Ertragsteuer und Schenkungsteuer kommen würde. Steuersystematisch ist hier eigentlich kein Raum für eine Schenkungsteuerbarkeit im Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Anteilseigner, da ein entgeltlicher Vorgang (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) vorliegt.

Zusammenfassung

Angesichts der weiten Auswirkung des vorgeschlagenen Gesetzestextes würde sich für Teile des Mittelstandes u. E. aufgrund der neuen hohen Risiken von nachträglich im Zuge einer Außenprüfung erhobenen Schenkungsteuerforderungen durchaus die Frage stellen, ob die GmbH noch eine geeignete Rechtsform darstellen kann. Um die tatsächlichen Umgehungsfälle ohne unüberschaubare Kollateralschäden für die gesamte Wirtschaft zu treffen, muss die Regelung noch einmal überdacht und neu formuliert werden.
Als Mindestforderung sollte die (gesetzlich geregelte) Fiktion der Schenkung nur in Fällen greifen, wo tatsächlich Besteuerungslücken bzw. Umgehungstatbestände bestehen und sollte nur dann greifen, wenn die beteiligten natürlichen Personen Angehörige i. S. d. § 15 AO sind.
Artikel 12: Änderung der Abgabenordnung
Zu Nr. 23 der Stellungnahme des Bundesrates
(Zu Artikel 12 (Abgabenordnung) )

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf völlig überraschend und u. E. systematisch verfehlt eine Änderung der Abgabenordnung vorgeschlagen, mit der eine erneute Privilegierung des Fiskus im Rahmen des Insolvenzverfahrens eingeführt werden soll.

Danach sollen die von einem anderen Unternehmer für das Unternehmen des Insolvenzschuldners und die vom Insolvenzschuldner ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen für die Aufrechnung durch Finanzbehörden nicht als Rechtshandlungen im Sinne der §§ 129 ff. der Insolvenzordnung gelten. Das heißt, die Aufrechnung durch die Finanzbehörde unterliegt nicht den Regeln der Anfechtung nach der Insolvenzordnung.
Der Bundesrat begründet seine Forderung mit einem Urteil des BFH, welches die Aufrechnungsmöglichkeiten des Fiskus erheblich einschränke und damit zu beträchtlichen jährlichen Mindereinnahmen des Fiskus führe. Der Bundesrat sieht demzufolge eine zuverlässige Haushaltsplanung des Bundes und der Länder als erschwert bzw. unmöglich an. Mit der Gesetzesänderung solle diese Schieflage im Hinblick auf die Aufrechnung mit Umsatzsteueransprüchen beseitigt werden.

Der Leitsatz der Entscheidung des BFH vom 2. November 2010 (VII R 6/10) lautet:
„Die Verrechnung von Insolvenzforderungen des Finanzamts mit einem aus der Honorarzahlung an einen vorläufigen Insolvenzverwalter resultierenden Vorsteuervergütungsanspruch des Insolvenzschuldners ist, sofern bei Erbringung der Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters die Voraussetzungen des § 130 InsO oder des § 131 InsO vorgelegen haben, unzulässig (Änderung der Rechtsprechung).“
Der BFH hat hier entschieden, dass der Aufrechnung des Finanzamts die Vorschrift des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegensteht. Nach dieser Vorschrift ist die Aufrechnung unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Die vom Bundesrat jetzt vorgeschlagene Regelung will dieses insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot umgehen. Der Fiskus erhielte somit auch dann eine Aufrechnungsmöglichkeit, wenn diese durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt wurde.

Die BStBK hat sich bereits in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des Haushaltbegleitgesetzes 2011 zu den dort vorgesehenen Änderungen der Insolvenzordnung, die den Fiskus gegenüber anderen Gläubigern begünstigen, kritisch geäußert.

Seit dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Jahre 1999 gilt im deutschen Insolvenzrecht der Grundsatz, dass – anders als in der vorgehenden Konkursordnung – alle Gläubiger gleich zu behandeln sind. Dieser Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung beherrscht das gesamte Insolvenzverfahren. Durch die Besserstellung des Fiskus soll dieser in der Praxis seit mehr als zehn Jahren bewährte Grundsatz zum Nachteil der anderen Gläubiger lediglich aus haushalterischen Gründen aufgegeben werden. Der kurzfristigen Sanierung des Bundeshaushaltes stehen jedoch im Falle der Insolvenz der Unternehmen die dauerhafte Belastung der Sozialkassen durch arbeitslos gewordene Beschäftigte und Steuerausfälle gegenüber. Die Chancen für eine erfolgreiche Sanierung der Unternehmen verschlechtern sich.

In Frage gestellt werden mit der geplanten Regelung ebenfalls die Regelungen des derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Gesetzes zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Nach Auffassung des Bundesjustizministeriums sollte mit dem Gesetzentwurf ein Mentalitätswechsel für eine andere Insolvenzkultur eingeleitet werden. Das Recht solle stärker auf die Sanierung überlebensfähiger Unternehmen ausgerichtet werden und damit auch der Erhalt von Arbeitsplätzen ermöglicht werden.

Gleichzeitig soll an der Befriedigung der Gläubiger festgehalten werden.
Aufgrund der geplanten umfassenden Privilegierung des Fiskus ist der Anreiz für diesen gering, an Sanierungsversuchen im Insolvenzverfahren mitzuwirken. Zudem werden sich durch die Regelung weitere institutionelle Gläubiger, wie z. B. die Sozialversicherungsträger veranlasst sehen, für sich auf eine ähnliche Bevorzugung zu drängen.

Die Bevorzugung bestimmter Gläubiger im Insolvenzverfahren vermindert die Liquidität der Unternehmen und mögliche Sanierungschancen. Eine Abkehr vom Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung muss vermieden werden.

Die BStBK lehnt die Einführung des vorgeschlagenen § 226 Abs. V AO deshalb entschieden ab.
Artikel 12a: Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Zu Nr. 24 der Stellungnahme des Bundesrates
Zu Artikel 12a – neu – ( § 20 Abs. 2 UStG)

Zum 31. Dezember 2011 wird die Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung automatisch wieder auf 250.000,00 € gesenkt. Die BStBK begrüßt es sehr, dass es vom Bundesrat und der Bundesregierung befürwortet wird, die derzeit geltende Grenze von 500.000,00 € um ein weiteres Jahr zu verlängern.
Wir regen jedoch an, den Vorschlag der Bundesregierung aufzunehmen und die Umsatzgrenze von 500.000,00 € für die Ist-Besteuerung auf Dauer beizubehalten.
Dies begründen wir wie folgt:

Für betroffene Unternehmen, die bis zu einer Umsatzgrenze von 500.000,00 € gem. § 140 AO nicht buchführungspflichtig sind, ist eine dauerhafte Beibehaltung der Umsatzgrenze von 500.000,00 € für die Ist-Besteuerung sehr vorteilhaft und bewahrt diese vor einer erheblichen Arbeitsmehrbelastung bei der Erfüllung Ihrer steuerlichen Pflichten. Unternehmen, die Ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln und somit nicht buchführungspflichtig sind, zeichnen nur Ihren Zahlungseingang nach dem Ist-Prinzip auf. So wäre es für diese Unternehmen ein erheblicher Mehraufwand, wenn für Zwecke der Umsatzsteuer die Sollbesteuerung anzuwenden ist. Die Angleichung beider Vorschriften durch die einheitliche Umsatzgrenze von 500.000,00 € trägt zur Steuervereinfachung bei.

Eine wiederholte nur befristete Verlängerung der Anhebung der Umsatzgrenzen führt zur Rechtsunsicherheit bei den betroffenen Unternehmen. Die Unternehmen können sich nicht dauerhaft darauf einstellen, wann und ob sie wieder in die Sollbesteuerung zurückfallen, da diese Regelung wieder um ein Jahr befristet wird.
Die Beibehaltung der Umsatzgrenze von 500.000,00 € ist auch gerade deshalb notwendig geworden, weil die Rückkehr zur Sollbesteuerung bei den betroffenen Unternehmen dazu führt, dass diesen Liquidität entzogen wird. Der Abstand zwischen dem Zeitpunkt der Umsatzsteuerzahlung durch das Unternehmen und der späteren Zahlungsleistung seiner Abnehmer bei der Sollbesteuerung führt dazu, dass den betroffenen Unternehmen wieder ein Finanzierungsnachteil entsteht. Wenn diese Unternehmen dann ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sind diese Unternehmen doppelt bestraft.

Die BStBK würde es begrüßen, wenn die dauerhafte Anhebung der Grenzen der Ist-Besteuerung – auch aus Gründen der Planungssicherheit – durchgesetzt werden könnte.