Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

FG Hessen: Aufwendungen einer Orchestermusikerin für sog. Dispokinese stellen Krankheitskosten dar

Hessisches FG Urteil vom 13.12.2011 – 12 K 2569/10

Pressemeldung des Gerichts:

“Entstehen einer Orchestermusikerin, die unter akuten Einschränkungen im Hals-Nacken-Schulterbereich leidet, Aufwendungen für sog. Dispokinese, handelt es sich hierbei um Krankheitskosten und damit um eine steuerlich nur beschränkt abziehbare außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) und nicht um unbeschränkt berücksichtigungsfähige Werbungskosten nach § 9 EStG. Das hat das Hessische Finanzgericht entschieden (Az. 12 K 2569/10).

Geklagt hatte eine Orchestermusikerin, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezog. In ihrer Einkommensteuererklärung machte sie Aufwendungen von ca. 1.000 Euro für sog. Dispokinese geltend. Die Aufwendungen seien entstanden, weil sie aufgrund akuter Einschränkungen in der Schulter ihrer Erwerbstätigkeit als Musikerin nicht habe nachgehen können. Zur Behandlung dieser Erkrankung sei Krankengymnastik verordnet worden. Zudem habe sie Aufwendungen für eine Dispokinese-Fortbildung getätigt. Bei Dispokinese handele es sich um eine von Musikern für Musiker entwickelte ganzheitlich orientierte Schulungsform. Diese pädagogische Maßnahme habe zum Ziel, die Spielfähigkeit durch Veränderung der Haltung und der Eigenwahrnehmung zu verbessern. Der Musiker erlerne zahlreiche Übungen, die es ihm ermöglichten, auch in einer Auftrittsituation bessere Leistungen zu erbringen. Damit diene die Dispokinese der Erhaltung und Sicherung der Einnahmen als Berufsmusikerin, was den unbeschränkten Werbungskostenabzug zur Folge haben müsse.

Das Hessische Finanzgericht sah hingegen in den Aufwendungen für die Dispokinese lediglich beschränkt abziehbare Krankheitskosten. Denn die Klägerin habe die Dispokinesesitzungen – nachdem die Besuche bei der Krankengymnastin nicht den erhofften Erfolg gebracht hätten – absolviert, um ihre Gesundheit wieder herzustellen bzw. zu erhalten. Zwar bestehe kein Zweifel daran, dass die Klägerin aufgrund der Dispokinese über eine verbesserte Körperhaltung verfügt habe und ihr Instrument schmerzfrei habe führen können. Diese Auswirkungen und die damit einhergehende Verbesserung des Spiels als Musikerin mache die Aufwendungen aber nicht zu Werbungskosten. Denn die Aufwendungen seien aufgebracht worden, um die gesundheitlichen Probleme zu bewältigen. Dabei handele es sich jedoch nur um steuerlich beschränkt abzugsfähige Krankheitskosten.

Das letzte Wort hat nun der Bundesfinanzhof (BFH), der die Revision zugelassen hat (Az. VI R 37/12).”

Hessisches Finanzgericht

Weitere Entscheidungen des BFH (17.10.2012)

Folgende weiteren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Datum von heute (17.10.2012) veröffentlicht:

– BFH-Urteil vom 22.08.2012 – X R 24/11 (Gewerblicher Grundstückshandel allein durch Zurechnung der Verkäufe von Personengesellschaften oder Gemeinschaften – Grundstücke im Privatvermögen eines Grundstückshändlers – Entkräftung der Vermutungswirkung der Drei-Objekt-Grenze);

– BFH-Urteil 14.12.2011 – XI R 5/10 (Zur Schätzungsbefugnis bei Buchführungsmängeln – Inhalt der Entscheidungsgründe);

– BFH-Beschluss vom 02.07.2012 – VII B 104/11 (Einfuhrabgaben: Maßgebender Zeitpunkt für die Gültigkeit eines Agrar-Ursprungszeugnisses);

– BFH-Urteil vom 09.05.2012 – X R 43/10 (Kein Sonderausgabenabzug des an eine schweizerische Privatschule gezahlten Schulgeldes – Freizügigkeitsabkommen und EWR-Abkommen – Anwendbarkeit von Grundfreiheiten des EG-Rechts im Verhältnis zu Drittstaaten – Prüfungsmaßstab bei Betroffensein mehrerer Grundfreiheiten);

– BFH-Beschluss vom 17.08.2012 – III B 38/12 (Beteiligtenvernehmung als Mittel zur Sachverhaltsaufklärung durch das Finanzgericht – Zur Feststellung des Getrenntlebens bei Eheleuten);

– BFH-Urteil vom 23.05.2012 – VII R 29/10 (Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 23.05.2012 VII R 28/10 – Haftung des Eigentümers nach § 74 AO erfasst auch grundstücksgleiche Rechte – Keine Beschränkung auf körperliche Gegenstände – Haftungsbegründende Interessenparallelität bei gemeinschaftlicher Verfügungsberechtigung – Zulässigkeit des Erlasses eines Haftungsbescheids);

– BFH-Urteil 22.05.2012 – VII R 58/10 (Aufrechnung von Umsatzsteuervergütungsansprüchen des sich in der Wohlverhaltensphase befindlichen Insolvenzschuldners mit vorinsolvenzlicher rückständiger Einkommensteuer – Anfechtung nach §§ 129 ff InsO);

– BFH-Beschluss vom 06.07.2012 – V B 103/11 (Zur Aufforderung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen);

– BFH-Urteil vom 05.07.2012 – V R 58/10 (Zeitliche Bindungswirkung der Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung – Zum zeitlichen Umfang der Prüfung der Kindergeldansprüche durch das FG – Ablaufhemmung bei Kindergeldansprüchen – Sprungklage – Verpflichtungsklage wegen Unterlassen eines Verwaltungsakts);

– BFH-Beschluss vom 27.08.2012 – V S 25/12 (Instanzielle Unzuständigkeit des BFH für den Erlass einer einstweiligen Anordnung);

– BFH-Beschluss vom 19.07.2012 – XI B 26/12 (Kein Billigkeitserlass für Nachzahlungszinsen, wenn in einer Rechnung offen ausgewiesene USt nicht abgeführt wurde);

– BFH-Beschluss vom 20.07.2012 – IX B 24/12 (Nichtzulassungsbeschwerde: Mietverhältnis, Einkünfteerzielungsabsicht; Gesamtwürdigung des FG);

– BFH-Beschluss vom 09.08.2012 – IX B 57/12 (Bloße Literatur-Hinweise bei grundsätzlicher Bedeutung; Vorfälligkeitsentschädigung im Veräußerungsfall; Darlegung der Vorgreiflichkeit für Verfahrens-Aussetzung);

– BFH-Beschluss vom 25.07.2012 – X B 144/11 (Nichtzulassungsbeschwerde wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO);

– BFH-Urteil vom 20.06.2012 – IX R 29/11 (Abziehbarkeit von Schuldzinsen aus gemeinsamer Ehegatten-Finanzierung);

– BFH-Urteil vom 20.06.2012 – IX R 30/11 (Inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 20.06.2012 IX R 29/11 – Abziehbarkeit von Schuldzinsen aus gemeinsamer Ehegatten-Finanzierung);

– BFH-Beschluss vom 03.08.2012 – VII B 40/11 (Berücksichtigung von nach der Pfändung eingetretenen Umständen im Rechtsbehelfsverfahren);

– BFH-Beschluss vom 01.08.2012 – V B 59/11 (Beiderseitige Erledigungserklärung, Aussetzung der Vollziehung im Insolvenzfall – Kostenverteilung nach beiderseitigen Erledigungserklärungen);

– BFH-Beschluss vom 09.07.2012 – V E 6/11 (Auslegung formeller Anträge);

– BFH-Beschluss vom 23.08.2012 – VI B 53/12 (Haftungsschuld nicht Gegenstand des § 236 AO);

– BFH-Beschluss vom 24.07.2012 – XI B 19/11 (Widerstreitende Steuerfestsetzung; Klage des zum Einspruchsverfahren des Steuerpflichtigen Hinzugezogenen gegen eine abhelfende Einspruchsentscheidung; Festsetzungsverjährung);

– BFH-Beschluss vom 31.07.2012 – VIII B 53/12 (Nichtzulassungsbeschwerde, Protokollberichtigung, Besorgnis der Befangenheit).

Bundesfinanzhof (BFH)

Wann dürfen Gerichtskosten angefordert werden?

FG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 15.10.2012 – 6 Ko 2327/12

Pressemeldung des Gerichts:

“Mit Beschluss vom 15. Oktober 2012 zum Kostenrecht (Az.: 6 Ko 2327/12) im Finanzstreitverfahren hat sich das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zu dem Problem geäußert, ob Gerichtskosten angefordert werden können, wenn das Verfahren wegen Einlegung der Revision noch nicht beendet ist. Die Besonderheit der Entscheidung dürfte darin zu sehen sei, dass – soweit von hier aus ersichtlich – bisher keine grundlegende Entscheidung zu diesem Problemkreis ergangen ist und es hinsichtlich der Frage, wann Kostenrechnungen zu erstellen sind, keine einheitliche Handhabung der Finanzgerichte gibt.

Im Streitfall wurde die Klage der Antragstellerin (A) mit Urteil vom Januar 2012 abgewiesen. Mittlerweile hat die A Revision eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Mit Senatsbeschluss vom Juni 2012 wurde der Streitwert auf rd. 275.000.- € festgesetzt. Auf der Grundlage dieses Streitwertes wurde dann mit der Kostenrechnung vom Juli 2012 ein Betrag von rd. 8.000.- € bei der A angefordert.

Im Erinnerungsverfahren trug die A u.a. vor, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Gerichtskosten erst mit einer unbedingten Kostenentscheidung fällig würden. Das eingelegte Rechtsmittel der Revision verhindere die Rechtskraft des Urteils und stehe somit der Fälligkeit der mit der Kostenrechnung geltend gemachten Gerichtskosten entgegen.

Dieser Ansicht vermochte sich das FG Rheinland-Pfalz nicht anzuschließen und wies die Erinnerung gegen den Kostenansatz mit Beschluss vom 15. Oktober 2012 zurück. Es führte u.a. aus, nach der grundlegenden Vorschrift des Gerichtskostengesetzes (§ 6 GKG) werde die Verfahrensgebühr bereits mit der Einreichung der Klageschrift – sogleich und in voller Höhe – fällig. Soweit sich die A auf eine andere Vorschrift des GKG (§ 9, Fälligkeit der Gebühren in sonstigen Fällen, Fälligkeit der Auslagen) beziehe, treffe das nicht den Streitfall. Die von der A insoweit herangezogene ältere Rechtsprechung des BFH sei nach Ansicht des entscheidenden Senats zur Auslegung der nunmehr maßgeblichen Vorschriften nicht heranzuziehen, denn sie beziehe sich auf eine frühere Gesetzesfassung (§ 63 Abs. 1 GKG aF).

Gegen die Entscheidung des FG ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.”

Finanzgericht Rheinland-Pfalz

FG Berlin-Brandenburg: Kosten der Eheschließung mit ausländischem Staatsbürger keine außergewöhnliche Belastung

FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 15.08.2012 – 7 K 7030/11

Pressemeldung des Gerichts:

“Steuerpflichtige, denen zwangsläufig größere Aufwendungen entstehen als der überwiegenden Mehrzahl der Bürger, können diese steuermindernd geltend machen. Typischer Fall solcher sogenannter außergewöhnlicher Belastungen sind Krankheitskosten, aber auch Kosten einer Ehescheidung können dazu gehören. Demgegenüber können die Kosten einer Eheschließung nach einem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. August 2012 (Aktenzeichen 7 K 7030/11) auch dann nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie deshalb besonders hoch sind, weil einer der Ehepartner ausländischer Staatsbürger ist.Im Streitfall hatte die Klägerin einen kanadischen Staatsbürger geheiratet. Neben den üblichen Kosten einer Hochzeit fielen dabei auch u.a. besondere Verwaltungsgebühren und Aufwendungen für Dolmetscherleistungen an; außerdem hatte die Klägerin die Flugkosten des Bräutigams nach Deutschland übernommen. Diese Aufwendungen sind nach Auffassung der Richter des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zum einen nicht als außergewöhnlich anzusehen, weil eine Eheschließung, auch mit einem ausländischen Staatsbürger, ein häufig vorkommender Vorfall ist; zum anderen seien die Aufwendungen auch nicht zwangsläufig entstanden, weil die Klägerin nicht gezwungen gewesen sei, ihren Partner zu heiraten. Selbst wenn die Ehe im Allgemeinen eine anerkannte und förderungswürdige Institution sei und die Klägerin in ihrem besonderen Fall möglicherweise wegen der erleichterten Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis in Kanada ein besonders Interesse an der Eheschließung gehabt haben mag, so gebe es gleichwohl keinen Anspruch auf eine unbegrenzte Subventionierung von Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Ehe.”

Finanzgericht Berlin-Brandenburg

Entscheidungen des FG Düsseldorf (04.10.2012)

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht Düsseldorf mit Datum von heute (04.10.2012) veröffentlicht:

– FG Düsseldorf Beschluss vom 24.08.2012 – 3 Ko 4024/11 KF: Finanzgericht stärkt Gebührenanspruch von Bevollmächtigten: keine Anrechnung der nicht gezahlten Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im PKH-Verfahren

Ein Rechtsanwalt vertrat seine Mandantin zunächst im Einspruchsverfahren und anschließend erfolgreich im Klageverfahren. Für das Klageverfahren war der Mandantin Prozesskostenhilfe gewährt worden. Zahlungen erhielt der Anwalt von seiner Mandantin nicht.

Gegenüber der Staatskasse begehrte der Rechtsanwalt die Festsetzung einer 1,6fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hielt nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr gekürzte Verfahrensgebühr für erstattungsfähig. Denn gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses werde die hälftige Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr angerechnet.

Der 3. Senat ist dieser Auffassung – wie zuvor auch der 10. Senat des Finanzgerichts in einer nicht veröffentlichten Entscheidung – nicht gefolgt. Eine Geschäftsgebühr, die von der Mandantin nicht gezahlt worden sei, könne nicht angerechnet werden. Dies folge aus § 15a Abs. 2 RVG.

Danach kann sich ein Dritter – dazu gehört auch die Staatskasse – auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf beide Gebühren erfüllt habe, wegen eines dieser Ansprüche ein Vollstreckungstitel bestehe oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht würden.

Hier habe die Staatskasse weder den Anspruch auf die Geschäftsgebühr erfüllt noch würden beide Gebühren gegen sie im selben Verfahren geltend gemacht. Ein Rechtsanwalt könne die Verfahrensgebühr daher im PKH-Verfahren in voller Höhe verlangen, wenn die Geschäftsgebühr von niemandem gezahlt worden sei.

– FG Düsseldorf Urteil vom 06.06.2012 – 7 K 982/12 E,G: Regelmäßige Arbeitsstätte eines Schornsteinfegers

Der 7. Senat hatte darüber zu entscheiden, ob der Kehrbezirk eines Bezirksschornsteinfegers dessen regelmäßige Arbeitsstätte darstellt. Im Streitfall war der Kläger als Bezirksschornsteinfeger in einem Kehrbezirk von ca 12 qkm tätig. Im Rahmen seiner Gewinnermittlung machte er sowohl Verpflegungsmehraufwendungen als auch Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte geltend.

Der Kläger war der Auffassung, sein Kehrbezirk als weiträumiges Arbeitsgebiet ohne jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung stelle keine regelmäßige Arbeitsstätte dar. Das Finanzamt ließ hingegen die Verpflegungsmehraufwendungen nicht und die Fahrtkosten nur im Umfang der Entfernungspauschale zum Abzug zu.

Das Finanzgericht gab der Klage statt. Der Kehrbezirk eines Schornsteinfegers sei keine großräumige Arbeits- bzw. Betriebsstätte. Ein größeres räumlich geschlossenes Gebiet könne zwar als Tätigkeitsmittelpunkt in Betracht kommen. Dies sei der Fall, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände handele, auf dem der Unternehmer auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig werde.

Ein größeres Gelände oder Gebiet stelle aber nur dann eine großräumige Tätigkeitsstätte dar, wenn sich dort eine ortsfeste betriebliche Einrichtung befinde, die mit einem Betriebssitz oder einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar sei. Dies sei bei einem Schornsteinfeger mit eigenem Kehrbezirk nicht der Fall. Eine ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung sei dort nicht vorhanden.

Der Kläger könne sich auch nicht für die Dauer seiner beruflichen Tätigkeit auf einen Tätigkeitsmittelpunkt einstellen, da die Kehrbezirke ausgeschrieben und nur auf sieben Jahre befristet vergeben werden.

Weitere aktuelle Entscheidungen

– FG Düsseldorf Urteil vom 22.08.2012 – 4 K 1294/12 Z, EU (Zollrechtliche Einreihung von Digitalkameras);

– FG Düsseldorf Urteil vom 06.06.2012 – 5 K 2914/11 H(U) (Anfechtung im Insolvenzverfahren und Haftung nach § 13c UStG);

– FG Düsseldorf Urteil vom 09.05.2012 – 7 K 4177/11 E (Änderung eines Steuerbescheids gegenüber dem Rechtsnachfolger);

– FG Düsseldorf Urteil vom 25.08.2012 – 10 K 2183/11 Kg (Kindergeld für ein in Polen im Haushalt der Ehefrau lebendes Kind).

Finanzgericht Düsseldorf

Gewinn aus Verkauf von Karnevalsorden ist steuerpflichtig

Gewinn aus Verkauf von Karnevalsorden ist steuerpflichtig

Kernproblem

Eine Körperschaft ist u. a. von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient. Diese persönliche Steuerbefreiung ist allerdings sachlich ausgeschlossen, soweit ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird. Allein die diesem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Einkünfte sind steuerpflichtig, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb ist.

Sachverhalt

Eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) fördert das traditionelle Brauchtum einschließlich des Karnevals. Zu diesem Zweck vergibt die GmbH alljährlich besonders gestaltete Karnevalsorden. Dies geschieht zum Teil unentgeltlich, z. B. an verdiente Vereinsmitglieder oder an Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Zum Teil werden die Orden auch verkauft. Den durch den Verkauf entstandenen Gewinn behandelte die GmbH bisher körperschaftsteuerfrei; das Finanzamt jedoch setzte Körperschaftsteuer fest. Hiergegen klagte die GmbH und verlor.

Entscheidung

Das Finanzgericht Köln gab dem Finanzamt Recht. Dem Verkauf der Orden fehlt die mit der Verleihung verbundene Auszeichnung, so dass Verkauf und Verleihung der Orden nicht als einheitlicher „Gesamtkomplex Karnevalsorden“ behandelt werden könnten. Der Ordensverkauf stellt auch keinen steuerfreien Zweckbetrieb dar, da die Förderung des Karnevals gerade durch die unentgeltliche Verleihung der Orden erreicht wird.

Konsequenzen

Auch die Richter in einer Karnevalshochburg wie Köln sind an Recht und Gesetz gebunden. Insoweit ist die Entscheidung im Ergebnis sachgerecht.

Heimliche Videoüberwachung in öffentlichen Räumen zulässig

Heimliche Videoüberwachung in öffentlichen Räumen zulässig

Kernaussage

Auch in öffentlichen Räumen wie dem Kassenbereich eines Supermarktes kann eine heimliche Videoüberwachung zulässig sein. Voraussetzung ist jedoch, dass der Verdacht einer strafbaren Handlung oder anderen schweren Verfehlung besteht, es keine Aufklärungsmöglichkeit mit weniger einschneidenden Maßnahmen gibt und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig ist.

Sachverhalt

Die Klägerin war in dem Einzelhandelsunternehmen der Beklagten als stellvertretende Filialleiterin beschäftigt. Im Dezember 2008 installierte die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrats für 3 Wochen verdeckte Videokameras in den Verkaufsräumen, weil der Verdacht bestanden habe, dass Mitarbeiterdiebstähle zu hohen Inventurdifferenzen beigetragen hätten. Nach dem Videomitschnitt kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht, da auf dem Video zu sehen sei, dass die Klägerin zweimal eine Zigarettenpackung entwendete. Das erstinstanzliche Gericht erachtete den Kündigungsvorwurf nach Inaugenscheinnahme des Videos als erwiesen und wies die Klage gegen die ordentliche Kündigung ab. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sah noch weiteren Aufklärungsbedarf und wies den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück.

Entscheidung

Das BAG konnte nicht abschließend entscheiden, denn es sind weitere Feststellungen dazu erforderlich, ob die Voraussetzungen für eine Verwertung des Videos erfüllt sind. Einer Verwertung von heimlichen Videoaufzeichnungen kann das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers entgegenstehen. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Verwertung ist nur dann vorrangig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu seinen Lasten besteht, es keine Möglichkeit zur Aufklärung mit weniger einschneidenden Maßnahmen gibt und die Videoüberwachung insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. In diesem Fall stehen dann auch die datenschutzgesetzlichen Vorschriften einer verdeckten Videoüberwachung nicht entgegen.

Konsequenz

Unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sind auch heimliche Videoaufnahmen in öffentlichen Räumen zulässig. Der in den datenschutzgesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wille, verdeckte Videoaufzeichnungen in öffentlichen Räumen grundsätzlich zu untersagen, wird durch die Entscheidung jedoch unterlaufen.

Wann sind neu errichtete Bürogebäude bezugsfertig?

Wann sind neu errichtete Bürogebäude bezugsfertig?

Einleitung

Bebaute Grundstücke sind für erbschaftsteuerliche Zwecke in einem vereinfachten Ertragswertverfahren zu bewerten. Dabei ist die Wertminderung wegen Alters des Gebäudes für jedes Jahr, das seit Bezugsfertigkeit des Gebäudes bis zum Besteuerungszeitpunkt vollendet worden ist, mit 0,5 %, höchstens jedoch mit 25 % des Ausgangswerts zu berücksichtigen.

Sachverhalt

Die Kläger erbten in 2005 eine Beteiligung, zu deren Vermögen ein Bürogebäude gehörte. Dieses Gebäude war in den Jahren 1992 und 1993 errichtet worden, der Innenausbau wurden in den Jahren 1994 bis 2000 entsprechend den Bedürfnissen der Mieter gestaltet und durchgeführt. Die ersten Mieter zogen in 1994 und die letzten in 2000 ein. Das Finanzamt ging bei der Ermittlung des erbschaftsteuerlichen Wertes davon aus, dass das Bürogebäude erst in 2000 mit der Erstellung des gesamten Innenausbaus bezugsfertig gewesen und damit nur eine Alterswertminderung von 2,5 % anzusetzen sei. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt.

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Die Wertminderung wegen Alters des Bürogebäude war für die Zeit ab 1994 anzusetzen und betrug deshalb 5,5 % des Ausgangswertes, da das Gebäude bereits in 1994 bezugsfertig war. Gebäude sind als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen. Voraussetzung dafür ist, dass Fenster und Türen eingebaut, Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung, Heizung sowie sanitäre Einrichtungen vorhanden sind. Ein neu errichtetes Bürogebäude ist bezugsfertig, wenn zumindest eine Büroeinheit benutzbar ist. Bei einem Bürogebäude setzt die Wertminderung schon mit der Abnutzung der bereits fertiggestellten wesentlichen Gebäudebestandteile ein.

Übernachtungskosten und regelmäßige Arbeitsstätte bei Lkw-Fahrern

Übernachtungskosten und regelmäßige Arbeitsstätte bei Lkw-Fahrern

Einleitung

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind als Werbungskosten auch beruflich veranlasste Reisekosten abzuziehen. Hierzu zählen auch Aufwendungen für Übernachtungen.

Sachverhalt

Der Kläger war als Kraftfahrer im internationalen Fernverkehr tätig. Er hatte die Möglichkeit, in der Schlafkabine des von ihm gefahrenen Lkw zu übernachten. In seiner Einkommensteuererklärung machte er bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit u. a. Übernachtungspauschalen i. H. v. 5 EUR für 220 Tage sowie wöchentliche Fahrten zum Lkw-Wechselplatz als Reisekosten geltend. Das Finanzamt berücksichtigte die Übernachtungspauschalen nicht. Die Fahrten zum Lkw-Wechselplatz wurden als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte festgesetzt. Das Finanzgericht wies die Klage hiergegen ab.

Entscheidung

Der BFH hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Ein Ansatz der von der Finanzverwaltung in den einschlägigen Verwaltungsanweisungen festgelegten Pauschbeträge kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil die tatsächlich angefallenen Übernachtungskosten die Pauschbeträge in nicht unbeträchtlichem Umfang unterschreiten. Das FG konnte indes nicht vollständig von einer Berücksichtigung von Aufwendungen für Übernachtungen absehen. Liegen Einzelnachweise nicht vor, ist zu schätzen. Der vom Kläger im Rahmen seiner eigenen Schätzung angesetzte Betrag erscheint dem BFH in diesem Zusammenhang nicht überhöht. Die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das FA ist darüber hinaus fehlerhaft, soweit es die vom Kläger als Reisekosten geltend gemachten Aufwendungen als Fahrten zur Arbeitsstätte qualifiziert. Dies liegt daran, dass der Lkw-Wechselplatz keine regelmäßige Arbeitsstätte darstellt, weil es sich nicht um eine betriebliche und ortsfeste Einrichtung des Arbeitgebers handelt. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Hinsichtlich der Übernachtungsaufwendungen wird es von seiner Schätzungsbefugnis Gebrauch machen und entsprechende Beträge ansetzen. Zusätzlich wird es die tatsächlichen Fahrtkosten zum Lkw-Wechselplatz feststellen und als Reisekosten berücksichtigen.

Insolvenz eines Gesellschafters führt zur Fortsetzung der GbR

Insolvenz eines Gesellschafters führt zur Fortsetzung der GbR

Kernaussage

Die Insolvenz eines Gesellschafters in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) begründet regelmäßig keinen wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung der Gesellschaft sondern führt nur zum Ausscheiden des insolventen Gesellschafters und zur Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern.

Sachverhalt 

Die Beklagte trat der Klägerin, einem geschlossenen Fonds in Form einer GbR im Dezember 2005 bei. Die Beklagte leistete eine Einmaleinlage und zahlte bis einschließlich Juni 2006 die vereinbarten Monatsraten. Mit Schreiben vom 30.9.2009 hat sie die Beitrittserklärung angefochten und widerrufen sowie die Kündigung des Beteiligungsvertrages erklärt. Über das Vermögen einer geschäftsführenden Gründungsgesellschafterin wurde bereits im November 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die weitere Gründungsgesellschafterin und nachfolgende Geschäftsführerin geriet im Januar 2010 in die Insolvenz. Die Klägerin begehrt die rückständigen Monatsraten von Juli 2006 bis Oktober 2009. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückweisung an das Berufungsgericht.

Entscheidung

Die außerordentliche Kündigung setzt voraus, dass dem Kündigenden eine Fortsetzung der Gesellschaft bis zum Vertragsende oder ordentlichen Kündigungstermin nicht zugemutet werden kann, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern grundlegend gestört ist oder ein gedeihliches Zusammenwirken aus sonstigen, namentlich auch wirtschaftlichen Gründen, nicht mehr möglich ist. Die Insolvenz eines Gesellschafters in einer Publikumsgesellschaft führt jedoch regelmäßig nur zu dessen Ausscheiden und zur Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern. Eine entsprechende Regelung enthält der Gesellschaftsvertrag der Klägerin, so dass es der Feststellung besonderer Umstände bedarf, die einen wichtigen Grund für die sofortige Kündigung begründen. Hinzu kommt, dass dieser wichtige Grund bereits im Zeitpunkt der Kündigung vorliegen muss. Die auf die Insolvenzen der beiden geschäftsführenden Gesellschafterinnen gestützte Vermutung, dass deshalb wirtschaftliche Schwierigkeiten für die verbleibenden Gesellschafter eintreten würden, reicht ersichtlich nicht aus. Zu den besonderen Umständen hat das Berufungsgericht weitere Feststellungen zu treffen.

Konsequenz

Sollte das Berufungsgericht erneut eine wirksame Kündigung feststellen (z. B. Sonderkündigungsrecht, Prospektfehler, arglistige Täuschung), führt dies zur Anwendung der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft und zur Ermittlung des Werts des Geschäftsanteils im Zeitpunkt des Ausscheidens.