Kabinett bringt zwei Verordnungen zur Kontrolle des Mindestlohns auf den Weg

Das Bundeskabinett hat am 19.11.2014 die Verordnung zur Abwandlung der Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sowie die Verordnung über Meldepflichten nach dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz zur Kenntnis genommen.
Die beiden Verordnungen regeln im Detail die gesetzlichen Pflichten nach dem Mindestlohngesetz. Die Mindestlohnkontrollen der Zollverwaltung werden dadurch effizienter und effektiver. Beide Verordnungen sollen zum 1. Januar 2015 in Kraft treten, eine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgt in Kürze.

Aufzeichnung der Arbeitszeit

Arbeitgeber und Entleiher sind zur Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verpflichtet. Mit der neuen Verordnung wird diese Aufzeichnungspflicht vereinfacht. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit ausschließlich mobilen Tätigkeiten, die keinen Vorgaben zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit unterliegen und die sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen, entfällt die Aufzeichnung von Beginn und Ende der Arbeitszeit. Liegen diese drei Voraussetzungen vor, reicht es aus, nur die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen.

Diese Erleichterungen gelten nur für einen sehr kleinen Kreis von Fällen, wie zum Beispiel für Zeitungszusteller und Kurierdienste. Sie gelten z. B. nicht für die Baubranche oder das Transport- und Gaststättengewerbe.

Meldepflichten

Arbeitgeber mit Sitz im Ausland und Entleiher sind verpflichtet, für ihre nach Deutschland entsandten oder die grenzüberschreitend entliehenen Arbeitnehmer vor Beginn einer Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung vorzulegen. Die neue Verordnung vereinfacht diese Meldepflichten.

Die Vereinfachung betrifft nur Fälle, in denen besondere Voraussetzungen vorliegen, z. B. Schichtdienst, mehrere Einsatzorte täglich oder ausschließlich mobile Tätigkeit. Ein Beispiel ist der klassische Güter- und Personenverkehr, der grundsätzlich der gesetzlichen Meldepflicht unterliegt. Die gesetzliche Verpflichtung, jede einzelne Fahrt zu melden, würde effektive Kontrollen erschweren.

Deswegen ist die Zusammenfassung mehrerer Arbeitseinsätze in einer zusammenfassenden Meldung an die Zollverwaltung durch den Arbeitgeber sinnvoll und dient der Effizienz der Kontrollen.

Quelle: BMF, Pressemitteilung vom 19.11.2014

 

Rentenbeitragssatz sinkt auf 18,7 Prozent

Drei Beschlüsse rund um die Rente hat das Kabinett gefasst. Unmittelbar wahrnehmen werden Beschäftigte und Unternehmen, dass der Beitragssatz ab Januar 2015 von 18,9 auf 18,7 Prozent sinkt. Die Kabinettmitglieder haben sich befasst mit der Finanzlage der Rentenversicherung bis 2028 sowie der Lage der älteren Beschäftigten.
Der Beitragssatz für die Rentenversicherung wird für das Jahr 2015 auf 18,7 Prozent festgesetzt. Er sinkt damit von 18,9 Prozent in 2014 um 0,2 Prozentpunkte. Die Senkung ist möglich, da die Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenkasse nach den Schätzungen im kommenden Jahr zu hoch wäre. Sie liegt zum Jahresende geschätzt bei rund 33,5 Milliarden Euro. Das ist mehr als das 1,5-fache einer monatlichen Rentenzahlung.

Bundessozialministerin Nahles verwies darauf, dass die Deutsche Rentenversicherung noch nie so viele Rücklagen wie 2014 hatte. „Deshalb schaffen wir es, den Rentenbeitrag zu senken. Wir können in Aussicht stellen, dass die Renten in den nächsten Jahren deutlich steigen.“

Auch Beitragssatz bei Knappschaft sinkt
Wenn die Nachhaltigkeitsrücklage 1,5 Monatsausgaben auch im Folgejahr voraussichtlich übersteigt, ist der Beitragssatz abzusenken. Und zwar so, dass am Ende des Folgejahres die Rücklage nicht die 1,5 Monatsausgaben überschreitet.

In der knappschaftlichen Rentenversicherung sinkt der Beitrag zum 1. Januar 2015 von 25,1 auf 24,8 Prozent.

Beschäftigte und Unternehmen werden finanziell entlastet
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden durch die 0,2 prozentige Absenkung 2015 um insgesamt rund eine Milliarde Euro entlastet. Die Arbeitskosten der Wirtschaft sinken ebenfalls um rund eine Milliarde Euro.

Die nächsten 15 Jahre der Rentenfinanzen
Turnusmäßig legt die Bundesregierung im November eines Jahres den gesetzlich geforderten Rentenversicherungsbericht vor. Er gibt Auskunft über Einnahmen und Ausgaben, die Nachhaltigkeitsrücklage sowie den Beitragssatz in den kommenden 15 Kalenderjahren. Der Rentenversicherungsbericht fußt auf Modellrechnungen.

Für das Jahresende 2014 wird eine Nachhaltigkeitsrücklage von 33,5 Milliarden Euro geschätzt. Dies entspricht 1,82 Monatsausgaben. Der Beitragssatz sinkt deshalb 2015 auf 18,7 Prozent ab. In der mittleren Variante bleibt er bis 2018 unverändert auf diesem Niveau. Anschließend steigt der Beitragssatz schrittweise wieder an: über 19,5 Prozent im Jahr 2020 bis auf 21,4 Prozent im Jahr 2028.

Neben der Rente zusätzlich vorsorgen
Nach den Modellrechnungen steigen die Renten bis zum Jahr 2028 um insgesamt rund 39 Prozent an. Das bedeutet, die Renten steigen jährlich um gut 2 Prozent. Das Sicherungsniveau (Standardrente gemessen am Durchschnittsentgelt) vor Steuern sinkt von 48 Prozent 2014 auf 47 Prozent im Jahr 2020 und weiter auf 44,4 Prozent im Jahr 2028. Beitragssatz als auch Sicherungsniveau bewegen sich damit gesetzlich vorgesehenen Rahmen.

Im Rentenversicherungsbericht kommt die Bundesregierung zu dem Schluss: Die gesetzliche Rente bleibt die zentrale Säule der Altersversorgung. Um den Lebensstandard des Erwerbslebens im Alter fortzuführen, ist es notwendig, zusätzlich vorzusorgen. Dafür gibt es vom Staat verschiedene Förderungen (zum Beispiel Riesterrente, Wohn-Riester, betriebliche Altersvorsorge).

Bilanz zur Rente mit 67
Die Bundesregierung ist verpflichtet, alle vier Jahre einen Bericht zur Lage der älteren Beschäftigten abzugeben. Diese Verpflichtung entstand im Zusammenhang mit der Einführung der Rente mit 67. Das Kabinett hat den zweiten Bericht verabschiedet. Der erste Bericht wurde 2010 vorgelegt. Die wichtigsten Ergebnisse:

Die Erwerbstätigenquote der Altersgruppe 55 bis 64 Jahre ist seit 2000 stärker gestiegen als in allen anderen EU-Ländern. Sie hat jetzt fast 50 Prozent erreicht. 2000 waren es 20 Prozent.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 60- bis 64-Jährigen ist seit 2000 um rund eine Million auf 1,6 Millionen gestiegen – davon alleine um 490.000 seit dem Jahr 2010.

Ältere Beschäftigte sind zufrieden
Ältere sind heute gesünder und besser ausgebildet als früher. Sie nehmen häufiger an Weiterbildung teil. Sie sind zufriedener als Menschen in den mittleren Lebensjahren und sie sind sozial gut eingebunden.

Die Bundesregierung und die Sozialversicherungsträger unterstützen die Betriebe:

  • etwa die Krankenkassen bei der betrieblichen Gesundheitsförderung,
  • die Rentenversicherung durch medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben,
  • die Bundesagentur für Arbeit bei der Qualifizierungsberatung und dem Sonderprogramm „Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter Älterer in Unternehmen“ (WeGebAU).

Das Bundesarbeitsministerium fördert mit dem Programm „Perspektive 50plus“ ältere Langzeitarbeitslose, wenn sie in reguläre Beschäftigung zurückkehren.

Anhebung des Rentenalters ist notwendig und vertretbar
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Gegenüber dem ersten Bericht im Jahr 2010 sind noch mehr ältere Beschäftigte erwerbstätig. Ihre Erfahrung und ihr Wissen sind gefragt. Die soziale Lage älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat sich weiter verbessert. Die Bundesregierung hält die im Jahr 2007 beschlossene schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze weiterhin für notwendig und für vertretbar.

Im kommenden Jahr wird die Regelaltersgrenze auf 65 Jahre und vier Monate angehoben.

Im Jahr 2007 hatte der Deutsche Bundestag beschlossen, die Altersgrenze für die Regelaltersrente vom vollendeten 65. auf das vollendete 67. Lebensjahr anzuheben. So wird die Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung gestärkt. Einem Fachkräftemangel wird damit entgegengewirkt. Damit Betriebe und die Beschäftigten ausreichend Zeit haben, sich dem anzupassen, wurde die Regelaltersgrenze schrittweise angehoben: Seit Anfang 2012 steigt sie zunächst um einen Monat pro Jahr, ab dem Jahr 2024 um zwei Monate. Erst im Jahr 2029 (Geburtsjahrgang 1964) gilt die neue Regelaltersgrenze von 67 Jahren.

Quelle: Bundesregierung, Pressemitteilung vom 19.11.2014

 

Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der sog. Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG)

Der Bundesfinanzhof hat am 18. Dezember 2013 – I B 85/13 – in einem Verfahren zum vor-läufigen Rechtsschutz entschieden, dass Zweifel an der Verfassungskonformität der Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Zinsaufwendungen gemäß § 4h EStG (sog. Zinsschranke) bestehen, und deshalb die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids nach § 69 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 FGO gewährt.
Im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ist der Beschluss über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden.

1. Keine Zweifel an der Verfassungskonformität der Norm

Die vom Bundesfinanzhof geäußerten Zweifel an der Verfassungskonformität der Vorschriften des § 4h EStG und § 8a KStG sind nicht berechtigt. Der Bundesfinanzhof begründet seine Zweifel mit einem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip und das Folgerichtigkeitsgebot (Art. 3 GG). Hierbei verkennt der Bundesfinanzhof, dass ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip – unabhängig von weiteren sachlichen Gründen, die eine Abweichung davon erlauben würden – schon insofern vermieden wird, als die Zinsschranke ohnehin veranlagungszeitraumübergreifend konzipiert ist. Zinsaufwendungen sind aufgrund der Vortragsmöglichkeit nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG allenfalls vorübergehend nicht abziehbar. Die Entscheidung steht insoweit in Widerspruch zu anderen aktuellen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Mindestgewinnbesteuerung nach § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG bzw. § 10a Satz 2 GewStG (vgl. BFH-Urteile vom 22. August 2012, I R 9/11, BStBl II 2013 S. 512; vom 20. September 2012, IV R 36/10, BStBl II 2013 S. 498 und IV R 29/10, BStBl II 2013 S. 505; sowie vom 3. Januar 2013, I R 35/12, BStBl II 2013 S. 508).

Im Übrigen ist die Regelung zur Zinsschranke verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da sie zielgerichtet Gewinnverlagerungen im Konzern einschränkt und damit zugleich einen qualifizierten Fiskalzweck verfolgt. Dies wird vom Bundesfinanzhof weithin ausgeklammert, indem er die Zinsschranke überwiegend unter dem Aspekt einer Missbrauchsbekämpfungsvorschrift würdigt.

Überdies hat bislang kein Finanzgericht (auch nicht der Bundesfinanzhof) die Regelung der Zinsschranke gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die beiden – soweit ersichtlich einzigen – hierzu ergangenen erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen sprechen sich für die Verfassungskonformität der Zinsschranke aus (Urteile des FG Baden-Württemberg vom 26. November 2012 6 K 3390/11, DStRE 2014 S. 452 [Revision anhängig unter I R 2/13] sowie des Niedersächsischen FG vom 11. Juli 2013, 6 K 226/11, EFG 2013 S. 1790 [Revision anhängig unter I R 57/13]).

2. Besonderes Aussetzungsinteresse

Selbst in der – hier derzeit nicht gegebenen – Situation eines anhängigen konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG vor dem Bundesverfassungsgericht kann im Hinblick auf den Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes eine Aussetzung der Vollziehung nur bei einem besonderen berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen gewährt werden.

Bei der Prüfung, ob ein berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids vorliegt, ist das individuelle Interesse des Steuerpflichtigen mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung auf den Gesetzesvollzug und das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse vom 20. Juli 1990, III B 144/89, BStBl II 1991 S. 104; vom 27. August 2002, XI B 94/02, BStBl II 2003 S. 18; vom 11. Juni 2003, IX B 16/03, BStBl II 2003 S. 663; vom 1. April 2010, II B 168/09, BStBl II 2010 S. 558; vom 9. März 2012, VII B 171/11, BStBl II 2012 S. 418; und vom 13. März 2012, I B 111/11, BStBl II 2012 S. 611).

Die vom Bundesfinanzhof in der Entscheidung vom 18. Dezember 2013 – I B 85/13 – vorgenommene „Interessenabwägung“ stellt entscheidend auf das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung ab, das seines Erachtens im Hinblick auf die Zinsschranke vergleichsweise gering zu gewichten sei. Die Gefahren für die öffentlichen Haushalte sind aber schon deshalb nicht als gering einzustufen, weil sich die finanziellen Auswirkungen bis zum Vorliegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Veranlagungszeitraum 2008 über etliche Jahre aufsummieren würden.

Ein besonderes persönliches Interesse des Steuerpflichtigen wurde vom Bundesfinanzhof ohne weitere Begründung nicht geprüft. Ein solches lag im Streitfall auch nicht vor, da dem Verfahren ein Sachverhalt zugrunde lag, bei dem es bei einem großen Unternehmen mit Zinsaufwendungen von rund 10 Mio. Euro um eine Körperschaftsteuerschuld von lediglich rund 11.600 Euro ging.

Diese Entscheidung steht damit insbesondere in Widerspruch zu aktuellen Entscheidungen anderer Senate des Bundesfinanzhofs. So hat der II. Senat in einem Verfahren zur Erbschaftsteuer im Hinblick auf den hohen Barwert einer vermachten Rente ausdrücklich auch darauf abgestellt, dass der Steuerpflichtige mangels des Erwerbs liquider Mittel (wie z. B. Bargeld) zur Entrichtung der festgesetzten Erbschaftsteuer eigenes Vermögen hätte einsetzen oder die erworbenen Vermögensgegenstände hätte veräußern oder belasten müssen (BFH vom 21. November 2013, II B 46/13, BStBl II 2014 S. 263; ähnlich auch BFH vom 1. April 2010, II B 168/09, BStBl II 2010 S. 558). In einem Verfahren zur Kernbrennstoffsteuer hat der VII. Senat ausdrücklich verlangt, dass „durch die sofortige Vollziehung der angefochtenen Steueranmeldung irreparable Nachteile oder eine unzumutbare Härte drohen würden“ (BFH-Beschluss vom 9. März 2012, VII B 171/11, BStBl II 2012 S. 418).

3. Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte

§ 361 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. AO und § 69 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. FGO bleiben unberührt. Aussetzung der Vollziehung kann danach gewährt werden, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Quelle: BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2013 – I B 85/13, BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 2 – S-2742-a / 07 / 10001 :009 vom 13.11.2014

 

Keine Prozesskostenhilfe bei zumutbarer Verwertung der selbst bewohnten Immobilie

Ein vom Antragsteller selbst bewohntes Hausgrundstück mit mehr als einer angemessenen Wohnfläche ist kein Schonvermögen. Es muss zur Finanzierung von Prozesskosten eingesetzt werden. Deswegen kann dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu versagen sein, weil er sich die zur Prozessführung notwendigen finanziellen Mittel selbst beschaffen kann. Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 10.10.2014 entschieden und damit den erstinstanzlichen Beschluss des Landgerichts Bochum bestätigt.
Die heute 48 Jahre alte Antragstellerin aus Bochum begehrt Prozesskostenhilfe für eine Schadensersatzklage wegen einer Hauptforderung in Höhe von ca. 10.000 Euro aus einer fahrlässigen Zerstörung von Wohnungsmobiliar. Gemeinsam mit ihrer Tochter bewohnt die Antragstellerin eine in ihrem hälftigen Miteigentum stehende Doppelhaushälfte mit einer Wohnfläche von 100 m². Das Landgericht hat Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, die Antragstellerin müsse die Prozesskosten notfalls durch einen Kredit finanzieren. Den Kredit könne sie durch eine Belastung ihres Miteigentumsanteils an dem unbelasteten Hausgrundstück absichern.

Die gegen den Beschluss des Landgerichts erhobene Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die Prozesskostenhilfe versagende Entscheidung bestätigt. Die Antragstellerin sei gehalten, sich die zur Prozessführung erforderlichen Mittel durch Verwertung ihres Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück zu verschaffen. Das Grundstück sei kein Schonvermögen, weil das von der Antragstellerin und ihrer Tochter bewohnte Haus unter den gegebenen Umständen den angemessenen Wohnbedarf übersteige. Die Angemessenheit einer Wohnungsgröße sei nach den Vorschriften über die soziale Wohnraumförderung zu beurteilen. Aus diesen ergebe sich für Nordrhein-Westfalen, das für einen Haushalt mit 2 Personen 2 Wohnräume oder 65 m² Wohnfläche angemessen seien, wobei eine Überschreitung um bis zu 5 m² Wohnfläche, da geringfügig, noch hinzunehmen sei. Nach diesen Maßstäben sei eine Wohnung von bis zu 70 m² für die Antragstellerin und ihre Tochter angemessen. Auf die von der Antragstellerin tatsächlich bewohnte Doppelhaushälfte mit 100 m² Wohnfläche treffe das nicht mehr zu. Deswegen verfüge die Antragstellerin über Grundvermögen, das kein Schonvermögen sei, und grundsätzlich für die Aufnahme eines Darlehens belastet werden könne. Die Antragstellerin sei daher gehalten, die sich bei streitiger Durchführung des Verfahrens auf ca. 2600 Euro belaufenden Prozesskosten gegebenenfalls mit einem Darlehen zu finanzieren.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 18.11.2014 zum Beschluss 9 W 34/14 vom 10.10.2014

 

Einzelfragen + Auslegungsfragen zum Investmentsteuergesetz

Einzelfragen zum Investmentsteuergesetz

Aufteilung der allgemeinen Werbungskosten nach § 3 Abs. 3 InvStG i. d. F. des AIFM-Steueranpassungsgesetzes

Der Bundesfachverband der Immobilienverwalter (BVI) hat in einem Schreiben vom 9. Oktober 2014 zwei ergänzende Fragen zur Aufteilung der allgemeinen Werbungskosten nach § 3 Abs. 3 InvStG gestellt. Und zwar bittet er um Bestätigung,

  • dass es ausreichend sei, wenn die Werbungskostenaufteilung auf der Ebene 2 auf der Basis der Verlustverrechnungstöpfe – ohne Berücksichtigung weiterer Unterkategorien – erfolgt und
  • dass Abweichungen, die sich aufgrund von Hedginggeschäften zur Währungsabsicherung verschiedener Anteilscheinklassen ergeben (z. B. befinden sich in einem Investmentfonds Wertpapiere, die in USD notieren; eine Anteilklasse notiert in USD, eine andere in EUR, weshalb hier eine Währungsabsicherung erfolgt), nicht wesentlich im Sinne der Tz. 2 des Schreibens seien.

Die Antworten auf diese beiden weiteren Fragen hat das BMF zur besseren Verständlichkeit in die bereits an den BVI versandte Antwort (BMF-Schreiben vom 22. September 2014; IV C 1 – S-1980-1 / 13 / 10007:004; 2014/0816153) eingefügt. Die Ergänzungen in Textziffer 1.c. und 2. sind im Fettdruck kenntlich gemacht.

Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-1980-1 / 13 / 10007 :004 vom 10.11.2014

Anlagebestimmungen, REIT-Anteile, Hinzurechnungsbesteuerung u. a.

Zu Auslegungsfragen zum Investmentsteuergesetz in der Fassung des AIFM-Steuer-Anpassungsgesetzes vom 18. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4318) – AIFM-StAnpG – nimmt das BMF nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder Stellung.

Das vollständige Schreiben finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 1 – S-1980-1 / 13 / 10007 :007 vom 23.10.2014

Personalarbeit auf dem Prüfstand

Neuer Online-Service des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung

Mit einem kostenlosen Online-Tool können Unternehmen ab sofort ihre Personalarbeit mit der anderer Betriebe vergleichen, um ihre Personalstrategie zu verbessern. Das Benchmarking ermöglicht den Unternehmen individuelle Stärken-Schwächen-Analysen der eigenen Personalpolitik. Der neue Online-Service heißt „Spiegel der Personalpolitik“ und ist unter der Adresse www.kofa.de abrufbar. Er erlaubt den interaktiven Vergleich mit der Personalarbeit anderer Unternehmen. Es geht um Fragen wie: Welche Personalstrategie verfolgen Unternehmen derselben Branche am häufigsten? Oder: Auf welche personalpolitischen Maßnahmen setzen Unternehmen, die bei Fachkräften keinerlei Rekrutierungsprobleme haben?

Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie und Beauftragte der Bundesregierung für den Mittelstand: „Angesichts des demografischen Wandels müssen die Unternehmen ihre Personalpolitik neuen Anforderungen anpassen und weiter verbessern. Das neue Benchmarking zeigt den Unternehmen, wie sie innovativer und wettbewerbsfähiger werden können.“

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), an dem das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung angesiedelt ist, ergänzt: „Mit dem ‚Spiegel der Personalpolitik‘ machen wir die Ergebnisse einer aktuellen Studie zur lebensphasenorientierten Personalpolitik für Unternehmen nutzbar. Er dient insbesondere kleinen und mittleren Betrieben dazu, ihre Stärken und Schwächen besser einzuschätzen und die Weichen für eine gute Personalarbeit zu stellen.“ Dass sich gute Personalarbeit lohnt, belegen weniger Fehltage und höhere Erträge, wie eine Befragung von mehr als 1.500 Unternehmen im Rahmen der Studie „Lebensphasenorientierte Personalpolitik“ ergab (IW, Juli 2014).

Das Online-Tool ist Teil des neu gestalteten Internetauftritts des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung. Das Portal hilft kleinen und mittleren Unternehmen dabei, ihre Personalarbeit zu verbessern. Alle Angebote des Spiegels der Personalpolitik sind auf die Unternehmenswirklichkeit zugeschnitten. Handlungsempfehlungen und Praxisbeispiele geben Schritt-für-Schritt-Anleitungen und stellen erfolgreiche Konzepte aus Unternehmen vor. Daten und Fakten erläutern die Fachkräftesituation. Services wie Veranstaltungstipps, eine kostenlose Download-Bibliothek und aktuelle Nachrichten bieten weiterführende Informationen.

Quelle: BMWi und IW Köln, Pressemitteilung vom 17.11.2014

 

Lohn- und Arbeitskosten: Deutschland weiter im europäischen Mittelfeld

Stärkere Dynamik wäre ökonomisch sinnvoll

Die Entwicklung der Arbeits- und der Lohnstückkosten in Deutschland hat 2013 und im ersten Halbjahr 2014 lediglich einen geringen Beitrag dazu geleistet, die wirtschaftlichen Ungleichgewichte und die Deflationsrisiken im Euroraum zu reduzieren. Weil die Arbeitskosten im Dienstleistungsbereich nur sehr schwach zunahmen, lag der Zuwachs der deutschen Arbeitskosten insgesamt mit 1,4 Prozent nahe am sehr niedrigen EU-Durchschnitt von 1,3 Prozent. Im ersten Halbjahr 2014 blieb die deutsche Arbeitskostenentwicklung mit lediglich 1,1 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr sogar unter dem EU-Mittel von 1,3 Prozent. Auch bei den für die internationale Wettbewerbsfähigkeit wichtigeren Lohnstückkosten weist Deutschland für den Zeitraum von 2000 bis 2014 weiterhin eine sehr moderate Entwicklung auf. Ein dynamischerer Zuwachs bei Löhnen und Arbeitskosten wäre aber ökonomisch sinnvoll, um die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und Europa zu stabilisieren. Zu diesen Ergebnissen kommt der neue Arbeitskostenreport, den das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung heute auf einer Pressekonferenz in Berlin vorstellt.

Insgesamt liegt Deutschland bei den Arbeitskosten für die Privatwirtschaft weiterhin im westeuropäischen Mittelfeld – 2013 mit 31,30 Euro pro Arbeitsstunde unverändert an achter Stelle unter den EU-Ländern. Höhere Arbeitskosten weisen unter anderem wichtige Handelspartner wie die Niederlande, Frankreich, Belgien, Schweden und Dänemark auf. Dänemark hatte im vergangenen Jahr mit 41,40 Euro pro Stunde die höchsten Arbeitskosten in Europa. Geringfügig niedriger als in Deutschland waren die Arbeitskosten 2013 in Österreich. Da sie in der Alpenrepublik während der ersten Hälfte 2014 aber deutlich stärker gestiegen sind als in Deutschland, ist es nach Analyse der Wissenschaftler möglich, dass die beiden Nachbarstaaten in diesem Jahr die Plätze tauschen. In den Krisenländern Irland, Italien, Spanien, Griechenland und Portugal reichen die Arbeitskosten von 28,20 bis 12,80 Euro pro Stunde, haben die IMK-Experten Dr. Alexander Herzog-Stein, Dr. Ulrike Stein und Dr. Rudolf Zwiener auf Basis der neuesten verfügbaren europäischen Daten errechnet.

Forscher: Deutschland hat weiter Nachholbedarf bei Lohnentwicklung
„Wir sehen in Europa bei den Arbeits- und den Lohnstückkosten ein sehr prägnantes Muster“, sagt Prof. Dr. Gustav A. Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK. „In Krisenländern wie Griechenland oder Portugal sind sie zuletzt unter großen Opfern der Bevölkerung drastisch zurückgegangen. In Irland und Spanien stagnieren sie. Die von manchen erhoffte wirtschaftliche Erholung ist aber ausgeblieben. Denn als Kehrseite dieser Senkung waren die Einkommensverluste in diesen Ländern so groß, dass die Binnennachfrage extrem gelitten hat. Grundsätzlich ähnlich, wenn zum Glück nicht so dramatisch, waren die Zusammenhänge in Deutschland während der 2000er Jahre: Löhne und Arbeitskosten hatten sich gesamtwirtschaftlich nur sehr langsam entwickelt, gleichzeitig waren Wirtschaftswachstum und Beschäftigung schwach. Besser gelaufen ist es erst, als nach der Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise die Lohnentwicklung stärker wurde und die Binnennachfrage die Konjunktur stützen konnte. Das unterstreicht einmal mehr, wie falsch es ist, sich einseitig auf möglichst niedrige Arbeitskosten zu fixieren.“

Dass die Arbeitskosten in der deutschen Privatwirtschaft in den Jahren 2011 und 2012 stärker stiegen als im Durchschnitt von EU und Euroraum, werten die Forscher des IMK als positive „Normalisierung“. Dass sich die Entwicklung 2013 und in der ersten Hälfte 2014 wieder deutlich verlangsamt hat, als enttäuschend: „Die deutsche Wettbewerbsfähigkeit ist sehr hoch. Nachholbedarf hat Deutschland bei der Lohnentwicklung. Wir könnten und müssten in der gegenwärtigen Situation die Nachfragelokomotive in Europa sein – auch im eigenen Interesse“, sagt Horn. Schließlich schade die wirtschaftliche Schwäche vieler Euroländer auch der deutschen Konjunktur. Die Wissenschaftler unterstützen daher die Forderungen von Deutscher Bundesbank und Europäischer Zentralbank nach höheren Löhnen. Sie empfehlen gesamtwirtschaftliche Lohnsteigerungen in Deutschland um deutlich mehr als drei Prozent. Den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn betrachtet das IMK als wichtigen ersten Schritt, um die Lohnentwicklung, vor allem im Dienstleistungsbereich, zu unterstützen. Dass das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie es darüber hinaus erleichtert, Tarifverträge allgemeinverbindlich zu erklären, sei ebenfalls vernünftig. Jetzt gelte es, dieses Instrument in der Praxis verstärkt zu nutzen.

Arbeitskosten 2013: 31,30 Euro pro Stunde
Zu den Arbeitskosten zählen neben dem Bruttolohn die Arbeitgeberanteile an den Sozialbeiträgen, Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung sowie als Arbeitskosten geltende Steuern. Die IMK-Forscher nutzen für ihre Studie die neuesten verfügbaren Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Erstmalig kann dabei auf die Zahlen der letzten Arbeitskostenerhebung, die im Jahr 2012 stattfand, zurückgegriffen werden. Dadurch ergeben sich bei der absoluten Höhe der Arbeitskosten in einigen Ländern erhebungsbedingte Unterschiede zu den Vorjahren. An den generellen Trends hat sich aber dadurch nichts geändert.

2013 mussten deutsche Arbeitgeber in der Privatwirtschaft (Industrie und privater Dienstleistungsbereich) 31,30 Euro pro geleistete Arbeitsstunde aufwenden. Höher liegen die Arbeitskosten in sieben Ländern: In Dänemark, Belgien, Schweden, Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden und Finnland müssen zwischen 41,40 und 32,40 Euro pro Stunde ausgegeben werden. Geringfügig niedriger als in Deutschland sind die Arbeitskosten in Österreich (30,90 Euro). Der Durchschnitt des Euroraums liegt bei 29 Euro. Etwas darunter folgt Italien, das 2013 Arbeitskosten von 27,20 Euro auswies. In den übrigen südeuropäischen EU-Staaten betragen sie zwischen 21 Euro (Spanien) und 12,80 Euro (Portugal). Die portugiesischen Arbeitskosten liegen damit unter denen im EU-Beitrittsland Slowenien, wo 15,20 Euro aufgewendet werden müssen. In der Tschechischen Republik, Ungarn und Polen liegen die Stundenwerte zwischen 9,90 und 7,80 Euro. Schlusslichter sind Rumänien und Bulgarien mit Arbeitskosten von 4,50 bzw. 3,70 Euro pro Stunde.

Über 20 Prozent Abstand zwischen Industrie und Dienstleistungen
Im Verarbeitenden Gewerbe betrugen 2013 die Arbeitskosten in Deutschland 36,20 Euro pro geleistete Arbeitsstunde. Im EU-Vergleich steht die Bundesrepublik damit an vierter Stelle als Teil einer größeren Gruppe von Industrieländern, die mit 33,40 bis 42,70 Euro pro Stunde über dem Euroraum-Durchschnitt von 31,20 Euro liegen. Dazu zählen auch Belgien mit industriellen Arbeitskosten von 42,70 Euro, Schweden (42,20), Dänemark (40,90 Euro) und Frankreich, das 2012 vor Deutschland rangierte und 2013 mit 35,90 Euro knapp hinter die Bundesrepublik gerutscht ist. Außerdem Finnland, die Niederlande, und Österreich (35,30 bis 33,40 Euro). Dabei ist nicht berücksichtigt, dass das Verarbeitende Gewerbe in der Bundesrepublik stärker als in jedem anderen EU-Land von günstigeren Vorleistungen aus dem Dienstleistungsbereich profitiert (mehr im folgenden Abschnitt). 2013 stiegen die industriellen Arbeitskosten in Deutschland um 3,3 Prozent. Im Durchschnitt von EU und Euroraum lag die Zunahme bei 2,3 Prozent. Im ersten Halbjahr 2014 verlangsamte sich das Wachstum der Arbeitskosten in der deutschen Industrie auf 2,3 Prozent. Der Anstieg ist damit nur noch wenig höher als im Mittel von EU und Euroraum (2,2 und 1,8 Prozent).

Im privaten Dienstleistungssektor lagen die deutschen Arbeitskosten 2013 mit 28,70 Euro weiterhin an neunter Stelle nach den Benelux-Ländern, den nordischen EU-Staaten, Frankreich und Österreich. Den höchsten Wert wies auch hier Dänemark mit 42 Euro aus, der Durchschnitt im Euroraum beträgt 28 Euro. 2013 stiegen die Arbeitskosten im deutschen Dienstleistungssektor um gerade einmal 0,3 Prozent. Damit lag der Zuwachs deutlich unter dem ohnehin geringen Durchschnitt in Euroraum (0,7 Prozent) und EU (1 Prozent). In der ersten Hälfte 2014 legten die Arbeitskosten im deutschen Dienstleistungssektor um 0,4 Prozent zu. Im Euroraum lag die durchschnittliche Steigerungsrate bei 0,8 Prozent, in der EU bei 1 Prozent.

Industrie kann Vorleistungen günstiger einkaufen
Der Rückstand der Arbeitskosten im Dienstleistungssektor hinter denen im Verarbeitenden Gewerbe ist in Deutschland nach wie vor größer als in jedem anderen EU-Land. Er beträgt gut 20 Prozent oder 7,5 Euro pro Stunde. Vom vergleichsweise niedrigen Arbeitskostenniveau in den deutschen Dienstleistungsbranchen profitiert auch die Industrie, die dort Vorleistungen nachfragt. Dadurch entsteht eine Kosteneinsparung für die Industrie von acht bis zehn Prozent oder rund drei Euro je Arbeitsstunde. Während der Dienstleistungssektor die Industrie hierzulande bei den Arbeitskosten entlaste, sei es insbesondere in den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern umgekehrt, betonen die Forscher.

Öffentliche Dienstleistungen: Spuren der Austerität
Zu den Arbeitskosten im öffentlichen Dienst liegen für 16 Euroraum-Länder Daten vor. Deutschland liegt mit einem Wert von 31 Euro pro Stunde auf Rang acht. Im europäischen Vergleich zeigten sich die drastischen Auswirkungen der Austeritätspolitik in den Krisenländern, betonen die Forscher. In den meisten Ländern hätten sich die Arbeitskosten bei den öffentlichen Dienstleistungen zwischen 2008 und 2013 wesentlich schwächer entwickelt als in der privaten Wirtschaft. In Griechenland sanken sie gar um 7,7 Prozent im Jahresdurchschnitt, in Portugal betrug der jährliche Rückgang 2,5 und in Irland 0,5 Prozent. In Deutschland war die jährliche Zuwachsrate mit 2,6 Prozent in diesem Zeitraum etwas dynamischer als im Privatsektor. Allerdings hatte der durchschnittliche jährliche Zuwachs zwischen 2000 und 2008 bei nur 0,9 Prozent gelegen.

Lohnstückkosten: Jährlich 0,9 Prozent Zunahme von 2000 bis 2013
Die Lohnstückkosten, welche die Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung setzen, sind in Deutschland zwischen 2000 und 2013 um lediglich 0,9 Prozent im Jahresmittel gestiegen – und damit deutlich langsamer als im Euroraum insgesamt (+1,7 Prozent). Zwischen 2000 und 2008 stagnierten sie sogar.

Für 2013 beobachten die Forscher bei den Lohnstückkosten der deutschen Privatwirtschaft einen Anstieg um 2,3 Prozent, im Euroraum-Durchschnitt 1,2 Prozent. Im ersten Halbjahr 2014 sind die Lohnstückkosten in Deutschland gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,7 Prozent gestiegen, im Mittel des Euroraums um schwache 0,7 Prozent. Auch wenn sich der über Jahre aufgelaufene Abstand zwischen Deutschland und seinen Euro-Partnern verringere, sei „der Wettbewerbsvorteil Deutschlands bei diesen Raten für die Krisenländer immer noch zu hoch, um gegenüber Deutschland nennenswert aufholen zu können“, schreiben die Wissenschaftler.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Hans-Böckler-Stiftung.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 17.11.2014

 

Rückgabe von Beweismitteln nach Ende des Strafverfahrens

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich am 14.11.2014 mit der Frage befasst, an wen die Rückgabe von Beweismitteln zu erfolgen hat, die im Rahmen eines gegen einen Ehegatten gerichteten Strafverfahrens in der gemeinsamen Wohnung der Eheleute beschlagnahmt wurden.
Im Januar 2007 ließ die Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Ehemann der Klägerin wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz die Wohnung der Eheleute durchsuchen. Dabei wurden in der Küche – versteckt in einer Kunststoffdose – 42.300 Euro in bar gefunden. Das Geld wurde als Beweismittel sichergestellt, beschlagnahmt und auf ein Konto der Landesjustizkasse eingezahlt. Der Ehemann wurde zu einer Haftstrafe von dreizehn Jahren verurteilt. Dabei wurde der sog. Wertersatzverfall in Höhe von 30.500 Euro angeordnet. Die Staatsanwaltschaft erklärte hinsichtlich des sichergestellten Betrags die Aufrechnung mit den Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall. Die Klägerin behauptet jedoch, nicht ihr Mann, sondern sie sei Eigentümerin des Geldes gewesen. Es habe sich um Arbeitslohn gehandelt, den sie in der Ehewohnung versteckt habe, weil sie aufgrund ihrer Lebensgeschichte kein Vertrauen zu Banken habe. Die Hälfte des Geldes hat die Klägerin zurückerhalten. Ihre Klage auf Zahlung der verbleibenden 21.150 Euro hat das Landgericht abgewiesen; die Berufung zum Oberlandesgericht war erfolglos. Das Oberlandesgericht hat nicht feststellen können, ob das Geld dem Ehemann oder der Ehefrau gehörte, war aber der Meinung, der Zahlungsanspruch gegen die Staatskasse könne aufgeteilt werden und die Klägerin habe den ihr zustehenden hälftigen Anteil bereits erhalten.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil auf die Revision der Klägerin hin aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dabei hat er sich von den folgenden Erwägungen leiten lassen:

Die Beschlagnahme endete mit Abschluss des Strafverfahrens. Das Geld muss zurückgegeben bzw. Wertersatz geleistet werden, weil es (nur) als mögliches Beweismittel beschlagnahmt wurde; weder ist in dem Strafurteil der Verfall angeordnet worden – was den Nachweis vorausgesetzt hätte, dass das Geld aus den Straftaten herrührte – noch ist eine Pfändung des Geldes aufgrund eines dinglichen Arrests nach der Strafprozessordnung erfolgt. Die Rückgabe nach dem Ende einer förmlichen Beschlagnahme zu Beweiszwecken stellt eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden dar. Nach dem Restitutionsgedanken muss der Zustand wiederhergestellt werden, der vor der Beschlagnahme bestand; daher muss der Gegenstand grundsätzlich an den letzten Gewahrsamsinhaber zurückgegeben werden. Zwar wird bei der gegen einen Ehegatten gerichteten Zwangsvollstreckung gemäß § 1362 BGB* zugunsten der Gläubiger vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. Diese Bestimmung bezieht sich aber nicht auf eine strafprozessuale Beschlagnahme zu Beweiszwecken, weil es insoweit unerheblich ist, in wessen Eigentum das Beweismittel steht. Im Grundsatz ist es nicht die Aufgabe des Strafverfahrens, die Eigentums- und Besitzverhältnisse an Sachen, die für die Zwecke des Verfahrens vorübergehend in amtlichen Gewahrsam gebracht worden sind, unter den Beteiligten zu regeln. Danach wäre den Eheleuten der Mitgewahrsam – der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestand – wieder einzuräumen, wenn die Geldscheine noch vorhanden wären. Da das beschlagnahmte Bargeld auf ein Konto eingezahlt worden ist, haben sie nunmehr einen entsprechenden Zahlungsanspruch.

Weil der im Zeitpunkt der Beschlagnahme bestehende Zustand wiederherzustellen ist, kann der Schuldner nicht nach seinem Belieben an einen der Gläubiger leisten oder die Leistung aufteilen. Vielmehr kann auch die Zahlung nur an die Eheleute gemeinsam erfolgen. Die Aufteilung im Innenverhältnis ist allein deren Sache. Infolgedessen ist die Aufrechnung der Staatsanwaltschaft mit den nur von dem Ehemann geschuldeten Verfahrenskosten des Strafverfahrens und dem Wertersatzverfall erfolglos, weil es an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Ansprüche fehlt.

Der Senat kann nicht selbst in der Sache entscheiden, weil die Klägerin bislang Zahlung an sich verlangt hat. Sie muss daher noch Gelegenheit erhalten, entweder Zahlung an sich und ihren Ehemann zu beantragen oder eine Erklärung ihres Ehemannes beizubringen, wonach dieser keine Ansprüche an dem Geld erhebt.

* § 1362 BGB Eigentumsvermutung

(1) Zugunsten der Gläubiger des Mannes und der Gläubiger der Frau wird vermutet, dass die im Besitz eines Ehegatten oder beider Ehegatten befindlichen beweglichen Sachen dem Schuldner gehören. (…)

Quelle: BGH, Pressemitteilung vom 14.11.2014 zum Urteil V ZR 90/13 vom 14.11.2014

 

Kein Betriebsausgabenabzug für vom Arbeitgeber überlassenes Fahrzeug

Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Kraftfahrzeug, das dieser nicht nur für Privatfahrten, sondern auch im Rahmen seines Gewerbebetriebs nutzt, steht ihm für Fahrtkosten kein Betriebsausgabenabzug zu. Das hat der 11. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 26. September 2014 (Az. 11 K 246/13 E) entschieden.
Der Kläger erzielte als Unternehmensberater sowohl Arbeitslohn als auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Seine Arbeitgeberin stellte ihm einen Pkw zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Hierfür erfolgte eine Besteuerung nach der sog. 1 %-Methode. Einen Teil dieses Sachbezugswertes machte der Kläger als Betriebsausgaben in Form eines „fiktiven Aufwands“ geltend, weil er das Fahrzeug auch für betriebliche Fahrten nutze. Diesen Aufwand berücksichtigte das Finanzamt nicht, weil für die betriebliche Nutzung auch kein entsprechender Vorteil angesetzt worden sei.

Das Gericht wies die Klage ab. Ein Betriebsausgabenabzug scheide aus, weil nicht der Kläger die Kosten für das Fahrzeug getragen habe, sondern seine Arbeitgeberin. Der als Arbeitslohn erfasste Sachbezug könne auch nicht als fiktiver Aufwand berücksichtigt werden. Die 1 %-Regelung decke allein die Privatnutzung, nicht aber die Nutzung in einem Betrieb des Arbeitnehmers ab. Ein betrieblicher Verbrauch des Nutzungsvorteils könne allenfalls insoweit in Betracht kommen, als hierfür auch eine zusätzliche Einnahme versteuert worden wäre. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 17.11.2014 zum Urteil 11 K 246/13 vom 26.09.2014, Newsletter 11/2014

Siehe auch Firmenwagenrechner

 

 

Betriebsbezogene Ermittlung der Steuerermäßigung nach § 35 EStG

Der 4. Senat des Finanzgerichts Münster hat mit Urteil vom 24. Oktober 2014 (Az. 4 K 4048/12 E) entschieden, dass die Begrenzung der Steuerermäßigung bei gewerblichen Einkünften auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer für jede Beteiligung an einem gewerblichen Unternehmen gesondert (betriebsbezogen) und nicht personenbezogen zu ermitteln ist.
Die Klägerin erzielte gewerbliche Einkünfte aus der Beteiligung an mehreren Kommanditgesellschaften, für die ihr eine Steuerermäßigung nach § 35 EStG zusteht. Die Begrenzung dieser Ermäßigung auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer (§ 35 Abs. 1 Satz 5 EStG) ermittelte die Klägerin, indem sie der Summe der anteiligen Ermäßigungsbeträge die Summe der anteiligen Gewerbesteuerbeträge gegenüberstellte. Das Finanzamt nahm die Vergleichsrechnung demgegenüber für jede Beteiligung gesondert vor. Dies führte zu einem für die Klägerin ungünstigeren Ergebnis, weil die Beteiligungen in Gemeinden mit unterschiedlich hohen Hebesätzen lagen.

Der Senat folgte der Rechtsauffassung des Finanzamts. Der Wortlaut des Gesetzes enthalte zur Streitfrage keine eindeutige Regelung und sei daher auszulegen. Aus den Materialen zum Gesetzgebungsverfahren ergebe sich der gesetzgeberische Wille, die Ermäßigung für jeden Betrieb gesondert zu ermitteln. Dies entspreche auch dem Objektcharakter der Gewerbesteuer, der insoweit Einfluss auf die einkommensteuerrechtliche Tarifvorschrift nehme, als die Doppelbelastung der gewerblichen Einkünfte mit zwei Steuern abgemildert werden solle. Dass die Vorschrift keine vollständige Entlastung bewirke, sei der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Pauschalierungsregelung geschuldet. Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Mitteilung vom 17.11.2014 zum Urteil 4 K 4048/12 vom 24.10.2014, Newsletter 11/2014

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin