FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 6 K 101/13
Urteil des Einzelrichters vom 08.08.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: EStG § 62, EStG § 70 Abs. 2, AO § 173, AO § 175
Leitsatz: 1. Bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung handelt es sich um unterschiedliche Verfahren, sodass der Einkommensteuerbescheid hinsichtlich des inländischen Wohnsitzes für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend ist.
2. § 70 Abs. 2 EStG ist nicht anwendbar, wenn die Familienkasse das Recht von Anfang an fehlerhaft angewandt hat. Ändern sich nicht die tatsächlichen Verhältnisse, sondern nur die rechtliche Beurteilung durch das Finanzamt, liegen die Voraussetzungen für eine rückwirkende Änderung nicht vor.
Überschrift: Kindergeld: Rückwirkende Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beklagte Familienkasse die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ändern und das bereits gezahlte Kindergeld zurückfordern durfte.
Der Kläger ist seit 2004 in Deutschland zugelassener Rechtsanwalt. Seit 2005 lebt er mit seiner griechischen Ehefrau in Griechenland. Hier wurden 2006 und 2009 auch seine Kinder geboren.
Der Kläger arbeitet als angestellter Rechtsanwalt in Griechenland. Außerdem hat er eine Rechtsanwaltszulassung in Deutschland. Hier ist er auch Mitglied der Rechtsanwaltsversorgungskammer. In Deutschland ist er im Haus seiner Eltern mit Nebenwohnsitz gemeldet. 2006 stellte sich erstmalig für den Kläger die Frage, ob er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Das zuständige Finanzamt Hamburg-1 gelangte nach einer rechtlichen Prüfung zu der Ansicht, dass der Kläger in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sei, und teilte ihm dieses durch Schreiben vom 18.08.2006 mit. Nach der Geburt seines ersten Kindes teilte das Finanzamt ihm bei Abgabe seiner Einkommensteuererklärung für 2006 mit, dass er kindergeldberechtigt sei. Der Kläger beantragte daraufhin bei der zuständigen Familienkasse Kindergeld, welches ihm durch Bewilligungsbescheid vom 18.10.2007 gewährt wurde.
Der Kläger erklärte in den Jahren ab 2006 jeweils geringe Einkünfte aus seiner deutschen Rechtsanwaltstätigkeit im Rahmen seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht und wurde dementsprechend veranlagt.
Die Familienkasse überprüfte den Anspruch des Klägers auf Kindergeld regelmäßig und forderte in diesem Zusammenhang einen Nachweis über die unbeschränkte Steuerpflicht. Für die Jahre 2008, 2009, 2010 und 2011 (21.09.2011) legte der Kläger Bescheinigungen des Finanzamts Hamburg-1vor, durch die ihm seine unbeschränkte Steuerpflicht bescheinigt wurde.
Durch Schreiben vom 09.08.2012 teilte das Finanzamt Hamburg-1 dem Kläger mit, dass nach Durchsicht der Akten und Unterlagen festgestellt worden sei, dass bereits seit geraumer Zeit eine unbeschränkte Steuerpflicht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht mehr gegeben sei, weil der Kläger weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland habe. Die Veranlagung der Einkommensteuererklärung werde daher ab dem Jahr 2011 abgelehnt.
Der Kläger reichte diese Bescheinigung am 17.08.2012 an die Familienkasse weiter und teilte mit, dass er davon ausgehe, dass ihm damit ab dem 10.08.2012 kein Kindergeld mehr zustehe. Er bitte deshalb um die Einstellung der Kindergeldzahlungen.
Durch Bescheid vom 04.10.2012 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab Januar 2011 auf und forderte das Kindergeld für die Monate Januar 2011 bis August 2012 in Höhe von 7.360 € zurück.
Am 16.10.2012 legte der Kläger Einspruch ein, welcher durch Einspruchsentscheidung vom 27.03.2013 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Hiergegen hat der Kläger am 29.04.2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Voraussetzungen für eine Änderung gem. § 70 Abs. 2 EStG seien nicht gegeben, denn an den tatsächlichen persönlichen Lebensumständen habe sich seit der Bewilligung des Kindergeldes in 2007 nichts geändert. Es sei für den Kläger deshalb auch nicht nachvollziehbar, warum das Finanzamt zu einer anderen Rechtsansicht gelangt sei. Eine andere rechtliche Beurteilung durch das Finanzamt oder die Familienkasse stelle keine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 70 Abs. 2 EStG dar.
Darüber hinaus verstoße die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des bereits gezahlten Kindergeldes gegen Treu und Glauben, denn er, der Kläger, habe nach den regelmäßigen Prüfungen durch die Beklagte davon ausgehen können, dass ihm das Kindergeld zustehe und habe dieses Kindergeld auch bereits ausgegeben.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
der Aufhebungsbescheid vom 04.10.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2013 dahingehend zu ändern, dass die Kindergeldfestsetzung erst ab September 2012 aufgehoben wird und
den Rückforderungsbescheid vom 04.10.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt die Beklagte vor, dass der Kläger im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt habe und deshalb nicht gem. § 62 EStG kindergeldberechtigt sei. Die Feststellungen des Finanzamtes zur unbeschränkten Steuerpflicht seien für das Kindergeldverfahren gem. der für sie
geltenden Dienstanweisung grundsätzlich bindend. Die Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 20. November 2008 III R 53/05 (BFH/NV 2009, 564) und vom 24. Mai 2012 III R 14/10 (BFHE 237, 239, BStBl II 2012) seien noch nicht in ihre Dienstanweisung umgesetzt worden. Die unbeschränkte Steuerpflicht sei in der Regel durch die vom zuständigen Finanzamt erstellte Bescheinigung gem. § 39c EStG nachzuweisen. Das zuständige Finanzamt habe durch sein Schreiben vom 09.08.2012 eine unbeschränkte Steuerpflicht des Klägers abgelehnt. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung sei § 70 Abs. 2 EStG. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO).
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin erklärt. Auf das Sitzungsprotokoll des Erörterungstermins vom 18.06.2013 wird verwiesen. Dem Gericht haben die Kindergeldakten des Klägers vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung (§ 79a Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) und § 90 Abs. 2 FGO).
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide vom 04.10.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2013 sind rechtswidrig und verletzen den Klägers in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO) sofern der Aufhebungsbescheid den Zeitraum vor September 2012 betrifft.
1. Der Aufhebungsbescheid ist rechtswidrig, denn die Voraussetzungen für eine rückwirkende Änderung liegen nicht vor.
a) Die Voraussetzungen für eine Änderung gem. § 70 Abs. 2 EStG liegen nicht vor.
Gem. § 70 Abs. 2 EStG kann mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse die Kindergeldfestsetzung aufgehoben oder verändert werden, wenn in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eingetreten sind.
Die Regelung betrifft den Fall, dass eine ursprünglich rechtmäßige Festsetzung durch Änderung der für den Bestand des Kindergeldanspruchs maßgeblichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes nachträglich unrichtig wird (BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl II 2002, 81). Eine Änderung der Verhältnisse i. S. des § 70 Abs. 2 EStG ist die Änderung der tatsächlichen oder auch rechtlichen Verhältnisse des Anspruchsberechtigten oder des Kindes. § 70 Abs. 2 EStG ist daher nicht anwendbar, wenn die Familienkasse das Recht von Anfang an fehlerhaft angewandt hat.
Nach § 62 Abs. 1 EStG hat Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG u. a., wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1
Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG).
Es muss an dieser Stelle nicht entschieden werden, ob der Kläger in den von Januar 2011 bis August 2012 unbeschränkt steuerpflichtig gewesen ist, denn entscheidend ist ausschließlich, dass keine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse in diesem Zeitraum eingetreten ist. Denn der Kläger hat sich weder in Deutschland abgemeldet, noch hat er seine Aufenthaltszeiten in Deutschland verändert bzw. reduziert oder in Griechenland erst seinen Wohnsitz neu begründet.
Eine Änderung der Verhältnisse ergibt sich jedenfalls nicht aus der vom Finanzamt vorgenommenen anderweitigen steuerrechtlichen Qualifikation als nicht unbeschränkt steuerpflichtig und der entsprechenden Ablehnung der Einkommensteuerveranlagung für 2011. Denn bei der Einkommensteuerfestsetzung und der Kindergeldfestsetzung handelt es sich um unterschiedliche Verfahren, sodass der Einkommensteuerbescheid hinsichtlich des inländischen Wohnsitzes für die Kindergeldfestsetzung nicht bindend ist (vgl. BFH-Urteile vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564; vom 24. Mai 2012 III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897; BFH-Beschluss vom 28. September 2007 III S 28/06 (PKH), BFH/NV 2008, 50). § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG setzt für die Anspruchsberechtigung nur einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus und stellt nicht auf die einkommensteuerrechtliche Behandlung ab.
b) Auch die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Korrekturvorschriften der §§ 172 ff. AO, die auf Kindergeldbescheide gemäß § 155 Abs. 4 AO, § 31 Satz 3 EStG sinngemäß anzuwenden sind und zu § 70 Abs. 2 bis 4 EStG nicht im Verhältnis der Spezialität oder Subsidiarität stehen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 18/99, BFHE 196, 260, BStBl II 2002, 81), sind im Streitfall nicht erfüllt.
aa) Die Voraussetzungen für eine Änderung gem. § 173 AO liegen nicht vor.
Gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.
Tatsache i. S. des § 173 AO ist, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. Keine Tatsachen sind dagegen rechtliche Schlussfolgerungen, insbesondere juristische Wertungen und Subsumtionen oder eine geänderte Rechtsauffassung der Finanzverwaltung, d. h. eine andere rechtliche Wertung bereits bekannter Tatsachen (BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 III R 13/06, BStBl II 2007, 714).
Bei den Bescheinigungen des Finanzamts handelt es sich weder um Tatsachen noch um Beweismittel, sondern um eine rechtliche Würdigung durch das Finanzamt. Wie bereits oben dargelegt, setzt § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Anspruchsberechtigung nur einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus und stellt nicht auf die einkommensteuerrechtliche Behandlung durch das Finanzamt ab.
bb) Die Voraussetzungen für eine Änderung gem. § 175 AO sind ebenfalls nicht gegeben, denn weder stellt die Bescheinigung des Finanzamts einen
Grundlagenbescheid für die Kindergeldfestsetzung dar, noch ist ein rückwirkendes Ereignis eingetreten.
2. Wegen der Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides liegt auch kein Rechtsgrund für die Rückforderung des gezahlten Kindergeldes vor, denn das zurückgeforderte Kindergeld wurde nicht ohne Rechtsgrund gezahlt.
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
Die Revision wird nicht gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.
Finanzgerichtsordnung: Die Versäumung einer an einem Montag ablaufenden Klagefrist ist nicht unverschuldet und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand daher nicht zu gewäh-ren, wenn der Kläger die Klage erst am Freitag zuvor im Ausland zur Post gegeben hat. Der Grundsatz, wonach bei Postsendungen davon ausgegangen werden darf, dass werktags aufgegebene Sendungen am folgenden Werktag ausgeliefert werden, gilt nur für innerhalb des Bundesgebiets aufgegebene Postsendungen. Für Postsendungen aus Polen ist mit einer Laufzeit von 2-3 Werktagen zu rechnen, Urteil des 4. Senats vom 16.10.2103, 4 K 26/13, rechtskräftig.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 4 K 26/13
Urteil des Einzelrichters vom16.10.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: FGO § 47, FGO § 56
Leitsatz: Der Grundsatz, wonach bei Postsendungen davon ausgegangen werden darf, dass werktags aufgegebene Sendungen im Bundesgebiet am folgenden Werktag ausgeliefert werden, gilt nur für innerhalb des Bundesgebiets aufgegebene Postsendungen. Für Postsendungen aus Polen ist mit einer Laufzeit von 2-3 Tagen zu rechnen.
Überschrift: Prozessrecht: Wiedereinsetzung wegen der Postlaufzeit
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Vollstreckung von Einfuhrabgaben.
Der in Polen wohnhafte Kläger ließ zwischen November 2008 und November 2010 keramisches Geschirr aus gewöhnlichem Ton bzw. Steinzeug der Codenummern 6912 0010 900 bzw. 6912 0030 000 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiter Lieferung anmelden. Die Anmeldungen wurden von beauftragten Speditionen erstellt. Von den Waren wurden Proben genommen, bei der Untersuchung stellte sich nach Darstellung des Beklagten heraus, dass es sich um Geschirr aus Porzellan und in einem Fall aus Steinzeug handelte. Die insofern nachzuerhebenden Einfuhrabgaben wurden im Wesentlichen über Aufschubkonten der jeweiligen Speditionen entrichtet. Wegen eines noch offenen Betrages wurde seitens des für die Abgabenerhebung zuständigen Hauptzollamts Hamburg-1 ein Vollstreckungstitel gegen den Kläger erwirkt, gegen den er mit Schreiben vom 03.09.2012 Einspruch einlegte.
Der Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 09.01.2013 zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Kläger mit Einschreiben – ausweislich des Rückscheins – am 16.01.2013 zugestellt. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger sei als Anmelder Schuldner der Einfuhrabgaben, dementsprechend sei auch der Vollstreckungstitel an ihn gerichtet worden. Die Vollstreckung sei auch nicht unbillig. Nachteile könnten durch Vereinbarung einer Ratenzahlung abgewendet werden.
Mit seiner am 22.02.2013 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hält die Einfuhrabgabenerhebung für rechtswidrig. Über die Probenentnahme und die Entscheidung des Zollamts sei er nicht informiert worden.
Nachdem der Senat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13.05.2013 wegen Verfristung als unzulässig abgewiesen hatte, trug der Kläger mit Schriftsatz vom 12.06.2013 vor, die Klageschrift rechtzeitig geschickt zu haben, sie trage den Poststempel vom 15.02.2013.
Der Kläger beantragt,
gegen ihn gerichtete Vollstreckungstitel in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.01.2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage wegen des Versäumens der Klagefrist für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Sachakte des Beklagten, die auszugsweise vorgelegen, hat verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte verhandeln und entscheiden, obwohl der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.10.2010 nicht vertreten war. Er wurde ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass bei seinem Ausbleiben auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, § 91 Abs. 2 FGO.
Die Klage ist unzulässig.
Gemäß § 47 Abs. 1 FGO beträgt die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage, die der Kläger vorliegend erhoben hat, einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Der außergerichtliche Rechtsbehelf, also die Einspruchsentscheidung vom 09.01.2013, wurde dem Kläger ausweislich des Rückscheins persönlich am 16.01.2013 übergeben, mithin bekannt gegeben. Die Klagefrist lief, da der 16.02.2013 ein Samstag war, bis zum 18.02.2013. Die Klageschrift ging jedoch ausweislich des Eingangsstempels erst am 22.02.2013 und damit verfristet beim Finanzgericht ein.
Anlass, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 56 FGO zu gewähren, besteht nicht. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was das Gericht veranlassen könnte, Wiedereinsetzung zu gewähren. Sofern er vorträgt, die Klageschrift ausweislich des polnischen Poststempels am 15.02.2013 zur Post gegeben zu haben, rechtfertigt dies keine Wiedereinsetzung, da das Versäumen der Klagefrist gleichwohl nicht unverschuldet ist. Angesichts der üblichen Postlaufzeiten konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass ein am Freitag, dem 15.02.2013, abgesandtes Einschreiben bereits am kommenden Werktag, also Montag, dem 18.02.2013, bei Gericht eingeht. Lediglich bei Postsendungen innerhalb des Bundesgebietes darf davon ausgegangen werden, dass werktags aufgegebene Sendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden (Brandis in Tipke/Kruse, § 110 AO Rn. 14). Von einer derart kurzen Laufzeit kann allerdings bei der Zustellung einer Postsendung aus Polen mittels Einschreiben ins Bundesgebiet nicht ausgegangen werden. Die Laufzeit für Post von Polen nach Deutschland beträgt 2-3 Tage (Angabe unter www.deutschepost.de, internationale Brieflaufzeiten). Der Kläger darf zwar die Rechtsmittelfrist ausschöpfen und darauf vertrauen, dass die Klageschrift innerhalb der üblichen Laufzeit bei Gericht eingeht, er muss jedoch, wenn die übliche Laufzeit 2-3 Tage beträgt, damit rechnen, dass die
Postsendung drei Tage braucht. Insofern konnte der Kläger jedenfalls nicht davon ausgehen, dass die Klageschrift vor Dienstag, dem 19.02.2013 bei Gericht eingeht. Selbst bei einem Eingang am 19.02.2013 wäre die Klage indes verfristet, sodass in jedem Fall von einem verschuldeten Versäumen der Klagefrist ausgegangen werden muss.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Finanzgerichtsordnung, Prozesskostenhilfe: Im Rahmen der Prozesskostenhilfe besteht kein Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters, wenn Gegenstand der Klage die Anfechtung von Schätzungsbescheiden ist und mit den zur Begründung der Klage vorgelegten Steuererklärungen nur das im finanzgerichtlichen Verfahren erbracht wird, was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten des Steuer-pflichtigen gewesen ist, und die Prozessführung ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist, Beschluss des 6. Senats vom 8.10.2013, 6 K 92/13, rechtskräftig.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 6 K 92/13
Beschluss des Einzelrichters vom 08.10.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: FGO § 142 Abs. 2, ZPO § 121 Abs. 2
Leitsatz: Die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters ist dann nicht erforderlich, wenn im Zuge der Anfechtung von Schätzungsbescheiden mit der Vorlage von Steuererklärungen im finanzgerichtlichen Verfahren nur das erbracht wird, was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten gewesen ist und die Prozessführung ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist.
Überschrift: Prozesskostenhilfe: Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten bei Verletzung von Mitwirkungspflichten
Gründe:
I.
Weil der Antragsteller trotz Aufforderung keine Einkommensteuererklärung für 2011 abgegeben hatte, schätzte das Finanzamt Hamburg-1 (Finanzamt) die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 der Abgabenordnung (AO) und setzte mit Bescheid vom 30.11.2012 die Einkommensteuer für 2011 auf 1.401 € fest. Gegen diesen Bescheid legte der durch den Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller fristgerecht Einspruch ein, den das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 15.03.2013 als unbegründet zurückwies.
Mit Schreiben vom 18.04.2013 hat der Antragsteller, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben und angekündigt, die Begründung in Form der Einkommensteuererklärung für 2011 nachreichen zu wollen. Mit Schreiben vom 15.05.2013 hat der Antragsteller beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die Klage sei zur Abwendung der Rechtskraft des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2011 erhoben worden; die der Klagebegründung dienende Steuererklärung habe er beim Finanzamt eingereicht. Mit Schreiben vom 26.06.2013 hat der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mitgeteilt, dass wegen Zahlungsschwierigkeiten seines Mandanten die Steuererklärungen erst nach Ergehen der Einspruchsentscheidung erstellt worden seien.
Mit Bescheid vom 04.06.2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2011 erklärungsgemäß auf 385 € geändert fest. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen des Finanzamts vom 23.05.2013 wie auch des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 18.06.2013 sind die Kosten des Verfahrens mit Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 19.06.2013 dem Antragsteller zur Last gelegt worden.
Mit Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 31.07.2013 ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Mit Schreiben vom 01.10.2013 hat der Antragsteller beantragt, ihm den Prozessbevollmächtigten beizuordnen.
II.
Der Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers war zu versagen.
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) kann nur bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gestellt werden (Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 142 FGO Rn. 7). Der Antrag kann somit nicht mehr wirksam gestellt werden, nachdem die Beteiligten des Verfahrens durch übereinstimmende Erledigungserklärungen die Rechtshängigkeit der Hauptsache beendigt haben (vgl. BFH Beschluss vom 11.11.1985 IV B 77/85, BFHE 145, 28, BStBl II 1986, 67). Denn die Erledigungserklärung ist eine prozessuale Bewirkungshandlung, die den Rechtsstreit in gleicher Weise wie ein – eine Steuerfestsetzung abänderndes – Urteil beendet, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Gegner abgegeben wird. Die Prozesslage wird durch diese übereinstimmenden Erklärungen abschließend gestaltet (BFH Urteil vom 14.05.2003 XI R 21/02, BFHE 202, 228, BStBl II 2003, 888). Dieses gilt gleichermaßen für den Antrag auf Beiordnung eines Steuerberaters gemäß § 142 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten vom 01.10.2013 erfolgte im Streitfall erst nach Vorliegen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten vom 23.05. und 18.06.2013 und damit nach Beendigung des Verfahrens. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag des Antragstellers vom 15.05.2013 auf Gewährung von Prozesskostenhilfe dahin auszulegen wäre, dass er zugleich auch einen Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten umfasst, und damit das Beiordnungsbegehren vor Beendigung des Verfahrens geltend gemacht worden wäre.
2. Denn dem Antrag auf Beiordnung des Prozessbevollmächtigten muss in der Sache der Erfolg versagt bleiben.
Gemäß § 142 Abs. 2 FGO i. V. m. § 121 Abs. 2 ZPO wird ein Rechtsanwalt oder ein Steuerberater in einem Verfahren ohne Anwaltszwang – wie im Finanzgerichtsprozess (§ 62 Abs. 1 FGO) – auf Antrag beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater erforderlich erscheint. Hieran fehlt es, wenn nach dem Umfang, der Schwierigkeit und der Bedeutung der Rechtssache vom Antragsteller zur Rechtsverfolgung bei Gericht ersichtlich nichts anderes verlangt wird, als was zuvor schon Gegenstand seiner außerprozessualen Mitwirkungspflichten gewesen und ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist (vgl. §§ 90, 365 Abs. 1 AO einerseits und § 76 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 FGO andererseits; BFH Beschluss vom 19.09.1986 V B 39/86, DStZ 1987, 155). Eine Beiordnung ist insbesondere dann nicht erforderlich, wenn im Zuge der Anfechtung von Schätzungsbescheiden mit der Vorlage von Steuererklärungen im finanzgerichtlichen Verfahren nur das erbracht wird, was zuvor schon Gegenstand außerprozessualer Mitwirkungspflichten gewesen ist und die Prozessführung ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen ist (vgl. BFH Beschlüsse vom 27.01.1989 III B 130/88, BFH/NV 1989, 767; vom 26. 10.1994 X B 156/94, BFH/NV 1995, 725; vom 27.12.2000 XI B 123/00, BFH/NV 2001, 919). Denn der Steuerpflichtige kann bereits in dem Verwaltungsverfahren, das einem Finanzrechtsstreit vorgeschaltet ist, seine Interessen wahrnehmen und hat andererseits aber auch seine steuerlichen Pflichten
zu erfüllen, ohne dass ihm dafür ein Gebührenanspruch für eine in Anspruch genommene Beratung gegenüber dem Staat zusteht; die Allgemeinheit soll dementsprechend im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten auch nicht mit Kosten des Prozessbevollmächtigten belastet werden (vgl. Lück, DStZ 1987, 155 f.).
Im Streitfall hat der Antragsteller seine steuerlichen Mitwirkungspflichten im Verwaltungsverfahren dadurch verletzt, dass er es versäumt hat, die Einkommensteuererklärung 2011 rechtzeitig einzureichen. Das Einspruchs- und Klageverfahren wäre bei Erfüllung der Mitwirkungspflichten für den vorliegenden Streitgegenstand zu vermeiden gewesen. Die Prozessführung wäre auch ohne fachkundige Hilfe zu bewältigen gewesen, da außer der Erfüllung der Mitwirkungspflichten in Gestalt der Vorlage der Einkommensteuererklärung 2011 keine sonstigen Streitpunkte, zu denen Rechtsausführungen erforderlich gewesen wären, vorlagen.
III.
Die Unanfechtbarkeit des Beschlusses beruht auf § 128 Abs. 2 FGO. Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren der Prozesskostenhilfe, hier auf Beiordnung eines Rechtsanwalts oder Steuerberaters, nicht veranlasst.
Einkommensteuer, Tonnagesteuer: Die auf ein Schiff geleisteten Anzahlungen sind grundsätzlich als Vorleistung in einem schwebenden Vertrag auf eine vom anderen Vertragsteil zu erbringende Lieferung oder Leistung zu verstehen, die in die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eingehen. Ergibt sich aus der vertraglichen Gestaltung, dass die Anzahlungsvereinbarung den Charakter einer Finanzierung des zur Sachleistung verpflichteten Vertragspartners hat, so endet dieses Kreditgeschäft bei Ablieferung des Schiffes mit der Folge, dass das Wirtschaftsgut „geleistete Anzahlung“ aus dem Betriebsvermögen aus-scheidet und der Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG aufzulösen ist, Urteil des 2. Senats vom 14.8.2013, 2 K 32/13, rechtskräftig.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 K 32/13
Urteil des Senats vom 14.08.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: EStG § 5a Abs. 4, EStG § 4 Abs. 1, EStG § 5 Abs. 1
Leitsatz: 1. Grundsätzlich sind geleistete Anzahlungen als Vorleistung in einem schwebenden Vertrag auf eine vom anderen Vertragsteil zu erbringende Lieferung oder Leistung zu verstehen mit der Folge, dass die Anzahlung in die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eingeht, wenn die Gegenseite die Sach- oder Dienstleistungsverpflichtung erfüllt.
2. Steht auf Grund der besonderen vertraglichen Gestaltung der Charakter der Finanzierung des zur Sachleistung verpflichteten Vertragspartners im Vordergrund, endet mit der Ablieferung des Schiffes das Kreditgeschäft. Das Wirtschaftsgut „geleistete Anzahlung“ scheidet aus dem Betriebsvermögen aus, der Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 Satz 2 EStG ist aufzulösen.
Überschrift: Einkommensteuer: Tonnagebesteuerung: Auflösung von Unterschiedsbeträgen bei Ausscheiden von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der zum 31.12.2004 festgestellte Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 S. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für geleistete Anzahlungen im Streitjahr 2006 dem Gewinn hinzuzurechnen ist.
Die Klägerin ist eine im November 2003 gegründete Kommanditgesellschaft, die mit Wirkung vom … 2004 in KG A Schifffahrts-GmbH & Co. umbenannt wurde und seit November 2006 unter dem Namen KG MS „B“ C Reederei GmbH & Co. firmiert. Komplementärin ist die D Schifffahrts-GmbH, die nicht am Vermögen der Klägerin beteiligt ist. Als Gründungskommanditisten waren zunächst die Reederei E GmbH & Co. KG sowie die F & Co. GmbH & Co. KG (im Folgenden die Beigeladene) beteiligt. Mit Gesellschaftsvertrag vom … 2006 wurde der Gegenstand des Unternehmens geändert in Erwerb, gewerblicher Betrieb und die Veräußerung des Containerschiffes „B“ sowie die Durchführung von Seetransporten und damit im Zusammenhang stehende Geschäfte. Als Kommanditist trat G mit einer Beteiligung von … US-Dollar ein und die Beigeladene schied als Gesellschafterin aus. Die Kommanditbeteiligung der Reederei E GmbH & Co. KG wurde auf … US-Dollar erhöht. Laut Handelsregister ist der Kommanditist G in 2008 aus der Gesellschaft wieder ausgeschieden.
Mit Vertrag vom 19.08.2004 bestellte die Klägerin bei einer koreanischen Werft ein Containerschiff mit einer Containerkapazität von 8400 TEU. Der Kaufpreis des Schiffes betrug … US-Dollar, zahlbar durch drei Raten von jeweils … US-Dollar und zwar im September 2004, 180 Tage nach Vertragsunterzeichnung und bei Beginn des Stahlschneidens, sowie eines Restbetrags von … US-Dollar (70 %) bei Ablieferung des Schiffes bis spätestens zum 31.12.2006. Nach den weiteren Vertragsbedingungen war die Vorauszahlung von dem Schiffsbauer bei Kündigung, Ungültigkeit oder Aufhebung an den Käufer einschließlich einer Verzinsung zu erstatten. Im Fall der Rückzahlung war die Vorauszahlung ab dem Tag der Zahlung
mit 6 % p. a. zu verzinsen (vgl. Tz. X.6 des Schiffsbauvertrags). Der Schiffbauer hatte ferner eine Bürgschaft der Bank-1 (…), einer koreanischen Bank, zur Absicherung der Erstattung der Vorauszahlungsraten zu stellen (Tz. X.9 des Schiffsbauvertrags).
Zur Finanzierung der Baupreisanzahlungen gewährte die Bank-2, H, mit Vertrag vom 01.09.2004 ein Darlehen in Höhe von … US-Dollar mit dem ausschließlichen Zweck der Finanzierung der ersten drei Teilzahlungen, zuzüglich einer Kreditlinie bis zu … US-Dollar für die Zahlung der Bauzinsen. Als Sicherheit des Zwischenfinanzierungsdarlehns diente die von dem Schiffsbauer gestellte Bürgschaft der Bank-1 (vgl. Präambel C des Darlehensvertrags über die Zwischenfinanzierung). Die Tilgung des Darlehens sollte nach Tz. 4 des Vertrages in einer Summe spätestens bei Ablieferung des Schiffes oder nicht später als bis zum 30.06.2007 erfolgen. Die langfristige Endfinanzierung des Schiffes erfolgte mit Darlehensvertrag vom 24.11.2004 ebenfalls über die Bank-2.
Am 12.12.2005 beantragte die Klägerin, ab dem Jahr 2005 die Gewinnermittlung nach der Tonnage gemäß § 5a EStG durchzuführen.
Mit einem durch Einspruchsentscheidung vom 22.11.2010 geänderten Bescheid auf den 31.12.2004 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Unterschiedsbetrags gemäß § 5a Abs. 4 EStG stellte der Beklagte folgende Unterschiedsbeträge fest:
Fremdwährungsverbindlichkeiten … €
Bauvertrag … €
Anzahlung – … €.
Eine gegen diese Feststellungen gerichtete Klage (2 K 31/13) hatte zunächst wegen eines Musterverfahrens vor dem Bundesfinanzhof (BFH) geruht. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens sagte der Beklagte zu, den Bescheid auf den 31.12.2004 über die Feststellung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Abs. 4 EStG bezüglich des Bauvertrages aufzuheben. Daraufhin erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Mit vom 15.08.2013 datierenden Änderungsbescheid hat der Beklagte nur noch – der Höhe nach unveränderte – Unterschiedsbeträge für die Fremdwährungsverbindlichkeiten und die Anzahlung festgestellt.
Die Ablieferung des Schiffes erfolgte am 22.11.2006.
Mit Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen stellte der Beklagte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € fest.
Am 27.12.2007 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 22.11.2010 stellte der Beklagte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb abweichend auf … € fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die Einkünfte setzen sich zusammen aus laufenden Einkünften nach § 5a Abs. 1 EStG in Höhe von … €, der Hinzurechnung eines Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 S. 3 EStG in Höhe von … € sowie Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von … €. Der Unterschiedsbetrag für geleistete
Anzahlungen sei auf das Wirtschaftsgut Seeschiff zu übertragen und erst dann aufzulösen, wenn das Schiff aus dem Betriebsvermögen ausscheide.
Am 21.12.2010 hat die Klägerin dagegen Klage erhoben. Die Rechtmäßigkeit der Auflösung des Unterschiedsbetrags für Fremdwährungsverbindlichkeiten werde nicht mehr bestritten. Jedoch sei auch der negative Unterschiedsbetrag für die geleistete Anzahlung aufzulösen. Die der Anzahlung zugedachte Funktion der erfolgsneutralen Darstellung des schwebenden Geschäfts entfalle, wenn das Wirtschaftsgut Seeschiff an die Käuferin abgeliefert werde. Damit sei der negative Unterschiedsbetrag für die Anzahlung in 2006 aufzulösen. Dem Grunde nach sei der Schiffbauvertrag nach englischem Recht ein Kaufvertrag, denn die Werft stelle das Schiff auf ihrer Werft her, um es sodann an den Käufer zu verkaufen und zu übergeben. Sie, die Klägerin, schulde den Kaufpreis und erwerbe mit den Anzahlungen einen Anspruch auf Lieferung des Schiffes. Zivilrechtlich gehe der Sachleistungsanspruch der Käuferin durch die Ablieferung des Schiffes unter und scheide dadurch aus dem Betriebsvermögen aus. Aber auch wenn die Anzahlung als Vorauszahlung in einem schwebenden Geschäft gesehen werde, scheide das Wirtschaftsgut geleistete Anzahlung bei Lieferung des Schiffes aus dem Betriebsvermögen aus, denn die Kreditierung ende mit Ablieferung des Schiffes. Die Auffassung werde auch von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH, GrS 1/89, BStBl II 1990, 830, 834) gestützt. Danach werde die (als geleistete Anzahlung aktivierte) Forderung – wenn die erwartete Werkleistung erfolgt sei – mit der für die Werkleistung geschuldeten Gegenleistung, die ihrerseits Bestandteil der Herstellungskosten werde, verrechnet. Der BFH gehe hier also von einer Verrechnung von Anzahlungsforderung und Kaufpreiszahlungsverpflichtung aus, in der in Bezug auf die Anzahlungsforderung ein Realisationsakt liege. Darüber hinaus sei nach dem Sinn und Zweck des § 5a Abs. 4 EStG für die Hinzurechnung des „historischen“ Unterschiedsbetrags allein entscheidend, dass ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheide; es komme nicht auf die Realisierung eines Gewinns oder Verlustes an. Mit der Ablieferung des Schiffes scheide danach das Wirtschaftsgut „geleistete Anzahlung“ aus dem Betriebsvermögen aus.
Zu beachten sei, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Schiffsbauvertrag um einen Kaufvertrag handle, in dessen Rahmen üblicherweise keine Vorauszahlungen geleistet würden. Die in dieser Branche allerdings praktizierten Vorauszahlungen seien jedoch für alle Beteiligten von Vorteil. Höhere Vorauszahlungen führten in einem bestimmten Umfang zu einer Reduzierung des Kaufpreises, denn sie stellten letztlich eine Refinanzierung der Werft dar. Der Erwerber habe zwar höhere Zinsaufwendungen für die Vorauszahlungen. Dieser Aufwand lasse sich aber zumeist steuerlich durch die beteiligten Fondsgesellschaften nutzen. Die von der Werft gestellte Bürgschaft werde regelmäßig als Sicherheit an die die Vorauszahlung finanzierende Bank weitergeleitet.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 05.12.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2010 in der Weise zu ändern, dass unter Auflösung der Unterschiedsbeträge für Fremdwährungsverbindlichkeiten und für Anzahlungen ein Verlust von … € festgestellt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Ablieferung des Schiffes hinsichtlich der geleisteten Anzahlung keinen Realisierungstatbestand darstelle, weil die Anzahlung als Anschaffungskosten für das später entstandene Wirtschaftsgut Seeschiff zu betrachten sei. Die geleistete Anzahlung werde buchungstechnisch als Aktivtausch auf das neue Wirtschaftsgut Seeschiff übertragen.
Mit Beschluss vom 29.07.2013 ist die F GmbH & Co. KG zu dem Rechtsstreit notwendig beigeladen worden.
Dem Gericht haben die Rechtsbehelfsakte, die Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakte, die Bilanz- und Bilanzberichtsakte, die Akte Allgemeines sowie die Akte Unterschiedsbetrag zu der Steuernummer …/…/… vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten sowie die Protokolle über den Erörterungstermin und die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Zu dem Rechtsstreit war der 2008 ausgeschiedene Gesellschafter G nicht beizuladen, da er erst Ende 2006 als Kommanditist eingetreten ist und von der allein streitigen Auflösung und Hinzurechnung der zum 31.12.2004 festgestellten Unterschiedsbeträge unter keinem Gesichtspunkt betroffen ist.
II.
Die zulässige Klage hat Erfolg. Der Bescheid für 2006 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, denn der Beklagte hat zu Unrecht den negativen Unterschiedsbetrag für die geleistete Anzahlung nicht bei Ablieferung des Schiffes aufgelöst.
Nach § 5a Abs. 4 S. 1 EStG ist zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung des Absatzes 1 vorangeht (Übergangsjahr), für jedes Wirtschaftsgut, das unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dient, der Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Teilwert in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen. Gemäß Satz 2 ist der Unterschiedsbetrag gesondert und bei Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG einheitlich festzustellen. Auch soweit in einem Feststellungsbescheid Unterschiedsbeträge für mehrere Wirtschaftsgüter festgestellt werden, handelt es sich bei den festgestellten Unterschiedsbeträgen um jeweils selbständige Regelungen, die jeweils unabhängig voneinander Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens sein können (vgl. BFH-Urteil vom 29.11.2012 IV R 47/09, BStBl II 2013, 324).
Auf dieser Grundlage hat der Beklagten zum 31.12.2004 Unterschiedsbeträge für Fremdwährungsverbindlichkeiten und für geleistete Anzahlungen gesondert und einheitlich festgestellt.
Der Unterschiedsbetrag ist nach § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 EStG in dem Jahr dem Gewinn hinzuzurechnen, in dem das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheidet oder in dem es nicht mehr unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dient.
Im Streitjahr ist neben dem Unterschiedsbetrag für die Fremdwährungsverbindlichkeiten auch der Unterschiedsbetrag für geleistete Anzahlungen aufzulösen und dem Gewinn hinzuzurechnen.
Über die Auflösung des Unterschiedsbetrags für Fremdwährungsverbindlichkeiten besteht zwischen den Beteiligten kein Streit mehr. Bei den Fremdwährungsverbindlichkeiten handelt es sich um ein Wirtschaftsgut, für das in Höhe der Differenz zwischen ihrem Buchwert und ihrem Teilwert nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 5a Abs. 4 S. 2 EStG ein Unterschiedsbetrag zu bilden war (vgl. BFH-Urteil vom 16.02.2012 IV B 57/11, BFH/NV 2012, 1108). Dieser Unterschiedsbetrag ist gemäß § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 EStG dem Gewinn hinzuzurechnen, denn das Zwischenfinanzierungsdarlehen ist durch die (vertraglich vereinbarte) Rückführung zum Ablieferungsdatum des Schiffes aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden. Die festgestellten Unterschiedsbeträge in Höhe von … € und … € (insgesamt … €) sind danach dem Gewinn in 2006 hinzuzurechnen.
Der negative Unterschiedsbetrag für geleistete Anzahlungen ist ebenfalls im Streitjahr aufzulösen.
a) Bei den Anzahlungen handelt es sich um ein Wirtschaftsgut, das auch nach den steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften der § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG bilanziell zu erfassen ist, um ein schwebendes Geschäft erfolgsneutral zu behandeln (vgl. Kozikowski/F. Huber, Beck’scher Bilanzkommentar, 8. Aufl. 2012, § 247 Rn. 545; Ott in Handbuch der Bilanzierung – HdB, Nr. 11a Rn. 2; BFH-Urteil vom 25.10.1994 VIII R 65/91, BStBl II 1995, 312, 315).
Nach dem Regelungszweck des § 5a Abs. 4 EStG ist der Wechsel der Gewinnermittlungsart der Grund für die Erfassung der stillen Reserven und der Feststellung des Unterschiedsbetrags. Auf diese Weise wird die Phase der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG (Regelbesteuerung) von der Phase der Gewinnermittlung nach der Tonnage abgegrenzt. In dem Unterschiedsbetrag werden ausschließlich stille Reserven erfasst, die in der Zeit der Regelbesteuerung entstanden sind. Es ist daher konsequent, einen Unterschiedsbetrag nur für solche Wirtschaftsgüter festzustellen, die bei der Regelbesteuerung bis zum Übergang in die Phase der Tonnagebesteuerung in der Steuerbilanz zu erfassen und dadurch für die Besteuerung relevant waren (BFH-Urteil vom 29.11.2012 IV R 47/09, BStBl II 2013, 324).
Der Beklagte hat bestandskräftig einen Unterschiedsbetrag zum 31.12.2004 für die geleisteten Anzahlungen festgestellt, so dass etwaige Zweifel, ob für geleistete Anzahlungen ein Unterschiedsbetrag zu bilden ist, dahinstehen können. So können sich nach Auffassung von Dahm (in Lademann, EStG § 5a Rn. 101) in dem
Wirtschaftsgut „geleistete Anzahlungen“ keine stillen Reserven angesammelt haben, weil diese dem schwebenden Kaufvertrag über den Erwerb des Handelsschiffes zuzuordnen seien. Denn soweit eine Wertsteigerung oder ein Wertverlust in dem schwebenden Geschäft stattgefunden habe, finde dieser seinen Niederschlag in der Gegenleistung, der Wert der Anzahlung im Hinblick auf den (noch) zu erbringenden Kaufpreis verändere sich nicht. Würden nach dem Zahlungsvorgang Wechselkursschwankungen auftreten, könne sich der Betrag der tatsächlichen Anschaffungskosten, welcher für die zukünftige Gegenleistung aufgewendet wird, nicht mehr ändern (so auch Kozikowski/Leistner in Beck’scher Bilanzkommentar § 256a Rn. 71). Spätere Kursveränderungen nach Leistung der Vorauszahlung hätten daher keinen Einfluss auf den Anschaffungswert (Plewka/Schmidt in Lademann, EStG § 5 Rn. 865).
Grundsätzlich sind geleistete Anzahlungen als Vorleistung in einem schwebenden Vertrag auf eine vom anderen Vertragsteil zu erbringende Lieferung oder Leistung zu verstehen (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG § 5 Rn. 270; Kozikowski/F. Huber, Beck’scher Bilanzkommentar, § 247 Rn. 545; Plewka/Schmidt in Lademann, EStG § 5 Rn. 865; BFH-Urteile vom 16.05.1973 I R 186/71, BStBl II 1974, 25; vom 25.10.1994 VIII R 65/91, BStBl II 1995, 312, 315). Der Aktivierung unterliegt dabei nicht der Sach- oder Dienstleistungsanspruch aus dem zugrunde liegenden schwebenden Geschäft – dem stünde das Verbot der Bilanzierung von Ansprüchen aus schwebenden Geschäften entgegen -, sondern das in der Vorauszahlung liegende Kreditgeschäft bzw. der Anspruch auf Rückforderung bei Nichtlieferung oder Nichtleistung (Kozikowski/F. Huber, Beck’scher Bilanzkommentar, § 247 Rn. 545; Plewka/Schmidt in Lademann, EStG § 5 Rn. 865; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 Rn. 291; Ott in HdB, Nr. 11a Rn. 2, 4). Erfüllt die Gegenseite die Sach- oder Dienstleistungsverpflichtung, so geht die geleistete Anzahlung in der Regel in die Anschaffungs- oder Herstellungskosten ein. In diesem Zeitpunkt wird die (Anzahlungs-) Forderung mit der geschuldeten Gegenleistung, die ihrerseits Bestandteil der Anschaffungskosten ist, verrechnet (BFH-Beschluss vom 04.07.1990 GrS 1/89, BStBl II 1990, 830; Kozikowski/F. Huber, Beck’scher Bilanzkommentar, § 247 Rn. 545; Plewka/Schmidt in Lademann, EStG § 5 Rn. 865; Stobbe in Herrmann/Heuer/Raupach, § 5 Rn. 291; Werndl in Kirchhof/Söhn, EStG § 6 Rn. B 85). Im Einzelfall können jedoch entgegenstehende Abreden zu beachten sein (vgl. Plewka/Schmidt in Lademann, EStG § 5 Rn. 865; BFH-Urteil vom 20.05.1993 X R 49/89, BStBl II 1992, 904, 908).
Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung wäre der Unterschiedsbetrag für Anzahlungen regulär bei Veräußerung des Schiffes oder Beendigung der Gewinnermittlung nach der Tonnage aufzulösen.
b) Im Streitfall ist den Anzahlungen aber aufgrund der besonderen Vertragsgestaltung des Schiffsbauvertrages vom 19.04.2004 eine andere rechtliche Bedeutung beizumessen und tritt deren Finanzierungscharakter in den Vordergrund.
Nach Abschnitt X.2 des Vertrages hatte die Klägerin drei Teilzahlungen in Höhe von insgesamt 30 % des Vertragspreises zu leisten und damit die Herstellung des Schiffes zu einem erheblichen Teil und über einen längeren Zeitraum vorzufinanzieren: Zwischen Vertragsschluss (Fälligkeit der ersten Rate) und geplanter Auslieferung des Seeschiffes spätestens am 31.12.2006 lag eine Zeitspanne von über zwei Jahren. Als Gegenleistung hierfür wird regelmäßig – gewissermaßen als kumulierter Zins – eine Reduzierung des Kaufpreises
ausgehandelt. Denn der Käufer des Schiffes gewährt einen Vorschuss auf den Kaufpreis, der die Werft von der Notwendigkeit einer Vorfinanzierung ganz oder teilweise entlastet. Nach den Erläuterungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entspricht es gängiger Vertragspraxis, durch Hingabe hoher Teilzahlungen (von bis zu 90 Prozent der Vertragssumme) eine diesem Vorteil entsprechende Reduzierung des Kaufpreises für das zu erwerbende Schiff zu erreichen. Die Erwerberin des Schiffes finanziert die hohen Teilzahlungen durch Kreditinstitute, denen zur Sicherheit die von der ausländischen Werft bereitgestellten Rückzahlungsgarantien, im Streitfall die der Bank-1, abgetreten werden. Die an der Erwerberin beteiligten Anleger können die aus dieser Form der Vorfinanzierung resultierenden Verluste steuerlich geltend machen.
Für ein eigenständiges Kreditgeschäft und damit den Forderungscharakter der Anzahlungen spricht zudem, dass im Falle der Aufhebung oder Kündigung des Vertrages die Teilzahlungen von der Werft nicht nur zurückzuzahlen, sondern ab dem Tag nach Erhalt der Teilzahlung mit 6 % p. a. zu verzinsen waren. Außerdem musste die Werft für die Anzahlungen eine Rückzahlungsgarantie, die genannte Bürgschaft der Bank-1, stellen, die ausweislich der Präambel des Darlehensvertrages vom 01.09.2004 der Absicherung des Zwischenfinanzierungsdarlehens diente.
Schließlich unterstreicht auch der Umstand, dass der Schiffsbauvertrag, der zwar englischem Recht unterliegt, rechtlich eher als Kaufvertrag zu qualifizieren ist (vgl. § 651 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB), die Auslegung, dass es sich bei den Teilzahlungen nicht um übliche Anzahlungen handelt. Denn anders als im Werkvertragsrecht (§ 632a BGB) sind Abschlagszahlungen bzw. Anzahlungen bei einem Kaufvertrag weder gesetzlich vorgesehen noch üblich (§ 433 Abs. 2 BGB).
c) Mit der Lieferung des Wirtschaftsgutes endete die Kreditierung des Kaufpreises.
Entgegen der allgemeinen Regel geht die geleistete Anzahlung bei Ablieferung des Schiffes nicht automatisch in die Anschaffungskosten ein, sondern die Vorfinanzierung endet, Leistung und Gegenleistung des Kaufvertrages werden fällig und erfüllt, der Zinsanspruch auf die Vorauszahlungen erlischt, die Sicherheit wird hinfällig.
In die Betrachtung mit einzubeziehen ist, dass die Vorauszahlung durch ein Fremdwährungsdarlehen finanziert wurde, das durch die Rückzahlungsgarantie der Werft abgesichert worden war. Unstreitig scheidet das Zwischenfinanzierungsdarlehen bei Tilgung durch Auszahlung des Schiffshypothekendarlehens zur endgültigen Finanzierung des Kaufpreises aus dem Betriebsvermögen aus und der für das Zwischenfinanzierungsdarlehen gebildete (positive) Unterschiedsbetrag ist aufzulösen. Die Zwischenfinanzierung steht in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Vorausleistung auf den Kaufpreis. Durch die vertragliche Gestaltung sind beide Positionen derart eng miteinander verbunden, dass die Rückführung der einen Position nicht ohne die Auflösung der anderen wirtschaftlich zutreffend gewürdigt werden kann. Denn durch die Zahlung des Kaufpreises entfällt die Vorauszahlung, der verzinste und durch die Rückzahlungsgarantie absicherte Rückforderungsanspruch geht unter. Auch wenn die Vertragsparteien nicht ausdrücklich die Verrechnung der Vorauszahlung mit der zu erbringenden Kaufpreiszahlung vereinbart haben, wie dies für die Tilgung des Zwischenfinanzierungsdarlehens geschehen ist, ist faktisch von einer Verrechnung
der Vorauszahlung auf die Kaufpreisforderung auszugehen. Die geleistete Anzahlung scheidet damit als Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen aus.
d) Das Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen ist für die Auflösung des Unterschiedsbetrags auch ausreichend, eines Realisationstatbestandes bedarf es nicht. Dies folgt bereits aus § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 Alternative 2 EStG, nach der der Unterschiedsbetrag auch aufzulösen ist, wenn ein Wirtschaftsgut nicht mehr unmittelbar dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr dient. Dieses Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn die Feststellung des Unterschiedsbetrags steht in sachlichem Zusammenhang mit dem Wechsel der Gewinnermittlungsart vom Bestandsvergleich zur Tonnagebesteuerung. In dem Unterschiedsbetrag werden ausschließlich die stillen Reserven erfasst, die in der Zeit der Regelbesteuerung entstanden sind (vgl. BFH-Urteile vom 29.11.2012 IV R 47/09, BStBl II 2013, 324; vom 13.12.2007 IV R 92/05, BStBl II 2008, 583). Die Erfassung der stillen Reserven durch die Feststellung des Unterschiedsbetrags steht damit nicht im Zusammenhang mit einer Veräußerung oder Betriebsaufgabe, sondern erfolgt, um sie später einer Besteuerung zuführen zu können. Es handelt sich insoweit um Sonderregeln, die den Übergang vom Bestandsvergleich zur Tonnagebesteuerung und wieder zurück bestimmen. Danach ist es folgerichtig, dass der festgestellt Unterschiedsbetrag aufgelöst wird, wenn das Wirtschaftsgut aus dem subventionierten Betriebsvermögen ausscheidet, ohne dass ein Realisationstatbestand erfüllt wurde.
Nach allem ist auch der Unterschiedsbetrag für geleistete Anzahlungen in Höhe von -… € aufzulösen. Der festzustellende Gewinn setzt sich danach zusammen aus … € laufenden Einkünften nach § 5a Abs. 1 EStG, der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags für Fremdwährungsverbindlichkeiten in Höhe von … €, der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags für geleistete Anzahlungen in Höhe von – … € sowie Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von … € und ist insgesamt auf – … € festzustellen.
III.
Die Kosten des Verfahrens sind nach § 136 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens auf die Beteiligten zu verteilen. Der Klägerin sind Kosten teilweise aufzuerlegen, da sie zunächst den weitergehenden Antrag auf Feststellung eines Verlustes von … € anhängig gemacht hatte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten und die Abwendungsbefugnis folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nach § 139 Abs. 4 FGO von dieser selbst zu tragen.
Die Revision ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Einkommensteuer, DBA-Recht: Tagegelder, die von der OSZE an Mitglieder einer OSZE-Mission gezahlt werden, sind Einkünfte aus unselbständiger Arbeit i. S. des DBA-Aserbaidschan.
Der 1. Senat hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass die Abkom-mensrecht einschränkende Regelung des § 50d Abs. 8 EStG durch solche DBA verdrängt werde, die erst nach der Einführung dieser Regelung in das EStG in nationales Recht um-gesetzt worden sind und keine dem § 50d Abs. 8 EStG entsprechende Regelung enthalten, Gerichtsbescheid des 1. Senats vom 21.8.2013, 1 K 87/12, Revision eingelegt, Az. des BFH I R 64/13.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 1 K 87/12
Urteil des Senats vom 21.08.2013
Rechtskraft: Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 64/13
Normen: EStG 2002 § 50d Abs. 8 Satz 1, EStG 2002 § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 15 Abs. 1 Satz 2, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 19 Abs. 4, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, DBA-Aserbaidschan 2004 Art. 23 Abs. 1 Buchst. D
Leitsatz: 1. Von der OSZE an Mitglieder einer OSZE-Mission (sekundierte Position) gezahlte Tagegelder sind Einkünfte aus unselbständiger Arbeit i. S. des DBA-Aserbaidschan.
2. § 50d Abs. 8 EStG wird im Hinblick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG und die lex-posterior-Regel durch Regelungen eines später erlassenen DBA verdrängt.
Überschrift: Einkommensteuer/Doppelbesteuerungsabkommen: § 50d Abs. 8 EStG 2002 und später erlassene DBA
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von Tagegeldern für eine Feldoperation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Aserbaidschan.
Die Kläger, deutsche Staatsangehörige, sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und im Streitjahr ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hatten.
Vom … 2008 bis zum … 2009 nahm die Klägerin an einer OSZE-Mission in Aserbaidschan als „Democratization Officer“ in Form einer sogenannten „sekundierten Position“ teil. Danach war die Klägerin in die Organisation der Mission eingegliedert und unterlag den Weisungen der Mission. Die Klägerin erhielt von der OSZE für diese Tätigkeit zur teilweisen Kompensation von Lebenshaltungskosten in Aserbaidschan ein Tagegeld für Unterkunft und Verpflegung („Board and Lodging Allowance“, im Folgenden: BLA) im Jahr 2008 in Höhe von insgesamt … € direkt auf ihr Konto gezahlt. Des Weiteren erhielt die Klägerin im Streitjahr für diese Tätigkeit aufgrund einer Zuwendungsvereinbarung mit dem Auswärtigen Amt einen pauschalierten Aufwandsersatz in Höhe von insgesamt … €. Die Klägerin wendete für ihre Tätigkeit im Streitjahr insgesamt … € auf, u. a. für Fahrten, Flüge, Visakosten, Miete.
Der Kläger und die … Kinder der Kläger (geboren am …) besuchten die Klägerin in Aserbaidschan in der Zeit vom … 2008 bis zum … 2008 sowie in der Zeit vom … 2008 bis zum … 2008. Die Klägerin hielt sich im Kalenderjahr 2008 ab dem 09.01.2008 länger als 183 Tage in Aserbaidschan auf.
Der Beklagte erließ am 15.02.2011 einen Einkommensteuerbescheid für 2008, in dem er neben dem vom Auswärtigen Amt gezahlten Betrag die von der OSZE gezahlten BLA als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit besteuerte und zugleich
die geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von insgesamt … € berücksichtigte. Am 03.03.2011 erließ der Beklagte aus hier nicht streitigen Gründen einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2008 und setzte die Einkommensteuer auf … € fest.
Am 11.03.2011 legten die Kläger Einspruch gegen den „Bescheid für 2008 über Einkommensteuer … vom 15.02.2011“ ein. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 zurück. Dabei wies der Beklagte darauf hin, dass der Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 den Bescheid vom 15.02.2011 ersetzt habe.
Am 20.04.2012 erhoben die Kläger Klage. Sie sind der Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder seien steuerfrei. Es handele sich lediglich um den Ausgleich der Lebenshaltungskosten der Klägerin. Da die Bundesrepublik Deutschland sich finanziell an der OSZE beteilige, sei die Bundesrepublik Deutschland als inländischer Arbeitgeber anzusehen. Im Übrigen habe die Klägerin auf die Steuerfreiheit vertrauen können, da sie bereits für das Jahr 2006 durch das seinerzeit zuständige Finanzamt einen Steuerbescheid erhalten habe, der die Tagegelder aus einer früheren OSZE-Mission steuerfrei behandelt habe. Auch in den Jahren 2009 und 2010 seien die von der OSZE gezahlten Tagegelder als steuerfrei in den Einkommensteuerbescheiden behandelt worden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 in der Weise zu ändern, dass die Einkommensteuer auf … € herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die von der OSZE gezahlten Tagegelder seien steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Tagegelder seien nicht aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen steuerfrei. Der Besteuerung stehe auch nicht das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Aserbaidschan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Aserbaidschan, Bundesgesetzblatt Teil II – BGBl II – 2005, 1146) entgegen, da der Bundesrepublik Deutschland wegen der Rückfallklausel des § 50d Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG) das Besteuerungsrecht zustehe.
Dem Gericht haben die Einkommensteuerakte Bd. I und die Rechtsbehelfsakte Bd. I des Finanzamtes Hamburg-1, jeweils zur Steuernummer…/…/…, vorgelegen.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Gericht entscheidet gemäß § 90a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.
II.
Klagegegenstand ist der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 ersetzte den Einkommensteuerbescheid vom 15.02.2011 und nahm dessen Regelungsgegenstand in sich auf. Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 15.02.2011 einlegten. Der Beklagte als Erklärungsempfänger musste den Einspruch dahin verstehen, dass nach dessen objektivem Erklärungswert der – jedenfalls aus Sicht des Beklagten – allein existente Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 überprüft werden sollte (vergleiche – vgl. – auch Bundesfinanzhof – BFH -, Urteil vom 19.06.1997 IV R 51/96, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 1998, 6). Der Beklagte hat den Einspruch ausweislich der Einspruchsentscheidung auch in dieser Art und Weise verstanden.
III.
Das Verfahren ist nicht im Hinblick auf das bei dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängige Verfahren 2 BvL 1/12 (Vorlagebeschluss des BFH vom 10.01.2012 I R 66/09, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 236, 304) gemäß § 74 FGO auszusetzen.
Das dortige Verfahren ist für den hier zu entscheidenden Fall nicht vorgreiflich. Dort setzte sich § 50d Abs. 8 EStG in der Fassung (i. d. F.) des Art. 1 Nr. 32 Buchstabe b des Zweiten Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2003 – StÄndG 2003) vom 15.12.2003 (Bundesgesetzblatt Teil I – BGBl I – 2003, 2645) über das bereits zuvor mit der Republik Türkei im DBA-Türkei 1985 völkerrechtlich vereinbarte und national umgesetzte Konzept einseitig hinweg. § 50d Abs. 8 EStG trat am 20.12.2003 in Kraft (Art. 25 Abs. 1 StÄndG 2003; Verkündung am 19.12.2003) und war erstmals für den Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden (§ 52 Abs. 1 i. d. F. des StÄndG 2003), also erst nach der Umsetzung des DBA-Türkei in nationales Recht (sogenanntes „treaty override“, vgl. BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304). Anders verhält es sich im hiesigen Fall. Hier liegt kein „treaty override“ im eben beschriebenen Sinn vor. § 50d Abs. 8 EStG war bereits anzuwenden, als das DBA-Aserbaidschan am 28.12.2005 in Kraft trat (BGBl II 2006, 120).
IV.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Einkommensteuerbescheid vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 ist teilweise rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit sind in Höhe von insgesamt … € anzusetzen sowie steuerfreie Einkünfte der Klägerin in Höhe von insgesamt … € in
die Berechnung des Steuersatzes einzubeziehen. Nur die Zahlungen des Auswärtigen Amtes sind steuerpflichtige Einnahmen der Klägerin. Die Tagegelder der OSZE sind hingegen von der Besteuerung auszunehmen, jedoch im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Die gesamten Werbungskosten der Klägerin für ihre Tätigkeit sind auf die steuerfreien und die steuerpflichtigen Einnahmen aufzuteilen.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Die Zahlungen, die die Klägerin von dem Auswärtigen Amt in Höhe von insgesamt … € erhielt, sind steuerpflichtige Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Dies ist zwischen den Beteiligten im Hinblick auf das ihnen bekannte Urteil des BFH vom 20.08.2008 I R 35/08 (BFH/NV 2009, 26), auf das sich der Senat zur Begründung bezieht, unstreitig.
2. Die von der OSZE gezahlten BLA in Höhe von insgesamt … € sind gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen.
a) Die Klägerin ist eine im Sinne des DBA-Aserbaidschan in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person. Selbst wenn die Klägerin nach dem Recht der Republik Aserbaidschan dort aufgrund eines Wohnsitzes oder eines ständigen Aufenthalts steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 DBA-Aserbaidschan), gilt die Klägerin jedenfalls nach Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan als eine nur in der Bundesrepublik Deutschland ansässige Person, da wegen des Verbleibens ihrer Familie in der Bundesrepublik Deutschland im Streitjahr der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in der Bundesrepublik Deutschland lag.
b) Die Bundesrepublik Deutschland hat die BLA gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan freizustellen. Danach werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus der Republik Aserbaidschan ausgenommen, die nach diesem Abkommen in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können und nicht unter Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b DBA-Aserbaidschan fallen.
aa) Die BLA können nach dem DBA-Aserbaidschan in der Republik Aserbaidschan besteuert werden. Es handelt sich hierbei um Vergütungen für eine unselbständige Arbeit, die infolge der Ausübung der Tätigkeit in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können (Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Aserbaidschan).
(1) Es handelt sich nicht um Vergütungen im Sinne des Art. 19 DBA-Aserbaidschan (Öffentlicher Dienst), der Art. 15 DBA-Aserbaidschan vorgeht (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Aserbaidschan).
Gemäß Art. 19 Abs. 1 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan können Vergütungen, ausgenommen Ruhegehälter, die von einem Vertragsstaat, einem seiner Länder oder einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts dieses Staates an eine natürliche Person für die diesem Staat, einem seiner Länder, einer ihrer Gebietskörperschaften oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts geleisteten Dienste gezahlt werden, nur in diesem Staat besteuert werden.
Die OSZE ist hiervon nicht erfasst. Denn die OSZE ist eine verstetigte Staatenkonferenz ohne eigene Völkerrechtssubjektivität (vgl. Evers/Kahl/Zellner, The Culture of Dialogue. The OSCE Aquis 30 Years after Helsinki, Hamburg 2005, S. 53, http://www.core-hamburg.de/documents/30Years_OSCE_Booklet.pdf).
Ebenso wenig ist Art. 19 Abs. 4 DBA-Aserbaidschan für die BLA einschlägig. Denn gemäß Art. 19 Abs. 4 DBA-Aserbaidschan gilt ein ausschließliches Besteuerungsrecht für die Bundesrepublik Deutschland nur dann, wenn die BLA im Rahmen eines Programms der wirtschaftlichen Zusammenarbeit eines Vertragsstaats aus Mitteln, die ausschließlich von diesem Staat bereitgestellt werden, an Fachkräfte gezahlt werden, die in den anderen Vertragsstaat (hier: Republik Aserbaidschan) mit dessen Zustimmung entsandt worden sind. Indes sind die Tagegelder nicht aus Mitteln gezahlt, die ausschließlich seitens der Bundesrepublik Deutschland bereitgestellt werden (Kostenbeteiligung Deutschlands an der OSZE: 9,35 %; vgl. OSZE-Jahrbuch 2008, S. 431, http://www.core-hamburg.de/documents/jahrbuch/08/1Staaten2008.pdf.).
(2) Die Klägerin übt eine unselbständige Arbeit im Sinne des Art. 15 DBA-Aserbaidschan in der Republik Aserbaidschan aus, da sie in die Organisation der OSZE-Mission eingegliedert ist und den Weisungen der Mission unterliegt. Zwar enthält das DBA-Aserbaidschan selbst keine Definition des Begriffs der unselbständigen Arbeit. Allerdings ist in Abgrenzung zu Art. 14 DBA-Aserbaidschan (Selbständige Arbeit) und gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan unter Rückgriff auf das nationale deutsche Recht (Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Randziffer – Rz. – 53) unter einer unselbständigen Arbeit eine Tätigkeit zu verstehen, bei der die tätige Person einem anderen ihre Arbeitskraft schuldet. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Person – wie im Streitfall – im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (vgl. auch § 1 Abs. 2 Satz 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung – LStDV -, BGBl I 1989, 1848).
(3) Die Klägerin bezieht die BLA als eine den Gehältern ähnliche Vergütung aus unselbständiger Arbeit. Mangels ausdrücklicher Definition des Begriffs „Vergütungen“ in dem DBA-Aserbaidschan greift über Art. 3 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan ergänzend das nationale deutsche Recht ein (Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 15 Randziffer – Rz. – 54). Die BLA sind Vergütungen, die die Klägerin für ihre Beschäftigung bei der OSZE erhalten hat (vgl. auch § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Denn die Tagegelder sind durch das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin mit der OSZE veranlasst und als Entlohnung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft der Klägerin zu verstehen. Dem steht nicht entgegen, dass die BLA die Lebenshaltungskosten in der Republik Aserbaidschan teilweise kompensieren sollten. Es kommt nicht darauf an, ob mit der Zuwendung gleichzeitig soziale oder sonstige Ziele verfolgt werden (Krüger, in Schmidt, EStG, 32. Auflage – Aufl. – 2013, § 19 Rz. 45).
bb) Die Bundesrepublik Deutschland hat kein ausschließliches Besteuerungsrecht für diese Vergütungen gemäß Art. 15 Abs. 2 DBA-Aserbaidschan. Ein ausschließliches Besteuerungsrecht scheitert schon daran, dass die Klägerin sich im Jahr 2008 – anders als in Art. 15 Abs. 2 Buchstabe a DBA-Aserbaidschan verlangt – länger als 183 Tage in Aserbaidschan aufhielt.
cc) Die BLA fallen nicht unter die in Art. 23 Abs. 1 Buchstabe b DBA-Aserbeidschan genannten Einkünfte. Insbesondere handelt es sich nicht um Einkünfte, die nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Aserbaidschan in der Republik Aserbaidschan besteuert werden können, da die Klägerin nicht im Rahmen gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung in der Republik Aserbaidschan tätig ist.
3. Der Steuerfreistellung der BLA steht § 50d Abs. 8 EStG im Streitfall nicht entgegen.
a) Gemäß § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG wird die Freistellung ungeachtet des Abkommens nur gewährt, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Staat, dem nach dem Abkommen das Besteuerungsrecht zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Einen solchen Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es der Klägerin unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, die Nachweise zu erbringen.
b) Im Streitfall verdrängen die durch das Zustimmungsgesetz zum DBA-Aserbaidschan in nationales Recht überführten Regelungen allerdings die Regelung des § 50d Abs. 8 EStG.
aa) Es besteht zwischen § 50d Abs. 8 EStG und der Regelung des Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan eine Gesetzeskonkurrenz, da § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG unter bestimmten – im Streitfall vorliegenden – Voraussetzungen, die nach dem Abkommen gewährte Freistellung ausschließt.
Beide Regelungen sind „normenhierarchisch“ gleichrangig. DBA werden als völkerrechtliche Verträge gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) mittelbar in Form eines Zustimmungsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland angewendet. Hierdurch erhält das Abkommen innerstaatlich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Der innerstaatliche Gesetzgeber ist im Prinzip frei darin, im Zustimmungsgesetz Vorbehalte gegenüber der Anwendung bestimmter Abkommensvorschriften zu verankern (BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304 mit weiteren Nachweisen – m. w. N. -).
bb) Die Gesetzeskonkurrenz ist im Streitfall zugunsten der Abkommensregelung zu lösen.
Zwar enthält § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG ausdrücklich eine Regelung, die einen Vorrang der Vorschrift im Verhältnis zum Abkommen begründen kann („ungeachtet des Abkommens“). Es ist allerdings dem Wortlaut des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG nicht eindeutig und zwingend zu entnehmen, dass dieser Vorrang auch DBA erfassen soll, die nach Erlass des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG in Kraft getreten sind. Dies ergibt sich auch aus nachfolgenden DBA, die teilweise – wie im Streitfall – keinen Vorbehalt zur Anwendung der Freistellungsmethode enthalten, teilweise jedoch die Anwendung der Freistellungsmethode von der tatsächlichen Besteuerung im Ausübungsstaat abhängig machen (so beispielsweise Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Bulgarien, BGBl II 2010, 1286; Art. 22 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Ungarn, BGBl II 2011, 919; Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Großbritannien, BGBl II 2010, 1333).
Die Konkurrenz der Regelungen in § 50d Abs. 8 EStG und Art. 23 Abs. 1 Buchstabe a Satz 1 DBA-Aserbaidschan ist im Hinblick auf den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG und die Anwendung der allgemeinen Auslegungsregel des Vorrangs des späteren Gesetzes (lex-posterior-Regel) zugunsten des in die nationale Regelung umgesetzten DBA-Aserbaidschan zu lösen.
Im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung ist das GG nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht (BVerfG-Beschluss vom 14.10.2004 2 BvR 1481/04, Entscheidungen des BVerfG – BVerfGE – 111, 307). Aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG folgt die für alle Staatsorgane geltende Pflicht, die die Bundesrepublik Deutschland bindenden Völkerrechtsnormen zu befolgen und Verletzungen nach Möglichkeit zu unterlassen (BVerfG-Beschluss vom 26.10.2004 2 BvR 955/00, 2 BvR 1038/01, BVerfGE 112, 1; vgl. allgemein zur Berücksichtigung der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG Gosch, in: Kirchhof, EStG, 12. Aufl. 2013, § 50d Rz. 25; Gosch, Internationales Steuerrecht – IStR – 2008, 413, 419; des Weiteren BFH-Beschluss vom 10.01.2012 I R 66/09, BFHE 236, 304 mit weiteren Nachweisen – m. w. N. -). Dies gilt erst recht für die Auslegung von im Rang unter dem GG stehenden Bundesgesetzen und damit auch für die Auslegung des Anwendungsbereichs des § 50d Abs. 8 EStG.
Die völkerrechtsfreundliche Auslegung ist auch bei der Anwendung allgemeiner Auslegungsregeln zur Lösung von Gesetzeskonkurrenzen (lex specialis und lex posterior) zu beachten. Dabei hilft allerdings die „lex-specialis-Regel“ nicht weiter. Sie ist hier nicht zielführend, da – je nach Sichtweise – entweder die nationale Norm aufgrund der Regelung eines besonderen Sachverhalts oder aber die Abkommensregelung aufgrund der Regelung im Verhältnis zu einem bestimmten Staat als spezielleres Gesetz angesehen werden kann (vgl. hierzu Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 845). Im Übrigen ist schon fraglich, ob die Abkommensregelung nicht schon als lex aliud und nicht als lex specialis zu verstehen ist, weil Abkommen die Besteuerungsrechte der nationalen Staaten beschränken und deshalb einen anderen Regelungsgegenstand haben (Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung – AO -/FGO, Stand: September 2012, § 2 AO Rz. 165). Im Streitfall ist die „lex-posterior-Regel“ unter Berücksichtigung der völkerrechtsfreundlichen Auslegung heranzuziehen, die hier den Vorrang der Abkommensregelung begründet (weitergehend Rust/Reimer, IStR 2005, 843, 845 ff., die einen Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze von lex specialis und lex posterior für nicht notwendig erachten).
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG nicht anzuwenden. Denn der Gesetzgeber hat sich bei Überführung des DBA-Aserbaidschan in nationales Recht dafür entschieden, die Freistellung der hier in Rede stehenden Einkünfte nicht von besonderen Nachweisvoraussetzungen abhängig zu machen. Die Regelung des § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG war schon bei Abschluss des DBA-Aserbaidschan in Kraft und dem deutschen Gesetzgeber bewusst. Dennoch enthält das DBA-Aserbaidschan keine eigenen, dem § 50d Abs. 8 Satz 1 EStG entsprechende oder auf diesen verweisende Vorschriften bzw. bestimmt keinen entsprechenden Vorbehalt zu Gunsten des nationalen Rechts (vgl. auch Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, S. 38; vgl. auch jetzt Art. 22 Abs. 1 Buchstabe e Doppelbuchstabe bb der Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen, Stand: 17.04.2013, http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/
Downloads/BMF_Schreiben/Internationales_Steuerrecht/Allgemeine_Informationen/2013-04-17-Verhandlungsgrundlage-DBA-deutsch.pdf?__blob=publicationFile&v=5; vgl. auch zur Vereinbarung von „Subject-to-tax-Klauseln“ in anderen Abkommen Brunsbach/Endres/Lüdicke/Schnitger, Deutsche Abkommenspolitik, Schrift des Instituts Finanzen und Steuern – IFSt – Nr. 480 [2012], S. 41 f.).
Soweit vertreten wird, dass § 50d Abs. 8 EStG auch ein später in Kraft getretenes DBA verdrängt (z. B. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand: September 2012, § 2 AO Rz. 169, 175; Drüen, in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: Mai 2011, § 2 AO Rz. 38; Frotscher, EStG, Stand: September 2012, § 50d Rz. 5, 11), ist dem aufgrund der obigen Ausführungen nicht zu folgen.
4. Gemäß § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG sind steuerfreie Einkünfte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit für die OSZE in Höhe von … € bei der Berechnung des besonderen Steuersatzes nach § 32b Abs. 2 EStG zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat in dieser Höhe Einkünfte bezogen, die nach einem DBA steuerfrei sind (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Die Ermittlung der Einkünfte, die nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG steuerfrei sind, erfolgt nach deutschem Recht, hier durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG).
Danach sind die BLA als Einnahmen zu berücksichtigen. Denn nach Art. 23 Abs. 1 Buchstabe d DBA-Aserbaidschan behält die Bundesrepublik Deutschland das Recht, diese Einnahmen bei der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigten.
Von den BLA in Höhe von … € sind anteilige Werbungskosten in Höhe von … € abzuziehen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Werbungskosten sind gemäß § 3c Abs. 1 EStG auf die steuerfreien und die steuerpflichtigen Einkünfte der Klägerin aufzuteilen. Der auf die steuerfreien Einnahmen entfallende Teil der Werbungskosten ist nach dem Verhältnis zu bemessen, in dem die steuerfreien Einnahmen zu den steuerpflichtigen Einnahmen der Klägerin aus derselben Tätigkeit stehen. Es lässt sich nicht eindeutig feststellen, dass die Werbungskosten allein durch die Erzielung der nach DBA-Aserbaidschan steuerfreien BLA oder allein durch die steuerpflichtigen Zahlungen des Auswärtigen Amtes veranlasst sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 26.03.2002 VI R 26/00, BFHE 198, 545, Bundessteuerblatt Teil II – BStBl II – 2002, 823; BFH-Urteil vom 11.02.2009 I R 25/08, BFHE 224, 498, BStBl II 2010, 536).
Der Anteil der steuerfreien Einnahmen (… €) an den Gesamteinnahmen (… € = … € + … €) beträgt 54,12 %. Danach entfällt von den insgesamt geltend gemachten Werbungskosten in Höhe von … € auf die steuerfreien Einnahmen ein Betrag in Höhe von … € (= 54,12 % von … €) und auf die steuerpflichtigen Einnahmen ein Betrag in Höhe von … € (= 45,88 % von … €).
5. Auf die Frage, ob die Tagegelder nach inländischem deutschem Recht steuerfrei sind, kommt es nach dem Vorstehenden nicht an.
6. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass in anderen Veranlagungszeiträumen die BLA insgesamt steuerfrei gestellt wurden. Dem steht schon das Prinzip der Abschnittsbesteuerung entgegen. Ebenso wenig liegen die
Voraussetzungen eines Vertrauensschutzes der Klägerin nach § 176 AO vor. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO). Eine Rechtsprechung des BFH zur steuerlichen Berücksichtigung von Tagegeldern der OSZE bestand bisher nicht.
7. Der Einkommensteuerbescheid 2008 vom 03.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.03.2012 ist danach in der Weise zu ändern, dass nunmehr Einkünfte der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt … € (Einnahmen: … €; Werbungskosten: … €) anzusetzen sowie steuerfreie Einkünfte der Klägerin in Höhe von insgesamt … € (= … € – … €) in die Berechnung des Steuersatzes nach § 32b EStG einzubeziehen sind.
Die Berechnung wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten übertragen.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da das Verhältnis zwischen § 50d Abs. 8 EStG und einem später in Kraft getretenen DBA durch den BFH noch nicht geklärt ist.
Einkommensteuer, DBA-Recht: Unternehmen im Sinne des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 kann nur ein Unternehmen gemäß Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern 1974 sein, das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibt.
Zugleich muss dieses Unternehmen wirt-schaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds im Sinne des Abkommensrechts sein.
Eine andere Auslegung lässt sich auch nicht aus dem erst für Veranlagungszeiträume ab dem 1.1.2012 geltenden DBA-Zypern 2011 ableiten, denn es ergibt sich weder ausdrücklich noch konkludent aus dem Protokoll oder der Denkschrift (BT-DS 17/6259 S. 27), dass die von den Vertragsstaaten gewollte Regelung bezüglich des neuen Art. 14 DBA-Zypern 2011 rückwirkend auch auf das DBA-Zypern 1974 anzuwenden sein soll, Gerichtsbescheid des 6. Senats vom 12.8.2013, 6 K 279/12, Revision eingelegt, Az. des BFH I R 63/13.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 6 K 279/12
Gerichtsbescheid des Senats vom 12.08.2013
Rechtskraft: Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 63/13
Normen: EStG § 34c, DBA-Zypern 1974 Art. 8, DBA-Zypern 1974 Art. 15
Leitsatz: 1. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach entschieden hat (BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 53/91, BStBl II 1994, 218; Urteil vom 5. September 2001 I R 55/00, BFH/NV 2002, 478; Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 86/04, Juris, und vom 18. Mai 2010 I B 204/09, BFH/NV 2010, 1636), kann ein Unternehmen i. S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern nur ein Unternehmen i. S. von Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern sein, das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibt. Zugleich muss dieses Unternehmen wirtschaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds im Sinne des Abkommensrechts sein.
2. Eine andere Auslegung des Begriffs des „Unternehmens“ i. S. von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern lässt sich auch nicht aus dem erst für Veranlagungszeiträume ab dem 01.01.2012 geltenden DBA-Zypern 2011 ableiten, denn es ergibt sich weder ausdrücklich noch konkludent aus dem Protokoll oder der Denkschrift (BT-DS 17/6259 S. 27), dass die von den Vertragsstaaten gewollte Regelung bezüglich des neuen Art. 14 DBA-Zypern 2011rückwirkend auch auf das DBA-Zypern 1974 anzuwenden ist.
Überschrift: Einkommensteuer, DBA-Zypern: Besteuerung eines Kapitäns
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der vom Kläger bezogene Arbeitslohn der deutschen Besteuerung unterliegt.
Der Kläger ist Kapitän und war in den Streitjahren auf den Kreuzfahrtschiffen „MS A“, „MS B“ und „MS C“ tätig. Arbeitsvertragliche Grundlage war ein Seaman´s Employment Contract vom … 2000 mit der D Ltd (D) mit Sitz in E auf Zypern. Die D stellte auf Grund eines Crewingvertrages mit der Schiffseignerin F-1 Ltd. die Besatzung der Schiffe. Die Kreuzfahrtschiffe wurden von der Eignerin an die F-2 AG verchartert, die dann ihrerseits die Schiffe an die F-3 GmbH mit Sitz in G weiter verchartert. Die D hat ca. 8.000 Seeleute angestellt und verfügt über ca. 200 Mitarbeiter, die sich ausschließlich mit der Verwaltung der Seeleute beschäftigen. Die D betreut ca. 300 Schiffe.
Für die Jahre 2002 bis 2005 führte der Kläger ein Verfahren beim Niedersächsischen Finanzgericht, weil er die Ansicht vertrat, dass seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Deutschland nicht steuerpflichtig seien. Durch Urteil vom 10.11.2009 wurde die Klage als unbegründet zurückgewiesen (13 K 186/07). Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde am 18.05.2010 als unbegründet zurück (I B 204/09).
Der Kläger erklärte in 2006 einen in Deutschland steuerfreien Bruttoarbeitslohn in Höhe von 80.070 €. Außerdem erklärte er Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 6.529 €. In 2007 erklärte er einen in Deutschland steuerfreien Bruttoarbeitslohn in Höhe von 79.336 €. Weitere Einkünfte erklärte er nicht. In 2008 erklärte er
Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 194 €. Außerdem erklärte er einen in Deutschland steuerfreien Bruttoarbeitslohn in Höhe von 88.291 €. 2009 betrug der Bruttoarbeitslohn des Klägers 68.461 €. Auch diesen erklärte er als in Deutschland steuerfrei. Weitere Einkünfte erklärte er nicht.
Der Beklagte unterwarf die Einkünfte des Klägers aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit der Besteuerung und setzte mit Bescheid für 2006 vom 14.02.2008 die Einkommensteuer auf 25.503 €, mit Bescheid für 2007 vom 27.05.2010 die Einkommensteuer auf 22.541 €, mit Bescheid für 2008 vom 27.05.2010 die Einkommensteuer auf 26.662 € und mit Bescheid vom 10.08.2010 die Einkommensteuer auf 17.520 € fest.
Der Kläger legte am 11.03.2008 für 2006, am 24.06.2010 für 2007 und 2008 und am 16.08.2010 für 2009 Einsprüche ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 04.12.2012 änderte der Beklagte die angefochtenen Bescheide im Hinblick auf die streitigen Verpflegungsmehraufwendungen und setzte die Einkommensteuer für 2006 auf 23.305 €, für 2007 auf 19.063 €, für 2008 auf 23.867 € und für 2009 auf 14.488 € fest. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21.12.2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, der Beklagte habe seine Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu Unrecht besteuert.
Sowohl das Niedersächsische Finanzgericht als auch der BFH seien bei ihren Entscheidungen von einer falschen Auslegung ausgegangen, weil zu dem Zeitpunkt ihrer Entscheidungen das Protokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 18.02.2011 (Protokoll zum DBA-Zypern 2011) noch nicht vorgelegen habe.
Denn die Einkünfte aus der Tätigkeit als Seemann unterlägen gem. Art. 15 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Zypern zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 09.05.1974 (DBA-Zypern 1974) nicht der deutschen Einkommensteuer.
Es ergebe sich aus dem Protokoll zum DBA-Zypern 2011, dass als Unternehmen im Sinne des Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern 2011, welcher gleichlautend mit der alten Fassung des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 sei, das Unternehmen des Arbeitgebers des Bordpersonals gemeint sei. Die Vertragsparteien des DBA hätten übereinstimmend hierdurch klargestellt, dass sie die von der deutschen Rechtsprechung praktizierte Auslegung nicht teilten, wie der Begriff des Arbeitgebers zu verstehen sei. Da es sich um eine Klarstellung handele, komme dieser auch rückwirkende Bedeutung für das DBA-Zypern 1974 zu. Denn durch die Klarstellung und Beibehaltung der bisherigen Regelung hätten die Vertragsparteien deutlich gemacht, wie sie die Regelung auch bereits vorher verstanden hätten. Auch werde an anderen Stellen der Denkschrift zum DBA-Zypern 2011, z. B. bei Art. 8, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelung nicht rückwirkend anzuwenden sei.
Die Finanzverwaltung habe diese Klarstellung, welche bereits im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und auch in der Denkschrift zur Gesetzesvorlage DBA-Zypern neu vom 22.06.2011 bestätigt worden sei, bisher nicht zur Kenntnis genommen.
Entscheidend sei der zivilrechtliche Arbeitgeber und damit grundsätzlich derjenige, der die Arbeitskraft fordere und auf der anderen Seite das Arbeitsentgelt schulde. Konkretisiert werde dies durch das Weisungsrecht seitens des Arbeitgebers. Da die D bestimme, auf welchem Schiff der Kläger tätig werde, werde dadurch die Arbeitgeberstellung der D hinreichend belegt. Es könne auch nicht auf den Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers abgestellt werden, denn das Auseinanderfallen von wirtschaftlichem und rechtlichem Arbeitgeber setze eine gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung voraus. Im DBA-Zypern 2011 sei zwar eine Sonderregelung zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung in Art. 14 Abs. 3 DBA-Zypern 2011 erfolgt. Diese Regelung gelte jedoch nicht, wenn die Spezialregelung des Art. 14. Abs. 4 DBA-Zypern 2011 zur Anwendung gelange. Denn bei Seeleuten, die im internationalen Schifffahrtverkehr tätig seien, entstehe gerade kein örtlicher Bezug zu einem Land, da die Seeleute weltweit tätig seien. Die mit dem Einsatz von Seeleuten verbundenen spezifischen Aufgaben eines Arbeitgebers gingen weit über die Aufgaben eines Arbeitgebers hinaus, der Arbeitnehmer an Land überlässt. Das Crewingunternehmen habe insbesondere folgende Aufgaben:
* internationale Suche nach geeigneten Seeleuten,
* rechtliche Anstellung und Abschluss von Arbeitsverträgen, die alle durch die ILO
für Seeleute geforderten Bedingungen erfüllen,
* Risiko der Vergütungszahlungen bei Ausfall der Kundenzahlung oder
Nichtbeschäftigung,
* Prüfung, Überwachung und Risiko der fachlichen Eignung,
* Ersatz bei Ausfall des Arbeitnehmers,
* Einhaltung internationaler Visa-Regelungen,
* Einhaltung internationaler Beschäftigungsvorschriften,
* Einhaltung internationaler Steuervorschriften und Sozialversicherungsregeln,
* Einhaltung der vorgeschriebenen Trainingsvorschriften,
* laufende Gesundheitskontrolle,
* Gesundheitszertifikate,
* Anordnung und Überwachung der Regeln bezüglich Alkohol und Drogen,
* Ausrüstung mit Arbeitskleidung bzw. Uniformen,
* Beförderungen weltweit zum und vom Schiff,
* Lohnabrechnungen unter Beachtung von Vorschriften des Wohnsitz- und
Arbeitgeberstaates,
* regelmäßige Kontrollbesuche an Bord durch Superintendenten der D.
Mit der Übernahme dieser Aufgaben erbringe die D wesentlich mehr Tätigkeiten, als dies bei einer Anstellung an Land der Fall wäre. Wegen der typischerweise vorhandenen räumlichen Distanz sei der Arbeitnehmer auch noch mehr auf die Fürsorge seines Arbeitgebers angewiesen. Für die Durchführung der bestehenden Aufgaben unterhalte die D folgende Abteilungen: Personal, Aus- und Fortbildung, Heuer, Reise, EDV und Recht. Gerade wegen dieses Organisationsaufwandes sei es für kleinere und mittlere Schifffahrtsunternehmen wirtschaftlich nicht sinnvoll, alle diese Aufgaben selbst durchzuführen. Deshalb stelle das sog. „Crewing“ heute in der Seeschifffahrt die bevorzugte Anstellung von Seeleuten dar. Es handele sich damit auch gerade nicht um eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung. Angesichts dieses Umfangs der Tätigkeiten trete der Einfluss des Entleihers in den Hintergrund. Zumal
der Kapitän eines Schiffes an Bord keinen Weisungen des Schiffsbetreibers unterliege. Dies werde auch durch den Anstellungsvertrag bestätigt, denn dieser enthalte kein Weisungsrecht des Reeders. Die vertragliche Situation könne daher auch nicht mit einer Arbeitnehmerüberlassung gleichgesetzt werden.
Es könne auch nicht aus der Tatsache, dass es sich bei der D um ein dienstleistungsorientiertes Unternehmen handele, welches natürlich die Wünsche der Reeder berücksichtige, geschlossen werden, dass die Reederei der wirtschaftliche Arbeitgeber sei. Die D berechne das Gehalt der Seeleute auch nicht einfach weiter, sondern die Abrechnung erfolge auf der Grundlage von kalkulatorischen Stundensätzen unter Berücksichtigung des Stundenlohnes, weiter entstehender Kosten und einer Gewinnmarge. Bei dem Vertrag zwischen der D und der F-1 Ltd. handele es sich um einen sog. „Lump-sum Crewing Vertrag“, bei dem D eine Pauschalsumme (lump-sum) für die gesamte Crewingleistung erhalte. Die D sei damit nicht nur zivilrechtlicher, sondern auch wirtschaftlicher Arbeitgeber. Nur die D und nicht der Reeder könne den Arbeitsvertrag kündigen.
Das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit obliege damit ausschließlich Zypern. Zypern habe hingegen auf sein Besteuerungsrecht grundsätzlich bei allen nicht in Zypern ansässigen Besatzungsmitgliedern verzichtet. Dies ergebe sich insbesondere aus der als Anlage 6 vorgelegten Bescheinigung.
Der Kläger beantragt,
die Einkommensteuerbescheide 2006, 2007, 2008 und 2009, jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2012, dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit nicht der deutschen Besteuerung unterworfen werden und die Einkommensteuer jeweils auf 0 € herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung vom 04.12.2012. Ergänzend führt er aus, dass das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Deutschland zustehe. Dies habe bereits das Niedersächsische Finanzgericht für die Vorjahre entschieden. Der Sachverhalt habe sich gegenüber den Vorjahren auch nicht verändert. Auch der BFH habe im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwere unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass Unternehmen im Sinne von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 nur ein Unternehmen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern 1974 sein könne, das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibe. Außerdem müsse dieses Unternehmen zugleich wirtschaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitgliedes im Sinne des Abkommensrechts sein. Diese im Anwenderstaat Deutschland gefundene Auslegung könne auch nicht rückwirkend durch eine Protokollerklärung zum neuen DBA-Zypern 2011 beseitigt werden. In diesem Zusammenhang werde auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 06.05.2013 (6 K 645/12) verwiesen. Durch das Protokoll zum Abkommen seien nur Klarstellungen hinsichtlich des Abkommens vom 18.02.2011 erfolgt und nicht auch bezüglich des DBA-Zypern 1974. Es könne auch nicht aus dem Fehlen des Satzes „Diese Regelung ist nicht rückwirkend anzuwenden“ darauf geschlossen werden, dass die Regelung für Art. 14
DBA-Zypern 2011 bzw. Art. 15 DBA-Zypern 1974 rückwirkend anzuwenden sei. Es ergebe sich im Gegenteil gerade aus der Klarstellung, dass keine Rückwirkung für die erweiterte Anwendung des Art. 8 DBA-Zypern 2011 habe erfolgen sollen und die Vertragsparteien die bestehende Rechtsprechung des BFH nur für die Zukunft und nicht für die Vergangenheit hätten ändern wollen.
Die D betreibe unstreitig keine Kreuzfahrtschiffe und scheide bereits daher als möglicher Arbeitgeber aus.
Die D sei auch nicht wirtschaftlicher Arbeitgeber des Klägers, denn der Kapitän eines Schiffes besitze eine exponierte Stellung, und es sei deshalb für die Reederei von erheblichem Interesse, welcher Kapitän auf welchem Schiff eingesetzt werde. Der Kapitän müsse an Bord auch selbst entscheiden, wie die vorgegebene Route im Einzelnen umgesetzt werden solle. Im Einzelfall werde er Neuerungen bei der Umsetzung auch mit der Reederei und nicht mit der D besprechen. Die vom Kläger vorgetragene vertragliche Situation werde gerade nicht durch die von ihm eingereichten Verträge bestätigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.07.2013 verwiesen.
Auf die Sitzungsniederschrift des Erörterungstermins vom 10.05.2013 wird verwiesen. Dem Gericht haben die Einkommensteuerakten und die Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer …/…/… vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung ergeht gem. § 90a Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2009 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 04.12.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO), denn der Beklagte hat zu Recht die Einkünfte des Klägers aus seiner nichtselbständigen Arbeit der deutschen Besteuerung unterworfen.
1. Der im Inland wohnhafte Kläger ist gem. § 1 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) grundsätzlich mit allen seinen erzielten Einkünften unbeschränkt steuerpflichtig. Die Einkünfte aus der nichtselbständigen Tätigkeit werden nicht gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Zypern 1974 von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen. Insbesondere steht nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 das Recht der Besteuerung hierfür nicht Zypern zu.
Anwendbar auf den Streitfall ist das DBA-Zypern 1974, da das neue DBA-Zypern 2011 erst ab dem 01.01.2012 zur Anwendung gelangt.
2. Gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Zypern 1974 werden bei einer in der Bundesrepublik ansässigen Person von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer u. a. die Einkünfte aus Zypern ausgenommen, die dort nach dem Abkommen
besteuert werden können. Die Frage, ob die Einkünfte des Klägers in Zypern besteuert werden können, beantwortet sich nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974. Danach können Vergütungen für unselbständige Arbeit, die von einem Mitglied der Besatzung an Bord eines Seeschiffes im internationalen Verkehr ausgeübt wird, in dem Staat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
a) Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits mehrfach entschieden hat (BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 53/91, BStBl II 1994, 218; Urteil vom 5. September 2001 I R 55/00, BFH/NV 2002, 478; Beschlüsse vom 26. April 2005 I B 86/04, Juris, und vom 18. Mai 2010 I B 204/09, BFH/NV 2010, 1636 – Verfahren des Klägers für die Vorjahre -), kann ein Unternehmen i. S. des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 nur ein Unternehmen i. S. von Art. 8 Abs. 1 DBA-Zypern sein, das selbst internationalen See- und Luftverkehr betreibt. Zugleich muss dieses Unternehmen wirtschaftlicher Arbeitgeber des Besatzungsmitglieds im Sinne des Abkommensrechts sein.
b) Diese Voraussetzungen werden im Streitfall nicht erfüllt. Arbeitgeber des Klägers war das Crewing-Unternehmen D mit Sitz in Zypern, das selbst keinen internationalen Seeverkehr betreibt. Aber auch die Einschaltung eines Arbeitnehmerverleihers als sog. Crewing-Ausrüster führt nicht dazu, dass die Arbeitgeberfunktion auf das das Schiff betreibende Unternehmen als „Nutzer“ des entliehenen Arbeitnehmers übertragen würde und diesem die Funktion zuzurechnen wäre.
c) Ebenfalls ist geklärt, dass es nicht darauf ankommt, ob seitens der zypriotischen Steuerbehörden ein abweichendes Abkommensverständnis vertreten wird, das auf den dort ansässigen Arbeitnehmerverleiher als i. S. von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 maßgebendes Unternehmen abstellt.
d) Scheidet damit ein Besteuerungsrecht Zyperns nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 aus, entfällt eine Steuerfreistellung der in Rede stehenden Einkünfte nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Zypern 1974, und es bleibt beim inländischen Besteuerungsrecht nach Maßgabe des Einkommensteuergesetzes.
e) Eine andere Auslegung des Begriffs des „Unternehmens“ i. S. von Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 lässt sich auch nicht aus dem erst für Veranlagungszeiträume ab dem 01.01.2012 geltenden DBA-Zypern 2011 ableiten.
aa) Zwar haben sich die Vertragsstaaten im Protokoll zum DBA-Zypern 2011 in Nummer 4 zu Art. 14 darauf geeinigt, dass die Vergütung von Besatzungsmitgliedern Absatz 4 dieses Artikels unterliegt, und der Ausdruck „Unternehmen“ in diesem Absatz das Unternehmen des Arbeitgebers der Besatzungsmitglieder bedeutet. Auch ist die Vorschrift des Art. 15 Abs. 3 DBA-Zypern1974 im Wesentlichen wortgleich in Art. 14 Abs. 4 DBA-Zypern 2011 übernommen worden. Gem. Art. 29 DBA-Zypern 2011 ist dieses beigefügte Protokoll auch Bestandteil des Abkommens. Eine ausdrückliche Regelung dazu, ob diese Neuregelung auch auf das DBA-Zypern 1974 anwendbar sein soll, ist jedoch weder im Protokoll noch in der Denkschrift (BT-DS 17/6259 S. 27) erfolgt.
bb) Es ergibt sich auch nicht konkludent aus dem Protokoll oder der Denkschrift (BT-DS 17/6259 S. 27), dass diese von den Vertragsstaaten gewollte Regelung rückwirkend ebenso auf das DBA-Zypern 1974 anzuwenden ist.
aaa) Zwar haben die Vertragsstaaten eines DBA grundsätzlich die Möglichkeit zu vereinbaren, wie die von den Vertragsstaaten in einem völkerrechtlichen Vertrag verwandten Begriffe auszulegen sind. Dies folgt aus ihrer Stellung als Subjekte der durch den Vertrag zwischen ihnen geschaffenen Rechtsbeziehungen (Ipsen, Völkerrecht, 4. Aufl. 1999, S. 121).
Da die Vertragsstaaten nicht ausdrücklich geregelt haben, ob die Regelung im Protokoll zum DBA-Zypern 2011 in Nummer 4 zu Art. 14 rückwirkende Bedeutung haben soll, muss diese Frage durch Auslegung des DBA entschieden werden.
Maßgeblich für die Auslegung von Verträgen zwischen zwei Staaten und damit auch von Doppelbesteuerungsabkommen ist das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.05.1969, das in Deutschland am 20.08.1987 in Kraft getreten ist (BGBl 1987 II, 757) – WÜRV -.
Gem. Art. 31 Abs. 1 und 2 WÜRV ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Für die Auslegung eines Vertrags bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambeln und Anlagen jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde, und jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst und von den anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde.
Gem. Art. 31 Abs. 3 WÜRV gilt:
„Außer dem Zusammenhang sind in gleicher Weise zu berücksichtigen
a) jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung der Bestimmungen;
b) jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht;
c) jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz.“
Gem. Art. 31 Abs. 4 WÜRV ist einem Ausdruck eine besondere Bedeutung beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben.
Damit finden die klassischen Auslegungsmethoden des deutschen Rechts auch Anwendung, wenn es um die Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen geht, wobei hier insbesondere die Auslegungshoheit der beteiligten Staaten zu beachten ist, falls diese sich explizit zu einem Thema bzw. einem Begriff geäußert haben. Auch besteht bei völkerrechtlichen Verträgen die Möglichkeit, spätere Übereinkommen oder Klarstellungen rückwirkend einzubeziehen. Grundsätzlich steht es den Vertragsparteien frei, die von ihnen verwandten Begriffe selbständig auszulegen, zu verändern oder neu zu definieren. Dieses Recht wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass die Staaten sich bei dem Abschluss des DBA an dem OECD-Muster-DBA orientieren. Denn es ist nicht zwingend, dass sich die Vertragsstaaten in jedem Fall an dem Musterabkommen orientieren.
bbb) Im Streitfall haben die Vertragsparteien jedoch weder ausdrücklich noch konkludent vereinbart, dass die Regelung im Protokoll zum DBA-Zypern 2011 in Nummer 4 zu Art. 14 rückwirkend auch für das DBA-Zypern 1974 anzuwenden sein soll.
Insbesondere ergibt sich eine Rückwirkung nicht daraus, dass in der Denkschrift zu Art. 14 DBA-Zypern 2011 eine Rückwirkung nicht ausgenommen ist.
Bei der Auslegung muss einbezogen werden, dass die Besteuerung im internationalen Schifffahrtsverkehr eine komplexe Regelungsmaterie darstellt und die diesen betreffende Vorschriften des DBA in Wechselwirkung zueinander stehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu Art. 15 DBA-Zypern 1974 stand fest, dass Deutschland das Besteuerungsrecht für sich in Anspruch nahm, wenn der Unternehmer im Sinne von Art. 15 DBA-Zypern 1974 nicht ein Schiff im internationalen Verkehr betrieb und somit nicht die Voraussetzungen gem. Art. 8 DBA-Zypern 1974 erfüllte. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren des Klägers für die Vorjahre wies der BFH zudem ausdrücklich darauf hin, dass es dem Gericht im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG verwehrt sei, entgegen Wortlaut, Vorschriftenzusammenhang und Zweck eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aus tatsächlichen Erwägungen (hier: betreffend den internationalen Seeverkehr) heraus Abhilfe zu schaffen; dies müsse den Vertragsstaaten vorbehalten bleiben (BFH-Beschluss vom 18. Mai 2010 I B 204/09 unter Hinweis auf sein Urteile vom 10. November 1993 I R 53/91 und vom 11. Oktober 2000 I R 44-51/99).
Diese Rechtsprechung war den Vertragsstaaten bewusst, wie die Ausführungen in der Denkschrift zu Art. 8 DBA-Zypern 2011 zeigen. Die Vertragsstaaten haben auch reagiert und Art. 8 DBA-Zypern 2011 angepasst (Wegfall der Rückfallklausel des Art. 8 Abs. 3 DBA-Zypern 2011, Erweiterung des Anwendungsbereichs auf die Binnenschifffahrt gem. Art. 8 Abs. 2 DBA-Zypern 2011 und Regelung der gelegentlichen Leervermietung von Schiffen sowie der Nutzung oder Vermietung von Containern gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Zypern 2011). Eine weitere Änderung erfolgte in diesem Zusammenhang durch die im Protokoll zum Abkommen in Nummer 3 zu Art. 8 festgehaltene Einigung der Vertragsstaaten darüber, dass Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen (auch) Gewinne von Unternehmen erfassen, die die verschiedenen Aufgaben beim Betrieb von Seeschiffen für die Schifffahrtsgesellschaften übernehmen, wie zum Beispiel Besatzung, technisches und kaufmännisches Management. Gemäß Art. 29 DBA-Zypern 2011 ist das angefügte Protokoll Bestandteil des Abkommens und damit ebenfalls erst ab dem 01.01.2012 verbindlich.
In der Denkschrift zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 17/6259) zu Art. 8 des Abkommens wird hierzu ausgeführt:
„In Abweichung zu dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1993 (I R 53/91) haben sich die Vertragsparteien in der Nummer 3 des Protokolls zum Abkommen geeinigt, dass mit der Anwendung des neuen Doppelbesteuerungsabkommens zu den Einkünften aus dem Betrieb von Schiffen auch solche aus technischem und wirtschaftlichem Management sowie die Ausrüstung mit Schiffspersonal gehören. Diese Regelung ist nicht rückwirkend anzuwenden (vgl. hierzu die Ausführungen des Bundesfinanzhofs in der Entscheidung vom 18. Mai 2010, I B 204/09 NV).“
Im Gegensatz zu diesen Ausführungen zu Art. 8 DBA-Zypern 2011 enthält die Denkschrift zum Gesetzentwurf zu Art. 14 DBA-Zypern 2011 keine ausdrückliche Regelung über die Frage der Rückwirkung. Hier wird in der Denkschrift lediglich ausgeführt:
„Nach Nummer 4 des Protokolls zum Abkommen bedeutet der Ausdruck „Unternehmen“ in diesem Absatz das Unternehmen des Arbeitgebers des Bordpersonals“.
Hieraus leitet der Kläger im Umkehrschluss ab, dass die Vertragsstaaten die rückwirkende Auslegung auch für das DBA-Zypern 1974 gewollt haben, da sie anderenfalls eine Rückwirkung wie bei Art. 8 DBA-Zypern 2011 ausgeschlossen hätten.
Dieser Ansicht folgt der Senat nicht, denn die Vertragsstaaten hätten eine solche Auswirkung auf das alte DBA ausdrücklich vereinbaren müssen. Sowohl die Denkschrift als auch das Protokoll beziehen sich ausschließlich auf das DBA-Zypern 2011, so dass die Vertragsschließenden hätten zum Ausdruck bringen müssen, wenn sie auch Auswirkungen für die Vergangenheit beabsichtigt hätten (im Ergebnis so auch: Rauert, Das neue DBA-Zypern aus Sicht der Schifffahrt – ein Überblick, IStR 05/2012). Dabei muss einbezogen werden, dass die Auslegung dieser Vorschriften zwischen den Vertragsstaaten zum Teil kontrovers gewesen ist und das DBA-Zypern 2011 deshalb neue Regelungen beinhaltet. So haben sich für die den Betrieb von Seeschiffen betreffenden Vorschriften des Art. 8 und Art. 14 DBA-Zypern 2011 wichtige Änderungen ergeben; diese Vorschriften müssen insoweit im Gesamtzusammenhang ausgelegt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch das DBA-Zypern 2011 von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode (Art. 22 Abs. 1 DBA-Zypern 2011; siehe hierzu die Erläuterungen in der Denkschrift BT-DS 17/6259 S. 30) übergegangen wurde. Außerdem ist die Rückfallklausel gem. Art. 8 Abs. 3 DBA-Zypern 1974 weggefallen, wonach das Besteuerungsrecht unter bestimmten Voraussetzungen an Deutschland zurückfiel (siehe: Rauert, a. a. O., S. 165). Auch andere Bestimmungen sind in diesem Zusammenhang angepasst worden, um insbesondere von Deutschland nicht gewollte Ergebnisse zu korrigieren (z. B. Definition des Ortes der Geschäftsleitung in Nr. 1 des Protokolls). Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragspartner ohne ausdrückliche Ausnahme Bestimmungen bereits vorher anwenden wollten, wenn die anderen Regelungen erst ab dem 01.01.2012 anwendbar sein sollten. Dies gilt insbesondere, weil sich durch eine Anwendung der Neuregelung des Art. 14 DBA-Zyperns 2011 auf die Streitjahre das Besteuerungsrecht dahingehend geändert hätte, dass statt Deutschland nunmehr Zypern für die Besteuerung zuständig gewesen wäre.
Der Senat ist deshalb der Ansicht, dass es sich bei der Bestimmung in Nummer 4 zu Art. 14 des Protokolls zum Abkommen nicht nur um eine gesetzgeberische Klarstellung eines schon seit langem bestehenden unbestimmten Rechtsbegriffs handelt, sondern gemäß Art. 29 DBA-Zypern 2011 um eine Neuregelung im DBA-Zypern 2011, welche nicht rückwirkend auf die Streitjahre anwendbar ist (so auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 06. Mai 2013 6 K 645/12, zitiert nach juris).
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO wegen der Frage zugelassen, ob der Regelung in Nr. 4 zu Art. 14 im Protokoll zum DBA-Zypern 2011 rückwirkende Bedeutung für das DBA-Zypern 1974 zukommt. Obwohl es sich bei dem DBA-Zypern 1974 um auslaufendes Recht handelt, gibt es noch eine Vielzahl an offenen Verfahren zu dieser Problematik.
Einkommensteuer: Auf den Antrag eines Ehegatten auf Zusammenveranlagung hat der 2. Senat entschieden, dass das Veranlagungswahlrecht von Ehegatten nicht mehr abweichend ausgeübt werden kann, wenn für einen Ehegatten die Steuer bereits bestandskräftig im Wege der Einzelveranlagung festgesetzt worden ist, Gerichtsbescheid des 2. Senats vom 1.8.2013, 2 K 279/12, rechtskräftig.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 K 279/12
Gerichtsbescheid des Einzelrichters vom 01.08.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: EStG i. d. F. vom 08.10.2009 § 26, EStG i. d. F. vom 08.10.2009 § 26a, AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Leitsatz: Das Veranlagungswahlrecht von Ehegatten kann nicht abweichend ausgeübt werden (hier Antrag auf Zusammenveranlagung nach getrennter Veranlagung eines Ehegatten), wenn für einen Ehegatten die Steuer bereits bestandskräftig im Wege der Einzelveranlagung festgesetzt worden ist.
Überschrift: Einkommensteuergesetz, Veranlagung: Kein Wechsel der Veranlagungsart bei bestandskräftiger Einzelveranlagung eines Ehegatten
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr 2010 mit ihrem Ehemann zusammen zu veranlagen ist.
Die Klägerin ist seit 2009 verheiratet. Am 21. Mai 2012 reichte sie ihre Einkommensteuererklärung für 2010 ein und beantragte die getrennte Veranlagung. Mit Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 4. Juni 2012 setzte der Beklagte die Einkommensteuer mit 0 Euro fest. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 6. Juni 2012, mit dem die Klägerin zugleich die Zusammenveranlagung beantragte. Mit Entscheidung vom 21. Juni 2012 verwarf der Beklagte den Einspruch mangels Beschwer als unzulässig, weil die Steuer mit 0 Euro festgesetzt worden sei. Den Antrag auf Zusammenveranlagung lehnte er ebenfalls am 21. Juni 2012 ab, weil die Einzelveranlagung des Ehemannes bereits bestandskräftig geworden sei.
Mit dem Einspruch vom 2. Juli 2012 machte die Klägerin geltend, dass der Beklagten aufgrund der Eintragung in der Lohnsteuerkarte des Ehemannes Kenntnis davon hätte erlangen können, dass eine Ehe bestanden habe und deshalb eine Einzelveranlagung nicht in Betracht gekommen sei. Den Einspruch wies der Beklagte am 12. September 2012 zurück. Der Ehemann habe in seiner am 10. Juni 2011 eingereichten Einkommensteuererklärung keinerlei Angaben zu seiner 2009 geschlossenen Ehe gemacht und sei folglich erklärungsgemäß einzelveranlagt worden. Der hiergegen erst am 5. Januar 2012 eingelegte Einspruch sei als unzulässig verworfen worden. Angesichts der bestandskräftigen Einzelveranlagung des Ehemannes sei nunmehr eine Zusammenveranlagung ausgeschlossen.
Am 15. Oktober 2012 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Ziel der Zusammenveranlagung. Die Voraussetzungen des § 26 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG a. F.) seien erfüllt. Eine Einzelveranlagung für Ehegatten sei nicht vorgesehen gewesen. Das Bestehen der Ehe habe sich aus der in der Lohnsteuerkarte des Ehemannes eingetragenen Lohnsteuerklasse III ergeben. Wegen der fehlerhaften Einzelveranlagung des Ehemannes müsse der Bescheid in einen solchen mit getrennter Veranlagung umgedeutet werden. Weil die Einkommensteuererklärung des Ehemannes nicht unterschrieben gewesen sei, habe der Beklagte nachgefragt
und hierbei auch nach der Unterschrift der Ehefrau gefragt; auch deswegen habe eine Zusammenveranlagung erfolgen müssen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 21. Juni 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 12. September 2012 den Beklagten zu verpflichten, die Zusammenveranlagung der Klägerin mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer 2010 durchzuführen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bezieht sich zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung.
Die die Klägerin betreffende Einkommensteuerakte nebst Rechtsbehelfsakte zur Steuernummer …/…/… hat vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet gem. §§ 90a Abs. 1, 79a Abs. 3 und 4 FGO durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.
1.) Der zulässigen Klage bleibt der Erfolg versagt. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, im Streitjahr eine Zusammenveranlagung durchzuführen.
a) Gem. § 26 Abs. 1 EStG a. F. können Ehegatten, die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben und bei denen diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraumes vorgelegen haben, zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung wählen. Ehegatten werden getrennt veranlagt, wenn einer der Ehegatten die getrennte Veranlagung wählt (Absatz 2). Werden die nach Absatz 2 erforderlichen Erklärungen nicht abgegeben, wird unterstellt, dass die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) können sie dieses Wahlrecht bis zur Unanfechtbarkeit eines Berichtigungs- oder Änderungsbescheids ausüben und die einmal getroffene Wahl innerhalb dieser Frist frei widerrufen (BFH vom 24. Januar 2002 III R 49/00, BStBl II 2002, 408; vom 3. März 2005 III R 22/02, BStBl II 2005, 690; jetzt § 26a Abs. 2 Nr. 2 EStG in der an Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Fassung). Dies gilt grds. unabhängig davon, inwieweit die Bestandskraft durchbrochen wird (vgl. BFH vom 19.05.1999 XI R 97/94, BStBl II 1999, 762 zur Änderung eines bestandskräftigen Bescheids nach § 10d Abs. 1 EStG).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die getrennte Veranlagung auch dann noch beantragt werden kann, wenn ein gegenüber dem einen Ehegatten ergangener Zusammenveranlagungsbescheid bereits bestandskräftig geworden ist. § 26 Abs. 1 EStG a. F. kann bei der Besteuerung der Ehegatten nur einheitlich angewendet werden. Die Änderung der Veranlagungsart bei einem Ehegatten hat daher eine Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber dem anderen Ehegatten selbst dann zur Folge, wenn dessen Einkommensteuerfestsetzung bereits bestandskräftig ist (BFH vom 20. Mai 1992 III B 110/91, BStBl II 1992, 916; vom 3. März 2005 III R 22/02,
BStBl II 2005, 690). Verfahrensrechtliche Grundlage für die Änderung der Veranlagung des anderen Ehegatten ist § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO). Ein rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegt vor, wenn sich nach Ergehen eines Steuerbescheids der rechtserhebliche Sachverhalt in der Weise ändert, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (BFH-Beschluss vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897). Der zulässige Antrag eines Ehegatten, statt der bisherigen Zusammenveranlagung eine getrennte Veranlagung durchzuführen, wird als rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beurteilt (vgl. z. B. BFH vom 3. März 2005 III R 22/02, BStBl II 2005, 690). Die Ausübung des Veranlagungswahlrechts hängt nicht von einer Frist ab. Jeder Ehegatte kann selbst über die Veranlagungsart bestimmen (so u. a. BFH vom 6. Februar 1998 III ER -S- 4/97, BFH/NV 1999, 160), aber die Veranlagungsart kann für beide nur einheitlich angewendet werden. Wegen des Erfordernisses einer einheitlichen Veranlagung wirkt sich die Wahl einer bestimmten Veranlagungsart oder deren Änderung durch einen Ehegatten materiell-rechtlich auch auf die Einkommensteuerschuld des anderen Ehegatten aus, und zwar rückwirkend auf die Entstehung der Steuer nach § 36 Abs. 1 EStG. Bei der Wahl der Veranlagungsart handelt es sich nicht nur um einen aus verfahrensrechtlichen Gründen erforderlichen Antrag mit Wirkung für die Zukunft, sondern um ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands, das auf den Veranlagungszeitraum zurückwirkt. Wird die Wahl der Veranlagungsart nachträglich abweichend ausgeübt, wirkt sie rechtsgestaltend auf die Steuerschuld ein, da die Veranlagungsart unmittelbar die Höhe der Steuer beeinflusst (vgl. dazu z. B. BFH vom 12. Juli 1989 X R 8/84, BStBl II 1989, 957; vom 3. März 2005 III R 22/02, BStBl II 2005, 690).
b) Diese Erwägungen lassen sich nicht auf den Streitfall übertragen. Es liegt kein Fall des Wechsels von der getrennten Veranlagung zur Zusammenveranlagung vor. Im Streitfall hatte die Klägerin zwar mit ihrer im Mai 2012 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr die getrennte Veranlagung gewählt, die erklärungsgemäß erfolgt ist. Zusammen mit der Einspruchseinlegung hat sie am 4. Juni 2012 in verfahrensrechtlich zulässiger Weise sodann die Zusammenveranlagung beantragt. Die Veranlagung des Ehemannes war aber bereits als Einzelveranlagung durchgeführt und bestandskräftig geworden. Durch den Antrag auf Zusammenveranlagung konnte damit nicht mehr ein Wechsel der Veranlagungsart im Rahmen einer Zusammenveranlagung von Ehegatten nach Maßgabe der §§ 26 EStG a. F. ff. erfolgen, weil nicht beide Ehegatten zuvor getrennt i. S. von § 26a EStG a. F. veranlagt worden waren. Nur in diesem Rahmen kann die Änderung der Wahlrechtsausübung als rückwirkendes Ereignis i. S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO angesehen werden. Für die bestandskräftige Einzelveranlagung ist die geänderte Ausübung des Veranlagungswahlrechts kein Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Die Wahl der Veranlagungsart ist ein Merkmal des gesetzlichen Tatbestands bei der Ehegattenveranlagung, sie ist aber kein Merkmal der Einzelveranlagung (so auch Hessisches Finanzgericht vom 24. März 1981 I 153/75, EFG 1982, 33).
Zutreffend weist die Klägerin zwar darauf hin, dass bei bestehender Ehe keine Einzelveranlagung, sondern nach der im Streitjahr geltenden Regelungslage bei bestehender Ehe nur eine getrennte Veranlagung oder Zusammenveranlagung in Betracht kam. Der Einzelveranlagungsbescheid des Ehemannes ist danach rechtswidrig, er ist aber formell bestandskräftig und entfaltet insoweit Bindungswirkung. Anders verhielte es sich nur, wenn er nichtig i. S. von § 125 Abs.1
AO wäre. Dass der Bescheid an einem besonders schwerwiegenden und zudem offenkundigen Fehler leidet, kann indes nicht festgestellt werden. Der Beklagte hat zwar die Angaben in der Lohnsteuerkarte nicht zutreffend gewürdigt, dies macht den Bescheid aber nicht offensichtlich fehlerhaft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Ehemann der Klägerin ersichtlich die erforderlichen Angaben zu seinem Familienstand in der Einkommensteuererklärung unterlassen hatte.
Entgegen der Annahme der Klägerin kann die Einzelveranlagung des Ehemannes auch nicht wie eine getrennte Veranlagung gem. § 26a EStG a. F. behandelt werden oder in eine solche umgedeutet werden. Die Einzelveranlagung und die getrennte Veranlagung im Rahmen der Ehegattenveranlagung sind einander zwar angenähert, gleichwohl handelt es sich um unterschiedliche Veranlagungsformen, die, wie sich etwa aus § 26a Abs. 2 und Abs. 3 EStG a. F. ergibt, rechtliche Unterschiede aufweisen.
2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Einkommensteuer: Nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehen kann ein Steuer-pflichtiger, der ursprünglich unter falschem Namen in der Bundesrepublik Deutschland ein-gereist und ausländerrechtlich nur geduldet war, die Aufwendungen, mit denen er zu vermeiden suchte, dass seine falsche Identität vor seiner Eheschließung, die seinen Aufenthalt in Deutschland legalisierte, aufgedeckt und er abgeschoben wird, Urteil des 5. Senats vom 11.10.2013, 5 K 140/11, NZB eingelegt, Az. des BFH VI B 143/13.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 5 K 140/11
Urteil des Einzelrichters vom 11.10.2013
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: VI B 143/13
Normen: EStG § 33
Leitsatz: Der Wunsch eines mit falschem Namen eingereisten, in der Bundesrepublik Deutschland geduldeten Ausländers, nicht nach Aufdeckung der falschen Identität vor der Eheschließung abgeschoben zu werden, vermag nicht losgelöst von den Umständen der ursprünglichen Einreise die steuerliche Abzugsfähigkeit späterer im Zusammenhang mit der Legalisierung aufgewandter Kosten zu begründen.
Überschrift: Einkommensteuer: Zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Anerkennung von Flugkosten für die Kinder der Ehefrau des Klägers als außergewöhnliche Belastung.
Der Kläger ist seit dem … 2007 mit Frau A, geborene …, (Frau A) verheiratet. Frau A ist ivorische Staatsbürgerin. Bis zu ihrer unter falschem Namen (B) und mit falscher Herkunftsangabe (Togo) erfolgten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1995 lebte Frau A in C in der Elfenbeinküste, wo ihre afrikanische Familie weiterhin lebte und lebt. In der Bundesrepublik Deutschland war Frau A ausländerrechtlich geduldet und gebar 4 Kinder, D am … 1998, E (E) am … 2001 sowie die Zwillinge F und G am … 2002. Der Sohn lebt spätestens seit August 2004 bei seinem Vater in Frankreich. Alle drei Töchter leben seit ihrer Geburt bei der seinerzeit nicht verheirateten Mutter, die wiederum seit der Schwangerschaft mit den Zwillingen von dem gemeinsamen Vater der Töchter, H aus Guinea, getrennt lebte. Die Zwillinge trugen seinerzeit den (falschen) Nachnamen der Mutter, die Tochter E den Nachnamen des Vaters.
Den Kläger lernte Frau A im Jahr 2004 in Deutschland kennen. Im Jahr 2007 reisten beide nach C, um dort am … 2007 die Ehe zu schließen. Die 3 Mädchen waren mit nach C geflogen. Frau A verfügte seinerzeit über keinerlei Dokumente mehr, die über ihre wahre Identität Auskunft gaben. Da sie ihre Existenz mit der Eheschließung auf eine sichere Grundlage stellen wollte, bemühte sie sich in der Elfenbeinküste um die Beschaffung der zutreffenden Geburtsurkunde. Wegen der seinerzeitigen Unruhen in der Elfenbeinküste gelang es ihr nur, eine von 2 Zeugen bestätigte Ersatzurkunde zu beschaffen. Der Kläger reiste alsbald nach der Eheschließung nach Deutschland zurück. Seine Ehefrau folgte nach notwendiger Erteilung eines Visums (vgl. Anlage K6) im Oktober 2007 und erhielt am … 2007 die Aufenthaltserlaubnis (Passkopie Einkommensteuermappe – EStM – 2007 Bl. 19). Die Kinder blieben bis zum Abschluss beantragter Namensberichtigungen und Berichtigung der Geburtsurkunden (berichtigte Geburtseinträge der Bundesrepublik Deutschland vom … 2008 für die 3 Mädchen und den Sohn vgl. EStM 2007 Bl. 21-24) bei der Familie in der Elfenbeinküste. Für die Tochter E war nunmehr zwar die Mutter mit ihrem zutreffenden Namen angegeben, allerdings (anders als in den Geburtseinträgen der Elfenbeinküste vom … 2008, vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom
19.06.2013) – weiterhin – als Nachname der Name ihres leiblichen Vaters eingetragen. Das Amtsgericht Hamburg hatte mit Beschluss vom … 2008 (Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 19.06.2013) der Tochter E nicht den Geburtsnamen der Mutter als Familiennamen zuerkannt. Nach Erhalt des Einreisevisums auch für die 3 Mädchen (vgl. zum Verfahren Schreiben der Behörde für Inneres vom 16.02.2009, Anlage K 7, nunmehr auch die Tochter E mit dem Nachnamen der Mutter bezeichnend) reisten auch diese wieder in die Bundesrepublik Deutschland ein. Zur Vorbereitung der Ausreise ihrer Kinder flog Frau A im Oktober 2008 in die Elfenbeinküste und ebenso wie ihre 3 Töchter im März 2009 nach Deutschland zurück (Reiseanmeldung für die 3 Kinder für 06.03. – 22.03.2009 für einen Flug von C nach J, Rechtsbehelfsakte- RbA – Bl. 33, Ticket für Frau A vom 27.10.2008 für Hinflug J- C 08.12. und Rückflug 06./07.03. EStM 2008 Bl. 28).
Der Kläger wird wenigstens seit 2007 mit seiner Ehefrau zusammenveranlagt.
Mit der Einkommensteuererklärung für 2007 machte der Kläger als außergewöhnliche Belastungen neben einzelnen nicht streitigen Aufwendungen für die Eheschließung Aufwendungen für die Familienzusammenführung geltend (EStM 2007 Bl. 30), u. a. Kosten für einen Flug seiner Ehefrau von C nach J in Höhe von 884 € (zzgl. Ticketservicegebühr). Das zum Beleg eingereichte Ticket vom 04.10.2007 (EStM 2007 Bl. 68) umfasste einen Hinflug von C nach J im Oktober und einen Rückflug von J nach C im Januar. Die Kosten wurden anerkannt. Kosten für den Flug von J nach C zur Eheschließung im April 2007 wurden nicht geltend gemacht.
Mit der Einkommensteuererklärung für 2008 machte der Kläger wiederum Aufwendungen für Familienzusammenführung als außergewöhnliche Belastungen geltend (EStM 2008 Bl. 4), und zwar zum einen Kosten für einen Besuch der Ehefrau bei den Kindern in C im Juli/August 2008 (Ticket vom 25.02.2008 für einen Hinflug nach C im Juli und einen Rückflug nach J im August, EStM 2008 Bl. 24) und zum anderen Kosten für einen weiteren Besuch seitens der Ehefrau in C zwecks Vorbereitung der Ausreise der Kinder (Ticket vom 27.10.2008 EStM 2008 Bl. 28) betreffend einen Hinflug nach C am 08.12. und einen Rückflug nach J am 06./07.3. (2009). Der Beklagte erkannte die Kosten für die Besuchsreise im Sommer 2008 nicht an.
Mit der Einkommensteuererklärung für 2009 machte der Kläger neben Gebühren für die Regelung ausländerrechtlicher Angelegenheiten (Verpflichtungserkärung in Höhe von 37,50 € und Aufenthaltserlaubnis für die 3 Mädchen in Höhe von 90 €) Kosten für die Rückreise der 3 Kinder von C nach J in Höhe von 2.607,84 € gem. Reiseanmeldung vom 09.02.2009 für einen Flug von C nach J in der Zeit vom 06.03. bis zum 22.03.2009 (RbA Bl. 33), insgesamt (gerundet) 2.736 €, als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Der Beklagte erkannte in dem Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 09.02.2011 die genannten Kosten in Höhe von insgesamt 2.736 € mit der Begründung nicht als abzugsfähig an, dass es sich um nicht zwangsläufige Kosten der allgemeinen Lebensführung handele.
Den hiergegen am 14.02.2011 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 05.05.2011 unter Hinweis auf die Entscheidung des BFH vom 19.05.1995 als unbegründet zurück.
Hierauf hat der Kläger am 03.06.2011 Klage erhoben.
Der Kläger trägt vor:
Es würden keine Kosten der Eheschließung geltend gemacht, sondern allein Kosten der Familienzusammenführung, die durch die notwendige kurzfristige Buchung von Reisetickets für die Rückreise der Kinder von C nach J nach erfolgter Berichtigung der Geburtsurkunden und Erstellung der Einreisvisa entstanden seien. Er, der Kläger, habe nach dem ursprünglichen Grund und Anlass für die Einreise seiner späteren Ehefrau unter falschem Namen nie gefragt. Ziel des Klägers und seiner späteren Ehefrau sei es jedenfalls gewesen, im Zusammenhang mit der Eheschließung die Legalisierung des Status von Frau A und deren Kinder herbeizuführen. Eine Eheschließung in Deutschland sei wegen des bloßen Duldungsstatus der Ehefrau und wegen deren falschen Namens nicht möglich gewesen. Jedenfalls habe er, der Kläger, dies befürchtet. Auch habe Frau A ihre Familie in der Elfenbeinküste wiedersehen und er, der Kläger, die Chance nutzen wollen, die Familie kennenzulernen. Die Mitnahme der 3 Kinder nach C sei für die Berichtigung der Geburtsurkunden der Kinder erforderlich gewesen. Es sei nachzuweisen gewesen, dass Frau A die Mutter der Kinder ist. Selbst wenn eine Namensberichtigung für die Kinder grundsätzlich auch von Deutschland aus möglich gewesen wäre, ohne dass die Kinder vor Ort in der Elfenbeinküste gewesen wären, so sei doch zu beachten, dass die für die Tochter E relevante Frage, ob Frau A als ihre Mutter den Familiennamen vorgeben könne, nach ivorischem Recht zu entscheiden gewesen sei, weil E mit dem Namen ihres Vaters in der Geburtsurkunde verzeichnet gewesen sei. Zudem hätten die Kinder bei der Familienfeier aus Anlass der Eheschließung dabei sein sollen. Sie hätten darüber hinaus angesichts ihres Alters nicht allein in Deutschland bleiben können. Infolge traumatischer Erlebnisse während der Schwangerschaft von Frau A mit den Zwillingen sei nicht vorstellbar gewesen, dass die Kinder ohne ihre seinerzeit alleinige Bezugsperson von ihrer Mutter sein könnten. Frau A und er, der Kläger, hätten es von vornherein für möglich gehalten, dass infolge der falschen Identität von Frau A für deren Rückreise nach der Eheschließung eine Sperrfrist erteilt würde. Mögen auch ausländerrechtliche Schwierigkeiten bei der Rückreise der Kinder vorhersehbar gewesen sei, so sei für ihn, den Kläger indes nicht absehbar gewesen, dass die Kinder nicht gleichzeitig mit ihrer Mutter würden ausreisen können, dass die Namensberichtigung für die Kinder so lange Zeit in Anspruch nehmen würde. Er habe sich erst nach der Eheschließung und seiner Rückkehr nach J beim Standesamt J über die Vorgehensweise für die Namensberichtigung der Kinder beraten lassen. Reisekosten für die Ehefrau seien im Jahr 2009 nicht angefallen, da sie schon bei der Buchung ihrer Reise von J nach C im Jahr 2008 auch die Rückreise mitgebucht, das Ticket mithin schon 2008 erworben habe. Die Kosten für die Rückreise der Kinder im Jahr 2009 seien nur deshalb angefallen, weil die im Jahr 2007 mit Rückreisemöglichkeit ausgestellten Reisetickets wegen der Länge des zwischenzeitlich abgelaufenen Zeitraums nicht mehr gegolten hätten. Hätten die Kinder gleichzeitig mit ihrer Mutter noch im Jahr 2007 nach Deutschland zurückreisen können, hätten die ursprünglichen Tickets noch Gültigkeit gehabt und hätte sich der Aufwand für den Erwerb neuer Tickets im Jahr 2009 erübrigt. Damit sei die Kostenentstehung zwangsläufig gewesen. Die Verpflichtungserklärung, hinsichtlich derer Kosten geltend gemacht worden seien, beinhalte die Verpflichtung, für die nachreisenden Kinder aufzukommen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 2009 über Einkommensteuer vom 09.02.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.05.2011 dahingehend zu ändern, dass die Kosten für Familienzusammenführung in Höhe von insgesamt 2.736 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor:
Die Kosten der Familienzusammenführung seien ebenso wenig wie die Kosten der Eheschließung zwangsläufig. Weder sei es notwendig gewesen, die Eheschließung in der Elfenbeinküste vorzunehmen, noch eine Änderung der Geburtsurkunden der Kinder im Heimatland der Mutter selbst zu bewirken. Der ausländerrechtliche Status der Kinder müsse dem Kläger bekannt gewesen sein. Zudem sei der Grund für die erforderliche Änderung der Urkunden und der Einreise selbst durch die unzutreffenden Angaben bei der Einreise der Ehefrau verschuldet worden.
Dem Gericht haben 1 Band Rechtsbehelfsakten einschließlich der Unterlagen für die Einkommensteuer 2009 sowie 2 Mappen mit Unterlagen für die Einkommensteuer 2007 und 2008 vorgelegen.
Auf die Niederschrift des Erörterungstermins vom 17.05.2013 wird verwiesen.
Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren u. a. ein an das Amtsgericht Hamburg im Zusammenhang mit einem Verfahren betr. die Namensberichtigung der Tochter E gerichtetes Schreiben von Frau A vom 20.05.2012 (Anlage zum Schriftsatz vom 19.06.2013) sowie die Übersetzung eines von Frau A im Jahr 2007 mit Hilfe Dritter verfassten und übersetzten Lebenslaufs (Anlage zum Schriftsatz vom 25.07.2013) eingereicht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Vorsitzende als Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die Vorsitzende entscheidet gem. §§ 79a Abs. 3 und 4 i. V. m. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit Einverständnis der Beteiligten als Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung.
I.
Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt.
1. Dabei ist es angesichts der Zusammenveranlagung für den Abzug als außergewöhnliche Belastung unbeachtlich, ob der Kläger – wovon aufgrund der
Einkommensverhältnisse auszugehen ist – oder seine Ehefrau die in Rede stehenden Kosten wirtschaftlich getragen hat. Denn gem. § 26b EStG werden die Eheleute insoweit gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (BFH Urteil vom 02.09.2010 VI R 11/09 Tz 23, BStBl II 2011, 119).
2. Gem. § 33 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (BFH Urteil vom 05.10.2011 VI R 20711, BFH/NV 2011, 38). Familienbedingte Aufwendungen sind bis 1995 durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs (Freibeträge und Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz) und ab 1996 durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs (Freibeträge oder Kindergeld) abgegolten (BFH Beschluss vom 15.05.2012 VI B 111/11, BFH/NV 2012, 1434). Außergewöhnlich sind Aufwendungen, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (BFH Beschluss vom 15.05.2012 VI B 111/11, BFH/NV 2012, 1434). Nach diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung im Zusammenhang mit der Eheschließung entstandene Kosten zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt und dies ausdrücklich auch auf Reisekosten erstreckt, die aus Anlass der Eheschließung im Ausland mit einem dort lebenden Partner entstanden sind, selbst wenn die Eheschließung im Ausland primär zu dem Zweck erfolgt sein sollte, dem Partner die Ausreise aus dem Ausland zu ermöglichen (BFH Urteil vom 15.04.1992 III R 11/91, BStBl II 1992, 821) oder dem Einreisenden erleichterten Zugang zu einer Aufenthaltsgenehmigung in dem Heimatstaat des Partners zu verschaffen (FG Berlin Urteil vom 15.08.2012 7 K 7030/11, EFG 2012, 2287). Auch Kosten der Einbürgerung sind zutreffend als Lebensführungskosten gewertet worden (BFH Urteil vom 18.05.1984 VI R 130/80, BStBl II 1984, 588; Niedersächsisches FG Urteil vom 13.09.1990 VI 232/90, n. v. juris), da sie Ausdruck privater Motivation und freiwilliger Entscheidung sind. Entsprechendes gilt für Kosten einer nachträglichen Legalisierung einer nicht genehmigten Auswanderung, durch die die Möglichkeit des Besuchs der im Heimatland verbliebenen Angehörigen erreicht werden soll (BFH Urteil vom 08.11.1977 VI R 42/75, BStBl II 1978, 147). Etwas anderes gilt für Aufwendungen zur Flucht aus einem autoritären Regime, wenn Gefahr für Leib oder Leben bestand oder politische Verfolgung drohte; im letztgenannten Fall gilt dies jedenfalls dann, wenn es sich nicht um die nachträgliche Legalisierung handelt, sondern um die Ermöglichung der ersten Ausreise bzw. Flucht (vgl. FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 13.07.1994 5 K 2881/93, EFG 1994, 930; FG Baden-Württemberg Urteil vom 30.10.1991 2 K 141/86, EFG 1992, 271).
Offen gelassen hat die Rechtsprechung bislang (BFH Urteil vom 15.04.1992 III R 11/91, a. a. O.; vgl. a. FG Berlin Urteil vom 15.08.2012 a. a. O.), ob bei völlig aus dem Rahmen fallenden, unvermeidbaren Kosten im Einzelfall Reisekosten anlässlich einer Eheschließung als außergewöhnlich angesehen werden könnten, und dies jedenfalls für Kosten von 1.100 DM im Jahr 1986 bzw. 2.800 € im Jahr 2009 verneint.
Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kommt es maßgeblich darauf an, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zur Begleichung der Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war (BFH Urteil vom 19.05.1995 III R 12/92, BStBl II 1995, 774 Tz. 16 f. juris). Unbeachtlich ist es, ob sich der Steuerpflichtige subjektiv verpflichtet fühlte. Maßgebend ist vielmehr die Verkehrsanschauung. Als eine Zwangsläufigkeit begründende rechtliche Gründe i. S. von § 33 Abs. 2 EStG kommen grundsätzlich nur solche rechtlichen Verpflichtungen in Betracht, die der Steuerpflichtige nicht selbst gesetzt hat (im Fall des BFH Urteils vom 19.05.1995 abgelehnt bei Schäden durch vergebliche Aufwendungen infolge Vertragsschluss, trotz betrügerischen Verhaltens der anderen Vertragspartei). Dabei ist angesichts typischerweise langer Ursachenketten auf die wesentliche Ursache abzustellen, was naturgemäß eine wertende Betrachtung erfordert (Loschelder in: Schmidt EStG 32. Aufl. § 33 Rn. 17; vgl. a. Arndt in: Kirchhof/Söhn EStG § 33 Lfg. Jan 2001 § 33 C 14 ff.; krit. Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 33 Lfg. Nov. 2012 Rn. 180 ff., gegen ein Abstellen auf die den Aufwendungen zugrunde liegenden Ursachen; zu wertenden Betrachtungen vgl. die Argumentation der Rspr. zu der Frage der Abzugsfähigkeit von Zivilprozesskosten bzw. Strafverteidigerkosten: BFH Urteil vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015 zu der früheren und inzwischen geänderten Rechtsprechung betreffend Zivilprozesskosten: abgestellt wurde zunächst auf die freie Entscheidung zur Anstrengung eines Prozesses, nach der mit Blick auf das Gewaltmonopol des Staates geänderten Rechtsprechung Hinweis auf die Unbeachtlichkeit der Frage nach der Unausweichlichkeit des der streitigen Zahlungsverpflichtung zugrunde liegenden Ereignisses; vgl. demgegenüber BFH Urteil vom 16.04.2013 IX R 5/12, StE 2013, 562 zu Strafverteidigungskosten: keine außergewöhnliche Belastungen wegen fehlender Unausweichlichkeit der zugrunde liegenden Straftat). Der Abzugsfähigkeit steht es jedenfalls entgegen, wenn der Steuerpflichtige die Aufwendungen hätte vermeiden können (vgl. BFH Urteil vom 26.06.2003 III R 36/01, BStBl II 2004, 47 zum Unterlassen einer Versicherung gegen Vermögensschäden). Insgesamt ist es nicht Zweck des Abzugs außergewöhnlicher Belastungen, dem Steuerpflichtigen die Kostenlast zu erleichtern, wenn sich das im eigenen Interesse bewusst in Kauf genommene Risiko zu seinem Nachteil realisiert hat (vgl. BFH Urteile vom 12.05.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015, und vom 16.04.2013 IX R 5/12, StE 2013, 562 ).
3. Auf der Grundlage dieser Rechtsgrundsätze, denen das Gericht folgt, können die geltend gemachten Flugkosten nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.
Die Entstehung der Kosten beruht auf unterschiedlichen Ursachen.
Der seinerzeitige Wunsch des Klägers und seiner späteren Ehefrau, gemeinsam mit den Kindern die Eheschließung zu feiern, ist ebenso wie das Interesse des Brautpaares, die Ehe in C zu schließen, um die Familie der Braut wiederzusehen bzw. kennenzulernen, der privaten Lebensführung zuzuordnen und als Ursache für die Rückreiseaufwendungen für die Kinder steuerlich unbeachtlich. Entsprechendes
gilt für den nachvollziehbaren Wunsch, die Kinder während der Zeit der Abwesenheit der Mutter nicht allein in Deutschland zurückzulassen.
Dass die Reise der Kinder nach C wegen der beabsichtigten Berichtigung der Geburtsurkunden vorgenommen wurde oder erforderlich war, ist nicht ersichtlich, weshalb schon deshalb hierauf die Abzugsfähigkeit der Rückreiseaufwendungen nicht gestützt werden kann. Zum einen hat der Kläger selbst vorgetragen, sich erst nach der Rückkehr nach Deutschland nach der Eheschließung um die Verfahrensfragen zur Berichtigung der Geburtsurkunden gekümmert zu haben. Letzteres deckt sich mit dem Inhalt des Schreibens von Frau A an das Amtsgericht Hamburg vom 20.05.2012 (dort S. 2). Zum anderen ist ausweislich des vorgelegten Geburtseintrags des Sohnes vom … 2008 (EStH 2007 Bl. 21) die Änderung dessen Geburtsurkunde hinsichtlich des Namens der Mutter auch ohne dessen Anwesenheit im Heimatstaat der Mutter erreicht worden. In Bezug auf die beabsichtigte Änderung des Nachnamens der Tochter E gilt im Ergebnis nichts anderes. Auch insoweit sind nach dem Inhalt des Schreibens von Frau A an das Amtsgericht Hamburg vom 20.05.2011 die maßgeblichen Schritte von dem Kläger von Deutschland aus nach seiner Rückkehr aus C unternommen worden. Dass sich insbesondere für das Kind E das Namensrecht nach ivorischem Recht richtete, hat für die Frage der Notwendigkeit der Anwesenheit des Kindes in der Elfenbeinküste keine Bedeutung.
Soweit die Eheschließung auch deshalb in C vorgenommen wurde, um die Eheschließung unter der wahren Identität der Frau A zu ermöglichen und gleichzeitig der mit Aufdeckung des falschen Namens möglicherweise bestehenden Gefahr vorheriger Abschiebung zu entgehen, trägt auch dies im Ergebnis selbst unter Berücksichtigung des nachvollziehbaren Interesses an der Mitnahme der Kinder nicht die Abzugsfähigkeit der Rückreisekosten für die Kinder als außergewöhnliche Belastungen. Denn hierfür ist es als erheblich anzusehen, dass Frau A die Ursache durch ihre seinerzeitige Einreise unter falschem Namen selbst gesetzt hat, ohne dass ein zwingender Grund hierfür vorgetragen oder ersichtlich ist. Insbesondere ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass die erste Einreise von Frau A überhaupt bzw. mit falschem Namen aufgrund vorhandener Gefahr für Leib oder Leben, politischer Verfolgung oder anderer existentieller Probleme erfolgte. Entsprechendes hat der Kläger nicht mitgeteilt. Es ergibt sich auch nicht aus der von dem Kläger vorgelegten, 2007 verfassten Lebenserinnerung seiner Ehefrau. Hiernach ist diese auf Veranlassung eines damaligen Bekannten, der ihr die Ehe versprochen hatte, unter falschem Namen nach Deutschland gereist. Der verständliche Wunsch, nicht nach Aufdeckung der falschen Identität vor der Eheschließung abgeschoben zu werden, vermag nicht losgelöst von den Umständen der ursprünglichen Einreise die steuerliche Abzugsfähigkeit späterer im Zusammenhang mit der Legalisierung aufgewandter Kosten zu begründen. Die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Erwerb der Rückreisetickets für die Kinder wegen der Dauer des Verfahrens um die Berichtigung der Geburtsurkunden sowie der Ausstellung der Einreisevisa und des dadurch erfolgten Verfalls etwaiger 2007 erworbener Rückreisetickets erforderlich gewesen sein sollte. Zum einen hätten bei im Streitfall zumutbarer Einholung von Erkundigungen über das Verfahren vor der Einreise der Kinder die 2007 nach Vortrag des Klägers im Ergebnis vergeblich aufgewandten Kosten für den verfallenen Rückflug vermieden werden und deren Ersparnis die 2009 aufgewandten Kosten für den Rückflug ganz oder teilweise (letzteres sofern/soweit die Flüge als Einzelflug teurer waren) decken können. Zum anderen war die Notwendigkeit des späteren Berichtigungsverfahrens, soweit es den Namen der Mutter betraf, unmittelbare Folge
der seinerzeitigen, nicht erkennbar durch drohende Gefahr für ihre Person ausgelösten Einreise der Ehefrau des Klägers unter falschem Namen und dem späteren Wunsch nach Legalisierung ihres Status. Beide maßgeblich die späteren Kosten auslösenden Umstände sind der privaten Lebensführung zuzurechnen, weshalb auch die späteren Flugkosten diesen Charakter als Lebensführungskosten teilen. Ob bzw. inwieweit auch die ggf. besonderen Probleme im Zusammenhang mit der Eintragung des Namens des Vaters als Nachname der Tochter E der Ehefrau des Klägers als selbst veranlasst zuzurechnen sind, kann unentschieden bleiben. Da der Kläger gemeinsam mit seiner späteren Ehefrau trotz der vorhandenen Unwägbarkeiten die wie dargelegt nicht zwangsläufige Reise mit der Familie nach C unternommen hat, kann es nach Ansicht des Gerichts ebenfalls nicht als zwangsläufig gewertet werden, wenn die Bewältigung der sich letztlich im Zuge des Verfahrens zur Legalisierung und Namensberichtigung konkret ergebenden Probleme eine Zeit in Anspruch nimmt, die nach den ausländerrechtlichen Bestimmungen bzw. Einreiseregelungen eine frühere Wiedereinreise nicht möglich macht und damit auch die Inanspruchnahme günstigerer Flugtickets verhindert.
Angesichts dessen bedarf es keiner Aufklärung, ob seinerzeit im Jahr 2007 tatsächlich Rückreisetickets für die Kinder erworben wurden, deren Verfall zusätzliche Kosten ausgelöst haben könnte. Hieran bestehen nach Aktenlage Zweifel. Die 2007 erworbenen Tickets für die spätere Ehefrau des Klägers wie für die Kinder sind nicht eingereicht worden, da die Kosten für den Hinflug 2007 nicht geltend gemacht wurden. Die Aktenlage, insbesondere das am 04.10.2007 erworbene Ticket der Ehefrau des Klägers für einen Flug nach J im Oktober, weist darauf hin, dass Frau A trotz ihrer Rückreise nach Deutschland noch im Jahr 2007 erst kurz vor der Rückreise ein Ticket für eine Hin-und Rückfahrt erworben hat. Dies wiederum ist ein Indiz dafür, dass auch für die Kinder im Frühjahr 2007 noch kein Rückreiseticket erworben wurde, das hätte verfallen können.
Schließlich ist auch die Höhe der für die Flüge aufgewandten Kosten nicht derart außergewöhnlich, dass allein dies die Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen rechtfertigte.
4. Für die Einordnung der kleineren Aufwendungen für ausländerrechtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Wiedereinreise der Kinder gelten die Ausführungen zu den Flugkosten entsprechend. Im Ergebnis kann indes hinsichtlich dieser Aufwendungen (90 € + 37,50 €) die Entscheidung die Einordnung als außergewöhnliche Belastungen offen bleiben, weil sie von dem Betrag erfasst sind, den die Kläger gem. § 33 Abs. 3 EStG als zumutbare Eigenbelastung zu tragen haben.
Der sich für den Kläger und seine Ehefrau ergebende Betrag zumutbarer Eigenbelastung beträgt danach 2 % des Gesamtbetrags der Einkünfte, mithin (gerundet) 1.592 €. Hiervon sind nach dem Bescheid vom 09.02.2011 nur 600 € durch anerkannte außergewöhnliche Belastungen verbraucht.
II.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 115 Abs. 2 FGO.
Einkommensteuer: Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Wer-bungskostenüberschüsse ergeben.
Von einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist allerdings nicht auszugehen, wenn es nur eine begrenzte Anzahl möglicher Mieter – vor-nehmlich die Angehörigen des Steuerpflichtigen – gibt, weil er nichtabgeschlossene Woh-nungen in dem von ihm selbst bewohnten Haus vermieten will und die wenigen in Betracht kommenden Personen nur ein zeitlich begrenztes Interesse an der Anmietung haben, Urteil des 3. Senats vom 26.9.2013, 3 K 181/11, rechtskräftig.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 3 K 181/11
Urteil des Senats vom 26.09.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, EStG § 21 Abs. 2
Leitsatz: 1. Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben.
2. Von einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit ist nicht auszugehen, wenn es nur eine begrenzte Anzahl möglicher Mieter – vornehmlich die Angehörigen des Steuerpflichtigen – gibt, weil er nicht abgeschlossene Wohnungen in dem von ihm selbst bewohnten Haus vermieten will, und die in Betracht kommenden, wenigen Personen nur ein zeitlich begrenztes Interesse an der Anmietung haben.
Überschrift: Einkommensteuer: Keine Einkünfteerzielungsabsicht bei kurzfristiger Vermietung nicht abgeschlossener Wohnungen im selbstgenutzten Haus an Angehörige
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Verlusten aus der Vermietung zweier nicht abgeschlossener Wohnungen an Angehörige streitig.
I.
1. Die Kläger waren in den Streitjahren 2005 bis 2008 verheiratet und wurden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben zwei gemeinsame Söhne, die … und … geboren wurden.
2. Der Kläger erwarb mit Vertrag vom … 2001 (Hefter „Grundstücke“, Abschnitt X-Weg 1a) ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes, 525 qm großes Grundstück im X-Weg 1a zum Preis von … DM. Das auf dem Grundstück befindliche Gebäude wurde … errichtet als Ensemble mit den daneben befindlichen Gebäuden X-Weg 1 und 1b und am … 2000 durch das Denkmalschutzamt der Kulturbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg in die Denkmalliste eingetragen. Das Gebäude besteht aus insgesamt vier Geschossen.
3. In der Folgezeit nahm der Kläger eine Entkernung und umfangreiche Sanierung des Gebäudes vor, die im Oktober 2002 abgeschlossen war, und zog mit seiner Familie dort ein. Nach den unstreitigen Angaben der Kläger belaufen sich die Wohnflächen der einzelnen Geschosse nach der Sanierung auf 76 qm (Souterrain), 141 qm (Hochparterre), 104 qm (1. OG) und 109 qm (2. OG). Das 1. und 2. OG sind zur Treppe hin nicht abgeschlossen, d. h. die Zimmertüren führen jeweils direkt, ohne Wohnungsflur und ohne abschließbare Wohnungstür, auf das Treppenhaus. Einen separaten Hauseingang für die Obergeschosse gibt es nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Grundrisszeichnungen aller Geschosse Bezug genommen (Rechtsbehelfsakten -RbA- Bd. I Bl. 80 ff.).
4. a) Am 21.05.2004 beantragte der Kläger die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Nutzung des vorderen Kellerraumes als Pkw-Stellplatz (Kellergarage; Bauakte Bd. 17). Der Vorbescheid wurde am 14.07.2004 erteilt (Bauakte Bd. 17). Am 05.10.2004 beantragte der Kläger daraufhin die Erteilung einer Baugenehmigung für die Kellergarage, die am 21.12.2004 erging (Bauakte Band 18). Mit Schreiben vom 21.09.2005 teilte der Kläger mit, dass mit dem Umbau am 04.10.2005 begonnen werden solle. Laut Fertigstellungsmitteilung des Klägers vom 15.05.2007 wurde der Garagenumbau am selben Tag fertiggestellt (Bauakte Bd. 18).
b) Im Jahr 2005 wurden in drei Kellerräumen das Mauerwerk und der Boden trocken gelegt (Antrag des Klägers auf Erteilung einer Steuerbescheinigung des Denkmalschutzamtes vom … 2006, Denkmalakte). Im Jahr 2007 fanden eine weitere Mauerwerkstrockenlegung der vorderen Kellerräume und eine Fundamentsanierung statt (Antrag des Klägers auf Erteilung einer Steuerbescheinigung des Denkmalschutzamtes vom … 2008, Denkmalakte; Schreiben des Klägers vom 29.03.2007 mit anliegenden Fotos und Mitteilung des bevorstehenden Durchbruchs für das Garagentor nach Ostern, Bauakte Bd. 18).
5. a) Die Räume im 1. OG vermietete der Kläger ab dem 01.10.2002 an seine Mutter, Frau A (Mietvertrag vom 15.09.2002, RbA Bd. M Bl. 54 ff.). Vereinbart wurde ein Mietzins von … € monatlich zzgl. einer Nebenkostenvorauszahlung von pauschal … €.
b) Bzgl. des 2. OG schloss der Kläger ab dem 01.12.2002 einen Mietvertrag mit seinem Bruder, Herrn Dr. B (Mietvertrag vom 15.11.2002, RbA Bd. M Bl. 62 ff.) zu einem Mietzins von … € monatlich zzgl. einer Nebenkostenvorauszahlung von pauschal … €.
c) Nach dem Tod der Mutter im … 2006 nutzte Herr Dr. B das 1. OG (Mietvertrag vom 15.01.2007: … € monatlich zzgl. … € Nebenkosten pauschal). Das Mietverhältnis wurde zum 30.06.2008 beendet.
d) Das 2. OG vermietete der Kläger ab dem 15.02.2007 an seinen anderen Bruder, Herrn C (Mietvertrag vom 10.01.2007: … € monatlich zzgl. Nebenkostenpauschale … €, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband), bis Ende 2007.
e) Ab November 2008 waren zwei Räume im 1. OG nebst Küchenzeile und WC an die Klägerin zum Betrieb eines Büroservices vermietet; die Klägerin führte die Büroverwaltung für die freiberufliche Tätigkeit des Klägers durch (Gewerbemietvertrag vom 01.10.2008, RbA Bd. I Bl. 88 ff.). Der Mietzins belief sich auf … € monatlich zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von … €.
f) Die Kläger sind inzwischen geschieden. Die Klägerin und der jüngere Sohn zogen am … 2010 aus dem Haus im X-Weg 1a aus. Das 2. OG ist nach Angaben des Klägers derzeit an seinen älteren Sohn vermietet, der im Ausland studiere. Das 1. OG nutzt der Kläger nach eigenen Angaben seit dem Auszug der Klägerin selbst als Schlaf- und Arbeitsbereich.
II.
1. Für die Jahre 2001 bis 2008 erklärten die Kläger in ihren Einkommensteuererklärungen Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Dabei
behandelten sie jeweils 50 % der insgesamt angefallenen Aufwendungen als Werbungskosten. Im Einzelnen erklärten sie folgende negative Einkünfte:
Mieteinnahmen Verlust
2001 … € … DM
2002 … € … €
2003 … € … €
2004 … € … €
2005 … € … €
2006 … € … €
2007 … € … €
2008 … € … €
2. a) Der Beklagte erkannte die für die Jahre 2001 bis 2004 erklärten Verluste zum größten Teil an. Die Veranlagung für 2005 führte der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 29.01.2007 ebenfalls erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch.
b) Am 26.02.2008 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid für 2005 und den Einkommensteuerbescheid für 2006, am 06.01.2009 den Einkommensteuerbescheid für 2007 und am 13.07.2010 den Einkommensteuerbescheid für 2008. In diesen Bescheiden berücksichtigte der Beklagte die jeweils erklärten Verluste aus Vermietung und Verpachtung des Objekts X-Weg 1a nicht (mehr).
III.
1. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 11.03.2008 (für 2005 und 2006), vom 27.01.2009 (für 2007) und vom 29.07.2010 (für 2008) jeweils Einspruch ein. Für 2005 und 2006 ergingen aus hier nicht streitigen Gründen am 10.12.2008 Änderungsbescheide. Die Kläger trugen zur Begründung der Einsprüche vor, bei einer auf Dauer angelegten Vermietung sei ohne weitere Prüfung vom Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Sie hätten sich zur Selbstnutzung der Wohnungen im Souterrain und Hochparterre entschieden und von Anfang an die Vermietung der beiden Obergeschosse beabsichtigt. Die Flächengröße des Hauses von insgesamt 522 qm sei für eine vierköpfige Familie und erst recht nach einem Auszug der Kinder für nur zwei Personen viel zu groß. Die mit den Angehörigen geschlossenen Mietverträge seien zivilrechtlich wirksam und hielten einem Fremdvergleich stand. Auch nicht abgeschlossener Wohnraum könne vermietet werden. Sie, die Kläger, hätten eine Überschussprognose auf die Dauer von 30 Jahren erstellt. Dabei seien die jährlichen Mieteinnahmen von … € nur für die ersten sechs Jahre anzusetzen. Ab dem Jahr 2007 seien die Mieten wegen der dann abgeschlossenen Bauarbeiten angehoben worden. Der Kläger habe hierdurch auf die Werbungskostenüberschüsse reagiert. Modernisierungsmaßnahmen, die den Wohnraum im 1. und 2. OG zusammenfassten und durch einen eigenen Eingang vom Hochparterre abtrennten, seien aus finanziellen Gründen erst in einem zweiten Schritt zu einem späteren Zeitpunkt (2016) beabsichtigt. Danach werde sich die ortsübliche Miete nach dem Mietenspiegel richten (mit einem Spannenoberwert von … €/qm). Von einer späteren fremdüblichen Vermietung sei bereits zum Erwerbszeitpunkt auszugehen gewesen, da die Vermietung an Angehörige (betagte Eltern) aufgrund der Lebenserwartung oder veränderter Lebensumstände begrenzt und damit zeitlich absehbar gewesen sei. Die Mieteinnahmen seien mit 3 % zu indizieren. Die Schuldzinsen seien nur für die Dauer der aufgenommenen Darlehen
von zehn Jahren zu berücksichtigen; danach sei eine Tilgung geplant. Wegen der bereits durchgeführten, aufwändigen Sanierung seien weitere Reparaturen in der Folgezeit relativ unwahrscheinlich. Allerdings würden für den geplanten Umbau für die räumliche Trennung der Wohnungen nachträgliche Anschaffungskosten anfallen. Danach ergebe sich in dem 30-jährigen Prognosezeitraum ein Totalüberschuss in Höhe von … €. Die Kläger reichten folgende Unterlagen ein, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird:
– Totalüberschussprognose (RbA Bd. I Bl. 48 ff.);
– Grundrisszeichnungen aller Geschosse im Zustand nach dem Umbau und mit der Nutzung im Jahr 2009 (RbA Bd. I Bl. 80 ff.) sowie mit der Nutzung in den Streitjahren (RbA Bd. M Bl. 73 ff.);
– Bankkontoauszüge mit jeweils drei Mietzahlungseingängen von A und B (RbA Bd. M Bl. 77 ff.);
– Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vom 27.12.2007 über den Mietwert der Räume im 1. und 2. OG im Jahr 2005 (RbA Bd. M Bl. 105 ff.).
2. Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2008 mit Einspruchsentscheidung vom 23.08.2011 wegen Anerkennung eines Verlustes von … € aus der Vermietung des 1. OG an die Klägerin niedriger auf … € fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück. Folgende Beweisanzeichen und Umstände sprächen gegen das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht: Die Kläger hätten die Räume im 1. und 2. OG bis zur Nutzung für eigene Wohnzwecke bzw. für die gewerblichen Zwecke der Klägerin nur verbilligt an Angehörige vermietet. Die umlagefähigen Nebenkosten seien lediglich pauschal erhoben worden (in Höhe von … bzw. … €), wobei die tatsächlich auf diese Räume entfallenden Betriebskosten deutlich höher gewesen seien (durchschnittlich … € für das 1. OG und … € für das 2. OG). Die Vermietung an die Angehörigen sei nach dem eigenen Vortrag der Kläger wegen der Lebenserwartung und sich verändernder Lebensumstände zeitlich begrenzt gewesen. Der Bau der Garage im Keller sei nicht erst in 2007 im Prozesswege durchgesetzt, sondern bereits im Jahr 2004 genehmigt worden; dies indiziere die Absicht der Kläger, das Gebäude für eigene Wohnzwecke zu nutzen, da der für die Garage vorgesehene Raum nicht mehr für Wohnzwecke zur Verfügung gestanden habe. Ferner hätte es in Anbetracht der umfangreichen Sanierungsarbeiten und der nach dem Vortrag der Kläger bestehenden Absicht, das Haus später in drei abgeschlossene Wohnungen aufzuteilen, nahe gelegen, die Wohnungen von vornherein mit getrennten Versorgungsleitungen zu versehen, die nachträglich nur mit großem Aufwand gelegt werden könnten. Schließlich indiziere die jetzige Aufteilung, Nutzung und Gestaltung des Objekts, dass von vornherein eine Nutzung für eigene Zwecke geplant gewesen sei. Dagegen sei die Behauptung, die Schaffung abgeschlossener Wohnungen sei von Anfang an geplant gewesen, nicht durch Tatsachen belegt worden. Lediglich die Einkommensteuer für 2008 sei wegen der Vermietung der Räume im 1. OG an die Klägerin und des hieraus entstandenen Verlustes von … € niedriger festzusetzen.
IV.
Die Kläger haben am 23.09.2011 Klage erhoben. Sie tragen vor, sie hätten in den Streitjahren mit ihren Kindern das Souterrain und das Hochparterre bewohnt. Die Garage sei erst nach den Streitjahren gebaut worden. Davor habe der vordere Kellerraum bodentiefe Fenster gehabt und sei durch eine Leichtbauwand in zwei
Räume geteilt gewesen, die von den Söhnen genutzt worden seien. Die Baugenehmigung für die Herstellung der Kellergarage sei zwar am 21.12.2004 erteilt worden. Es sei jedoch unklar gewesen, ob und wann der Umbau erfolgen sollte. So sei die aufwändige Statik erst am 24.08.2005 genehmigt worden. Zudem habe die Firma D, die das Außenmauerwerk saniert habe, mit Schreiben vom 06.12.2005 mitgeteilt, dass das Außenmauerwerk bis zu 18 Monate lang austrocknen müsse, bevor mit dem Garagenbau begonnen werden könne. Tatsächlich sei mit dem Garagenumbau erst im Jahr 2007 begonnen worden. Während der in Intervallen durchgeführten Bauarbeiten habe der jüngere Sohn im Erdgeschoss in dem durch eine Falttür abtrennbaren Wintergarten gewohnt. Der ältere Sohn habe sich in dieser Zeit im Ausland aufgehalten.
Sie, die Kläger, hätten den gartenseitigen Raum im Keller, an den ein kleines Duschbad mit Toilette und Waschbecken angeschlossen sei, in den Streitjahren als Schlafzimmer genutzt. Im Erdgeschoss bzw. Hochparterre hätten sich in den Streitjahren die Küche, das Ess- und das Wohnzimmer befunden. Die Wohnungen im 1. und 2. OG seien jeweils mit einem Wohn- und Schlafbereich, einem Bad und einer Pantry-Küche ausgestattet und damit als Mietwohnungen geeignet gewesen und auch tatsächlich so genutzt worden.
Dass die Wohnungen nicht abgeschlossen seien, sei steuerrechtlich unerheblich; die Vermietung werde von § 21 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) umfasst. Die Vermietung nicht abgeschlossener Wohnungen sei, beispielsweise im Rahmen von Wohngemeinschaften, auch fremdüblich. Da die tatsächlichen Kosten für die Sanierungsmaßnahmen aufgrund des Denkmalcharakters die geplanten Kosten um rund … DM überstiegen hätten, seien die für die Schaffung von abgeschossenem Wohnraum erforderlichen zusätzlichen Kosten für den Kläger seinerzeit nicht finanzierbar gewesen. Getrennte Versorgungsleitungen für die Wohnungen seien nicht vorgeschrieben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich ohne weitere Prüfung vom Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Das gelte auch für nicht abgeschlossene Wohnungen. Lediglich indifferente Überlegungen einer möglichen Selbstnutzung stünden dem nicht entgegen. Bereits die Annahme des Beklagten, es habe jeweils nur ein zeitlich begrenzter Zweck für die Anmietung vorgelegen, begegne Zweifeln. Bei keinem der unbefristet abgeschlossenen Mietverträge habe zu Beginn des Mietverhältnisses der Zeitpunkt einer möglichen Beendigung vorausgesehen werden können. So sei bei der Anmietung durch Herrn C nicht klar gewesen, ob dessen örtliche Umorientierung nach Hamburg nicht von Dauer sein würde. Dessen ungeachtet knüpfe die Frage, ob eine Vermietung auf Dauer angelegt sei, nicht an einzelne Mietverhältnisse an, da jedes Mietverhältnis beendet werden könne. Zu berücksichtigen sei auch die Absicht bzw. Bereitschaft zu Folgevermietungen, die im Streitfall tatsächlich stattgefunden hätten.
Die Annahme des Beklagten, sie, die Kläger, wollten ausschließlich an Familienangehörige vermieten, gehe fehl. Zwar sei anzunehmen, dass wegen des Interesses des Klägers an der Wahrung seiner Privatsphäre und der Unabgeschlossenheit der Wohnungen eine Vermietung an völlig unbekannte Dritte ausscheide. Neben Familienangehörigen kämen aber alle Personen als potenzielle Mieter in Betracht, zu denen ein gesteigertes Vertrauensverhältnis bestehe. Dieser
Personenkreis sei zwar ggf. kleiner als bei der Vermietung räumlich abgeschlossenen Wohnraums, aber nicht auf Familienangehörige beschränkt.
Die Erstellung einer Überschussprognose sei daher nur im Rahmen des § 21 Abs. 2 EStG und nur für die Wohnung im 2. OG zur Erreichung eines vollständigen Werbungskostenabzuges erforderlich, weil sich die Miete dort auf weniger als 75 % der ortsüblichen Miete belaufe. Im Übrigen entfalle die Erforderlichkeit einer Überschussprognose nach der Neuregelung des § 21 Abs. 2 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 komplett, wenn die Miete 66 % der ortsüblichen Miete erreiche, wie es vorliegend der Fall sei.
Die mit den Angehörigen des Klägers geschlossenen Mietverträge seien zivilrechtlich wirksam und tatsächlich durchgeführt worden, so dass sie steuerlich anzuerkennen seien. Dies habe die Finanzverwaltung im Rahmen der Festsetzung der Zweitwohnungssteuer gegenüber den Mietern auch getan. Die pauschale Abrechnung der Betriebskosten sei zivilrechtlich möglich und, da es sich um Zweitwohnungen mit einem geringen Verbrauch der Mieter handele, sinnvoll.
Die ortsübliche Miete könne nicht mit dem im Mietenspiegel angegebenen Wert angesetzt werden, der nicht abgeschlossenen Wohnraum nicht erfasse. Daher sei an den von dem Sachverständigen im Vorverfahren erstellten Gutachten über den Mietwert des Objektes festzuhalten. Zusätzliche Abstriche seien wegen der Lärmbelastung durch den Verkehr, des Fehlens von Tiefgaragen- oder sonstigen hauseigenen Stellplätzen und der Belästigung durch die bis 2007 andauernden Sanierungsarbeiten erforderlich (insgesamt 35 % Abschlag vom Mittelwert nach dem Mietenspiegel 2005). Danach ergebe sich, dass sich die Miete für das 1. OG auf 82 % der ortsüblichen Miete belaufe und die Miete für das 2. OG auf 66 %. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung im Schriftsatz der Kläger vom 14.11.2011 (FGA Bl. 51) Bezug genommen. Die Kläger sind daher der Auffassung, dass sich die Miete auf mehr als 56 % der ortsüblichen Miete belaufe und die Werbungskosten daher in voller Höhe zu berücksichtigen seien.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 26.02.2008, geändert durch Bescheid vom 10.12.2008, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.08.2011 dahingehend zu ändern, dass ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks X-Weg 1a in Höhe von … € berücksichtigt wird;
den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 26.02.2008, geändert durch Bescheid vom 10.12.2008, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.08.2011 dahingehend zu ändern, dass ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks X-Weg 1a in Höhe von … € berücksichtigt wird;
den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 06.01.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.08.2011 dahingehend zu ändern, dass ein Verlust aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks X-Weg 1a in Höhe von … € berücksichtigt wird;
und
den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 13.07.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.08.2011 dahingehend zu ändern, dass ein zusätzlicher Verlust aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks X-Weg 1a in Höhe von … € berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, die Absicht der Kläger, aus der Vermietung von Wohnungen im Objekt X-Weg 1a Einkünfte zu erzielen, könne nicht vermutet werden. Die von der Rechtsprechung vertretene Vermutung dieser Absicht gelte nicht, wenn entweder keine auf Dauer angelegte Vermietung bestehe oder wenn eine atypische Fallkonstellation gegeben sei.
Die Vermietung des 2. und später des 1. OG an Herrn Dr. B sei nicht auf Dauer angelegt gewesen. Herr Dr. B habe in seiner Zeugenvernehmung erklärt, die Wohnung wegen seiner eigenen medizinischen Nachbehandlung in Hamburg, wegen des Kontakts zu seiner sterbenskranken Mutter und zur Pflege der ebenfalls erkrankten, in Hamburg lebenden Tochter angemietet zu haben. Dies zeige, dass die Vermietung von vornherein zeitlich begrenzt gewesen sei. Dasselbe gelte für die nachfolgende Vermietung an Herrn C, der nach der Aussage seines Bruders B „zeitweise“ mehr nach Hamburg orientiert gewesen sei; dementsprechend habe das Mietverhältnis bereits Ende 2007 wieder geendet. Die Mutter habe die Räume im 1. OG erst angemietet, als sie bereits schwer an … erkrankt gewesen sei.
Darüber hinaus liege eine atypische Fallkonstellation vor, weil die einzelnen Zimmer nicht räumlich abgetrennt seien. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Wohnungen bzw. Räume aus Gründen des Denkmalschutzes unabgeschlossen bleiben müssten. Die Kläger hätten vielmehr vorgetragen, die Abgeschlossenheit durch spätere Baumaßnahmen herstellen zu wollen. Hinzu komme das gesteigerte Interesse des Klägers an der Wahrung seiner Privatsphäre, das bei seiner Verweigerung einer Besichtigung des Erdgeschosses im Ortstermin am 11.10.2012 zu Tage getreten sei. Darüber hinaus hingen, frei zugänglich, im gesamten Gebäude offenbar wertvolle Kunstwerke. Unter diesen Umständen sei es schlechterdings nicht denkbar, dass die Kläger Wohnungen bzw. Räume in dem Gebäude jemals an fremde Dritte vermieten würden. Als potentielle Mieter blieben damit nur Familienangehörige, von denen die beiden Brüder bereits ausschieden. Dass das von den Klägern behauptete Mietverhältnis über die Räume im 2. OG mit dem Sohn E, einem Studenten, tatsächlich durchgeführt werde, werde bestritten.
Dass die deshalb von den Klägern vorzulegende Überschussprognose für maximal 30 Jahre zu einem positiven Ergebnis führen könne, sei wegen des beschränkten Kreises potentieller Mieter unwahrscheinlich.
V.
Am 11.10.2012 hat eine mündliche Verhandlung als Ortstermin im Haus der Kläger im X-Weg 1a stattgefunden, an der neben dem Kläger und seinen Bevollmächtigten auch der gerichtlich beauftragte Sachverständige F teilgenommen hat. Während der Verhandlung ist Herr Dr. B telefonisch als Zeuge vernommen worden. Die Beteiligten
haben sich daraufhin tatsächlich verständigt darüber, dass die Mietverträge mit den Brüdern des Klägers fremdüblich gewesen seien, dass die Kinder der Kläger während der Dauer dieser Mietverträge im Souterrain gewohnt hätten und dass die pauschale Nebenkostenabrechnung fremdüblich sei. Die Räume sind besichtigt worden mit Ausnahme der Räume im Erdgeschoss, deren Inaugenscheinnahme die Klägerseite abgelehnt hat. Wegen des weiteren Inhalts der Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften der mündlichen Verhandlungen vom 14.11.2012, 06.02.2013 und 26.09.2013 sowie auf den Senatsbeschluss vom 06.02.2013.
Dem Gericht haben drei Bände Einkommensteuerakten, ein Hefter „Grundstücke“ und vier Bände Rechtsbehelfsakten (St.-Nr. …/…/…) vorgelegen. Ferner hat das Gericht die Grundakten zu Bl. 3744 des Grundbuchs von G, die Denkmalakte X-Weg 1, 1a und 1b und die Bauakte … X-Weg 1a beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Die Einkommensteuerbescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat die Verluste aus Vermietung und Verpachtung zu Recht nicht berücksichtigt, weil der Kläger keine Einkünfteerzielungsabsicht hatte.
1. a) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Jedoch gelten Ausnahmen von diesem Grundsatz, wenn besondere Umstände gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht sprechen (BFH-Urteile vom 02.04.2008 IX R 63/07, BFH/NV 2008, 1323; vom 10.05.2007 IX R 7/07, BFHE 218, 160, BStBl II 2007, 873; vom 10.05.2006 IX R 35/05, BFH/NV 2006, 1648). Für die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht als innere Tatsache können äußere Umstände als Indizien herangezogen werden, wie z. B. der zeitliche Zusammenhang zwischen Aufwendungen und späterer Vermietung wie auch deren Absehbarkeit; auch spätere Tatsachen und Ereignisse sind zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 31.07.2007 IX R 30/05, BFH/NV 2008, 202). Ob im Einzelfall Indizien für oder gegen eine Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, ist eine Frage der Feststellung und Würdigung, die das FG als Tatsacheninstanz nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu beantworten hat (BFH-Urteil vom 09.10.2008 IX R 54/07, BFH/NV 2009, 150).
b) Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt (BFH-Urteil vom 02.04.2008 IX R 63/07, BFH/NV 2008, 1323). Allerdings folgt aus Mietverträgen, die auf eine bestimmte Zeit eingegangen sind, noch nicht eine steuerlich bedeutsame Befristung der Vermietungstätigkeit (BFH-Beschluss vom 24.02.2010 IX B 53/09, BFH/NV 2010, 1098; BFH-Urteil vom 10.05.2006 IX R 35/05, BFH/NV 2006, 1648). Deshalb hat der BFH als Indiz gegen die Absicht einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit nicht allein auf die Befristung des Vertrags abgestellt, sondern entscheidend auf den Umstand, dass bereits im Mietvertrag die Befristung mit einer ausdrücklich erklärten Selbstnutzungsabsicht (BFH-Urteil vom 09.07.2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695) oder Verkaufsabsicht (BFH-Urteil vom 04.12.2001 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635) verknüpft wird.
c) Die historische Bausubstanz des vermieteten Gebäudes spricht ebenso wenig gegen die typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht wie die denkmalschutzbedingte Unabgeschlossenheit der Wohnungen (BFH-Urteil vom 27.10.2005 IX R 3/05, BFH/NV 2006, 525). Denn der Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und damit auch die Einkünfteerzielungsabsicht ist nicht auf ein (zivilrechtliches) Grundstück bezogen, sondern ist für jede einzelne vermietete Immobilie gesondert zu prüfen. Entsprechend ist Objekt der Vermietung i. S. von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht zwingend ein Grundstück oder eine Wohnung, es kann auch ein bestimmter Teil eines Grundstücks oder Gebäudes sein, z. B. einzelne (auch möblierte) Zimmer oder Räumlichkeiten (BFH-Urteil vom 22.01.2013 IX R 19/11, BFHE 240, 136, BStBl II 2013, 376; BFH-Beschluss vom 12.12.2011 IX B 132/11, BFH/NV 2012, 727).
d) Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz gegeben, wenn der Steuerpflichtige ein bebautes Grundstück innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs – von in der Regel bis zu fünf Jahren – seit der Anschaffung oder Herstellung wieder veräußert und innerhalb dieser Zeit nur einen Werbungskostenüberschuss erzielt. Je kürzer der Abstand zwischen der Anschaffung oder Errichtung des Objekts und der nachfolgenden Veräußerung ist, umso mehr spricht dies gegen eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit und für eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht (BFH-Beschluss vom 28.02.2007 IX B 161/06, BFH/NV 2007, 1477). Einer derartigen Veräußerung ist eine Eigennutzung im Anschluss an eine kurzfristige Vermietung gleichzustellen (BFH-Urteile vom 22.01.2013 IX R 13/12, BFHE 240, 294, BStBl II 2013, 533; vom 29.03.2007 IX R 7/06, BFH/NV 2007, 1847).
e) Bei Mietverträgen zwischen nahen Angehörigen, wie sie im Streitfall vorliegen, ist zu berücksichtigen, dass die steuerrechtliche Anerkennung derartiger Vertragsverhältnisse u. a. davon abhängig ist, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die tatsächliche Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 07.06.2006 IX R 4/04, BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294, m. w. N.). Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessengegensatz mangelt und somit zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können. Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu
stellen (BFH-Urteile vom 22.01.2013 IX R 70/10, BFH/NV 2013, 1067; vom 31.07.2007 IX R 8/07, BFH/NV 2008, 350). Vollzieht sich die Nutzungsüberlassung im Rahmen der familiären Haushaltsgemeinschaft, so ist sie grundsätzlich der nicht steuerbaren Privatsphäre zuzuordnen (§ 12 EStG) und kann auch nicht durch einen Mietvertrag in den Bereich der Einkünfteerzielung (§ 2 EStG) verlagert werden: Nicht der zivilrechtliche Vertrag, sondern die persönliche Beziehung der Partner ist Grundlage des gemeinsamen Wohnens (BFH-Urteil vom 15.02.2005 IX R 16/04, BFH/NV 2005, 1008).
2. Im Streitfall steht bei Anwendung dieser Grundsätze nicht zur Überzeugung des erkennenden Senates fest, dass die Vermietungstätigkeit des Klägers auf Dauer angelegt gewesen wäre. Es ist deshalb nicht typisierend vom Vorliegen eine Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen.
a) Auch wenn die Kläger zutreffenderweise darauf hinweisen, dass eine Wohnfläche von ca. 520 qm für eine vierköpfige Familie relativ groß sei, wird dieses Beweisanzeichen für eine mögliche dauerhafte Vermietungsabsicht des Klägers dadurch entkräftet, dass der Kläger wegen des Auszuges der Klägerin und des jüngeren Sohnes im Jahr 2010 das Haus, von kurzzeitigen Aufenthalten des im Ausland studierenden älteren Sohnes abgesehen, inzwischen sogar ganz allein nutzt.
b) Zwar hat der Kläger für jedes der beiden OG jeweils drei Mietverträge abgeschlossen, ohne hierin eine Befristung vorzusehen und ohne sich eine spätere Selbstnutzung ausdrücklich vorzubehalten. Doch auch aus diesem Umstand ist keine auf Dauer angelegte Vermietung zu folgern.
aa) Die Mietverträge waren (mit Ausnahme des Mietverhältnisses mit der Klägerin, dazu unten unter d)) zwar nicht rechtlich, aber aus tatsächlichen Gründen jeweils befristet.
Die Mutter des Klägers war nach seinen Angaben bei ihrem Einzug bereits sehr betagt und todkrank. Nach der Aussage des Zeugen Dr. B war von vornherein davon auszugehen, dass er die Wohnungen jeweils nur als Zweitwohnung für eine begrenzte Zeit nutzen würde, und zwar aufgrund seiner eigenen Erkrankung sowie der seiner Mutter und seiner Tochter. Dies ist unstreitig.
Bzgl. des Mietverhältnisses mit Herrn C steht nicht fest, ob es tatsächlich und wie unter fremden Dritten durchgeführt wurde und damit steuerlich anzuerkennen ist. Jedenfalls war Herr C nach der Aussage des Zeugen aber nur „zeitweise mehr nach Hamburg orientiert“. Soweit die Kläger vortragen, zu Beginn des Mietverhältnisses sei nicht klar gewesen, ob die örtliche Umorientierung nach Hamburg nicht von Dauer sein würde, bestätigen sie gerade, dass die Dauerhaftigkeit der Vermietung zweifelhaft war. Gegen die Dauerhaftigkeit spricht, dass das Mietverhältnis nicht einmal ein Jahr währte.
Bei dem Mietvertrag mit dem Sohn der Kläger bzgl. des 2. OG ist bereits fraglich, ob dieser Vertrag tatsächlich abgeschlossen und durchgeführt wurde. Dies haben die Kläger trotz der gerichtlichen Aufforderung im Ladungsschreiben vom 03.06.2013 (FGA Bl. 260 f.) nicht belegt. Im Ergebnis kommt es aber auch nicht darauf an, ob dieses Mietverhältnis bestand und ob es nach den dargelegten Grundsätzen (oben 1.e) steuerlich anzuerkennen wäre, denn bei Zugrundelegung der Entwicklung der
Lebensverhältnisse eines Studenten ist davon auszugehen, dass dieses Mietverhältnis ebenfalls nicht auf Dauer angelegt, sondern aus tatsächlichen Gründen auf wenige Monate oder maximal wenige Jahre befristet gewesen wäre.
bb) Da der Kläger alle Mietverträge mit nahen Angehörigen geschlossen hatte, ist bei der Beurteilung der Befristung der Mietverhältnisse auf die tatsächliche Situation und nicht auf die vertragliche Vereinbarung einer Befristung abzustellen. Wegen des im Familienverbund typischerweise mangelnden Interessengegensatzes (s. oben 1.e)) war davon auszugehen, dass das jeweilige Mietverhältnis bei Fortfall des Mietinteresses ohne Prüfung eines Kündigungsgrundes und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist beendet werden würde. So ist es auch tatsächlich immer geschehen. Alle Mietverhältnisse waren daher von vornherein nicht auf Dauer angelegt, sondern jeweils nur auf wenige Monate oder maximal wenige Jahre.
c) Der Senat geht davon aus, dass der Kläger die Eigennutzung der beiden OG im Anschluss an deren jeweils nur kurzfristige Vermietung von vornherein beabsichtigt hatte.
aa) Bzgl. des 2. OG ergibt sich dieser Schluss aus dem Umbau des vorderen Kellerraums zur Garage.
Die Kläger haben bzgl. des nach ihrem Vortrag von den Söhnen bewohnten Souterrainzimmers bereits am 21.05.2004 einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids für den Garagenumbau gestellt (oben A.I.4.a). Da die Kläger nach ihrem eigenen Vortrag den anderen Schlafraum im Keller selbst benutzten und sich im Erdgeschoss ausschließlich Küche, Ess- und Wohnzimmer befunden haben sollen, stand deshalb spätestens seit 2004 fest, dass die Söhne der Kläger in absehbarer Zeit vom Souterrain in eines der Obergeschosse würden ziehen müssen. Jedenfalls im Jahr 2009 haben die Kinder nach Angaben der Kläger auch tatsächlich im 2. OG gewohnt (s. Grundriss, RbA Bd. I Bl. 80).
In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Umbauarbeiten, wie von den Klägern vorgetragen, tatsächlich erst im Jahr 2007 begannen und die Söhne in der Zeit des Umbaus noch nicht im 2. OG wohnten oder ob sie bereits ab Beginn des Umbaus (lt. Mitteilung des Klägers – oben A.I.4.a – am 04.10.2005) oder jedenfalls ab Fertigstellung (gemäß Fertigstellungsmitteilung des Klägers am 15.05.2007) das 2. OG nutzten. Deshalb muss auch nicht entschieden werden, ob die tatsächliche Verständigung der Beteiligten darüber, dass die Söhne während der Streitjahre im Souterrain gewohnt hätten, wirksam und bindend ist oder nicht (vgl. zur fehlenden Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung bei einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung BFH-Beschluss vom 11.07.2012 X B 136/11, BFH/NV 2012, 1815, m. w. N., und bei Zurückhaltung entscheidungserheblicher Tatsachen durch den Steuerpflichtigen BGH-Urteil vom 26.10.1998 5 StR 746/97, HFR 1999, 578; FG Münster, Urteil vom 20.04.2012 14 K 4222/11 AO, EFG 2012, 1516; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 118 AO Rz. 30).
Denn nach Auffassung des erkennenden Senates genügt für die Annahme einer von Anfang an bestehenden Eigennutzungsabsicht bereits der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der Vermietung des 2. OG an Herrn Dr. B ab dem 01.12.2002 zu einem vorübergehenden Zweck und der durch den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids für den Garagenumbau vom 21.05.2004 dokumentierten Absicht der Selbstnutzung des 2. OG durch die Kläger. Denn ab
diesem Zeitpunkt stand fest, dass die Kinder in das 2. OG würden ziehen müssen; die Kläger mussten die Räume im 2. OG also von da an für ihre Eigennutzung vorhalten.
bb) Nach der derzeitigen Nutzung des Kellers – u. a. für die Garage, die Sauna und den Fitnessraum – ist hinsichtlich des 1. OG nicht davon auszugehen, dass der Kläger die von ihm als Schlaf- und Arbeitsbereich genutzten Räume zu irgendeinem Zeitpunkt wieder vermieten wird. Zwar liegen zwischen der Eigennutzung der Räume im 1. OG und der Vermietung an die Mutter des Klägers insgesamt siebeneinhalb Jahre, so dass der zeitliche Zusammenhang die Eigennutzungsabsicht nicht ohne weiteres indiziert. Jedoch hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 11.10.2012 erklärt, das zunächst im Souterrain befindliche große Bad sei bereits im Jahr 2006 zu dem Fitnessraum umgebaut worden. Dann gab es im Souterrain aber nur noch ein kleines Duschbad. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger bereits ab diesem Zeitpunkt plante, das Zimmer im 1. OG neben dem großzügigen Bad und Ankleideraum als Schlafzimmer zu nutzen. Für seine Bürotätigkeit stand weder im Souterrain noch im Hochparterre ein Raum zur Verfügung, sodass insoweit Entsprechendes gilt. Auch hier genügt der enge zeitliche Zusammenhang zwischen der erstmaligen Vermietung des 1. OG nach Fertigstellung und der durch den Kellerumbau dokumentierten Absicht der Eigennutzung, weil die Räume im 1. OG ab diesem Zeitpunkt für die Eigennutzung vorgehalten werden mussten.
d) Lediglich das Mietverhältnis mit dem Büroservicebetrieb der Klägerin war nicht von vornherein nur auf eine bestimmte Zeit angelegt. In Bezug auf die Vermietung der beiden Räume im 1. OG an die Klägerin ab dem 01.11.2008 kann das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht dahingestellt bleiben, denn der Beklagte hat den Verlust aus dieser Vermietung in der Einspruchsentscheidung berücksichtigt, und eine Verböserung ist im finanzgerichtlichen Verfahren nicht möglich (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Für die Zeit davor ist nicht erkennbar, dass und ggf. ab wann die Gründung eines Büroservicebetriebes durch die Klägerin und die Vermietung der Räume an sie bereits geplant gewesen wäre, dass und ab wann also eine auf Dauer angelegte Vermietung der beiden Räume beabsichtigt gewesen wäre, sodass das oben zu c) bb) Gesagte gilt.
e) aa) Gegen die Absicht einer auf Dauer angelegten Vermietung spricht aber vor allem und in Bezug auf beide Obergeschosse, dass die dort ggf. zu vermietenden Räume nicht durch eine Wohnungstür und einen Flur vom Treppenhaus getrennt und nur über einen mit den übrigen Geschossen gemeinsamen Hauseingang und die gemeinsame Treppe zu erreichen sind. Seine im Vorverfahren aufgestellte Behauptung, er beabsichtige, die Abgeschlossenheit dieser Räume zu einem späteren Zeitpunkt herzustellen, hat der Kläger in keiner Weise belegt und im Schriftsatz vom 19.02.2013 auch nicht mehr wiederholt. Es gibt offensichtlich keine derartigen Baupläne, kein Genehmigungsverfahren und keine Aufträge an Handwerker. Der Senat hält es für eher fernliegend, dass der Kläger nach den sehr aufwändigen Sanierungsarbeiten vorhaben könnte, weitere, derart umfangreiche Arbeiten durchführen zu lassen. Hätte der Kläger die Abgeschlossenheit der Räume zum Zwecke einer Fremdvermietung herstellen lassen wollen, wäre es vielmehr sinnvoll gewesen, dies sogleich bei der Sanierung zu tun. Welcher zusätzliche finanzielle Aufwand hierdurch entstanden wäre und dass der Kläger diesen nicht hätte erbringen können, hat er nicht belegt.
bb) Wie dargelegt (s. oben 1.c)), kann zwar auch die Vermietung nicht abgeschlossener Räumlichkeiten zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen. Die Nichtabgeschlossenheit der zu vermietenden Räume steht für sich genommen der Annahme einer Einkünfteerzielungsabsicht nicht entgegen. Im Streitfall ist aber zu berücksichtigen, dass der Kläger das Gebäude selbst bewohnt und – wie die Kläger auch selbst vortragen – der Kreis der potentiellen Mieter wegen der Nichtabgeschlossenheit der Räume deshalb sehr begrenzt ist. Denn aufgrund des Alters und der gesellschaftlichen Stellung des Klägers kommen, anders als etwa bei studentischen Wohngemeinschaften, nur Familienangehörige und möglicherweise noch sehr enge und vertraute Freunde als Mieter in Betracht. Kinder, eine Ehefrau oder eine Lebensgefährtin, mit denen der Kläger eine familiäre Haushaltsgemeinschaft führen würde, schieden als mögliche Mieter dagegen aus (s. oben 1.e)). Es ist kaum denkbar, dass sich in diesem sehr eng begrenzten Personenkreis jemand fände, der mit dem Kläger auf Dauer in dem Haus zusammenleben wollte und umgekehrt. Vorstellbar wäre eine Vermietung allenfalls an Personen, die die Räume im 1. oder 2. OG (vorübergehend) als Zweitwohnung nutzen würden, wie es die Brüder des Klägers taten. Dass es über die bisherigen Mieter hinaus überhaupt konkrete Personen gibt, die diese Bedingungen erfüllen, ist sehr unwahrscheinlich und hat der Kläger nicht dargelegt. Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat ausgeschlossen, dass der Kläger willens oder in der Lage sein wird, eine ausreichende Zahl von Personen zu finden, um eine dauerhafte Vermietung auch nur eines der beiden Obergeschosse zu gewährleisten. Diese Umstände – die sehr geringe Zahl in Betracht kommender Mieter und deren jeweils nur zeitlich begrenztes Interesse an einer Anmietung von Räumen – waren dem Kläger von vornherein bewusst und sprechen deshalb gegen die Absicht einer dauerhaften Vermietung.
f) Vor diesem Hintergrund ist der erkennende Senat nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die Vermietungstätigkeit des Klägers auf Dauer angelegt gewesen wäre. Dies geht zulasten der Kläger, die bzgl. der Einkünfteerzielungsabsicht die Feststellungslast trifft.
3. Besteht keine Absicht einer dauerhaften Vermietung, ist das Vorliegen einer Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Totalüberschussprognose zu prüfen. Im Streitfall kann offen bleiben, ob diese Prognose für den Zeitraum der tatsächlichen Vermögensnutzung (BFH-Urteil vom 22.01.2013 IX R 13/12, BFHE 240, 294, BStBl II 2013, 533) oder für den Zeitraum von 30 Jahren (vgl. BFH-Urteil vom 06.11.2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) zu erstellen ist.
a) Im ersten Fall wäre bzgl. des 1. OG höchstens der Zeitraum von 2002 bis 2010 zugrunde zu legen, weil das Mietverhältnis mit der Klägerin in 2010 beendet wurde. Bzgl. des 2. OG wäre höchstens auf den Zeitraum bis zur Beendigung des Mietverhältnisses mit dem Sohn abzustellen. In Anbetracht der bis einschließlich 2008 erwirtschafteten Verluste (s. oben A.II.1.) und der vereinbarten Mieten wäre eine Überschusserzielung in dieser Zeit nicht möglich.
b) Aber auch bei einem 30-jährigen Prognosezeitraum ergibt sich kein Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Dabei kann die von den Klägern im Vorverfahren eingereichte Prognose (RbA Bd. I Bl. 48 ff.) nicht herangezogen werden, weil sie auf unzutreffenden Annahmen beruht.
aa) Die Kläger gehen in ihrer Prognose selbst nach Abzug eines Sicherheitsabschlages von im Prognosezeitraum anfallenden Werbungskosten in Höhe von … € aus. Dabei kann zugunsten der Kläger angenommen werden, dass dieser Betrag zutreffend ist, obwohl der Kläger die der Prognoseberechnung zugrunde gelegte Behauptung, die Darlehen würden nach zehn Jahren zurückgeführt, trotz zwischenzeitlichen Ablaufs dieser Frist nicht belegt hat.
bb) Denn die zu erwartenden Mieteinnahmen werden deutlich geringer sein als die genannten Werbungskosten. Bis einschließlich 2008 haben die Kläger Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt € … erklärt. Selbst wenn man bzgl. des 1. OG für die Jahre 2009 und 2010 weitere Einnahmen aus der Vermietung an die Klägerin ansetzte und bzgl. des 2. OG Einnahmen aus der Vermietung an den Sohn, eine steuerliche Anerkennung dieser Mietverhältnisse unterstellt, würde hierdurch keinesfalls auch nur ein Betrag von … € erreicht werden, geschweige denn der Betrag der prognostizierten Werbungskosten. Mit weiteren Mieteinnahmen ist aus den zu 2. ausgeführten Gründen aber nicht zu rechnen.
4. Auf die Frage, in welchem Verhältnis die vereinbarten Mietzinsen zur ortsüblichen Marktmiete standen (s. § 21 Abs. 2 EStG i. d. F. der Streitjahre), kommt es nicht an, weil auch diese Vorschrift eine auf Dauer angelegte Wohnungsvermietung voraussetzt (Kulosa in Schmidt, EStG, 32. Aufl., § 21 Rz. 23).
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
2. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls.
Einkommensteuer: In Abgrenzung gewerblicher Vermietung von privater Vermögensverwaltung hat der 2. Senat entschieden, dass eine Fondsgesellschaft, die Container vermietet und nach Ablauf der Laufzeit des Fonds planmäßig verkauft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, wenn der Verkauf Teil eines einheitlichen Geschäftskonzeptes ist und der erzielte Veräußerungsgewinn maßgebend für die Attraktivität der Vermögensanlage ist, Urteil vom 14.8.2012, 2 K 242/12, NZB eingelegt, Az. des BFH IV B 101/13.
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 K 242/12
Urteil des Senats vom 14.08.2013
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: IV B 101/13
Normen: EStG § 15 I, EStG § 15 II, GewStG § 2 I
Leitsatz: Eine Fondsgesellschaft, die Container vermietet und nach Ablauf der Laufzeit des Fonds planmäßig verkauft, erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, wenn der Verkauf Teil eines einheitlichen Geschäftskonzeptes ist und der erzielte Veräußerungsgewinn maßgebend für die Attraktivität der Vermögensanlage ist.
Überschrift: Einkommensteuer, Gewerbesteuer: Abgrenzung gewerblicher Vermietung von privater Vermögensverwaltung
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Qualifizierung und Besteuerung ihrer Einkünfte als solcher aus Gewerbebetrieb.
Die Klägerin ist eine Ende 2003 in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft gegründete Fondsgesellschaft. Unternehmensgegenstand ist laut Gesellschaftsvertrag „die Verwaltung, die Nutzung und die Veräußerung von Containern aller Art“. An der Gesellschaft ist als Komplementärin die A-1 GmbH sowie als Gründungskommanditisten die A-2 GmbH, zwischenzeitlich umbenannt in A-3 GmbH (im Folgenden A-Gesellschaft), die A-4 GmbH und Co. KG und die B … GmbH beteiligt. In der Folgezeit haben sich weitere 136 Kommanditisten an der Klägerin beteiligt. Mit Gesellschafterbeschluss vom … 2010 wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen. Zur Liquidatorin wurde die bisherige Geschäftsführerin, die A-Gesellschaft, bestellt.
Von Dezember 2003 bis März 2004 erwarb die Klägerin über die A-Gesellschaft von der C AG in mehreren Tranchen 5.453 Schiffscontainer. Diese vermietete sie langfristig an verschiedene internationale Linienreedereien und Logistikunternehmen, wobei die Mietverträge bei Ankauf der Container bereits bestanden. Die Mietverträge hatten typischerweise eine Laufzeit von fünf Jahren mit einer Verlängerungsoption von regelmäßig zwei Jahren.
In zeitlichem Zusammenhang mit dem Erwerb der Container schloss die Klägerin mit der A-Gesellschaft mehrere gleich lautende Container-Andienungsverträge (Anlagekonvolut K 5). Die Klägerin hatte danach das Recht, der A-Gesellschaft die Container ganz oder teilweise zum Kauf anzudienen. Die A-Gesellschaft war verpflichtet, die Container zu einem Preis von 57 % des ursprünglichen Einkaufspreises zu erwerben. Das Andienungsrecht war 72 Monate nach der Entstehung des Mietzinsanspruches mit einer Ankündigungsfrist von vier Monaten auszuüben. Gemäß Änderungsverträgen aus 2009 wurde diese Vereinbarung dahingehend geändert, dass das Andienungsrecht jeweils mit Wirkung zum 26.02.2010 mit einer Andienungsfrist von vier Wochen schriftlich gegenüber der A-Gesellschaft auszuüben war. Für die Verwaltung der Container schloss die Klägerin mit der A-Gesellschaft einen Container Management-Vertrag, wonach die A-Gesellschaft die Container eigenverantwortlich zu verwalten hatte. Dabei trat sie im
eigenen Namen, aber für Rechnung der Klägerin auf. Die Managementgebühr betrug 10 % der Mieterlöse. Die A-Gesellschaft schloss wiederum einen gleich lautenden Container Management-Vertrag mit der C AG, die damit letztlich die Verwaltung der Container übernahm. Zur Finanzierung des Containerankaufs nahm die Klägerin ein Darlehen in Höhe von 70 % der Anschaffungskosten in Anspruch. Die Rückzahlung erfolgte in vierteljährlichen Raten und einer Schlussrate in Höhe etwa der Hälfte des Darlehensbetrags am Ende der Laufzeit. Das Darlehen hatte eine Laufzeit bis zum 31.03.2010.
In 2010 wurde die überwiegende Anzahl der Container in einem Bieterverfahren mit Gewinn veräußert. Nur für einen kleinen Anteil von etwa 8 % wurde von dem Andienungsrecht Gebrauch gemacht.
Nach dem im Anlageprospekt dargelegten Konzept wurde eine Kapitalanlage mit einer vorgesehenen Laufzeit von sechs Jahren angeboten (Seite 7, 29). In der Einführung heißt es:
„Bereits nach sechs Jahren hat der Fonds die Option, die Container zu einem bereits zu Beginn festgelegten Wert zu verkaufen. Der Rückkauf ist durch den Initiator abgesichert.
Bei planmäßigem Verlauf der Beteiligung erzielt der Anleger jährliche Ausschüttungen in Höhe von rund 14 % und nach sechs Jahren eine Ausschüttung von rund 145 %.“
Im Weiteren wurde in dem Prospekt auf die vertraglich festgeschriebene Option hingewiesen, die Container nach sechs Jahren zu 57 % des Einkaufspreises an die A-Gesellschaft zu verkaufen (Seite 9, 30). Alle Container seien bereits im Investitionszeitpunkt langfristig vermietet, die Tankcontainer für sechs Jahre und damit über die gesamte Laufzeit des Fonds, die überwiegende Anzahl der Standardcontainer für mindestens fünf Jahre (Seite 17). Die Ergebnis- und Liquiditätsprognose wurde über einen Zeitraum vom 2003 bis 2009 erstellt (Seite 23). In diese war der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Container zum Ende der Laufzeit einbezogen. Die Prognose für den kumulierten steuerlichen Gewinn aus der Vermietung belief sich über die sechsjährige Laufzeit auf insgesamt 91.000 €, der Veräußerungsgewinn war mit 5.638.000 € angesetzt. Unter dem Stichwort „Veräußerung nach 6 Jahren“ heißt es im Prospekt:
„Der Beteiligungserfolg hängt zu einem wesentlichen Teil von der erfolgreichen Veräußerung der Container ab. ….“.
In 2010 wurde bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Streitjahre 2003 bis 2007 durchgeführt. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Außenprüfung kam der Beklagte zu dem Schluss, dass statt der bisher erklärten sonstigen Einkünfte nach § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Einkünfte der Klägerin als solche aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren seien. Der Beklagte erließ daraufhin am 26.08.2010 geänderte Bescheide für 2003 bis 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Des Weiteren erließ er Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für 2003 bis 2007 sowie jeweils auf den 31.12. lautende Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für die Jahre 2004 bis 2007.
Auch in den Streitjahren 2008 und 2009 qualifizierte der Beklagte entgegen der Erklärung der Klägerin die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und erließ am 17.06.2011 für 2008 und am 24.06.2011 für 2009 Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag sowie über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2008 und den 31.12.2009.
Gegen alle Bescheide legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein.
Zwischenzeitlich erließ der Beklagte am 02.04.2012 geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für Jahre 2003, 2004, 2006 und 2007 sowie am 30.05.2012 für das Jahr 2005. Ferner erfolgte mit Bescheiden vom 02.04.2012 eine Änderung der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags sowie der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für die Jahre 2005 bis 2009.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26.07.2012 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.
Am 30.08.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass sie kein gewerbliches Unternehmen betreibe und ihre Vermietungstätigkeit deshalb nicht der Gewerbesteuer unterfalle. Von einer gewerblichen Tätigkeit könne nicht deshalb ausgegangen werden, weil sie in dem Anlageprospekt eine Laufzeit von 6 Jahren prognostiziert habe. Dies sei den zivilrechtlichen Vorgaben für eine ordnungsgemäße Darstellung einer Kapitalanlage geschuldet, wonach in einem Prospekt die Möglichkeiten, Bedingungen, wirtschaftlichen und steuerlichen Auswirkungen einer Beendigung der Kapitalanlage darzustellen seien. Hinsichtlich der prognostizierten Laufzeit habe sie sich an der voraussichtlichen Vermietungsdauer der Container orientiert. Der in dem Fondsprospekt dargestellte Verkauf der Container sei lediglich eine Option gewesen. Es habe keine Pflicht bestanden, das Andienungsrecht wahrzunehmen. Vielmehr sei sie in ihrer wirtschaftlichen Entscheidung frei gewesen, von dieser Option Gebrauch zu machen oder die Container weiter zu vermieten. Dass diese Dispositionsfreiheit auch tatsächlich bestanden habe, zeige sich an dem Beispiel des Parallelfonds, der A-5 GmbH und Co. KG, deren Gesellschafterversammlung beschlossen habe, die Containereinheiten nach Ablauf des Long-Term-Lease nicht zu veräußern, sondern in eine neue Gesellschaft einzubringen. Die Veräußerung der Container sei auch keine Bedingung für die Erreichung des Unternehmenszwecks gewesen, denn ein Totalgewinn habe nach der im Prospekt dargestellten Prognose bereits durch die Vermietung der Container erwirtschaftet werden können. Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 S. 1 EStG lägen nicht vor. So sei bereits die Nachhaltigkeit ihrer Tätigkeit zu bezweifeln, denn sie habe nicht die Absicht gehabt, regelmäßig neue Geschäfte durch Zukäufe oder Veräußerungen abzuschließen, oder neue Mietverträge einzugehen. Die Wiederholungsabsicht könne nicht aus dem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Gesellschaftsvertrag abgeleitet werden. Auch wenn der Containererwerb in fünf Tranchen erfolgt sei, sei dies als ein einheitlicher, einmaliger Anschaffungsvorgang zu werten. Auf den während der Mietzeit anfallenden Betreuungs- und Verwaltungsaufwand komme es nicht an, weil dieser von der rechtlich selbstständigen A-Gesellschaft, bzw. der C AG erbracht worden sei. Vor diesem Hintergrund sei auch eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr zu verneinen, denn sie sei nicht werbend am Markt tätig geworden, sondern habe lediglich bereits bestehende Mietverträge übernommen. Sie habe auch nicht die Grenzen einer privaten Vermögensverwaltung überschritten. Durch die langfristige
Vermietung der Container habe sie lediglich eine Fruchtziehung unter Erhaltung der Substanzwerte betrieben. Besondere Umstände, die der Vermietungsleistung insgesamt das Gepräge einer selbstständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr geben würden, hinter der die eigentliche Gebrauchsüberlassung der Container in den Hintergrund treten würde, seien nicht gegeben. Eine Gewerbetätigkeit könne auch nicht aus der Verklammerung der Vermietungsleistung mit dem Erwerb und der Veräußerung der Container zu einem einheitlichen Geschäftskonzept hergeleitet werden. Der Erwerb und der Verkauf der Container bildeten lediglich Anfang und Ende der in erster Linie auf Fruchtziehung gerichteten Vermietung. Ein einheitliches gewerbliches Geschäftskonzept sei nach der Rechtsprechung erst dann anzunehmen, wenn von vorneherein ein Verkauf des vermieteten Wirtschaftsgutes geplant und zur Erzielung eines Totalgewinns auch notwendig sei. Das sei vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen. Eine zwingende Verbindung von Vermietungs- und Veräußerungsgeschäft ergebe sich auch nicht aus dem ihr, der Klägerin, eingeräumten Andienungsrecht. Sie habe – anders als in dem vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Fall (IV R 49/04) – nach den Container-Andienungsverträgen die volle Dispositionsfreiheit gehabt, d. h. das Recht, die Container der A-Gesellschaft anzudienen, sie an einen Dritten zu verkaufen oder auch auf einen Verkauf zu verzichten. Etwas anderes könne auch nicht aus der im Anlageprospekt angegebenen Mietdauer und Laufzeit von 6 Jahren abgeleitet werden. Der Erfolg des streitgegenständlichen Container-Fonds-Modells habe in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis zur Veräußerung der Container gestanden. Ein Ausklammern der Veräußerung hätte deshalb zu keinem Attraktivitätsverlust der Investitionen geführt. Insgesamt sei auf das prognostizierte Ergebnis und nicht auf den auf Grund der Wirtschaftskrise und des gesunkenen US-Dollar-Kurses tatsächlich eingetretenen Verlust abzustellen. Schließlich lasse sich eine gewerbliche Tätigkeit auch nicht damit begründen, dass die Verwaltung der Container eine unternehmerische Organisation erfordern würde. Sie, die Klägerin, habe die Verwaltung der Containereinheiten auf die A-Gesellschaft übertragen. Eine extern durchgeführte (gewerbliche) Verwaltung begründe bei Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung noch keine gewerbliche Tätigkeit. Diese Grundsätze seien auch auf die Vermietung von Mobilien zu übertragen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2003, 2004, 2006 und 2007, jeweils vom 02.04.2012, für das Jahr 2005 vom 30.05.2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26.07.2012 in der Weise zu ändern, dass anstelle von Einkünften aus Gewerbebetrieb sonstige Einkünfte aus der Vermietung von beweglichen Gegenständen nach § 22 Nr. 3 S. 1 EStG festgestellt werden, und zwar für
2003 in Höhe von … €,
2004 in Höhe von … €,
2005 in Höhe von … €,
2006 in Höhe von … € und
2007 in Höhe von … €;
2. die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 und 2004 vom 26.08.2010 und für 2005 bis 2009 vom 02.04.2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26.07.2012 insoweit aufzuheben;
3. die Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2004 vom 26.08.2010 und auf den 31.12. der Jahre 2005 bis 2009 vom 02.04.2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26.07.2012 insoweit aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass die Klägerin eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat. Die Nachhaltigkeit der Tätigkeit ergebe sich aus dem Gesamtkonzept, nach dem ihre Tätigkeit die Einbindung mehrerer anderer Gesellschaften erforderlich mache. Hierdurch werde sie derart umfassend werbend tätig, dass eine breite Grundlage für die Wiederholungsmöglichkeit geschaffen werde. Die Klägerin überschreite zudem mit ihrer Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung. Die Umschichtung von Vermögenswerten und die Verwertung der Vermögenssubstanz würden im Streitfall entscheidend in den Vordergrund treten. Die Veräußerung der Container nach einem Einsatz von sechs Jahren sei nämlich nach dem Beteiligungskonzept der Klägerin nicht nur vorgesehen, sondern wesentlicher Bestandteil des Anlagekonzepts gewesen. Denn aus der Verklammerung der Komponenten im Geschäftskonzept folge ein einheitlich zu beurteilendes Gesamtkonzept. Insoweit komme es nicht darauf an, ob auch ohne die Veräußerung ein Totalgewinn hätte erzielt werden können. Dass die Veräußerung Bestandteil des Anlagekonzeptes sei, ergebe sich aus dem Fondsprospekt. Die darin aufgeführte Rückkaufgarantie zu 57 % der Anschaffungskosten, die Darlegung und Höhe der geplanten Ausschüttungen, die wesentlich von der Ausübung der Verkaufsoption abhingen, sowie die Ergebnis- und Liquiditätsprognose, die den Veräußerungserlös ebenfalls als festen Bestandteil einbeziehe, verdeutlichten, dass die Veräußerung wesentlicher Bestandteil des Fondskonzeptes gewesen sei. Der Unternehmenszweck werde entgegen der Darstellung der Klägerin nicht allein durch die Vermietung, sondern auch durch den Verkauf der Container erfüllt. Ohne die Veräußerung der Container wäre im Übrigen kein Totalgewinn erzielt worden. Vielmehr sei über die Laufzeit des Fonds ohne Berücksichtigung des Veräußerungsgewinns ein Verlust in Höhe von 1.814.830,58 € entstanden.
Dem Gericht haben die Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuerakten Bd. I bis III, die Bilanz- und Bilanzberichtsakten Bd. I bis III, die Akte Allgemeines, die Betriebsprüfungsakte sowie die Rechtsbehelfsakte des Beklagten zu der Steuernummer …/…/… vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten sowie die Protokolle über den Erörterungstermin und die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig. Die Klägerin, vertreten durch die Liquidatorin ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) klagebefugt, obwohl die Gesellschafter mit Beschluss vom … 2010 die Auflösung der Gesellschaft beschlossen haben. Auch in diesem Stadium bleibt die Gesellschaft klagebefugt (vgl.
BFH-Beschluss vom 24.03.2011 IV B 115/09, BFH/NV 2011, 1167), sie wird in dem Fall jedoch durch ihre Liquidatoren vertreten. Dies sind grundsätzlich alle Gesellschafter, wenn nicht – wie im vorliegenden Fall – ein Liquidator bestellt wurde. Einer Beiladung der weiteren Gesellschafter bedurfte es nicht.
Die Klage ist auch zulässig, soweit der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € oder mit den Gewinnfeststellungsbescheiden (höhere) Verluste festgestellt wurden. Auch die Feststellung einer unzutreffenden Einkunftsart stellt eine Rechtsverletzung im Sinne des § 40 Abs. 2 FGO dar (vgl. BFH-Urteile vom 15.04.2004 IV R 54/02, BStBl II 2004, 868; vom 25.09.2008 IV R 80/05, BStBl II 2009, 266; vom 25.08.1999 VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 300).
II.
Die Klage hat jedoch keinen Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin gewerbliche Einkünfte erzielt.
Nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird, der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind die Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Auch eine Personengesellschaft kann gewerbliche Einkünfte erzielen, wenn die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen betreiben (BFH-Urteile vom 26.06.2007 IV R 49/04, BStBl II 2009, 289; vom 11.10.2012 IV R 32/10, BFHE 239, 248, BFH/NV 2013, 443).
1. Die Klägerin ist keine gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Danach gilt als Gewerbebetrieb die mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Komplementärin ist von der Geschäftsführung gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen. Die Geschäftsführung wurde allein von der A-Gesellschaft wahrgenommen, die als Kommanditistin an der Klägerin beteiligt ist.
2. Die Klägerin ist jedoch ein gewerblich tätiges Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Absatz 2 EStG. Gewerbebetrieb ist danach eine selbstständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes, noch als eine andere selbstständige Arbeit anzusehen ist (§ 15 Abs. 2 EStG). Als weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist es nach der ständigen Rechtsprechung erforderlich, dass die Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet.
a) Die Klägerin hat bei Erwerb, Vermietung und Veräußerung der Container selbstständig und mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt.
Sie ist auch nachhaltig tätig geworden. Eine Tätigkeit ist nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist (BFH-Urt. vom 26.06.2007 IV R 49/04, BStBl II 2009, 289; vom 19.02.2009 IV R 10/06, BStBl II 2009, 533). Grundsätzlich muss die tatsächliche Wiederholung mehrerer Tätigkeitsakte vorliegen, die auf einen als Erwerbsquelle geeigneten Dauerzustand, der die Nachhaltigkeit der Tätigkeit objektiv dokumentiert, ausgerichtet ist. Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige von vornherein den Willen zur Wiederholung der Handlungen bei sich bietender Gelegenheit hat mit dem Ziel, daraus eine Erwerbsquelle zu machen (BFH-Urt. vom 07.03.1996 IV R2/92, BStBl II 1996, 369). Die Klägerin ist nach Maßgabe dieser Rechtsprechung nachhaltig tätig geworden. Sie hat über einen mehrmonatigen Zeitraum in verschiedenen Tranchen die Container erworben, mehrfach Verträge über die Verwaltung dieser Container abgeschlossen und zum Ablauf der geplanten Laufzeit des Fonds die Container verkauft. Die Tätigkeit der Klägerin war auf Wiederholung angelegt, denn sie wollte die Vermietung, den Ankauf und Verkauf der Container als Erwerbsquelle nutzen und die dafür erforderlichen Handlungen unternehmen. Es kommt dabei nicht darauf an, dass die Container nach ihren Angaben bei Ankauf bereits vermietet waren, denn bei vorzeitigem oder planmäßigem Ende der Mietverträge ist eine Neuvermietung erfolgt und beabsichtigt gewesen. Auch steht der Nachhaltigkeit der Tätigkeit nicht entgegen, dass sie die Verwaltung der Container nicht selbst übernommen, sondern damit die A-Gesellschaft beauftragt hatte. Die Tätigkeit der beauftragten Gesellschaft hinsichtlich der Verwaltung und Vermietung der Container (z. B. Vertrieb, Marketing, Verhandlung mit Kunden und Vertragsgestaltung, Mietabrechnung, Inkasso und Mahnwesen, Versicherung und Abwicklung evtl. Schäden) sind der Klägerin zwar nicht in der Weise zuzurechnen, dass die gewerbliche Tätigkeit und geschäftsmäßige Organisation der A-Gesellschaft auf die Klägerin abfärbt (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2012 IV R 32/10, a. a. O.). Unabhängig von dieser Aufgabenverlagerung war die Tätigkeit der Klägerin jedoch auf Wiederholung angelegt, denn sie hatte die A-Gesellschaft beauftragt, die Container eigenverantwortlich zu verwalten und damit alles Erforderliche getan, die erworbenen Container als Erwerbsquelle nutzen zu können. Es kommt insoweit nicht darauf an, dass die Klägerin selbst die erforderlichen Maßnahmen, wie z. B. eine Neuvermietung vornimmt, wenn sie durch entsprechende Verträge und Vereinbarungen sicher stellt, dass die für die Nutzung der Erwerbsquelle erforderlichen Handlungen wahrgenommen werden.
b) Die Klägerin hat sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Dies erfordert eine Tätigkeit, die gegen Entgelt am Markt erbracht und für Dritte äußerlich erkennbar angeboten wird. Das Merkmal dient dazu, solche Betätigungen auszugrenzen, die zwar von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen, aber nicht auf einen Güter- und Leistungsaustausch gerichtet sind. Erkennbar angeboten wird die Tätigkeit nach der Rechtsprechung auch dann, wenn sie nur einem einzigen Marktteilnehmer angeboten wird. Maßgeblich ist dabei allein die Erkennbarkeit für einen oder mehrere Auftraggeber. Dritten Geschäftspartnern des Auftraggebers braucht demgemäß nicht deutlich zu werden, ob die Tätigkeit vom Auftragnehmer als Subunternehmer selbstständig oder im Auftragsverhältnis unselbstständig geleistet wird (BFH-Urteile vom 22.01.2003 X R 37/00, BStBl II 2003, 464; vom 16.05.2002 IV R 94/99, BStBl II 2002, 565). Der Steuerpflichtige muss die Leistungen auch nicht in eigener Person am Markt anbieten, er kann sich eines Maklers oder Vertreters bedienen, deren Tätigkeit er sich zurechnen lassen muss (BFH-Urt. vom 07.12.1995 IV R 112/92, BStBl II 1996, 367; BFH-Beschl. vom 04.07.2002 IV B 44/02, BFH/NV 2002, 1559).
Die Tätigkeit der Klägerin war auf einen Güter- und Leistungsaustausch ausgerichtet. Sowohl durch den An- und Verkauf der Container als auch als Vermieterin ist sie erkennbar am Markt aufgetreten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass sie sich der A-Gesellschaft als Vermittlerin bedient hat. Auch der Umstand, dass die Container bei Ankauf bereits vermietet waren, steht einer werbenden Tätigkeit der Klägerin nicht entgegen. Nach Angaben der Klägerin wurde gegenüber den Mietern offengelegt, dass die als Vermieter auftretende C AG bzw. die A-Gesellschaft nicht Eigentümerin der Mietsache waren und dass die Mietforderungen an die Klägerin abgetreten worden waren. Aber selbst wenn dies nicht gegenüber allen Mietern geschehen sein sollte, ist die Klägerin durch ihre Vertreter als Vermieterin am Markt aufgetreten.
c) Die Tätigkeit der Klägerin hat auch den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschritten.
Nach ständiger Rechtsprechung wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt (BFH-Beschlüsse vom 03.07.1995 GrS 1/93, BStBl II 1995, 617; vom 10.12.2001 GrS 1/98, BStBl II 2002, 291). Das Vermieten einzelner (beweglicher oder unbeweglicher) Gegenstände geht i. d. R. über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung nicht hinaus. Eine gewerbliche Vermietungstätigkeit ist erst dann anzunehmen, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, die der Tätigkeit als Ganzes das Gepräge einer gewerblichen Betätigung geben, hinter der die eigentliche Gebrauchsüberlassung des Gegenstandes in den Hintergrund tritt (BFH-Urteile vom 26.06.2007 IV R 49/09, a. a. O.; vom 22.01.2003 X R 37/00, BStBl II 2003, 464; vom 11.10.2012 IV R 32/10, a. a. O.). Die besonderen Umstände können darin bestehen, dass die Vermietungstätigkeit mit dem An- und Verkauf von beweglichen oder unbeweglichen Gegenständen aufgrund eines einheitlichen Geschäftskonzepts verklammert ist. Ist eine Trennung von Erwerb, Unterhaltung und Veräußerung von Gegenständen nicht möglich, weil die einzelnen Tätigkeiten sich gegenseitig bedingen und derart miteinander verflochten sind, dass die Gesamttätigkeit nach der Verkehrsanschauung als einheitliche angesehen werden muss, und stellt sich die Gesamttätigkeit nicht mehr als Nutzung von Vermögen im Sinne einer Fruchtziehung aus zu unterhaltenden Substanzwerten dar, sondern tritt in ihr die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung entscheidend in den Vordergrund, so erlangt die Tätigkeit einen gewerblichen Charakter (BFH-Urteile vom 26.06.2007 IV R 49/09, a. a. O.; vom 22.01.2003 X R 37/00, a. a. O.).
Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung, der der Senat sich anschließt, ist die Vermietung der Container mit dem An- und Verkauf planmäßig derart miteinander verflochten, dass sie sich insgesamt als eine einheitliche Tätigkeit darstellt, bei der die Erzielung eines Veräußerungsgewinns aus dem Verkauf der Vermögenswerte entscheidend ist und die Fruchtziehung in den Hintergrund tritt. Nach dem im Anlageprospekt darlegten Konzept der Klägerin war der Verkauf der Container nach sechs Jahren und damit noch vor Ablauf der gewöhnlichen Nutzungsdauer von 10 Jahren wesentlicher Teil des Erfolgs der angebotenen Vermögensanlage.
Die Veräußerung der Container war für das Geschäftskonzept von entscheidender Bedeutung, denn der Veräußerungsgewinn machte den wesentlichen Teil der Rendite der Anlage aus. Dies gilt sowohl für die Kalkulation im Rahmen der Ergebnis- und Liquiditätsprognose als auch für das tatsächlich erzielte Ergebnis. Allerdings ist der Klägerin darin zuzustimmen, dass es für die Beurteilung der Art der Einkünfte vorliegend maßgeblich auf die Prognose ankommt. Gegenüber dem prognostizierten Gewinnen aus der Containervermietung von insgesamt 91.000 € belief sich der prognostizierte Veräußerungsgewinn mit 5.683.000 € auf mehr als das 60-fache. Dieses Verhältnis spiegelt sich auch in der prognostizierten Rendite wieder. Unter Berücksichtigung des Veräußerungserlöses beträgt diese ca. 9 %, ohne ihn deutlich weniger als 1 %. Die Veräußerung der Container war also wesentlich, um das prognostizierte Renditeziel zu erreichen und damit auch entscheidend für die Attraktivität der Vermögensanlage. Es ist zwar zutreffend, dass nach der Prognose die Veräußerung nicht Voraussetzung für die Erzielung eines Totalgewinns war. Sie war jedoch entscheidend für die Attraktivität der Anlagemöglichkeit, denn bei einer Renditeerwartung von weniger als 1 % hätte die Klägerin angesichts alternativer Anlagemöglichkeiten mit vorteilhafterer Risikostruktur wohl keine Investoren gefunden. In dem Prospekt weist die Klägerin folgerichtig auch ausdrücklich darauf hin, dass der Beteiligungserfolg „zu einem wesentlichen Teil von der erfolgreichen Veräußerung der Container“ abhängt (S. 35 des Anlageprospektes). Der Verkauf der Container kommt damit für den geschäftlichen Erfolg der Klägerin ausschlaggebende Bedeutung zu, so dass die Tätigkeit der Klägerin nicht ohne die vorgesehene Veräußerung der Container beurteilt werden kann.
Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist sowohl dem Anlageprospekt als auch den übrigen vertraglichen Gestaltungen zu entnehmen, dass die Vermietung nur zeitlich befristet erfolgen sollte und der Verkauf der Container von vorneherein nach Ablauf von sechs Jahren geplant war. So wird bereits in der Einführung des Anlageprospekts die geplante sechs-jährige Laufzeit hervorgehoben und der dann beabsichtigte Verkauf der Container zu einem bereits festliegenden Wert. Die Prognosen und Renditeversprechungen des Prospektes sind danach ausgerichtet, dass die Veräußerung der Container nach sechs Jahren Vermietungsdauer erfolgt. Entgegen der Darstellung der Klägerin kann nicht festgestellt werden, dass die Angabe der Laufzeit des Fonds nur den zivilrechtlichen Vorgaben für eine ordnungsgemäße Darstellung der Kapitalanlage geschuldet war. Denn wäre die Vermietung über die sechsjährige Laufzeit hinaus tatsächlich eine Option des Anlagemodells gewesen, so hätte das erheblich höhere Risiko einer anschließenden Vermietung mit regelmäßig erheblich kürzeren Laufzeiten dargestellt werden müssen. Dies ist im Anlageprospekt jedoch gerade nicht erfolgt. Vielmehr weisen auch die weiteren Verträge darauf hin, dass nach Ablauf von sechs Jahren der Verkauf der Container und die Liquidation erfolgen sollten. So hatte das Darlehen zur Finanzierung der Anschaffungskosten eine Laufzeit bis zum 31.03.2010 und damit nur für die Dauer der geplanten sechsjährigen Laufzeit des Fonds. Die zum Ende der Laufzeit fällige Schlussrate in Höhe von 5.591.666,70 € sollte planmäßig durch die Einnahmen aus der Containerveräußerung getilgt werden.
Zwar war die Klägerin nicht vertraglich verpflichtet, von dem Andienungsrecht nach Ablauf der geplanten Laufzeit Gebrauch zu machen, es bestand jedoch eine tatsächliche Notwendigkeit. Der in dem Prospekt beworbene Rückkauf der Container und die Absicherung des Veräußerungsgewinns konnte nur garantiert werden, wenn das Andienungsrecht von der Klägerin in der vertraglichen Frist nach Ablauf von
sechs Jahren auch ausgeübt würde. Nach den Container-Andienungsverträgen hatte die Klägerin nämlich laut Anlageprospekt nur eine Frist von zwei Monaten bzw. nach den Vertragsänderungen nur eine Frist von vier Wochen nach dem 26.02.2010, die vertraglich garantierte Rückkaufspflicht gegenüber der A-Gesellschaft geltend zu machen. Die Klägerin war auf Grund dieser zeitlichen Befristung verpflichtet, zu diesem Zeitpunkt entweder die Container am Markt erfolgreicher zu verkaufen oder von dem Andienungsrecht Gebrauch zu machen. Die Option, über diesen Zeitraum hinaus die Container neu zu vermieten, bestand faktisch nicht, jedenfalls nicht ohne ein erhebliches Haftungsrisiko der Klägerin im Hinblick auf den garantierten Veräußerungsgewinn.
Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass in gleich gestalteten Fonds nicht von dem Andienungsrecht und einem Verkauf der Container Gebrauch gemacht worden sei, sondern eine Weitervermietung der Container erfolgt sei, kann dies nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass tatsächlich die Option einer weiteren Vermietung und Fortführung des Fonds bestanden habe. Auch in diesen Fällen ist der Fonds nach Ablauf der geplanten Laufzeit von sechs Jahren abgewickelt worden. Die Gesellschafter sind statt der auch dort vorgesehenen Veräußerung der Container dem Vorschlag der Fondsgesellschaft gefolgt, die Container in einer neuen Fonds einzubringen, weil auf Grund der veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse das prognostizierte Ergebnis von 7,4 % bei weitem verfehlt worden war. Bei Verkauf der Container war gemäß der Gesellschafterinformation nur noch eine Rendite von 1 % zu erwarten, so dass die Gesellschafter auf Vorschlag der Geschäftsführung den Beschluss gefasst haben, die Container in eine neue Gesellschaft einzubringen. Die Fortführung des Fonds und Weitervermietung der Container stand nicht zur Disposition.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse war der Verkauf der Container und damit der Handel wesentlicher Bestandteil des Anlagekonzeptes und maßgeblich für den Erfolg der Vermögensanlage. Bei dieser Sachlage ist es nicht entscheidend, ob die Klägerin nach der Prognose auch ohne die Veräußerung einen geringen Totalgewinn hätte erzielen können, denn dieser Mietertrag war für das Gesamtergebnis von ganz untergeordneter Bedeutung. Der An- und Verkauf der Vermögensgegenstände war eben nicht nur Beginn und Ende einer auf Fruchtziehung anlegten Tätigkeit, sondern maßgeblicher Teil einer insgesamt als gewerblich zu beurteilenden Tätigkeit.
III.
Der Kläger hat nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor. Der Senat folgt den vom BFH in seinen bisher ergangenen Entscheidungen bereits entwickelten Grundsätzen.