Bestimmung der Einwohnerzahl bei der Bemessung von Konzessionsabgaben bei öffentlichen Betrieben im Bereich “Wasser”

Bestimmung der Einwohnerzahl bei der Bemessung von Konzessionsabgaben bei öffentlichen Betrieben im Bereich “Wasser” ; Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 31. Januar 2012 – I R 1/11 –1

Bestimmung der Einwohnerzahl bei der Bemessung von Konzessionsabgaben bei öffentlichen Betrieben im Bereich “Wasser” (PDF, 38,2 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

  1. Vgl. dazu “Weitere Entscheidungen des BFH (11.04.2012).

BMF-Schreiben vom 24. August 2012 – IV C 2 – S 2744/07/10001 :002 –

Umsatzsteuer | Haftung für Umsatzsteuer (BFH)

Haftung für Umsatzsteuer

 Leitsatz

1. Die Haftungsinanspruchnahme für einen Umsatzsteuerrückforderungsanspruch wegen (angeblich) materiell-rechtlich zu Unrecht festgesetzter und ausgezahlter negativer Umsatzsteuer (Vorsteuerüberschüsse) setzt voraus, dass aufgrund der formellen Bescheidlage (Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung) beim Steuerpflichtigen (Primärschuldner) festgestellt wurde, dass der Umsatzsteuererstattungs- bzw. Vergütungsanspruch nicht bestanden hat.

2. Es genügt nicht, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf Festsetzung der negativen Umsatzsteuer und die Auszahlung des Überschusses bestand. Die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen (Primärschuldner) muss zunächst entsprechend der materiellen Rechtslage korrigiert werden.

 Gesetze

AO § 37 Abs. 2
AO § 38
AO § 69
AO § 150 Abs. 1 Satz 3
AO § 168 Sätze 1 und 2
AO § 191 Abs. 1 Satz 1
AO § 218 Abs. 1

 Instanzenzug

Sächsisches FG vom 19. Mai 2009 2 K 863/07 (EFG 2011, 938 )BFH XI R 6/10

 Gründe

I.

1  Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) als Geschäftsführer einer GmbH für Umsatzsteuer der GmbH mit Haftungsbescheid zu Recht in Anspruch genommen wurde.

2  Der Kläger war seit dem 10. Juli 2003 Geschäftsführer der Y-GmbH (GmbH), die mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 2003 gegründet wurde und deren Sitz im Inland lag. Gegenstand der GmbH war die Vermietung von Baugerüsten sowie der Alleinvertrieb von Y Baugerüsten in Griechenland.

3  Die GmbH machte in verschiedenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen Vorsteuerbeträge geltend, die ihr durch den Beklagten und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erstattet wurden.

4  Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2004 stellte sich heraus, dass die GmbH ihr operatives Geschäft bereits im Gründungsjahr 2003 nach Griechenland verlegt hatte. Nach Ansicht des FA war die GmbH kein inländisches Unternehmen mehr, so dass ihr die Vorsteuern zu Unrecht erstattet worden seien.

5  Nach Angaben des FA hob es die Umsatzsteuer-Voranmeldungen mit Bescheid vom 12. September 2005 auf und erteilte Abrechnungsbescheide über die zuviel erstattete Umsatzsteuer, die dem Bevollmächtigten der GmbH Dr. K zugesandt wurden. Der Kläger bestritt den Zugang dieser Bescheide.

6  Das FA nahm den Kläger mit Haftungsbescheid vom 11. Oktober 2006 gemäß § 191 i.V.m. §§ 69 , 34 der Abgabenordnung (AO) für Umsatzsteuerschulden der GmbH u.a. für die Voranmeldungszeiträume Februar, April, Juni bis September und Dezember 2004 zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt … € in Anspruch, da er als Geschäftsführer der GmbH deren Steuern nicht abgeführt habe.

7  Mit Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 wies das FA den Einspruch insoweit als unbegründet zurück.

8  Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung aus, da die GmbH im Jahr 2004 im Inland nicht (mehr) tätig gewesen sei, habe sie im Jahr 2004 keinen Vorsteuererstattungsanspruch gehabt. Die vom FA „bereits gezahlten Beträge seien daher als Rückforderungsanspruch gegen die GmbH nach § 37 Abs. 2 AO zu qualifizieren.” Nachdem aber die Erstattungen aufgrund von Voranmeldungen und damit aufgrund von Steuerbescheiden erfolgt seien, müssten zunächst diese Bescheide geändert oder die Jahressteuer auf 0 € festgesetzt werden. Davon könne im Streitfall nicht ausgegangen werden. Es sei nicht erwiesen, dass der Aufhebungsbescheid vom 12. September 2005 wirksam bekannt gegeben worden sei. Die Beweislast für den Zugang trage das FA. Folglich sei nicht „von einer wirksamen Aufhebung der festgesetzten Vorsteuerbeträge” auszugehen. Ein Rückforderungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO und damit ein Haftungsanspruch bestehe daher nicht.

9  Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 938 .

10  Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es führt im Wesentlichen aus, nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO könne derjenige, der für eine Steuer hafte, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Ein Festsetzungserfordernis hinsichtlich der Steuerschuld (Primärschuld) bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht. Entscheidend sei die materiell-rechtliche Existenz des Steueranspruchs. Es sei ausreichend, dass der Primäranspruch entstanden sei und bei Erlass des Haftungsbescheids bzw. im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung noch bestehe. Dies gelte auch bei einem Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO .

11  Sei eine negative Umsatzsteuer angemeldet worden, so ergebe sich die Rückleistungspflicht des Steuerschuldners zwar erst, wenn diese Festsetzung später durch förmlichen Bescheid aufgehoben worden sei. Einer solchen Festsetzung gegenüber dem Steuerschuldner bedürfe es jedoch nach der Rechtsprechung des BFH für die Inanspruchnahme eines anderen als Haftungsschuldner nicht. Der für die Haftung maßgebliche Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO bestehe in Höhe der materiell-rechtlich unberechtigt festgesetzten negativen Umsatzsteuer.

12  Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13  Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

II.

14  Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— ).

15  Es kann dahingestellt bleiben, ob das FA die negative Umsatzsteuer zu Unrecht an die GmbH gezahlt hat. Denn solange die den Zahlungen zugrunde liegenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide —wie im Streitfall— Geltung haben, ist weder ein Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO ) noch ein etwaiger Haftungsanspruch (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO ) durchsetzbar.

16  1. Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner) —wie der Geschäftsführer einer GmbH unter den Voraussetzungen der §§ 34 , 69 AO—, kann nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch für die Haftung für einen Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1986 VII R 157/84 , BFH/NV 1987, 618 , unter II.1.).

17  Ist eine Steuer oder eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Für die Finanzverwaltung ergibt sich aus dieser Vorschrift ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch, wenn der Rechtsgrund für eine Steuererstattung von Anfang an fehlt oder später weggefallen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83 , BFHE 155, 40 , BStBl II 1989, 223; vom 14. Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751 , m.w.N.).

18  2. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch des FA nach § 37 Abs. 2 AO nicht erfüllt sind. Denn die Vorsteuerbeträge sind nicht ohne rechtlichen Grund an die GmbH gezahlt worden.

19  a) Ob eine Steuer oder eine Steuervergütung i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, richtet sich regelmäßig nach den zugrunde liegenden Steuerbescheiden. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO ) sind die Steuerbescheide; die Steueranmeldungen (§ 168 AO ) stehen den Steuerbescheiden gleich (§ 218 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO ; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 52/83 , BFHE 149, 440 , BStBl II 1988, 521; vom 28. November 1990 V R 117/86, BFHE 163, 112 , BStBl II 1991, 281).

20  b) Im Streitfall ist danach der rechtliche Grund für die Auszahlung der Umsatzsteuer (Vorsteuerüberschüsse) an die GmbH deren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April, Juni bis September und Dezember 2004. Diese Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO ) stehen grundsätzlich jeweils einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO ). Da die Steueranmeldungen in den einzelnen streitbefangenen Voranmeldungszeiträumen jeweils zu Steuervergütungen führten, trat diese Folge jeweils mit der Zustimmung des FA (vgl. § 168 Satz 2 AO ) ein, die spätestens konkludent in der Auszahlung der Erstattungsbeträge zu sehen ist.

21  Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, hat das FA diese Steuerbescheide nicht wirksam aufgehoben. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat sich das FG davon überzeugt, dass der Zugang der Aufhebungsbescheide vom 12. September 2005 und der entsprechenden Abrechnungen nicht nachgewiesen ist. Die angebliche Bekanntgabe der Bescheide erfolgte mit einfachem Brief. Ein Empfangsnachweis liegt nicht vor. Der Kläger hat den Zugang bestritten. Anhaltspunkte aus dem anderweitigen Schriftverkehr für den Erhalt des Schreibens sind nicht ersichtlich.

22  c) Aber auch soweit der VII. Senat des BFH im Rahmen der Beurteilung, ob i.S. des § 37 Abs. 2 AO „ohne rechtlichen Grund” gezahlt wurde, auf das materielle Steuerrecht abstellt (vgl. auch Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung , Finanzgerichtsordnung , § 37 AO Rz 27 ff.; Ratschow in Klein, AO , 11. Aufl., § 37 Rz 3 ff.) rechtfertigt dies im Ergebnis keine abweichende rechtliche Würdigung.

23  Danach ist der Steuererstattungsanspruch zwar bereits mit der Zahlung eines nach materiellem Recht nicht geschuldeten Betrages entstanden. Für die Durchsetzung (Verwirklichung) des materiell bereits entstandenen Erstattungsanspruchs bedarf es jedoch auch nach dieser Auffassung der vorherigen Änderung einer bestehenden, dem materiellen Steuerrecht widersprechenden Steuerfestsetzung (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1994 VII R 109/93 , BFH/NV 1994, 839 ; vom 15. Oktober 1997 II R 56/94, BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796; vom 29. Oktober 2002 VII R 2/02, BFHE 200, 88 , BStBl II 2003, 43, unter II.2.b; vgl. ferner BFH-Urteile vom 29. Januar 1991 VII R 45/90 , BFH/NV 1991, 791 ; vom 6. Februar 1996 VII R 50/95, BFHE 179, 556 , BStBl II 1997, 112).

24  Denn unabhängig von der Frage der Entstehung des Erstattungsanspruchs kommt eine Rückforderung materiell zu viel entrichteter Steuer nur dann in Betracht, wenn eine entgegenstehende Steueranmeldung, die gemäß § 218 Abs. 1 Satz 2 AO einem Steuerbescheid gleichsteht, aufgehoben oder geändert worden ist. Dies ergibt sich aus § 218 Abs. 1 AO (vgl. BFH-Urteile vom 6. Februar 1990 VII R 86/88 , BFHE 160, 108 , BStBl II 1990, 523; in BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796). Der Steueranspruch entsteht zwar nach § 38 AO mit der Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, durch den Steuerbescheid wird jedoch erst die Grundlage für die Verwirklichung des Steueranspruchs geschaffen (§ 218 Abs. 1 AO ). Der —ggf. materiell unrichtige— Steuerbescheid beeinflusst zwar nicht die materielle Höhe des Steuererstattungsanspruchs, solange er jedoch besteht, legt er fest, ob und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796; in BFHE 200, 88 , BStBl II 2003, 43, unter II.2.b). Dem Steuererstattungsanspruch des FA stehen daher die bestehenden —wenn auch ggf. materiell unrichtigen— Steueranmeldungen entgegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796; in BFHE 200, 88 , BStBl II 2003, 43, unter II.2.b).

25  d) Aus dem vom FA angeführten Beschluss des BFH vom 21. Mai 2004 V B 212/03 (BFH/NV 2004, 1368 ), wonach die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners nicht voraussetzt, dass die Steuerschuld gegen den Erstschuldner bereits festgesetzt wurde (vgl. auch § 191 Abs. 3 Satz 4 AO ), ergibt sich keine abweichende Beurteilung, da dem Beschluss ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Dort sind wirksame Änderungsbescheide gegenüber der Rechtsnachfolgerin der GbR ergangen —und entgegen der Auffassung des FA nicht (ebenfalls) aufgehoben worden—, woran es in dem hier zu entscheidenden Streitfall gerade fehlt.

26  e) Ohne Erfolg beruft sich das FA ferner auf das BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 VII R 98/98 (BFHE 190, 25 , BStBl II 2000, 486).

27  Nach diesem Urteil kann der Haftungsschuldner auch nach Ergehen des Umsatzsteuer-Jahresbescheids gegenüber dem Steuerschuldner noch durch Haftungsbescheid für rückständige Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn die Haftungsvoraussetzungen (nur) bezüglich der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen vorlagen.

28  Der BFH hat unter II.2. der Urteilsgründe zwar u.a. ausgeführt, die Festsetzung des Steueranspruchs gegenüber dem Steuerschuldner sei für die Inanspruchnahme des Haftenden ohne Bedeutung; denn die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners setze nicht voraus, dass die Steuerschuld gegen den Erstschuldner festgesetzt worden sei; ausreichend sei, dass der Primäranspruch gegen die GmbH bei Erlass des Haftungsbescheids bzw. im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diesen noch bestehe.

29  Diese Aussagen haben aber nicht die ihnen vom FA beigelegte Bedeutung für den hier gegebenen Sachverhalt, dass gegen einen Dritten ein Haftungsbescheid wegen einer Steuerschuld einer GmbH erlassen wurde, die nach Lage der gegen die GmbH ergangenen Steuerbescheide gar nicht bestand.

30  3. Der erkennende Senat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan (GVPL) des BFH für die Entscheidung der Sache zuständig.

31  a) Die Zuständigkeit des XI. Senats des BFH ergibt sich aus der allgemeinen Senatszuständigkeit für Fragen aus dem Rechtsgebiet der Umsatzsteuer für Steuerpflichtige mit den Anfangsbuchstaben L bis Z (Buchst. A, XI. Senat Nr. 1 GVPL).

32  In Haftungsfällen richtet sich die Zuständigkeit nach II. Nr. 7 der Ergänzenden Regelungen des GVPL nach dem Namen des Steuerschuldners, in dessen Person die Steueransprüche entstanden sind. Trägt die Firma des Steuerschuldners —wie hier— die Firma der GmbH einen Familiennamen, ist in entsprechender Anwendung des nach II. Nr. 5 Buchst. a der Ergänzenden Regelungen des GVPL der erste Buchstabe des ersten Familiennamens maßgebend, im Streitfall somit der Anfangsbuchstabe M des Familiennamens M…

33  b) Die Zuständigkeit des VII. Senats des BFH nach Buchst. A, VII. Senat Nr. 5 Buchst. b GVPL (Haftung für Umsatzsteuer, wenn diese nicht auf dem Einzelsteuergesetz beruht und Grund oder Höhe der Steuer nicht streitig ist) ist nicht gegeben. Denn der Kläger hat bestritten, dass materiell-rechtlich ein Rückforderungsanspruch des FA gegen die GmbH besteht.

BFH: “Praxisgebühr” nicht als Sonderausgabe abziehbar

BFH-Urteil vom 18.07.2012 – X R 41/11

Presseerklärung des Bundesfinanzhofs (BFH) Nr. 58:

“Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11 entschieden, dass die Zuzahlungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 28 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch, die sog. “Praxisgebühren”, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können.

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Steuerpflichtige “Beiträge zu Krankenversicherungen” als Sonderausgaben abziehen. Darunter fallen jedoch nur solche Ausgaben, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen, also letztlich der Vorsorge dienen.

Bei der “Praxisgebühr” ist dies nicht der Fall, da der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig von der Zahlung der “Praxisgebühr” gewährt wird. Sie stellt vielmehr eine Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten dar.

Ob “Praxisgebühren” als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG in Form von Krankheitskosten geltend gemacht werden können, konnte der BFH offenlassen. Im Streitfall wurde die dem Kläger zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) nicht erreicht. Die Zahlungen hätten sich schon aus diesem Grund bei ihm steuerlich nicht auswirken können.”

Bundesfinanzhof (BFH)

Einkommensteuer | Schadensersatzzahlung als Werbungskosten (FG)

Bei Verrat von Betriebsgeheimnissen durch einen leitenden Angestellten an einen Wettbewerber des Arbeitgebers kein Werbungskostenabzug für vergleichsweise geleistete Schadensersatzzahlung zur Einstellung des Strafverfahrens

 Leitsatz

1. Hat ein im Einkauf tätiger leitender Angestellter Betriebsgeheimnisse seines ehemaligen Arbeitgebers (u.a. Preislisten, Angebote) unbefugt einem Konkurrenten verraten, an dessen Unternehmen er verdeckt mit knapp 25 % beteiligt war, und wurde das deswegen eingeleitete Strafverfahren u.a. nur deswegen nach § 153a StPO eingestellt, weil der Angestellte sich im Rahmen eines Vergleichs zu einer Wiedergutmachungs-Zahlung von 250.000 DM an seinen ehemaligen Arbeitgeber verpflichtet hat, so ist der Werbungskostenabzug dieser Zahlung zwar grundsätzlich nicht nach § 12 Nr. 4 EStG ausgeschlossen.

2. Ein Werbungskostenabzug im Rahmen der nichtselbstständigen Einkünfte ist aber ausgeschlossen, wenn die die Schadensersatzzahlungen auslösenden, schuldhaften Handlungen des Arbeitnehmers auf privaten Umständen beruhen. Solche privaten Umstände sind zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer unbefugt Betriebsgeheimnisse verrät und die für die Schadensersatzzahlung ursächlichen Handlungen somit außerhalb der beruflichen Aufgabenerfüllung des Arbeitnehmers liegen.

3. Ein Werbungskostenabzug der Schadensersatzzahlung im Zusammenhang mit der Beteiligung des Arbeitnehmers von knapp 25 % am Unternehmen des Konkurrenten, einer GmbH, scheidet aus, wenn der Arbeitnehmer von dieser GmbH niemals Zahlungen erhalten und seine Beteiligung an dem Unternehmen des Konkurrenten zum Nennbetrag an diesen zurückverkauft hat, ohne jemals Gewinnausschüttungen usw. aus der Beteiligung erhalten zu haben.

4. Hat der Arbeitnehmer die Weitergabe der Informationen nicht von einer Gegenleistung des Empfängers abhängig gemacht und eine solche auch nicht erhalten, hat er auch keine gewerblichen oder sonstigen Einkünfte erzielt, in deren Rahmen die Schadensersatzzahlung als Betriebsausgaben geltend gemacht werden könnten.

 Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 2
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 20 Abs. 1
EStG § 22 Nr. 3
EStG § 15
EStG § 4 Abs. 4
EStG § 12 Nr. 4
StPO § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1
StPO § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der BG GmbH & CO in W. (M.); die Klägerin war dort ebenfalls angestellt. Die Kläger erzielten zudem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) sowie aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG).

Mit der beim Finanzamt O. I. in 2003 eingereichten Steuererklärung beantragte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Streitjahr 2001 u.a. 250.000 DM aus einem Vergleich und 34.131 DM Rechtsanwaltskosten zum Abzug als Werbungskosten zuzulassen. Das Finanzamt O. I. setzte die Einkommensteuer 2001 mit Bescheid vom 11. Dezember 2003 auf 87.622,13 EUR fest. Die beantragten Werbungskosten berücksichtigte das Finanzamt nicht, da diese mit dem Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zusammenhang gestanden hätten.

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur wegen des Abzugs von hier nicht streitigen Steuerberatungskosten Erfolg. Mit der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2006 wurde die Einkommensteuer auf 87.162,48 EUR herabgesetzt und der Einspruch im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens wurde der Bescheid am 14. September 2011 nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geändert und nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO für endgültig erklärt.

Die Aufwendungen in Höhe von 250.000 DM resultieren aus einem Vergleich zwischen der Firma B. GmbH & Co KG (dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers), dem Kläger und einem Herrn P. (vgl. Blatt 12 ff der Prozessakte). Danach musste der Kläger diesen Betrag an B. zur Erledigung aller Rechtsstreitigkeiten, die aus dem früheren Angestelltenverhältnis resultieren, zahlen. Voraussetzung war, dass die beim Amtsgericht D. anhängigen Strafverfahren (u.a. gegen den Kläger) mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt werden. Sowohl der Kläger als auch B. verpflichteten sich, die wechselseitig beim Arbeitsgericht Bn. anhängig gemachten Verfahren wegen Zahlung restlichen Gehalts sowie wegen Schadenersatz unter den Aktenzeichen 4 a CA 4137/97, 4 a Ca 4225/97, 4 a Ca 4018/99 und 4 a Ca 4019/99 zurückzunehmen.

Gleichfalls musste der Kläger die beim Landesarbeitsgericht anhängige Berufung unter dem Aktenzeichen 1 O 2466/98 zurücknehmen. B. verpflichtete sich, alle notwendigen Erklärungen abzugeben, um die durch Arrestbefehl und Beschluss des Landgerichts O. (8 O 828/97) belasteten Grundstücke freizugeben, insbesondere indem die Löschungsbewilligungen hinsichtlich der Sicherungs- und Höchstbetragshypotheken für ein Grundstück in L., D.-Str. und ein Grundstück in Bs., D.Str. erklärt werden.

Aus den Unterlagen des vormals zuständigen Finanzamtes W. ergibt sich Folgendes:

Nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft O. (Auszüge aus Anklageschrift, Blatt 20 ff der Veranlagungsakte) war der Kläger als leitender Angestellter von 1988 bis 1997 bei B. beschäftigt gewesen. Diese Firma stellt Stahlerzeugnisse für den Straßenbereich her. Der Kläger hatte eigenverantwortlich den Einkauf der Gießereiprodukte im Ausland betreut. Zu seinem Aufgabenfeld hatte die Erarbeitung von technischen Vorgaben, die Absprache der Preise mit Auslandslieferanten und staatlichen Agenturen sowie die Prüfung und Abnahme der bestellten und gelieferten Gießereiprodukte gehört. Der Kläger soll sich etwa 1994 entschlossen haben, in einen geschäftlichen Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber zu treten. In Ausführung dieses Plans habe er sich mit anderen über einen Treuhandvertrag als stiller Gesellschafter an der P. I. GmbH (P. GmbH) beteiligt. Aus dem Auszug eines Treuhandvertrages ergibt sich, dass Herr P. zunächst alleiniger Gesellschafter bleiben sollte, jedoch u.a. einen Anteil in Höhe von 33.100 DM des Stammkapitals in Höhe von 134.000 DM gegen eine Einlage in Höhe von 16 TDM für den Kläger als Treugeber halten sollte. Anschließend habe der Kläger dann im Einzelnen benannte, ihm über seine Arbeit zugängliche Informationen über Preislisten, Angebote und Zeichnungen der P. GmbH mitgeteilt.

Der Kläger führte hierzu gegenüber Vertretern des Finanzamtes W. näher aus, dass durch seinen Einfluss die Umsätze der P. GmbH seit 1995 deutlich gesteigert worden seien, und erstellte hierzu eine Aufstellung über die von der P. GmbH getätigten Umsätze, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen seien (Blatt 27 ff der Veranlagungsakte). Angesprochen auf fehlende Ausschüttungen hatte der Kläger angegeben, dass er sich zunächst entschieden hatte, das Geld erst einmal in der Gesellschaft zu lassen. Er könne jedoch jederzeit eine Ausschüttung initiieren. Die Staatsanwaltschaft O. habe ihn in der Anklageschrift sogar als faktischen Geschäftsführer angesehen. Die Anklageschrift in der Strafsache wegen Untreue und Verrat von Geschäftsgeheimnissen war dem Kläger vom Amtsgericht D. im Oktober 2000 übermittelt worden (Blatt 53 der Prozessakte).

Im März 2001 hatte das Amtsgericht D. mitgeteilt, dass eine Einstellung nach § 153 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO nur gegen Zahlung der 250.000 DM in Betracht kommen könne. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2001 hat das Amtsgericht die Strafsache NZS 8 Ls VII 64/00 u.a. gegen den Kläger wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das UWG gemäß § 153 Abs. 2 StPO vorläufig und sodann nach der unwiderruflichen Zahlung der 250.000 DM aus dem o.g. Vergleich zur Schadenswiedergutmachung endgültig eingestellt (Blatt 126 der Prozessakte).

Zur Zahlung der 250.000 DM gab der Kläger an, dass mit seinem aktuellen Arbeitgeber besprochen worden sei, dass er im Voraus für fünf Jahre eine Tantieme in Höhe dieses Betrages erhalten könnte; wegen der abzuführenden Lohnsteuer könnte über den Rest ggf. ein Darlehen geschlossen werden (vgl. Vorsprache vom 23. Mai 2001, Blatt 25 f der Veranlagungsakte). Ausweislich eines mit der Klageschrift eingereichten Kontoauszugs für das Konto-Nummer A) bei der DC.-Bank AG sind unter dem 16. Mai 2001 250.000 DM von der As. GmbH & Co an die Prozessvertreter des Klägers überwiesen worden.

Der frühere Steuerberater hatte gegenüber dem Finanzamt W. im dort geführten Verfahren wegen Ermäßigung der Lohnsteuer die Berücksichtigung dieser Zahlung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen beantragt und hierzu ausgeführt, dass der Kläger mit einem Anteil am Stammkapital der P. GmbH in Höhe von 24,66 % beteiligt gewesen sei und die Geschäftsgeheimnisse an die P. GmbH weitergegeben habe, um über die Ausschüttungen bei der P. GmbH davon profitieren zu können. Bei der Zahlung von 250 TDM handle es sich um Schadensersatz, der ausschließlich durch die Absicht zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen verursacht worden sei. Darauf, ob der Kläger tatsächlich Einkünfte aus Ausschüttungen erzielt habe, komme es nicht an.

Das Finanzamt W. folgte den Einlassungen des Klägers nicht. Der Prozess habe nicht dem Erwerb oder der Erhaltung einer Einkunftsquelle bei der P. GmbH, sondern der Abwehr des Vorwurfs der Untreue gedient. Ein Zusammenhang zwischen Umsatzsteigerung und Einkünften aus Kapitalvermögen liege nicht vor, weil der Kläger kein Mehrheitsgesellschafter gewesen sei. Auch den nachfolgenden Antrag, die 250 TDM im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen, lehnte das Finanzamt W. mit der Begründung ab, dass der Kläger seinen Anteil erst nach Auferlegung der Geldstrafe zum Nominalwert veräußert habe (vgl. notarielle Urkunde vom 6. November 2001 über den Anteilsverkauf für 16 TDM, Blatt 48 ff der Veranlagungsakte).

Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, dass die Zahlung des Ablösebetrages zu Werbungskosten geführt habe. B. habe durch einen anderen Arbeitnehmer von der Beteiligung erfahren und daraufhin die Ansicht vertreten, dass der Kläger gegen Konkurrenzverbote verstoßen habe. Zahle der Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber zur Abgeltung oder wegen der Verletzung eines Konkurrenzverbotes eine Vertragsstrafe, seien dies entweder Werbungskosten aus einer laufenden Tätigkeit, wenn die Zahlung die Beendigung des Dienstverhältnisses bewirken soll, oder nachträgliche Werbungskosten, wenn die Zahlung nach Beendigung des Dienstverhältnisses geleistet werde. Die Zahlung des Klägers habe das Ziel gehabt, das Arbeitsverhältnis zu beenden und zu erreichen, dass Konkurrenzverbote nicht einschlägig sein können. Der Arbeitgeber habe gleichzeitig keine Gegenansprüche mehr verfolgt. Da der Kläger endlich wieder eine Anstellung als Führungskraft in einem Konkurrenzunternehmen annehmen wollte, sei er gezwungen gewesen, die Vergleichszahlung zu leisten. Die Firma B. habe den Kläger in der Öffentlichkeit herabgesetzt, insbesondere sei in dem Konkurrenzunternehmen vor der angeblichen Illoyalität gewarnt worden (Zeugnis eines Herrn Z., leitender Angestellter der Firma P., Kl.).

Eine bewusste Schädigung des Arbeitgebers habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe seine Arbeitskraft weiter der Firma B. zur Verfügung gestellt. Die P. GmbH habe nicht in Konkurrenz zu seinem damaligen Arbeitgeber gestanden. Der Kläger habe dort auch keine Geschäftsführertätigkeiten ausgeführt. Der Kläger sei nicht verurteilt worden. Aus der Anklageschrift vom 5. Oktober 2000 könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Auch die Staatsanwaltschaft habe beabsichtigt, das Verfahren einzustellen. Erst aufgrund von Beschwerden seitens B. seien weitere Ermittlungen aufgenommen worden. Auch zivilrechtlich habe B. seine Forderungen nicht durchsetzen können. In dem anhängigen Zivilverfahren sei B. der Hinweis erteilt worden, dass Anhaltspunkte für Schadenersatzansprüche nicht vorliegen würden. In keinem der anhängigen Verfahren sei eine Entscheidung getroffen worden (Zeugnis des damaligen Bevollmächtigten Dr. Fe., zu laden über die Kanzlei Im. & Partner, Bn.). Nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten sei es B. letztlich um das Entfernen eines langjährigen Mitarbeiters gegangen, dem man keine Abfindung zahlen wollte. Zu diesem Zweck habe man den Vorwurf der Untreue erhoben und den Kläger mit einer Vielzahl von Verfahren überzogen. Insbesondere das Einfrieren des gesamten Vermögens des Klägers mittels einstweiliger Verfahren habe die Voraussetzung dafür geschafft, dass der Kläger sich zur Zahlung einer Abstandszahlung bereit gefunden habe.

Ergänzend werde vorgetragen, dass der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erziele. Da die Firma B. sämtliche Immobilien mit Arrest- und Sicherungshypotheken (vgl. Grundbuchauszüge Blatt 62 ff der Akte) überzogen habe, die den Verkehrswert deutlich überstiegen hätten, habe der Kläger zunächst einstweilige Abwehrmaßnahmen ergreifen müssen. Da diese nicht erfolgreich verliefen, habe der Kläger sich auch unter diesem Gesichtspunkt zur Zahlung der Ablöse veranlasst gesehen. Die Höhe des Vergleichsbetrages stehe in keinem Verhältnis zu den von der Firma B. erhobenen Forderungen. Der Umstand, dass der Kläger nur Mieteinnahmen aus dem Haus in der D.-Str. in L. erzielt habe, stünde dem nicht entgegen. Hinsichtlich sämtlicher Häuser sei seine Verfügungsgewalt nicht mehr gegeben gewesen. Diese Aufwendungen stünden damit auch im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Der Kläger gehe davon aus, dass B. die Zahlung der Steuer unterwerfen musste; auch aus diesem Grund sei der Abzug als Werbungskosten zuzulassen. Auch habe das Finanzamt W. bereits der Berücksichtigung der Vergleichszahlung als Werbungskosten zugestimmt, vorausgesetzt der Kläger gebe die Beteiligung an der P. GmbH zurück (Zeugnis Hlm., damaliger Steuerberater, W.).

Zuletzt haben die Kläger unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 VI R 37/06 geltend gemacht, dass das Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG dann nicht bestehe, wenn die streitigen Zahlungen zum Ausgleich von Schäden geleistet worden seien. So verhalte es sich im Streitfall. Wenn überhaupt, handle es sich um eine Auflage im strafrechtlichen Verfahren nach § 153 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, die nach der neueren Rechtsprechung dem Werbungskostenabzug zugänglich sei.

Hingewiesen auf die mögliche Abzugsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen hatten die Kläger – abweichend von ihrer Steuererklärung – eine Aufstellung über entstandene Kosten für diverse Verfahren eingereicht und beantragt, den ermittelten Betrag von umgerechnet 43.027,13 EUR abzüglich 12.564,18 EUR = 30.462,95 EUR nach § 33 EStG zum Abzug zu bringen. Dieser Aufstellung ist ein Schreiben des Rechtsanwalts vom 23. Januar 2002, wonach die D. Versicherung die Kosten in Sachen „Abgeschlossene Arbeitsrechtssache / B.A. GmbH & Co” nicht übernehmen werde. Die D. hatte am 21. Januar 2002 mitgeteilt, dass der Kläger nicht bei seiner Frau mitversichert sei, da er den überwiegenden Teil seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit beziehe.

Die Kläger beantragen, den Bescheid vom 14. September 2009 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2001 auf 25.897,45 EUR herabgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzulehnen.

Bei den Rechtsstreitigkeiten mit dem ehemaligen Arbeitgeber sei es um den Vorwurf der Untreue und des Verrats von Geschäftsgeheimnissen zum Nachteil des Arbeitgebers gegangen. Aus diesem Grund könne die Annahme des Klägers, dass eine bewusste Schädigung des Arbeitgebers nicht vorgelegen hätte, nicht geteilt werden. Im Falle der Veruntreuung bzw. des Verrats von Geschäftsgeheimnissen werde eine solche Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen; derartige Handlungen könnten nicht mehr als im Rahmen der beruflichen Zielvorstellung des Klägers angenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1987, BFH/NV 1988, 353). Soweit die Kläger vortragen würden, dass die Zahlung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Ziel gehabt hätte, fehle es bereits an einem Zusammenhang mit dem Erwerb, der Sicherung bzw. Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Zu dem erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Zusammenhang der Vergleichzahlung mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei anzumerken, dass der Kläger lediglich aus einem Objekt in der D.-Str. (L.) Mieteinnahmen erklärt habe. Der Vortrag sei nicht geeignet, den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang darzustellen.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2007 hat das Finanzamt angezeigt, dass aufgrund der Umstrukturierung der L.er Finanzämter die örtliche und sachliche Zuständigkeit nach § 17 FVG auf das neue Finanzamt L. übergegangen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, auf die dem Gericht vorliegenden Akten des Finanzamtes sowie auf den protokollierten Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2011 und 29. Februar 2012 Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe

Die Klage, die sich nach gesetzlichem Beteiligtenwechsel nunmehr gegen das Finanzamt L. richtet und nach § 68 FGO allein den Bescheid vom 14. September 2011 zum Gegenstand hat, ist überwiegend unbegründet.

Die Kläger können die an B. gezahlten 250.000 DM und dem folgend die Rechtsanwaltskosten nicht als Werbungskosten geltend machen. Das ergibt sich zwar nicht bereits aus § 12 Nr. 4 EStG. Es fehlt jedoch an einem nachweislichen und anzuerkennenden Zusammenhang mit Einnahmen im Sinne des § 9 EStG. Die Klage ist jedoch insoweit begründet, als nachgewiesene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 34.131 DM als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

1. Das Gericht geht zunächst davon aus, dass die Kläger im Streitjahr 250.000 DM an B. gezahlt haben. Der Umstand, dass nicht die Kläger, sondern die As. GmbH den Betrag von 250.000 DM (über den damaligen Prozessbevollmächtigen) an B. überwiesen hatte, ist unschädlich, weil die As. diese als Lohn behandelt und der Lohn- bzw. Einkommensteuer unterworfen hatte.

2. Die Kläger gehen zudem zutreffend davon aus, dass dem Abzug der Aufwendungen die Regelung in § 12 Nr. 4 EStG nicht entgegen steht. Diese Vorschrift bestimmt, dass in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen, soweit die Auflagen und Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die tat verursachten Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Zahlungen zum Ausgleich von Schäden fallen nicht unter dieses Abzugsverbot; entsprechende Auflagen zeichnen lediglich die zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach, auf die sie angerechnet werden. Betrieblich oder beruflich veranlasster Schadensersatz ist Erwerbsaufwand, der Einkünfte mindernd zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 VI R 37/062, BStBl II 2010, 111).

3. Die Kläger können den hier streitigen Aufwand jedoch nicht als Werbungskosten geltend machen. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Für das Vorliegen von Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und der Zuweisung dieses Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.

3.1. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG ist eine berufliche Veranlassung anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden. Diese Grundsätze gelten auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit demselben erbringen muss. In einem solchen Fall muss bereits zu einem Zeitpunkt, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt wird, der dargestellte berufliche Zusammenhang bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23). Für die steuerrechtliche Beurteilung ist maßgeblich, ob das dem Geldabfluss zugrunde liegende Ereignis in nicht nur unbedeutenden Maße auf einer privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Veranlassung beruht (vgl. BFH-Beschluss des Großen Senats vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BStBl II 1978, 105). Zwar können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten oder Betriebsausgaben führen. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die – die Aufwendungen auslösenden – schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft, oder wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einem Dritten durch die schädigenden Handlung bereichert hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 VI R 35/96, BStBl II 2004, 641). Die bewusste Schädigung des Arbeitgebers ist das Gegenteil dessen, wozu sich der Arbeitnehmer im Dienstvertrag verpflichtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1987, BFH/NV 1988, 353), unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer mit seiner Handlung einen weitergehenden beruflichen Zweck, etwa die eigene Bereicherung oder die einer ihm nahe stehenden Person, verfolgt.

a) Wurden – wie im Streitfall – gegenüber dem Kläger als ehemaligen Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche damit begründet, dass dieser Betriebsgeheimnisse unbefugt weitergegeben hat, so liegt die den Schadensersatz begründende Handlung außerhalb der beruflichen Aufgabenerfüllung. Denn es gehört nicht zu den beruflichen Aufgaben eines bei einem Unternehmen Beschäftigten, ihm im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraute oder ihm zugänglich gewordene Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an andere zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitzuteilen (§ 17 Abs. 1 UWG). Im Streitfall hatte der Kläger Kenntnisse, die ihm als Beschäftigter bei B. zugänglich geworden waren, unbefugt an die P. GmbH weitergegeben. Zwar ist der Kläger nicht verurteilt worden und aus der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO können keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Das Gericht hat jedoch schon deshalb keinen Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich Geschäftsgeheimnisse weitergegeben hatte, weil er selbst hierzu umfangreich gegenüber dem Finanzamt W. vorgetragen und darüber hinaus im Einzelnen angegeben hatte, welche Umsätze der P. GmbH unmittelbar auf die von ihm zur Verfügung gestellten Informationen zurückzuführen sind. Hiermit stimmt überein, dass die Staatsanwaltschaft O. ebenso Feststellungen zu jedem einzelnen Vorgang getroffen hatte und auf dieser Grundlage Anklage wegen Untreue und Geheimnisverrat erhoben hatte, das Amtsgericht D. nur gegen Zahlung der 250.000 DM zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO bereit war und der Kläger selbst den Vergleich mit B. und der P. GmbH dahingehend akzeptiert hatte, dass er auf die von B. aufgemachten Forderungen Zahlungen in benannter Höhe leisten muss. Demgegenüber erscheinen die vom Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren aufgestellten Behauptungen, dass der Kläger B. überhaupt nicht geschädigt hatte, die P. GmbH kein Konkurrenzunternehmen gewesen sein soll und B. es eher um das Loswerden eines langjährigen Mitarbeiters in leitender Stellung gegangen sei, der möglichst ohne Zahlung einer Abfindung entfernt werden sollte, als Schutzbehauptungen, für die es schon in Anbetracht der vom Kläger auf sich genommenen Zahlungsverpflichtungen an einer nachvollziehbaren Grundlage mangelt. Das Interesse des Klägers zielte augenscheinlich auf die Einstellung des Strafverfahrens, denn der Vergleich mit B. und der P. GmbH stand ausdrücklich unter der aufschiebenden Bedingung, dass die beim Amtsgericht D. anhängigen Strafverfahren wegen Untreue und Verrat von Geschäftsgeheimnissen durch das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt werden sollen. Auf eine Verurteilung wollte der Kläger es augenscheinlich nicht ankommen lassen.

b) Aus dem Umstand, dass der neue Arbeitgeber dem Kläger die Zahlung der 250.000 DM erst ermöglicht hatte, kann der Kläger hinsichtlich eines Abzugs als Werbungskosten nichts herleiten. Dies wäre evident, wenn As. den Zahlungsbetrag nicht als Lohn, sondern z.B. darlehensweise überlassen hätte. Die Finanzierung durch As. schafft überhaupt erst den Grund, die Zahlung dem Kläger zuzuordnen. Dass As. die Zahlung als Lohn angesehen und dementsprechend versteuert hat, ermöglichte den Betriebsausgabenabzug bei der Firma und bedeutete für den Kläger eine Vorauszahlung für noch zu erbringende Arbeitsleistungen. Es mag zwar zutreffend gewesen sein, dass es dem Kläger um die Beendigung der Streitigkeiten mit B. auch deshalb gegangen war, um in Ruhe die neue Tätigkeit ausführen zu können und um der Gefahr zu entgegnen, dass B. sein Ansehen bei Konkurrenten beschädigt. Die insoweit nachzuvollziehenden Motive ändern indes nichts an dem einmal hergestellten Veranlassungszusammenhang zwischen der Tätigkeit bei B. und dem sich daraus ergebenden Schadensersatzanspruch. Insoweit spielte die Neueinstellung bei As. keine Rolle, denn für die von B. geltend gemachten Schadenersatzansprüche waren Handlungen des Klägers zugunsten einer anderen Firma – nämlich der P. GmbH – die Ursache. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger schließlich vorgetragen hat, dass es B. letztlich um eine abfindungsfreie Kündigung gegangen sei und hierzu eine Flut von Verfahren in Gang gesetzt worden sei, um damit den Kläger letztlich zu einem Vergleich zu zwingen, mag dies im Ergebnis sogar zutreffen, ist jedoch jedenfalls auf die unbefugte Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen zurückzuführen. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu dem vom Prozessbevollmächtigten behaupteten vorsätzlich rechtswidrigem Vorgehen seitens B., das der Kläger hätte gerichtlich aufklären lassen können und auch müssen, zumal wenn es tatsächlich einen gerichtlichen Hinweis wegen eines fehlenden Anspruchs auf Schadensersatz gegeben haben soll. Aus der fehlenden strafrechtlichen Verurteilung kann der Kläger in diesem Zusammenhang nichts herleiten, denn das Amtsgericht D. hätte die Einstellung des Strafverfahrens nicht von der Zahlung des Schadensersatzes abhängig machen können, wenn es den Anspruch für unberechtigt gehalten hätte.

3.2. Der fehlende Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steht dem Abzug der Schadenersatzzahlung bei anderen Einkünften grundsätzlich nicht entgegen. Anders als der Kläger im Vorverfahren behauptet hat, führte die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen beim Kläger indes nicht zu anderweitigen steuerpflichtigen Einkünften. Da der Kläger die Weitergabe der Informationen nicht von einer Gegenleistung des Empfängers abhängig gemacht hatte, liegen weder Einkünfte aus einer sonstigen noch gewerblichen Tätigkeit vor.

Insoweit macht es keinen Unterschied, dass der Kläger die Geheimnisse an die P. GmbH verraten hatte, denn auch die P. GmbH hatte diese Informationen kostenlos erhalten. Der unmittelbare Nutzen der hingegebenen Informationen lag damit bei der P. GmbH und nicht beim Kläger. Der vom Kläger im Vorverfahren behauptete Zusammenhang mit Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus der von ihm im Streitjahr aufgegebenen Beteiligung an der P. GmbH liegt nicht vor. Auch wenn dem Kläger unterstellt werden kann, dass er seine wie auch immer geartete Beteiligung an der P. GmbH ursprünglich mit der Absicht verbunden hatte, aus dieser Beteiligung Einkünfte zu erzielen, ist ihm dies im Ergebnis offenkundig nicht gelungen. Es ist unstreitig, dass es während seiner Beteiligung zu keinen Ausschüttungen gekommen war. Anders als der Kläger noch gegenüber dem Finanzamt W. erklärt hatte, konnte der Kläger aus dieser Beteiligung auch keinen anderweitig messbaren Vorteil erlangen, denn selbst für seine im Streitjahr veräußerte Beteiligung hatte die P. GmbH ihm lediglich den Einstandspreis bezahlt. Spätestens hier hätte es indes nahegelegen, den vom Kläger behaupteten Vorteil aus dieser Beteiligung zu realisieren. Als entscheidend sieht es das Gericht jedoch an, dass das Erzielen von Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht primär durch die Weitergabe der Informationen an die P. GmbH, sondern durch die Beteiligung des Klägers an dieser GmbH bedingt gewesen wäre. Ob etwas anderes ggf. dann angenommen werden könnte, wenn der Kläger – wie bereits vom Finanzamt W. eingewandt – alleiniger oder beherrschender Gesellschafter gewesen wäre und es damit jederzeit in der Hand gehabt hätte, den Mehrwert aus den Informationen über Ausschüttungen zu realisieren, kann im Streitfall allein schon in Anbetracht des tatsächlichen Geschehens dahingestellt bleiben. Eine alternative Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis im Sinne des § 17 EStG scheidet schließlich aus, weil der Kläger nicht als Gesellschafter der P. GmbH in Anspruch genommen worden ist und auch die Hingabe der Informationen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der P. GmbH führen konnte.

3.3. Soweit der Kläger einen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung behauptet hat, fehlt es an einem nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen den bereits in 1997 erfolgten Eintragungen von Höchstbetragshypotheken auf die Grundstücke in L., Z. und Bs. gemäß einem Arrestbefehl des Landgerichts O. vom 27. März 1997 (AZ.: 80828/97) mit Forderungen aus vertraglichen Beziehungen über die Vermietung und Verpachtung bzw. diversen Baumaßnahmen an den Mietgegenständen. Darüber hinaus wäre nur die sog. Vermögensebene betroffen. Auch würden keine nachträglichen Anschaffungskosten vorliegen.

3.4. Da Prozess- und Rechtsanwaltskosten als Folgekosten grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen teilen, die Gegenstand von außergerichtlichen oder auch gerichtlichen Streitigkeiten waren, scheidet auch insoweit ein Abzug als Werbungskosten aus. Anders verhält es sich hingegen mit dem Abzug als außergewöhnliche Belastungen. Es entspricht der neueren Rechtsprechung des BFH, dass solche Kosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG erwachsen können. Voraussetzung ist, dass im jeweiligen Einzelfall die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint und die Kosten selbst notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1426). Dem Gericht lagen insoweit die bereits mit Einreichung der Steuererklärung eingereichten Nachweise und Zahlungsbelege über die in 2001 insgesamt bezahlten 34.131 DM vor. Auch hat das Gericht aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs keinen Zweifel daran, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig war. Schließlich hat die Klägerseite auch einen Nachweis dafür erbracht, dass Versicherungsleistungen nicht abzuziehen sind. Soweit für den Kläger allerdings kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung noch weitere Kosten geltend gemacht worden sind, konnte das Gericht deren Berechtigung schon wegen der fehlenden Belege nicht näher prüfen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Umsatzsteuer | Befreiung von Umsätzen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (EuGH)

Steuerbefreiung von Umsätzen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren

 Leitsatz

1. Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.

2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

3. Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.

 Instanzenzug

BFH v. 28.10.2010 – V R 9/10 EuGH C-44/11

 Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. f und g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 2006/112).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst (im Folgenden: Finanzamt) und der Deutsche Bank AG (im Folgenden: Deutsche Bank), bei dem es insbesondere um die rechtliche Einordnung der von der Deutschen Bank getätigten Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (im Folgenden: Portfolioverwaltung) im Hinblick auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer geht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Art. 56 der Richtlinie 2006/112 bestimmte im entscheidungserheblichen Zeitraum:

„(1) Als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, gilt der Ort, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort:

e) Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern;

…”

4 Art. 135 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a) Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;

f) Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Rechte und Wertpapiere;

g) die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen;

…”

Deutsches Recht

5 § 3a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (im Folgenden: UStG ) lautete in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung:

„Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung abweichend von Absatz 1 dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend. Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen kein Unternehmer und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt.”

6 § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a dieses Gesetzes bestimmte:

„Sonstige Leistungen im Sinne des Absatzes 3 sind: …

a) die sonstigen Leistungen der in § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h und Nr. 10 bezeichneten Art sowie die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten …”.

7 § 4 Nr. 8 Buchst. e und h UStG sieht vor:

„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

e) die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren,

h) die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes;

…”

8 In einem vom Bundesfinanzministerium stammenden Schreiben, einer norminterpretierenden Verwaltungsanweisung, die für die Gerichte nicht bindend ist, heißt es:

„§ 3a Abs. 3 und 4 Nr. 6 Buchst. a UStG ist für die Ortsbestimmung bei einer Vermögensverwaltung nicht anzuwenden. Auch eine unmittelbare Berufung auf Art. 56 Abs. 1 Buchst. e [der Richtlinie 2006/112], wonach sich der Leistungsort in bestimmten Fällen bei ‚Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätzen‘ nach dem Sitz oder der Betriebsstätte des Leistungsempfängers bestimmt, ist nicht möglich. ‚Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze‘ sind Begriffe des Gemeinschaftsrechts und als solche auszulegen. Die [Richtlinie 2006/112] – und bis 31. Dezember 2006 auch die [Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)] – definier[t] zwar nicht, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist. Jedoch enthält die [Richtlinie 2006/112] in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis f … dezidierte Aussagen zur Auslegung dieser Begriffe. Die Vermögensverwaltung ist in diesen genannten Vorschriften nicht aufgeführt. Aus Art. 56 Abs. 1 Buchst. e [der Richtlinie 2006/112] … ergibt sich auch nicht, dass die Vorschrift darüber hinaus weitere Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze umfassen soll.

Die einheitliche Leistung ‚Vermögensverwaltung‘ ist steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG kommt nicht in Betracht, weil die Vermögensverwaltung (Portfolioverwaltung) nicht zu den nach den genannten Vorschriften begünstigten Umsätzen gehört. …”

Sachverhalt und Vorlagefragen

9 Im Jahr 2008 erbrachte die Deutsche Bank selbst und über Tochtergesellschaften Dienstleistungen der Portfolioverwaltung an Kunden, die Anlagen tätigen wollten (im Folgenden: Anleger). Die Anleger beauftragten die Deutsche Bank, Wertpapiere unter Berücksichtigung der von ihnen ausgewählten Anlagestrategievariante nach eigenem Ermessen und ohne vorherige Einholung ihrer Weisung zu verwalten sowie alle hierfür zweckmäßigen Maßnahmen zu treffen. Die Deutsche Bank war berechtigt, über die Vermögenswerte (Wertpapiere) im Namen und für Rechnung der Anleger zu verfügen.

10 Die Anleger zahlten eine jährliche Vergütung in Höhe von 1,8 % des Werts des verwalteten Vermögens. Diese Vergütung setzte sich aus einem Anteil für die Vermögensverwaltung in Höhe von 1,2 % des Werts des verwalteten Vermögens und einem Anteil für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren in Höhe von 0,6 % des Vermögenswerts zusammen. Sie umfasste auch die Konto- und Depotführung sowie die Ausgabeaufschläge für den Erwerb von Anteilen einschließlich der Anteile an Fonds, die durch Unternehmen der Deutschen Bank verwaltet wurden.

11 Jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahrs sowie zum Jahresende erhielt jeder Anleger einen Bericht über den Verlauf der Verwaltung seines Vermögens. Die Anleger hatten das Recht, den Verwaltungsauftrag jederzeit mit sofortiger Wirkung zu beenden.

12 Bei Abgabe ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008 wies die Deutsche Bank das Finanzamt darauf hin, dass sie davon ausgehe, dass ihre Leistungen im Rahmen der Portfolioverwaltung, wenn sie an Anleger im Inland und im übrigen Gebiet der Europäischen Union erbracht würden, nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei seien. Wenn diese Leistungen an Anleger im Drittlandsgebiet erbracht würden, seien sie ihres Erachtens nach § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG nicht steuerbar.

13 Das Finanzamt folgte dieser Argumentation nicht und erließ am 29. April 2009 einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008, in dem es die Umsätze der Portfolioverwaltung für die betreffenden Anleger als steuerbar und steuerpflichtig behandelte.

14 Der von der Deutschen Bank gegen diesen Vorauszahlungsbescheid eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht gab der von der Deutschen Bank hiergegen erhobenen Klage hingegen statt. Das Finanzamt legte gegen das Urteil des Finanzgerichts sodann Revision beim Bundesfinanzhof ein.

15 Der Bundesfinanzhof ist sich insbesondere nicht sicher, wie die Portfolioverwaltung im Hinblick auf Befreiungen von der Mehrwertsteuer einzuordnen ist. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Portfolioverwaltung, bei der ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht,

– nur als Verwaltung von Sondervermögen für mehrere Anleger gemeinsam nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 oder

– als individuelle Portfolioverwaltung für einzelne Anleger nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 (Umsatz, der sich auf Wertpapiere bezieht, oder als Vermittlung eines derartigen Umsatzes) steuerfrei?

2. Welche Bedeutung kommt bei der Bestimmung von Haupt- und Nebenleistung dem Kriterium, dass die Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Verhältnis zur gesonderten Berechnung der Nebenleistung und der Erbringbarkeit der Nebenleistung durch Dritte zu?

3. Erfasst Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen oder auch die Portfolioverwaltung, selbst wenn dieser Umsatz nicht der zuletzt genannten Bestimmung unterliegt?

Zu den Vorlagefragen

Zur zweiten Frage

16 Mit seiner zweiten Frage, die an erster Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Bedeutung bei der Bestimmung der Haupt- und der Nebenleistung im Rahmen einer Portfolioverwaltung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – d. h. einer entgeltlichen Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht – dem Kriterium, dass eine Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Verhältnis zur gesonderten Berechnung der Nebenleistung und der Erbringbarkeit der Nebenleistung durch Dritte zukommt.

17 Zunächst ist festzustellen, dass eine Portfolioverwaltung wie die von der Deutschen Bank im Ausgangsrechtsstreit getätigte mehrere Elemente umfasst.

18 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank, C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnr. 19, sowie vom 10. März 2011, Bog u. a., C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 52).

19 Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine einheitliche Leistung insbesondere dann vorliegt, wenn ein Teil die Hauptleistung, ein anderer Teil aber eine Nebenleistung darstellt, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt (vgl. Urteil vom 15. Mai 2001, Primback, C-34/99, Slg. 2001, I-3833, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20 Allerdings ist zu beachten, dass im Hinblick auf die Mehrwertsteuer auch unter anderen Umständen eine einheitliche Leistung vorliegen kann.

21 Wie der Gerichtshof entschieden hat, liegt eine einheitliche Leistung auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher – wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist – zwei oder mehr Elemente liefert oder Handlungen vornimmt, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 22).

22 Angesichts dieser Ausführungen und um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist davon auszugehen, dass es dem Gericht mit seiner zweiten Frage darum geht, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung der Portfolioverwaltung – eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht – mehrwertsteuerrechtlich einzuordnen und insbesondere zu klären, ob diese Tätigkeit als eine einzige wirtschaftliche Leistung anzusehen ist.

23 Nimmt man im Einklang mit der in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung eine Gesamtbetrachtung dieser Leistung der Portfolioverwaltung vor, wird deutlich, dass sie im Wesentlichen eine Verbindung aus der Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers zum einen und der Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren zum anderen darstellt.

24 Zwar können diese beiden Teile der Leistung der Portfolioverwaltung getrennt erbracht werden. Möglicherweise wünscht ein Anleger nämlich nur eine Beratungsleistung und zieht es vor, selbst über die Anlagen zu entscheiden und sie auch selbst zu tätigen. Dagegen kann ein Anleger, der es vorzieht, selbst über die Anlagen in Wertpapiere zu entscheiden und allgemeiner sein Vermögen zu strukturieren und zu beaufsichtigen, ohne Kaufs- und Verkaufshandlungen vorzunehmen, für die letztgenannte Art von Umsätzen einen Mittler heranziehen.

25 Dem durchschnittlichen Anleger geht es im Rahmen einer Leistung der Portfolioverwaltung wie der von der Deutschen Bank im Ausgangsrechtsstreit erbrachten jedoch gerade um die Verbindung dieser beiden Elemente.

26 Wie die Generalanwältin in Nr. 30 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wäre eine Entscheidung über das optimale Vorgehen bei dem Erwerb, der Veräußerung oder dem Halten von Wertpapieren für die Anleger im Rahmen der Leistung der Portfolioverwaltung nicht von Nutzen, wenn sie nie umgesetzt würde. Sinnlos wäre es auch, ohne Fachkenntnisse und ohne vorherige Marktanalyse Verkäufe oder Käufe je nach Fall zu tätigen oder nicht zu tätigen.

27 Im Rahmen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistung der Portfolioverwaltung sind diese beiden Elemente nicht nur untrennbar, sondern auch als gleichrangig anzusehen. Beide sind nämlich für die Erbringung der Gesamtleistung unerlässlich, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine als Hauptleistung und die andere als Nebenleistung anzusehen ist.

28 Folglich ist davon auszugehen, dass die genannten Elemente so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

29 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass eine Leistung der Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, aus zwei Elementen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.

Zur ersten Frage

30 Mit seiner ersten Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

31 Zu der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Befreiung ist festzustellen, dass der Begriff der Verwaltung von Sondervermögen in der Richtlinie 2006/112 nicht definiert ist. Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass es sich bei den Umsätzen, für die diese Befreiung gilt, um diejenigen handelt, die für die Tätigkeit der Organismen für gemeinsame Anlagen spezifisch sind (Urteil vom 4. Mai 2006, Abbey National, C-169/04, Slg. 2006, I-4027, Randnr. 63).

32 Hierzu ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 375, S. 3) in der durch die Richtlinie 2001/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 (ABl. L 41, S. 35) geänderten Fassung, dass es sich um Organismen handelt, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen liquiden Finanzanlagen zu investieren, und deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens der Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden.

33 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 14 und 15 ihrer Schlussanträge erläutert hat, handelt es sich konkret um gemeinsame Vermögensfonds, in denen zahlreiche Anlagen gebündelt und auf ein Spektrum von Wertpapieren verteilt sind, die sich zur Optimierung der Ergebnisse wirksam verwalten lassen und in deren Rahmen die einzelnen Anlagebeträge verhältnismäßig geringfügig sein können. Derartige Fonds verwalten ihre Anlagen im eigenen Namen und für eigene Rechnung, während der einzelne Anleger einen oder mehrere Anteile an dem Fonds, nicht aber die Anlagen des Fonds als solche besitzt.

34 Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren von der Deutschen Bank erbrachten beziehen sich dagegen im Allgemeinen auf das Vermögen einer Einzelperson, das einen verhältnismäßig hohen Gesamtwert haben muss, damit seine Verwaltung rentabel ist. Der Portfoliomanager kauft und verkauft Anlageprodukte im Namen und für Rechnung des Anlegers, der während der gesamten Dauer des Vertrags und auch bei dessen Beendigung Inhaber der einzelnen Wertpapiere bleibt.

35 Folglich entspricht die von der Deutschen Bank im Ausgangsverfahren getätigte Portfolioverwaltung nicht dem Begriff „Verwaltung von … Sondervermögen” im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112.

36 Zur Reichweite von Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Umsätze, die sich auf Aktien und andere Wertpapiere beziehen, Umsätze sind, die auf dem Wertpapiermarkt bewirkt werden, und dass der Wertpapierhandel Handlungen umfasst, die die rechtliche und finanzielle Lage zwischen den Parteien ändern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 1997, SDC, C-2/95, Slg. 1997, I-3017, Randnrn. 72 und 73, sowie vom 5. Juli 2012, DTZ Zadelhoff, C-259/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22).

37 Die in dieser Bestimmung enthaltene Wendung „Umsätze, … die sich auf … Wertpapiere beziehen” betrifft daher Umsätze, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen (vgl. u. a. Urteile vom 13. Dezember 2001, CSC Financial Services, C-235/00, Slg. 2001, I-10237, Randnr. 33, und DTZ Zadelhoff, Randnr. 23).

38 Wie in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, besteht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung der Portfolioverwaltung im Wesentlichen aus zwei Elementen, und zwar zum einen aus der Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers und zum anderen aus der Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren.

39 Während die Leistungen des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren unter Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 fallen können, gilt dies nicht für die Leistungen der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens, da diese Leistungen nicht zwingend die Bewirkung von Umsätzen voraussetzen, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen.

40 Die Deutsche Bank und die Europäische Kommission sind der Ansicht, dass das Wesen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistung der Portfolioverwaltung im aktiven Umsatz des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren bestehe und dass diese Leistung daher gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 von der Mehrwertsteuer zu befreien sei. Das Finanzamt, die deutsche und die niederländische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs sehen in der genannten Portfolioverwaltung hingegen eine Leistung der Analyse und Beaufsichtigung, für die die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung nicht gelten könne.

41 Aus Randnr. 27 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Elemente, aus denen diese Dienstleistung besteht, zum einen eine Hauptleistung und zum anderen eine Nebenleistung sind, da diese Elemente als gleichrangig anzusehen sind.

42 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe, die zur Umschreibung der in Art. 135 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 genannten Steuerbefreiungen verwendet werden, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. u. a. Urteile vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, Slg. 2003, I-13711, Randnr. 36, und DTZ Zadelhoff, Randnr. 20).

43 Da die genannte Leistung im Hinblick auf die Mehrwertsteuer nur als Ganzes berücksichtigt werden kann, kann sie somit nicht von Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 erfasst werden.

44 Diese Auslegung wird durch die Systematik der Richtlinie 2006/112 bestätigt. Wie die deutsche und die niederländische Regierung vorgetragen haben, betrifft nämlich die nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 befreite Verwaltung von „Sondervermögen” durch spezielle Kapitalanlagegesellschaften eine Form der Verwaltung von aus Wertpapieren bestehendem Vermögen. Wenn diese Form der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren bereits unter die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie festgelegte Steuerbefreiung für auf Wertpapiere bezogene Umsätze fiele, wäre es nicht notwendig gewesen, insoweit eine Befreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie aufzunehmen.

45 Schließlich ist festzustellen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellt. Wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, erlaubt dieser Grundsatz nicht, den Geltungsbereich einer Befreiung ohne eindeutige Bestimmung auszuweiten. Dieser Grundsatz ist nämlich keine Regel des Primärrechts, die für den Umfang eines Befreiungstatbestands bestimmend sein könnte, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen anzuwenden ist.

46 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

Zur dritten Frage

47 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen umfasst, oder ob er auch die Leistung der Portfolioverwaltung erfasst, selbst wenn dieser Umsatz nicht der zuletzt genannten Bestimmung unterliegt.

48 Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 bestimmte, dass als Ort der Dienstleistungen der Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, der Ort gilt, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort.

49 Nach ihrem Wortlaut sollte diese Vorschrift den Ort bestimmen, an dem unter dem Gesichtspunkt der Mehrwertsteuer Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, bewirkt werden. Die genannte Bestimmung enthielt keine Bezugnahme auf die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen. Vielmehr sah sie eine einzige Ausnahme vor, nämlich für die Vermietung von Schließfächern.

50 Die Deutsche Bank, das Finanzamt, die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission sind der Ansicht, dass der Geltungsbereich von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nicht auf den des Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie begrenzt werden könne.

51 Die deutsche Regierung vertritt unter Hinweis auf die Randnrn. 31 und 32 des Urteils vom 22. Oktober 2009, Swiss Re Germany Holding (C-242/08, Slg. 2009, I-10099), die gegenteilige Auffassung. Der Gerichtshof habe in diesem Urteil festgestellt, dass das ordnungsgemäße Funktionieren und die einheitliche Auslegung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems es verböten, die Begriffe „Versicherungsumsätze” und „Rückversicherungsumsätze” in den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, die Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 entsprachen, unterschiedlich zu definieren, je nachdem, ob sie in der einen oder der anderen Vorschrift verwendet würden. Dies müsse entsprechend auch für den Begriff „Finanzumsätze” gelten.

52 Wie die Generalanwältin in Nr. 69 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hängen jedoch die Ausführungen im Urteil Swiss Re Germany Holding damit zusammen, dass in Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 für den Bereich der Versicherung im Wesentlichen identische Formulierungen verwendet wurden, nämlich „Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze” bzw. „Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze”.

53 Dagegen besteht zwischen den Begriffen „Bankumsätze” und „Finanzumsätze” in Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 und den in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b bis g dieser Richtlinie genannten Umsätzen keine entsprechende Verbindung. In keiner der letztgenannten Bestimmungen kamen die Begriffe „Bank-” oder „Finanz-” vor. Die dort genannten Umsätze waren finanzieller Natur, und viele von ihnen wurden wahrscheinlich von Banken getätigt, jedoch nicht ausschließlich. Zudem stellten sie bei Weitem keine erschöpfende Auflistung aller Umsätze dar, die von einer Bank getätigt oder als Finanzumsätze angesehen werden können.

54 Da die von der Deutschen Bank im Ausgangsverfahren getätigte Portfolioverwaltung eine Leistung finanzieller Natur ist und Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 1996, Dudda, C-327/94, Slg. 1996, I-4595, Randnr. 21, sowie Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist davon auszugehen, dass diese Tätigkeit als Finanzumsatz in den Geltungsbereich von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 fällt.

55 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Portfolioverwaltung.

Kosten

56 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1. Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.

2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

3. Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.

Güterichter beim Finanzgericht Münster

Das Präsidium des Finanzgerichts Münster hat Prof. Dr. Alfons Brune, Vorsitzender Richter am Finanzgericht, und Dr. Sabine Haunhorst, Richterin am Finanzgericht, zu Güterichtern bestellt. Beide nehmen künftig neben ihrer originären richterlichen Tätigkeit auch die Aufgaben eines Güterichters wahr.

Das Finanzgericht Münster hat damit von der durch das Mediationsgesetz vom 25. Juli 2012 eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht und sein Angebot im Bereich der einvernehmlichen Streitbeilegung erweitert. Neben dem von den Verfahrensbeteiligten seit vielen Jahren geschätzten Erörterungstermin steht nunmehr für konfliktbehaftete Streitfälle zwischen Steuerpflichtigem und Finanzbehörde auch ein Güteverfahren zur Verfügung. Beantragen die Verfahrensbeteiligten ein entsprechendes Güteverfahren, so kann das Gericht sie für die Güteverhandlung sowie weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter – den Güterichter – verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen, wie es im Gesetz heißt (§ 278 Abs. 5 ZPO, § 155 FGO).

Die Güteverhandlung ersetzt jedoch keinesfalls den im finanzgerichtlichen Verfahren – insbesondere von den Richtern des Finanzgerichts Münster – seit vielen Jahren sehr erfolgreich praktizierten Erörterungstermin, in dem der für den Rechtsstreit zuständige Richter mit den Verfahrensbeteiligten die Sach- und Rechtslage diskutiert und dabei auch die Möglichkeiten einer einvernehmlichen Streitbeilegung prüft (siehe Pressemitteilung Nr. 3 vom 9. Februar 2011).

Die Güteverhandlung ist vielmehr ein ergänzendes Angebot für “spezielle Fälle”. Gemeint sind damit Streitfälle, in denen besondere Konflikte zwischen den Beteiligten bestehen, die über das eigentliche Rechtsproblem hinausgehen. Ist z.B. in “emotionsgeladenen” und “festgefahren” wirkenden Rechtsstreitigkeiten neben steuerlicher Fachkompetenz auch der Einsatz besonderer Konfliktlösungsmethoden “gefragt”, kann der Güterichter eingeschaltet werden. Dieser versucht dann eine Versachlichung des Rechtsstreites zu erreichen und mit den Beteiligten eine einvernehmliche, interessen- und sachgerechte Streitlösung zu finden, so dass der Rechtsfrieden wieder hergestellt wird.

Finanzgericht Münster

Neuer Richter beim Bundesfinanzhof

Der Richter am Finanzgericht Dr. Gregor Nöcker ist am 9. August 2012 vom Bundespräsidenten zum Richter am Bundesfinanzhof ernannt worden und hat am 10. August 2012 seinen Dienst im Bundesfinanzhof (BFH) angetreten.

Dr. Nöcker absolvierte nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war mehrere Jahre in einer Bank tätig. Von 1990 bis 1994 studierte er Rechtswissenschaften und parallel dazu auch Betriebswirtschaft. Das Studium der Betriebswirtschaft schloss Dr. Nöcker 1998 als „Diplom-Kaufmann“ an der Fernuniversität in Hagen ab. Ein Jahr später wurde er zum Dr. jur. promoviert. Von 1997 bis zum Eintritt in die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung am 3. Juli 2000 war er in einer größeren Anwaltssozietät als Rechtsanwalt und ab Januar 2000 nach bestandener Steuerberaterprüfung auch als Steuerberater tätig. In der Finanzverwaltung war er als Sachgebietsleiter in einem Finanzamt eingesetzt. Im August 2002 wechselte Dr. Nöcker als Richter an das Finanzgericht Münster, dem er bis zu seiner Ernennung zum Richter am Bundesfinanzhof angehörte.

Das Präsidium hat Dr. Nöcker dem vornehmlich für die Besteuerung von Einzelgewerbetreibenden und die Rentenbesteuerung zuständigen X. Senat zugewiesen.

Bundesfinanzhof (BFH)

Kosten der Eheschließung mit ausländischem Staatsbürger keine außergewöhnliche Belastung

Steuerpflichtige, denen zwangsläufig größere Aufwendungen entstehen als der überwiegenden Mehrzahl der Bürger, können diese steuermindernd geltend machen. Typischer Fall solcher sogenannter außergewöhnlicher Belastungen sind Krankheitskosten, aber auch Kosten einer Ehescheidung können dazu gehören. Demgegenüber können die Kosten einer Eheschließung nach einem Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. August 2012 (Aktenzeichen 7 K 7030/11) auch dann nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich berücksichtigt werden, wenn sie deshalb besonders hoch sind, weil einer der Ehepartner ausländischer Staatsbürger ist. Im Streitfall hatte die Klägerin einen kanadischen Staatsbürger geheiratet. Neben den üblichen Kosten einer Hochzeit fielen dabei auch u.a. besondere Verwaltungsgebühren und Aufwendungen für Dolmetscherleistungen an; außerdem hatte die Klägerin die Flugkosten des Bräutigams nach Deutschland übernommen. Diese Aufwendungen sind nach Auffassung der Richter des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg zum einen nicht als außergewöhnlich anzusehen, weil eine Eheschließung, auch mit einem ausländischen Staatsbürger, ein häufig vorkommender Vorfall ist; zum anderen seien die Aufwendungen auch nicht zwangsläufig entstanden, weil die Klägerin nicht gezwungen gewesen sei, ihren Partner zu heiraten. Selbst wenn die Ehe im Allgemeinen eine anerkannte und förderungswürdige Institution sei und die Klägerin in ihrem besonderen Fall möglicherweise wegen der erleichterten Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis in Kanada ein besonders Interesse an der Eheschließung gehabt haben mag, so gebe es gleichwohl keinen Anspruch auf eine unbegrenzte Subventionierung von Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Ehe.

FG Rheinland-Pfalz: Aufwendungen eines Arztes für ein Theologiestudium nicht als Fortbildungskosten

“Mit Urteil zur Einkommensteuer 2007 vom 20. Juni 2012 (Az.: 3 K 1240/10) hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zu der Frage Stellung genommen, ob die Aufwendungen für ein Theologiestudium als Fortbildungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit als Arzt zu berücksichtigen sind.

Der Kläger ist in einer Gemeinschaftspraxis als Facharzt für Nuklearmedizin tätig. In seiner Einkommensteuererklärung für 2007 machte er bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in einem med. Versorgungszentrum Aufwendungen für ein Theologiestudium in Höhe von rd. 1.600.-€ als Werbungskosten (WK) geltend. Er erläuterte hierzu, im Rahmen der Patientenbetreuung solle Seelsorge angeboten werden, deswegen habe er das Studium begonnen. Ein Studium mit seelsorgerischer Ausbildung sei bei der Behandlung von zum Teil Schwerstkranken, die mit teilweise dramatisch lebensverändernden Maßnahmen verbunden sei, von Vorteil. Bei vielen Patienten bestehe eine erhöhte Suizidgefahr. Grundlagen für eine adäquate seelsorgerisch/psychologische Betreuung vermittle das Medizinstudium nicht. Im Vergleich mit ärztlichen Wettbewerbern könnten Patienten angemessener betreut werden, was einen Wettbewerbsvorteil darstelle.
Nachdem das Finanzamt (FA) den begehrten Abzug als WK u.a. mit dem Hinweis darauf, dass die Aufwendungen auch eine private Mitveranlassung hätten, abgelehnt hatte, wandte sich der Kläger mit seiner Klage an das Gericht.
Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg.

Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, Aufwendungen für eine solche Bildungsmaßnahme seien als WK abziehbar, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit bestehe. Ob die Bildungsaufwendungen aus beruflichem Anlass getätigt würden oder ob es sich um privat veranlasste Aufwendungen handele, sei anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Im Streitfall habe der Kläger das Theologiestudium nicht begonnen, um einen theologischen Abschluss anzustreben, sondern um seine Kommunikationsfähigkeit beim Umgang mit Patienten in lebensbedrohenden Situationen zu verbessern.
Nach der Beschreibung des Grundaufbaus des Studiums sei – bei den sehr umfangreichen Fachgebieten – für das Gericht jedoch nicht ersichtlich, dass der Aspekt der seelsorgerisch/psychologischen Betreuung überhaupt eine ausschlaggebende Rolle spiele. Die Kompetenzen, die der Kläger mit dem Theologiestudium erlangen möchte, würden in diesem Studium nur am Rande berührt. Die Aspekte, bei denen der Kläger einen Fortbildungsbedarf für seine Berufsausübung sehe, seien bei einem Theologiestudium nur von ganz untergeordneter Bedeutung und die Interessen der übrigen Studierenden seien vollkommen andere, als die des Klägers. An einem objektiv feststellbaren, hinreichend konkreten Zusammenhang der Aufwendungen zu der ärztlichen Tätigkeit des Klägers fehle es demnach im Streitjahr.

In späteren Veranlagungszeiträumen sei allerdings eine Berücksichtigung von WK denkbar, wenn die Inhalte der besuchten Veranstaltungen, bzw. Vorlesungen einen konkreten Bezug zu der ärztlichen Tätigkeit des Klägers aufwiesen und sich somit auf die seelsorgerischen und kommunikativen Aspekte beziehen würden, die der Kläger in seiner Tätigkeit als Nuklearmediziner im Umgang mit Patienten nutzen wolle.

Die Revision wurde nicht zugelassen, das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig geworden.”

FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 20.06.2012 – 3 K 1240/10

Pressemeldung des Gerichts: Finanzgericht Rheinland-Pfalz

 

Aufwendungen für Theologiestudium eines Arztes als Werbungskosten?

 Leitsatz

Ein Facharzt für Nuklearmedizin kann Aufwendungen für ein Theologiestudium auch dann nicht als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit geltend machen, wenn er suizidgefährdete Patienten zu behandeln hat, das Studium jedoch keine dafür qualifizierende Inhalte vermittelt.

 Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1
Verfahrensstand:  Diese Entscheidung ist rechtskräftig

 Tatbestand

Strittig ist, ob die Aufwendungen für ein Theologiestudium als Fortbildungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit als Arzt zu berücksichtigen sind.

Der im Jahr 1961 geborene Kläger ist Arzt und in einer Gemeinschaftspraxis als Facharzt für Nuklearmedizin tätig. In seiner Einkommensteuererklärung 2007 machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in einem medizinischen Versorgungszentrum Aufwendungen für ein Theologie-Studium in Höhe von 1.621 € als Werbungskosten geltend. Der Kläger erläutert hierzu, im Rahmen der Patientenbetreuung solle Seelsorge angeboten werden und aus diesem Grund habe der Kläger ein Theologie-Studium begonnen (Blatt 60 der Einkommensteuerakte). Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom 26. Februar 2009 berücksichtigte der Beklagte die geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten nicht, da die Steuerberaterin des Klägers in einem Telefongespräch angegeben habe, die Aufwendungen sollten als Sonderausgaben angesetzt werden, um den Nachweis für die Berücksichtigung als Werbungskosten nicht erbringen zu müssen. Ein Sonderausgabenabzug komme für die Aufwendungen allerdings nicht Betracht, da es sich um kein Erststudium handele.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren legte der Kläger eine Bescheinigung seines Arbeitgebers, der „B GmbH – Institut für Medizinische Diagnostik” vom 12. Mai 2009 vor, bei der der Kläger Leiter des MVZ in der Betriebsstätte M ist. Ein Studium der Theologie, insbesondere eine seelsorgerische Ausbildung, sei bei der Behandlung von zum Teil Schwerstkranken von Vorteil. Dem Großteil der Patienten stünden große Operationen bevor oder es handle sich um Karzinompatienten (Blatt 83 der Einkommensteuerakte). Nach telefonischen Erkundigungen des Beklagten handelte es sich beim Kläger nicht um den alleinigen Leiter der Betriebsstätte in M, sondern die Leitung erfolgte zusammen mit zwei anderen Nuklearmedizinern (Blatt 84 der Einkommensteuerakte). Nach einem Schreiben der MVZ vom 8. Juni 2009, unterschrieben vom Kläger selbst, werden in dem Zentrum Patienten aus dem gesamten Spektrum der klinischen Nuklearmedizin betreut. Es handle sich sowohl um gutartige als auch um bösartige Erkrankungen. Auch bei den gutartigen Erkrankungen lägen häufig schwere Erkrankungen vor, die Operationen oder sofortige stationäre Behandlungen erforderlich machten und teilweise mit dramatischen lebensverändernden Maßnahmen verbunden seien. Die Patienten befänden sich häufig in einer akuten Notsituation, in der diese besonders intensiv seelsorgerisch/psychologisch betreut werden müssten. Nicht zuletzt bestünde bei vielen der Patienten bei Feststellung einer bösartigen Erkrankung eine hohe Suizidgefahr. Die Grundlagen für eine adäquate seelsorgerisch/psychologische Betreuung und Intervention vermittele das Medizinstudium nicht. Die gesonderte Ausbildung bedeute, dass solche Patienten im MVZ verglichen mit Wettbewerbern angemessener betreut werden könnten, was einen Wettbewerbsvorteil mit entsprechenden finanziellen Auswirkungen darstelle (Blatt 85 der Einkommensteuerakte).

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2010 wies der Beklagte den Einspruch zurück, da zwar eine teilweise berufliche Veranlassung der Aufwendungen angenommen werden könne, die Aufwendungen aber ohne Zweifel in Anbetracht der Vorbildung und des Alters des Klägers auch private Mitveranlassung hätten. Der Kläger habe auch keinen beruflich veranlassten Teil der Aufwendungen nachgewiesen, der eine objektive Aufteilung der Aufwendungen ermögliche. Die Aufwendungen seien daher nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Der Kläger trägt vor, entgegen der Auffassung des Beklagten könnten die Kosten für ein theologisches Zweitstudium, welches unter anderem auch seelsorgerische Fähigkeiten vermittle, nicht generell mit der Berufung auf § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG von einem Werbungskostenabzug ausgeschlossen werden mit der Begründung, dass unter Umständen private -religiöse- Interessen oder Motive persönlicher Selbsterkenntnis bei der Wahl des Studienfaches eine Rolle gespielt haben könnten. Die Inhalte eines Theologie-Studiums ergäben sich aus der Internet-Seite des Studienführers Katholische Theologie – http://www.studienfuehrer-theologie.de/html/xxx.html -. Alle Inhalte des Theologie-Studiums, welche die Seelsorge, mögliche Inhalte von Seelsorge und die Kommunikationsfähigkeit betreffen, gehörten unmittelbar zur ärztlichen Kompetenz. Sie seien objektiv durch den ärztlichen Beruf veranlasst und zur Förderung seiner beruflichen Tätigkeit bestimmt. Als Beispiel sei die Vorlesung mit dem Thema „Daseinsrisiken-Krankheit-Ärztliche Seelsorgerische Verantwortung” angeführt, bei der er selbst die Gelegenheit gehabt habe, einen Vortrag über seine Praxistätigkeit zu halten (Blatt 65ff in der Prozessakte). Wie in allen anderen Studiengängen bestünde das Studium der Theologie auch in der Vermittlung von Basiswissen und Spezialwissen. Man könne nicht einfach sofort in Seelsorge und Pastoral-Vorlesungen „einsteigen”, ohne über das für das Verständnis erforderliche Basiswissen zu verfügen. Die Studienordnung schreibe aus diesem Grund entsprechende Ausbildungsinhalte vor, die entsprechende Basisfächer enthielten, auf denen dann die Spezialgebiete aufbauten. Im Theologie-Studium nehme die Vermittlung von Fertigkeiten der existenziellen Kommunikation und der Seelsorge eine wichtige Stellung ein. Diese seien aber fachlich notwendig eingerahmt von den angrenzenden Wissensgebieten. Die Inhalte des Studiums, welche die sensible Gesprächsführung, die Kommunikation in existenziellen Krisen und die Seelsorge betreffen, seien heute integraler Bestandteil des Arztberufes. Ihre Vernachlässigung verringere die Qualität der ärztlichen Behandlung und Beratung und schmälere die beruflichen Erfolgsaussichten auf dem Arbeitsmarkt. Der seelsorgerische Aspekt bei der Betreuung von Schwerstkranken und Sterbenden sei in der ärztlichen Ausbildung in der Vergangenheit vernachlässigt worden. Die seelsorgerische Betreuung von Patienten sei in der Vergangenheit ausschließlich durch kirchliche Personen, insbesondere Krankenhausseelsorger erfolgt. Durch den Wandel der Gesellschaft im Zuge fortschreitender Säkularisierung und der Abwendung vieler Menschen von den Kirchen sowie dem zunehmenden Mangel an Seelsorgern, insbesondere durch drastische Rückgänge der Priester, ergebe sich eine Unterversorgung von bedürftigen Patienten hinsichtlich eines seelsorgerischen Beistandes und entsprechender Führung. Hinzu komme eine Verlagerung der Patienten aus dem Krankenhaus in den ambulanten Sektor, so dass sich nunmehr hier ein entsprechender seelsorgerischer Betreuungsbedarf ergebe. Gerade im Fachgebiet Nuklearmedizin ergäben sich häufig Situationen, in denen Patienten mit der Diagnose einer bösartigen Erkrankung konfrontiert seien, die einen lebensverändernden Einfluss habe und die dann unmittelbar versorgt und betreut werden müssten. Hierzu bestünde leider nur für Privatpatienten eine einschlägige Abrechnungsziffer. Der steigende Bedarf für seelsorgerisch-kommunikative Kompetenzen im Arztberuf sei inzwischen auch durch eine Veränderung des Berufsbildes und der Ausbildungskonzepte belegbar. In führenden Fachmedien sei zu lesen, dass der gegenwärtige Wandel der Medizin-Didaktik einem veränderten Arztbild der Zukunft Rechnung trage. In der medizinischen Aus- und Fortbildung müssten vor allem Schlüsselqualifikationen vermittelt werden, die eine flexible Anpassung an veränderte Anforderungsprofile erlaubten. Dazu gehörten vor allem Kommunikations-, Kooperations- und Teamfähigkeiten, aber auch Fähigkeiten des Lernens selbst, die im kollegialen Austausch ebenso wie in der alltäglichen Praxis der Patientenversorgung vielfältig unter Beweis zu stellen seien (Literaturnachweise in der Klagebegründung vom 30. April 2010, Blatt 42 der Prozessakte). Die Steigerung der kommunikativen Kompetenz sei inzwischen auch Gegenstand fachärztlicher Fortbildung. Patientenkommunikation sei als professionelle ärztliche Kompetenz zu begreifen. Es sei offensichtlich, dass die rein fachärztliche Kompetenz und Tätigkeit nicht von einer allgemein seelsorgerisch/psychologischen Kompetenz zu trennen sei. Diese gehörten eng zusammen. Mittlerweile werde auch auf Fachseminaren und in der Universitätsausbildung ein breiter Katalog an Themen im Umkreis der Patientenkommunikation und der seelsorgerischen Behandlung von Patienten angeboten. Diese Qualität spiele inzwischen nicht nur für konfessionelle Träger von Gesundheitsdiensten eine Rolle, sondern werde als „Erfahrung im Umgang mit existenziellen Fragen” begriffen. Sie sei eine wichtige Ebene im Arzt-Patienten-Kontakt. Aus dieser Situation heraus habe er sich entschlossen, sich diese Kompetenzen und Fertigkeiten, für die es in der ärztlichen Abrechnung kaum oder keine Abrechnungsziffern im Sinne eines finanziellen Vorteils gebe, in einem Zweitstudium anzueignen. Der Vorteil liege in der höheren Qualität der Leistungen, in einer erhöhten Patientenzufriedenheit und Auslastung der Praxis und in der Steigerung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Er habe sich im Streitjahr zwar zunächst hauptsächlich das Grundwissen für das Absolvieren des Studiums der katholischen Theologie angeeignet, da dieses Grundwissen zum Verständnis der weiterführenden Veranstaltungen erforderlich sei. In späteren Semestern habe er beabsichtigt, die weiterführenden Veranstaltungen zu besuchen, die auf die Verwendung theologischen Wissens in seinem Beruf als Nuklearmediziner zugeschnitten seien. Das erworbene Wissen habe er im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit verwenden wollen. Der Aspekt der seelsorgerischen Betreuung von Patienten finde zunehmend auch bei medizinischen Studien Berücksichtigung. Im Unterschied zu einem Hobby fehle bei einem Theologie-Studium der Bezug zur privaten Lebensführung. Zur Ausübung des persönlichen Glaubens sei ein Theologie-Studium nicht erforderlich. Er verfolge mit dem Theologie-Studium das Ziel einer besonderen beruflichen Qualifikation. Die Wahl der Fortbildungsmöglichkeiten liege allein in seinem Ermessen und können nur von ihm selbst beurteilt werden.

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 26. Februar 2009 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2010 dahin zu ändern, dass die Aufwendungen für das theologische Zweitstudium in Höhe von 1.621 € als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Aufwendungen des Klägers für das Theologiestudium seien überwiegend privat veranlasst. Auf der aktuellen Web-Seite des ärztlichen Zentrums, in dem der Kläger arbeite, werde keinerlei Werbung mit einem besonderen Konzept der Patientenbetreuung aufgrund der theologischen Ausbildung des Klägers gemacht. Daher stünde eine berufliche Veranlassung weit weniger im Vordergrund, als dies der Kläger vortrage. Denn nach drei Jahren Studium sollten die seelsorgerischen Kenntnisse des Klägers bereits ausreichen, um einen entsprechenden Hinweis zu geben, falls damit wirklich Patienten angesprochen werden sollten. Auch sei ein Theologiestudium nicht auf die Kenntnisse, die bei einem Arzt zur Patientenbetreuung erforderlich seien, zugeschnitten. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass ein Theologiestudium auf Studenten zugeschnitten sei, die ein Priesteramt oder ein Lehramt anstrebten. Ebenso wie bei Aufwendungen für eine psychologische Fortbildung müsse auch bei einer theologischen Fortbildung verlangt werden, dass diese konkret auf den Beruf des Steuerpflichtigen zugeschnittene Kenntnisse vermittle. Bei einem Theologiestudium sei dieses Erfordernis im Streitfall aber nicht erfüllt, da ein Theologiestudium keine auf den Beruf des Arztes zugeschnittenen Kenntnisse vermittle. Es sei auch fraglich, weshalb der Kläger ein langwieriges und anspruchsvolles Theologiestudium auf sich nehme, um seine seelsorgerischen Fähigkeiten zu verbessern, wenn, wie der Kläger selbst ausführt, hierfür spezielle Fortbildungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden. Hier könne nur eine private Veranlassung der Grund sein.

 Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Nach dem einkommensteuerrechtlichen Nettoprinzip ist für die Abgrenzung beruflicher Aufwendungen das Veranlassungsprinzip maßgebend. Die Aufwendungen sind danach beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs geleistet werden. Dabei ist ausreichend, wenn die Ausgaben den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern. Die Regelung des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG belässt privat veranlasste Kosten im einkommensteuerrechtlich Unerheblichen, nimmt aber deren beruflich veranlassten Teil nicht vom Werbungskostenabzug aus. Erforderlich für den Werbungskostenabzug ist, dass die Aufwendungen aus beruflichen Gründen entstanden sind. Ist dies das die Aufwendungen auslösende, maßgebliche Moment liegen eben keine Aufwendungen der privaten Lebensführung vor, die i.S.d. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG die wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 2011 – VI R 7/10 , BFH/NV 2011, 1779 ).

Das die Aufwendungen auslösende, maßgebliche Moment ist insbesondere bei persönlichkeitsbildenden Bildungsmaßnahmen, die -auch- der Berufsförderung dienen, schwer zu bestimmen. Diese sind in der Regel ausschließlich dem privaten Bereich zuzuordnen (vgl. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 1994 – 1 K 1656/93 , EFG 1995, 8 ). Aufwendungen für eine solche Bildungsmaßnahme sind demnach als Werbungskosten abziehbar, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Ob der Steuerpflichtige Bildungsaufwendungen aus beruflichem Anlass tätigt, oder ob es sich um privat veranlasste Aufwendungen handelt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 2008 – VI R 35/05 , BStBl. II 2009, 108 ). Erforderlich ist ein hinreichend konkreter Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einnahmen, die Bildungsmaßnahmen dürften nicht „ins Blaue hinein” betrieben oder aus anderen privaten Gründen getätigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 2009 – VI R 31/07 , BFH/NV 2009, 1797 ).

Dabei ist zu beachten, dass für den Nachweis der als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen der Steuerpflichtige nach den allgemeinen Grundsätzen die Feststellungslast trägt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 07. Februar 1997 – VI R 33/96 , BFH/NV 1997, 400 ). Daher reicht es nicht aus, dass ein Steuerpflichtiger den Bezug der Ausgaben zur beruflichen Tätigkeit bloß behauptet. Vielmehr muss der hinreichend konkrete Zusammenhang der Aufwendungen mit den Einnahmen nachgewiesen und für das Gericht in seiner Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar sein.

Hierzu bedarf es für die Entscheidung, ob die persönlichkeitsbildende Bildungsmaßnahme auf die allgemeine Persönlichkeitsentwicklung oder auf die Vermittlung von auf den Beruf zugeschnittenen und für den Beruf wichtigen psychologischen Erkenntnissen ausgerichtet ist, konkreter Feststellungen zu den Lehrinhalten und dem Ablauf der Bildungsmaßnahme sowie den teilnehmenden Personen. Die Voraussetzungen eines Werbungskostenabzugs liegen auch vor, wenn Aufwendungen zwar ihrem Anschein nach mit der privaten Lebensführung zusammenhängen, aber dennoch ausschließlich oder ganz überwiegend beruflich veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn sich private Anwendungsmöglichkeiten zwangsläufig und untrennbar aus den im beruflichen Interesse gewonnenen Erkenntnissen und Fertigkeiten ergeben. Solche Erkenntnisse können sich auch im Bereich persönlicher Erfahrungen und Entwicklungen bewegen, die für die Ausübung des Berufs erforderlich sind. In diesen Fällen liegt eine berufliche Veranlassung der Aufwendungen vor, nicht dagegen handelt es sich um Aufwendungen der privaten Lebensführung, die die berufliche Tätigkeit lediglich fördern. Jedenfalls ist in diesen Fällen die private gegenüber der beruflichen Veranlassung von untergeordneter Bedeutung. Andererseits sind Kosten für persönlichkeitsbildende Bildungsmaßnahmen, die nicht primär auf die spezifischen Bedürfnisse des vom Steuerpflichtigen ausgeübten Berufs zugeschnitten sind, sondern gleichermaßen der persönlichen Weiterbildung dienen, nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten abziehbar, da bei derartigen Bildungsmaßnahmen die der privaten Lebensführung zuzurechnenden Gesichtspunkte nicht von ganz untergeordneter Bedeutung sind. Von einer nahezu ausschließlichen beruflichen Veranlassung der Aufwendungen für die Teilnahme an persönlichkeitsbildenden Bildungsmaßnahmen kann bei Steuerpflichtigen, die einem entsprechenden Beruf nicht nachgehen, nur dann ausgegangen werden, wenn im Wesentlichen ein auf den konkreten Beruf zugeschnittenes Wissen vermittelt wird und der Teilnehmerkreis des Seminars entsprechend homogen zusammengesetzt ist. Nur bei dieser Fallgestaltung können die beruflichen Gründe für die Teilnahme an einer persönlichkeitsbildenden Bildungsmaßnahme psychologischen Seminar als so gewichtig gewertet werden, dass demgegenüber die privaten Gesichtspunkte als unwesentlich zurücktreten (vgl. BFH-Urteil vom 24. August 2001 – VI R 40/94 , BFH/NV 2002, 182 ).

2. Der Kläger hat das Theologie-Studium nicht begonnen, um einen theologischen Abschluss anzustreben und einen entsprechenden Beruf zu ergreifen. Der Kläger hat vielmehr nach seinen Angaben beabsichtigt, seine Kommunikationsfähigkeit beim Umgang mit Patienten in lebensbedrohlichen Situationen zu verbessern und sich seelsorgerische Fähigkeiten anzueignen, um mit Patienten bei lebensbedrohlichen Diagnosen angemessen umgehen zu können. Der Kläger möchte kein fachliches Wissen erwerben und vertiefen, sondern Fähigkeiten erlangen, die zwar in der konkreten Ausübung seines Arztberufs besonders gefordert sind, aber auch in anderen Berufen und überhaupt im zwischenmenschlichen Kontakt von Bedeutung sind und sich im allgemeinen Charakter eines Menschen widerspiegeln. Die Fähigkeiten, die sich der Kläger aneignen möchte, sind dem Bereich der emotionalen Intelligenz zuzuordnen und der Persönlichkeit eines Menschen zuzurechnen. Dem Kläger geht es nach seinen Darlegungen in der mündlichen Verhandlung nicht um Glaubensinhalte der katholischen Theologie, sondern um Fähigkeiten im Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation, der seelsorgerischen Betreuung und um deren Einfluss auf naturwissenschaftliche Behandlungsmethoden, was auch nach den Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung in jüngerer Zeit Gegenstand bestimmter medizinischer Studien darstelle. Daher sind die vorgenannten Grundsätze nach der Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte für die Beurteilung der im Streitfall geltend gemachten Aufwendungen heranzuziehen, die der BFH und die Finanzgerichte zur Beurteilung des Werbungskostenabzugs bei Aufwendungen für persönlichkeitsbildende Bildungsmaßnahmen heranzieht.

Nach den vorgenannten Grundsätzen ergibt sich anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls nach diesen Grundsätzen, dass die Aufwendungen für das Theologie-Studium des Klägers nicht als Werbungskosten abziehbar sind.

a)

Aus den vom Kläger mitgeteilten Internetauftritt der Katholisch-Theologischen Fakultät der …-Universität (http://www.kath.theologie.uni-xxx .de/index.php) ergibt sich, dass die zum Studium der katholischen Theologie gehörenden Fachgebiete sehr umfangreich sind. Hierzu sind unter anderem aufgeführt (Stand Dezember 2011):

Biblische Theologie

Altes Testament

Neues Testament

Historische Theologie

Alte Kirchengeschichte und Patrologie

Mittlere und Neuere Kirchengeschichte – Religiöse Volkskunde

Projekt: Jesuiten zentraleuropäischer Provenienz

Systematische Theologie

Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft

Dogmatik und ökumenische Theologie

Moraltheologie

Sozialethik

Praktische Theologie

Kirchenrecht, kirchliche Rechtsgeschichte und Staatskirchenrecht

Liturgiewissenschaft und Homiletik

Pastoraltheologie

Religionspädagogik

Philosophie

Philosophie (Philosophisches Seminar)

Als allgemeine Einführung in den Gegenstand des Theologiestudiums ist in dem Studienführer Katholische Theologie, der von der Arbeitsgemeinschaft Studierende der Katholischen Theologie in Zusammenarbeit mit dem Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz herausgegeben wird (http://www.studienfuehrer-theologie.de/html/theologiestudium.html ), folgendes erläuternd ausgeführt:

„Im Studium der katholischen Theologie geht es um die Entstehung, Bedeutung und Wirkung des christlichen Glaubens im Kontext von Geschichte und Gesellschaft. Dazu gehört die Beschäftigung mit der Bibel und den Glaubensinhalten, mit der Geschichte des Christentums, mit der Philosophie und mit der heutigen Lebenswelt mit ihren ethischen Problemen. Fragen der Ökumene und des Dialogs mit anderen Religionen werden zunehmend wichtiger. Im Zentrum des Studiums steht die Frage nach Gott, daher auch der Name Theologie. Das Theologiestudium ist sehr vielfältig. Die verschiedenen Disziplinen von der Biblischen Theologie -Altes und Neues Testament- über Kirchengeschichte, Philosophie und Systematischen Theologie -Fundamentaltheologie, Dogmatik, Moraltheologie, Christliche Gesellschaftslehre- bis hin zur Praktischen Theologie -Pastoraltheologie, Religionspädagogik, Liturgie, Homiletik, Kirchenrecht- erschließen ihre Gegenstände mit einer Vielzahl von Methoden. Fragestellungen und Aspekte der Literatur- und Geschichtswissenschaften, der Kunst und Kulturgeschichte, der Philosophie und der Sozialwissenschaften, ja sogar der Rechtswissenschaften haben ihren Platz im Theologiestudium. Gerade diese Methodenfülle stellt eine Stärke des Theologiestudiums dar, da sie zu einer breiten und zugleich vertieften Bildung führt. Im Unterschied zur -vergleichenden- Religionswissenschaft erforscht die Theologie den christlichen Glauben nicht nur aus der Perspektive eines neutralen Beobachters, sondern auch aus der Perspektive des Teilnehmers, der in der Gottes- und Wahrheitsfrage persönlich engagiert ist. Das Theologiestudium fordert die eigene Person und deren Einstellung zur Welt und zu Gott heraus und verändert sie.”

Daraus ergibt sich, dass Vorlesungen zu den besonderen Kompetenzen, die der Kläger zur Ausübung seines Arztberufs erlangen möchte, nämlich seelsorgerisch/psychologische Kompetenzen, im Vergleich zu den übrigen Fachgebieten des Theologie-Studiums deutlich unterrepräsentiert sind. Allein in dem Fachgebiet der praktischen Theologie können diese angesiedelt werden, während die übrigen Fachgebiete hier wohl allenfalls für die katholische Konfession grundlegende Wissensbereiche erörtern. In den einführenden Erläuterungen taucht der Aspekt der seelsorgerisch/psychologischen Betreuung überhaupt nicht auf.

Einführend ist schließlich weiter erläutert, dass „beim Grundaufbau des Theologiestudiums vier Perspektiven des Forschens vorgesehen sind: eine historische begibt sich in die Geschichte von Christentum und Kirche; eine biblische müht sich darum, die richtigen Fragen an die Schrift zu stellen und daraus Konsequenzen für eine christliche Lehre zu ziehen; eine systematische führt eine fundierte Auseinandersetzung mit den christlichen Glaubensinhalten und eine praktische Sichtweise, die die Schnittstellen zum Leben der Menschen in Kirche und Gesellschaft sein soll.”

Auch nach dieser Beschreibung des Grundaufbaus des Studiums ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass der Aspekt der seelsorgerisch/psychologischen Betreuung hier überhaupt eine ausschlaggebende Rolle spielt. Diese Kompetenz könnte allenfalls bei der praktischen Sichtweise eine Rolle spielen.

Schließlich seien hier noch die besonderen Schwerpunkte bzw. Besonderheiten der Fakultät der Katholischen Theologie der …-Universität erwähnt, die sich wie folgt ergeben (http://www.studienfuehrer-theologie.de/html/xxx.html ):

„Zu den Schwerpunkten an der Katholischen Theologischen Fakultät in … gehören u. a.:

Alttestamentliche Wissenschaften: Literaturwissenschaftliche und sozialgeschichtliche Analyse des Buches Levitikus zur Erarbeitung einer umfangreicheren Kommentierung

Alte Kirchengeschichte: Forschungsprojekt „Theologie und Sklaverei von der Antike bis zur frühen Neuzeit”, frühchristliche Caritas, kulturwissenschaftliche Fragestellungen -Tod und Jenseitsvorstellungen, Volksglaube-, historische Frauenforschung

Erforschung der neuzeitlichen Geschichte des Christentums mit Schwerpunkt Lateinamerika in der Mittleren und Neueren Kirchengeschichte und in der Sozialethik

Sozialethik: Fragen der Bildungsgerechtigkeit, der globalen Gerechtigkeit, des ethischen Lernens und der Weiterentwicklung des Sozialstaates in Deutschland

Moraltheologie: Theologische Ethik im Kontext einer reflexiven Modernität, Autonomie als ethisches Prinzip und praktische Herausforderung

Fundamentaltheologie: Vernünftigkeit des Glaubens, Theologie und Naturwissenschaft, Dialog der Religionen

Liturgiewissenschaft: Interdisziplinäre hymnologische Forschung und Gesangbuchforschung, basierend auf dem Gesangbucharchiv mit weltweit einzigartigen Beständen an bisher rund 3500 deutschsprachigen Gesangbüchern des 16. bis 20. Jahrhunderts

Pastoraltheologie: „Pastoral der Präsenz” in der religiösen Landschaft der Gegenwart, Mission im Zeitalter der Globalisierung, Sakramentale Rituale im zeitgenössischen Kontext, Kirchen in der Stadt: Chancen einer urbanen Pastoral, Volksfrömmigkeit im internationalen Vergleich

Kirchenrecht: Erforschung und Edition der mittelalterlichen und neuzeitlichen kirchenrechtlichen Quellen der Mainzer Martinusbibliothek, Erforschung der Wechselwirkungen zwischen kanonischem Recht und indigenen Rechtstraditionen

Fachdidaktik: Mitarbeit bei der Entwicklung eines kompetenzorientierten Lehrplans für den katholischen Religionsunterricht in der Sekundarstufe 1

Religionspädagogik: Entwicklung der Theorie und der Praxis des katholischen Religionsunterrichts und der Katechese in der SBZ/DDR und in den ostdeutschen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland, Geschichte und Entwicklung des katholischen Religionsunterrichtes und der Katechese in Deutschland -zur Zeit: Epoche der katholischen Aufklärung und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Weimarer Republik, Drittes Reich-”

Die Kompetenzen, die der Kläger mit dem Theologiestudium erlangen möchte, werden daher von einem Theologiestudium allenfalls am Rande berührt. Allein schon der Begriff der „Seelsorge” kommt in den vorgenannten Beschreibungen des Studiums der katholischen Theologie schlichtweg nicht vor.

Weiter ist bei dem vorgenannten Internet-Auftritt ausgeführt: „Bei der Aufgabe, das wissenschaftliche Studium mit dem persönlichen Glauben und der Glaubenspraxis zu verbinden, wollen die spirituellen Angebote der Mentorate, der Hochschulgemeinden und der Priesterseminare den Studierenden helfen. Sie bieten Gelegenheiten, den eigenen Glauben in der kirchlichen Gemeinschaft zu leben, zu gestalten und zu prägen.”

Dies zeigt, dass ein Studium der Theologie viel eher geeignet erscheint, persönliche Bedürfnisse des Glaubens zu befriedigen, als praktische Hilfestellung bei der seelsorgerisch/psychologischen Betreuung von Patienten zu leisten, Für das Gericht ist daher nicht ersichtlich, dass der Kläger durch ein solches Studium in der konkreten Ausgestaltung des Studiengangs bei der …-Universität besondere Kompetenzen im Bereich der seelsorgerisch/psychologischen Betreuung von Patienten erlangen könnte.

b)

Als Berufsaussichten sind in dem vorgenannten Internet-Auftritt für Absolventen eines Studiums der katholischen Theologie folgende Bereiche genannt:

„Mit einem abgeschlossenen Theologiestudium eröffnen sich unterschiedliche Berufsfelder mit guten bis sehr guten Einstellungschancen. Neben dem klassischen Feld der kirchlichen Berufe -Priester, Pastoralreferenten u.a.- wird der Schuldienst -Religionslehrer- in den kommenden Jahren zunehmend an Bedeutung gewinnen. Aufgrund der vielfältigen Qualifikationen, die im Theologiestudium erworben werden können, sind Theologinnen und Theologen auch im Journalismus und im Verlagswesen, in der Erwachsenenbildung und in der politischen Arbeit, aber auch in der Werbebranche oder in den Personalabteilungen von Wirtschaftsunternehmen tätig.”

Daraus ergibt sich, dass es sich bei den Studierenden auch nicht um einen homogenen Teilnehmerkreis handelt, sondern vielmehr die Interessen der übrigen Studierenden ganz anders sind als die des Klägers. Im Ergebnis vermittelt ein Theologiestudium weder im Wesentlichen ein auf den konkreten Beruf des Klägers zugeschnittenes Wissen noch ist der Teilnehmerkreis der Studierenden entsprechend homogen zusammengesetzt. Im Gegenteil, sind die Aspekte, bei denen der Kläger einen Fortbildungsbedarf für seine Berufsausübung sieht, bei einem Theologiestudium nur von ganz untergeordneter Bedeutung und die Interessen der übrigen Studierenden vollkommen Andere als die des Klägers. Ein Werbungskostenabzug ist aber nicht bereits deswegen gegeben, weil dieser persönliche Glaube den Kläger charakterlich festigen kann und den Umgang mit Menschen in existentiellen Ausnahmesituationen erleichtert. Denn nach der Lebenserfahrung ist die Beschäftigung mit Glaubensfragen, sofern nicht ein entsprechender Beruf, wie bei den Berufsaussichten eines Absolventen des Theologiestudiums genannt, ergriffen werden soll, eher eine Frage der persönlichen Religionsausübung.

3. Auch unter dem Gesichtspunkt, ob die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar sind, fehlt es in Hinblick darauf, dass sich der Kläger im Streitjahr hauptsächlich Grundlagenwissen angeeignet hat, welches ihn zu dem gewinnbringenden Besuch dem seelsorgerischen Bereich zuzurechnender und seine ärztliche Tätigkeit konkret berührender Veranstaltungen befähigen soll, bei den Aufwendungen für das Studium der katholischen Theologie, wie es sich in der Ausgestaltung des gesamten Studiengangs an der …-Universität in … darstellt, an einem hinreichend konkreten Zusammenhang mit den Einnahmen des Klägers. Denn auch für den Werbungskostenabzug als vorab entstandene Werbungskosten ist erforderlich, dass die Aufwendungen in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 2011 – VI R 38/10 , BFH/NV 2011, 1782 ). Die Aufwendungen für das Schaffen von Grundlagenwissen sind daher nicht als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, da es an einem konkreten beruflichen Bezug im Streitjahr fehlt und der Bezug der Aufwendungen zur Privatsphäre im Streitjahr einen solchen möglichen Zusammenhang zu den Einnahmen in späteren Veranlagungszeiträumen, wenn der Kläger die weiterführenden, sich speziell mit seelsorgerischen Aspekten beschäftigenden Veranstaltungen besucht, in den Hintergrund treten lässt.

4. Ein Abzug der Aufwendungen als Sonderausgaben im Streitjahr, in dem der Kläger das für das Ergreifen eines entsprechenden Berufs im theologischen Bereich erforderliche Basiswissen erworben hat, kommt unter dem Gesichtspunkt der Berufsausbildungskosten nicht in Betracht. Denn Berufsausbildungskosten sind nur die Kosten für die erstmalige Berufsausbildung. Auch bei Aufwendungen für eine berufliche Umschulung und für eine berufliche Neuorientierung sind bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen als Werbungskosten abzugsfähig (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 2009 – VI R 31/07 , BFH/NV 2009, 1797 ). An einen objektiv feststellbaren, hinreichend konkreten Zusammenhang der Aufwendungen zu der ärztlichen Tätigkeit des Klägers fehlt es aber im Streitjahr, so dass die weiteren Voraussetzungen für den Werbungskostenabzug im Streitfall nicht vorliegen.

5. Auch wenn es an einem objektiv feststellbaren, hinreichend konkreten Zusammenhang der Aufwendungen für Studium der katholischen Theologie mit der ärztlichen Tätigkeit des Klägers im Streitjahr fehlt und die Aufwendungen des Klägers für das im Streitjahr der Privatsphäre zuzuordnen sind, kann aber ein Werbungskostenabzug für die vom Kläger getätigten Aufwendungen in späteren Veranlagungszeiträumen in Betracht kommen. Voraussetzung für einen solchen Werbungskostenabzug ist aber nach dem Vorgenannten, dass die Inhalte der besuchten Veranstaltungen einen konkreten Bezug zu der ärztlichen Tätigkeit des Klägers aufweisen und sich somit auf die kommunikativen und seelsorgerischen Aspekte beziehen, die der Kläger in seiner Tätigkeit als Nuklearmediziner im Umgang mit Patienten nutzen will. Unschädlich ist dann, wenn diese berufsbezogenen Veranstaltungen im Rahmen theologischer Studien besucht werden. Der Werbungskostenabzug für Fortbildungsaufwendungen kann nicht allein auf Aufwendungen für den Besuch fachspezifischer Veranstaltungen oder von im Rahmen der Ärztefortbildung veranstalteten Fortbildungsmaßnahmen beschränkt werden, denn der Steuerpflichtige kann frei entscheiden, welche Aufwendungen er zur Erzielung von Einnahmen machen will (Drenseck in Schmidt, EStG , 30. Auflage 2011, Rn. 20 zu § 9).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO .

Steuerliche Behandlung von Erstattungszinsen

OFD Magdeburg v. 10.08.2012 – S 2252 – 117 – St 214

Steuerliche Behandlung von Erstattungszinsen; § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2010

Zinsen i. S. v. § 233a AO, die das Finanzamt an den Steuerpflichtigen zahlt (Erstattungszinsen), gehören bislang unabhängig von der Nichtabziehbarkeit von Nachzahlungszinsen gem. § 12 Nr. 3 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

Mit Urteil vom 15.06.2010 – VIII R 33/07 , BStBl 2011 II S. 503, ist der BFH von seiner langjährigen Rechtsprechung abgewichen und hat festgestellt, dass Erstattungszinsen beim Empfänger nicht der Besteuerung unterliegen, soweit sie auf Steuern entfallen, die gemäß § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind.

Der BFH hält zwar an seiner Rechtsprechung fest, dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch eine ‚sonstige Kapitalforderung jeder Art’ i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist und die Erstattungszinsen nach § 233a AO auch als Gegenleistung dafür gezahlt werden, dass der Steuerpflichtige dem Fiskus Kapital zur Nutzung überlassen hat, zu dessen Leistung er letztlich nicht verpflichtet war. Damit können Erstattungszinsen beim Empfänger grundsätzlich der Besteuerung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen.

Das gilt jedoch nicht, wenn die (Einkommen-)Steuer und darauf entfallende Nachzahlungszinsen gem. § 12 Nr. 3 EStG vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen und damit dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen sind. Diese gesetzgeberische Entscheidung strahlt auf den umgekehrten Vorgang der Erstattung solcher Steuern in der Weise aus, dass sie dem Steuerpflichtigen nicht im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG zufließen. Erstattungszinsen teilen als steuerliche Nebenleistungen das ‚Schicksal’ der Hauptforderung mit der Folge, dass sie von § 12 Nr. 3 EStG ebenfalls dem nicht steuerbaren Bereich zugewiesen werden.

Mit dem Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 08.12.2010 (Verkündung am 14.12.2010 im BGBl. 2010 Teil 1 Nr. 62, S. 1768) ist der § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG neu in das Gesetz aufgenommen worden. Danach stellen nunmehr Erstattungszinsen nach § 233a AO Erträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG dar (klarstellende Gesetzesänderung). Die Änderung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG ist in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuerfestsetzung noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (§ 52a Abs. 8 ESG).

Die vorgenannte Anwendungsvorschrift hat somit zur Folge, dass die Gesetzesänderung nicht nur für zukünftige Kalenderjahre, sondern auch für vorangegangene Kalenderjahre zu beachten ist. Erstattungszinsen sind daher wie bislang bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Die Gesetzesänderung bewirkt quasi, dass das o. g. Urteil des BFH über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht angewendet werden kann.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass Nachzahlungszinsen, die vom Steuerpflichtigen an das Finanzamt zu zahlen sind, nach wie vor nicht steuerlich geltend gemacht werden können.

Zur Frage der – generellen – Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen ist beim BFH unter dem Az. VIII R 36/10 ein Revisionsverfahren anhängig.

Des Weiteren hat das FG Münster entschieden, dass die durch das JStG 2010 rückwirkend angeordnete Besteuerung von Zinsen verfassungsgemäß sei ( Urteil vom 16.12.2010 – 5 K 3626/03 E ). Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Revision beim BFH eingelegt. Das Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. VIII R 1/11 geführt.

Mit zwei weiteren Urteilen vom 10.05.2012 – 2 K 1947/00 E und 2 K 1950/00 E . hat das FG Münster (jedoch der 2. Senat) entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden, dass Erstattungszinsen ungeachtet der durch das JStG 2010 eingefügten Neuregelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG nicht steuerbar sind. Dies gilt nach Auffassung des FG auch dann, wenn die Erstattungszinsen in Zeiträumen angefallen sind. in denen vom Steuerpflichtigen gezahlte Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben abziehbar waren.

Zur Begründung führt das FG in Anlehnung an das BFH-Urteil vom 15.06.2010 – VIII R 33/07 . a. a. O.. aus, dass Erstattungszinsen zur Einkommensteuer nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen würden.

Auf die Frage, ob die durch das JStG 2010 als Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH neu eingefügte Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG, die Erstattungszinsen ausdrücklich den Einkünften aus Kapitalvermögen zuordne, auch rückwirkend auf die Streitjahre Anwendung finde, komme es nicht an. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG sei keine Spezialregelung gegenüber § 12 Nr. 3 EStG. Vielmehr gehe § 12 Nr. 3 EStG als eine den einzelnen Einkunftsarten systematisch vorangestellte Vorschrift § 20 Abs. 1 EStG vor.

Die Revisionsverfahren werden beim BFH unter den Aktenzeichen VIII R 28/12 und VIII R 29/12 geführt.

Einsprüche, die in vergleichbaren Fällen auf die vorgenannten Verfahren gestützt werden, ruhen kraft Gesetzes gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Mit Beschluss vom 22.12.2011 – VIII B 190/11 , hat der BFH entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob 2008 zugeflossene Erstattungszinsen zur Einkommensteuer der Jahre 2001 bis 2003 als Einnahmen aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i. d. F. des JStG 2010 der Steuer unterliegen. In einem weiteren Verfahren zu im Kalenderjahr 2009 zugeflossene Erstattungszinsen hat der BFH seine Rechtsauffassung bestätigt ( Beschluss vom 09.01.2012 – VIII B 95/11 ). Die Zweifel bestehen nach Auffassung des BFH insbesondere wegen der rückwirkenden Anwendung der Vorschrift (§ 52a Abs. 8 Satz 2 EStG), sodass diese auf alle Fälle anzuwenden ist, in denen die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. In vergleichbaren Fällen ist daher auf Antrag Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.

 

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