BFH: Vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten

“Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 4. Juli 2012 II R 15/11 entschieden, dass die vom Erben in seiner Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolger zu leistende, noch vom Erblasser herrührende Einkommensteuer-Abschlusszahlung für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes abzugsfähig ist.

Im Streitfall war die Klägerin neben ihrer Schwester Miterbin ihrer Eltern geworden. Die Eltern waren beide kurz nacheinander im Kalenderjahr 2004 verstorben. Für den Einkommensteuer-Veranlagungszeitraum 2004 waren von den Erbinnen als Gesamtrechtsnachfolger ihrer Eltern nach Anrechnung der von den verstorbenen Eltern entrichteten Vorauszahlungen erhebliche Nachzahlungen zu entrichten.

Nach Ansicht des BFH gehören zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls (Todeszeitpunkt) in der Person des Erblassers bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch solche Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die erst mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen. Dies gelte in Übereinstimmung mit der zivilrechtliche Rechtsprechung, wonach sich aus dem Begriff “herrühren” ergibt, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb “für den Erblasser” als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.

Das Urteil hat weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus praktische Bedeutung. Durch den Abzug der Einkommensteuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten hat die Einkommensteuer für das Todesjahr unmittelbare Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Erbschaftsteuer. Im Falle der Zusammenveranlagung von Eheleuten, von denen ein Ehepartner im Laufe des Jahres verstirbt, ist, so der BFH, entsprechend § 270 der Abgabenordnung zu ermitteln, inwieweit die Einkommensteuernachzahlung auf den Erblasser, d.h. auf den vorverstorbenen Ehegatten entfällt.”

Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) Nr. 60

BFH-Urteil vom 04.07.2012 – II R 15/11

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 4.7.2012, II R 15/11

Vom Erblasser herrührende Steuerschulden für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten – Aufteilung von Abschlusszahlungen bei Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten

Leitsätze

1. Die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig (Änderung der Rechtsprechung).

 

2. Bei einer Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten sind Abschlusszahlungen für das Todesjahr analog § 270 AO aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeiten beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig.

Tatbestand

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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist neben ihrer Schwester zu 1/2 Miterbin ihres am 31. Dezember 2004 verstorbenen Vaters (V). Ihre Mutter (M) war bereits am 13. November 2004 vorverstorben. Für 2004 wurden V und M zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004 waren –nach Anrechnung der von V und M entrichteten Vorauszahlungen, des Zinsabschlags und der Kapitalertragsteuer– Abschlusszahlungen in Höhe von insgesamt 1.823.885 EUR zu entrichten.
2
Die Klägerin machte die Hälfte der Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) versagte in dem geänderten Steuerbescheid vom 22. September 2008 einen Abzug und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin auf 473.936 EUR fest.
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die Einkommensteuer des Todesjahres des Erblassers beim Erben nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden könne, weil sie am maßgeblichen Stichtag noch nicht entstanden gewesen sei. Das Urteil des FG ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1342.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).
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Während des Revisionsverfahrens hat das FA mit Bescheid vom 5. Juni 2012 die Erbschaftsteuer wegen hier nicht streitiger Punkte auf 532.817 EUR erhöht.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin erklärt, ihre Eltern hätten ein Berliner Testament errichtet. Danach hätten sich die Eltern gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Die Erbschaft nach ihrer Mutter sei ausgeschlagen worden.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 5. Juni 2012 dahin zu ändern, dass die von ihr zu tragenden Zahlungen der Einkommensteuer, der Kirchensteuer sowie des Solidaritätszuschlags für V und M für 2004 in Höhe von 911.942,50 EUR als zusätzliche Nachlassverbindlichkeiten berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet. Sie führt bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Da während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid ergangen ist, ist das Urteil des FG gegenstandslos geworden (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 17. Januar 2008 VI R 44/07, BFHE 220, 269, BStBl II 2011, 21).
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Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die vom FG getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um den von der Klägerin begehrten Abzug der Nachlassverbindlichkeiten beurteilen zu können. Die anteilig auf die Klägerin als Miterbin entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004 sind, soweit sie V betreffen, entgegen der Auffassung des FG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Soweit die Abschlusszahlungen M betreffen, sind sie als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig, wenn V Alleinerbe der vorverstorbenen M war. Ist dagegen V wegen einer Ausschlagung der Erbschaft nicht Alleinerbe der M geworden, scheidet ein Abzug der M betreffenden Abschlusszahlungen als Nachlassverbindlichkeiten bei dem hier der Besteuerung zugrunde liegenden Erwerb von Todes wegen nach V aus. Das FG hat –aus seiner Sicht zu Recht– noch keine Feststellungen dazu getroffen, ob V Alleinerbe der M war oder ob die Erbschaft ausgeschlagen wurde.
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1. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG sind von dem Erwerb des Erben die vom Erblasser herrührenden Schulden, soweit sie nicht mit einem zum Erwerb gehörenden Gewerbebetrieb oder Anteil an einem Gewerbebetrieb in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und bereits nach § 12 Abs. 5 und 6 ErbStG berücksichtigt worden sind, als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Nachlassverbindlichkeiten in diesem Sinne sind auch die vom Erblasser herrührenden persönlichen Steuerschulden, die gemäß § 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), § 45 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) auf den Erben übergegangen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2010 II R 23/09, BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641, m.w.N.).
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Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tod einer Person (Erbfall) deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Gemäß § 1967 BGB haften die Erben für die Nachlassverbindlichkeiten. Das hierin für den Erbfall statuierte Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge beschränkt sich nicht auf den Bereich des Zivilrechts, sondern erstreckt sich auch auf das Steuerrecht (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I.). So ordnet § 45 Abs. 1 Satz 1 AO an, dass bei der Gesamtrechtsnachfolge „die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger über(gehen)“. Ungeachtet des restriktiv gehaltenen Wortlauts des § 45 Abs. 1 Satz 1 AO leitet der BFH in ständiger Rechtsprechung aus dieser Bestimmung her, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich in einem umfassenden Sinne sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht in die abgabenrechtliche Stellung des Erblassers eintritt (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.I.1., m.w.N.).
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2. Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gehören nicht nur die Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren, sondern auch die Steuerverbindlichkeiten, die der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen.
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a) Der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG setzt ebenso wie die Erbenhaftung nach § 1967 Abs. 2 BGB voraus, dass Schulden vom Erblasser herrühren. Aus dem Begriff „herrühren“ ergibt sich, dass die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht voll wirksam entstanden sein müssen. Zivilrechtlich gehen mit dem Erbfall auch „verhaltene“, noch werdende und schwebende Rechtsbeziehungen des Erblassers auf den Erben über (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 7. Juni 1991 V ZR 214/89, Neue Juristische Wochenschrift –NJW– 1991, 2558, m.w.N.). Deshalb sind Erblasserschulden i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB auch die erst in der Person des Erben entstehenden Verbindlichkeiten, die als solche schon dem Erblasser entstanden wären, wenn er nicht vor Eintritt der zu ihrer Entstehung nötigen weiteren Voraussetzung verstorben wäre (vgl. BGH-Urteil in NJW 1991, 2558).
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b) Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind auch für die Beurteilung der Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zu beachten (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juli 1978 II R 64/73, BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23; Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rz 51). Der Abzug der vom Erblasser herrührenden Schulden setzt nicht zwingend voraus, dass beim Tod des Erblassers, also zum maßgeblichen Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), eine rechtliche Verpflichtung bestanden haben muss (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1963 II 166/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 83, und in BFHE 126, 55, BStBl II 1979, 23). Bei einem Erwerb von Todes wegen wirken sich auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers für das Todesjahr bereicherungsmindernd aus, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren. Denn der Erbe hat diese Steuerschulden zu tragen. Entscheidend für den Abzug der Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten ist, dass der Erblasser in eigener Person und nicht etwa der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger steuerrelevante Tatbestände verwirklicht hat und deshalb „für den Erblasser“ als Steuerpflichtigen eine Steuer entsteht.
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c) Das für das Erbschaftsteuerrecht maßgebliche Stichtagsprinzip (§ 9 und § 11 ErbStG) steht dem Abzug dieser Steuerverbindlichkeiten nicht entgegen. Bereits zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, also beim Tod des Erblassers steht fest, dass die Belastung kraft Gesetzes mit Ablauf des Todesjahres eintreten wird (nachfolgend unter II.2.e). Dabei ist unschädlich, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls die Belastung durch Steuerverbindlichkeiten der Höhe nach nicht genau feststeht, weil noch mögliche Wahlrechte ausgeübt werden oder besondere steuerrelevante Ereignisse eintreten können.
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d) Soweit aus den hauptsächlich zum Erfordernis einer wirtschaftlichen Belastung ergangenen Entscheidungen des BFH entnommen werden könnte bzw. kann, dass der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG „nur“ bei einer zum Zeitpunkt des Erbfalls bestehenden rechtlichen Verpflichtung möglich ist, hält der Senat daran jedenfalls für die kraft Gesetzes aufgrund einer Tatbestandsverwirklichung des Erblassers entstehenden Steueransprüche nicht mehr fest (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 24. März 1999 II R 34/97, BFH/NV 1999, 1339; vom 15. Januar 2003 II R 23/01, BFHE 200, 413, BStBl II 2003, 267; vom 14. Dezember 2004 II R 35/03, BFH/NV 2005, 1093; vom 14. November 2007 II R 3/06, BFH/NV 2008, 574; in BFHE 229, 363, BStBl II 2010, 641; BFH-Beschluss vom 15. Mai 2009 II B 155/08, BFH/NV 2009, 1441; differenzierend BFH-Urteil vom 27. Juni 2007 II R 30/05, BFHE 217, 190, BStBl II 2007, 651, unter II.3.a). Es verbleibt jedoch dabei, dass der Abzug einer Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG –abweichend vom Zivilrecht– zusätzlich voraussetzt, dass sie eine wirtschaftliche Belastung darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 2011 II R 5/09, BFH/NV 2011, 1147, unter III.7.c aa aaa).
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e) Nach diesen Grundsätzen ist die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallende Abschlusszahlung für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig (vgl. Kapp/Ebeling, § 10 ErbStG Rz 82; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz 119, 140; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rz 32, unter a und c; Kämper/Milatz, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge –ZEV– 2011, 70; Billig, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2012, 61; a.A. Weinmann, a.a.O., § 10 ErbStG Rz 54; Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/ Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 10 Rz 134; Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 10 Rz 121; Hartmann, Der Erbschaft-Steuer-Berater 2007, 170, unter 3.c; Gleichlautender Ländererlass vom 18. Januar 2010, ZEV 2010, 107; R E 10.8 Abs. 3 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011, BStBl I Sonder-Nr. 1/2011, 2, 23 f.).
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aa) Stirbt ein Steuerpflichtiger vor Ablauf des Kalenderjahres, ist zum Zeitpunkt des Erbfalls zwar noch keine Einkommensteuer für das Todesjahr entstanden. Der Steuerpflichtige hat aber bis zu seinem Ableben selbst Steuertatbestände verwirklicht und damit das spätere Entstehen der Steuerverbindlichkeiten begründet. Mit seinem Ableben tritt der Erbe in die Rechtsstellung des Verstorbenen (Erblasser) ein; der durch den Erblasser (Steuerpflichtiger) begründete, mit Ablauf des Todesjahres entstehende Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis geht auf den Erben über.
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bb) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (§ 2 Abs. 7 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für 2004 maßgeblichen Fassung –EStG–), die nach § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht.
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Sie wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat, soweit nicht nach § 46 EStG eine Veranlagung unterbleibt (§ 25 Abs. 1 EStG). Stirbt der Steuerpflichtige vor Ablauf des Kalenderjahres und endet damit seine persönliche Steuerpflicht, wird der Veranlagung für das Todesjahr (Kalenderjahr) ein abgekürzter Ermittlungszeitraum zugrunde gelegt. Die Veranlagung ist auf das bis zum Tod des Steuerpflichtigen erzielte Einkommen zu beschränken (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608, unter D.III.1.). Im Hinblick darauf, dass das Einkommen des Erblassers erfasst und damit an die Verwirklichung des Steuertatbestands durch den Erblasser angeknüpft wird, ist die Einkommensteuer des Todesjahres unmittelbar in der Person des Erblassers (Steuerpflichtiger) begründet. Eine etwaige Einkommensteuerschuld für das Todesjahr des Erblassers bleibt trotz des Übergangs auf den Erben eine vom Erblasser herrührende Steuerschuld. Insoweit ist unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid für den Erblasser gegenüber dem Erben als Gesamtrechtsnachfolger ergeht.
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Soweit der Erbe selbst einkommensteuerrelevante Tatbestände verwirklicht, wie z.B. beim Zufluss nachträglicher Einnahmen aus einer ehemaligen Tätigkeit des Erblassers nach § 24 Nr. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1996 X R 14/94, BFHE 179, 406, BStBl II 1996, 287, unter 3.), sind die darauf entfallenden Einkommensteuerzahlungen des Erben keine Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Obwohl der Erblasser die Grundlage für den Zufluss von Einnahmen gesetzt hat, wird der Steuertatbestand in diesen Fällen erst mit dem Zufluss der Einnahmen durch den Erben als Steuerpflichtigen verwirklicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 179, 406, BStBl II 1996, 287).
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cc) Eine bereits am Todestag des Erblassers bestehende rechtliche Verpflichtung als Voraussetzung für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass nur rechtlich entstandene Steuererstattungsansprüche zum Erwerb i.S. des § 10 Abs. 1 ErbStG zählen.
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Nach der Rechtsprechung des BFH fallen Einkommensteuererstattungsansprüche, die das Todesjahr des Erblassers betreffen, jedenfalls bei einer Zusammenveranlagung mit dem überlebenden Ehegatten nicht in den steuerpflichtigen Erwerb nach § 10 Abs. 1 ErbStG, weil sie erst mit Ablauf des Todesjahres entstehen (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 2008 II R 30/06, BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626). Für Erwerbe ab dem 1. Januar 2009 gilt zudem § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG (i.d.F. des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008, BGBl I 2008, 3018, BStBl I 2009, 140). Danach sind Steuererstattungsansprüche des Erblassers zu berücksichtigen, wenn sie rechtlich entstanden sind (§ 37 Abs. 2 AO).
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Das Anknüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen für den Abzug von Steuerschulden als Nachlassverbindlichkeiten einerseits und für den Ansatz von Steuererstattungsansprüchen als Erwerb andererseits beruht auf den unterschiedlichen Regelungen in § 10 Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Denn für den Abzug von Schulden als Nachlassverbindlichkeiten kommt es nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nur darauf an, dass sie vom Erblasser „herrühren“. Für eine einschränkende Auslegung des Begriffs „herrühren“ im Sinne von „rechtlich entstanden“ ist ein zwingender Grund nicht ersichtlich. Eine solche Auslegung würde auch dem im Erbschaftsteuerrecht geltenden Bereicherungsprinzip zuwiderlaufen, weil der Erbe in Höhe der entstehenden und von ihm zu begleichenden Steuerschulden für das Todesjahr des Erblassers nicht bereichert ist.
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dd) Hat der Erblasser den Steuertatbestand verwirklicht, ist als Nachlassverbindlichkeit die Einkommensteuer-Abschlusszahlung i.S. des § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG, also diejenige Einkommensteuer abzugsfähig, die sich nach Anrechnung der vom Erblasser entrichteten Einkommensteuer-Vorauszahlungen und der durch Steuerabzug erhobenen anrechenbaren Einkommensteuer (vgl. § 36 Abs. 2 EStG) ergibt. Es kommt dabei allein auf die materielle Rechtslage und nicht auf die Steuerfestsetzungen an (vgl. BFH-Urteil in BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626).
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f) Zu den vom Erblasser herrührenden Schulden gehören diejenigen Steuerverbindlichkeiten, die durch ihn selbst begründet wurden. Das sind Steuerverbindlichkeiten, die entstehen, weil der Erblasser den Steuertatbestand verwirklicht hat. Bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer für das Todesjahr eines oder beider Ehegatten sind Steuerverbindlichkeiten grundsätzlich auf die Ehegatten aufzuteilen.
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aa) Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, werden die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (§ 26b EStG). Aufgrund dieser Zusammenveranlagung sind die Ehegatten Gesamtschuldner der Einkommensteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO). Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder Gesamtschuldner die gesamte Leistung (§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO).
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bb) Stirbt einer der Ehegatten und ergibt sich aufgrund der Zusammenveranlagung der Ehegatten für das Todesjahr eine Abschlusszahlung, ist die vom verstorbenen Ehegatten als Erblasser herrührende Einkommensteuerschuld analog § 270 AO (in der für 2004 maßgeblichen Fassung) zu ermitteln.
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Gesamtschuldner können für das Vollstreckungsverfahren so gestellt werden, als seien sie Einzelschuldner (§ 268 AO). Hierzu wird nach Maßgabe der §§ 269 ff. AO die Gesamtschuld auf die einzelnen Steuerschuldner aufgeteilt. Zur Bestimmung des Aufteilungsmaßstabs sind grundsätzlich fiktive getrennte Veranlagungen durchzuführen; das Verhältnis der sich daraus ergebenden Steuerbeträge ergibt den Aufteilungsschlüssel für die rückständige Steuer (§ 270 AO in der für 2004 maßgeblichen Fassung). Dadurch wird erreicht, dass jeder der Gesamtschuldner nur noch mit dem Steuerbetrag in Anspruch genommen wird, der seinem Anteil am zusammen veranlagten Einkommen entspricht (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 2008 VI R 45/04, BFHE 220, 204, BStBl II 2008, 418; BFH-Beschluss vom 3. November 2010 X S 28/10, BFH/NV 2011, 203).
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Ebenso ist zu verfahren, wenn die Zusammenveranlagung von Ehegatten für das Jahr, in dem einer der Ehegatten verstorben ist, zu einer Einkommensteuer-Abschlusszahlung (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 1 EStG) führt und zu klären ist, inwieweit diese zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört. Soweit die Abschlusszahlung nach einer Aufteilung analog § 270 AO (in der für 2004 maßgeblichen Fassung) auf den Verstorbenen (Erblasser) entfällt, ist sie beim Erwerb des Erben als eine vom Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
32
cc) Entsprechendes gilt, wenn zusammen veranlagte Ehegatten im selben Jahr versterben und die Veranlagung zur Einkommensteuer für das Todesjahr zu einer Abschlusszahlung führt. Die Abschlusszahlung ist analog § 270 AO (in der für 2004 maßgeblichen Fassung) auf die Ehegatten aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeit beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig.
33
Ist jedoch bei einem Ableben der Ehegatten im selben Jahr der zweitverstorbene Ehegatte Alleinerbe des zuerst verstorbenen Ehegatten gewesen, ist beim Erwerb der Erben des zweitverstorbenen Ehegatten die gesamte Abschlusszahlung aus der Zusammenveranlagung der verstorbenen Ehegatten für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Soweit die Abschlusszahlung auf den zweitverstorbenen Ehegatten entfällt, ist sie eine von diesem als Erblasser herrührende Steuerverbindlichkeit, weil er den Steuertatbestand verwirklicht hat. Soweit die Abschlusszahlung auf den zuerst verstorbenen Ehegatten entfällt, handelt es sich um eine Steuerschuld, die zivil- und steuerrechtlich mit dem Ableben des zuerst verstorbenen Ehegatten als schwebende Rechtsbeziehung auf den zunächst überlebenden Ehegatten und bei dessen Ableben auf seine Erben übergegangen ist. Diese Steuerschuld, die auf einer Verwirklichung des Steuertatbestands durch den zuerst verstorbenen Ehegatten beruht, ist erbschaftsteuerrechtlich als eine vom zweitverstorbenen Ehegatten herrührende Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, weil sie bereits den Erwerb des zweitverstorbenen Ehegatten minderte und bei seinem Ableben mangels entsprechender Tilgung als schwebende, mit Ablauf des Jahres entstehende Belastung weiterbestand. Sie mindert deshalb auch die Bereicherung der Erben des zweitverstorbenen Ehegatten.
34
g) Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob Abschlusszahlungen, die auf den mit Ablauf des Kalenderjahres entstehenden Solidaritätszuschlag (vgl. § 1 Abs. 2 des Solidaritätszuschlaggesetzes) sowie für die ebenfalls an das Einkommen anknüpfende, nach Landesrecht festzusetzende Kirchensteuer entfallen (vgl. § 51a Abs. 1 EStG), als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind.
35
3. Die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Schulden sind mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes –BewG–).
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Für Steuerverbindlichkeiten, die mit Ablauf des Todesjahres des Erblassers entstehen, verbleibt es beim Ansatz mit dem Nennwert, obwohl die zu einer Abschlusszahlung führende Festsetzung erst nach dem Stichtag für die Entstehung der Erbschaftsteuer erfolgt. Besondere Umstände, die eine Abweichung vom Nennwert rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Eine Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG scheidet ebenfalls aus, weil es an einem von vornherein bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit der Einkommensteuer, der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags fehlt und somit die Berechnungs- oder Schätzungsgrundlagen für eine Abzinsung fehlen (vgl. BFH-Urteile vom 17. Januar 1996 II R 4/93, BFH/NV 1996, 649, unter II.3.b; in BFHE 220, 518, BStBl II 2008, 626, betr. Einkommensteuererstattungsansprüche). Einkommensteuernachforderungen sind im Übrigen nur innerhalb des in § 233a Abs. 2 AO bestimmten Zeitraums unverzinslich.
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4. Danach mindern im Streitfall die anteilig auf die Klägerin entfallenden Abschlusszahlungen für Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für 2004, soweit sie V betreffen, als Nachlassverbindlichkeiten den Erwerb der Klägerin. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Abschlusszahlungen, soweit sie M betreffen, ebenfalls als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb der Klägerin aufgrund des Ablebens des V abgezogen werden können. Der von der Klägerin begehrte Abzug der hälftigen Abschlusszahlungen in Höhe von 911.942,50 EUR ist nur dann zu gewähren, wenn V Alleinerbe der M war. Ist dagegen die Erbschaft des V nach M ausgeschlagen worden, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem BFH vorgetragen hat, sind die Abschlusszahlungen nur insoweit abzugsfähig, als sie auf V entfallen. Das FG wird daher noch festzustellen haben, ob V Alleinerbe war und die Erbschaft ausgeschlagen wurde. Im Fall der Ausschlagung ist weiter festzustellen, inwieweit die Abschlusszahlungen entsprechend § 270 AO (in der für 2004 maßgeblichen) Fassung auf V entfallen; in diesem Fall sind die auf M entfallenden Abschlusszahlungen nicht als Nachlassverbindlichkeiten vom Erwerb der Klägerin abzuziehen.

 

Mehrere Windkraftanlagen auf Grundstücken sind keine wirtschaftliche Einheit

Mehrere Windkraftanlagen auf Grundstücken sind keine wirtschaftliche Einheit

Kernfrage

Bewertungsrechtliche Feststellungen sind insbesondere im Bereich der Land- und Frostwirtschaft Grundlage für eine Vielzahl von Steuerfestsetzungen (z. B. Erbschaftsteuer) und/oder Ausgleichsansprüche (z. B. Höfeordnung). Während die Bewertung landwirtschaftlich genutzter Flächen in der Regel zu niedrigen Werten erfolgt, erhöhen sich diese Werte signifikant, wenn sich die Nutzung ändert. Dies ist jüngst insbesondere dann der Fall, wenn landwirtschaftliche Flächen mit Windanlagen bebaut werden, was zu einer (teilweisen) gewerblichen Nutzung führt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun über die bewertungsrechtlichen Fragen einer Nutzung durch Windanlagen zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger hatte aus einer großen landwirtschaftlichen Fläche auf der Grundlage eines Nutzungsvertrages mit einem Windparkbetreiber Einzelgrundstücke zu einem Gesamtgrundstück verbunden. Dieses hatte er dem Windparkbetreiber zur Bebauung mit insgesamt 10 Windanlagen als Wegflächen zur Verfügung gestellt. Die Flächen um den Windpark sowie die nicht bebauten Flächen des Windparks selbst nutzte der Landwirt weiterhin für seinen landwirtschaftlichen Betrieb. Das Finanzamt sah sämtliche Einzelgrundstücke des Windparks als eine wirtschaftliche Einheit an und erließ für die einzelnen Grundstücke des Windparks einen einheitlichen Einheitswertbescheid, der wegen der wirtschaftlichen Einheit eine hohe Bewertung vorsah. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage obsiegte der Kläger.

Entscheidung

Für sämtliche Grundstücke des Windparks sind selbstständige Einheitswertbescheide zu erlassen, so der BFH. Eine wirtschaftliche Einheit besteht nicht. Diese ergebe sich weder aus der katasterlichen Zusammenfassung der Windparkgrundstücke noch aus dem einheitlichen Nutzungsvertrag. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse, nach denen die einzelnen Windparkgrundstücke nicht unmittelbar aneinander angrenzten, sondern über Wege, die vornehmlich aber landwirtschaftlich genutzt würden, verbunden werden müssten. Hinzu komme, dass die gesamten unbebauten Flächen weiterhin landwirtschaftlich genutzt würden. Ein einheitlicher Nutzungsvertrag könne auch über mehrere wirtschaftlichen Einheiten geschlossen werden. Darüber hinaus verhielte es sich auch technisch so, dass die Windkraftanlagen für sich genommen jeweils selbstständige Anlagen darstellten.

Konsequenz

Die Entscheidung ist bewertungsrechtlich zu begrüßen. Windparkgrundstücke bleiben selbstständige Einheiten, so dass die sich aus der Feststellung einer wirtschaftlichen Einheit ergebende Höherbewertung nicht zum Tragen kommt. Dies ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zu einem Wechsel von landwirtschaftlicher in gewerbliche Nutzung führt.

Kein doppelter Urlaubsanspruch trotz Doppel-Arbeitsverhältnis bei unwirksamer Kündigung

Kein doppelter Urlaubsanspruch trotz Doppel-Arbeitsverhältnis bei unwirksamer Kündigung

Kernfrage

Urlaubsansprüche entstehen kalenderjahrabhängig und werden dem Grunde nach nicht durch einen Arbeitgeberwechsel im Kalenderjahr beeinflusst. Mit anderen Worten, Urlaubsansprüche entstehen in solchen Fällen nicht bei jedem Arbeitgeber neu, sondern beim ersten Arbeitgeber nicht genommene Urlaubsansprüche werden auf den zweiten Arbeitgeber übertragen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob Urlaubsansprüche in einer Situation nach Kündigung, während einer Kündigungsschutzklage, aber bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses, doppelt entstehen können.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte einen Anspruch auf 29 Urlaubstage bei ihrem alten Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis kündigte. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage, bei der erst im Folgejahr festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis zum Kündigungstermin nicht hätte beendet werden dürfen. Zwischenzeitlich hatte die Klägerin eine neue Stelle angetreten und dort 21 Urlaubstage erhalten. Nachdem festgestellt war, dass das erste Arbeitsverhältnis unzulässig beendet wurde, nahm sie ihren alten Arbeitgeber auf Abgeltung der 29 Urlaubstage im Folgejahr in Anspruch.

Entscheidung

Das BAG sprach der Klägerin einen Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber lediglich in Höhe von 8 Tagen zu. Die 21 Urlaubstage, die ihr der neue Arbeitgeber gewährt hatte, seien auf die 29 Urlaubstage, die sie im alten Arbeitsverhältnis gehabt habe, anzurechnen, wenn das alte Arbeitsverhältnis zum zulässigen Kündigungstermin beendet worden wäre. Die Grundsätze über die Übertragung von Urlaubsansprüchen seien nicht anwendbar, weil ein Doppelarbeitsverhältnis vorgelegen habe. Dies bedeute aber nicht, dass der Arbeitnehmer die Urlaubsansprüche aus beiden Arbeitsverhältnissen beanspruchen könne. Vielmehr führe das Obsiegen im Kündigungsschutzprozess lediglich dazu, dass der alte Arbeitgeber verpflichtet sei, die Klägerin so zu stellen, als sei das alte Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden. Im Bereich des Urlaubs sei es insoweit gerechtfertigt, genommenen Erholungsurlaub anzurechnen.

Konsequenz

Auch bei langwierigen Kündigungsschutzprozessen erwirbt der Arbeitnehmer, wenn er in ein neues Arbeitsverhältnis wechselt, keine Doppelansprüche. Im Bereich der Vergütung muss er sich den anderweitigen Verdienst anrechnen lassen. Im Bereich des Urlaubs schließt die Entscheidung des BAG die Lücke nunmehr entsprechend.

Einheitlicher Vertrag bei Grundstückskauf und Bau einer Doppelhaushälfte

Einheitlicher Vertrag bei Grundstückskauf und Bau einer Doppelhaushälfte

Kernaussage

Wer ein Grundstück mit Haus kauft, zahlt für die gesamten Anschaffungskosten Grunderwerbssteuer. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Käufer nicht weiß, dass er Grundstück und Haus aus einer Hand kauft. Dann fällt Grunderwerbsteuer zwar für das Grundstück, nicht aber für die Bauerrichtungskosten an. Ist ein Zusammenwirken auf der Veräußererseite für den Erwerber indes objektiv erkennbar, ist von einem einheitlichen Vertragswerk auszugehen.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Kosten für die Errichtung einer Doppelhaushälfte in die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist. Der Kläger erwarb im März 2005 ein Grundstück von der Bank. Der Vertrag wurde von der verbundenen Immobilien-GmbH vermittelt. Knapp 2 Wochen später, Anfang April 2005, schloss der Kläger mit einem Bauträger einen Werkvertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte ab. Das Finanzamt ermittelte, dass die Immobilien-GmbH von dem Bauträger für die Vermittlung des Klägers eine Provision erhielt. Infolgedessen behandelte das Finanzamt den Grundstückskaufvertrag und den Werkvertrag als einheitliches Vertragswerk und unterwarf auch die Bauerrichtungskosten der Grunderwerbsteuer.

Entscheidung

Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der Klage gegen die Entscheidung des Finanzamts statt, ließ aber die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu. Die Bauerrichtungskosten sind nicht der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, denn der Grundstückskaufvertrag und der Werkvertrag bilden kein einheitliches Vertragswerk. Zwar haben der Bauträger und die Immobilien-GmbH durch ihr abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss beider Verträge hingewirkt. Dennoch fehlt es für ein einheitliches Vertragswerk daran, dass das Zusammenwirken auf Veräußererseite für den Erwerber auch objektiv erkennbar ist. Nach der Rechtsprechung bedarf es bei intensivem Zusammenwirken auf Veräußererseite nur geringer Anzeichen für die objektive Erkennbarkeit. Der enge zeitliche Rahmen zwischen den beiden Vertragsschlüssen ist aber kein ausreichendes Indiz für die Kenntnis des Klägers von den Beziehungen auf Veräußererseite.

Konsequenz

Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob der BFH das Merkmal der „objektiven Erkennbarkeit“ in gleicher Weise wie das FG Düsseldorf versteht und dementsprechend die Entscheidung bestätigt.

Zahlung auf ein gemeinsames Oderkonto ist eine freigebige Zuwendung

Zahlung auf ein gemeinsames Oderkonto ist eine freigebige Zuwendung

Kernfrage

Eine freiwillige Vermögenszuwendung, durch die ein anderer bereichert wird, ist eine Schenkung und unterliegt der Schenkungsteuer. Dabei gilt, dass auch Ehegatten rechtlich – außer im Güterstand der Gütergemeinschaft – 2 selbstständige Vermögensmassen bilden, die keine rechtliche Einheit darstellen. Das heißt, Vermögensabflüsse aus dem Vermögen des einen Ehegatten in das des anderen können Schenkungen sein. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob es für eine Schenkung ausreicht, wenn Vermögen eines Ehegatten auf ein gemeinsames Konto fließt.

Sachverhalt

Die Eheleute hatten ein gemeinsames Oder-Konto, an dem sie also zu gleichen Teilen berechtigt waren und auf das der Ehemann erhebliche Geldbeträge z. B. aus einem Unternehmensverkauf einzahlte. Diese Einzahlungen wertete das Finanzamt als Schenkungen und setzte gegen die Ehefrau Schenkungsteuer fest. Hiergegen wandten die Eheleute ein, es habe im Innenverhältnis eine Abrede bestanden, nach der alleine der Ehemann an dem Konto berechtigt sein sollte. Die Eheleute konnten diese Abrede indes nicht nachweisen, so dass sie in der ersten Instanz unterlagen, weil das Finanzgericht sie als beweispflichtig ansah. Der BFH hob diese Entscheidung jetzt auf und verlangte eine erneute Verhandlung.

Entscheidung

die Richter waren der Auffassung, dass die Eheleute nicht die Feststellungslast dafür trügen, dass eine vom gesetzlichen Leitbild des Oder-Kontos abweichende Vereinbarung im Innenverhältnis bestanden habe. Für die Bejahung einer Schenkung sei zu klären, ob der Konto-Mitinhaber berechtigt gewesen sei, über seinen Teil des Kontos auch im Hinblick auf die vom anderen eingezahlten Beträge frei zu verfügen. Insoweit habe das Finanzgericht erneut zu klären, ob im Innenverhältnis nicht doch eine Vereinbarung dergestalt bestanden haben könnte, dass der Ehemann alleine berechtigt gewesen sein sollte. Eine solche Vereinbarung könne sich auch aus tatsächlichen Umständen ergeben. Beispielsweise spreche es gegen das Vorliegen einer solchen Vereinbarung, wenn die Ehefrau regelmäßig für eigene Zwecke auf das Konto zugreifen konnte. Am Ende falle die Feststellungslast, ob eine Schenkung vorgelegen habe, dem Finanzamt zu.

Konsequenz

Die Entscheidung des BFH hilft dem Steuerpflichtigen allerdings alleine im Bereich der Beweislast. Denn die Richter ließen keine Zweifel daran, dass Zahlungen auf ein Oder-Konto grundsätzlich Schenkungen sein können. Sicherheitshalber wird man daher zur Vermeidung solcher Schenkungen, wenn Zahlungen auf das Oder-Konto geleistet werden sollen, eine Innenvereinbarung schriftlich treffen müssen, die die Berechtigung des anderen Konto-Mitinhabers begrenzt.

Zurechnung von GmbH-Anteilen mit Nießbrauchsbelastung

Zurechnung von GmbH-Anteilen mit Nießbrauchsbelastung

Kernaussage

Viele Verträge haben heute die Vorwegnahme der Erbfolge zum Inhalt. Oft handelt es sich um Schenkungen, mit denen der Veräußerer erhebliche Vermögenswerte auf den Erwerber überträgt. Hierbei behält sich der Veräußerer regelmäßig Rechte vor, die meist seiner finanziellen Versorgung dienen. Häufig ist etwa der Vorbehalt eines Nießbrauchs, z. B. an einem GmbH-Geschäftsanteil. Dem ehemaligen Eigentümer gebühren dann als Nießbraucher die Nutzungen, insbesondere hat er Anspruch auf den Gewinnanteil, während der Erwerber die Verfügungsgewalt erhält. Hierzu entschied der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich, dass solche unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen GmbH-Anteile weiterhin dem ehemaligen Eigentümer (Nießbraucher) zuzurechnen sind, wenn er die Vermögens- und Verwaltungsrechte ausüben und durchsetzen kann.

Sachverhalt

Der Vater war zu 90 % Gesellschafter einer GmbH und schenkte seinem Sohn einen 30 %-Anteil. Der Sohn erwarb daraufhin noch 3,29 % von einem Dritten hinzu und bekam Jahre später von seinem Vater nochmals 65,83 % geschenkt. Der Vater behielt sich hierbei den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vor; ihm sollten als Nießbraucher die Gewinnanteile zustehen. Sein Sohn hielt die Mitgliedschaftsrechte, bevollmächtigte seinen Vater aber unwiderruflich zur Stimmrechtsausübung und räumte seiner Mutter für den Todesfall des Vaters das Recht auf Erhalt eines monatlichen Geldbetrags ein. Der Sohn war schließlich zu 99,17 % beteiligt, der Vater nur noch zu 0,83 %. Nachdem beide ihre Anteile verkauft hatten, verzichtete der Vater gegen eine Ablösesumme von 1,7 Mio. EUR auf seine Nießbrauchsrechte. Streitig war sodann zwischen dem Sohn und dem Finanzamt, ob bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der an den Vater gezahlte Ablösebetrag als nachträgliche Anschaffungskosten abzusetzen war.

Entscheidung

Das Finanzgericht bejahte dies, der BFH hob das Urteil auf. Das Finanzgericht hätte nicht ohne Weiteres schon bei der Schenkung von einem unentgeltlichen Erwerb der Anteile durch den Sohn ausgehen dürfen, ohne zu prüfen, ob ihm diese überhaupt als wirtschaftlicher Eigentümer zuzurechnen waren. Wirtschaftlicher Eigentümer eines GmbH-Anteils ist derjenige, der eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Ferner müssen die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (Gewinnbezugs- und Stimmrechte) sowie Wertminderungschancen und -risiken auf ihn übergegangen sein. Weil der vorbehaltene Nießbrauch dem Vater eine Position vermittelte, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der GmbH gab, war ihm der Anteil steuerlich als wirtschaftlicher Eigentümer zuzurechnen. Erst mit dem Verzicht auf den Nießbrauch hat der Vater die Anteile entgeltlich gegen Zahlung der Ablösesumme an seinen Sohn übertragen. Die Anteilsschenkung des Vaters an den Sohn konnte damit den Gewinn nicht um die Anschaffungskosten des Vaters als Rechtsvorgänger mindern.

Konsequenz

Die Anteile wurden erst mit dem Verkauf durch Vater und Sohn auf einen Dritten gegen Zahlung der Ablösesumme an den Vater übertragen. Damit war die Regelung über den Abzug der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers (hier des Vaters) nicht anwendbar; die Anschaffungskosten waren mit dem Ablösebetrag anzusetzen.

Wie ist eine gemischte Schenkung zu besteuern?

Wie ist eine gemischte Schenkung zu besteuern?

Rechtslage

Sogenannte gemischte Schenkungen, also ein Rechtsgeschäft, bei dem die ausgetauschten Leistungen in ihrem Wert voneinander abweichen, führen bei Überschreitung entsprechender Freibeträge zu schenkungsteuerpflichtigen Vorgängen. Das Rechtsgeschäft wird in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt, wobei für den unentgeltlichen Teil eine freigiebige Zuwendung unterstellt wird. Das Finanzgericht Düsseldorf hatte in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung über das Vorliegen einer gemischten Schenkung bei Rechtsgeschäften unter Gesellschaften und ihren Gesellschaftern zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die wiederum Alleingesellschafterin einer Aktiengesellschaft (AG) war. Die AG hatte der GmbH ein Darlehen gewährt, auf dessen Rückzahlung sie aus Insolvenzvermeidungsgründen gegen einen Besserungsschein verzichtete. Diesen Besserungsschein verkaufte die AG an den Kläger für den symbolischen Preis von 1,00 EUR. Als der Besserungsfall tatsächlich eintrat, erhielt der Kläger von der GmbH Zahlungen von rd. 2,0 Mio. EUR auf den Besserungsschein, die das Finanzamt als Gegenstand einer gemischten Schenkung wertete und Schenkungsteuer festsetzte. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der freigiebigen Zuwendung reiche es bei einer gemischten Schenkung aus, wenn gemessen am Verkehrswert einer höherwertigen Leistung (= Besserungsschein) eine Gegenleistung (= 1,00 EUR) gegenüberstehe. Die höherwertige Leistung müsse dabei neben Elementen der Freigiebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrages enthalten, ohne dass sich die höherwertige Leistung teilen lasse. Die Schenkung sei im konkreten Fall nicht mit Verkauf des Besserungsschein, sondern mit Eintritt des Besserungsfalls erfolgt. Daher sei die höherwertige Leistung mit den an den Kläger gezahlten Beträgen zu bewerten. Hinzu komme, dass der Besserungsschein nicht aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung, sondern aufgrund schuldrechtlichen Kaufvertrages übertragen worden sei.

Konsequenz

Aus der Entscheidung ergibt sich, dass bei Besserungsscheinen der Eintritt des Besserungsfalls und die dann ausgezahlten Leistungen Gegenstand einer Schenkung werden. Dies birgt erhebliche Gefahren, wenn der Besserungsschein zu einem symbolischen Preis übertragen wird.

Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer

Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer

Kernaussage

Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommene GmbH-Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und daher dem Gläubiger keine Darlegung von Einzelheiten möglich ist.

Sachverhalt

Die Klägerin schloss mit der GmbH (Schuldnerin) im Mai 2005 einen Frachtvertrag ab. Aus diesem Vertrag stand der Klägerin ein 8 Tage später fällig werdender Vergütungsanspruch in Höhe von 36.500 EUR zu. Ein Mitte Juni 2005 gestellter Insolvenzantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Die Klägerin nimmt den Geschäftsführer wegen verspäteter Insolvenzantragstellung und Eingehungsbetrug auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem das Landgericht der Klage antragsgemäß entsprochen hatte, wies das Oberlandesgericht die Klage in der Berufung ab. Schließlich obsiegte die Klägerin vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

Entscheidung

Der Klägerin steht ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer zu. Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin im Mai 2005 aufgrund von Zahlungseinstellung zahlungsunfähig und damit insolvenzreif. Der daraus folgenden Insolvenzantragsstellungspflicht wurde nicht nachgekommen, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bei Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich sofort zu stellen. Die oft zitierte 3-Wochen-Frist bezieht sich auf die Bemühungen des Geschäftsführers, die Krise zu überwinden, bzw. die Insolvenzantragsgründe zu beseitigen, was hier ausschied. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Zahlungseinstellung hätte grundsätzlich die Klägerin diese darlegen und beweisen müssen. Weil jedoch keine Unterlagen bei der Schuldnerin aufgefunden bzw. vorgelegt wurden, bedurfte es dessen nicht. Nach der Rechtsprechung gelten die Voraussetzungen der Insolvenzreife nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.

Konsequenz

Das Urteil hilft der beweisbelasteten Klägerin bei der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen den GmbH-Geschäftsführer in der Insolvenz. Es wird deutlich, dass sich der Geschäftsführer auch nicht durch Vernichtung von Unterlagen dieser Haftung entziehen kann.

Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben

Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben

Kernaussage

Kündigt ein Geschäftsführer seinen Anstellungsvertrag, weil sein Aufgabenbereich eingeschränkt wurde, entfallen die Vergütungsansprüche. Ein Schadensersatzanspruch gegen die GmbH wegen Auflösungsverschuldens scheidet jedenfalls dann aus, wenn keine Verletzung des Anstellungsvertrages oder der Satzung durch die Kompetenzbeschneidung festzustellen ist.

Sachverhalt

Der Kläger und seiner Ehefrau waren alleinige Gesellschafter der beklagten GmbH und zugleich deren jeweils alleinvertretungsberechtigte und zur Vornahme so genannter Insichgeschäfte berechtigte Geschäftsführer. Nachdem sie sämtliche Anteile an der GmbH an eine GmbH & Co. KG veräußerten, schlossen sie mit der GmbH einen Geschäftsführeranstellungsvertrag ab. In der Folgezeit kann es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin, weil diese diverse Abteilungen der beklagten GmbH auf andere Konzernunternehmen verlagert hatte. Daraufhin bestellte die Gesellschafterin einen weiteren Geschäftsführer, widerrief die dem Kläger und seiner Ehefrau erteilte Alleinvertretungsberechtigung sowie die Erlaubnis zur Vornahme von Insichgeschäften und erließ eine Geschäftsordnung. Hiernach waren der Kläger und seine Ehefrau fortan berichtspflichtig und weisungsgebunden gegenüber dem weiteren Geschäftsführer. In der Folge erklärte der Kläger die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages. Mit der Klage machte der Kläger seine vertraglichen Vergütungsansprüche geltend und verlor.

Entscheidung

Veranlasst ein Vertragspartner einen Dienstverpflichteten durch schuldhafte Vertragsverletzung zur außerordentlichen Kündigung, so kann der Kündigende Schadensersatz verlangen. Für den Fall einer Abberufung des Geschäftsführers hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits entschieden, dass die Gesellschaft nur ihr gesetzliches Recht der jederzeitigen Abberufung wahrnimmt, so dass eine Vertragsverletzung nicht vorliegen kann. Die streitige Frage, ob diese Rechtsprechung auch im Fall der Einschränkung des Kompetenzbereichs des Geschäftsführers Anwendung findet, musste vorliegend nicht entschieden werden, da weder dem Anstellungsvertrag des Klägers noch der Satzung der beklagten GmbH zu entnehmen war, dass eine Kompetenzbeschränkung unzulässig ist.

Konsequenz

Die Frage, ob Vereinbarungen im Anstellungsvertrag, die körperschaftsrechtlichen Regelungen widersprechen, schuldrechtlich wirksam bleiben und ein Recht zur fristlosen Kündigung mit Schadensersatzansprüchen begründen, bleibt weiterhin offen.

Testamentsvollstrecker-Vermerk im Handelsregister einer KG zulässig?

Testamentsvollstrecker-Vermerk im Handelsregister einer KG zulässig?

Kernaussage

Ist über den Nachlass eines Kommanditisten Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, so ist auf Antrag des Testamentsvollstreckers ein Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister einzutragen.

Sachverhalt

Ein Erblasser, ehemals Kommanditist einer GmbH & Co. KG, wurde von 2 Personen beerbt. Über seinen Nachlass war Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker beantragte, in das Handelsregister einzutragen, dass der Kommanditist verstorben und seine Beteiligung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbengemeinschaft übergegangen sei. Ferner, dass Testamentsvollstreckung angeordnet sei. Das zuständige Registergericht verweigerte die Eintragung mit der Begründung, Erben könnten nicht als Erbengemeinschaft eingetragen werden. Zudem bestünde kein schützenswertes Interesse an der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks und im Übrigen sei ein Erbschein erforderlich, wenn das Nachlassgericht die Akte nicht auf Anforderung übersende. Der Bundesgerichtshof (BGH) sah dies anders und gab dem Testamentsvollstrecker Recht.

Entscheidung

Grundsätzlich werden in das Handelsregister nur die Tatsachen und Rechtsverhältnisse eingetragen, deren Eintragung gesetzlich vorgesehen ist. Darüber hinausgehende Eintragungen sind zulässig, wenn ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der Verlautbarung besteht. Danach kann die auf einen Kommanditanteil bezogene Testamentsvollstreckung jedenfalls im Handelsregister vermerkt werden, wenn Dauertestamentsvollstreckung angeordnet ist. Hier besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Information. Die KG wird beim Tod eines Kommanditisten mit den Erben fortgesetzt; jeder Erbe erhält eine eigenständige Beteiligung im Umfang seiner Erbquote. Ist an dem Nachlass Testamentsvollstreckung angeordnet, erfasst sie auch diese übergegangenen Anteile, sofern gesellschaftsvertraglich angeordnet. Durch die Testamentsvollstreckung sind die Erben zwar nicht vor der (gesetzlich begrenzten) persönlichen Inanspruchnahme in Bezug auf die Gesellschaftsverbindlichkeiten geschützt. Die Eigengläubiger der Erben können aber nicht auf das der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassvermögen zugreifen. Insofern entfaltet diese eine unmittelbare haftungsrechtliche Außenwirkung.

Konsequenz

Da die Rechte eines Kommanditisten bei angeordneter Testamentsvollstreckung allein der Testamentsvollstrecker ausüben kann, hat der Rechtsverkehr ein berechtigtes Interesse, darüber unterrichtet zu werden.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin