Gründe für den Ausschluss vom Amt des Geschäftsführers

Gründe für den Ausschluss vom Amt des Geschäftsführers

Rechtslage

Bei der Bestellung einer natürlichen Person zum Geschäftsführer einer GmbH hat diese in der Anmeldung zum Handelsregister zu versichern, dass keine Umstände vorliegen, die seiner Bestellung entgegenstehen (§ 6 Abs. 2 GmbHG). Als Geschäftsführer ist generell ungeeignet, wer wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Katalog- Straftaten (z. B. Insolvenzstraftaten) in den letzten 5 Jahren rechtskräftig verurteilt wurde. Zur Bestimmung dieser 5-Jahresfrist ist die Rechtskraft des Urteils maßgeblich. Jede Bestellung zum Geschäftsführer in diesem Zeitraum ist unheilbar wirkungslos. Jede nach Bestellung zum Geschäftsführer eintretende Amtsunfähigkeit führt zum sofortigen Amtsverlust.

Sachverhalt

Eine GmbH meldete die Bestellung eines weiteren Geschäftsführers zur Eintragung ins Handelsregister an. Dieser versicherte in der notariell beurkundeten Anmeldung, dass keine Umstände vorlägen, aufgrund derer er nach den Bestimmungen des GmbH-Gesetzes von dem Amt als Geschäftsführer ausgeschlossen wäre. In der Anmeldung hieß es wörtlich: „Während der letzten 5 Jahre erfolgte im Inland (bzw. im Ausland wegen mit nachstehenden Taten vergleichbaren Straftaten) keine Verurteilung wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten….“. Das Registergericht verweigerte die Eintragung, weil die Versicherung nicht auf den später liegenden Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft einer erfolgten Verurteilung abstellte. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Rechtsbeschwerde zurück. Geschäftsführer kann nicht sein, wer wegen einer oder mehrerer im GmbH-Gesetz genannten Straftaten verurteilt worden ist. Dieser Ausschluss von 5 Jahren gilt seit Rechtskraft des Urteils. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Regelung, dem damit verbundenen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufswahl und Berufsausübung sowie aus verfassungsrechtlichen Gründen der Unschuldsvermutung. In der Formulierung der Versicherung muss sich niederschlagen, dass das Bestellungshindernis zeitlich an die Rechtskraft der Verurteilung anknüpft.

Konsequenz

In der Formulierung der Versicherung des Geschäftsführers sollte stets aufgenommen werden, dass keine „rechtskräftige“ Verurteilung erfolgte oder der Geschäftsführer „noch nie“ wegen der genannten Straftaten verurteilt wurde.

Müssen sich Betriebsratsmitglieder für jede Tätigkeit abmelden?

Müssen sich Betriebsratsmitglieder für jede Tätigkeit abmelden?

Kernaussage

Ein Betriebsratsmitglied, das an seinem Arbeitsplatz während seiner üblichen Arbeitszeit Betriebsratstätigkeiten wahrnimmt, ist in der Regel verpflichtet, sich zuvor bei seinem Arbeitgeber abzumelden und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Zweck dieser Meldepflicht ist es, dem Arbeitgeber zu ermöglichen, den Arbeitsausfall anderweitig aufzufangen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun, dass eine vorherige Abmeldepflicht dann nicht besteht, wenn eine vorübergehende und anderweitige Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt. Dies hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab.

Sachverhalt

Bei der Arbeitgeberin, einem Marktforschungsunternehmen der Automobilbranche mit ca. 220 Arbeitnehmern, war ein aus 9 Mitgliedern bestehender Betriebsrat gebildet worden. Dieser war, entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin, der Ansicht, seine Mitglieder treffe generell keine Pflicht, sich vor jeder Betriebsratstätigkeit beim jeweiligen Vorgesetzten abzumelden. Der Betriebsrat begehrte die diesbezügliche gerichtliche Feststellung mit der Begründung, das einzelne Mitglied müsse selbst entscheiden können, ob die ausgefallene Arbeit nachgeholt werden könne. Bei lediglich kurzen Arbeitsunterbrechungen sei eine Abmeldung überhaupt nicht geboten. Der Betriebsrat unterlag mit dem Feststellungsantrag in allen Instanzen.

Entscheidung

Das BAG wies den im Übrigen zu weit gefassten Antrag mit dem Hinweis ab, die umstrittene Abmeldepflicht eines Betriebsratsmitglieds könne weder generell verneint noch bejaht werden. Hier hänge es immer von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab. Die Meldepflicht des Betriebsratsmitglieds diene gerade dazu, dem Arbeitgeber die Organisation des Betriebsablaufs zu ermöglichen und den Arbeitsausfall anderweitig aufzufangen. In diesem Zusammenhang seien insbesondere die Art der Arbeitsaufgabe des Betriebsratsmitglieds und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunterbrechung von Relevanz. Komme daher eine vorübergehende Umorganisation der Arbeit nicht in Betracht, entfalle auch die Meldepflicht. Das BAG wies ferner darauf hin, dass ein Betriebsratsmitglied bei unterlassener Abmeldung verpflichtet ist, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen nachträglich die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen.

Konsequenz

Generelle Klarheit bringt das Urteil wegen der Erforderlichkeit einer jeweiligen Einzelprüfung nicht. In Zweifelsfällen sollte daher möglichst vor der Betriebsratstätigkeit eine Abmeldung beim Vorgesetzen erfolgen.

Verjährung von Ansprüchen einer GbR gegen ausgeschiedenen Gesellschafter

Verjährung von Ansprüchen einer GbR gegen ausgeschiedenen Gesellschafter

Kernaussage

Der Anspruch der Gesellschaft gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter im Rahmen der Verlustausgleichshaftung (§ 739 BGB) verjährt innerhalb von 3 Jahren (§ 195 BGB).

Sachverhalt

Die Parteien waren an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), deren Zweck die Führung einer Gaststätte war, je zur Hälfte beteiligt. Der Gesellschaftsvertrag sah unter anderem für den Fall der Kündigung durch einen Gesellschafter vor, dass das Gesellschaftsvermögen dem anderen Gesellschafter anwachsen solle. Zum 31.12.1994 betrachteten die Parteien ihr Gesellschaftsverhältnis als beendet, nachdem der Beklagte nicht mehr in der Gaststätte erschien. Die von den Parteien gemeinsam festgestellte Bilanz der GbR zum 31.12.1994 wies auf der Passivseite einen Betrag von rund 132.000 DM aus. Das negative Kapitalkonto des Beklagten betrug rund 40.000 EUR. Der Kläger führte bis zur Beendigung des Mietvertrages die Gaststätte als Einzelkaufmann weiter. Die Klage auf Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Beklagten erhob der Kläger im Juli 2004. Das Landgericht gab der Klage statt. Das Oberlandesgericht wies die Klage ab, weil der geltend gemachte Nachschussanspruch nach den Vorschriften des HGB (§ 159) innerhalb von 5 Jahren seit der Auflösung der GbR verjährt sei.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab wieder dem Kläger Recht. Gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Ausgleich des Fehlbetrages griff die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Der Beklagte war durch konkludente Kündigung aus der Gesellschaft ausgeschieden; damit war das Gesellschaftsvermögen dem Kläger satzungsgemäß angewachsen. Im Fall einer Fortsetzungsklausel kann das Ausscheiden eines Gesellschafters zu einer Fehlbetragshaftung (§ 739 BGB) führen. Eine entsprechende Anwendung der Außenhaftung des ausscheidenden Gesellschafters bzw. der 5-jährigen Anspruchsverjährung (§§ 159, 160 HGB) kommt hingegen nicht in Betracht. Ein zeitlicher Gleichlauf von Innen- und Außenhaftung ist gesetzlich nicht vorgesehen und wegen der Unterschiedlichkeit auch nicht geboten. Für den geltend gemachten Anspruch ist daher die 3-jährige Verjährungsfrist nach dem BGB einschlägig (§ 195 BGB i. d. F. des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 1.1.2002; Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB).

Konsequenz

Der BGH bestätigte seine Meinung und erteilte den Kritikern eine eindeutige Absage für die Annahme einer 5-jährigen Verjährungsfrist bei der Verlustausgleichshaftung. Ansprüche auf Ausgleich etwaiger Fehlbeträgen gegenüber dem ausscheidenden Gesellschafter sind daher frühzeitig geltend zu machen.

Telekom-Tarifvertrag gilt auch für ehemalige Postler

Telekom-Tarifvertrag gilt auch für ehemalige Postler

Kernfrage

Verweisen Arbeitsverträge auf Tarifverträge und kommt es während der Dauer des Arbeitsverhältnisses dazu, dass dieses vom ursprünglichen Arbeitgeber auf einen anderen Arbeitgeber übergeht, stellt sich regelmäßig die Frage, wie die ursprüngliche Verweisnorm zu verstehen ist. Möglich sind einfache Bezugnahmen, die in der Regel dazu führen, dass alte Tarifverträge erhalten bleiben, weil der neue Arbeitgeber Tarifnachfolger wird. Denkbar sind aber auch Wechsel im anwendbaren Tarifvertrag. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr zur Auslegung solcher Bezugnahmeklauseln in einem Fall zu entscheiden, in dem der ursprüngliche Arbeitsvertrag 27 Jahre zuvor geschlossen worden war.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1980 bei der Deutschen Bundespost und später nach deren Privatisierung im Jahre 1995 bei der Telekom beschäftigt. Aufgrund einer Verweisung in seinem ursprünglichen Arbeitsvertrag fanden die Tarifverträge der Bundespost Anwendung, später wurden die Tarifverträge der Telekom auf das Arbeitsverhältnis angewendet. Schließlich ging das Arbeitsverhältnis des Klägers 2007 im Rahmen eines Teilbetriebsübergangs auf eine Tochtergesellschaft der Telekom über, die lediglich ihren Haustarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwandte. Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Feststellung, dass der Tarifvertrag der Telekom im Zeitpunkt des Teilbetriebsübergangs auf ihn anzuwenden sei und bekam Recht.

Entscheidung

Nach Ansicht der Richter ergibt sich die Tatsache, dass die Tarifverträge der Telekom und nicht der (schlechtere) Haustarifvertrag der Tochtergesellschaft auf den Kläger anzuwenden sind, aus der Verweisklausel seines ursprünglichen Arbeitsvertrags mit der Bundespost. Diese erfasse im Wege der Vertragsauslegung auch die Tarifverträge der Telekom, weil sie im Rahmen der Privatisierung Tarifnachfolger der Bundespost geworden sei. Nicht mehr möglich sei es aber, die ursprüngliche Verweisungsklausel dahingehend auszulegen, dass auch Tarifverträge von Tochtergesellschaften zur Anwendung gelangten. Dies sei bei der Privatisierung gar nicht abzuschätzen gewesen. Im Übrigen sei es nicht möglich, die reine Verweisklausel in eine Tarifwechselklausel umzudeuten.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt die Bedeutung von Verweisklauseln in Arbeitsverträgen. Die Problematik ist offensichtlich nicht nur auf ehemalige Staatsbetriebe beschränkt. Vergleichbare Situationen der Tarifnachfolge können auch eintreten, wenn Unternehmen umgewandelt werden.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aktivierung von Forderungen

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aktivierung von Forderungen

Kernaussage

Gewinne sind in der Handels- und Steuerbilanz nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind. Danach sind Forderungen aus Lieferungen und Leistungen u. a. dann auszuweisen, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann.

Sachverhalt

Der Kläger, ein Versicherungsmakler, ermittelte seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Mit einer Versicherungsgesellschaft hatte er einen Vertrag über Rückprämien bei günstigem Schadensverlauf abgeschlossen. Danach stand ihm für die von ihm vermittelten Kraftfahrzeug-Versicherungen ein Anspruch auf eine Prämie zu, wenn die Gesamtschadensquote 50 % nicht überschritt. Die Abrechnung und Auszahlung erfolgten jeweils im Folgejahr. Für das Streitjahr 2001 ergab sich eine Schadensquote von 43 %. Die Rückprämie wollte der Kläger erst im Folgejahr als Einnahme erfassen. Das beklagte Finanzamt aktivierte die Forderung aber bereits zum Stichtag des abgelaufenen Jahres. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor dem Finanzgericht erfolglos; der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigte die Auffassung der Vorinstanz.

Entscheidung

Der BFH führt aus, dass es für die Gewinnrealisierung ohne Bedeutung ist, ob am Bilanzstichtag bereits eine Rechnung erteilt worden ist oder ob die geltend gemachten Ansprüche erst noch abgerechnet werden. Im Streitfall war die wesentliche wirtschaftliche Ursache für das Entstehen des Anspruchs des Klägers auf Rückprämie darin zu sehen, dass die Gesamtschadensquote von 50 % nicht überschritten wurde. Dass diese Bedingung eingetreten ist, steht objektiv zum Ablauf des Bilanzstichtages fest. In seinem Entschluss stützt sich der BFH auf ein bereits von ihm entschiedenes Urteil, in dem die Ansprüche der Inhaber von Urheberrechten gegen die GEMA bereits in demjenigen Wirtschaftsjahr zu aktivieren sind, in dem die Aufführung eines urheberrechtlich geschützten Werkes stattfindet.

Konsequenz

Die vertraglichen Regelungen geben im Streitfall bereits einen Hinweis auf das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen am Bilanzstichtag und auf die Entstehung einer Forderung vor. Die Abrechnung im Folgejahr stellt lediglich eine subjektive Aufhellung dar.

Kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn trotz „Praxisverkauf“

Kein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn trotz „Praxisverkauf“

Kernproblem

Veräußert ein Unternehmer seinen Betrieb, wird ein daraus entstehende Gewinn tarifbegünstigt besteuert, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber übertragen werden und damit die gewerbliche oder freiberufliche Betätigung des Veräußerers endet.

Sachverhalt

Der Kläger ist Facharzt für Orthopädie und Inhaber einer angemieteten Praxisklinik mit voll ausgestatteten Operationsräumen. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf die Durchführung von Kniegelenksoperationen. Er veräußerte die Praxis ohne das Inventar sowie seine Patientenkartei an einen Berufskollegen. Der Erwerber sollte auch in den bestehenden Mietvertrag für die Räume eintreten, was dieser aber ablehnte. Der Kläger eröffnete in der Nähe eine neue Privatpraxis, in der er sich schwerpunktmäßig der klassischen Orthopädie zuwandte. Operative Eingriffe in vermindertem Umfang führte der Kläger weiter in seinen alten Praxisräumen, deren Mietvertrag noch bestand, durch, da die neue Praxis selbst über keine Operationssäle verfügte. Das beklagte Finanzamt behandelte den Gewinn aus dem „Praxisverkauf“ als laufenden Gewinn mit der Begründung, der Kläger gehe weiterhin der gleichen freiberuflichen Tätigkeit nach und habe diese nicht in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis eingestellt.

Entscheidung

Das Finanzgericht (FG) Hamburg folgte der Ansicht des Finanzamtes. Die begünstigte Veräußerung einer Praxis setzt voraus, dass alle wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen auf den Erwerber übertragen werden. Hierzu zählen in erster Linie die Beziehungen des Praxisinhabers zu seinen bisherigen Patienten. Eine Übertragung ist nur dann gewährleistet, wenn der Veräußerer seine Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungsfeld wenigstens für eine gewisse Zeit aufgibt und somit nicht in Konkurrenz zu der übertragenen Praxis tritt. Der Kläger hingegen eröffnete seine neue Praxis in unmittelbarer Nähe zur bisherigen Tätigkeitsstätte. Zudem veränderte er sein bisheriges Tätigkeitsfeld nicht grundlegend. Nach Auffassung des FG stellt der Wechsel von der operativen hin zur klassischen Orthopädie jedenfalls keine wesensmäßig veränderte Tätigkeit dar. Dass der Kläger seine Patientenkartei veräußert hat, reicht für die Annahme einer tarifbegünstigten Besteuerung des Gewinns nicht aus.

Konsequenz

Eine tarifbegünstigte Betriebsveräußerung setzt nicht voraus, dass der Veräußerer im bisherigen räumlichen Wirkungsbereich jedwede unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit einstellt. Bei Aufnahme einer neuen Tätigkeit muss diese aber von der bisherigen wesensverschieden sein. Die Rechtsprechung hat wesensverschiedene Tätigkeiten bei Ärzten z. B. nicht angenommen in Fällen eines Wechsels von einer allgemeinmedizinischen Praxis in eine Praxis für Naturheilkunde oder von einer Tätigkeit als Zahnarzt in den Bereich der Kieferchirurgie.

„Whistleblowing“ kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

„Whistleblowing“ kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

Kernfrage

Als Whistleblowing im Arbeitsrecht bezeichnet man die Information über Missstände beim oder über den Arbeitgeber. (Anonymes) Whistleblowing kann beim Arbeitgeber im Rahmen interner Compliance gewollt sein; oftmals informieren Arbeitnehmer aber externe Dritte (zum Beispiel Behörden) unmittelbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in einem Whistleblowing-Fall, über die Zulässigkeit einer deswegen ausgesprochenen Kündigung zu befinden, nachdem die deutschen Arbeitsgerichte und das Verfassungsgericht die Kündigung für rechtmäßig gehalten hatten.

Sachverhalt

Die Klägerin war mittelbar beim Land Berlin als Altenpflegerin beschäftigt und hatte bereits mehrfach über Missstände in der Qualität der Pflege (zu wenig Personal, unzureichende Betreuung) informiert, die auch durch eine Medizinische Begutachtung der Einrichtung bestätigt wurden. Nachdem die Missstände nicht abgestellt wurden, erstattete sie Ende 2004 Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber wegen Betrugs. Er täusche eine qualitativ hochwertige Versorgung vor und lasse sich diese bezahlen, erbringe diese Leistung aber tatsächlich nicht. Darauf kündigte der Arbeitgeber fristlos.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte – gegen die Entscheidungen der deutschen Gerichte, die er aufgrund fehlender Kompetenz aber nicht aufheben kann – einen Verstoß gegen die Freiheit der Meinungsäußerung fest und verurteilte den deutschen Staat zur Zahlung einer Entschädigung. Die Kündigung, die einen Eingriff in dieses Grundrecht darstelle, sei nicht gerechtfertigt. Zwar hätten die Vorwürfe rufschädigenden Charakter; es überwiege aber das öffentliche Interesse an der Offenlegung der Missstände, insbesondere im Bereich der institutionellen Altenpflege. Erschwerend für den Arbeitgeber komme im Falle der Klägerin hinzu, dass diese im Vorfeld bereits erfolglos informiert habe und nicht leichtfertig falsche Tatsachen behauptet habe.

Konsequenz

Zwar hat die Entscheidung keine Auswirkungen mehr auf das deutsche Rechtsverfahren; sie dürfte aber Signalwirkung für das deutsche wie europäische Arbeitsrecht haben. In Zukunft wird man das Kündigungsinteresse des Arbeitgebers in Fällen des Whistleblowings regelmäßig an der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie dem Grad der offen gelegten Missstände und den davon ausgehenden Gefahren zu messen haben.

Pauschale Leistungsbeschreibungen gefährden den Vorsteuerabzug

Pauschale Leistungsbeschreibungen gefährden den Vorsteuerabzug

Kernaussage

Rechnungen berechtigen nur dann zum Vorsteuerabzug, wenn sie alle nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) geforderten Angaben enthalten. Hierzu zählt unter anderem die genaue Beschreibung der abgerechneten Leistung.

Sachverhalt

Der Kläger war Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei, die mit einer Steuerberatungsgesellschaft eine Bürogemeinschaft unterhielt. Er war einer von mehreren Geschäftsführern der Steuerberatungsgesellschaft, nicht jedoch an ihr beteiligt. Die Steuerberatungsgesellschaft erbrachte auf Basis einer mündlichen Vereinbarung folgende Dienstleistungen für die Kanzlei: Gestellung von Personal, Büromaterial, EDV und Fachliteratur sowie Schreibarbeiten. Unterjährig leistete der Kläger Abschlagszahlungen. Zum Jahresende erfolgte die Endabrechnung. Hierzu setzte sich der Kläger mit einem der anderen Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft zusammen und schätzte die zu leistende Nachzahlung auf Basis der angefallenen Kosten. Eine exakte Abrechnung unterblieb, um administrativen Aufwand zu vermeiden. Diese Endabrechnung erkannte das beklagte Finanzamt nicht an und bemängelte die Bezeichnung „Nachzahlung Personalgestellung – Schreibarbeiten bzw. für andere Kosten (Büromaterial, Porto, EDV, Fachliteratur etc.) lt. mündlicher Vereinbarung für den Zeitraum Januar bis Dezember“ als zu unpräzise. Das Finanzamt versagte der Abrechnung sodann den Vorsteuerabzug mit der weiteren Begründung, insbesondere würden Angaben zu den tätigen Mitarbeitern und den geleisteten Stunden fehlen. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Nach Ansicht des Finanzgerichts wurde der Vorsteuerabzug zu Recht versagt, weil die Leistungsbeschreibung keine genaue Identifizierung der erbrachten Leistung zuließ. Die Richter wiesen aber daraufhin, dass der Vorsteuerabzug zulässig gewesen wäre, wenn die Art und der Umfang der erbrachten Leistung weiter konkretisiert worden wären. Dazu hätten zusätzliche Angaben zu den tätigen Personen, den geleisteten Stunden und Stundensätzen gemacht werden müssen. Auf das Argument des Vorliegens einer mündlichen Vereinbarung über die Personalgestellung konnte sich der Kläger ebenfalls nicht stützen, weil eine solche im Gegensatz zu schriftlichen Vereinbarungen nicht überprüfbar ist.

Konsequenz

Allein die Angabe der Art der getätigten Leistung reicht für den Vorsteuerabzug nicht aus. Vielmehr müssen konkrete Angaben zum Umfang ergänzt werden (Mengen-, Zeitangaben). Fehlen diese, besteht bei Angaben wie z. B. Reinigung, Beratung, Schreibarbeiten etc. die Gefahr, dass dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug versagt wird. Das letzte Wort hat hier aber nun der Bundesfinanzhof (BFH). Die Revision gegen das finanzgerichtliche Urteil ist bereits eingelegt.

Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

Geringe Manipulation von Zeiterfassungsdaten rechtfertigt keine Kündigung

Rechtslage

Bis zur vieldiskutierten „Emily“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verhielt es sich so, dass auch geringfügige Straftaten zu Lasten des Arbeitgebers (beispielsweise auch die Unterschlagung von Pfandbons) eine fristlose Kündigung rechtfertigen konnten. Hierzu gehörte stets auch der Arbeitszeitbetrug. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat jetzt für diesen Bereich (wohl) erstmals eine mit der „Emily“-Rechtsprechung vergleichbare Richtung eingeschlagen.

Sachverhalt

Beim beklagten Arbeitgeber bestand ein Zeiterfassungssystem, in das sich die Arbeitnehmer einstempeln mussten und das einer Arbeitsstunde 12 Zeiteinheiten zuordnete, wobei zu den einzelnen Tätigkeiten im Betrieb bestimmte Zeiteinheiten hinterlegt waren. Für den hier erheblichen Ölwechsel erhielt der Kläger 9 Zeiteinheiten gutgeschrieben. Wenn ein Lehrling an der Arbeit beteiligt war, umfasste eine Arbeitsstunde 14 oder 16 Zeiteinheiten. Im konkreten Fall hatte der Kläger einen Lehrling angewiesen, ihm beim Abschrauben einer Verkleidung zu helfen, was ca. eine Minute erforderte, und sich dafür nicht in die Zeiterfassung einzustempeln. Wegen dieses Vorfalls kündigte der Arbeitgeber dem Kläger fristlos und unterlag vor dem Landesarbeitsgericht.

Entscheidung

Die Richter entschieden, dass ein systematischer Missbrauch der Zeiterfassung zwar weiterhin eine zur fristlosen Kündigung berechtigende schwere Pflichtverletzung darstelle und der Kläger die Zeiterfassung auch zu seinen Gunsten manipuliert habe, indem er verhinderte, dass die Hilfe des Lehrlings die Zeiteinheiten seiner Arbeitsstunde erhöhten. Der für die fristlose Kündigung zum Anlass genommene Vorwurf stelle aber eine verhältnismäßig geringe Pflichtverletzung dar, die keine Kündigung rechtfertige.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt eine deutliche Tendenz im Bereich der Rechtsprechung zu Kündigungen, die wegen Straftaten, die zu Lasten des Arbeitgebers begangen wurden, ausgesprochen werden. Dort, wo verhältnismäßig geringe Verstöße denkbar und möglich sind, scheint die Rechtsprechung zu Gunsten des Arbeitnehmers ein einmaliges bzw. geringfügiges Fehlverhalten für noch erträglich zu erachten.

Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Kernproblem

Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bestimmt sich regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung (Kaufpreis). Wird die Grunderwerbsteuer indes infolge eines Anteilsgeschäftes (Übertragung oder Vereinigung von mehr als 95 % der Anteile in einer Hand) oder einer Umwandlung (insbesondere Verschmelzung, Spaltung und Einbringung) ausgelöst, dient der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage (§§ 138 ff. BewG). Bei bebauten Grundstücken entspricht dieser regelmäßig dem 12,5fachen der vereinbarten oder üblichen Jahresmiete (vermindert um einen Altersabschlag für das Gebäude). Die Anwendung dieses typisierenden Ertragswertverfahrens kann in der Praxis im Einzelfall zu erheblichen Unter- oder auch Überbewertungen führen. Infolgedessen hält der Bundesfinanzhof (BFH) die Anwendung dieser Bewertungsvorschriften für verfassungswidrig, da sie einem gleichheitsgerechten und folgerichtigen Bewertungssystem entgegenstehe. Die Prüfung der Verfassungskonformität obliegt nunmehr dem Bundesverfassungsgericht.

Reaktion der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil reagiert, in dem die gleichlautenden Ländererlasse vom 1.4.2010 nunmehr durch die gleichlautenden Ländererlasse vom 17.6.2011 ersetzt wurden. Zu klären ist die Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage verfassungsgemäß ist. Deshalb haben zukünftig weiterhin Festsetzungen von Grunderwerbsteuer, die die Steuer nach den Grundbesitzwerten bemessen, vorläufig zu erfolgen.

Konsequenzen

Es ist in der Praxis darauf zu achten, dass die Festsetzungen der Grunderwerbsteuer den vorstehend erläuterten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, wenn die Festsetzung auf der Grundlage von Grundbesitzwerten beruht. Ist ein Vorläufigkeitsvermerk nicht enthalten, sollte der Bescheid unter Hinweis auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren offen gehalten werden. Ob bzw. inwieweit Steuerpflichtige von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts profitieren werden, ist indes fraglich: Der BFH ist zwar von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt, hat jedoch eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da nicht mehr gewährt werden könne, als vom Bundesverfassungsgericht zu erwarten sei. Dieses hätte aber in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen dem Gesetzgeber eine Frist zur Nachbesserung gestellt und zwischenzeitlich eine befristete Weiteranwendung der Altregelung zugelassen. Eine rückwirkende Änderung oder die Feststellung der Nichtigkeit erfolgte jedoch regelmäßig nicht und ist auch im vorliegenden Fall nicht zu erwarten.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin