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Auswirkungen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrungen bei Festsetzung von Kirchensteuer

Auswirkungen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrungen bei Festsetzung von Kirchensteuer

Kernaussage

Die römisch-katholische Kirche ist eine weltweite Bekenntnisgemeinschaft, der eine Aufteilung in einander ausschließende nationale Kirchen fremd ist. Die einmal in der Weltkirche begründete Mitgliedschaft wird durch den Wohnsitzwechsel nicht berührt. Der Betroffene wird lediglich einer anderen Organisationseinheit – der Diözese – zugeordnet, die in die formale Stellung eines Steuergläubigers eintritt. Die Kirchensteuer entsteht daher ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit.

Sachverhalt

Der Kläger wurde in Polen geboren und ist römisch-katholisch getauft. Er erzielt in Deutschland als Fliesenleger Einkünfte aus Gewerbebetrieb und unterhält eine kleine Wohnung in Deutschland. Mit Bescheid aus Juni 2009 setzte das Finanzamt des Wohnorts Kirchensteuer in Höhe von 17,64 EUR gegen den Kläger fest. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass Einspruch bei dem zuständigen (erz-)bischöflichen Generalvikariat eingelegt werden könne. Nach rund 6 Monaten ging der Einspruch bei dem Beklagten ein. Der Kläger wendet ein, dass er Mitglied der polnischen Kirche sei, weshalb die deutsche römisch-katholische Kirche nicht Gläubigerin der Kirchensteuer sei.

Entscheidung

Die Klage ist zulässig. Mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung hat sich die Einspruchsfrist auf ein Jahr verlängert, denn es hätte jedenfalls der geographische Ort der Einlegungsbehörde angegeben werden müssen. Die Kirchensteuer wurde jedoch zu Recht erhoben, weil der Kläger der Steuerschuldner ist. Die römisch-katholische Kirche ist als öffentlich-rechtliche Körperschaft und anerkannte Religionsgemeinschaft berechtigt, Steuern nach Maßgabe der landesrechtlichen Regelungen zu erheben. Hiernach sind kirchensteuerpflichtig alle Angehörigen der katholischen Kirche, die ihren Wohnsitz im Gebiet des betroffenen Bistums haben. Die Frage der Mitgliedschaft bestimmt sich nach innerkirchlichem Recht. Nach Auffassung der katholischen Kirche wird die in der Weltkirche begründete Mitgliedschaft nicht durch einen Wohnsitzwechsel berührt. Anders ist das Verständnis der evangelischen Kirche, die einzelne Landeskirchen kennt und aufgrund dieser Autonomie beim Umzug einen Mitgliedschaftswechsel anerkennt.

Konsequenz

Der Kläger hätte vorliegend von der Möglichkeit des Kirchenaustritts Gebrauch machen können. Die Austrittserklärung ist in Deutschland entweder vor den Amtsgerichten oder den Standesämtern zu erklären. Im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse ist das Austrittsrecht jedoch mit Vorsicht auszuüben, da ggf. mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen ist.

Ermessen des Finanzamts bei Festsetzung eines Verzögerungsgeldes

Ermessen des Finanzamts bei Festsetzung eines Verzögerungsgeldes

Kernaussage

Grundsätzlich darf die Finanzbehörde gegen den Steuerpflichtigen ein Verzögerungsgeld festsetzen, wenn er gleich mehrere ihm obliegende Pflichten (z. B. Vorlage von Unterlagen) oder eine Einzelpflicht mehrfach verletzt. Eine auf die einzelne Pflichtverletzung bezogene eigenständige Bewertung und damit verbundene Vervielfältigung der Festsetzung des Verzögerungsgeldes hält das Finanzgericht Hessen indes für bedenklich.

Sachverhalt

Im Rahmen einer Betriebsprüfung setzte das Finanzamt gegen den Antragsteller ein Verzögerungsgeld sowohl wegen nicht fristgerechter Einräumung des Datenzugriffs als auch wegen nicht fristgerechter Vorlage von Unterlagen bzw. Erteilung von Auskünften in Höhe von jeweils 2.500 EUR, zusammen also 5.000 EUR, fest. Zuvor wurde der Antragsteller mehrfach vergeblich aufgefordert, der Prüfungsanfrage nachzukommen. Nachdem Teile der angeforderten Unterlagen beim Finanzamt eingereicht wurden, wurde der Antragsteller unter Fristsetzung mit Androhung eines Verzögerungsgeldes zur vollständigen Erfüllung der Anfrage aufgefordert. Diese Frist wurde nicht eingehalten, weshalb das Verzögerungsgeld wegen zweier Pflichtverletzungen festgesetzt wurde und schließlich eine Vollstreckungsankündigung erging. Hiergegen wandte sich der Antragsteller im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes und hatte Erfolg.

Entscheidung

Kommt ein Steuerpflichtiger innerhalb einer ihm bestimmten Frist nicht der Aufforderung zur Erteilung von Auskünften o. ä. nach, kann ein Verzögerungsgeld von 2.500 EUR bis 250.000 EUR festgesetzt werden. Hier war die Entscheidung jedoch ermessensfehlerhaft, denn eine eigenständige auf die einzelne Pflichtverletzung bezogene tatbestandliche Vervielfältigung des Mindestsatzes lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung entnehmen. Dies gilt aufgrund des engen sachlichen Zusammenhangs umso mehr. Auch die Regelungen des Zwangsmittelrechts der Abgabenordnung (AO), wonach Zwangsmittel für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden können, sind mangels direkter oder analoger Anwendbarkeit ausgeschlossen.

Konsequenz

Zum Schutz gegen die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes im Rahmen einer Betriebsprüfung sollte der Steuerpflichtige darauf achten, dass die Finanzbehörden die angeforderten Unterlagen möglichst genau beschreiben und eine angemessene Frist gewähren. Gegebenenfalls sind hinreichend begründete schriftliche Fristverlängerungsanträge zu stellen. Ebenso können gegen unangemessen kurze Fristen begründete Einwendungen erhoben werden.

 

Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Kernproblem

Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bestimmt sich regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung (Kaufpreis). Wird die Grunderwerbsteuer indes infolge eines Anteilsgeschäftes (Übertragung oder Vereinigung von mehr als 95 % der Anteile in einer Hand) oder einer Umwandlung (insbesondere Verschmelzung, Spaltung und Einbringung) ausgelöst, dient der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage (§§ 138 ff. BewG). Bei bebauten Grundstücken entspricht dieser regelmäßig dem 12,5fachen der vereinbarten oder üblichen Jahresmiete (vermindert um einen Altersabschlag für das Gebäude). Die Anwendung dieses typisierenden Ertragswertverfahrens kann in der Praxis im Einzelfall zu erheblichen Unter- oder auch Überbewertungen führen. Infolgedessen hält der Bundesfinanzhof (BFH) die Anwendung dieser Bewertungsvorschriften für verfassungswidrig, da sie einem gleichheitsgerechten und folgerichtigen Bewertungssystem entgegenstehe. Die Prüfung der Verfassungskonformität obliegt nunmehr dem Bundesverfassungsgericht.

Reaktion der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil reagiert, in dem die gleichlautenden Ländererlasse vom 1.4.2010 nunmehr durch die gleichlautenden Ländererlasse vom 17.6.2011 ersetzt wurden. Zu klären ist die Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage verfassungsgemäß ist. Deshalb haben zukünftig weiterhin Festsetzungen von Grunderwerbsteuer, die die Steuer nach den Grundbesitzwerten bemessen, vorläufig zu erfolgen.

Konsequenzen

Es ist in der Praxis darauf zu achten, dass die Festsetzungen der Grunderwerbsteuer den vorstehend erläuterten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, wenn die Festsetzung auf der Grundlage von Grundbesitzwerten beruht. Ist ein Vorläufigkeitsvermerk nicht enthalten, sollte der Bescheid unter Hinweis auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren offen gehalten werden. Ob bzw. inwieweit Steuerpflichtige von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts profitieren werden, ist indes fraglich: Der BFH ist zwar von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt, hat jedoch eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da nicht mehr gewährt werden könne, als vom Bundesverfassungsgericht zu erwarten sei. Dieses hätte aber in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen dem Gesetzgeber eine Frist zur Nachbesserung gestellt und zwischenzeitlich eine befristete Weiteranwendung der Altregelung zugelassen. Eine rückwirkende Änderung oder die Feststellung der Nichtigkeit erfolgte jedoch regelmäßig nicht und ist auch im vorliegenden Fall nicht zu erwarten.