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Neues zu „Whistleblowing“

Neues zu „Whistleblowing“

Rechtslage

Beim so genannten „Whistleblowing“ zeigt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber gegenüber Behörden, insbesondere der Staatsanwaltschaft, wegen unrechtmäßigen Verhaltens (un)berechtigt an. Regelmäßig stellt sich dann die Frage, ob in berechtigten Anzeigefällen eine Kündigung zulässig ist. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hatte kürzlich in einem solchen Fall zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger, seinerzeit in Kurzarbeit beschäftigt, hatte ein Kündigungsschutzverfahren gegen den Arbeitgeber in der ersten Instanz gewonnen. Im Berufungsverfahren stellte der Arbeitgeber einen sogenannten Auflösungsantrag gegen eine geringe Abfindung. Inhalt des Auflösungsantrages ist es, trotz unwirksamer Kündigung vom Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das Arbeitsverhältnis wird sodann gegen eine im Ermessen des Gerichts liegende Abfindung aufgelöst. Hintergrund des Arbeitgeber-Antrags war, dass der Kläger gegenüber der Bundesagentur geäußert hatte, der Arbeitgeber würde Mittel des Kurzarbeitergeldes missbrauchen. Daraufhin hatte die Bundesagentur ein Strafverfahren gegen den Arbeitgeber eingeleitet, dessen Ausgang bei der vorliegenden Entscheidung noch offen war.

Entscheidung

Das LAG gab dem Auflösungsantrag mit geringer Abfindung statt. Zwar könne es Fälle geben, in denen ein Whistleblowing trotz vertraglicher Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber zulässig sei. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber aber darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitnehmer zunächst eine interne Klärung der Kurzarbeitergeldfrage im Gesprächswege suche. Hinzu komme, dass die Anzeige erst nach der Kündigung erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund müsse der Arbeitgeber damit rechnen, dass Meinungsverschiedenheiten mit diesem Arbeitnehmer immer geeignet seien, eine Anzeige bei einer Behörde nach sich zu ziehen. Eine Forstsetzung des Arbeitsverhältnisse sei daher nicht zumutbar.

Konsequenz

Kommt es ohne vorherigen internen Klärungsversuch zum Whistleblowing gegenüber einer Behörde aufgrund von Meinungsverschiedenheiten im Arbeitsverhältnis, kann das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsantrag beendet werden. Denn dann ist nicht damit zu rechnen, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Zukunft möglich ist.

„Whistleblowing“ kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

„Whistleblowing“ kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

Kernfrage

Als Whistleblowing im Arbeitsrecht bezeichnet man die Information über Missstände beim oder über den Arbeitgeber. (Anonymes) Whistleblowing kann beim Arbeitgeber im Rahmen interner Compliance gewollt sein; oftmals informieren Arbeitnehmer aber externe Dritte (zum Beispiel Behörden) unmittelbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in einem Whistleblowing-Fall, über die Zulässigkeit einer deswegen ausgesprochenen Kündigung zu befinden, nachdem die deutschen Arbeitsgerichte und das Verfassungsgericht die Kündigung für rechtmäßig gehalten hatten.

Sachverhalt

Die Klägerin war mittelbar beim Land Berlin als Altenpflegerin beschäftigt und hatte bereits mehrfach über Missstände in der Qualität der Pflege (zu wenig Personal, unzureichende Betreuung) informiert, die auch durch eine Medizinische Begutachtung der Einrichtung bestätigt wurden. Nachdem die Missstände nicht abgestellt wurden, erstattete sie Ende 2004 Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber wegen Betrugs. Er täusche eine qualitativ hochwertige Versorgung vor und lasse sich diese bezahlen, erbringe diese Leistung aber tatsächlich nicht. Darauf kündigte der Arbeitgeber fristlos.

Entscheidung

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte – gegen die Entscheidungen der deutschen Gerichte, die er aufgrund fehlender Kompetenz aber nicht aufheben kann – einen Verstoß gegen die Freiheit der Meinungsäußerung fest und verurteilte den deutschen Staat zur Zahlung einer Entschädigung. Die Kündigung, die einen Eingriff in dieses Grundrecht darstelle, sei nicht gerechtfertigt. Zwar hätten die Vorwürfe rufschädigenden Charakter; es überwiege aber das öffentliche Interesse an der Offenlegung der Missstände, insbesondere im Bereich der institutionellen Altenpflege. Erschwerend für den Arbeitgeber komme im Falle der Klägerin hinzu, dass diese im Vorfeld bereits erfolglos informiert habe und nicht leichtfertig falsche Tatsachen behauptet habe.

Konsequenz

Zwar hat die Entscheidung keine Auswirkungen mehr auf das deutsche Rechtsverfahren; sie dürfte aber Signalwirkung für das deutsche wie europäische Arbeitsrecht haben. In Zukunft wird man das Kündigungsinteresse des Arbeitgebers in Fällen des Whistleblowings regelmäßig an der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie dem Grad der offen gelegten Missstände und den davon ausgehenden Gefahren zu messen haben.

„Whistleblowing“ kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

„Whistleblowing“ kann von Meinungsfreiheit gedeckt sein

Kernfrage
Als Whistleblowing im Arbeitsrecht bezeichnet man die Information über Missstände beim oder über den Arbeitgeber. (Anonymes) Whistleblowing kann beim Arbeitgeber im Rahmen interner Compliance gewollt sein; oftmals informieren Arbeitnehmer aber externe Dritte (zum Beispiel Behörden) unmittelbar. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte in einem Whistleblowing-Fall, über die Zulässigkeit einer deswegen ausgesprochenen Kündigung zu befinden, nachdem die deutschen Arbeitsgerichte und das Verfassungsgericht die Kündigung für rechtmäßig gehalten hatten.

Sachverhalt
Die Klägerin war mittelbar beim Land Berlin als Altenpflegerin beschäftigt und hatte bereits mehrfach über Missstände in der Qualität der Pflege (zu wenig Personal, unzureichende Betreuung) informiert, die auch durch eine Medizinische Begutachtung der Einrichtung bestätigt wurden. Nachdem die Missstände nicht abgestellt wurden, erstattete sie Ende 2004 Strafanzeige gegen ihren Arbeitgeber wegen Betrugs. Er täusche eine qualitativ hochwertige Versorgung vor und lasse sich diese bezahlen, erbringe diese Leistung aber tatsächlich nicht. Darauf kündigte der Arbeitgeber fristlos.

Entscheidung
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte – gegen die Entscheidungen der deutschen Gerichte, die er aufgrund fehlender Kompetenz aber nicht aufheben kann – einen Verstoß gegen die Freiheit der Meinungsäußerung fest und verurteilte den deutschen Staat zur Zahlung einer Entschädigung. Die Kündigung, die einen Eingriff in dieses Grundrecht darstelle, sei nicht gerechtfertigt. Zwar hätten die Vorwürfe rufschädigenden Charakter; es überwiege aber das öffentliche Interesse an der Offenlegung der Missstände, insbesondere im Bereich der institutionellen Altenpflege. Erschwerend für den Arbeitgeber komme im Falle der Klägerin hinzu, dass diese im Vorfeld bereits erfolglos informiert habe und nicht leichtfertig falsche Tatsachen behauptet habe.

Konsequenz
Zwar hat die Entscheidung keine Auswirkungen mehr auf das deutsche Rechtsverfahren; sie dürfte aber Signalwirkung für das deutsche wie europäische Arbeitsrecht haben. In Zukunft wird man das Kündigungsinteresse des Arbeitgebers in Fällen des Whistleblowings regelmäßig an der Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers sowie dem Grad der offen gelegten Missstände und den davon ausgehenden Gefahren zu messen haben.