Schlagwort-Archive: Vorläufige

Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Vorläufige Festsetzung der Grunderwerbsteuer

Kernproblem

Die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bestimmt sich regelmäßig nach dem Wert der Gegenleistung (Kaufpreis). Wird die Grunderwerbsteuer indes infolge eines Anteilsgeschäftes (Übertragung oder Vereinigung von mehr als 95 % der Anteile in einer Hand) oder einer Umwandlung (insbesondere Verschmelzung, Spaltung und Einbringung) ausgelöst, dient der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage (§§ 138 ff. BewG). Bei bebauten Grundstücken entspricht dieser regelmäßig dem 12,5fachen der vereinbarten oder üblichen Jahresmiete (vermindert um einen Altersabschlag für das Gebäude). Die Anwendung dieses typisierenden Ertragswertverfahrens kann in der Praxis im Einzelfall zu erheblichen Unter- oder auch Überbewertungen führen. Infolgedessen hält der Bundesfinanzhof (BFH) die Anwendung dieser Bewertungsvorschriften für verfassungswidrig, da sie einem gleichheitsgerechten und folgerichtigen Bewertungssystem entgegenstehe. Die Prüfung der Verfassungskonformität obliegt nunmehr dem Bundesverfassungsgericht.

Reaktion der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung hat auf dieses Urteil reagiert, in dem die gleichlautenden Ländererlasse vom 1.4.2010 nunmehr durch die gleichlautenden Ländererlasse vom 17.6.2011 ersetzt wurden. Zu klären ist die Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte als Bemessungsgrundlage verfassungsgemäß ist. Deshalb haben zukünftig weiterhin Festsetzungen von Grunderwerbsteuer, die die Steuer nach den Grundbesitzwerten bemessen, vorläufig zu erfolgen.

Konsequenzen

Es ist in der Praxis darauf zu achten, dass die Festsetzungen der Grunderwerbsteuer den vorstehend erläuterten Vorläufigkeitsvermerk enthalten, wenn die Festsetzung auf der Grundlage von Grundbesitzwerten beruht. Ist ein Vorläufigkeitsvermerk nicht enthalten, sollte der Bescheid unter Hinweis auf das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren offen gehalten werden. Ob bzw. inwieweit Steuerpflichtige von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts profitieren werden, ist indes fraglich: Der BFH ist zwar von der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift überzeugt, hat jedoch eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt, da nicht mehr gewährt werden könne, als vom Bundesverfassungsgericht zu erwarten sei. Dieses hätte aber in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen dem Gesetzgeber eine Frist zur Nachbesserung gestellt und zwischenzeitlich eine befristete Weiteranwendung der Altregelung zugelassen. Eine rückwirkende Änderung oder die Feststellung der Nichtigkeit erfolgte jedoch regelmäßig nicht und ist auch im vorliegenden Fall nicht zu erwarten.