BStBK begrüßt Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu Erstattungszinsen

Vom Finanzamt geleistete Zinsen auf Einkommensteuererstattungen sind nicht zu versteuern. So lautet die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 15. Juni 2010. Die Bundessteuerberaterkammer begrüßt diese Änderung der Rechtsprechung ausdrücklich, da sie die bisherige Ungleichbehandlung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen schon immer kritisch gesehen hat. Bereits 2002 hat sich die Bundessteuerberaterkammer für eine Gleichbehandlung in ihren 55 Vorschlägen zur Steuervereinfachung ausgesprochen.

Nachzahlungszinsen, die ein Steuerpflichtiger an das Finanzamt zu zahlen hat, können steuerlich nicht geltend gemacht werden. Erstattungszinsen, die er selbst für zuviel entrichtete Steuern vom Finanzamt erhält, waren dagegen stets als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern. „ Dieses Ungleichgewicht in der Behandlung der Zinsen widerspricht dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden. Wir befürworten ausdrücklich die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, da sie zu einem sachlichen Gleichlauf führt, der für alle betroffenen Steuerzahler nachvollzieh­bar ist“, sagt Dr. Horst Vinken, Präsident der Bundessteuerberaterkammer.

Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs betrifft in erster Linie die persönliche Einkommensteuer und die Erbschaftsteuer. Hier werden die Steuerrückerstattung und damit auch die darauf entfallenden Nachzahlungszinsen ausdrücklich dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen. In diesem Fall führen weder die Steuer­erstattung noch die darauf entfallenden Erstattungszinsen beim Steuerpflichtigen zu versteuernden Einnahmen. Grundsätzlich jedoch bleiben Erstattungszinsen steuer­pflichtig. Steuerberater sollten nun prüfen, welche ihrer Mandanten von dieser neuen Rechtsprechung profitieren.

Erhöhte Hundesteuer für American Staffordshire Terrier

BVerwG Beschluss vom 25.03.2010 – 9 B 74.09

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Hundesteuer für American Staffordshire Terrier

 

Leitsatz (Sonst)

Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 26.03.2009 – 2 S 1619/08 – (Juris), wonach die Regelung in einer Hundesteuersatzung – für Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier eine erhöhte Hundesteuer (600,– EUR anstatt 81,– EUR) zu erheben – nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, weil Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier ein genetisches Potenzial sowohl in Bezug auf körperliche Merkmale – insbesondere Beißkraft – als auch auf Charaktereigenschaften besitzen, aufgrund dessen sie in besonderem Maße, gegenüber dem Deutschen Schäferhund, Rottweiler, Dobermann oder Weimaraner, die Eignung aufweisen, ein gefährliches Verhalten zu entwickeln und diese Einschätzung der Hunderasse American Staffordshire Terrier auch im Hinblick auf aktuelle fachwissenschaftliche Veröffentlichungen keinen Bedenken begegnet, wurde als unbegründet abgewiesen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 26. März 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 519 EUR festgesetzt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a

 

Verfahrensgang

VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 26.03.2009; Aktenzeichen 2 S 1619/08)

 

Gründe

Rz. 1

Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

Rz. 2

1. Sämtliche Grundsatzrügen i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bleiben ohne Erfolg.

Rz. 3

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 14). Dies lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.

Rz. 4

a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam,

ob eine jährliche Hundesteuer in Höhe von 600 EUR noch von der Besteuerungskompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG gedeckt ist oder als formenmissbräuchliche Abgabenregelung erdrosselnde Wirkung hat.

Rz. 5

Die Frage, ab welcher Höhe eine Hundesteuer erdrosselnde Wirkung entfaltet, kann nur aufgrund einer dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse beantwortet werden. Es handelt sich daher um eine Tatsachenfrage, die sich einer verbindlichen Klärung im Revisionsverfahren entzieht (§ 137 Abs. 1 und 2 VwGO).

Rz. 6

b) Die Beschwerde hält weiter für grundsätzlich klärungsbedürftig,

“ob es einen sachlichen Grund im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG gibt, Deutsche Schutz- und Gebrauchshunderassen wie den Deutschen Schäferhund, Rottweiler, Dobermann oder Weimaraner nicht, Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier hingegen schon als gefährliche, höher zu besteuernde Hunde einzustufen”.

Rz. 7

Damit ist keine zu klärende Rechtsfrage aufgeworfen. Vielmehr will die Klägerin im Gewand einer Grundsatzrüge eine tatsächliche Feststellung zur Vergleichbarkeit der genannten Hunderassen erwirken. Zu solchen Feststellungen ist das Revisionsgericht nicht berufen (§ 137 Abs. 1 VwGO).

Rz. 8

c) Des Weiteren hält die Beschwerde für grundsätzlich klärungsbedürftig,

“wie die vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Januar 2000 (NVwZ 2000, 929 <932>) postulierte, spätere Überprüfung bzw. Beobachtung des Sachverhalts im Hinblick auf die Prämisse rassebedingt erhöhter Gefährlichkeit von Hunden konkret auszugestalten ist”,

“ob der Steuerpflichtige, der Satzungsgeber oder ein Gericht für die Durchführung dieser Überprüfungs- und Kontrollpflicht berufen ist”

und

“ob eine Hundesteuersatzung allein durch das Unterlassen jedweder Überprüfung und Beobachtung unwirksam wird”,

sowie

“ob bei der Ausübung der Überprüfungs- bzw. Beobachtungspflicht insbesondere das Beißverhalten sog. Kampfhunde zu erfassen und zu bewerten ist oder ob andere Gesichtspunkte für die Beurteilung ihrer Gefährlichkeit ausschlaggebend sind”.

Rz. 9

Diese Fragen wären in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Die erste und die letzte aufgeworfene Frage stellen keine Rechtsfragen dar, sondern zielen auf tatsächliche Feststellungen, die dem Revisionsgericht verwehrt sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Die zweite und dritte Frage gehen an den maßgeblichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs vorbei. Dieser hat sich zu dem von der Beschwerde in Bezug genommenen Gebot, eine auf unsicherer Tatsachengrundlage erlassene Regelung “unter Kontrolle zu halten” nicht geäußert. Die Beschwerde legt im Übrigen auch nicht dar, dass der vorliegende Fall Anlass zur Fortentwicklung der Rechtsprechung geben könnte. Das ist auch nicht erkennbar. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist die Änderungssatzung der Beklagten, die erstmals einen besonderen Steuersatz für Kampfhunde vorsieht, am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Der streitgegenständliche Steuerbescheid datiert vom 29. Januar 2007 und der Bescheid, mit dem der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen wurde, vom 23. April 2007. Angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen Normgebung und Veranlagung liegt auf der Hand, dass hier eine Pflicht zur Beobachtung des Erkenntnisfortschritts nicht zum Tragen kommen konnte.

Rz. 10

2. Eine die Revisionszulassung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigende Abweichung des angefochtenen Beschlusses von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hat die Beschwerde nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise bezeichnet. Es fehlt eine für die hinreichende Benennung einer Divergenz erforderliche Darlegung divergierender, die jeweilige Entscheidung tragender und auf dieselbe Rechtsvorschrift bezogener abstrakter Rechtssätze.

Rz. 11

a) Soweit die Beschwerde dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2000 (BVerwG 11 C 8.99 – BVerwGE 110, 265) die – sinngemäße – Aussage entnimmt,

“dass es sich bei der Beurteilung der Gefährlichkeit von Hunden bestimmter Rassen um einen noch nicht endgültig geklärten Sachverhalt handelt, der eine spätere Überprüfung und fortschreitende Differenzierung durch den Satzungsgeber erfordert”,

wird bereits kein abstrakter Rechtssatz benannt.

Rz. 12

Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof den von der Beschwerde bezeichneten Rechtssatz, dass

“den Satzungsgeber keine Überprüfungs- und Kontrollpflicht bzgl. der Beurteilung der Gefährlichkeit von Hunden bestimmter Rasse trifft”,

weder wörtlich noch sinngemäß aufgestellt. Wie bereits ausgeführt, hat er sich zur Frage der späteren Überprüfung einer bereits erlassenen Satzung nicht geäußert, sondern im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf abgestellt, dass ein Satzungsgeber bei der Normsetzung Regelungen eines anderen Normgebers übernehmen kann, sofern es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie offensichtlich falsch bzw. überholt sind (Beschluss vom 28. Juli 2005 – BVerwG 10 B 34.05 – Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 10 Rn. 9).

Rz. 13

b) Ebenfalls nicht durchgreifen kann die Divergenzrüge, soweit die Beschwerde meint, das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8.01 – BVerwGE 116, 347 <354>) und das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 16. März 2004 – 1 BvR 1778/01 – BVerfGE 110, 141 <160 f.>) hätten den Rechtssatz aufgestellt,

“dass sich allein aus der Zugehörigkeit zu einer (Hunde-) Rasse, einem Typ oder gar einer entsprechenden Kreuzung nach dem Erkenntnisstand der Fachwissenschaft nicht ableiten lässt, dass von den Hundeindividuen Gefahren ausgehen”.

Rz. 14

Demgegenüber gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus,

“dass es durchaus wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche, Hunden bestimmter Rassen aufgrund ihrer genetischen Disposition ein gesteigertes Aggressionsverhalten zuzuschreiben”.

Rz. 15

Entgegen der Auffassung der Beschwerde handelt es sich insoweit nicht um Rechts-, sondern um Tatsachensätze. Außerdem sind die genannten Aussagen nicht zu derselben Rechtsvorschrift erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs. 1 Satz 1 Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz vom 12. April 2001 (BGBl I, S. 530) überprüft, das Bundesverwaltungsgericht §§ 1, 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere vom 5. Juli 2000 (Nds. GVBl S. 149). Hier geht es um die Rechtmäßigkeit der Hundesteuersatzung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Besteuerungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG.

Rz. 16

3. Sämtliche Verfahrensrügen i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bleiben ebenfalls ohne Erfolg.

Rz. 17

a) Keine der Rügen, mit denen die Beschwerde die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO geltend macht, greift durch.

Rz. 18

Die Beschwerde rügt die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs, weil sich das angegriffene Urteil als Überraschungsentscheidung erweise. Das Urteil verstoße zudem gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot, da die Parteien nicht erst durch das Urteil von einer bis dahin nicht erörterten Fallbewertung erfahren dürften. Der Verwaltungsgerichtshof habe in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben, auf welche Erkenntnisquellen er seine Entscheidung habe stützen wollen. Eine “Tendenz” sei weder angedeutet worden noch sei eine solche erkennbar gewesen. Die herangezogene Literatur sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Der Senat habe auch nicht zu erkennen gegeben, dass er dem von den Autorinnen der Dissertationen Mittmann und Johann gezogenen Schluss nicht folgen wolle. Der Verwaltungsgerichtshof habe ohne eigene Sachkunde seine Auffassung an diejenige der Wissenschaftlerinnen gesetzt, ohne die Verfahrensbeteiligten darauf hinzuweisen. Damit hat die Beschwerde einen Verfahrensfehler nicht hinreichend dargelegt.

Rz. 19

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern (vgl. BVerfGE 1, 418 <429>; stRspr). An einer solchen Gelegenheit fehlt es nicht erst dann, wenn ein Beteiligter gar nicht zu Wort gekommen ist oder wenn das Gericht seiner Entscheidung Tatsachen zugrunde legt, zu denen die Beteiligten nicht Stellung nehmen konnten (vgl. BVerfGE 10, 177 <182 f.>; 19, 32 <36>; stRspr). Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt auch voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Art. 103 Abs. 1 GG verlangt jedoch grundsätzlich nicht, dass das Gericht vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinweist; ihm ist auch keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Richters zu entnehmen (BVerfG, Beschlüsse vom 25. Januar 1984 – 1 BvR 272/81 – BVerfGE 66, 116 <147> und vom 5. November 1986 – 1 BvR 706/85 – BVerfGE 74, 1 <6>; BVerwG, Urteil vom 10. April 1991 – BVerwG 8 C 106.89 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235 S. 84; Beschluss vom 7. Mai 2008 – BVerwG 9 B 35.07 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 75 S. 17).

Rz. 20

aa) Gemessen an diesem Maßstab liegt eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof in der mündlichen Verhandlung nicht zu erkennen gegeben hat, dass er die abstrakte Gefährlichkeit von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier auch mit Blick auf die Dissertationen Mittmann und Johann möglicherweise anders beurteilen würde als die Vorinstanz. Aus Art. 103 Abs. 1 GG lässt sich keine Pflicht des Gerichts ableiten, den Beteiligten stets vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und bewertet. Das folgt schon daraus, dass in aller Regel die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der Schlussberatung vorbehalten bleiben und sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten im Allgemeinen entziehen (vgl. schon Urteil vom 13. Mai 1976 – BVerwG 2 C 26.74 – Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1; Beschluss vom 5. Februar 1999 – BVerwG 9 B 797.98 – Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 4; ferner auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. April 1987 – 1 BvR 883.86 – DB 1987, 2287). Unzulässig sind nur Überraschungsentscheidungen, die auf Gesichtspunkte gestützt werden, mit denen die Beteiligten nicht rechnen konnten (Beschluss vom 8. August 1994 – BVerwG 6 B 87.93 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 335; BGH, Urteil vom 13. Juni 1989 – VI ZR 216/88 – NJW 1989, 2756). Auf entscheidungserhebliche tatsächliche Gesichtspunkte, die der Klägerin nicht bekannt gewesen wären oder bei denen für sie nicht erkennbar sein konnte, dass es auf sie ankam, hat der Verwaltungsgerichtshof bei der Bewertung der genannten Dissertationen jedoch nicht abgestellt.

Rz. 21

Eine Überraschungsentscheidung kann insbesondere auch nicht deshalb angenommen werden, weil das Verwaltungsgericht dem zusammenfassenden Ergebnis in der Dissertation Johann gefolgt ist, der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht. Im Berufungsverfahren musste die Klägerin damit rechnen, dass die Bewertung, die das Verwaltungsgericht vorgenommen hat, auf den Prüfstand gestellt wird, zumal die Beklagte für ihren Vortrag zur Gefährlichkeit der Rasse American Staffordshire Terrier ausdrücklich auf die genannten Dissertationen und auf das Qualzuchtgutachten des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hingewiesen hat.

Rz. 22

bb) Soweit die Beschwerde als Gehörsverstoß ansieht, dass der Verwaltungsgerichtshof aus den Dissertationen Mittmann und Johann einen anderen Schluss zieht als die Verfasserinnen, liegt darin ein Angriff auf die Tatsachenwürdigung durch das Gericht, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist und mit der ein Verfahrensverstoß nicht begründet werden kann (Beschluss vom 10. Oktober 2001 – BVerwG 9 BN 2.01 – Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 7 S. 12).

Rz. 23

cc) Eine Überraschungsentscheidung liegt auch nicht darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat, dass er davon ausgehe, Schutz- und Gebrauchshunde aus Deutschland gälten “als sozial akzeptiert”. Mit dieser Annahme musste die Klägerin angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts rechnen. Der Verwaltungsgerichtshof war nicht verpflichtet, die Klägerin darauf hinzuweisen, dass er den abweichenden Einschätzungen des Oberverwaltungsgerichts Münster sowie der Verwaltungsgerichte Münster, Aachen und Düsseldorf nicht folgen werde.

Rz. 24

dd) Soweit die Beschwerde eine Überraschungsentscheidung darin sieht, dass der Verwaltungsgerichtshof auch darauf abgestellt hat, der Satzungsgeber habe sich bei der Festsetzung der erhöhten Hundesteuer für bestimmte Hunderassen davon leiten lassen dürfen, dass jedenfalls die in erster Linie als Kampfhunde bezeichneten Rassen nicht selten von Personen gehalten würden, die nicht die Gewähr für ein gefahrloses Verhalten der Tiere böten, ist nicht dargelegt, dass diese Erwägung entscheidungserheblich ist. Eine Entscheidungserheblichkeit ist auch nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof eine steuerrechtliche Privilegierung bestimmter Hunderassen auch im Hinblick auf deren Gebrauch als Wach- und Gebrauchshunde als gerechtfertigt erachtet, die eine größere soziale Akzeptanz zur Folge habe (“darüber hinaus”).

Rz. 25

ee) Es mag dahinstehen, ob der Verwaltungsgerichtshof den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt haben kann, dass er seiner Entscheidung allgemein zugängliche Literatur zur Gefährlichkeit von American Staffordshire Terriern zugrunde gelegt hat, ohne sie vor seiner Entscheidung ausdrücklich in das Verfahren einzuführen und so den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den von dieser Literatur vertretenen tatsächlichen Auffassungen zu äußern. Zur Darlegung eines Gehörsverstoßes gehört nämlich auch, dass der Beschwerdebegründung entnommen werden kann, was die Klägerin bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte. Daran fehlt es hier. Zwar hat die Beschwerde angeführt, welche Personen sie als Sachverständige benannt hätte, wäre ihr die Verwendung der Literatur bekannt gewesen. Jedoch hat sie nicht dargelegt, was die von ihr benannten Personen, die sie als Sachverständige benannt hätte, hätten genau beweisen sollen. Die Klägerin hat insoweit lediglich darauf hingewiesen, dass “der Senat seine Auffassung von der vermeintlich höheren Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen nicht mehr aufrechterhalten können” würde, weil die genannten Personen “diesem falschen Ansatz heutzutage entschieden entgegen” träten. Damit genügt sie angesichts der konkreten Tatsachen, die der Verwaltungsgerichtshof aus der zitierten Literatur entnommen hat, ihrer Darlegungslast nicht.

Rz. 26

b) Entgegen der Auffassung der Beschwerde liegt auch kein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO vor, weil der Verwaltungsgerichtshof der Schlussfolgerung in der Dissertation Johann nicht gefolgt ist. Er hat sich damit nicht an die Stelle der Verfasserin dieser Dissertation gesetzt, sondern in der Begründung ausgeführt, weshalb er aufgrund der vorgelegten Untersuchungsergebnisse zu einem anderen Schluss gelangt ist. Darin liegt eine Würdigung von Tatsachen. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz kann jedoch ein Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht aufgezeigt werden, weil Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 19. Oktober 1999 – BVerwG 9 B 407.99 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 11 und vom 10. Oktober 2001 a.a.O.).

Rz. 27

c) Die Beschwerde macht weiterhin als Verfahrensmangel geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt, weil er zu den Ergebnissen der Untersuchungen in der Dissertation von Johann keine weitere Sachaufklärung betrieben, insbesondere die Vernehmung der Verfasserin oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlassen habe. Diese Rüge greift ebenfalls nicht durch. Denn auch insoweit greift sie die Tatsachenwürdigung an. Zudem mussten sich die von der Beschwerde bezeichneten Ermittlungen nicht aufdrängen, weil der Verwaltungsgerichtshof von seinem Standpunkt aus die Untersuchungsergebnisse der Verfasserin seinen Schlussfolgerungen zugrunde gelegt hat und mithin nicht von abweichenden Tatsachen ausgegangen ist.

Rz. 28

d) Die Beschwerde sieht weiterhin eine fehlerhafte Aufklärung des Sachverhalts, § 86 Abs. 1 Abs. 2 VwGO, darin, dass die von ihr gestellten Beweisanträge zu Unrecht abgewiesen worden seien.

Rz. 29

aa) Die Beschwerde rügt die Ablehnung der Beweisanträge, die im Kern das Beweisthema zum Inhalt gehabt hätten, wonach von einem Hund der Rasse American Staffordshire Terrier kein höheres abstraktes Gefahrenpotential ausgehe als von einem Hund der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund oder Rottweiler. Hätte der Verwaltungsgerichtshof die beantragte Beweiserhebung durchgeführt, so hätte sich ergeben, dass die Prämisse von der gesteigerten Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen, hier der Rasse American Staffordshire Terrier, falsch sei. Mit der Ablehnung der Beweisanträge nehme der Senat der Klägerin die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes, da er de facto die Satzung der Beklagten entgegen Art. 19 Abs. 4 GG immunisiere.

Rz. 30

Die Ablehnung eines Beweisantrags kann nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn die unter Beweis gestellte Tatsache unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, hier des Verwaltungsgerichtshofs, für die Entscheidung erheblich war. Über Tatsachen, die für die Entscheidung nicht erheblich sind, muss kein Beweis erhoben werden. So liegt die Sache hier. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zwar eingehend mit der Frage der rassebedingten Gefährlichkeit der American Staffordshire Terrier befasst. Die steuerrechtliche Privilegierung anderer Hunderassen (wie z.B. Deutscher Schäferhund, Dobermann, Rottweiler oder Weimaraner), von denen ebenfalls eine abstrakte Gefahr ausgehe, wird jedoch damit gerechtfertigt, dass diese Hunde als Wach- und Gebrauchshunde größere soziale Akzeptanz genössen. Der Verwaltungsgerichtshof geht mithin davon aus, dass auch andere Hunde, ebenso wie solche der Rasse American Staffordshire Terrier, abstrakt gefährlich im Rechtssinn sind, billigt aber insoweit der Beklagten einen Gestaltungsspielraum zu. Deshalb kam es auf eine Beweiserhebung, die dahin zielt, die Gefährlichkeit von American Staffordshire Terriern und anderen Hunden vergleichend zu betrachten, nicht an.

Rz. 31

bb) Gleiches gilt für die Beweisbehauptung, wonach Beißattacken von Hunden der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund und Rottweiler ebenso schwer wiegen wie solche von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier. Wegen ihrer Unerheblichkeit ist auch nicht, wie die Beschwerde meint, davon auszugehen, dass mit der Ablehnung der Beweisanträge der Verwaltungsgerichtshof de facto die Satzung der Beklagten immunisiere. Die Klägerin missversteht den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2005 (a.a.O. S. 32 f.). In dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die Ablehnung eines Beweisantrags als unzulässig angesehen, weil die dieser Ablehnung zugrunde liegende Rechtsauffassung die Frage der Beweiserheblichkeit selbst betraf und nicht die prozessuale Folge der materiellen Rechtsauffassung des entscheidenden Gerichts im Übrigen war. Hier beruht die Ablehnung auf der materiellen Rechtsauffassung zur Frage der gerechtfertigten Privilegierung.

Rz. 32

cc) Den Antrag, Beweis zu erheben darüber, dass Hunde der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund und Rottweiler ein höheres abstraktes Gefahrenpotenzial aufwiesen als Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht als unzulässigen Beweisermittlungsantrag abgelehnt. Ein unzulässiger Ausforschungsbeweis liegt vor in Bezug auf Tatsachenbehauptungen, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich “aus der Luft gegriffen”, “aufs Geratewohl” oder “ins Blaue hinein” aufgestellt werden, für die tatsächliche Grundlagen jedoch fehlen (Beschlüsse vom 27. März 2000 – BVerwG 9 B 518.99 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 S. 6 und vom 30. Januar 2002 – BVerwG 1 B 326.01 – Buchholz 310 § 98 Nr. 69 S. 31). Ausgehend davon hat der Verwaltungsgerichtshof die beantragte Beweiserhebung abgelehnt, weil die Klägerin für die unter Beweis gestellte Tatsache keine tatsächlichen Anhaltspunkte oder fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen benannt hat. Der Hinweis auf die Beißstatistiken ändert hieran nichts, weil die Anzahl der Beißvorfälle in Bezug zum Bestand der betreffenden Hunde gesetzt werden muss (BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 a.a.O. S. 161).

Rz. 33

dd) Mit der weiteren Rüge, der Verwaltungsgerichtshof habe ihren Beweisantrag, dass Hunde der Rasse Golden Retriever keine geringere abstrakte Gefährlichkeit als Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier aufwiesen, zu Unrecht als unzulässigen Beweisermittlungsantrag bzw. Ausforschungsbeweisantrag abgelehnt, kann die Klägerin ebenfalls nicht durchdringen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat vor dem Hintergrund seiner Würdigung der Dissertation Johann keinerlei Anhaltspunkte gesehen, die die Beweisbehauptung stützen könnten. Weitere Anhaltspunkte als die Dissertation Johann hat die Klägerin aber nicht dargetan.

Rz. 34

ee) Die Beschwerde rügt weiter, zu Unrecht sei auch ihr Beweisantrag dazu, dass es wahrscheinlicher sei, von einem Hund der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund, Rottweiler oder Golden Retriever als von einem Hund der Rasse American Staffordshire Terrier gebissen zu werden, als unerheblich abgelehnt worden. Das trifft nicht zu. Es liegt auf der Hand, dass für eine Gefahrenprognose bezüglich der genannten Hunderassen auf der Grundlage von Beißvorfällen auf das Verhältnis dieser Zahlen zum Gesamtaufkommen der einzelnen Hunderassen abgestellt werden muss (BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 a.a.O.).

Rz. 35

ff) Nicht durchdringen kann die Beschwerde auch mit der Rüge, ihr Beweisantrag, ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, dass Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier keine rassespezifischen Merkmale wie niedrigere Beißhemmung, herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe, Kampfinstinkt oder einen genetisch bedingten Schutztrieb aufwiesen, die ein im Vergleich zu den Hunden der Rassen Dobermann, Deutscher Schäferhund, Rottweiler und Golden Retriever besonderes Gefährdungspotential begründeten und unter dem Aspekt der vorsorgenden Gefahrenabwehr besondere Anforderungen an die Haltung und den Umgang erforderten, sei ebenfalls zu Unrecht abgelehnt worden. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung dieses Beweisantrags nachvollziehbar damit begründet, dass ihm aus allgemein zugänglichen fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen ausreichende Erkenntnisse über den American Staffordshire Terrier und insbesondere über die bei ihm vorhandenen körperlichen Merkmale, über seine Charaktereigenschaften sowie über die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Haltung und den Halter der Hunde vorlägen, wonach das Halten eines solchen Hundes eine ganz besondere Verantwortung und Sachkunde verlange, und dass die Klägerin gegen diese allgemein zugänglichen fachwissenschaftlichen Erkenntnisse keine detaillierten und substantiierten Beanstandungen erhoben habe. Angesichts der eingehenden Behandlung der herangezogenen Erkenntnismittel im angefochtenen Urteil kann eine fehlerhafte Ausübung des bei der Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung von Sachverständigengutachten bestehenden tatrichterlichen Ermessens (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 ZPO in entsprechender Anwendung) nicht festgestellt werden.

Rz. 36

gg) Entsprechendes gilt schließlich für die weitere Rüge der Klägerin, ihr Beweisantrag zur Einholung eines Sachverständigengutachtens, dass Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier aufgrund ihrer Zuchtgeschichte keine erhöhte Gefährlichkeit zugeschrieben werden kann, sei zu Unrecht abgelehnt worden. Das Berufungsgericht hat die Ablehnung auch dieses Beweisantrags nachvollziehbar damit begründet, dass ihm aus allgemein zugänglichen fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen ausreichende Erkenntnisse über diese Zuchtgeschichte vorlägen, die zur Einschätzung eines erhöhten Gefährdungspotentials wesentlich beitrügen, ohne dass dies von der Klägerin substantiiert beanstandet worden sei. Die in der Klageschrift enthaltenen Hinweise der Klägerin auf Aspekte dieser Zuchtgeschichte, die jenen Beitrag relativieren, stehen dazu nicht in Widerspruch.

Rz. 37

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.

 

Unterschriften

Dr. Storost, Buchberger, Dr. Christ

 

Fundstellen

BFH/NV 2010, 1775
 

 

Neue Kraftfahrzeugsteuer für Pkw in Kraft getreten

Was sie für wen kostet

Seit 1. Juli 2009 gilt die neue Kraftfahrzeugsteuer. Wesentlicher Kern des neuen Modells: Die Kraftfahrzeugsteuer wird von nun an auch an den Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) gekoppelt. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück betonte, dass der Autoverkehr auch in Zukunft äußerst wichtig bleibe und deshalb „insbesondere Pkw auch künftig mit Blick auf die nachhaltige Schonung unserer Umwelt fortentwickelt und die CO2-Emissionen deutlich gesenkt werden müssen“.

Das Wichtigste zur Kraftfahrzeugsteuer in Kürze

Wie funktioniert sie? Die neue Kraftfahrzeugsteuer weist zwei zentrale Komponenten auf: den Kohlendioxidausstoß und den Hubraum des Pkw. Die Umwelt-Komponente ist vorrangig. Die für die Besteuerung wichtigen Angaben sind damit der CO2-Wert, der Hubraum und die Antriebsart – alle sind im Fahrzeugschein zu finden.

Wer ist betroffen? Das neue Modell betrifft alle Halter eines Pkw mit Erstzulassung ab 1. Juli 2009. Pkw, die vor dem 1. Juli 2009 zugelassen wurden, werden grundsätzlich nach altem Kraftfahrzeugsteuerrecht behandelt. Ausnahme: Für Pkw mit Erstzulassung zwischen 5. November 2008 bis 30. Juni 2009 gelten Besonderheiten. Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer ersten Konjunkturmaßnahmen die Kraftfahrzeugsteuer unter bestimmten Umständen ausgesetzt. Näheres dazu finden Sie hier.

Wohin fließen die Einnahmen? Mit dem 1. Juli 2009 fließen die Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer nicht mehr den Ländern zu. Die Verwaltung und der Ertrag der Kraftfahrzeugsteuer gehen ab diesem Zeitpunkt auf den Bund über. Für die Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer wird das Bundesministerium der Finanzen zuständig, das sich hierfür bis zum 30. Juni 2014 der Landesfinanzbehörden im Wege der Organleihe bedient. Diese gelten insoweit als Bundesfinanzbehörden.

Wer ist der Ansprechpartner? Für die Bürgerinnen und Bürger bleibt damit wie bisher ihr Finanzamt vor Ort der direkte und kompetente Ansprechpartner für Fragen zur Kraftfahrzeugsteuer. Verkehrsrechtliche Fragen, die mit der Kraftfahrzeugsteuer zusammenhängen, beantworten nach wie vor die Zulassungsbehörden.

Themenschwerpunkt Kraftfahrzeugsteuer
Detaillierte Informationen finden Sie in unserer Liste häufiger Fragen. Außerdem können Sie mit unserem interaktiven Rechner die neue Kraftfahrzeug-Jahressteuer individuell berechnen.

Finanzämter sollen Kulanz zeigen

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat in einem Brief an die Finanzminister der Länder darum gebeten, dass die Finanzämter in Krisenzeiten kulanter gegenüber Unternehmern und Selbstständigen sein sollen.

In seinem Brief schreibt der Bundesfinanzminister: „Mir ist es wichtig, dass auch die kleineren und mittleren Unternehmen in dieser Wirtschaftskrise nicht alleine gelassen werden. Wir sollten gerade diese Unternehmen bei der Bewältigung der Krise mit allen uns zur Verfügung stehenden Instrumenten unterstützen.“

Die Finanzämter sollen vor allem bei Anträgen auf Stundung, Erlass, Vollstreckungsaufschub oder Anpassung der Vorauszahlungen ihren Ermessenspielraum möglichst weitgehend ausschöpfen – zugunsten der von der Krise betroffenen Unternehmen. Anlass für den aktuellen Brief sind Beschwerden von Kleinunternehmern und Selbstständigen, die unter Umsatzeinbrüchen leiden, aber dennoch an die Finanzbehörden Vorauszahlungen leisten müssen, die sich am wesentlich besseren Jahr 2008 orientieren.

 

Neue Steueridentifikationsnummer bringt mehr Service für die Bürgerinnen und Bürger

Das Bundeszentralamt für Steuern teilt beginnend ab 1. August 2008 jeder in Deutschland gemeldeten Person schriftlich ihre persönliche steuerliche Identifikationsnummer mit. Die neue Nummer wird die bisher für die Einkommensteuer verwendete Steuernummer ersetzen. Hierzu erklärt der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Dr. Axel Nawrath: „Die bundeseinheitliche Identifikationsnummer ist ein entscheidender Schritt in Richtung des elektronischen Zeitalters: Mit der Steueridentifikationsnummer werden elektronische Serviceleistungen der Steuerverwaltung, wie z.B. das vorausgefüllte, elektronische Steuererklärungsformular oder die Entgegennahme und Verarbeitung elektronischer Belege überhaupt erst möglich. Ziel ist, den Bürgern die Erledigung ihrer steuerlichen Angelegenheiten noch weiter zu erleichtern.“

Verteilt über mehrere Monate werden bis Ende des Jahres 2008 über 80 Mio. Briefe an alle Einwohner Deutschlands verschickt. Im Ergebnis dürften dann Sendungen mit einem Gesamtgewicht von weit über 1.000 Tonnen bewegt worden sein. Hierbei handelt es sich um die wohl größte Briefversandaktion in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Die Identifikationsnummer wird auf Grundlage von Datenlieferungen aller 5.300 deutschen kommunalen Meldebehörden vergeben. Jede Person, die mit Haupt- oder alleiniger Wohnung in Deutschland gemeldet ist, erhält eine Identifikationsnummer. Sie dient allein der eindeutigen Identifizierung in Besteuerungsverfahren. Damit ist die Steuerverwaltung die erste deutsche Verwaltung, die ein bundesweit einheitliches Aktenzeichen schafft, das alle Bürgerinnen und Bürger ein Leben lang begleitet. Nach einer Übergangszeit soll die Identifikationsnummer die herkömmliche Steuernummer ersetzen.

Die Identifikationsnummer ist auch Voraussetzung für die Einführung der „elektronischen Lohnsteuerkarte“. Das aus den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts stammende Lohnsteuerverfahren soll Kosten sparend modernisiert und bürgerfreundlicher gestaltet werden. Letztmalig für das Jahr 2010 werden Karton-Lohnsteuerkarten bereitgestellt. Die Steueridentifikationsnummer hilft, papiergebundene Verfahren und Abläufe elektronisch abzubilden.

Staatssekretär Dr. Nawrath: „Damit wird Bürokratie abgebaut und die Transparenz des Besteuerungsverfahrens erhöht. Die bundeseinheitliche Identifikationsnummer leistet so auch einen Beitrag für mehr Steuergerechtigkeit“.

Für die Bürger, die in den nächsten Monaten noch keine Identifikationsnummer erhalten haben, ist der Kontakt zum Finanzamt über die bisherige Steuernummer weiterhin möglich. In den Vordrucken für die Einkommensteuererklärung sind Eingabefelder für die bisherige Steuernummer und die Identifikationsnummer vorgesehen.

Die Steuerverwaltungen der Länder bitten aber darum, für eine Übergangszeit bei Erklärungen und Mitteilungen zusätzlich zur Identifikationsnummer die bisherige Steuernummer anzugeben. Die Umstellung von Abläufen und Verfahren in den Finanzämtern wird damit erleichtert.

Pressemitteilung des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. August 2008

Zur Umsatzsteuerfreiheit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil vom: 06.09.2007
Aktenzeichen: V R 50/05
Rechtsgebiete: UStG 1993, Richtlinie 77/388/EWG
Vorschriften: UStG 1993 § 4 Nr. 11, Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. a
Eingestellt am: 13.12.2007

Zur Tätigkeit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler i.S. von § 4 Nr. 11 UStG gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers i.S. des § 4 Nr. 11 UStG sind richtlinienkonform nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG und nicht handelsrechtlich nach den Begriffen des Versicherungsvertreters und Handelsmaklers i.S. von § 92 und §93 HGB auszulegen (Änderung der Rechtsprechung).


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren 1993 bis 1997 als sog. Werbeagent für die KG selbständig tätig. Die KG vermittelte Versicherungen an Unternehmer, mit denen sie Gesprächstermine vereinbarte, die durch den Kläger wahrgenommen wurden. Ziel dieser Erstgespräche war der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen den Interessenten und der KG. Der Kläger erhob bei den Gesprächen im Regelfall Daten über Sozialversicherungen, private Lebensversicherungen, Pensionsvereinbarungen und Direktversicherungen (versicherungstechnische Inventur), äußerte sich dabei aber nicht zu den zu vermittelnden Versicherungen. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger von der KG Provisionen, deren Höhe sich nach dem Umfang der durch den Kläger jeweils ausgeübten Tätigkeit richtete. Es kam insoweit insbesondere darauf an, ob der Kläger die versicherungstechnische Inventur nur anbahnte oder auch durchführte.

Auf der Grundlage der vom Kläger erhobenen Daten erstellte die KG ein Versicherungskonzept, das den potentiellen Kunden durch die von der KG gleichfalls beauftragten Hauptvertreter unterbreitet wurde. Die Hauptvertreter waren zum Abschluss von Versicherungsverträgen mit den Kunden berechtigt. Sie erhielten für ihre Tätigkeit Abschlussprovisionen.

In seinen Umsatzsteuererklärungen behandelte der Kläger die von der KG bezogenen Provisionen als Entgelte für nach § 4 Nr. 11 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) umsatzsteuerfreie Leistungen.

Demgegenüber ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) von umsatzsteuerpflichtigen Leistungen aus und setzte die Umsatzsteuer 1993 bis 1997 dementsprechend fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 17. August 2000 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte die Steuerfreiheit der Leistungen des Klägers, da § 4 Nr. 11 UStG nur berufstypische Umsätze erfasse. Maßgeblich seien die handelsrechtlichen Begriffsbestimmungen nach §§ 92 und 93 des Handelsgesetzbuches (HGB). Der Kläger sei kein Handelsmakler gewesen, da er ständig für die KG tätig gewesen sei. Der Kläger habe auch nicht als Versicherungsvertreter nach § 92 HGB gehandelt, da dies ein Verhandeln mit den Vertragsparteien des abzuschließenden Vertrages voraussetze. Der Kläger habe mit der Erhebung von versicherungsrelevanten Daten lediglich Geschäftsbeziehungen angebahnt und eine bloße Werbetätigkeit ausgeübt. Die Tätigkeit des Klägers sei auch nicht der eines Generalvertreters mit eigenem Vertreterstab vergleichbar, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) durch umsatzsteuerfreie Superprovisionen vergütet werde. Im Gegensatz zu derartigen Generalvertretern habe der Kläger weder Mitarbeiter betreut noch überwacht. Der Kläger könne sich für die Steuerfreiheit seiner Umsätze auch nicht auf das Gemeinschaftsrecht berufen. Denn Art. 13 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) setze für die Steuerfreiheit der Leistungen eines Versicherungsvertreters voraus, dass eine Vertragsbeziehung zwischen dem Versicherer und dem Versicherten vorliege, an der es im vorliegenden Fall fehle.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 4 Nr. 11 UStG. Er stützt die Revision insbesondere darauf, dass das FG den Begriff des Handelsvertreters nach § 84 HGB verkannt habe und beantragt, das Urteil des FG vom 30. Juni 2005 und die Umsatzsteuerbescheide 1993 bis 1997 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2000 aufzuheben.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

Kläger und FA haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II.

Die zulässige Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Die vom Kläger ausgeführten Umsätze sind nicht gemäß § 4 Nr. 11 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

1. § 4 Nr. 11 UStG befreit die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden.

Die von Art. 13 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) autonom gemeinschaftsrechtlich auszulegen, um eine in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems zu verhindern (Urteil vom 3. März 2005 C-472/03, Arthur Andersen, Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 25).

Zu den wesentlichen Aspekten der nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 36). Leistungen von Versicherungsvertretern und -maklern sind dabei nur steuerfrei, wenn sie zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 33). Dienstleistungen wie z.B. die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter gehören demgegenüber nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters (EuGH-Urteil Arthur Andersenin Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 35). Allgemein sind Unterstützungsleistungen für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden Aufgaben steuerpflichtig. Insoweit bestehen zwischen den Steuerbefreiungen für den Versicherungsbereich und für den Bank- und Finanzbereich nach Art. 13 Teil B Buchst. a und Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG keine Unterschiede (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 37 f.).

Im Hinblick auf die danach gebotene richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Nr. 11 UStG unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung, nach der es für den Umfang der Steuerbefreiung auf die handelsrechtlichen Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers nach §§ 92 f. HGB ankam (BFH-Entscheidungen vom 29. Januar 1998 V R 41/96, BFH/NV 1998, 1004; vom 9. Juli 1998 V R 62/97, BFHE 187, 56, BStBl II 1999, 253, und vom 10. Juni 1999 V R 10/98, BFHE 189, 192, BStBl II 1999, 686) nicht mehr fest (Änderung der Rechtsprechung).

2. Das FG ist zwar noch von den bisherigen Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgegangen. Das Urteil erweist sich im Ergebnis aber gleichwohl als richtig, da die Tätigkeit des Klägers nicht steuerfrei ist.

a) Der Kläger war nicht an der Suche nach potentiellen Interessenten beteiligt und führte diese auch nicht mit Versicherern zusammen. Nach den Feststellungen des FG vereinbarte die KG die Gesprächstermine mit den Interessenten, so dass das Ermitteln potentieller Interessenten der KG oblag. Die Klägerin hat die Interessenten auch nicht mit den Versicherern zusammengeführt. Die Auswahl der Versicherungsprodukte und damit das Herstellen der Verbindung zu einzelnen Versicherungsgesellschaften erfolgte durch die KG, die für potentielle Kunden auch das Versicherungskonzept erstellte. Der Kläger beschränkte sich im Wesentlichen auf das bloße Erheben von Daten. Zwar konnten die Versicherungen ohne vorherige Datenerhebung nicht abgeschlossen werden. Dies reicht aber für die Steuerfreiheit nicht aus, da es sich nur um eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Versicherungssituation des Interessenten handelte, ohne den Kunden Versicherungsangebote auch nur zu erläutern.

b) Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, inwieweit die nach Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit der Versicherungsvertreter und -makler, die zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stehen müssen (EuGH-Urteil Arthur Andersen in Slg. 2005, I-1719, BFH/NV Beilage 2005, 188 Randnr. 33), in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfällt, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind. Nach dem zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteil des EuGH vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig (BFH/NV Beilage 2007, 398, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2007, 617 Randnr. 34 ff.) sind die Wirtschaftsteilnehmer bei einer Kreditvermittlung berechtigt, ein ihnen zusagendes Organisationsmodell zu wählen, ohne dass dies zur Steuerpflicht der Leistung führt. Dies gilt aber nur, wenn die einzelne Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt.

Selbst unter Berücksichtigung des zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen EuGH-Urteils Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 Randnr. 34 ff. und der in diesem Urteil betonten Wahlfreiheit hinsichtlich des Organisationsmodells der Vermittlung war der Kläger nicht als Versicherungsvertreter oder -makler tätig. Denn das bloße Einholen von Kundendaten erfüllt nicht als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit.

c) Im Übrigen kommt es nicht darauf an, dass die für die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen Urteile des EuGH zu Sachverhalten ergangen sind, die durch einen noch geringeren Bezug zur Versicherungsvermittlung geprägt waren als die Tätigkeit des Klägers. Denn der EuGH hat nicht über Einzelfälle, sondern über die abstrakte Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu entscheiden. Seine Urteile enthalten somit allgemeine Auslegungsgrundsätze, die auch im vorliegenden Fall zu beachten sind.

Hundesteuer für die Haltung von Diensthunden der Bundespolizei

 

Leitsatz

Hundesteuer als Aufwandsteuer i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG darf nicht erhobene werden für die Haltung von Diensthunden der Bundespolizei, wenn der Diensthundführer mit der Hundehaltung eine Dienstpflicht erfüllt. Kennzeichnend hierfür sind u.a. eine Aufwandsentschädigung und eine Zeitgutschrift für die Beschäftigung mit dem Hund. Wird durch die Hundehaltung eine Dienstpflicht erfüllt, fehlt es an einem besteuerbaren Aufwand für die persönliche Lebensführung.

Gesetze

GG Art. 105
Abs. 2a; HKAG § 7 Abs. 2

Instanzenzug

VG Darmstadt VG 4 E 428/04(2) vom 08.02.2006

VGH Kassel VGH 5 UE 1611/06 vom 11.09.2006

Fachpresse: ja

BVerwGE: nein

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um die Heranziehung zur Hundesteuer für einen Diensthund.

Der Kläger ist Polizeiobermeister bei der Bundespolizei und als Diensthundführer beim Bundespolizeiamt in Frankfurt am Main tätig. Nach dem einschlägigen Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 17. November 1997 („BRAS 171 – Das Diensthundewesen des Bundesgrenzschutzes”) stehen Diensthunde der Bundespolizei im Eigentum des Bundes. Sie werden dem Diensthundführer zur artgerechten Haltung und Pflege übergeben. Außerhalb der Dienstzeiten hält der Diensthundführer den Diensthund bei sich zu Hause. Für den besonderen Aufwand, der dem Diensthundführer durch die Betreuung des Hundes entsteht, werden ihm 45 Minuten pro Wochentag auf die wöchentliche Arbeitszeit angerechnet. Außerdem erhält er eine steuerfreie Diensthundführeraufwandentschädigung in Höhe von 86,92 € im Monat, die der Abgeltung der mit der Haltung des Hundes im eigenen Haushalt verbundenen Aufwendungen (Futter, Pflegemittel, Tierarzt, Impfungen etc.) dient.

Die Beklagte erhebt aufgrund der „Satzung über die Erhebung einer Hundesteuer im Gebiet der Gemeinde Riedstadt” vom 4. Dezember 1998, geändert durch Satzung vom 31. August 2000, für die Haltung von Hunden Hundesteuer. Gegen den Heranziehungsbescheid vom 18. Juli 2002 wandte sich der Kläger mit seinem am 23. Juli 2002 eingegangenen Widerspruch. Die Dienststelle des Klägers begründete den Widerspruch damit, dass Diensthunde im Auftrag des Bundes von den Diensthundführern zu Hause gehalten würden. Sämtliche hierzu anfallenden Kosten gingen zu Lasten des Bundes. Der Hundeführer übernehme den Hund mit dem dienstlichen Auftrag, ihn zu pflegen, zu füttern und bei seiner Aufgabenwahrnehmung einzusetzen. Mit Bescheid vom 11. August 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Der Kläger hat gegen den Hundesteuerbescheid Klage erhoben. Er habe den Hund nicht im eigenen Interesse in den eigenen Haushalt aufgenommen, sondern er sei dazu dienstlich verpflichtet, handele also im Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Er verweist darauf, dass es für den privaten Umgang mit dem Diensthund besondere Regeln gebe. So bedürfe z. B. selbst die gelegentliche Betreuung und das Ausführen des Hundes durch einen „geeigneten” Familienangehörigen oder auch der tierärztliche Besuch der vorherigen Einwilligung des Diensthundelehrwartes. Ebenfalls zustimmungsbedürftig sei die private Mitnahme des Diensthundes ins Ausland, z. B. zum Zwecke des Urlaubs.

Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 8. Februar 2006 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, der Kläger erfülle den Steuertatbestand des § 2 Abs. 2 Satz 1 der Hundesteuersatzung der Beklagten nicht. Er habe nämlich den Diensthund nicht im eigenen Interesse oder im Interesse seiner Familie in seinen Haushalt aufgenommen, sondern sei dazu dienstlich verpflichtet. Die Satzung der Beklagten müsse entsprechend ausgelegt werden. Eine andere Auslegung wäre nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 7 Abs. 2 KAG gedeckt und widerspreche dem Aufwandsbegriff des Art. 105 Abs. 2a GG . Es liege hier kein durch eine persönliche, private Lebensführung veranlasster Aufwand vor, der Ausdruck einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sei, sondern ein dienstlich veranlasster Aufwand.

Der Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 11. September 2006 stattgegeben und zur Begründung mit Bezugnahme auf sein Urteil vom 25. Juni 2003 (5 UE 1174/01, NVwZ-RR 2004, 213) ausgeführt, die Hundesteuer knüpfe als Aufwandsteuer an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen an. Besteuert werde ein besonderer Aufwand, der über die Verwendung von Einkommen und Vermögen zur Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehe. Hundehalter sei, wer einen Hund in seinen Haushalt aufgenommen habe. Das sei beim Kläger der Fall. Der Zweck der Hundehaltung sei dabei unerheblich. Das Wesen der Aufwandsteuer schließe es aus, für die Steuerpflicht von vornherein auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten Zwecke, die dem betriebenen Aufwand zugrunde lägen, abzustellen. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen einem durch eine persönliche, private Lebensführung veranlassten Aufwand, der Ausdruck einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein könne, und einem dienstlich veranlassten Aufwand sei demnach nicht maßgeblich.

Zur Begründung der vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Revision vertieft der Kläger sein Vorbringen und weist ergänzend darauf hin, dass er verpflichtet sei, den Diensthund im Interesse des Dienstherrn auch außerhalb der regulären Arbeitszeit zu betreuen. Es gebe keine ausreichenden zentralen Diensthundeeinrichtungen. Zudem solle darauf hingewirkt werden, dass zwischen Diensthundführer und seinem Hund ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werde, aufgrund dessen sich die tägliche Arbeitsbewältigung verbessere und der Diensthund effektiver arbeite. Bei einem Diensthund handele es sich um ein dem Diensthundführer anvertrautes „Arbeitsgerät”, das dieser aus Gründen der Effektivität und Leistungsfähigkeit über die Dienstzeit hinaus in seiner Obhut behalte.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. September 2006 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 8. Februar 2006 zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Berufungsentscheidung verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) . Das Verwaltungsgericht hat auf die Klage des Klägers zu Recht die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Dementsprechend war die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch Bundesrecht angewandt, das das Bundesverwaltungsgericht überprüfen darf. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht zwar im Wesentlichen auf der Auslegung und Anwendung einfach-gesetzlichen Landesrechts, das grundsätzlich irrevisibel ist. Zum Landesrecht gehören auch die Rechtsvorschriften, die im Range unter dem Landesgesetz stehen, insbesondere nur im Gemeinde- bzw. Kreisgebiet geltende kommunale Satzungen des sog. Ortsgesetzgebers. Das nicht revisible Recht darf vom Bundesverwaltungsgericht aber darauf überprüft werden, ob die Auslegung und Anwendung des Landesrechts durch das Berufungsgericht mit dem Bundesrecht in Einklang steht, insbesondere das Bundesrecht eine andere Auslegung gebietet (Urteil vom 29. Juni 2000 – BVerwG 1 C 26.99 – Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 68). Das Berufungsgericht hat § 2 der Hundesteuersatzung der Beklagten so ausgelegt, dass auch der Halter eines Diensthundes Halter im Sinne dieser Satzungsvorschrift ist, weil er den Diensthund in seinen Haushalt aufgenommen hat. Damit hat es den Begriff der Aufwandsteuer in Art. 105 Abs. 2a GG verkannt.

In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass die Aufwandsteuern i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG (nur) den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 – 2 BvR 1275/79 – BVerfGE 65, 325 <346>; BVerwG, Beschluss vom 28. November 1997- BVerwG 8 B 224.97 – Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 5; Urteil vom 26. September 2001 – BVerwG 9 C 1.01 – BVerwGE 115, 165 <168 f.>; Urteil vom 27. September 2000 – BVerwG 11 C 4.00 – Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 18). Die Aufwandsteuer knüpft an das Halten eines Gegenstandes oder an einen tatsächlichen oder rechtlichen Zustand an (BVerfG a.a.O. S. 347); sie ist eine Steuer auf die Einkommensverwendung, die einen besondere Leistungsfähigkeit indizierenden Konsum belastet (vgl. Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG , Band 3, 5. Aufl., Art. 105 Rn. 62). Im Aufwand als Konsum kommt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck. Nur soweit in diesem Sinne ein Aufwand für die persönliche Lebensführung betrieben wird, kommt es im Sinne des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O. S. 347) nicht darauf an, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird.

Die Hundesteuer gehört zu den herkömmlichen Gemeindesteuern, die zu erheben die Länder die Gemeinden ermächtigt haben, für Hessen durch § 7 des Gesetzes über kommunale Abgaben (HKAG) vom 17. März 1970 (GVBl S. 225). Sie ist eine örtliche Aufwandsteuer, weil das Halten eines Hundes über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und einen Aufwand – wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen – erfordert (vgl. nur etwa Beschluss vom 28. November 1997 a.a.O.)

Der Verwaltungsgerichtshof geht von der Hundesteuer als Aufwandsteuer aus. Mit Bezugnahme auf sein Urteil vom 25. Juni 2003 (a.a.O.) hält er für unerheblich, welchem Zweck die Haltung des Hundes diene, ob er beruflich oder privat gehalten werde. Das Berufungsgericht bezieht sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zur Zweitwohnungssteuer für Erwerbszweitwohnungen, wonach das Wesen der Aufwandsteuer es ausschließe, für die Steuerpflicht von vornherein auf eine wertende Berücksichtigung der Absichten und verfolgten Zwecke, die dem Aufwand zugrunde liegen, abzustellen (BVerfG a.a.O. S. 357; BVerwG, Urteil vom 12. April 2000 – BVerwG 11 C 12.99 – BVerwGE 111, 122 <126>). Maßgeblich dürfe allein der Konsum als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein. Der Begriff der persönlichen Lebensführung sei nicht als „private Lebensführung” als Gegensatz zu einer „beruflichen Lebensführung” zu verstehen, sondern diene vielmehr der Beschränkung des Steuertatbestandes auf den konsumtiven Aufwand als Kennzeichen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Abgrenzung des Aufwands zur Einkommensverwendung gegenüber der Einkommenserzielung. Die Lebensführung eines Steuerpflichtigen bleibe auch, soweit sie beruflichen Zwecken diene, in diesem Sinne eine persönliche Lebensführung. Danach unterfalle eine Hundehaltung, die ganz oder teilweise beruflichen Zwecken diene, ebenfalls der Aufwandsteuer. Nicht maßgeblich sei deshalb eine Differenzierung zwischen einem durch eine persönliche, private Lebensführung veranlassten Aufwand, der Ausdruck einer eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein könne, und einem dienstlich veranlassten Aufwand. Es komme ebenfalls nicht darauf an, von wem und mit welchen Mitteln der Aufwand finanziert werde und welchen Zwecken er des Näheren diene.

Damit verkennt das Berufungsgericht den Begriff des „besteuerbaren Aufwands für die persönliche Lebensführung”. Die Haltung eines Diensthundes ist keine Angelegenheit der persönlichen Lebensführung, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert, sondern die Erfüllung einer Dienstpflicht. Die Entscheidung, einen Diensthund zu erwerben und zu halten, trifft nicht der Kläger oder ein seinem Haushalt angehöriges Mitglied, sondern der Dienstherr. Der Kläger kann nicht entscheiden, ob er einen Diensthund erwirbt und ggf. welchen. Den Diensthund zu Hause zu betreuen, ist er aufgrund der dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet. Der Umgang mit dem Hund unterliegt nicht allein dem Willen des Klägers; er ist auch hier an Vorschriften gebunden. Für verschiedene Verwendungen – Führen durch eine andere Person, Mitnahme in den Urlaub ins Ausland, Tierarztbesuche – bedarf er einer Genehmigung. Für die Hundehaltung erhält er eine die Kosten im Wesentlichen abdeckende Aufwandsentschädigung und für die persönliche Beschäftigung mit dem Hund eine Arbeitszeitgutschrift. Wird durch die Hundehaltung – wie hier – eine Dienstpflicht erfüllt, fehlt es demnach an einem besteuerbaren Aufwand für die persönliche Lebensführung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 210 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 GKG) .

 

Die Betreuung von Vermittlern ist keine umsatzsteuerbefreite Vermittlungsleistung.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Beschluss vom 09.01.2006, 16 V 436/05

Art 13 Teil B Buchst d Ziff 5 EWGRL 388/77, § 4 Nr 8 UStG 1999

Tatbestand

1
Der Antragsteller zu 1 (ASt 1) betrieb bis zum 1. Dezember 1999 als Einzelunternehmer ein Unternehmen, in dem er als Handelsvertreter Produkte der Firma S. AG vertrieb. Dies geschah auf Grundlage eines mit der Firma S.- Vertriebsgesellschaft GmbH geschlossenen Vertriebsvertrages. Ab dem 1. Dezember 1999 wird dieselbe Tätigkeit durch die Antragstellerin zu 2 (ASt 2) ausgeübt, an die der ASt 1 sein Unternehmen veräußerte.

2
Im Streit steht die umsatzsteuerliche Behandlung von sogenannten Differenzprovisionen, die der Antragsgegner als umsatzsteuerpflichtig ansieht.

3
Die Differenzprovisionen haben ihre rechtlichen Grundlage in Anlage D zum geschlossen Vertriebsvertrag. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

4
„1. Hat der Vermittler der Auftraggeberin andere Vermittler zugeführt, die mit der Auftraggeberin einen gesonderten Vertriebsvertrag abgeschlossen haben, und sind diese zugeführten Vermittler von der Auftraggeberin dem Vermittler zur Betreuung unterstellt, so erhält der Vermittler in Abhängigkeit von der Tätigkeit der ihm unterstellten Vermittler eine Differenzprovision.

5
2. Der Vermittler hat nach Maßgabe der folgenden Regelungen Anspruch auf Differenzprovision für jeden Vertrag, der von einem ihm unterstellten und ihm betreuten Vermittler vermittelt wird.

6
3. Die Höhe der Provision ergibt sich aus der Differenz zwischen den in den besonderen Provisionsbedingungen zu diesem Vertriebsvertrag festgelegten Provisionssätzen des Vermittlers für Vermittlungsprovisionen und Betreuungsgebühren und den entsprechenden – geringeren – Provisionssätzen des jeweiligen unterstellten Vermittlers. Soweit die Provisionssätze identisch sind, entfällt eine Differenzprovision.“

7
In Anlage 1 Ziffer 5 zum Vertriebsvertrag ist unter der Überschrift Differenzprovision folgendes geregelt: „Wenn und soweit dem Vermittler von der Auftraggeberin weitere Vermittler unterstellt sind oder werden, die einen eigenen Vertriebsvertrag mit der Auftraggeberin abgeschlossen haben, erhält der Vermittler für die umfassende Betreuung dieser Vermittler eine Differenzprovision, deren Voraussetzungen und Höhe sich aus den Bestimmungen in Anlage D ergeben“.

8
Der Antragsgegner führt im August 2003 – September 2004 eine Außenprüfung durch, die sich insbesondere auch mit der umsatzsteuerlichen Einordnung der an die Antragsteller gezahlten Differenzprovisionen befasste. Weil die Antragsteller bis dahin diese Provisionen als umsatzsteuerfrei behandelt haben, die Außenprüfung jedoch von der Steuerpflicht dieser Provisionen ausging, wurde der Umfang dieser Provisionszahlungen aus dem Buchführungswerk der Antragsteller durch diese ermittelt und der Außenprüferin zur Verfügung gestellt. Die Außenprüfung ermittelte sodann die Bemessungsgrundlagen für die angenommenen steuerpflichtigen Umsätze und berücksichtigte die darauf anteilig entfallenden Vorsteuerabzugsbeträge.

9
Dem Ergebnis der Außenprüfung folgend setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche sind noch nicht entschieden. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner ab.

10
Mit dem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wenden sich die Antragsteller gegen die Annahme, sie hätten umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht. Die Differenzprovisionen seien keine Zuführungsvermittlungsprovisionen gewesen. Vielmehr hätten die Antragsteller Differenzprovisionen nur dann erhalten, wenn ihnen unterstellte Untervermittler tatsächlich ihrerseits Vermittlungsleistungen gegenüber der S.-Vertriebsgesellschaft mbH erbracht hätten. Die Bezahlung der Differenzprovision sei somit erfolgt, weil eine erfolgreiche Vermittlungsleistung erbracht worden sei. Zwecks Durchführung der eigenen Vermittlungsleistung hätten die Antragsteller die angebundenen bzw. tatsächlich unterstellten Untervermittler geschult und betreut, um einen einheitlichen Qualitätsstandard im Hinblick auf die von ihnen durchgeführte und zu verantwortende Eigenverrichtungsleistungen sicherzustellen. Eine Vermittlungsprovision unterliege schon aus Rechtsgründen nicht der Umsatzsteuer. Sie sei vielmehr schon zwingend aufgrund der Regelung in Artikel 13 B d) Ziffer 5 der 6.-EG-Richtlinie von der Umsatzsteuer zu befreien.

11
Der Antragsteller zu 1 beantragt,

12
den Umsatzsteuerbescheid 1999 von der Vollziehung auszusetzen,

13
die Antragstellerin zu 2 beantragt,

14
die Umsatzsteuerbescheide für 2000 und 2001 von der Vollziehung auszusetzen.

15
Der Antragsgegner tritt den Anträgen entgegen.

16
Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen. Die EG-rechtliche Vorgabe des Artikel 13 Teil B d) Nr. 5 der 6.-EG-Richtlinie sei durch § 4 Nr. 8 UStG in nationales Recht umgesetzt worden. Zur Frage der Auslegung des Begriffs der Vermittlung habe sich der BFH im Urteil vom 09.10.2003 V R 5/03 eingehend geäußert. Bei einer mehrstufigen Vermittlung von Finanzumsätzen sei nur derjenige Vermittler umsatzsteuerbefreit, der einen unmittelbaren Geschäftsbesorgungsvertrag mit einer der zukünftigen Vertragsparteien des Grundgeschäftes abgeschlossen habe, der sogenannte erste Vermittler. Nachgeschaltete Vermittler in einer Vertriebsstruktur seien hingegen nicht umsatzsteuerbefreit. Allerdings bestehe aufgrund des BMF-Schreibens vom 13. Dezember 2004 eine Übergangsfrist, in der auch nachrangige Vermittlungstätigkeiten tatsächlich steuerbefreit blieben. Deshalb habe der Antragsgegner den Großteil der von den Antragstellern erbrachten Leistungen weiterhin als umsatzsteuerfrei behandelt. Dies treffe jedoch nicht für die bezogenen Differenzprovisionen zu. Denn diese erhielten die Antragsteller nach den geschlossenen Verträgen für die vereinbarte Betreuung der Untervermittler. Die Antragsteller erbrächten insoweit also keine Vermittlungsleistung. Die Annahme der Umsatzsteuerpflicht dieser Leistungen sei zutreffend. Was die Höhe der Bemessungsgrundlagen angehe, so sei diese aufgrund der von den Antragstellern zur Verfügung gestellten Zahlen ermittelt worden, konkrete Einwände seien nicht erhoben worden. Deshalb seien insoweit ebenfalls keine ernstlichen Zweifel begründet.

Entscheidungsgründe

17
Der Antrag ist unbegründet.

18
1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

19
a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

20
Mangels anderer präsenter Beweismittel geht das Gericht davon aus, dass sich die Vertragsbeteiligten entsprechend der geschlossenen Verträge verhalten haben. Deshalb kann angenommen werden, dass die hier in Streit stehenden Differenzprovisionen Entgelte für diejenigen Leistungen sind, zu denen sich die Antragsteller verpflichtet haben. Dies war nach Anlage 1 zum Vertriebsvertrag die umfassende Betreuung der Vermittler. Derartige Betreuungsleistungen sind aber nicht selbst Vermittlungsleistungen. Insoweit verweist das Gericht auf die für zutreffend erachteten Ausführungen im BFH Urteil vom 23. Oktober 2002 V R 68/01, BStBl II 2003, 618.

21
Die Betreuung der Vermittler ist auch keine Dienstleistung, die unter Artikel 13 B d) Ziffer 5 der 6. EG-Richtlinie sein könnte. Die genannte Norm befreit die Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung – die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen bezieht. Die Betreuung von Untervermittlern ist für sich betrachtet keine Dienstleistung, die unter die genannte Befreiungsnorm fallen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob man annehmen könnte, dass die Untervermittler ihrerseits mit ihrer Dienstleistung, die auf die Beteiligung der Anleger an stillen Gesellschaften abzielt, unter die Befreiungsnorm fielen. Die Betreuung der Untervermittler hat mit der vom Untervermittler selbst erbrachten Dienstleistung keinen unmittelbaren Zusammenhang mehr. Sie ist für sich kein Umsatz, der sich auf Anteile an Gesellschaften bezieht. Dem Umstand, dass die Antragsteller die erbrachten Dienstleistungen der Betreuung der Untervermittler nur erfolgsbezogen mit konkreten (Vermittlungs-) Leistungen der Untervermittler vergütet bekommen haben, kommt insoweit keine Bedeutung zu.

22
Konkrete Einwendungen gegen die Höhe der steuerlichen Bemessungsgrundlagen sind von den Antragstellern nicht vorgebracht worden.

23
b) Ebensowenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines – noch nicht bestandskräftigen – Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch haben sie die Antragsteller substantiiert vorgetragen.

24
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Neugestaltung wichtiger Einrichtungen in der Bundesfinanzverwaltung

21.12.2005 – Aus Anlass der Einrichtung des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, des Bundeszentralamtes für Steuern und des Zentrums für Informationsverarbeitung und Informationstechnik zum 1. Januar 2006 erklärt die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen, Dr.–Doktor Barbara Hendricks:

Zum 1. Januar 2006 setzt die Bundesfinanzverwaltung den Prozess der Verwaltungsmodernisierung und einer verstärkten Kundenorientierung durch die Neugestaltung wichtiger Einrichtungen in der Bundesfinanzverwaltung fort.

Die aus bereits bestehenden Oberbehörden und IT–Informationstechnik -Einrichtungen hervor gehenden Einrichtungen Bundeszentralamt für Steuern, Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen sowie Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik werden ihre Aufgaben in effektiveren und zukunftsfähigen Strukturen wirtschaftlicher und wirksamer als bisher erledigen. Eine Liste der Standorte ist in der Anlage beigefügt. Um es noch einmal ausdrücklich zu betonen: Mit der Verwaltungsreform werden keine zusätzlichen Einrichtungen geschaffen, sondern bestehende Strukturen fortentwickelt.

Die Verwaltungsreform erfolgt zu einem Zeitpunkt, zu dem gerade in den Kernbereichen Steuern, Dienstleistungen und Informationstechnik die Aufgabenentwicklung außerordentlich dynamisch verläuft. Die öffentliche Diskussion zu einer „Bundessteuerverwaltung“ hat deutlich gemacht, dass ein Bedürfnis für eine zentrale Erledigung bzw.–beziehungsweise stärkere Koordinierung des Steuervollzugs mehr und mehr anerkannt wird. Zudem werden Verwaltungsdienstleistungen daran gemessen, ob sie kundenorientiert und wirtschaftlich erledigt werden. Schließlich soll die Aufgabenerledigung durch eine moderne und leistungsfähige Informationstechnik effizient unterstützt werden.

Ein besonderer Beitrag für eine deutlich verbesserte Aufgabenerledigung in der Bundesfinanzverwaltung ist durch die Einrichtung des Bundeszentralamts für Steuern zu erwarten. Im föderalen Verwaltungsgefüge bestehen erhebliche Spielräume für eine effektivere und effizientere Steuererhebung. So ist zum Beispiel vorgesehen, die Bundesbetriebsprüfung in dieser Behörde zu verstärken. Die Bündelung steuerfachlicher Auskunfts- und Serviceleistungen in einem steuerlichen Info-Center soll darüber hinaus dazu beitragen, eine einheitliche und konsequente Rechtsanwendung im Steuervollzug zu gewährleisten.

Mit der Einrichtung des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen werden die bisher in unterschiedlichen Organisationseinheiten angesiedelten Verwaltungsdienstleitungen in dieser Behörde zusammengefasst. Von entscheidender Bedeutung sind hierbei ein verbesserter Service und eine stärkere Adressatenorientierung. Die Konzentration entlastet die Fachbereiche von administrativen Aufgaben und ermöglicht der Verwaltung, ihre Kernkompetenzen zu stärken. Somit können Fachaufgaben effizienter wahrgenommen und hier insbesondere die vermögens- und entschädigungsrechtlichen Verfahren künftig schneller abgeschlossen werden. Darüber hinaus soll das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen systematisch zum Anbieter von zentralen Dienstleistungen in der Bundesfinanzverwaltung ausgebaut werden.

Das Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik wird den Prozess der Modernisierung und wirtschaftlicheren Gestaltung der Arbeitsabläufe in der Verwaltung unterstützen. Die Bündelung der IT-Aufgaben und ihre Prozessoptimierung werden es der Bundesregierung erleichtern, die eGovernment-Strategie konsequent weiter zu verfolgen. Das Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik ist darüber hinaus ein Motor zur Verbesserung der Geschäftsabläufe in der Bundesfinanzverwaltung.

Pressemitteilung vom 21.12.2005

Anlage zur Pressemitteilung 140/2005 vom 21. Dezember 2005
http://www.bundesfinanzministerium.de/nsc_true/DE/Aktuelles/
Pressemitteilungen/2005/20052112__PM140__Anlage,property=publicationFile.null

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Rede des Bundesministers der Finanzen Hans Eichel zum Thema „Aktuelle Steuerpolitik“

Rede des Bundesministers der Finanzen Hans Eichel zum Thema „Aktuelle Steuerpolitik“ auf dem DEUTSCHEN STEUERBERATERKONGRESS am 10. Mai 2004 in Stuttgart

Sehr geehrter Dr. Heilgeist, meine sehr verehrten Damen und Herren!

In der Nacht auf den 1. Mai waren Millionen von Menschen in Europa auf der Straße, um den Beitritt von 10 neuen Staaten zur Europäischen Union zu feiern.

Erweiterung der EU

Seit diesem Tag umfasst die „wiedervereinte“ Europäische Union 25 Staaten mit rund 455 Millionen Einwohnern und zählt damit zu einem der weltweit größten Wirtschaftsräume.

Wir sollten uns dabei vergegenwärtigen, dass es um weit mehr als die Erweiterung eines Marktes geht. Ziel ist es, Europa zu einem Kontinent dauerhaften Friedens und dauerhaften Wohlergehens seiner Menschen zu machen.

Gleichwohl stehen für viele die wirtschaftlichen Aspekte im Vordergrund. Es muss am Ende greifbare Vorteile für alle geben.

Die Erweiterung bietet viele Chancen. Sie ist aber auch mit Risiken verbunden. Auch in Deutschland gibt es hier Fragen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der günstigen steuerli­chen Bedingungen etwa in Polen, Tschechien, der Slowakei oder Ungarn. Es ist kein Geheimnis, dass die steuerlichen Rahmenbedingungen in den Beitrittsländern aktuell vor allem durch niedrige Körperschaftsteuersätze, ja eine allgemein sehr niedrige Ertragsteuer­belastung gekennzeichnet sind. Das sind wichtige Orientierungsmarken im internationalen Wettbewerb um „Steuerstandorte“.

Aber: Der Standortwettbewerb mit steuerlichen Vergünstigungen ist nicht erst eine Frage des EU-Beitritts. Im Gegenteil: Mit der Verpflichtung der Beitrittsländer zur Anwendung des Acquis communautaire wird er in faire Bahnen gelenkt.

Abbau von steuerlichen Hindernissen

Vor dem Hintergrund einer immer stärker zusammenwachsenden Wirtschafts- und Wäh­rungsunion in Europa werden zwischenstaatliche Abstimmungen und vor allem koordinier­tes Vorgehen wichtiger denn je.

Es wird aber auch darum gehen, die Harmonisierung voranzutreiben: Zur Wahrung der Wettbewerbsgleichheit in der Gemeinschaft streben wir möglichst einheitliche steuerliche Rahmenbedingungen an. Insbesondere für international operierende Wirtschaftsunterneh­men brauchen wir einen europatauglichen Rechtsrahmen und ein Höchstmaß an Transpa­renz.

Bekämpfung des „unfairen“ Steuerwettbewerbs

Mit dem „Verhaltenskodex zur Bekämpfung des unfairen Steuerwettbewerbs bei der Unter­nehmensbesteuerung“ soll dieses Ziel europaweit durchgesetzt werden. Es handelt sich um eine politische Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten, bestehende „unfaire“ Steuerrege­lungen für Investitionen von Steuerausländern bis zum 31. Dezember 2005 abzubauen und keine neuen „unfairen“ Steuerregelungen einzuführen.

Grundsätzlich ist die Definition der als „unfair“ geltenden Maßnahmen relativ eng. Sie geht von dem Besteuerungsniveau des jeweiligen Mitgliedstaats aus. Unfair sind nur selektive Regelungen, die eine deutlich unter diesem Niveau liegende Effektivbesteuerung bewirken.

Ein generell sehr niedriger Tarif in einem Mitgliedstaat wird dagegen nicht als unfair ange­sehen. Das ist noch Beschlusslage in der Europäischen Union. Wir meinen, das muss man intensiv diskutieren.

Standortwettbewerb

Der Standort Deutschland ist weiterhin hoch attraktiv. Die Unternehmensberatung A. T. Kearney hat in ihrer jährlichen Umfrage unter 1.000 international agierenden Unter­nehmen festgestellt, dass Deutschland das attraktivste Ziel für internationale Investoren in der Europäischen Union der 15 ist. Selbst in der Europäischen Union der 25 rangiert ledig­lich Polen vor Deutschland. 

Allein 2002 habe Deutschland 38,1 Mrd. Dollar Direktinvestitionen an sich ziehen können. Als Grund für das gestiegene Vertrauen internationaler Investoren nennt die Studie unter anderem die Steuerreform des Jahres 2000.

Im Unternehmenssteuerbereich hat sich ebenfalls Entscheidendes getan: Seit 2001 haben wir ein europataugliches, deutlich vereinfachtes und international wettbewerbsfähiges Unternehmenssteuerrecht. Die Körperschaftsteuer haben wir auf 25 % für thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne reduziert. Mit dem neuen Halbeinkünfteverfahren haben wir auch in Europa Maßstäbe gesetzt.

Gleichwohl geraten wir in Gefahr, im Wettbewerb um Investitionsstandorte, der auch auf dem Feld der Steuertarife ausgetragen wird, wieder an Boden zu verlieren. Und nicht nur wir. Denn ein zügelloser Steuerwettbewerb über die Steuersätze ist ein brandgefährliches Spiel, das letztlich keinen Gewinner haben wird.

Die Bekämpfung eines binnenmarktschädlichen Steuerwettbewerbs zwischen EU-Staaten ist deshalb nicht nur für Deutschland von vitalem Interesse.

Für ein steuerlich gut beratenes und geschickt gestaltendes Unternehmen mag der Steuer­senkungswettlauf zwischen den Staaten für eine gewisse Zeit einen individuellen Nutzen bringen. Konkurrenz belebt schließlich das Geschäft. Das gilt auch in der Steuerpolitik!

Standortqualität

Jedoch kennen Sie alle die Wichtigkeit einer guten Infrastruktur, eines hohen Bildungs- und Ausbildungsstandes oder auch die Nähe zu Großkunden für Standortentscheidungen und erfolgreiches Wirtschaften.

Ein Staat, der keine entsprechenden Dienstleistungen auf hohem Niveau anbieten kann, wird seiner Volkswirtschaft keinen Gefallen tun, sondern ihr Schaden zufügen.

Ich wünsche mir deshalb vor allem eine verstärkte Koordinierung auf dem Gebiet der direk­ten Steuern auf EU-Ebene. Damit werden die Vorteile eines gesunden Wettbewerbs erhal­ten. Gleichzeitig werden aber auch unerwünschte Folgen des Steuer-Dumping vermieden.

Mindeststeuersätze

Von der Kommission wird zwar kein einheitlicher europäischer Unternehmenssteuertarif angestrebt. Um jedoch den Wettlauf um den niedrigsten nominalen Steuersatz entgegen­zuwirken und Europa zu einem einheitlichen Wirtschaftsstandort nach innen und außen fortzuentwickeln, ist die Einführung eines Mindeststeuersatzes innerhalb der EU notwendig.

Daher sollte auf politischer Ebene eine Diskussion über einen Mindeststeuersatz eingeleitet und intensiv verfolgt werden.

Deutschlands Strategie in Europa

Welche weiteren Folgerungen ergeben sich für die deutsche Steuerpolitik aus der fort­schreitenden Europäisierung bzw. Internationalisierung?

Offensichtlich ist jedenfalls, dass wir Steuerpolitik immer weniger rein national definieren können. Wir müssen uns nicht nur an Vorgaben des Gemeinschaftsrechts halten. Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wendet sich verstärkt nationalen Steuer-regeln zu.

Vor allem die Abwehrgesetzgebung der Mitgliedstaaten kommt mehr und mehr auf den Prüfstand des EuGH. In jüngster Zeit wurden der pauschalierte Steuerabzug für nicht ansässige Steuerpflichtige und die deutschen Unterkapitalisierungsvorschriften als europa­rechtswidrig beanstandet. Nicht unerwähnt soll auch das Urteil zur französischen Weg­zugsbesteuerung bleiben.

Aktive Mitgestaltung des EU-Rechts

Erste Erkenntnis aus dieser Entwicklung: Wir brauchen eine gut abgestimmte steuerpoliti­sche Strategie sowohl in Europa als auch national. Für uns gilt es dabei, in größerem Maße als bisher eine aktive Rolle bei der Gestaltung des EU-Rechts zu übernehmen.

Die konstruktive Mitarbeit in Gremien der Europäischen Union eröffnet die Möglichkeit, die weiteren steuerpolitischen Entscheidungen innerhalb der EU so zu beeinflussen, dass unsere nationalen Interessen angemessen berücksichtigt werden.

Ansatzpunkte bieten sich vielfältig:

Steuerliche Gewinnermittlung

Beim Thema „Steuerliche Gewinnermittlung“ halten wir die von der Kommission vorge­schlagene einheitliche Bemessungsgrundlage bei der Unternehmensbesteuerung für denrichtigen Ansatz. Auf diesem Gebiet deutet sich im Übrigen eine engere Kooperation zwi­schen Deutschland und Frankreich an, die mittelfristig beispielhaft in der EU sein und Maß­stäbe setzen könnte.

Umwandlungen

Die steuerneutrale grenzüberschreitende Umwandlung wird zurzeit im Rahmen einer Ergänzung der Fusionsrichtlinie geprüft. Auch diese Überlegungen decken sich mit dennationalen Überlegungen für eine grenzüberschreitende Umwandlung nach dem deutschen Umwandlungssteuerrecht.

Konzernbesteuerung

Eine grenzüberschreitende Konzernbesteuerung ist von der Kommission als mittelfristiges Projekt ebenfalls angeregt worden. Bemerkenswert ist, dass Österreich mit Blick auf die Erweiterung der Europäischen Kommission ein in diese Richtung gehendes Projekt bereits politisch beschlossen hat. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.

Anpassung des nationalen Rechtsrahmens an internationale Standards und Gege­benheiten

Darüber hinaus sind wir gefordert, den nationalen Rechtsrahmen insbesondere an EU-Standards anzupassen. Die zweite Säule der EU-Strategie Deutschlands zur Fortentwicklung des Steuerrechts ist deshalb die stärkere EU- bzw. internationale Ausrichtung des nationalen Rechts.

Reform des Außensteuerrechts

Die Bundesregierung hat sich in diesem Zusammenhang zum Ziel gesetzt, das Außensteu­ergesetz zu reformieren, das sich zunehmend als zu enges Korsett für den Flexibilität erfordernden Außenhandel erweist.

Wenn gegenwärtig von der Modernisierung des Außensteuerrechts gesprochen wird, ist insbesondere die Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz gemeint. Die Bundesregierung hat immer deutlich gemacht, dass wir an der Hinzurechnungsbesteuerung grundsätzlich festhalten wollen. Wir bleiben jedoch bei unserer Ankündigung, die Hinzu­rechnungsbesteuerung und dabei vor allem den Katalog der Einkünfte, die der Hinzurech­nungsbesteuerung unterliegen, kritisch zu überprüfen und ggf. anzupassen.

Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs

Es gibt weitere Betätigungsfelder: Bekanntermaßen ist die Umsatzsteuer EU-weit die betrugsanfälligste Steuer überhaupt.

Vor diesem Hintergrund ist die Intensivierung der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs ein weiterer Schwerpunkt auf unserer steuerpolitischen Agenda. Bekanntlich wird die Umsatzsteuerhinterziehung häufig in Form so genannter Karussellgeschäfte EU-weit und teilweise sogar im Stile organisierter Kriminalität betrieben. Der finanzielle Schaden für die Haushalte der Mitgliedstaaten ist enorm. Dem gilt es, im europäischen Gleichklang ent­schieden entgegenzuwirken.

Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen den Umsatzsteuerbetrug ist z. B. ein verbesserter Informationsaustausch innerhalb der EU. Es kommen jedoch auch gesetzgeberische Maß­nahmen bis hin zu einem Systemwechsel bei der Umsatzsteuer in Betracht:

Im Interesse einer effektiven Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges muss ein System­wechsel zum Beispiel zur Ist-Versteuerung durch ein weitgehend automatisiertes cross­check-Verfahren abgesichert werden. Einen entsprechenden Vorschlag haben wir kürzlich erarbeitet und in die Diskussion mit der EU-Kommission, den Bundesländern und den Ver­bänden eingeführt.

Brücke zur Steuerehrlichkeit

Zum Stichwort „Steuerehrlichkeit“: Die nachhaltige Verbesserung der Steuermoral und die effektivere Ausschöpfung der Steuerquellen sind Schwerpunkte unserer Steuerpolitik, wobei wir uns nicht auf die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs beschränken. Denn nach wir vor müssen wir leider feststellen, dass Steuerhinterziehung verbreitet als Kava­liersdelikt betrachtet wird und sich nicht wenige geradezu einen Sport daraus machen, das Finanzamt zu hintergehen.

Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass Steuerhinterziehung ein Delikt ist, das nur vordergründig den Fiskus trifft; denn geschädigt werden letztlich die, die redlich ihre Steu­ern zahlen. Trotzdem muss man realistisch sein: Hartnäckige Steuersünder wird man mit derlei Argumenten kaum davon überzeugen, von ihrem kriminellen Tun zu lassen.

Die EU-Zinsrichtlinie, die nach langen Verhandlungen beschlossen wurde, wird Steuerflucht in Europa zwar auf mittlere Sicht erheblich riskanter machen. Aber alle Probleme werden dadurch nicht gelöst. Um Steuerfluchtkapital im weitesten Sinne wieder der Besteuerung zugänglich zu machen, bedarf es daher spezieller Anreize, zumal die Hoheitsrechte des na­tionalen Gesetzgebers und des Fiskus an den Grenzen enden.

Mit dem am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretenen Gesetz zur Förderung der Steuer­ehrlichkeit haben wir ein attraktives Angebot unterbreitet, das denjenigen eine goldene Brü­cke in die Steuerredlichkeit baut, die sich bislang den Steuerbehörden nicht offenbart ha­ben.

Der Rückfluss des Steuerfluchtkapitals ist bisher eher spärlich. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Bilanz aufgrund der zeitlich und tariflich gestuften Regelung zum Ende des Jahres sehr viel positiver aussehen wird.

Es gilt aber sicherlich auch, die in diesem Zusammenhang zu leistende Überzeugungs­arbeit noch zu intensivieren. Und hier, meine sehr geehrten Damen und Herren, kommt Ihrer Zunft sicherlich eine nicht zu unterschätzende Schlüsselrolle zu. Ich möchte daher an Sie alle appellieren, das Ihre zum Gelingen des Unternehmens „Steueramnestie“ beizutra­gen. Die Gelegenheit – dafür stehe ich – wird nicht wiederkehren.

Besteuerung der Kapitaleinkünfte

Wie Sie sicherlich wissen, war ursprünglich geplant, im Zuge der Brücke zur Steuerehrlich­keit auch eine Reform der Besteuerung von Kapitaleinkünften anzugehen. Nach eingehen­der Prüfung verschiedener Alternativen sind wir zu dem Schluss gekommen, jedenfalls eine isolierte Zinsabgeltungssteuer nicht mehr in Betracht zu ziehen. Die damit erreichbaren, sehr begrenzten Anreizwirkungen für die Deklaration von Steuerfluchtkapital müssten durch viel gewichtigere gesamtwirtschaftliche Nachteile erkauft werden.

Dies in aller Klarheit erkannt zu haben, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst Ihres wissen­schaftlichen Instituts, des DWS, das frühzeitig in einem Gutachten und im Gespräch mit den Fachleuten meines Hauses auf die Probleme einer isolierten Zinsabgeltungssteuer hin­gewiesen hat.

Anspruchsvollere Lösungen, die ein breiteres Spektrum von Kapitalerträgen und letztlich auch die Besteuerung von Unternehmen einbeziehen, implizieren andererseits aber erheb­liche politische und fiskalische Risiken.

Einen denkbaren Weg hat das Gutachten des Sachverständigenrats gewiesen, in dem uns die Einführung einer dualen Einkommensteuer nach dem Vorbild der nordischen Staaten nahe gelegt wird. Die im Anschluss daran geführte Diskussion hat aber auch deutlich gemacht, welches Wagnis wir damit eingehen würden. Vorbehalte gibt es nicht nur in der Koalition. Denn wie es für mich aussieht, ist auch die Union von ihrer ursprünglichen Präfe­renz für die Abgeltungssteuer abgerückt. Allerdings bietet die Union zu diesem Thema, wie bei so vielen Themen, kein klares Bild. Denn der Wirtschaftsrat votiert jetzt wieder pro Abgeltung.

Kakophonie können wir uns aber nicht leisten. Die Besteuerung von Kapitaleinkommen ist ein hochsensibles Thema, mit großen Auswirkungen auf die Finanzmärkte und den Stand­ort Deutschland. Wir müssen alles verhindern, was nur dazu beiträgt, Investoren, Unter­nehmen und private Haushalte zu verunsichern.

Attentismus wäre die wahrscheinliche Folge und das Gegenteil dessen, was unsere Volks­wirtschaft jetzt braucht. Aus diesem Grund halte ich es für zwingend, erst dann in eine kon­krete Reformdiskussion einzutreten, wenn wir grundlegenden Konsens über die Reform­notwendigkeit und die Eckwerte eines derartigen Vorhabens erzielt haben, so dass die erforderlichen parlamentarischen Mehrheiten hinreichend gesichert erscheinen.

Die Bundesregierung wird das Thema deshalb erst aufgreifen, sobald sich ein Grundkon­sens in der Sache abzeichnet.

Grundlegende Steuerreform

Meine Damen und Herren, die Diskussion um eine grundlegende Reform des Steuerrechts wird vor allem unter dem Gesichtspunkt der Steuervereinfachung geführt.

Das kann man verstehen. Kritik am komplizierten Steuersystem war schon immer populär und auch nie ganz unberechtigt.

Allerdings wird dabei die wichtige Tatsache unterschlagen, dass das geltende Recht für einfache Lebenssachverhalte, also die Masse der Steuererklärungen, durchaus klare Orientierungen bietet.

In der steuerpolitischen Reformdebatte wäre außerdem schon viel gewonnen, wenn den Bürgerinnen und Bürgern zwei Dinge ehrlich gesagt würden:

Erstens: Das Steuerrecht ist im Wesentlichen deshalb kompliziert, weil teilweise komplexe Lebenssachverhalte zu berücksichtigen sind. Das macht auch Vereinfachungen grundsätz­lich schwierig.

Zweitens: Eine Reform des Steuerrechts darf nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Ver­einfachung geführt werden, denn „einfach“ bedeutet noch lange nicht „gerecht“ bzw. „gesellschaftlich wünschenswert“.

Deshalb ist auch die Finanzministerkonferenz, die die wichtigsten Steuerreformkonzepte einer gründlichen Bewertung unterzogen hat, zu einem eher ernüchternden Ergebnis gekommen: Es gibt kein Patentrezept für eine grundlegende Vereinfachung des Steuer­rechts.

Denn keines der derzeit diskutierten Modelle erfüllt die an eine „echte“ Steuerreform anzu­legenden Kriterien überzeugend. Nicht zuletzt wegen der teilweise enormen Minderein­nahmen, die unter dem Strich herauskommen. Steuermindereinnahmen in zweistelliger Mil­liardenhöhe sind angesichts eines gesamtstaatlichen Defizits von über 80 Mrd. € im ver­gangenen Jahr und der uneinheitlichen, tendenziell jedoch eher ungünstigen Entwicklung der Steuereinnahmen in diesem Jahr schlichtweg nicht verkraftbar.

Alle Reformkonzepte haben daneben hochgradig problematische Verteilungswirkungen. Von den Entlastungen würden Spitzenverdiener weit überproportional profitieren, finanzie­ren müssten dies aber zum guten Teil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Für so eine Art Reform stehe ich nicht zur Verfügung!

Ich sage demgegenüber ganz klar: Ich bin für Steuervereinfachung,  ich bin für mehr Transparenz im Steuerrecht.

Für mich gibt es aber klare Vorgaben: Erstens: Die Steuersenkung muss für den Staat finanzierbar sein.  Zweitens: Die Steuerentlastung muss sozial gerecht sein.  Drittens: Eine Steuerreform muss ein Mehr an Europatauglichkeit und eine bessere Positi­on im internationalen Steuerwettbewerb bringen.

Erfolgreiche Steuerpolitik der Bundesregierung

Meine Damen und Herren, wir fangen in der Reformdiskussion aber nicht bei Null an. In der Steuerpolitik hat sich seit 1999 bereits eine Menge zum Positiven entwickelt.

Ich habe vorhin auf die erheblichen Entlastungen bei der Einkommensteuer und die Ver­besserungen im Unternehmenssteuerbereich hingewiesen. Hier sind wir inzwischen viel besser aufgestellt als zu Beginn der vergangenen Legislaturperiode.

Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen

Vereinfachungen haben wir auch durch den konsequenten Abbau von steuerlichen Aus­nahmeregelungen und Steuersubventionen erreicht.

Die Finanzhilfen, die der Bund weitgehend eigenständig beeinflussen kann, haben wir von 11,4 Mrd. Euro im Jahr 1998 konsequent auf 7,7 Mrd. Euro in 2003 abgesenkt. 2004 wer­den sie knapp unter 7 Mrd. Euro liegen. Dies sind dann rund 4,4 Mrd. Euro oder knapp 40 % weniger als zur Regierungsübernahme.

Im Finanzplan bis 2007 ist ein weiterer Abbau von knapp 1,6 Mrd. Euro auf 5,4 Mrd. Euro vorgesehen. Das bedeutet: in zwei Legislaturperioden werden wir die Finanzhilfen mehr als halbiert haben!

Weitere Erfolge in diesem Bereich hängen davon ab, ob die Opposition endlich ihre kurz­sichtige, rein taktisch motivierte Blockadehaltung aufgibt. Erwähnt sei in diesem Zusam­menhang auch noch einmal ausdrücklich die Eigenheimzulage, deren Fortbestand weder in wohnungsbau- noch in haushaltpolitischer Hinsicht gerechtfertigt ist.

Verbesserung des Steuervollzugs und weitere Vereinfachung des Steuerverfahrens

Die Forderung nach Vereinfachung und Modernisierung darf sich aber nicht auf das mate­rielle Recht beschränken. Wir müssen gleichzeitig den Steuervollzug verbessern, um die Steuerquellen effektiver auszuschöpfen. Außerdem gilt es, das Steuerverfahren effizienter und den Zugang zur Steuerverwaltung komfortabler zu gestalten.

Diesem Ziel dient nicht zuletzt die Einführung einer elektronischen Lohnsteuerbescheini­gung. Sie ist für mich ein zentrales Projekt zum Abbau bürokratischer Belastungen. Die bisher papiergebundenen Abläufe können nun weitgehend vollelektronisch abgewickelt werden. Das lästige Aufkleben der Lohnsteuerbescheinigungen entfällt.

In einem zweiten Schritt werden wir die rechtlichen und technischen Voraussetzungen dafür schaffen, die traditionelle Lohnsteuerkarte vollständig entbehrlich zu machen und die notwendige Kommunikation elektronisch abzuwickeln.

Außerdem unterstützt die Bundesregierung nachdrücklich die elektronische Steuerklärung (ELSTER). Dabei streben wir weitere Vereinfachungen an, wir wollen insbesondere die bis­her notwendige Abgabe von Belegen weitgehend überflüssig machen.

Ein weiteres wichtiges Projekt zielt darauf ab, die Normenflut der steuerlichen Verwaltungs­vorschriften einzudämmen. Die enorme Zahl von rund 96.000 Verwaltungsvorschriften resultiert unter anderem aus der Verwaltungspraxis, BMF-Schreiben nochmals durch so genannte Umsetzungserlasse der 16 obersten Landesfinanzbehörden und Umsetzungs­verfügungen der 19 Oberfinanzdirektionen in Geltung zu setzen.

Auf unseren Vorschlag werden nun alle Länder die abgestimmten BMF-Schreiben unmittel­bar als Landesweisung übernehmen. Darüber hinaus werden auf Bundesebene die ca. 5.000 gültigen BMF-Schreiben auf ihre Aktualität geprüft, ggf. aufgehoben oder zu­sammengefasst.

Buchführungserleichterungen

Ich bringe auch ganz konkrete Vorstellungen zu einem Bereich mit, der vor allem für Sie und Ihre Mandantschaft von besonderem Interesse sein dürfte:

Denn ich bin gerne bereit, einen Vorschlag der Bundessteuerberaterkammer aufzugreifen und unter dem Gesichtspunkt der Steuervereinfachung auch das breite Feld der steuerli­chen Buchführungs-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu durchleuchten.

Uns ist durchaus bewusst, dass die Wirtschaft besonders unter der Bürde der 10-jährigen Aufbewahrungspflicht stöhnt. Die Klage über diesen Archivierungsaufwand hat sich noch verstärkt, nachdem die Frist ab 1. Januar 2002 auch für die Sicherstellung der maschinellen Auswertbarkeit der Buchführungsdaten (Stichwort: Datenzugriff!) gilt.

Vor allem die Finanzbehörden der Länder haben sich hier bisher eher zurückhaltend gezeigt. Ich halte die Zeit aber für gekommen, über Erleichterungen bei den Aufbewah­rungsfristen im Kontext mit anderen Maßnahmen des Besteuerungsverfahrens nachzuden­ken.

Eine – gegebenenfalls stufenweise – Verkürzung der 10-jährigen Aufbewahrungsfrist liegt durchaus im Bereich des Möglichen.

Allerdings nicht zum Nulltarif. Ein solchen Schritt könnte ich nur verantworten, wenn auch die Finanzverwaltung im Gegenzug mehr als bisher in die Lage versetzt würde, Betriebs­prüfungen – nicht zuletzt im Interesse der Wirtschaft – zeitnäher und gezielter durchführen zu können.

Das geht nicht ohne Ihre konstruktive Mitwirkung. Als Stichworte nenne ich:

  • Unbürokratischer Datenzugriff,
  • schnellere Erledigung von Auskunfts- und Vorlagepflichten,
  • zeitnähere Abgabe der Steuererklärungen,
  • Standardisierung der Bilanzen sowie der Gewinn- und Verlustrechnungen.

Wir wollen mit den obersten Finanzbehörden der Länder – zunächst – auf Fachebene ein möglichst ausgewogenes „Erleichterungspaket“ erarbeiten und die Steuerberaterschaft über ihre Dachorganisationen zu gegebener Zeit in das Vorhaben einbinden.

Alterseinkünftebesteuerung

Ein weiteres Thema, das auf unserer steuerpolitischen Agenda weit oben steht und uns vermutlich noch geraume Zeit beschäftigen wird, möchte ich wenigstens kurz streifen: Es geht um die Neuordnung der Besteuerung der Alterseinkünfte.

Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden demografischen Wandels bedeutet die Ori­entierung an den zentralen Leitbildern „Nachhaltigkeit“ und „Generationengerechtigkeit“ mehr denn je: Keine Generation darf auf Kosten der nachfolgenden Generationen leben, um nicht die langfristige Stabilität unserer Gesellschaft aufs Spiel zu setzen.

Die Herausforderungen der absehbaren gesellschaftsstrukturellen Veränderungen betreffen insbesondere auch die Altersvorsorge. Mit der Einführung der kapitalgedeckten Altersvor­sorge, die unter dem Stichwort „Riester-Rente“ bekannt geworden ist, haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode einen wichtigen Schritt zu einer nachhaltigen Alterssicherung vollzogen. Jetzt geht es darum, eine zukunftsfähige und transparente Lösung für die Besteuerung von Alterseinkünften zu finden.

Mit dem kürzlich vom Bundestag beschlossenen Alterseinkünftegesetzes kommt die Bun­desregierung einem Auftrag des Bundesverfassungsgerichtes nach, bis 2005 für eine gleichmäßige Besteuerung von Sozialversicherungsrenten, Beamtenpensionen und Erwerbseinkommen zu sorgen. Dies soll in Form einer so genannten nachgelagerten Besteuerung erfolgen, bei der in einem zeitlich gestuften Verfahren die Altersvorsorge zunehmend steuerfrei gestellt und im Gegenzug langfristig auf eine volle Besteuerung der Renten umgestellt wird. Die Steuerlast der erwerbstätigen Generation wird demnach suk­zessive sinken.

Zum System einer nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften gibt es keine vernünf­tige Alternative. Das hat auch die Opposition erkannt: Denn sowohl im CDU/CSU als auch im FDP-Steuerkonzept ist die nachgelagerte Besteuerung vorgesehen. Dennoch scheint es der Opposition aus Prinzip nicht möglich zu sein, mit der Bundesregierung an einem Strang zu ziehen. Das Hickhack um die Frage, ob das Alterseinkünftegesetz ohne Vermittlungsver­fahren – und d. h. zügig – den Bundesrat passieren kann, spricht Bände über die Verfas­sung der Opposition insgesamt und ihre Bereitschaft, angesichts des verfassungsgerichtli­chen Auftrags verantwortungsvolle und konstruktive Politik zu betreiben.

Ich möchte uns allen nur wünschen, dass uns ein ähnlich dramatisches Procedere wie Ende letzten Jahres im Vermittlungsverfahren erspart bleibt. Denn zu Recht beklagen Sie die Gesetzgebungshektik der Vergangenheit. Steuerbürger, Unternehmen, Finanzverwal­tung und eben auch die Berater sind die Leidtragenden. Das wissen wir und appellieren deshalb an die Länder, sich auch im eigenen Interesse im Bundesrat konstruktiv zu verhal­ten.

Änderung des Berufsrechts der Steuerberater

Last but not least möchte ich ein Projekt erwähnen, das für Sie von besonderem Interesse sein dürfte: Wir wollen das Berufsrecht der Steuerberater durch eine Harmonisierung mit dem Berufsrecht der Rechtsanwälte liberalisieren. Es ist unter anderem geplant, die Mög­lichkeit des Syndikus-Steuerberaters zu schaffen, wie dies bei den Rechtsanwälten schon lange möglich ist. Dies wurde und wird von der Wirtschaft vehement gefordert.

Die Gesetzesänderungen sollen im engen Dialog mit Vertretern Ihres Berufsstandes erfol­gen. Anregungen Ihrerseits stehen wir offen gegenüber. Auf Fachebene sind im Übrigen bereits Gespräche mit der Bundessteuerberaterkammer aufgenommen worden.

Ein gesetzlicher Rahmen für die geplante Novelle könnte das auf Fachebene in meinemHause bereits geplante Steueränderungsgesetz 2004 sein, das im Übrigen vielfältigen, allerdings eher technischen steuerrechtlichen Anpassungsbedarf aufnehmen und noch in diesem Jahr das parlamentarische Verfahren durchlaufen soll.

Fazit

Meine Damen und Herren! Von Immanuel Kant, an dessen 200. Todestag wir uns in diesem Jahr erinnern, stammt der Satz: „Das einzig Beständige ist die Veränderung.“ Das scheint auch für das Steuerrecht zu gelten.

Damit ist treffend aber auch beschrieben, woran wir uns insgesamt im politischen, wirt­schaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenleben gewöhnen müssen.

Die Antwort auf diesen Veränderungsdruck kann nur sein, vorausschauende Reformpolitik zu betreiben und die langfristigen Auswirkungen von politischen Entscheidungen – auch für kommende Generationen – mit ins Kalkül zu ziehen.

Mit dem umfassenden Modernisierungskonzept „Agenda 2010“ der Bundesregierung ist ein wichtiger Anfang gemacht. Jetzt kommt es darauf an, auch die Ausdauer zu haben, die Reformen kontinuierlich fortzusetzen. Das ist die zentrale Herausforderung in diesem Jahr gerade vor dem Hintergrund der noch ausstehenden zahlreichen Wahlen auf Europa-, Lan­des- und Kommunalebene.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin