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Zinsen aus Vermächtnis sind beim Erben Einnahmen aus Kapitalvermögen

Zinsen aus Vermächtnis sind beim Erben Einnahmen aus Kapitalvermögen

Kernproblem
Ansprüche aus einem Vermächtnis des Erblassers unterliegen der Erbschaftsteuer, wenn die persönlichen Freibeträge überschritten sind. Dass sich hieraus auch ertragsteuerliche Folgen für den Vermächtnisnehmer ergeben können, wenn der Erblasser im Testament die spätere Auszahlung unter Berücksichtigung einer Verzinsung anordnet, zeigt folgender Streitfall des Finanzgerichts Düsseldorf.

Sachverhalt
Die Eltern hatten testamentarisch einen Geldbetrag als Vermächtnis zugunsten ihres Sohnes beim Tode des erstversterbenden Elternteils in Höhe des dann geltenden erbschaftsteuerlichen Freibetrages bestimmt. Der Anspruch sollte jedoch erst 5 Jahre nach dem Tod des Erstversterbenden fällig und bis dahin mit 5 % p. a. verzinst werden. Die Forderung war nach dem Tod des Vaters im Jahr 2001 in Höhe von 205.000 EUR entstanden. Als die Mutter fast 6 Jahre später im Jahr 2007 zugunsten des Sohnes auf wesentlich höher bewertete Nießbrauchsrechte verzichtete, erklärte der Sohn im Gegenzug u. a. den Verzicht auf seinen Anspruch. In der Einkommensteuererklärung 2007 deklarierte der Sohn zunächst Zinseinnahmen auf das Vermächtnis von 61.640 EUR; hierin waren zeitanteilig 51.250 EUR für die testamentarisch bestimmten 5 Jahre enthalten. Nach einem Rechtsstreit kam man überein, dass die Zinsen zumindest nicht im Jahr 2007 zu berücksichtigen waren. Dafür setzte das Finanzamt den Zinsbetrag von 51.250 EUR im Steuerbescheid 2006 an. Hiergegen klagte der Sohn mit der Begründung, dass die Zinsen Teil der Zuwendung von Todes wegen seien und nicht der Einkommensteuer unterlägen.

Entscheidung
Nach dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf unterliegen die Zinsen von 51.250 EUR im Jahr 2006 der Einkommensteuer. Die Richter führten aus, dass das Vermächtnis eine sonstige Kapitalforderung darstelle und mit dem Erbfall entstanden sei. Die testamentarisch verfügte spätere Fälligkeit bewirke nicht, dass das Vermächtnis unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet worden sei. Die Verzinsung belege vielmehr, dass das Kapital zwar zunächst der Erbin belassen werden sollte, aber eine Zuordnung zum Vermächtnisnehmer getroffen war. Die Zinsen seien auch zugeflossen, denn der Sohn habe sich zur verzinslichen Überlassung des Kapitals entschieden, indem er den Vermächtnisbetrag nebst Zinsen nicht einforderte, obwohl er den Leistungserfolg hätte herbeiführen können. Damit habe er über den Gesamtbetrag zum Zeitpunkt der Fälligkeit verfügt.

Konsequenz
Das Urteil ist nicht bestandskräftig. Bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Revisionsverfahren sollte über die Vorteilhaftigkeit vergleichbarer Regelungen nachgedacht werden. Das gilt erst recht, wenn die aufgewendeten Zinsen steuerlich nicht nutzbar sind.

Recherchemöglichkeiten bei Einkünften aus Kapitalvermögen und privaten (Wertpapier-) Veräußerungsgeschäften

Zur steuerlichen Beurteilung von Kapitalanlagen ist es häufig erforderlich, Emissionsbedin‐
gungen oder weitere Daten des Emittenten der Kapitalanlage zu kennen (z. B. für die Beurtei‐
lung, ob es sich um eine Finanzinnovation handelt). Insbesondere wenn es sich bereits um
ältere Daten handelt, sind diese i. d. R. nicht im Internet recherchierbar.
Mittlerweile wurde der Oberfinanzdirektion eine kostenpflichtige Testlizenz für den Zugriff auf
Wertpapiergattungsdaten (Wertpapierstammdaten und Wertpapiertermindaten) zur Verfü‐
gung gestellt. Hierdurch können die für die Besteuerung notwendigen Wertpapierdaten abge‐
rufen werden.
Entsprechende Anfragen können zusammen mit den vorliegenden Unterlagen für das jeweilige
Wertpapier per E-Mail (mailto:christian.anemueller@fv.nrw.de oder mailto:Meike.Manne‐
feld@fv.nrw.de) oder Fax (0800/1009267-5603) an die Oberfinanzdirektion gerichtet werden.
Da jede Abfrage Kosten verursacht, wird darum gebeten, folgende kostenlose Recherche‐
möglichkeiten vorrangig zu nutzen:
124 VerwaltungsanweisungenFinanzinnovationen
Ob ein Zertifikat eine Finanzinnovation darstellt ist anhand der § 20 Abs. 1 Nr. 7 und § 20 Abs.
2 Satz 1 Nr. 4 EStG zu überprüfen. Maßgebend ist u. a., ob ein Ertrag oder eine (teilweise)
Kapitalrückzahlung garantiert wird.
Aufgrund der Rechtsprechung des BFH kommt die Anwendung der Marktrendite bei der Ver‐
äußerung oder Abtretung von Finanzinnovationen nur in Betracht, wenn eine Emissionsrendite
nicht vorliegt oder von den Stpfl. nicht nachgewiesen werden kann und eine Trennung von
Ertrags- und Vermögensebene nicht ohne Schwierigkeiten möglich ist.
Die entsprechenden Daten können z. T. unter www.finanzen.net eingesehen werden.
Erträge aus Anteilen an Investmentvermögen
VZ ab 2004
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvStG müssen die Besteuerungsgrundlagen des Investmentvermögens
im elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht werden.
Die veröffentlichten Besteuerungsgrundlagen können kostenfrei über das Intranet (www.ebun‐
desanzeiger.de) abgerufen werden.
Die Daten werden hierbei i. d. R. über die Suchfunktion mit Hilfe der ISIN oder der Bezeichnung
des Investmentvermögens ermittelt.
Hinweis: Nach den derzeitigen Praxiserfahrungen führt die Suche nicht zum Ergebnis, wenn
z. B. die ISIN mit Leerzeichen veröffentlicht wird. Weiterhin veröffentlichen einige Investment‐
vermögen die Besteuerungsgrundlagen ausschließlich unter dem Namen.
Werden die Besteuerungsgrundlagen tatsächlich nicht im elektronischen Bundesanzeiger ver‐
öffentlicht, sind die Erträge nach § 6 InvStG anzusetzen (Pauschalbesteuerung; vgl. auch
Rdnrn. 122-131 des BMF-Schreibens vom 18. 8. 2009, BStBl I 2009, 931).
VZ bis 2003
Die Erträge von inländischen Investmentvermögen nach dem KAGG wurden bis VZ 2000 re‐
gelmäßig im BStBl I veröffentlicht, für die übrigen Jahre sind die ungeprüften Besteuerungs‐
grundlagen im Intranet (Steuer/Einkommensteuer/Inhalt) einsehbar.
Die Besteuerung der Erträge aus Anteilen an ausländischen Investmentvermögen nach dem
AuslInvestmG ist davon abhängig, inwieweit die Anteile im Inland öffentlich vertrieben werden
durften bzw. die Fonds im Inland registriert waren und die Besteuerungsgrundlagen nachge‐
wiesen wurden (§§ 17, 18 AuslInvestmG).
Die Ermittlung und Nachprüfung der Erträge aus Anteilen an ausländischen Investmentver‐
mögen obliegt nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FVG dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt,
www.bzst.de).
Erträge bis zum Jahr 1999 wurden (tlw. ungeprüft) im BStBl veröffentlicht.
Die Höhe der Erträge kann wie folgt ermittelt werden:
• Die Erträge Luxemburger und sonstiger ausländischer Investmentfonds deutscher Proveni‐
enz sind im Intranet abrufbar (Steuer / Zulagen und Nebengesetze / Investmentsteuer‐
recht).
• Bei anderen ausländischen Investmentfonds können die anzusetzenden Besteuerungs‐
grundlagen regelmäßig bei der Investmentgesellschaft angefordert werden.
Wertpapierdienstleister / Onlinebanken
Viele Institute veröffentlichen Kurse (auch für vergangene Jahre) und einen Teil der maßgeb‐
enden Wertpapierstammdaten.
Beispiele: www.onvista.de, www.comdirect.de, www.s-investor.de.
Verwaltungsanweisungen 125Historische Wertpapierkurse
Historische Wertpapierkurse können bei www.onvista.de nach Aufruf des aktuellen Charts des
jeweiligen Wertpapiers unter dem Punkt „weitere Chartfunktionen“ – „Kurshistorie – Einzel‐
kursabfrage“ in Erfahrung gebracht werden.
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4; InvstG § 5 Abs. 1 Nr. 3; AuslInvestmG §§ 17, 18.

OFD Münster, Kurzinformation Einkommensteuer Nr. 008/2007 vom 31. 1. 2013.

Werbungskostenabzug in Ausnahmefällen bei Einkünften aus Kapitalvermögen mögl.

Werbungskostenabzug in Ausnahmefällen bei Einkünften aus Kapitalvermögen mögl.

Kernaussage
Liegt der tarifliche Einkommensteuersatz unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags unter dem Abgeltungssteuersatz von 25 %, kann im Wege der Günstigerprüfung neben der Versteuerung der Einkünfte mit dem entsprechend niedrigeren Steuersatz auch der Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten erfolgen.

Sachverhalt
Die inzwischen verstorbene Klägerin war aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, ihr umfangreiches Kapitalvermögen selbst zu verwalten. Aus diesem Grund hatte sie einen Treuhänder mit der Verwaltung ihres Vermögens beauftragt. Für diesen Treuhänder fielen Kosten an, die dem Grunde nach Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen darstellen. Der tarifliche Einkommensteuersatz der Klägerin lag unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 801 EUR unterhalb von 25 %. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung machte die Klägerin die Günstigerprüfung geltend und beantragte den Werbungkostenabzug in Höhe der tatsächlich angefallenen Kosten. Das Finanzamt folgte dem nicht und berücksichtigte lediglich den Sparer-Pauschbetrag in Höhe von 801 EUR. Die Klägerin bzw. ihr Rechtsnachfolger begehrten im Rahmen der Klage vor dem Finanzgericht (FG) die Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen Werbungskosten im Rahmen der Günstigerprüfung.

Entscheidung
Das FG hält die Klage für begründet. Im Rahmen der Günstigerprüfung seien die Kapitaleinkünfte unter Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten zu ermitteln, so das Gericht. Dies gebiete die verfassungskonforme Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (§ 32d Abs. 6 Satz 1 EStG). Der Gesetzgeber habe an verschiedenen Stellen der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass er den Abzug von Werbungskosten dann in vollem Umfang zulassen will, wenn die Kapitaleinkünfte der tariflichen Einkommensteuer unterliegen (Darlehen zwischen Angehörigen und Subsidiarität). Ferner solle die Günstigerprüfung ermöglichen, Einkünfte aus Kapitalvermögen den allgemeinen Besteuerungsregelungen zu unterwerfen. Diese Regelungen sehen vor, dass bei der Ermittlung der Einkünfte sämtliche Werbungskosten von den Einnahmen abgezogen werden.

Konsequenz
Leider hat das FG nicht ausdrücklich zu der Frage Stellung genommen, ob der Ausschluss des Werbungskostenabzugs auch in Fällen verfassungswidrig ist, in denen der tarifliche Steuersatz des Steuerpflichtigen über 25 % liegt. Steuerpflichtige, deren Steuersatz nach Abzug der tatsächlichen Werbungskosten unterhalb von 25 % liegt, sollten die tatsächlichen Werbungskosten im Rahmen der Einkommensteuer ansetzen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen.

Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Zur Frage der Berücksichtigung von Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Jahr 2009

 

Finanzgericht Düsseldorf, 2 K 3893/11 E

Datum: 14.11.2012
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 2. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 2 K 3893/11 E
Tenor: Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 09.03.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.10.2011 wird dahin geändert, dass Werbungskosten in Höhe von 1.248,00 € bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

Die Berechnung der festzusetzenden Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

T a t b e s t a n dDie Beteiligten streiten darüber, ob für das Streitjahr 2009 Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind, wenn die GmbH-Beteiligung vor dem Veranlagungszeitraum 2009 veräußert wurde.

Die Kläger wurden für das Streitjahr als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hielt ab dem Jahr 1999 einen Anteil von 15.000,00 DM (15 v. H.) am Stammkapital von insgesamt 100.000,00 DM der im Jahr 1993 gegründeten Firma A GmbH (im Folgenden: GmbH). Mit Vertrag vom 26.09.2001 veräußerten er und der Mitgesellschafter ihre Geschäftsanteile zu einem Kaufpreis von je 1,00 DM, wobei ein Eigenkapital der Gesellschaft von 466.000,00 DM garantiert wurde. Hieraus ergab sich ein an den Erwerber zu leistender Ausgleichsbetrag in Höhe von ca. 2,3 Millionen DM, wovon ein Betrag in Höhe von ca. 346.000,00 DM (15 v. H.) auf den Kläger entfiel. Um seiner Ausgleichsverpflichtung nachzukommen, verzichtete der Kläger u. a. auf die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens aus dem Jahr 1999 im Nennwert von 200.000,00 DM, welches er bei einer Bank refinanziert hatte. Außerdem leistete er eine Sonderzahlung, welche durch ein weiteres Bankdarlehen über 45.000,00 € finanziert wurde. In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2005 und 2006 machten die Kläger die Zinsbeträge für diese Darlehen als nachträgliche Erwerbsaufwendungen des Klägers geltend. Der Beklagte erkannte dies nicht an; das Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. In der mündlichen Verhandlung des sich hieran anschließenden Klageverfahrens 2 K 4898/07 E am 05.11.2008 verständigten sich die Beteiligten dahin, dass die auf das Darlehen in Höhe von 45.000,00 € entfallenden Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu berücksichtigen waren. Hinsichtlich der Zinsen aus dem der Gesellschaft gewährten Darlehen erklärte sich der Vertreter des Beklagten bereit, beide Einkommensteuerbescheide im Hinblick auf das Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof mit dem Aktenzeichen VIII R 36/07 für vorläufig zu erklären. Der Rechtsstreit wurde daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt.

In der Folgezeit, nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs in dem o. g. Verfahren, erkannte der Beklagte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen 2005 bis einschließlich 2008 auch die auf die Finanzierung des Gesellschafterdarlehens entfallenden Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an.

In der Einkommensteuererklärung für 2009 machten die Kläger weiterhin die dem Kläger entstandenen Schuldzinsen anteilig als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit und – in Höhe von 1.248,00 € – bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte erkannte für 2009 aber keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mehr an.

Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 09.03.2011 legten die Kläger Einspruch ein. Sie waren der Auffassung, die angefallenen Schuldzinsen seien in vollem Umfang steuermindernd zu berücksichtigen. Die Abzugsfähigkeit nachträglicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen sei erst durch eine gravierende Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) möglich geworden. Diese Rechtsprechungsänderung habe nicht im Gesetzesvorhaben bezüglich der Einführung der Kapitalertragsteuer mit Abgeltungswirkung berücksichtigt werden können, da das Gesetz bereits vor Bekanntgabe dieses Urteils verkündet worden sei. Daher könnten die Zinskosten nicht in den Wirkungskreis der Abgeltungsteuer einbezogen werden. Da im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt worden sei, dass für Kosten aus bestimmten Beteiligungen auf Antrag die Wirkung des Abgeltungsverfahrens ausgeschlossen werden könne, andererseits sowohl in sämtlichen Jahren vor der Einführung des Abgeltungsprinzips als auch im ersten Jahr nach Einführung ein Antrag auf Ansatz dieser Kosten gestellt worden sei, seien sämtliche Voraussetzungen für die Anerkennung der Zinsaufwendungen erfüllt.

Der Einkommensteuerbescheid für 2009 wurde mit Bescheid vom 16.05.2011 aus anderen Gründen zugunsten der Kläger geändert.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.10.2011 rechnete der Beklage antragsgemäß zwischenzeitlich nachgewiesene, einbehaltene Kapitalertragsteuer in Höhe von 137,00 € an. Im Übrigen wies er sinngemäß den Einspruch als unbegründet zurück. Er war der Auffassung, dass für 2009 Schuldzinsen nicht mehr als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden könnten. Ab dem Veranlagungszeitraum 2009 gelte nämlich die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge. Gemäß § 20 Abs. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei ein Abzug tatsächlicher Werbungskosten ausgeschlossen. Lediglich der Sparer-Pauschbetrag – hier in Höhe von 1.602,00 € – könne gewährt werden. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, wonach das Prinzip der Abgeltungsteuer für Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG auf Antrag durchbrochen werden könne, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt werde, zu mindestens 1 v. H. an der Kapitalgesellschaft beteiligt sei, sei hier nicht anzuwenden. Der Kläger habe bereits im Jahre 2001 seine Geschäftsanteile an der GmbH veräußert. Im Veranlagungszeitraum 2009, für den der Antrag erstmals gestellt werden könne, sei er nicht mehr an der GmbH beteiligt gewesen.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit welcher die Kläger geltend machen, die Ausnahmevorschrift des § 32 d Abs. 2 Nr. 3 EStG greife zu ihren Gunsten ein. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift habe der Steuerpflichtige nur alle fünf Jahre zu belegen, dass er seinerzeit, und zwar bei der erstmaligen Antragstellung, die Antragsvoraussetzungen erfüllt habe. Nach Ablauf der fünf Jahre habe er keinen neuen Antrag zu stellen, sondern er werde nur bis dahin vom jährlichen Nachweis eines erstmals gestellten Antrags befreit. Hieraus ergebe sich, dass der Kläger unbefristet Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machen könnte, wenn er die Beteiligung im Jahr 2009 gehalten und veräußert hätte, da das Halten einer Beteiligung in den Folgejahren grundsätzlich nicht vom Gesetz verlangt werde (nur für das Jahr der erstmaligen Antragstellung). Dem Kläger werde jedoch der Werbungskostenabzug verwehrt, weil es aufgrund der damaligen Gesetzeslage nicht möglich gewesen sei, bereits im Jahr 2001 einen entsprechenden Antrag zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt sei vom Abgeltungsverfahren noch keine Rede gewesen.

10Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass erst mit BFH-Urteil vom 16.03.2010 VIII R 36/07 Schuldzinsen, die auf wesentliche Beteiligungen im Sinne von § 17 EStG entfielen, auch nach Veräußerung oder Auflösung der Gesellschaft als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden könnten. Diese erhebliche Änderung der Rechtsprechung habe der Gesetzgeber naturgemäß bei der Abfassung eines Gesetzes, das ab dem Veranlagungszeitraum 2009 geltend solle, nicht berücksichtigen können. Insbesondere habe er diesen Sachverhalt nicht im Rahmen der umfangreichen Anpassungen zur erstmaligen Anwendung der neuen Gesetzeslage auf den Schnittpunkt 31.12.2008/01.01.2009 beachten können, wie er es z. B. bei Fondsanteilen, Stückzinsen, bestehenden Verlustvorträgen getan habe. Der Steuerpflichtige habe jedenfalls für die Jahre bis 2008 und auch für das Jahr 2009 als dem erstmaligen Jahr der Abgeltungsteuer stets und folgerichtig die Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erklärt und damit einen vollen Abzug beantragt. Die Veräußerung der Anteile des Klägers habe im Jahr 2001 bei diesem zu steuerpflichtigen Verlusten in vollem Umfang geführt. Eine Veräußerung der Anteile im Jahr 2009 hätte (evtl. mit Ausnahme des Teileinkünfteverfahrens) hier zum gleichen steuerlichen Ergebnis geführt.

11Der Kläger werde bei gleichem Sachverhalt unterschiedlich behandelt, wenn die Veräußerung der Anteile im Jahr 2009 statt im Jahr 2001 stattgefunden hätte. Es handele sich insofern um eine echte Gesetzeslücke, die von den zuständigen Gerichten zu füllen sei. Ein Wille des Gesetzgebers, derartige Sachverhalte zukünftig nicht mehr zu berücksichtigen, sei aus dem Gesetz nicht zu ersehen.

12Die Schuldzinsen seien ungekürzt zu berücksichtigen. Der Kläger habe seine Beteiligung bereits im Jahr 2001 vor Geltung des Halb- und Teileinkünfteverfahrens veräußert.

13Die Kläger beantragen,

14den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 09.03.2011, geändert durch Bescheid vom 16.05.2011, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.10.2011 dahin zu ändern, dass die geltend gemachten Schuldzinsen in Höhe von 1.248,00 € als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

15Der Beklagte beantragt,

16              die Klage abzuweisen,

17hilfsweise, die Revision zuzulassen.

18Er ist der Auffassung, ab dem Jahr 2009 sei eine Berücksichtigung der Schuldzinsen als nachträgliche Werbungskosten nur noch unter den Voraussetzungen des § 32d

19Abs. 2 Nr. 3 EStG für fünf Jahre möglich. Dieses Optionsrecht werde nach derzeitiger Rechtslage aber nur demjenigen eingeräumt, der im betreffenden Jahr auch tatsächlich an der Kapitalgesellschaft beteiligt sei. Alle Veräußerungen und Auflösungen vor dem Veranlagungszeitraum 2009 (sog. Altfälle) liefen damit faktisch ins Leere. Diese Vorschrift diene der Verwaltungsvereinfachung in Form eines erleichterten Nachweises der Tatbestandsvoraussetzungen und ersetze nicht das Vorliegen einer Beteiligung.

20Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

22Die Klage ist begründet.

23Der Einkommensteuerbescheid für 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

24Der Beklagte hat zu Unrecht die geltend gemachten Schuldzinsen in Höhe von 1.248,00 € nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt.

251. Seit Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile vom 16.03.2010 VIII R 20/08 (Bundessteuerblatt –BStBl- II 2010, 787) und vom 16.03.2010 VIII R 36/07 (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen -BFH/NV- 2010, 1795) können ab dem Veranlagungszeitraum 1999 Schuldzinsen, die durch die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i. S. des § 17 EStG veranlasst sind, unter den gleichen Voraussetzungen wie nachträgliche Betriebsausgaben als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden, wenn sie auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen. Durch die Beendigung der Einkünfteerzielung aus Kapitalvermögen ist der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang nicht unterbrochen, weil die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen aufgenommenen Schulden ausgelöst sind, die bei Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung nicht abgelöst werden konnten. Hiernach sind die von den Klägern geltend gemachten nachträglichen Schuldzinsen für 2009 als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen anzuerkennen. Dies entspricht – bis zur Einführung des Abgeltungsverfahrens – auch der übereinstimmenden Auffassung und Handhabung der Beteiligten.

262. Die geltend gemachten Schuldzinsen sind ungekürzt, also nicht begrenzt durch das Halb- oder Teileinkünfteverfahren, anzusetzen. Denn der Kläger hat lediglich solche durch seine Beteiligung an der GmbH vermittelten Einnahmen erzielt, für die noch das Anrechnungsverfahren galt. Seine Beteiligung hat er bereits im Jahr 2001 veräußert (vgl. BFH-Urteil vom 06.04.2011 IX R 28/10, BStBl II 2011, 814).

273. Der Abzug dieser tatsächlichen Werbungskosten ist nicht ausgeschlossen. § 20 Abs. 9 Satz 1 2. Halbsatz EStG, der als Teil des Abgeltungsverfahrens einen solchen Ausschluss vorsieht, ist hier für 2009 nicht anzuwenden.

28Dies folgt aus der eindeutig formulierten Anwendungsvorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG. Hiernach ist § 20 Abs. 3 bis 9 in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 19.12.2008 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I; 2794, geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 08.12.2010 BGBl I, 1768), erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Der Gesetzgeber hat für die Anwendung des § 20 Abs. 9 EStG nicht auf das Jahr des Abflusses der Aufwendungen beim Steuerpflichtigen abgestellt. Entscheidend ist, in welchem Jahr die den Aufwendungen zuzuordnenden Kapitaleinnahmen zufließen, ggf. ab wann diese zufließen können (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.12.2011 2 K 1176/11, rkr., Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2012, 1146; Findeis/Karlstedt, Betriebsberater –BB- 2011, 2075 unter V.; Eggers, Neue Wirtschaftsbriefe –NWB- 2011, 646; a. A. Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum EStG, Loseblatt, § 20 Rdnr. K 77; Bundesministerium der Finanzen vom 09.10.2012 IV C 1-S 2252/10/10013, 2011/0948384, BStBl I 2012, 953 Rz. 322, wonach in 2009 abgeflossene Ausgaben auch unter das Abzugsverbot fallen, wenn sie mit Kapitalerträgen der Vorjahre zusammenhängen).

29Hier stehen die geltend gemachten Schuldzinsen nicht im Zusammenhang mit nach dem 31.12.2008 zufließenden Kapitalerträgen. Ein solcher Veranlassungszusammenhang ist hier nicht möglich; er ist aufgrund der Veräußerung der Beteiligung im Jahr 2001 ausgeschlossen.

30Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit der Begründung des Ausschlusses des Abzugs von tatsächlichen Aufwendungen durch § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG. Der Gesetzgeber rechtfertigt dieses Abzugsverbot mit der Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in Höhe von 801 € bzw. 1.602 € in den unteren Einkommensgruppen. In den oberen Einkommensgruppen sollen die Werbungskosten durch den relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 v. H. mit abgegolten sein (Bundestags-Drucksache 16/4841, 57). Hierdurch hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das Abzugsverbot gerechtfertigt ist, wenn Einnahmen zufließen, für welche die Besonderheiten des Abgeltungsverfahrens, nämlich der einheitliche Sparer-Pauschbetrag bzw. die Abgeltungsteuer von 25 v. H., zu beachten sind. Das gilt hier nicht.

31Angesichts dieser Gesetzesbegründung kann auch eine mögliche Gesetzeslücke, welche dadurch entstanden sein könnte, dass der Gesetzgeber bei der Einführung der Abgeltungsteuer die Rechtsprechungsänderung zur Anerkennung von nachträglichen Werbungskosten nicht berücksichtigen konnte, nicht dahin geschlossen werden, dass auf den Zeitpunkt des Abflusses der Aufwendungen beim Steuerpflichtigen abgestellt wird. Einer solchen Auslegung steht zudem der eindeutige Gesetzeswortlaut der besonderen Anwendungsvorschrift für § 20 Abs. 9 EStG entgegen.

324. Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

33Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 135 Abs. 1 FGO.

34Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage wird die Revision zugelassen (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).