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Änderung eines Steuerbescheids: Wann liegt arglistige Täuschung vor?

Änderung eines Steuerbescheids: Wann liegt arglistige Täuschung vor?

Hat der Steuerpflichtige seinen Sachverhalt im Veranlagungsverfahren vollständig offengelegt und im Einspruchsverfahren lediglich eine andere rechtliche Würdigung vorgetragen, kann das Finanzamt den bestandskräftig gewordenen Steuerbescheid nicht mehr ändern. Denn es liegen weder neue Tatsachen noch arglistige Täuschung vor.

Hintergrund

Die Eheleute wurden für 2007 zusammen zur ESt veranlagt. Die Ehefrau (F) war bis 30.6 bei A und ab 1.7. bei B beschäftigt. F erklärte eine Bruttoarbeitslohn von ./. 20.201 EUR und Entschädigungen von 174.034 EUR. Ihre Arbeitgeber übermittelten dem Finanzamt elektronisch für 1.1. bis 30.6. einen Bruttoarbeitslohn von ./. 26.980 EUR und einen ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn von 174.034 EUR (und v. 1.7. bis 31.12. einen Bruttoarbeitslohn von 6.920 EUR).

F reichte einen mit A geschlossenen Aufhebungsvertrag ein. Danach sollte sie wegen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 30.6. eine Abfindung von 174.034 EUR erhalten, von der 50.017 EUR in eine Direktversicherung einbezahlt werden sollten. Außerdem reichte sie eine Bescheinigung der A mit einer Aufstellung der bescheinigten Summe in der Lohnsteuer-Bescheinigung ein. Danach hatte A die Einzahlung in die Direktversicherung bei der Berechnung des eingetragenen Bruttoarbeitslohn statt bei der Abfindung als Abzugsposten berücksichtigt und gelangte so zu einem Bruttoarbeitslohn von ./. 26.980 EUR.

Bei der Einkommensteuer-Festsetzung wies das FA darauf hin, dass der Bruttoarbeitslohn 29.956 EUR betrage. Ein Abzug vom Bruttoarbeitslohn sei ausgeschlossen.

Dagegen legten die Eheleute Einspruch ein. Das Finanzamt half (durch eine andere Sachbearbeiterin) dem Einspruch mit Änderungsbescheid ab; dieser wurde bestandskräftig.

Später stellte das Finanzamt anlässlich bei einer bei A durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung fest, dass die Beiträge zur Direktversicherung nicht mit der Abfindung, sondern mit dem Bruttoarbeitslohn verrechnet worden waren. Daraufhin erließ das Finanzamt einen geänderten Bescheid und berücksichtigte dabei – wie im ursprünglichen Bescheid v. 25.11.2008 – einen Bruttoarbeitslohn von 29.956 EUR und eine Entschädigung von 124.017 EUR.

Das Finanzgericht gab der Klage statt, da der Bescheid weder wegen neuer Tatsachen noch wegen arglistiger Täuschung habe geändert werden dürfen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts, dass die Voraussetzungen für die Änderung des bestandskräftigen Änderungsbescheids nicht vorliegen.

Der Bescheid konnte nicht wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen geändert werden. Denn dem Finanzamt waren bereits beim Erlass des Änderungsbescheids sämtliche für die Besteuerung maßgeblichen Tatsachen bekannt, nämlich der Auflösungsvertrag, die Abfindung, die Einzahlung in eine Direktversicherung sowie dass A in der Lohnsteuer-Bescheinigung die Einzahlung in die Direktversicherung bei der Berechnung des Bruttoarbeitslohns (statt bei der Entschädigung) als Abzugsposten berücksichtigt hatte. Auf die individuelle Kenntnis bzw. Unkenntnis der neu zuständigen Sachbearbeiterin kommt es dabei nicht an. Die abweichende rechtliche Würdigung ist keine neue Tatsache.

Auch eine Änderung wegen arglistiger Täuschung kommt nicht in Betracht. Zwar darf ein Bescheid geändert werden, wenn er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung usw. erwirkt worden ist. Unter arglistiger Täuschung ist die bewusste und vorsätzliche Irreführung zu verstehen, wie jedes vorsätzliche Verschweigen oder Vortäuschen von Tatsachen, durch das die Willensbildung der Behörde unzulässig beeinflusst wird. Das liegt hier nicht vor. Der schlichte Vortrag einer anderen Rechtsauffassung ist nicht arglistig oder in sonstiger Weise unlauter.

Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

Rechtslage

Die Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch ist hoch umstritten. Wäre sie generell unzulässig, dürfte der Bewerber sogar die Unwahrheit sagen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich dazu bislang nicht geäußert, entschied aber in einer jüngeren Entscheidung allgemein, dass ein Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein kann, wenn ein Bewerber eine zulässige Frage im Bewerbungsgespräch falsch beantwortet.

Sachverhalt

Die Klägerin war lange vor Beginn ihrer Tätigkeit für den beklagten Arbeitgeber als Schwerbehinderte anerkannt. Erst als der Arbeitgeber ihr nahelegte, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, informierte die Klägerin ihn über ihre Schwerbehinderung, nachdem sie im Bewerbungsgespräch die Frage nach einer solchen noch verneint hatte. Daraufhin erklärte der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise die Kündigung des Arbeitsvertrages. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und machte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Diskriminierung geltend.

Entscheidung

Die Klägerin obsiegte mit ihrer Feststellungsklage, unterlag verlor aber mit dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch. Zwar könne eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage im Bewerbungsgespräch zur Anfechtung und auch Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen; dies aber nur, wenn sich die Täuschung ursächlich auf den Abschluss des Arbeitsvertrages ausgewirkt habe. Dies war hier unstreitig nicht der Fall, denn der Arbeitgeber hatte zugegeben, die Frage nach der Schwerbehinderung deshalb gestellt zu haben, weil er seine Schwerbehindertenquote habe erhöhen wollen. Damit konnte unterstellt werden, dass die Klägerin auch bei Offenlegung der Schwerbehinderung eingestellt worden wäre. Im Übrigen lägen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch keine ausreichenden Indizien vor.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend. Insbesondere wenn der Arbeitgeber selber vorträgt, er habe bewusst Schwerbehinderte bevorzugen wollen, kann er keine Anfechtung auf das nachträgliche Offenlegen einer Schwerbehinderung stützen. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings leider die Entscheidung nicht dazu genutzt, sich zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch zu äußern.