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Zur Beurkundung der Anfechtung eines Erbvertrages

Zur Beurkundung der Anfechtung eines Erbvertrages

Kernfrage
Erbverträge als „stärkste“ Form der letztwilligen Verfügung sind unter engen Grenzen anfechtbar. Der häufigste Fall ist das Hinzutreten eines neuen Pflichtteilsberechtigten; z. B. im Falle der Wiederverheiratung. Will sich der Erblasser durch Anfechtung von einem früheren Erbvertrag lösen, muss die Anfechtung notariell beurkundet werden. Sie muss außerdem dem Nachlassgericht gegenüber bekannt gegeben werden. Regelmäßig erfolgt dies durch den beurkundenden Notar. Der Bundgerichtshof hatte nunmehr darüber zu befinden, ob auch die Aufforderung an den Notar, die Anfechtung des Erbvertrages gegenüber dem Nachlassgericht bekannt zu machen, notariell beurkundet werden muss.

Sachverhalt
Der Erblasser hatte in einem frühen Erbvertrag letztwillige Verfügungen getroffen. Nach dem Tode seiner ersten Frau heiratete er erneut und errichtete ein privatschriftliches Testament, mit dem er seine zweite Frau zur Alleinerbin einsetzte. Daneben erklärte er in notarieller Beurkundung die Anfechtung des Erbvertrages. Teil der Anfechtung war, dass der Notar auf gesonderte schriftliche Weisung das Nachlassgericht von der Anfechtung unterrichten sollte. Diese Weisung erteilte der Erblasser im Anschluss mit einfachem Schreiben. Nach dem Tode des Erblassers stritten die im Erbvertrag eingesetzten Erben mit der zweiten Ehefrau darum, ob die Anfechtung des Erbvertrages wirksame gewesen sei, weil die Aufforderung zur Unterrichtung des Nachlassgerichts nicht notariell beurkundet worden sei.

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) sah für ein so weites Verständnis der notariellen Beurkundungspflicht keinen Grund. Ausschließlich die Anfechtung des Erbvertrages als solche bedarf der notariellen Beurkundung. Dass die Anfechtung als weitere Voraussetzung auch gegenüber dem Nachlassgericht bekannt gegeben werden müsse, führe nicht dazu, dass sich das Kriterium der Beurkundungspflicht erweitere.

Konsequenz
Die Entscheidung wird so zu verstehen sein, dass sich das Erfordernis der notariellen Beurkundung tatsächlich alleine auf die eigentliche Anfechtung des Erbvertrages beschränkt. Sonstige Willenserklärungen, die im Zusammenhang mit der Anfechtung stehen, werden privatschriftlich abgegeben werden können.

Zur Anfechtung von Lohnzahlung vor der Insolvenz durch Insolvenzverwalter

Zur Anfechtung von Lohnzahlung vor der Insolvenz durch Insolvenzverwalter

Kernaussage

Die Insolvenzordnung erlaubt die Anfechtung von Rechtshandlungen durch den Insolvenzverwalter, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Gläubiger benachteiligen. So ist eine Handlung, die einen Insolvenzgläubiger befriedigt, anfechtbar, wenn sie in den letzten 3 Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war und der Gläubiger dies wusste oder die Umstände der Zahlungsunfähigkeit kannte. Ferner ist eine Handlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil den Vorsatz des Schuldners kannte. Hierzu entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) kürzlich im Rahmen der Anfechtung von Lohnzahlungen.

Sachverhalt

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter der Schuldnerin, der Kläger war bei ihr seit 2003 als Betriebsleiter beschäftigt. Ab 2006 geriet die Schuldnerin mit den Lohnzahlungen in Rückstand; im April fand deshalb eine Betriebsversammlung statt. Die Schuldnerin zahlte dem Kläger im Mai 2007 die Nettovergütung für die Monate Januar bis März nur in Teilbeträgen aus. Im September desselben Jahres wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte erklärte gegenüber den Teilzahlungen die Anfechtung und forderte die Beträge vom Kläger zurück. Mit seiner Klage wollte der Kläger festgestellt wissen, dass er dazu nicht verpflichtet sei, er habe im Zeitpunkt der Lohnzahlung nichts von der möglichen Zahlungsunfähigkeit gewusst. Der Beklagte meint, schon aufgrund der Betriebsversammlung habe der Kläger die Umstände der Zahlungsunfähigkeit gekannt. Die Klage war in allen Instanzen erfolgreich.

Entscheidung

Soweit die Lohnzahlungen der Schuldnerin im Mai 2007 der Vergütung der vom Kläger in den vorausgehenden 3 Monaten erbrachten Arbeitsleistungen dienten, unterlagen sie als Bargeschäft nicht der Anfechtung, weil noch der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang mit der Gegenleistung bestand. Im Übrigen waren keine Tatsachen vorgetragen worden, aus denen sich eine positive Kenntnis des Klägers von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin ergeben hätte. Auch von den Umständen, die auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen, hatte der Kläger keine Kenntnis; es reichte in soweit nicht aus, dass er vom Zahlungsrückstand gegenüber anderen Arbeitnehmern wusste. Er hatte ferner keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung der Schuldnerin und nahm dort selbst auch keine Leitungsaufgaben wahr.

Konsequenz

Lohnzahlungen, die wenige Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eines Unternehmens geleistet werden, sind in der Regel nicht anfechtbar. Aber auch wenn unter den Arbeitnehmern bekannt ist, dass die Firma mehrere Monate mit Lohnzahlungen im Rückstand ist, kann daraus nicht unbedingt auf die für eine Anfechtung der Lohnzahlungen notwendige Kenntnis der Arbeitnehmer von der Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens geschlossen werden.

Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

Täuschung bei Bewerbung berechtigt Arbeitgeber nicht immer zur Anfechtung des Arbeitsvertrags

Rechtslage

Die Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch ist hoch umstritten. Wäre sie generell unzulässig, dürfte der Bewerber sogar die Unwahrheit sagen. Das Bundesarbeitsgericht hat sich dazu bislang nicht geäußert, entschied aber in einer jüngeren Entscheidung allgemein, dass ein Arbeitgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein kann, wenn ein Bewerber eine zulässige Frage im Bewerbungsgespräch falsch beantwortet.

Sachverhalt

Die Klägerin war lange vor Beginn ihrer Tätigkeit für den beklagten Arbeitgeber als Schwerbehinderte anerkannt. Erst als der Arbeitgeber ihr nahelegte, gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, informierte die Klägerin ihn über ihre Schwerbehinderung, nachdem sie im Bewerbungsgespräch die Frage nach einer solchen noch verneint hatte. Daraufhin erklärte der Arbeitgeber die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise die Kündigung des Arbeitsvertrages. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses und machte eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wegen Diskriminierung geltend.

Entscheidung

Die Klägerin obsiegte mit ihrer Feststellungsklage, unterlag verlor aber mit dem geltend gemachten Entschädigungsanspruch. Zwar könne eine falsche Antwort auf eine zulässigerweise gestellte Frage im Bewerbungsgespräch zur Anfechtung und auch Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen; dies aber nur, wenn sich die Täuschung ursächlich auf den Abschluss des Arbeitsvertrages ausgewirkt habe. Dies war hier unstreitig nicht der Fall, denn der Arbeitgeber hatte zugegeben, die Frage nach der Schwerbehinderung deshalb gestellt zu haben, weil er seine Schwerbehindertenquote habe erhöhen wollen. Damit konnte unterstellt werden, dass die Klägerin auch bei Offenlegung der Schwerbehinderung eingestellt worden wäre. Im Übrigen lägen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch keine ausreichenden Indizien vor.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zutreffend. Insbesondere wenn der Arbeitgeber selber vorträgt, er habe bewusst Schwerbehinderte bevorzugen wollen, kann er keine Anfechtung auf das nachträgliche Offenlegen einer Schwerbehinderung stützen. Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings leider die Entscheidung nicht dazu genutzt, sich zur grundsätzlichen Zulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung im Bewerbungsgespräch zu äußern.