Umsatzsteuer: Betriebsfortführung zugunsten eines Dritten ist kein Umsatz im Rahmen einer Geschäftsveräußerung

Mit Urteil vom 29. August 2024 (Az. V R 41/21) hat der Bundesfinanzhof (BFH) klargestellt, dass die Nichtsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG auf Umsätze beschränkt ist, die unmittelbar zwischen dem Übertragenden und dem Übertragungsempfänger eines Betriebs erfolgen. Leistungen, die der Erwerber zugunsten Dritter erbringt, sind hiervon nicht erfasst und unterliegen der Umsatzsteuer.


Sachverhalt

Im Streitfall übernahm die Klägerin, eine Gebietskörperschaft, den Betrieb eines Schwimmbads von einem aufgelösten Zweckverband, zu dem sie zuvor gehörte.

  • Vermögensübertragung:
    Die Vermögensgegenstände des Schwimmbads wurden für 1 € übertragen, und die Klägerin verpflichtete sich, den Betrieb bis mindestens 2023 fortzuführen.
  • Zahlungen durch Dritte:
    Der Landkreis und die Stadt, die ebenfalls Mitglieder des Zweckverbands waren, zahlten der Klägerin zur Aufrechterhaltung des Betriebs des Schwimmbads jährliche Beträge.
  • Streitpunkt:
    Es war umstritten, ob diese Zahlungen umsatzsteuerpflichtig sind und ob eine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt.

Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar, dass:

  1. Eingrenzung der Nichtsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG:
    • Die Regelung zur Geschäftsveräußerung gilt ausschließlich für Umsätze zwischen dem Übertragenden (hier: Zweckverband) und dem Übertragungsempfänger (hier: Klägerin).
    • Leistungen, die an Dritte (hier: Landkreis und Stadt) erbracht werden, fallen nicht unter die Nichtsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG.
  2. Steuerbarkeit der Zahlungen:
    • Die Zahlungen des Landkreises und der Stadt an die Klägerin sind als Entgelt für steuerbare sonstige Leistungen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG zu werten.
    • Die Fortführung des Schwimmbadbetriebs durch die Klägerin stellt eine eigenständige wirtschaftliche Leistung dar, die von der Umsatzsteuer erfasst wird.
  3. Negative Kaufpreise nicht abschließend geklärt:
    Der BFH ließ offen, ob Zahlungen an den Erwerber (wie hier) als Entgelt für nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG nicht steuerbare Umsätze angesehen werden können. Diese Frage bleibt weiterhin höchstrichterlich ungeklärt.

Praktische Bedeutung

Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die umsatzsteuerliche Behandlung von Geschäftsveräußerungen:

  1. Eindeutige Abgrenzung:
    • Die Nichtsteuerbarkeit beschränkt sich auf Umsätze, die einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Übertragung des Betriebs haben.
    • Leistungen, die der Erwerber nach der Übertragung zugunsten Dritter erbringt, sind steuerpflichtig.
  2. Relevanz für öffentliche Körperschaften:
    • Die Entscheidung betrifft insbesondere Gebietskörperschaften und andere öffentliche Institutionen, die häufig Betriebsfortführungen übernehmen und dafür Zahlungen erhalten.
  3. Offene Fragen bei „negativen Kaufpreisen“:
    • Die Behandlung von Fällen, in denen der Erwerber für die Übernahme eines defizitären Betriebs Zahlungen erhält, bleibt weiterhin unsicher.

Fazit

Die BFH-Entscheidung schafft Klarheit über den eingeschränkten Anwendungsbereich der Nichtsteuerbarkeit nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG und bestätigt, dass Leistungen zugunsten Dritter nicht darunterfallen. Unternehmen und Gebietskörperschaften sollten Betriebsübertragungen und damit verbundene Zahlungen steuerlich sorgfältig prüfen.

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