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Steuerberater

Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale

ELStAM – Hinweise zum Jahreswechsel

Deutscher Steuerberaterverband e. V., Mitteilung vom 19.11.2013

Mit den jüngst herausgegebenen Informationen zum Jahreswechsel (Stand: 6.11.2013) bietet die Finanzverwaltung der Praxis erneut Unterstützung beim Einstieg in das elektronische Lohnsteuerverfahren. Die Beschreibungen geben Hinweise zur Auslieferung der ELStAM im Zuge des Wechsels 2013/2014 und im Hinblick auf den Abschluss des Einführungsjahres.

Umstiegszeitpunkt nicht verpassen
Die Broschüre, die in Kürze auch auf der Internetseite Elster abrufbar sein soll, bildet den faktischen Schlusspunkt der Einführungsphase. Es gilt zwar weiterhin die Kulanzfrist, wonach der Arbeitgeber mit Zustimmung des Arbeitnehmers auf die Anwendung der erstmals abgerufenen ELStAM verzichten und weiter die Merkmale der Lohnsteuerkarte 2010 oder der entsprechenden Ersatzbescheinigungen für die Dauer von bis zu sechs Monaten zugrunde legen kann. Dieser Zeitraum reicht jedoch nur dann in 2014 hinein, wenn der Arbeitgeber pro Arbeitnehmer mindestens eine Abrechnung über das elektronische Lohnsteuerverfahren im bald endenden Einführungszeitraum 2013 vornimmt. Daher naht der späteste Umstiegszeitpunkt: Mit der Lohnabrechnung 12/2013 muss der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer mit dem elektronischen Lohnsteuerverfahren begonnen haben.

BMF-Schreiben ab 2014 beachten
Ab 2014 ist in der Praxis nicht mehr das extra für den Einführungszeitraum 2013 verfasste BMF-Schreiben vom 25.07.2013, sondern das generell für ELStAM geltende BMF-Schreiben vom 07.08.2013 zu beachten.

www.dstv.de

Quelle: DStV

Bundesministerium der Finanzen, IV C 5 – S-2363 / 13 / 10003

Schreiben (koordinierter Ländererlass) vom 25.07.2013

Fundstellen

Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale;
Erstmaliger Abruf der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale durch den Arbeitgeber und Anwendungsgrundsätze für den Einführungszeitraum 2013


  • I. Starttermin
  • II. Einführungszeitraum für das ELStAM-Verfahren
  • III. Arbeitgeber
    • 1. Papierverfahren im Einführungszeitraum
    • 2. Bescheinigung bei unzutreffenden ELStAM und Sperrung des Arbeitgeberabrufs (Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug)
    • 3. Unzutreffende ELStAM aus anderen Gründen
    • 4. Erstmaliger Einsatz des ELStAM-Verfahrens nach dem Starttermin
    • 5. ELStAM bei verschiedenen Lohnarten
    • 6. Anwendung der abgerufenen ELStAM
    • 7. Verzicht auf sofortige Anwendung der abgerufenen ELStAM
    • 8. Beendigung des Dienstverhältnisses bei Anwendung des ELStAM-Verfahrens
    • 9. Entgegennahme und Aufbewahrung der Lohnsteuerkarte 2010/Papierbescheinigung(en)
    • 10. Härtefallregelung
  • IV. Arbeitnehmer
  • V. Finanzamt

Nach § 52b EStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl. I Seite 1809 ) sind im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder für den Lohnsteuerabzug ab dem Kalenderjahr 2013 die folgenden Regelungen zu beachten:

I. Starttermin

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2012 – IV C 5 – S 2363/07/0002-03 , DOK 2012/1170782 – (BStBl I Seite 1258, ELStAM-Startschreiben) hat das Bundesministerium der Finanzen als Starttermin für das Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM-Verfahren) den 1. November 2012 festgelegt. Ab diesem Zeitpunkt können die Arbeitgeber, die ELStAM der Arbeitnehmer mit Wirkung ab dem 1. Januar 2013 abrufen. Der Arbeitgeber hat das ELStAM-Verfahren grundsätzlich für laufenden Arbeitslohn, der für einen nach dem 31. Dezember 2012 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird, und für sonstige Bezüge, die nach dem 31. Dezember 2012 zufließen, anzuwenden.

II. Einführungszeitraum für das ELStAM-Verfahren

Nach der Regelung in § 52b Absatz 5 Satz 2 EStG ist für die Einführung des ELStAM-Verfahrens ein Zeitraum zu bestimmen (Einführungszeitraum). Auf der Grundlage dieser Vorschrift wird hiermit das Kalenderjahr 2013 als Einführungszeitraum bestimmt. Damit wird insbesondere den Arbeitgebern ein längerer Umstellungszeitraum auf das ELStAM-Verfahren angeboten, um auch eventuelle technische und organisatorische Probleme, die bei einem gleichzeitigen Einstieg aller Arbeitgeber zu einem festen Termin entstehen könnten, zu vermeiden. Daraus folgt auch, dass der Arbeitgeber die ELStAM spätestens für den letzten im Kalenderjahr 2013 endenden Lohnzahlungszeitraum abzurufen und anzuwenden hat. Ein Abruf mit Wirkung ab 2014 ist verspätet.

Weil im Einführungszeitraum das Lohnsteuerabzugsverfahren nach Maßgabe der Regelungen für das Papierverfahren oder für das ELStAM-Verfahren durchgeführt werden kann, sind abweichend vom BMF-Schreiben vom 6. August 2013 – IV C 5 – S 2363/13/10003 , DOK 2013/0563339 – (BStBl I Seite xxx) die folgenden Regelungen zu beachten.

III. Arbeitgeber

1. Papierverfahren im Einführungszeitraum

Solange der Arbeitgeber im Einführungszeitraum das ELStAM-Verfahren nicht anwendet, sind für den Lohnsteuerabzug folgende Papierbescheinigungen zugrunde zu legen:

  1. Die Lohnsteuerkarte 2010 oder
  2. eine vom Finanzamt nach § 52b Absatz 3 EStG ausgestellte Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2011, 2012 oder 2013 (Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013).

Sind von den unter Nummer 1 und 2 genannten Papierbescheinigungen abweichende Lohnsteuerabzugsmerkmale anzuwenden, kann sie der Arbeitnehmer anhand folgender amtlicher Bescheinigungen nachweisen:

  1. Mitteilungsschreiben des Finanzamts zur „Information über die erstmals elektronisch gespeicherten Daten für den Lohnsteuerabzug (Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale)“ nach § 52b Absatz 9 EStG i. d. Fassung des Jahres 2012,
  2. Ausdruck oder sonstige Papierbescheinigung des Finanzamts mit den ab dem 1. Januar 2012 oder zu einem späteren Zeitpunkt im Übergangszeitraum 2012 und Einführungszeitraum 2013 gültigen ELStAM oder
  3. Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (Tz. III. 2) aufgrund abweichender Meldedaten (§ 52b Absatz 5a Satz 3 EStG) bis zur Bereitstellung der ELStAM nach Aufhebung der Abrufsperre, längstens bis zum Ablauf der Gültigkeit (§ 52b Absatz 5a Satz 4 und 5 EStG).

Die in den vor dem 1. Januar 2013 ausgestellten Ausdrucken oder sonstigen Papierbescheinigungen eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale (Steuerklasse, Zahl der Kinderfreibeträge, Freibetrag, Hinzurechnungsbetrag, Kirchensteuerabzugsmerkmal, Faktor) bleiben weiterhin gültig und sind dem Lohnsteuerabzug im Einführungszeitraum zugrunde zu legen (§ 52b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 EStG). Ein erneuter Antrag des Arbeitnehmers ist hierfür nicht erforderlich.

Das Mitteilungsschreiben des Finanzamts nach § 52b Absatz 9 EStG i. d. Fassung des Jahres 2012 ist nur dann für den Arbeitgeber maßgebend, wenn ihm gleichzeitig die Lohnsteuerkarte 2010 oder die Ersatzbescheinigung 2011 für das erste Dienstverhältnis des Arbeitnehmers vorliegt (Steuerklassen I bis V). Hingegen ist der Ausdruck bzw. die sonstige Papierbescheinigung des Finanzamts mit den ab dem 1. Januar 2012 oder zu einem späteren Zeitpunkt im Einführungszeitraum 2013 gültigen Lohnsteuerabzugsmerkmalen für den Arbeitgeber maßgebend, wenn ihm gleichzeitig die Lohnsteuerkarte 2010 oder die Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 für das erste Dienstverhältnis des Arbeitnehmers vorliegt (Steuerklassen I bis V).

Legt der Arbeitnehmer ein Mitteilungsschreiben des Finanzamts nach § 52b Absatz 9 EStG i. d. Fassung des Jahres 2012, einen Ausdruck bzw. eine sonstige Papierbescheinigung des Finanzamts oder eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug dem Arbeitgeber zum Zweck der Berücksichtigung beim Lohnsteuerabzug vor, sind allein die ausgewiesenen Lohnsteuerabzugsmerkmale auf der zuletzt ausgestellten amtlichen Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug maßgebend. Sämtliche auf einer Lohnsteuerkarte 2010 oder einer zu einem früheren Zeitpunkt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 oder einer anderen zu einem früheren Zeitpunkt ausgestellten amtlichen Bescheinigung eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale werden überschrieben. Diese vereinfachte Nachweismöglichkeit besteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr 2013 in ein neues erstes Dienstverhältnis wechselt.

Somit sind die zuletzt eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale – unabhängig von der eingetragenen Gültigkeit – vom Arbeitgeber zunächst auch noch für das Lohnsteuerabzugsverfahren im Einführungszeitraum zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber braucht nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die einzelnen Lohnsteuerabzugsmerkmale dem Grunde bzw. der Höhe nach noch vorliegen.

Zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgegennahme und Aufbewahrung der vom Finanzamt ausgestellten Papierbescheinigungen vgl. Tz. III. 9.

Ist auf der Lohnsteuerkarte 2010 eine Lohnsteuerbescheinigung erteilt und die Lohnsteuerkarte an den Arbeitnehmer herausgegeben worden, kann der Arbeitgeber bei fortbestehendem Dienstverhältnis die Lohnsteuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerkarte 2010 im Einführungszeitraum 2013 weiter anwenden, wenn der Arbeitnehmer schriftlich bestätigt, dass die Lohnsteuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerkarte 2010 auch weiterhin für den Lohnsteuerabzug im Einführungszeitraum 2013 zutreffend sind (§ 52b Absatz 1 Satz 5 EStG). Eine amtliche Bescheinigung ist hierfür nicht vorgesehen, so dass eine formlose Erklärung des Arbeitnehmers als Nachweis ausreicht. Diese schriftliche Bestätigung ist als Beleg zum Lohnkonto zu nehmen.

Für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige ledige Arbeitnehmer, die im Kalenderjahr 2013 während des Einführungszeitraums ein Ausbildungsverhältnis als erstes Dienstverhältnis beginnen, kann der Arbeitgeber die Vereinfachungsregelung des § 52b Absatz 4 EStG anwenden. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte 2010 oder Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 nach der Steuerklasse I vornehmen. Dazu hat der Auszubildende seinem Arbeitgeber die Identifikationsnummer, den Tag der Geburt und ggf. die rechtliche Zugehörigkeit zu einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft mitzuteilen und schriftlich zu bestätigen, dass es sich um ein erstes Dienstverhältnis handelt.

Wurde die vorstehende Vereinfachungsregelung bereits im Kalenderjahr 2011 oder 2012 in Anspruch genommen, kann im Einführungszeitraum 2013 die Lohnsteuer weiterhin nach der Steuerklasse I ermittelt werden. Voraussetzung hierfür ist eine schriftliche Bestätigung des Auszubildenden, dass es sich weiterhin um sein erstes Dienstverhältnis handelt.

2. Bescheinigung bei unzutreffenden ELStAM und Sperrung des Arbeitgeberabrufs (Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug)

Bei Einführung des ELStAM-Verfahrens bzw. dem erstmaligen Abruf der ELStAM durch den Arbeitgeber kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Finanzverwaltung für den Arbeitnehmer aufgrund fehlerhafter Meldedaten materiell unzutreffende ELStAM bereitstellt, da die Finanzämter nicht befugt sind, in der ELStAM-Datenbank gespeicherte Meldedaten zu ändern. Es können auch aus anderen Gründen unzutreffende ELStAM gespeichert sein, deren Berichtigung aus technischen Gründen nicht zeitnah möglich ist.

Hat das Finanzamt in diesen Fällen eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug ausgestellt (§ 52b Absatz 5a Satz 3 EStG, Tz. V. 2), wird der Arbeitgeberabruf durch das Finanzamt gesperrt, sog. Vollsperrung. Meldet der Arbeitgeber oder sein Vertreter den Arbeitnehmer trotz erfolgter Sperrung an, erhält er die Mitteilung „Keine Anmeldeberechtigung“. Die Regelungen des § 39e Absatz 6 Satz 8 EStG (Lohnsteuerabzug nach Steuerklasse VI) sind nicht anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug vorgelegt hat.

Der Arbeitgeber darf die Lohnsteuerabzugsmerkmale dieser Besonderen Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug nur dann für den angegebenen Zeitraum anwenden, wenn ihm die Lohnsteuerkarte 2010 oder eine Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 des Arbeitnehmers mit einer der Steuerklassen I bis V (erstes Dienstverhältnis) vorliegt. Zur Anwendung der kalenderjahrbezogen bescheinigten Lohnsteuerabzugsmerkmale vgl. Tz. V. 2.

Erfolgte die Sperrung der ELStAM vor dem erstmaligen Abruf durch den Arbeitgeber, hat der Arbeitnehmer und nicht das Finanzamt dem Arbeitgeber die Aufhebung der Sperrung mitzuteilen (Tz. IV und V. 2). Dazu hat der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber das Informationsschreiben seines Wohnsitzfinanzamts über die Aufhebung der Sperrung auszuhändigen. Aufgrund dieser Mitteilung hat der Arbeitgeber den beschäftigten Arbeitnehmer erstmalig in der ELStAM-Datenbank anzumelden (Tz. III. 4) und die entsprechenden ELStAM abzurufen. Diese Grundsätze gelten auch bei einem Arbeitgeberwechsel während der Dauer der Sperrung.

Hat das Finanzamt die ELStAM nach ihrem erstmaligen Abruf gesperrt, wird dem Arbeitgeber die Aufhebung der Sperrung durch Bereitstellung sog. Änderungslisten automatisch mitgeteilt. Daraufhin hat der Arbeitgeber die bereitgestellten ELStAM abzurufen und ab der dem Abruf folgenden Lohnabrechnung anzuwenden.

3. Unzutreffende ELStAM aus anderen Gründen

Bei unzutreffenden ELStAM, die auf vom Finanzamt zu bildenden Merkmalen beruhen (z. B. Freibetrag aus dem Lohnsteuerermäßigungsverfahren, Steuerklassenkombination bei Ehegatten, Beantragung der Steuerklasse II), korrigiert das Finanzamt auf Veranlassung des Arbeitnehmers die ELStAM in der Datenbank. Daraufhin werden dem Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM zur Verfügung gestellt.

Nimmt das Finanzamt die Korrektur vor dem erstmaligen Abruf vor (z. B. bei Feststellung des Fehlers im Rahmen des Ermäßigungsverfahrens), werden dem Arbeitgeber beim erstmaligen Abruf die zutreffenden ELStAM bereitgestellt. Der vom Finanzamt in diesem Fall ausgestellte Ausdruck der ELStAM (Tz. V. 2) kann auch vor dem erstmaligen Arbeitgeberabruf nach den Grundsätzen der Tz. III. 1 dem Lohnsteuerabzug zugrunde gelegt werden.

Nimmt das Finanzamt die Korrektur nach dem erstmaligen Abruf vor, werden dem Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM bereitgestellt (sog. Änderungsmitteilung), die rückwirkend auf den Zeitpunkt des erstmaligen Abrufs angewendet werden können. Zur Beschleunigung der Korrektur eines unzutreffenden Lohnsteuerabzugs kann der in diesem Fall ausgestellte Ausdruck der ELStAM (Tz. V. 2) vor dem Abruf der korrigierten ELStAM nach den Grundsätzen der Tz. III. 1 dem Lohnsteuerabzug zugrunde gelegt werden.

4. Erstmaliger Einsatz des ELStAM-Verfahrens nach dem Starttermin

Nach dem Starttermin hat der Arbeitgeber oder sein Vertreter die beschäftigten Arbeitnehmer im Einführungszeitraum für den Einsatz des ELStAM-Verfahrens in der ELStAM-Datenbank anzumelden. Dazu soll der Arbeitgeber sämtliche Arbeitnehmer einer lohnsteuerlichen Betriebsstätte zeitgleich in das ELStAM-Verfahren einbeziehen. Um den Arbeitgebern den Einstieg in das ELStAM-Verfahren zu erleichtern, bestehen abweichend davon aber keine Bedenken, die Arbeitnehmer im Einführungszeitraum auch stufenweise (zu verschiedenen Zeitpunkten) in das ELStAM-Verfahren zu überführen. Wählt der Arbeitgeber diese Möglichkeit, hat er für den Lohnsteuerabzug – bezogen auf die jeweilige Betriebsstätte – sowohl die Regelungen für das Papierverfahren als auch für das ELStAM-Verfahren zu beachten.

Der Arbeitgeber soll dem Arbeitnehmer den Zeitpunkt für die erstmalige Anwendung der ELStAM zeitnah mitteilen. Eine Mitteilung des erstmaligen Abrufs der ELStAM gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt ist nicht erforderlich. Bei der Anmeldung in der ELStAM-Datenbank hat der Arbeitgeber auch anzugeben, ob es sich um ein erstes oder ein weiteres Dienstverhältnis des Arbeitnehmers handelt. Diese Angaben sind für die programmgesteuerte Bildung der Lohnsteuerklasse erforderlich.

Ein erstes Dienstverhältnis darf der Arbeitgeber während des Einführungszeitraums nur anmelden,

wenn ihm für den betreffenden Arbeitnehmer

  • die Lohnsteuerkarte 2010 oder
  • eine vom Finanzamt ausgestellte Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug 2011, 2012 oder 2013 (Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013)

mit einer der Steuerklassen I bis V vorliegt

oder wenn

  • er im Rahmen der Vereinfachungsregelung für Auszubildende (§ 52b Absatz 4 EStG) den Lohnsteuerabzug ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte 2010 oder einer Ersatzbescheinigung nach der Steuerklasse I vorgenommen hat oder
  • er die Lohnsteuerabzugsmerkmale der Lohnsteuerkarte 2010 nach § 52b Absatz 1 Satz 5 EStG aufgrund einer Erklärung des Arbeitnehmers weiter angewendet hat (§ 52b Absatz 5 Satz 5 EStG).

Diese Grundsätze gelten – mit Ausnahme der Fälle des § 52b Absatz 1 Satz 5 EStG (Anwendung der Lohnsteuerabzugsmerkmale 2010 ohne Lohnsteuerkarte 2010) – auch bei Begründung eines neuen Dienstverhältnisses im Einführungszeitraum. Für unbeschränkt einkommensteuerpflichtige ledige Arbeitnehmer, die im Einführungszeitraum nach Einstieg des Arbeitgebers in das ELStAM-Verfahren ein Ausbildungsverhältnis als erstes Dienstverhältnis beginnen, kann der Arbeitgeber ein erstes Dienstverhältnis ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte 2010 oder einer Ersatzbescheinigung anmelden, wenn der Auszubildende seinem Arbeitgeber dies entsprechend schriftlich bestätigt.

5. ELStAM bei verschiedenen Lohnarten

Auch wenn der Arbeitgeber verschiedenartige Bezüge zahlt, sind diese aufgrund des Grundsatzes eines einheitlichen Dienstverhältnisses zu einem Arbeitgeber zusammenzurechnen. In den folgenden Fällen handelt es sich um ein einheitliches Dienstverhältnis, so dass die Lohnsteuer für die Bezüge einheitlich und nach denselben ELStAM zu erheben ist. Der Abruf von ELStAM für ein zweites Dienstverhältnis des Arbeitnehmers durch denselben Arbeitgeber ist nicht möglich.

Beispiele für die Zahlung verschiedenartiger Bezüge:

  • Ein Arbeitnehmer erhält vom Arbeitgeber neben einer Betriebsrente noch Arbeitslohn für ein aktives Dienstverhältnis; die Lohnsteuer wird nicht pauschal erhoben.
  • Ein Arbeitnehmer erhält vom Arbeitgeber Hinterbliebenenbezüge und eigene Versorgungsbezüge oder Arbeitslohn für ein aktives Dienstverhältnis.
  • Ein Arbeitnehmer ist in Elternzeit und arbeitet gleichwohl beim selben Arbeitgeber weiter.

Behandelt der Arbeitgeber solche Bezüge bei der Durchführung des Lohnsteuerabzugs wie Bezüge aus unterschiedlichen Dienstverhältnissen, sind für Lohnabrechnungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2015 enden, bzw. für sonstige Bezüge, die vor dem 1. Januar 2015 zufließen, die vom Arbeitgeber abgerufenen ELStAM für einen der gezahlten Bezüge anzuwenden. Für den jeweils anderen Bezug ist die Steuerklasse VI ohne weiteren Abruf von ELStAM für ein zweites Dienstverhältnis zu Grunde zu legen. Für den Lohnsteuereinbehalt von Versorgungsbezügen nach der Steuerklasse VI ist § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 1 EStG zu berücksichtigen, wonach kein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag anzusetzen ist. Die Lohnsteuerbescheinigung ist entsprechend den getrennt abgerechneten Bezügen auszustellen und an die Finanzverwaltung zu übermitteln.

6. Anwendung der abgerufenen ELStAM

Nach erfolgreichem Abruf der ELStAM hat der Arbeitgeber für die angemeldeten Arbeitnehmer die Vorschriften des ELStAM-Verfahrens (§§ 38 bis 39e EStG, Regelverfahren) anzuwenden. Danach sind die vom Arbeitgeber oder seinem Vertreter abgerufenen ELStAM grundsätzlich für die nächste auf den Abrufzeitpunkt folgende Lohnabrechnung anzuwenden und im Lohnkonto aufzuzeichnen (§§ 52b Absatz 5 Satz 3, 41 Absatz 1 Satz 2 EStG; Ausnahme vgl. Tz. III. 7).

Eine erneute Anwendung der Lohnsteuerabzugsmerkmale nach der Lohnsteuerkarte 2010 und den vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen ist grundsätzlich nicht mehr möglich (§ 52b Absatz 5a Satz 1 und 2 EStG; Ausnahme vgl. Tz. III. 7). Dieser Grundsatz ist auch dann zu beachten, wenn ein späterer Abruf oder eine spätere Anwendung der ELStAM aufgrund technischer Störungen nicht möglich ist. In diesen Fällen sind die Regelungen des § 39c EStG (Einbehaltung der Lohnsteuer ohne Lohnsteuerabzugsmerkmale) anzuwenden.

Scheitert allerdings der erstmalige Abruf der ELStAM während des Einführungszeitraums aufgrund technischer Probleme, kann der Arbeitgeber bis zum vorletzten Lohnzahlungszeitraum des Einführungszeitraums weiterhin das Papierverfahren und die Regelungen des § 52b EStG anwenden.

Weichen die erstmals abgerufenen ELStAM von den auf der Lohnsteuerkarte 2010, einer vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und den weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen eingetragenen bzw. im Lohnkonto aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmalen ab, besteht für den Arbeitgeber weder eine Korrekturpflicht nach § 41c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG noch eine Anzeigepflicht nach § 41c Absatz 4 i. V. m. Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 EStG, da er bei Berücksichtigung der vom Arbeitnehmer vorgelegten Lohnsteuerkarte 2010, der vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und den weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen vorschriftsmäßig gehandelt hat. Abweichungen können z. B. dann auftreten, wenn der Arbeitnehmer seiner Anzeigeverpflichtung im Papierverfahren bei Änderungen der Lohnsteuerabzugsmerkmale zu seinen Ungunsten nicht nachgekommen ist (z. B. Steuerklasse III oder II anstatt I).

7. Verzicht auf sofortige Anwendung der abgerufenen ELStAM

Nichtanwendung der erstmals abgerufenen ELStAM

Abweichend von Tz. III. 6 kann der Arbeitgeber nach § 52b Absatz 5a Satz 7 EStG auf eine sofortige Anwendung der im Einführungszeitraum erstmals abgerufenen ELStAM einmalig verzichten. Statt dessen kann er den Lohnsteuerabzug für die Dauer von bis zu sechs Kalendermonaten weiter nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte 2010, einer vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen bzw. nach den im Lohnkonto aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmalen durchführen. Der 6-Monats-Zeitraum gilt auch dann, wenn dieser über das Ende des Einführungszeitraums (31. Dezember 2013) hinausreicht.

Für eine verzögerte Anwendung der erstmals abgerufenen ELStAM ist die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, solch eine betriebsinterne Abstimmung lohnsteuerlich zu dokumentieren; es sind keine Aufzeichnungen im Lohnkonto erforderlich.

In diesem 6-Monats-Zeitraum kann der Arbeitgeber insbesondere die Funktionsfähigkeit der eingesetzten Lohnabrechnungsprogramme absichern. Ferner ermöglicht diese Regelung, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die abgerufenen ELStAM zur Überprüfung vorab mitteilt. Hierfür – aber auch für eine spätere Prüfung der ELStAM – stellt die Finanzverwaltung einen Vordruck (Vordruck „Bescheinigung zur Überprüfung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM)“) im Internetangebot der obersten Finanzbehörden der Länder und in einer Formulardatenbank der Bundesfinanzverwaltung unter der Internetadresse https://www.formulare-bfinv.de in der Rubrik Formularcenter/Formularkatalog/Steuerformulare/Lohnsteuer zur Einsicht und zum Abruf bereit.

Nichtanwendung der erstmals abgerufenen ELStAM nach erstmaligem Lohnsteuerabzug

Der Arbeitgeber kann ferner nach § 52b Absatz 5a Satz 7 und 8 EStG und abweichend von Tz. III. 6 auf freiwilliger Basis und mit Zustimmung des Arbeitnehmers den Lohnsteuerabzug nach den Merkmalen der Lohnsteuerkarte 2010 oder einer vom Finanzamt ausgestellten Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen bzw. nach den im Lohnkonto aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmalen für die Dauer von bis zu sechs Kalendermonaten durchführen, wenn die erstmalige Anwendung der im Einführungszeitraum erstmals abgerufenen ELStAM zu einem vom bisherigen Verfahren abweichenden Lohnsteuerabzug führt. In diesem Zeitraum kann der Arbeitnehmer mit dem Finanzamt die Abweichungen der ELStAM von den bislang berücksichtigten Lohnsteuerabzugsmerkmalen aufklären. Auch hierzu kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Abweichungen zwischen den im Lohnkonto aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmalen und den ELStAM durch den Vordruck „Bescheinigung zur Überprüfung der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM)“ mitteilen.

Der 6-Monats-Zeitraum gilt auch dann, wenn dieser über das Ende des Einführungszeitraums (31. Dezember 2013) hinausreicht.

Lohnsteuerabzug nach Korrektur der ELStAM bzw. nach Ablauf des 6-Monats-Zeitraums

Nach Vorlage der Besonderen Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug (z. B. bei unzutreffenden Meldedaten) durch den Arbeitnehmer oder nach Eingang einer sog. Änderungsmitteilung zum Abruf der vom Finanzamt korrigierten ELStAM hat der Arbeitgeber diese Merkmale entsprechend Tz. III. 2 bzw. III. 3 anzuwenden. Spätestens nach Ablauf des 6-Monats-Zeitraums hat der Arbeitgeber die (erstmals) abgerufenen ELStAM anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer keine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug vorgelegt hat oder keine sog. Änderungsmitteilung zum Abruf der vom Finanzamt korrigierten ELStAM eingeht, z. B. weil die (erstmals) bereitgestellten ELStAM zutreffend sind.

Keine Rückrechnungsverpflichtung des Arbeitgebers

Wendet der Arbeitgeber die Regelungen des § 52b Absatz 5a Satz 7 und 8 EStG an, besteht für ihn weder eine Rückrechnungs-/Korrekturpflicht noch eine Anzeigeverpflichtung für den 6-Monats-Zeitraum bzw. auf den 1. Januar 2013 (vgl. Tz. III. 6).

8. Beendigung des Dienstverhältnisses bei Anwendung des ELStAM-Verfahrens

Hat der Arbeitgeber die ELStAM des Arbeitnehmers bereits angewendet, hat der Arbeitgeber den Tag der Beendigung des Dienstverhältnisses (z. B. in Fällen des Arbeitgeberwechsels) der Finanzverwaltung unverzüglich mitzuteilen (sog. Abmeldung, § 39e Absatz 4 Satz 5 EStG). Eine solche elektronische Abmeldung ist auch dann erforderlich, wenn das Finanzamt den Arbeitgeberabruf gesperrt hat (vgl. Tz. III. 2).

9. Entgegennahme und Aufbewahrung der Lohnsteuerkarte 2010/Papierbescheinigung(en)

Der Arbeitgeber hat auch im Einführungszeitraum die Lohnsteuerkarte 2010, Ersatzbescheinigung für 2011, 2012, 2013 und die weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen entgegenzunehmen, aufzubewahren sowie die darauf eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale in das Lohnkonto zu übernehmen. Die so aufgezeichneten Lohnsteuerabzugsmerkmale sind dem Lohnsteuerabzug im Einführungszeitraum bis zur erstmaligen Anwendung der ELStAM für den jeweiligen Arbeitnehmer zugrunde zu legen.

Auf Anforderung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Einführungszeitraum die vorgelegten Bescheinigungen (Tz. III. 1) zur Änderung nicht mehr zutreffender Lohnsteuerabzugsmerkmale durch das Finanzamt vorübergehend zu überlassen oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses vor Ablauf des Kalenderjahres 2014 innerhalb einer angemessenen Frist auszuhändigen (§ 52b Absatz 1 Satz 3 Nummer 2 und 3 EStG).

Die Lohnsteuerkarte 2010, Ersatzbescheinigung für 2011, 2012, 2013 und die weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen dürfen erst nach Ablauf des Kalenderjahres 2014 vernichtet werden (§ 52b Absatz 1 Satz 4 EStG).

10. Härtefallregelung

Weil der Einführungszeitraum zum 31. Dezember 2013 endet, können Härtefallanträge auf Nichtteilnahme am ELStAM-Verfahren (§ 39e Absatz 7 EStG) für das Kalenderjahr 2013 frühestens mit Wirkung ab dem letzten Lohnzahlungszeitraum in 2013 gestellt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt steht das Papierverfahren ohnehin zur Verfügung.

IV. Arbeitnehmer

Papierverfahren vor Einsatz des ELStAM-Verfahrens

Bis zum erstmaligen Einsatz des ELStAM-Verfahrens im Einführungszeitraum sind für den Nachweis der Lohnsteuerabzugsmerkmale die Regelungen für die Papierbescheinigungen in Tz. III. 1 zu beachten. Die Vereinfachungsregelung für Auszubildende nach § 52b Absatz 4 EStG kann weiterhin angewandt werden (Tz. III. 4).

Sind aufgrund geänderter Lebensverhältnisse für das Kalenderjahr 2013 gegenüber den Verhältnissen des Jahres 2012 abweichende Lohnsteuerabzugsmerkmale (Freibetrag, Hinzurechnungsbetrag, Kirchensteuerabzugsmerkmal, Faktor) maßgebend, kann das Finanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers die Lohnsteuerkarte 2010 oder die Ersatzbescheinigung für 2011 oder 2012, 2013 berichtigen. Weicht die Eintragung der Steuerklasse oder die Zahl der Kinderfreibeträge auf der Lohnsteuerkarte 2010, der Ersatzbescheinigung 2011 oder 2012 oder der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen von den Verhältnissen zu Beginn des Kalenderjahres 2013 zu Gunsten des Arbeitnehmers ab oder ist die Steuerklasse II bescheinigt und entfallen die Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende (§ 24b EStG) im Laufe des Kalenderjahres 2013, besteht auch im Jahr 2013 – wie bisher – eine Anzeigepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Finanzamt (§ 52b Absatz 2 Satz 2 und 3 EStG).

Wechselt der Arbeitnehmer im Einführungszeitraum seinen Arbeitgeber, hat er sich die Lohnsteuerkarte 2010 oder die Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013 sowie die weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen vom bisherigen Arbeitgeber aushändigen zu lassen und dem neuen Arbeitgeber vorzulegen.

Lohnsteuerermäßigungsverfahren 2013

Für die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 39a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und 5 bis 8 EStG ist zu beachten, dass die für die Kalenderjahre 2010, 2011 oder 2012 bescheinigten Beträge in 2013 ohne weiteren Antrag nur für den Zeitraum des Papierverfahrens bis zum Einsatz des ELStAM-Verfahrens im Einführungszeitraum gelten.

Entspricht ein für das Kalenderjahr 2010, 2011 oder 2012 eingetragener Freibetrag im Kalenderjahr 2013 nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen, z. B. Minderung des Freibetrags aufgrund geringerer Fahrtkosten für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte als Werbungskosten, ist der Arbeitnehmer zwar nicht verpflichtet, die Anpassung des Freibetrags auf den dem Arbeitgeber vorliegenden Bescheinigungen (Tz. III. 1) zu veranlassen. Unterbleibt jedoch ein Antrag auf Herabsetzung des Freibetrags, kann dies zu Nachzahlungen im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung führen.

Sollen Freibeträge auch bei Anwendung der ELStAM durch den Arbeitgeber in 2013 (weiter) berücksichtigt werden, sind diese grundsätzlich im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens für 2013 neu zu beantragen. Entsprechendes gilt für das Faktorverfahren (§ 39f EStG), die Steuerklasse II bei volljährigen Kindern sowie für antragsgebundene Kinderzähler, sofern nicht bereits für das Kalenderjahr 2012 eine mehrjährige Berücksichtigung des Kindes beantragt worden ist. Pauschbeträge für behinderte Menschen und Hinterbliebene werden weiterhin in der Regel mehrjährig berücksichtigt.

Korrektur der ELStAM nach Einsatz des ELStAM-Verfahrens

Stellt die Finanzverwaltung im Einführungszeitraum dem Arbeitgeber ELStAM bereit, die nach Auffassung des Arbeitnehmers unzutreffend sind, kann er beim Wohnsitzfinanzamt eine Berichtigung der ELStAM beantragen (vgl. Tz. III. 2 und 3). Macht der Arbeitgeber von der Regelung im § 52b Absatz 5a Satz 7 und 8 EStG (Verzicht auf sofortige Anwendung der abgerufenen ELStAM) Gebrauch, bedarf dies der Zustimmung des Arbeitnehmers (Tz. III. 7).

Zur Erleichterung der Kommunikation zwischen Arbeitnehmer und Finanzamt in Abweichungsfällen kann der Arbeitnehmer den Vordruck „Antrag auf Korrektur der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM)“ verwenden, der im Internetangebot der obersten Finanzbehörden der Länder und in einer Formulardatenbank der Bundesfinanzverwaltung unter der Internetadresse https://www.formulare-bfinv.de in der Rubrik Formularcenter/Formularkatalog/Steuerformulare/Lohnsteuer zur Einsicht und zum Abruf bereit steht.

Auf die Verpflichtung des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber über die vom Finanzamt mitgeteilte Aufhebung einer Abrufsperre zu informieren, wird hingewiesen (Tz. III. 2 und V. 2).

V. Finanzamt

1. Lohnsteuerermäßigungsverfahren 2013

Sind beim Arbeitnehmer im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens für das Kalenderjahr 2013 Freibeträge zu berücksichtigen, hat das Finanzamt diese Lohnsteuerabzugsmerkmale in der ELStAM-Datenbank zu speichern. In diesen Antragsfällen ist dem Arbeitnehmer stets ein Ausdruck der ELStAM mit den ab 2013 geltenden Merkmalen zur Vorlage beim Arbeitgeber auszustellen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer für das Kalenderjahr 2013 die Berücksichtigung eines Kinderzählers, der Steuerklasse II, eines Faktors oder einer anderen Steuerklassenkombination bei Ehegatten beantragt hat.

2. Unzutreffende ELStAM

Allgemeines

Werden dem Arbeitgeber ELStAM bereitgestellt, die nach Auffassung des Arbeitnehmers unzutreffend sind, hat das Wohnsitzfinanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers die gebildeten ELStAM zu prüfen und sie ggf. zu ändern.

Unzutreffende ELStAM und Sperrung des Arbeitgeberabrufs

Entsprechen die programmgesteuert gebildeten ELStAM nicht den tatsächlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers und sind somit unzutreffend (z. B. wegen fehlerhafter Meldedaten), hat das Finanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug auszustellen (§ 52b Absatz 5a Satz 3 EStG) und den Arbeitgeberabruf zu sperren, sog. Vollsperrung (vgl. Tz. III. 2). Die Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug kann für das Kalenderjahr 2013 und 2014 ausgestellt werden, wobei der Faktor (§ 39f EStG) sowie Freibeträge nach § 39a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 und 5 bis 8 EStG stets nur bezogen auf ein Kalenderjahr zu bescheinigen sind.

Hat das Finanzamt ein sog. Fehlerticket erstellt, wird ihm die Korrektur der Unstimmigkeiten bzw. Fehler in der ELStAM-Datenbank mitgeteilt. Im Anschluss daran hat das Finanzamt die Sperrung aufzuheben. Erfolgte die Sperrung nach dem erstmaligen Abruf der ELStAM, erhält der Arbeitgeber automatisch eine sog. Änderungsmitteilung mit den korrigierten ELStAM. Erfolgte die Sperrung bereits vor dem erstmaligen Abruf, ist deren Aufhebung dem Arbeitnehmer zur Information des Arbeitgebers mitzuteilen (Informationsschreiben, vgl. Tz. III. 2). In diesem Fall hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erstmalig in der ELStAM-Datenbank anzumelden.

Lebenspartnerschaften

Derzeit übermitteln die Meldebehörden lediglich die Information an die Finanzverwaltung, dass es sich bei dem Arbeitnehmer um einen Lebenspartner handelt. Neben dem Merkmal der Lebenspartnerschaft wird die Identifikationsnummer des anderen Lebenspartners derzeit noch nicht mitgeteilt. Daher ist eine programmgesteuerte Bildung der für Ehegatten möglichen Steuerklassenkombinationen für Lebenspartner im ELStAM-Verfahren noch nicht möglich.

Die Berücksichtigung der für Ehegatten möglichen Steuerklassen und Steuerklassenkombinationen beim Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber setzt in diesen Fällen einen Antrag beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt voraus. Da diese Lohnsteuerabzugsmerkmale noch nicht automatisiert gebildet werden können, stellt das Finanzamt nach § 52b Absatz 5a Satz 3 EStG (vgl. Tz. III. 2) eine Besondere Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug aus, die der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber für die Durchführung des Lohnsteuerabzugs vorzulegen hat. Der Arbeitgeberabruf für die ELStAM ist entsprechend zu sperren.

Nach der technischen Umsetzung der programmgesteuerten Bildung von Steuerklassenkombinationen für Lebenspartnerschaften gelten die für Ehegatten zu beachtenden Regelungen entsprechend. Sollen die automatisch gebildeten Steuerklassen aus Sicht der Lebenspartner nicht zur Anwendung kommen, kann eine abweichende Steuerklassenkombination beim zuständigen Finanzamt beantragt werden; Vordruck „Antrag auf Steuerklassenwechsel bei Ehegatten/Lebenspartnern“). Ein solcher Antrag gilt nicht als Änderung der Steuerklassen im Sinne des § 39 Absatz 6 Satz 3 EStG. Das Recht, einmal jährlich die Steuerklasse zu wechseln, bleibt davon unberührt (§ 39 Absatz 6 Satz 4 EStG). Ebenso gilt eine Änderung der Steuerklassen bei Wiederaufnahme der Lebenspartnerschaft nicht als Steuerklassenwechsel.

Leben die Lebenspartner dauernd getrennt, haben sie dies dem Finanzamt unverzüglich anzuzeigen (Vordruck „Erklärung zum dauernden Getrenntleben“). Dadurch wird – ungeachtet eines etwaigen Steuerklassenwechsels im Trennungsjahr – ab Beginn des darauf folgenden Jahres die Steuerklasse I gebildet.

Unzutreffende ELStAM aus anderen Gründen

Betreffen die für den Arbeitnehmer bereitgestellten unzutreffenden ELStAM vom Finanzamt zu bildende Merkmale (z. B. Freibetrag aus dem Lohnsteuerermäßigungsverfahren, Steuerklassenkombination bei Ehegatten, Beantragung der Steuerklasse II), korrigiert es auf Veranlassung des Arbeitnehmers die ELStAM, die daraufhin dem Arbeitgeber elektronisch zum Abruf bereitgestellt werden.

Wird die Korrektur vor dem erstmaligen Abruf der ELStAM durchgeführt, z. B. im Lohnsteuerermäßigungsverfahren, werden dem Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM beim erstmaligen Abruf bereitgestellt. Nimmt der Arbeitgeber bereits am ELStAM-Verfahren teil, erhält der Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM mit der nächsten sog. Änderungsmitteilung bereitgestellt.

Dem Arbeitnehmer ist stets ein Ausdruck der ELStAM (ggf. mit Freibetrag) zur Vorlage beim Arbeitgeber auszuhändigen. Nimmt der Arbeitgeber noch nicht am ELStAM-Verfahren teil, hat er den Ausdruck entsprechend den Grundsätzen der Tz. III. 1 und 3 zu berücksichtigen.

3. Keine Rückforderung der Papierbescheinigungen

Das Finanzamt hat die im Rahmen des Lohnsteuerermäßigungsverfahrens 2013 ausgestellten Bescheinigungen für den Lohnsteuerabzug 2013 und der weiteren unter Tz. III. 1 genannten Papierbescheinigungen nicht zurückzufordern.

Dieses Schreiben ist ab dem 1. November 2012 anzuwenden.

Es wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Normen:

EStG:52b

Fundstellen:

BStBl-2013-I-0943

DB-2013-1753

DStR-2013-1663

Umsatzsteuerfreiheit eines ärztlichen Notfalldienstes

Die Leistungen eines ärztlichen Notfalldienstes werden als Einheit behandelt und sind unter Umständen umsatzsteuerfrei. So entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 08.08.2013 V R 13/12.

Der Kläger, ein eingetragener Verein und Mitglied eines amtlich anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege, betrieb für eine kassenärztliche Vereinigung nachts sowie an den Wochenenden und Feiertagen einen ärztlichen Notfalldienst. Dazu unterhielt er mit Funk ausgerüstete Kraftwagen mit je einem ausgebildeten Rettungshelfer als Fahrer zur Beförderung von Notfallärzten zu Notfallpatienten sowie eine Leitzentrale, die Notfallanrufe entgegennahm, an die diensthabenden Ärzte weiterleitete und ggf. Rettungs- oder Krankenfahrzeuge anforderte. Im Falle eines Einsatzes wurde der diensthabende Arzt in seiner Wohnung oder Praxis abgeholt und zu den Notfallpatienten gebracht. Auf Wunsch des Arztes begleiteten die Fahrer ihn in die Wohnung des Patienten und assistierten dem Arzt. Das Finanzamt unterwarf die Umsätze des Klägers aus dem ärztlichen Notfalldienst der Umsatzsteuer. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Die beim Betrieb des Notfalldienstes ausgeführten Leistungen sind umsatzsteuerrechtlich als Einheit zu betrachten. Der Umsatz war im Streitfall auch steuerfrei, weil der Verein Mitglied eines amtlich anerkannten Verbands der freien Wohlfahrtspflege ist und auch die übrigen Voraussetzungen des § 4 Nr. 18 des Umsatzsteuergesetzes erfüllt, insbesondere weil er auch personenbezogene Leistungen erbringt, die den begünstigten Personen unmittelbar zugutekommen.

BFH, Pressemitteilung 79/13 vom 20.11.2013 zum Urteil V R 13/12 vom 08.08.2013

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 8.8.2013, V R 13/12

Richtlinienkonforme enge Auslegung des § 4 Nr. 18 UStG – Betrieb eines Notfalldienstes – Bündel von Leistungen als einheitlicher Umsatz – Preisvergleich i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG

Leitsätze

1. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 16 UStG geht der Steuerbefreiung für Leistungen von Wohlfahrtsverbänden und deren Mitgliedern in § 4 Nr. 18 UStG als lex specialis vor.

 

2. Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot kommt § 4 Nr. 18 UStG nur eine durch den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 UStG begrenzte Wirkung zu.

 

3. Eine derartige durch den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 UStG begrenzte Wirkung des § 4 Nr. 18 UStG kommt aber nur in Betracht, wenn die betreffenden Leistungen im Falle ihrer Ausführung durch privat-rechtliche Einrichtungen mit Gewinnstreben ihrer Art nach von § 4 Nr. 16 UStG umfasst werden könnten.

Tatbestand

1
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein eingetragener Verein (e.V.), der gemäß § 3 Abs. 2 seiner Satzung das Ziel verfolgt, der Gesundheit und der Wohlfahrt des Volkes zu dienen, ist Mitglied eines anerkannten Verbandes der freien Wohlfahrtspflege i.S. von § 23 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV). Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben arbeitet der Kläger mit anderen Vereinigungen und Einrichtungen zusammen, die auf den gleichen oder ähnlichen Gebieten tätig sind. Zu seinem Aufgabenbereich zählt u.a. die Mitwirkung im Ärztlichen Notfalldienst.
2
Mit Vertrag vom 6. Mai 1975 traf der Kläger mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo), der als Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) auch die Sicherstellung eines ärztlichen Notdienstes obliegt, eine Vereinbarung, nach welcher der Kläger nachts sowie an den Wochenenden und Feiertagen als Erfüllungsgehilfe der KVNo folgende Leistungen zur Durchführung des ärztlichen Notdienstes zu erbringen hatte (§§ 1, 2 des Vertrages):
Bereitstellen von zwei mit Funk ausgerüsteten Kraftwagen mit je einem Fahrer zur Beförderung von Notfallärzten bei der Durchführung des ärztlichen Notfalldienstes,
Bereitstellen und Betrieb einer Leitzentrale zur Durchführung des für die Leistung der Kraftwagen erforderlichen Funk- und Fernsprechverkehrs,
Annahme und Vermittlung eingehender Notfallrufe,
Führen schriftlicher Aufzeichnungen über die Tätigkeiten unter Verwendung bestimmter Formblätter, deren Inhalt mit der KVNo abzustimmen ist,
Fernmündliche Vermittlung von Konsiliarwünschen des Notfallarztes an Fachärzte.
3
Außerdem bestand eine zwischen der Ärztekammer Nordrhein, der KVNo und dem Kläger vereinbarte „Dienstanweisung für den ärztlichen Notfalldienst“ vom 1. April 1993, in der die Aufgaben des Dienstes und die erforderliche Ausstattung näher konkretisiert waren.
4
Im Wesentlichen nahm die vom Kläger eingerichtete Leitzentrale Anrufe von Notfallpatienten entgegen und leitete diese an die jeweils diensthabenden Ärzte weiter. Im Bedarfsfall wurde mit vom Kläger eingesetzten Fahrern, bei denen es sich um ausgebildete Rettungshelfer unter Einsatz von Zivildienstleistenden handelte, und mit den hierfür bereitgestellten Fahrzeugen der jeweils diensthabende Arzt in seiner Wohnung oder Praxis abgeholt und zu den Notfallpatienten gebracht. Auf Wunsch des Arztes hatten die Fahrer diesen in die Patientenwohnung zu begleiten und ihm zu assistieren. Waren zur Versorgung der Patienten weitere Hilfsmittel (insbesondere Kranken- oder Rettungswagen) erforderlich, so konnten diese ebenfalls über die Leitzentrale angefordert werden.
5
Die Leistungen des Klägers beschränkten sich dabei nicht auf die bloße Organisation und Durchführung der Beförderung der diensthabenden Ärzte zu den Notfallpatienten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) trat der Kläger mit seinen Hilfspersonen in mehrfacher Hinsicht unmittelbar, im eigenen Namen und zusätzlich zu der jeweiligen Behandlungsleistung des diensthabenden Notarztes gegenüber den Patienten in Erscheinung.
6
Für die Notfallpatienten waren die Mitarbeiter des Klägers durch Entgegennahme der Notfallanrufe erste Ansprechstation. Die Tätigkeit des Klägers stellte sich nach den Feststellungen des FG aus Sicht des Patienten als zusätzliche Leistung im Zusammenwirken mit der angefragten ärztlichen Behandlungsleistung im Sinne einer optimalen Patientenversorgung dar. Die Mitarbeiter des Klägers hatten hiernach die Patientenanrufe in dringende und weniger dringende Fälle einzuteilen und die entsprechenden angemessenen Maßnahmen einzuleiten. Auch die sich an die Konsultation der Leitstelle anschließende notärztliche Behandlung stellte sich aus Sicht des Patienten und auch tatsächlich als arbeitsteiliges Handeln des Arztes und des Mitarbeiters des Klägers im Sinne einer qualitativ besseren Patientenversorgung dar.
7
Die Leistungen des Klägers wurden von der KVNo durch die Zahlung eines Pauschalbetrages pro Jahr, zahlbar in vierteljährlichen Raten, abgegolten.
8
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1993) erklärte der Kläger für den Bereich „ärztlicher Notdienst“ zunächst steuerpflichtige Umsätze und hiermit zusammenhängende Vorsteuerbeträge. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) folgte dem zunächst. Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung gelangte auch der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Umsätze des Klägers aus dem Bereich „ärztlicher Notdienst“ der Regelbesteuerung unterlägen, jedoch die hierauf entfallenden Vorsteuerbeträge zu erhöhen seien. Das FA folgte den Prüfungsfeststellungen, unterwarf die streitigen Umsätze des Klägers nach wie vor dem Regelsteuersatz, erhöhte aber die Vorsteuerbeträge und setzte die Umsatzsteuer 1993 durch Änderungsbescheid vom 23. September 2008 entsprechend herab.
9
Mit seinem hiergegen gerichteten Einspruch machte der Kläger geltend, seine Umsätze aus dem Bereich „ärztlicher Notdienst“ seien gemäß § 4 Nr. 18 bzw. § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerfrei, hilfsweise seien diese Umsätze gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
10
Das FG gab der Klage mit dem in „Entscheidungen der Finanzgerichte“ 2012, 2070 veröffentlichten Urteil statt und begründete sein Urteil im Wesentlichen wie folgt:
11
Die vom Kläger im Bereich „ärztlicher Notdienst“ ausgeführten Leistungen seien gemäß § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Der Kläger sei ein „amtlich anerkannter Verband der freien Wohlfahrtspflege“ i.S. des § 4 Nr. 18 UStG i.V.m. § 23 UStDV, der nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolge. Seine Leistungen seien dem begünstigten Personenkreis auch unmittelbar zugutegekommen. Der Kläger habe durch seine Hilfspersonen im Wesentlichen Leistungen ohne Zwischenschaltung Dritter –tatsächlich– an die Notfallpatienten und damit an nach seiner Satzung begünstigte Personen erbracht.
12
Außerdem könne sich der Kläger unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen.
13
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Zu deren Begründung trägt es im Wesentlichen vor, die Leistungen des Klägers seien nicht steuerfrei, weil sie den hilfesuchenden Notfallpatienten nicht „unmittelbar“ i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG zugutekämen. Zivilrechtlich sei der Kläger nur gegenüber der KVNo zur Ausführung der streitigen Leistungen verpflichtet gewesen. Die KVNo habe durch die Einschaltung des Klägers ihre eigene sich aus § 75 SGB V ergebende Verpflichtung zur Sicherstellung eines ärztlichen Notdienstes erfüllt. Der Kläger habe seine Leistungen auch nicht gegenüber den Notfallpatienten, sondern gegenüber der KVNo abgerechnet. Eine unmittelbare Leistungsbeziehung habe somit nur zwischen dem Kläger und der KVNo bestanden. Die Fahrbereitschaft des Klägers sei den Notfallpatienten nur mittelbar zugutegekommen.
14
Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15
Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

16
Zur Begründung seines Antrags trägt er vor, die streitigen Leistungen seien den Notfallpatienten unmittelbar i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG zugutegekommen. Da es sich um personenbezogene Leistungen gehandelt habe, seien sie tatsächlich gegenüber den Notfallpatienten erbracht worden. Auf die Frage, wer zivilrechtlich Vertragspartei sei, komme es nicht an.

Entscheidungsgründe

17
II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
18
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 18 UStG vorliegen.
19
1. Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 18 Satz 1 UStG

„die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und der der freien Wohlfahrtspflege dienenden Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die einem Wohlfahrtsverband als Mitglied angeschlossen sind, wenn

a) diese Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen,

b) die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung begünstigten Personenkreis zugutekommen und

c) die Entgelte für die in Betracht kommenden Leistungen hinter den durchschnittlich für gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen verlangten Entgelten zurückbleiben“.

20
Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG. Steuerfrei sind danach

„die eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen der Altenheime, durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen“.

21
2. Das vom Kläger ausgeführte Bündel von Leistungen in Gestalt des Bereitstellens der Notfallfahrzeuge einschließlich Fahrern, des Bereitstellens und des Betriebes einer Leitzentrale, der Annahme und Vermittlung eingehender Notfallrufe, des Führens schriftlicher Aufzeichnungen über die Tätigkeiten sowie der fernmündlichen Vermittlung von Konsiliarwünschen des Notfallarztes an Fachärzte, stellt einen einheitlichen, von § 4 Nr. 18 UStG umfassten Umsatz dar.
22
a) Zur Beantwortung der Frage, ob mehrere Leistungen steuerrechtlich zu nur einem Umsatz oder zu mehreren eigenständigen Umsätzen führen, gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), der sich der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen hat, folgende Grundsätze (vgl. BFH-Urteil vom 10. Januar 2013 V R 31/10, BFHE 240, 380, BStBl II 2013, 352; BFH-Beschluss vom 28. Oktober 2010 V R 9/10, BFHE 231, 360, BStBl II 2011, 360, m.w.N.):
23
aa) In der Regel ist jede Lieferung oder Dienstleistung als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist aber im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespaltet werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind.
24
bb) Einen einheitlichen Umsatz hat der EuGH für zwei Fallgruppen bejaht.
25
(1) Zum einen liegt eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 10. März 2011 C-497/09, Bog u.a., Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2011, 272 Rdnr. 54, m.w.N.).
26
(2) Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. z.B. EuGH-Urteil Bog u.a. in UR 2011, 272 Rdnr. 53, m.w.N.; EuGH-Beschluss vom 19. Januar 2012 C-117/11, Purple Parking Ltd. und Airpark Services Ltd., Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2012, 674 Rdnr. 29; EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 C-44/11, Deutsche Bank AG, BStBl II 2012, 945 Rdnr. 21).
27
b) Die hiernach erforderliche Gesamtbetrachtung aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ist im Wesentlichen das Ergebnis einer tatsächlichen Würdigung durch das FG, die den BFH grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindet (z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, m.w.N.). Das FG hat den Sachverhalt nicht im Hinblick auf diese Frage gewürdigt. Da das FG aber die hierfür erforderlichen Feststellungen getroffen hat, kann der Senat diese Würdigung selbst vornehmen (BFH-Urteil vom 21. Februar 2013 V R 10/12, BFH/NV 2013, 1635). Diese führt zur Annahme einer einheitlichen Leistung, weil die einzelnen Handlungen so eng mit dem Betrieb eines Notfalldienstes verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
28
3. Die nur subsidiär eingreifende Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 18 UStG ist vorliegend anwendbar, weil andere, speziellere Steuerbefreiungen nach der Art der im Streitfall erbrachten Leistungen nicht einschlägig sind.
29
a) Der EuGH hat im Urteil vom 15. November 2012 C-174/11, Zimmermann (UR 2013, 35 Rdnr. 58) entschieden, dass das nationale Recht im Rahmen der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG keine sachlich unterschiedlichen Bedingungen für Einrichtungen mit Gewinnerzielungsabsicht einerseits und für die unter § 4 Nr. 18 UStG fallenden juristischen Personen ohne Gewinnerzielungsabsicht andererseits vorsehen darf. Zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den durch das EuGH-Urteil Zimmermann in UR 2013, 35 präzisierten unionsrechtlichen Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer ist § 4 Nr. 18 UStG daher teleologisch dahingehend einzuschränken, dass eine andere nationale Regelung des § 4 UStG, die eine steuerbefreite Leistung genau bezeichnet (wie z.B. § 4 Nr. 14 und § 4 Nr. 16 UStG), der Steuerbefreiung in § 4 Nr. 18 UStG als lex specialis vorgeht. Eine derartige durch den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 UStG begrenzte Wirkung des § 4 Nr. 18 UStG kommt aber nur in Betracht, wenn die betreffenden Leistungen –hier die des Klägers– im Falle ihrer Ausführung durch privatrechtliche Einrichtungen mit Gewinnstreben ihrer Art nach von § 4 Nr. 16 Buchst. e UStG umfasst werden könnten. Das ist vorliegend nicht der Fall, weil der Betrieb eines ärztlichen Notfalldienstes unter keinem Gesichtspunkt von § 4 Nr. 16 UStG umfasst werden kann.
30
b) Liegen nach nationalem Recht die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung vor und ist deren Versagung durch eine noch mit dem Wortlaut zu vereinbarende richtlinienkonforme enge Auslegung nicht möglich, kann sich der Steuerpflichtige auf die ihm günstigere nationale Regelung berufen (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2007 V R 55/03, BFHE 217, 48, BStBl II 2008, 31).
31
4. Das ist vorliegend der Fall, denn die Tatbestandsmerkmale des § 4 Nr. 18 UStG sind erfüllt.
32
a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger, der Mitglied in einem „amtlich anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege“ i.S. des § 4 Nr. 18 UStG i.V.m. § 23 UStDV ist, nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolgt.
33
b) Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, dass die gemäß § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG erforderliche Unmittelbarkeit vorliegt.
34
aa) Das Merkmal der Unmittelbarkeit i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG ist nach der Rechtsprechung des BFH leistungsbezogen auszulegen. Daher muss die Leistung dem nach der Satzung begünstigten Personenkreis selbst unmittelbar und nicht nur mittelbar zugutekommen (BFH-Urteile vom 7. November 1996 V R 34/96, BFHE 181, 532, BStBl II 1997, 366; vom 18. März 2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798, jeweils Leitsatz 1; vom 15. September 2011 V R 16/11, BFHE 235, 521).
35
bb) Entscheidend ist dabei, dass es sich um personenbezogene Leistungen handelt, die unmittelbar den begünstigten Personen zugutekommen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 532, BStBl II 1997, 366, unter II.2.c; vom 23. Juli 2009 V R 93/07, BFHE 226, 435, BFH/NV 2009, 2073, unter II.3.b; in BFHE 235, 521). Für das unmittelbare Zugutekommen kommt es nicht darauf an, wer Vertragspartner ist. Entscheidend ist, dass die Leistungen ohne Zwischenschaltung Dritter –tatsächlich– an die nach der Satzung begünstigten Personen selbst erbracht werden (BFH-Urteil in BFHE 235, 521).
36
cc) Das ist vorliegend ungeachtet der schuldrechtlichen Vertragsbeziehungen der Fall. Nach den Feststellungen des FG nahm die vom Kläger eingerichtete Leitzentrale Anrufe von Notfallpatienten entgegen und leitete diese an die jeweils diensthabenden Ärzte weiter. Für die Notfallpatienten waren die Mitarbeiter des Klägers durch Entgegennahme der Notfallanrufe damit die erste Ansprechstation. Mit vom Kläger eingesetzten Fahrern, bei denen es sich um ausgebildete Rettungshelfer unter Einsatz von Zivildienstleistenden handelte, und mit den hierfür vom Kläger bereitgestellten Fahrzeugen wurde der jeweils diensthabende Arzt in seiner Wohnung oder Praxis abgeholt und zu den Notfallpatienten gebracht. Auf Wunsch des Arztes begleiteten die Fahrer diesen in die Patientenwohnung, um ihm zu assistieren. Waren zur Versorgung der Patienten weitere Hilfsmittel (insbesondere Kranken- oder Rettungswagen) erforderlich, so konnten diese ebenfalls über die Leitzentrale angefordert werden. Mit all diesen Handlungen, die sich nach den Feststellungen des FG nicht auf die bloße Organisation und Durchführung der Beförderung der diensthabenden Ärzte zu den Notfallpatienten beschränkten, wurde der Kläger bzw. das von ihm eingesetzte Personal unmittelbar gegenüber den Patienten tätig. Nach den Feststellungen des FG trat der Kläger mit seinen Hilfspersonen in mehrfacher Hinsicht unmittelbar, im eigenen Namen und zusätzlich zu der jeweiligen Behandlungsleistung des diensthabenden Notarztes gegenüber den Patienten in Erscheinung.
37
dd) Das Urteil des XI. Senats vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08 (BFHE 232, 232) steht dieser Beurteilung schon deshalb nicht entgegen, weil es zur Frage der Unmittelbarkeit i.S. von § 4 Nr. 18 UStG keine Aussage getroffen hat, weil der Kläger in jenem Verfahren schon kein amtlich anerkannter Verband der freien Wohlfahrtspflege war.
38
c) Der Steuerbefreiung steht die Regelung des § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG nicht entgegen.
39
Es liegt schon deshalb kein Verstoß gegen das sog. Abstandsgebot vor, weil nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) die vom Kläger an die KVNo ausgeführten Leistungen von keinem Erwerbsunternehmen, das seine Umsätze nach kaufmännischen Grundsätzen kalkuliert, angeboten wurden. Zu Recht hat das FG entschieden, dass ein Preisvergleich i.S. von § 4 Nr. 18 Buchst. c UStG voraussetzt, dass nach Art und Umfang gleichartige Leistungen von Erwerbsunternehmen überhaupt angeboten werden (ebenso Hölzer in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 18 Rz 41).
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d) Es kommt schließlich auch nicht darauf an, ob die Zweckbetriebsvoraussetzungen nach § 66 AO vorliegen. Wie der Senat bereits ausdrücklich entschieden hat, wird das Merkmal der Unmittelbarkeit durch die jeweiligen Leistungsbeziehungen bestimmt, so dass Erwägungen des Gemeinnützigkeitsrechts der AO zur Auslegung des § 4 Nr. 18 UStG insoweit nicht heranzuziehen sind (BFH-Urteile in BFHE 235, 521; vom 18. Oktober 1990 V R 35/85, BFHE 162, 502, BStBl II 1991, 157, unter II.2.c). Denn § 4 Nr. 18 UStG schließt wirtschaftliche Geschäftsbetriebe nicht von der Steuerfreiheit aus, so dass es für die Steuerfreiheit –anders als für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG– auch nicht entsprechend § 64 Abs. 1 AO auf eine Zweckbetriebseigenschaft ankommt. Soweit sich aus Abschn. 103 Abs. 12 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1996/2000 (jetzt Abschn. 4.18.1 Abs. 12 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) Abweichendes ergeben sollte, schließt sich der Senat dem nicht an.

EU-Kommission verklagt Schweden wegen Mehrwertsteuer auf Postdienstleistungen

Die Europäische Kommission hat beschlossen, Schweden wegen der Anwendung von Mehrwertsteuer auf bestimmte Postdienstleistungen beim Gerichtshof zu verklagen. Schweden besteuert bestimmte Dienstleistungen, die nach den EU-Vorschriften von der Mehrwertsteuer befreit sein sollten.

Nach der Mehrwertsteuerrichtlinie der EU sind von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und der Verkauf von Postwertzeichen von der Mehrwertsteuer befreit. Der Gerichtshof hat klargestellt, dass die Befreiung von der Mehrwertsteuer für jeden Anbieter postalischer Universaldienste gilt, unabhängig davon, ob es sich um einen öffentlichen oder einen privaten Betreiber handelt (Rechtssache C-357/07). Dies ist jedoch auf den „Universaldienst“ beschränkt. Dienstleistungen, die einzelvertraglich ausgehandelt wurden, dürfen nicht von der Mehrwertsteuer befreit werden.

In Schweden sind Postdienstleistungen nicht mehrwertsteuerfrei. Jeder Betreiber, auch derjenige, der den Universaldienst erbringt, ist verpflichtet, Mehrwertsteuer in Rechnung zu stellen. Somit hat es Schweden versäumt, eine im EU-Recht vorgesehene Steuerbefreiung anzuwenden.

Hintergrund

Die Kommission hat im Juli 2007 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Schweden gerichtet (IP/07/1164), dann aber das Verfahren ausgesetzt, um das Urteil in der Rechtssache C-357/07 abzuwarten. Da nunmehr feststeht, dass Schweden das EU-Recht in der Auslegung des Gerichtshofs nicht einhält, hat die Kommission beschlossen, den Gerichtshof mit der Angelegenheit zu befassen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 20.11.2013

Umsatzsteuerbefreiung für die der Reimplantation körpereigener Knorpelzellen dienenden Dienstleistungen

Veröffentlichung des BFH-Urteils XI R 52/07 vom 29.06.2011

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 3 – S-7170 / 11 / 10005 vom 20.11.2013

I.

Mit Urteil vom 29. Juni 2011, XI R 52/07 (BStBl 2013 II S. xxx. Das Urteil wird zeitgleich mit diesem Schreiben im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.), hat der BFH entschieden, dass die Umsätze aus dem Herauslösen von Gelenkknorpelzellen aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial und ihre anschließende Vermehrung zur Reimplantation zu therapeutischen Zwecken nach § 4 Nr. 14 UStG in der im Streitjahr 2002 geltenden Fassung von der Umsatzsteuer befreit sind. Voraussetzung hierfür sei, dass diese Tätigkeiten von Ärzten oder im Rahmen eines arztähnlichen Berufs ausgeübt werden.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder sind die Grundsätze dieses Urteils nur für Umsätze anzuwenden, die bis zum 31. Dezember 2008 erbracht wurden. Nach Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG zum 1. Januar 2009 sind Labordienstleistungen, die von Ärzten oder im Rahmen der Ausübung eines ärztlichen Berufs erbracht werden, nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei.

Mit Urteil vom 18. November 2010, C-156/09 (Verigen Transplantation Service International AG) (EuGHE I S 11733), hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) auf das dem o. g. Urteil des BFH vorangegangene Vorabentscheidungsersuchen entschieden, dass Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie (seit 1. Januar 2007: Artikel 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL) dahin auszulegen ist, dass das Herauslösen von Gelenkknorpelzellen aus dem einem Menschen entnommenen Knorpelmaterial und ihre anschließende Vermehrung zur Reimplantation aus therapeutischen Zwecken eine „Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin“ im Sinne dieser Bestimmung ist.

Damit folgt der EuGH seiner Entscheidung vom 8. Juni 2006, C-106/05 (EuGHE I 2006 S. 5123), wonach ein Laborarzt mit medizinischen Analysen, die der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienen (Laboruntersuchungen), der Art nach „ärztliche Heilbehandlungen“ i. S. von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b bzw. „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ i. S. von Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie (seit 1. Januar 2007: Artikel 132 Abs. 1 Buchst. b bzw. c MwStSystRL) erbringt.

Der EuGH ist jedoch nicht von seiner früheren gefestigten Rechtsprechung, abgewichen, wonach er die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nach Artikel 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL von den ärztlichen Heilbehandlungen, die nach Artikel 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erbracht werden, nach dem Ort abgrenzt, an dem die Leistungen erbracht werden. Nach Artikel 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL sollen Leistungen steuerfrei sein, die außerhalb von Krankenhäusern (oder ähnlichen Einrichtungen) im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses erbracht werden, sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort, für alle anderen ärztlichen Leistungen soll Artikel 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL eingreifen.

Nach den Ausführungen im BFH-Urteil vom 15. März 2007, V R 55/03 (BStBl 2008 II S. 31), lässt sich diese unionsrechtlich zugrunde liegende Systematik nicht im Wege der Auslegung auf § 4 Nr. 14 UStG in der bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Fassung übertragen, da die nationale Rechtslage diesem Ansatz schon dem Grunde nach nicht folgt. Da § 4 Nr. 14 UStG a. F. hinsichtlich der Steuerbefreiung in erster Linie an den Beruf anknüpfte und nicht an den Ort der Leistung, konnten sich Laborärzte sowie Laboreinrichtungen auf das für sie günstigere nationale Recht, d. h. § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a. F., berufen.

Durch das Jahressteuergesetz 2009 wurde § 4 Nr. 14 UStG insgesamt neu gefasst. Dabei wurde auch die im Artikel 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL zugrunde liegende Systematik zur Abgrenzung der Steuerbefreiung nach dem Ort der Leistung berücksichtigt. Für ab dem 1. Januar 2009 getätigte Umsätze ist nunmehr Kriterium für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 4 Nr. 14 Buchst. a und b UStG weniger die Art der Leistung, sondern vielmehr der Ort ihrer Erbringung. Eine Steuerbefreiung der Leistungen von Laborärzten oder klinischen Chemikern kommt deshalb für ab dem 1. Januar 2009 erbrachte Leistungen nur noch unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in Betracht.

Dieser Auffassung widerspricht auch nicht, dass eine medizinisch-technische Assistentin für Funktionsdiagnostik, wie vom BFH im Urteil vom 29. Januar 1998, V R 3/96 (BStBl II S. 453), entschieden, eine steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erbringt. Denn im Gegensatz zu einem Laborarzt erbringt diese ihre Leistungen in einem persönlichen Vertrauensverhältnis zum Patienten, so dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG insoweit erfüllt sind.

II.

Zur Klarstellung wird Abschnitt 4.14.4 Abs. 11 siebenter Spiegelstrich des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 15. November 2013 – IV D 3 – S 7172/08/10001 (2013/1017781), BStBl I S. xxxx – geändert worden ist, wie folgt gefasst:

„- auf dem Gebiet der Humanmedizin selbständig tätige medizinisch-technische Assistentinnen für Funktionsdiagnostik und medizinisch-technische Assistenten für Funktionsdiagnostik (Gesetz über technische Assistenten der Medizin – MTAG – vgl. BFH-Urteil vom 29. 1. 1998, V R 3/96, BStBl II S. 453);“

Die Grundsätze in Teil I dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Teil II ist inhaltlich auf nach dem 31. Dezember 2008 ausgeführte Umsätze anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF

Zweifelsfragen zum Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 bis 4 und 7 EStG

Das BMF hat nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung von § 7g Abs. 1 bis 4 und 7 EStG in der Fassung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I S. 1912) zu folgenden Punkten Stellung genommen:

I. Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen (§ 7g Abs. 1 EStG)

  1. Begünstigte Betriebe
  2. Begünstigte Wirtschaftsgüter
  3. Höhe des Investitionsabzugsbetrages
  4. Betriebsgrößenmerkmale nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG
  5. Beabsichtigte Anschaffung oder Herstellung des begünstigten Wirtschaftsgutes (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 EStG)
    1. Inanspruchnahme vom Investitionsabzugsbeträgen in der Steuererklärung vor der erstmaligen Steuerfestsetzung
    2. Wiederholte Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen für bestimmte Investitionen
    3. Investitionsabzugsbeträge im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe
    4. Inanspruchnahme oder Erhöhung von Investitionsabzugsbeträgen nach der erstmaligen Steuerfestsetzung
    5. Investitionsabzugsbeträge in Jahren vor Abschluss der Betriebseröffnung
    6. Investitionsabzugsbeträge bei wesentlicher Erweiterung eines bestehenden Betriebes
    7. Benennung des Wirtschaftsgutes der Funktion nach (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG)
  6. Voraussichtliche Verwendung des begünstigten Wirtschaftsgutes (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EStG)
  7. Summe der Investitionsabzugsbeträge (§ 7g Abs. 1 Satz 4 EStG)

II. Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrages bei planmäßiger Durchführung der Investition und gleichzeitige gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 7g Abs. 2 EStG)

  1. Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrages (§ 7g Abs. 2 Satz 1 EStG)
  2. Minderung der Anschaffungs-oder Herstellungskosten (§ 7g Abs. 2 Satz 2 EStG)

III. Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages (§ 7g Abs. 3 EStG)

  1. Die begünstigte Investition wird nicht durchgeführt
  2. Anschaffung oder Herstellung eines nicht funktionsgleichen Wirtschaftsgutes
  3. Wechsel der Gewinnermittlungsart
  4. Freiwillige Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrages

IV. Nichteinhaltung der Verbleibens-und Nutzungsfristen (§ 7g Abs. 4 EStG)

  1. Schädliche Verwendung der Investition im Sinne von § 7g Abs. 4 Satz 1 EStG
  2. Erforderliche Änderungen der betroffenen Steuerfestsetzungen

V. Buchtechnische und verfahrensrechtliche Grundlagen

  1. Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 1 EStG im Abzugsjahr
  2. Gewinnhinzurechnung und gewinnmindernde Herabsetzung der Anschaffungs-/Herstellungskosten nach § 7g Abs. 2 EStG im Investitionsjahr
  3. Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 3 oder 4 EStG
  4. Auswirkungen der Rückgängigmachung von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g Abs. 3 oder 4 EStG auf Steuerrückstellungen

VI. Zeitliche Anwendung

Das Schreiben im Volltext finden Sie auf der Homepage des BMF.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 6 – S-2139-b / 07 / 10002 vom 20.11.2013

Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG; Leistungen nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG)

Gemäß § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG und § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG benötigen kulturelle Einrichtungen und Bildungseinrichtungen des privaten Rechts für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde.

Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt auch die Bescheinigung bzw. die einer solchen Bescheinigung inhaltlich entsprechende staatliche Anerkennung durch eine andere nach Landesrecht zuständige Behörde als eine entsprechende Bescheinigung.

Lehrgänge zum Erwerb der Grundqualifikation nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 BKrFQG, der beschleunigten Grundqualifikation nach § 4 Abs. 2 BKrFQG sowie die in § 5 BKrFQG vorgeschriebenen Weiterbildungskurse können von Fahrschulen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BKrFQG) sowie von anderen anerkannten Ausbildungseinrichtungen (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Abs. 2 BKrFQG) erbracht werden.

Die von Fahrschulen erbrachten Kurse nach dem BKrFQG sind umsatzsteuerfrei. Als Bescheinigung i. S. d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG für den Nachweis, dass Fahrschulen ordnungsgemäß auf einen Beruf vorbereiten, gilt i. d. R. die Fahrschulerlaubnis (vgl. Abschnitt 4.21.2 Abs. 6 Satz 6 und 7 UStAE). Die Anerkennung von anderen Ausbildungsstätten durch eine nach Landesrecht zuständige Behörde gilt nunmehr ebenfalls als Bescheinigung i. S. d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.

Dementsprechend wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 20. November 2013 – IV D 3 – S 7170/11/10005 (2013/1053873), BStBl I S. XXX, geändert worden ist, wie folgt geändert:

  1. In Abschnitt 4.20.5 Abs. 1 wird der Verweis in Satz 1 wie folgt gefasst:
    „Abschnitt 4.21.5 Abs. 2, 3 und 6„.
  2. In Abschnitt 4.21.2 Abs. 6 wird wie folgt geändert:
    1. ) Nach Satz 7 wird folgender neuer Satz 8 eingefügt:

      8Bei nach § 7 Abs. 2 BKrFQG anerkannten Ausbildungsstätten gilt die durch eine nach Landesrecht zuständige Behörde erfolgte staatliche Anerkennung als Ausbildungsstätte gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 5 BKrFQG ebenfalls als Bescheinigung im Sinne des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG.

    2. Der bisherige Satz 8 wird neuer Satz 9.
  3. In Abschnitt 4.21.5 wird folgender neuer Absatz 6 angefügt:

    (6) 1Die Bescheinigung durch eine nach Landesrecht zuständige untergeordnete Behörde gilt als eine nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde. 2Das Gleiche gilt für die staatliche Anerkennung der Bildungseinrichtungen durch eine nach Landesrecht zuständige Behörde, wenn diese Anerkennung inhaltlich der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde entspricht.

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für vor dem 1. Januar 2014 erbrachte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen abweichend von den Abschnitten 4.20.5 Satz 1, 4.21.2 Abs. 6 Satz 8 und 4.21.5 Abs. 6 UStAE umsatzsteuerpflichtig behandelt. Das gilt im Fall der entsprechenden Rechnungsstellung auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 3 – S-7179 / 07 / 10012 vom 21.11.2013

Umsatzsteuer – Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle

BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-7203 / 07 / 10002 :004 vom 21.11.2013

Kurzfassung

Das BMF-Schreiben ersetzt das Schreiben vom 20. September 2012. Es teilt die Überarbeitungen mit, die die Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle und die Grundsätze des tauschähnlichen Umsatzes betreffen.

Das Schreiben geht ausführlich auf die folgenden Punkte ein:

  1. Tauschähnlicher Umsatz bei der Entsorgung werthaltiger Abfälle
  2. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
  3. Anwendungsregelung

Das vollständige Schreiben finden Sie auf den Seiten des BMF.

I. Tauschähnlicher Umsatz bei der Entsorgung werthaltiger Abfälle
Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen – Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) – sind Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Abfälle in diesem Sinne sind nach den Vorgaben des KrWG zu ver-werten oder zu beseitigen. Daneben bestehen für bestimmte Abfallgruppen besondere Entsor-gungspflichten aufgrund einzelgesetzlicher Regelungen z. B. für Altfahrzeuge, Altglas, Altholz, Altöl, Bioabfall, gebrauchte Batterien und Akkumulatoren, gewerblichen Abfall, Elektro- und Elektronikgeräte, Klärschlamm, Verpackungen und tierische Nebenprodukte.
Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt hin-sichtlich der Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle Folgendes:
1. Beauftragt ein Abfallerzeuger oder -besitzer einen Dritten mit der ordnungsgemäßen Ent-sorgung seines Abfalls, erbringt der Dritte mit der Übernahme und Erfüllung der Entsor-gungspflicht eine sonstige Leistung i. S. von § 3 Abs. 9 UStG, sofern der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Ist dem zur Entsorgung überlassenen Abfall ein wirtschaftlicher Wert beizumessen (sog. werthaltiger Abfall), liegt ein tausch-ähnlicher Umsatz (Entsorgungsleistung gegen Lieferung des Abfalls) – ggf. mit Barauf-gabe – vor, wenn nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Vertragspartner
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• der überlassene Abfall die Höhe der Barvergütung für die Entsorgungsleistung oder
• die übernommene Entsorgung die Barvergütung für die Lieferung des Abfalls
beeinflusst hat (vgl. Abschnitt 10.5 Abs. 2 UStAE).
2. Entsorgungsleistung von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung
Eine Entsorgungsleistung von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung liegt vor, wenn Vereinbarungen über die Aufarbeitung oder Entsorgung der Abfälle getroffen wurden. Nicht ausreichend ist, dass sich der Entsorger allgemein zur Einhaltung abfallrechtlicher Normen (z. B. Einhaltung vorgeschriebener Verwertungsquoten) verpflichtet hat oder ein Entsorgungsnachweis ausgestellt wird.
a) Leistet der Entsorger dem Abfallerzeuger oder -besitzer eine Vergütung für den gelie-ferten Abfall, ohne dass der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ist von einer bloßen Abfalllieferung durch den Abfallerzeuger/-besitzer an den Entsorger auszugehen.
b) Haben Abfälle einen positiven Marktwert und werden sie unmittelbar in Produktions-prozessen z. B. als Roh- oder Brennstoff eingesetzt, steht im Falle ihrer Veräußerung nicht die Entsorgungsleistung im Vordergrund, selbst wenn die Stoffe ihre Abfall-eigenschaft noch nicht verloren haben. Gleiches gilt für bereits sortenrein gesammelte Produktionsabfälle.
Beispiele hierfür sind sortiertes und gepresstes Papier, sortierte Kunststoffe, sortier-tes Glas, Fluff, Lösemittel, Schrotte und sortiertes Altholz sowie sortenrein erfasste oder behandelte Altöle bzw. Öl-Wasser-Gemische und Emulsionen. Weitere Beispiele sind Klärschlammasche, edelmetallhaltige Katalysatoren, kupfer- und blei-haltiger Schlamm, silberhaltige Schlacke.
c) Auch beim Handel mit den unter b) genannten Produkten liegt keine Entsorgungsleis-tung vor. Ein tauschähnlicher Umsatz scheidet daher aus, selbst wenn die Materialien einer besonderen Behandlung (wie z. B. Zerkleinern und Verpressen) unterzogen werden, unabhängig davon, ob dadurch die Materialqualität oder -reinheit wesentlich verbessert wird oder nicht.
3. Beeinflussung der Barvergütung
Kommt der Entsorgungsleistung nach den Grundsätzen in Tz. 2 eine eigenständige wirt-schaftliche Bedeutung zu, ist aus Vereinfachungsgründen eine zum tauschähnlichen Umsatz führende Beeinflussung der Barvergütung durch den überlassenen Abfall grund-sätzlich nur anzunehmen,
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a) wenn die Beteiligten ausdrücklich hierauf gerichtete Vereinbarungen getroffen, also neben dem Entsorgungsentgelt einen bestimmten Wert für eine bestimmte Menge der überlassenen Abfälle vereinbart haben,
b) oder die wechselseitige Beeinflussung auf Grund der getroffenen Vereinbarungen offensichtlich ist. Hiervon ist nur in folgenden Fällen auszugehen:
aa) Es wird vertraglich die Anpassung des ursprünglich ausdrücklich vereinbarten Entsorgungsentgelts an sich ändernde Marktverhältnisse für den übernommenen Abfall ausbedungen (sog. Preisanpassungsklauseln). Preisanpassungsklauseln, die nur Auswirkungen für zukünftige Umsätze haben, sind insoweit ohne Bedeutung.
Beispiel 1:
Unternehmer U1 übernimmt gegenüber dem Reifenservice R die Entsorgung von Altreifen. R zahlt U1 einen Preis von 2,- € je übernommenen Altreifen. Bei einer Veränderung des Preis-indexes von Stahl oder Gummigranulat im Vergleich zu den Verhältnissen bei Vertragsabschluss sind beide Beteiligten berechtigt, diesen Preis um 50 % der Indexveränderung anzupassen.
bb) Das nach Art und Menge bestimmte Entsorgungsentgelt ändert sich in Abhän-gigkeit von der Qualität der überlassenen Abfälle.
Beispiel 2:
Unternehmer U2 übernimmt gegenüber dem Bauunternehmer B die Entsorgung von Baustellen-mischabfällen. Die Beteiligten vereinbaren einen Grundpreis von 250,- € je Fuhre, welcher sich ab einem bestimmten Metall- und Folienanteil im Abfall um 50,- € reduziert.
cc) Es wird eine (Mehr-)Erlösverteilungsabrede getroffen.
Beispiel 3:
Unternehmer U3 übernimmt gegenüber dem Reifenhersteller R die Entsorgung von Fehlproduk-tionen und Materialresten für 80,- € je Tonne. Die Beteiligten verabreden, dass R an den von U3 bei der Veräußerung von daraus gewonnenem Gummigranulat und Stahl erzielten Erlösen zu 25 % beteiligt wird.
4. Sofern in den unter 3. b) genannten Fällen weder die Barvergütung einen Betrag von 50,- € je Umsatz noch die entsorgte Menge ein Gewicht von 100 kg je Umsatz übersteigt, braucht das Vorliegen eines tauschähnlichen Umsatzes aus Vereinfachungsgründen nicht geprüft zu werden.
Beispiel 4:
U4 übernimmt die Entsorgung des bei der Buchhaltungsfirma B anfallenden Altpapiers. Er ent-sorgt dort eine Menge von max. 20 kg Altpapier und berechnet hierfür 10,- €. Da die für B entsorgte Menge das Gewicht von 100 kg je Abholung nicht übersteigt und die Ent-
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gelte hierfür 50,- € je Abholung nicht übersteigen, ist es aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, wenn die Beteiligten keinen tauschähnlichen Umsatz angenommen und nur die Entsorgungsleistung des U4 der Besteuerung unterworfen haben.
Beispiel 5:
U5 betreibt einen Abholservice für bestimmten Schrott und unbrauchbare Haushaltsgeräte, wie Waschmaschinen, Wäschetrockner und Geschirrspüler. Er bietet seinen Service privaten Haus-halten kostenlos an. Daneben führt er unentgeltlich Altkleidersammlungen in Wohngebieten durch. Soweit das Gewicht des Abfalls je Abholung und Haushalt 100 kg nicht übersteigt, ist es aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, wenn die Beteiligten ohne weitere Prüfung nur eine Entsorgungsleistung annehmen, die jedoch mangels Entgelt nicht steuerbar ist.
5. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt insbesondere nicht vor,
a) im Falle sog. Umleersammeltouren (z. B. Leerung von Altpapiertonnen, Austausch bzw. Leerpumpen von Altölsammelbehältern), bei denen die Menge des im Einzelfall abgelieferten Abfalls und seine Zusammensetzung und Qualität nicht festgestellt werden; hier ist davon auszugehen, dass eine wechselseitige Beeinflussung von Bar-vergütung und Entsorgungsleistung und damit ein tauschähnlicher Umsatz nicht vor-liegt.
b) in den Fällen, in denen die Werthaltigkeit von zur Entsorgung überlassenen Abfällen erst später festgestellt werden kann, ohne dass sich hierdurch Auswirkungen auf die Höhe der Vergütung bereits getätigter Umsätze ergeben; eine Berücksichtigung der Werthaltigkeit der Abfälle beim Abschluss zukünftiger Entsorgungsverträge ist für bereits ausgeführte Umsätze unschädlich.
c) wenn Nebenerzeugnisse oder Abfälle im Rahmen von Gehaltslieferungen i. S. des § 3 Abs. 5 UStG zurückgenommen werden; hier fehlt es an einer Lieferung von Abfall.
Beispiel 6:
U6 liefert zum Preis von 4,10 € je Dezitonne Zuckerrüben an die Zuckerfabrik Z und behält sich die Rückgabe der bei der Zuckerproduktion anfallenden Rübenschnitzel für Fütterungszwecke vor. Es handelt sich lediglich um eine (Gehalts-)Lieferung des U6 an Z (Entgelt 4,10 € je Dezitonne). Z erbringt keine Lieferung von Abfall in Form von Rübenschnitzeln, weil diese nicht am Leis-tungsaustausch teilgenommen haben und somit nicht Gegenstand der Gehaltslieferung des U6 geworden sind.
d) wenn das angekaufte Material ohne weitere Behandlung marktfähig (z. B. an einer Rohstoffbörse handelbar) ist, auch keiner gesetzlichen Entsorgungsverpflichtung mehr unterliegt und damit seine Eigenschaft als Abfall verloren hat. Da in diesem Fall das Material nur noch den Status eines normalen Handelsguts hat, kann davon ausge-gangen werden, dass ggf. erforderliche Transport- oder Sortierleistungen ausschließ-
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lich im eigenen unternehmerischen Interesse des Erwerbers ausgeführt werden und keine Entsorgungsleistung vorliegt.
Beispiel 7:
U7 erwirbt von verschiedenen Entsorgern unsortierte Altbleche, welche er nach Reinigung und Zerkleinerung einer elektrolytischen Entzinnung unterzieht. Das dabei gewonnene Eisen ver-äußert U7 an Stahlbearbeitungsbetriebe, das anfallende Zinn an Zinnhütten. Bei dem von U7 aus dem Altblechabfall zurück gewonnenen Zinn und Eisen handelt es sich um Rohstoffe für die weiterverarbeitende Industrie, die keiner gesetzlichen Entsorgungspflicht (mehr) unterliegen und deshalb nicht als Abfall anzusehen sind. Zwischen U7 und seinen Ab-nehmern finden keine tauschähnlichen Umsätze, sondern ausschließlich Rohstofflieferungen statt.
e) wenn bei der Entsorgung der Abfälle die werthaltigen Bestandteile (z. B. Edelmetalle) im Eigentum des Abfallerzeugers verbleiben und Barvergütungen für diese Entsor-gungsleistungen gesondert abgerechnet werden.
6. Für die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes ist es nicht erforderlich, dass beide Beteiligte Unternehmer sind bzw. die Abgabe des Abfalls im unternehmerischen Bereich erfolgt; dies ist jedoch für die ggf. erforderliche gegenseitige Rechnungsstellung sowie für die Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 7 i. V. mit Abs. 5 Satz 1 UStG von Bedeutung, wenn der überlassene Abfall zu den Gegenständen i. S. der Anlage 3 zum UStG gehört (vgl. Abschnitt 13b.4 UStAE).
7. Im Falle eines tauschähnlichen Umsatzes ist der Wert des hingegebenen Abfalls Bemes-sungsgrundlage für die erbrachte Entsorgungsleistung. Bemessungsgrundlage für die Lie-ferung des Abfalls ist der Wert der Gegenleistung (Entsorgungsleistung). Baraufgaben sind zu berücksichtigen; eine ggf. enthaltene Umsatzsteuer ist stets herauszurechnen. Auf Abschnitt 10.5 UStAE wird hingewiesen.
Der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung des Wertes der gelieferten Abfälle ist der Zeitpunkt der Übergabe an den Entsorger. Dabei ist nicht auf die einzelnen Inhaltsstoffe abzustellen, d. h. der Wert muss dem Abfall im Zeitpunkt der Überlassung als solchem zukommen. Spätere Bearbeitungsschritte (Bündelung, Sortierung, Aufbereitung usw.) durch den Entsorger sind bei der Wertermittlung außer Betracht zu lassen.
Es bestehen keine Bedenken, dem zwischen den Beteiligten vereinbarten Wert der zur Entsorgung übergebenen Abfälle auch für umsatzsteuerrechtliche Zwecke zu folgen, sofern dieser Wert nicht offensichtlich unzutreffend erscheint.
8. Verändert sich der Marktpreis für die zu entsorgenden Abfälle nach Abschluss des Entsorgungs- und Liefervertrags, hat dies zunächst keine Auswirkung auf die Ermittlung
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der Bemessungsgrundlagen für die tauschähnlichen Umsätze und die Rechnungsstellung. Für diese Zwecke ist vielmehr so lange auf den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblichen Wert abzustellen, bis dieser durch eine Vertragsänderung oder durch Änderung der Bemessungsgrundlage, z. B. auf Grund einer vereinbarten Preisanpassungsklausel oder einer vereinbarten Mehr- oder Mindererlösbeteiligung, angepasst wird.
II.Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 21. November 2013 – IV D 3 – S 7179/07/10012 (2013/1068610), BStBl I S. XXX, geändert worden ist, wie folgt geändert:
1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:
Nach der Angabe „3.15. Dienstleistungskommission (§ 3 Abs. 11 UStG)“ wird die
Angabe „3.16. Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle“ eingefügt.
2. Nach Abschnitt 3.15 wird folgender Abschnitt 3.16 eingefügt:
„3.16. Leistungsbeziehungen bei der Abgabe werthaltiger Abfälle
(1) 1Beauftragt ein Abfallerzeuger oder -besitzer einen Dritten mit der ordnungsgemäßen Entsorgung seines Abfalls, erbringt der Dritte mit der Übernahme und Erfüllung der Entsorgungspflicht eine sonstige Leistung i. S. von § 3 Abs. 9 UStG, sofern der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. 2Ist dem zur Entsorgung überlassenen Abfall ein wirtschaftlicher Wert beizumessen (sog. werthaltiger Abfall), liegt ein tauschähnlicher Umsatz (Entsorgungsleistung gegen Lieferung des Abfalls) – ggf. mit Baraufgabe – vor, wenn nach den übereinstimmenden Vorstellungen der Ver-tragspartner
– der überlassene Abfall die Höhe der Barvergütung für die Entsorgungsleistung oder
– die übernommene Entsorgung die Barvergütung für die Lieferung des Abfalls
beeinflusst hat (vgl. Abschnitt 10.5 Abs. 2).
Entsorgungsleistung von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung
(2) 1Eine Entsorgungsleistung von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung liegt vor, wenn Verein-barungen über die Aufarbeitung oder Entsorgung der Abfälle getroffen wurden. 2Nicht ausreichend ist, dass sich der Entsorger allgemein zur Einhaltung abfallrechtlicher Normen (z. B. Einhaltung vorge-schriebener Verwertungsquoten) verpflichtet hat oder ein Entsorgungsnachweis ausgestellt wird. 3Leistet der Entsorger dem Abfallerzeuger oder -besitzer eine Vergütung für den gelieferten Abfall, ohne dass der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ist von einer bloßen Abfall-lieferung durch den Abfallerzeuger/-besitzer an den Entsorger auszugehen. 4Haben Abfälle einen posi-tiven Marktwert und werden sie unmittelbar in Produktionsprozessen z. B. als Roh- oder Brennstoff eingesetzt, steht im Falle ihrer Veräußerung nicht die Entsorgungsleistung im Vordergrund, selbst wenn die Stoffe ihre Abfalleigenschaft noch nicht verloren haben. 5Gleiches gilt für bereits sortenrein gesam-melte Produktionsabfälle. 6Auch beim Handel mit derartigen Produkten liegt keine Entsorgungsleistung vor.
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Beeinflussung der Barvergütung
(3) 1Auch wenn der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, ist aus Vereinfachungsgründen eine zum tauschähnlichen Umsatz führende Beeinflussung der Barvergütung durch den überlassenen Abfall grundsätzlich nur anzunehmen,
1. wenn die Beteiligten ausdrücklich hierauf gerichtete Vereinbarungen getroffen, also neben dem Entsorgungsentgelt einen bestimmten Wert für eine bestimmte Menge der überlassenen Abfälle ver-einbart haben, oder
2. die wechselseitige Beeinflussung auf Grund der getroffenen Vereinbarungen offensichtlich ist. Hiervon ist nur in folgenden Fällen auszugehen:
a) 1Es wird vertraglich die Anpassung des ursprünglich ausdrücklich vereinbarten Entsorgungsent-gelts an sich ändernde Marktverhältnisse für den übernommenen Abfall ausbedungen (sog. Preisanpassungsklauseln). 2Preisanpassungsklauseln, die nur Auswirkungen für zukünftige Umsätze haben, sind insoweit ohne Bedeutung.
Beispiel 1:
1Unternehmer U1 übernimmt gegenüber dem Reifenservice R die Entsorgung von Altreifen. R zahlt U1 einen Preis von 2,- € je übernommenen Altreifen. 2Bei einer Verän-derung des Preisindexes von Stahl oder Gummigranulat im Vergleich zu den Verhält-nissen bei Vertragsabschluss sind beide Beteiligten berechtigt, diesen Preis um 50 % der Indexveränderung anzupassen.
b) Das nach Art und Menge bestimmte Entsorgungsentgelt ändert sich in Abhängigkeit von der Qualität der überlassenen Abfälle.
Beispiel 2:
1Unternehmer U2 übernimmt gegenüber dem Bauunternehmer B die Entsorgung von Baustellenmischabfällen. 2Die Beteiligten vereinbaren einen Grundpreis von 250,- € je Fuhre, welcher sich ab einem bestimmten Metall- und Folienanteil im Abfall um 50,- € reduziert.
c) Es wird eine (Mehr-)Erlösverteilungsabrede getroffen.
Beispiel 3:
1Unternehmer U3 übernimmt gegenüber dem Reifenhersteller R die Entsorgung von Fehlproduktionen und Materialresten für 80,- € je Tonne. 2Die Beteiligten verabreden, dass R an den von U3 bei der Veräußerung von daraus gewonnenem Gummigranulat und Stahl erzielten Erlösen zu 25 % beteiligt wird.
Vereinfachungsregelung
(4) Sofern in den unter Absatz 3 Nr. 2 genannten Fällen weder die Barvergütung einen Betrag von 50,- € je Umsatz noch die entsorgte Menge ein Gewicht von 100 kg je Umsatz übersteigt, ist das Vorliegen eines tauschähnlichen Umsatzes aus Vereinfachungsgründen nicht zu prüfen.
Beispiel 1:
1U1 übernimmt die Entsorgung des bei der Buchhaltungsfirma B anfallenden Altpapiers. 2Er ent-sorgt dort eine Menge von max. 20 kg Altpapier und berechnet hierfür 10,- €. 3Da die für B entsorgte Menge das Gewicht von 100 kg je Abholung nicht übersteigt und die Entgelte hierfür 50,- € je Abholung nicht übersteigen, ist es aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, wenn die Beteiligten keinen tauschähnlichen Umsatz angenommen und nur die Entsorgungsleistung des U1 der Besteuerung unterworfen haben.
Beispiel 2:
1U2 betreibt einen Abholservice für bestimmten Schrott und unbrauchbare Haushaltsgeräte, wie Waschmaschinen, Wäschetrockner und Geschirrspüler. Er bietet seinen Service privaten Haushalten kostenlos an. 2Daneben führt er unentgeltlich Altkleidersammlungen in Wohngebieten durch. 3Soweit das Gewicht des Abfalls je Abholung und Haushalt 100 kg nicht übersteigt, ist es aus Verein-fachungsgründen nicht zu beanstanden, wenn die Beteiligten ohne weitere Prüfung nur eine Entsor-gungsleistung annehmen, die jedoch mangels Entgelt nicht steuerbar ist.
Einzelfälle
(5) 1Ein tauschähnlicher Umsatz liegt insbesondere nicht vor,
1. im Falle sog. Umleersammeltouren (z. B. Leerung von Altpapiertonnen, Austausch bzw. Leerpumpen von Altölsammelbehältern), bei denen die Menge des im Einzelfall abgelieferten Abfalls und seine Zusammensetzung und Qualität nicht festgestellt werden; hier ist davon auszugehen, dass eine wech-
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selseitige Beeinflussung von Barvergütung und Entsorgungsleistung und damit ein tauschähnlicher Umsatz nicht vorliegt.
2. in den Fällen, in denen die Werthaltigkeit von zur Entsorgung überlassenen Abfällen erst später festgestellt werden kann, ohne dass sich hierdurch Auswirkungen auf die Höhe der Vergütung bereits getätigter Umsätze ergeben; eine Berücksichtigung der Werthaltigkeit der Abfälle beim Abschluss zukünftiger Entsorgungsverträge ist für bereits ausgeführte Umsätze unschädlich.
3. wenn Nebenerzeugnisse oder Abfälle im Rahmen von Gehaltslieferungen i. S. des § 3 Abs. 5 UStG zurückgenommen werden; hier fehlt es an einer Lieferung von Abfall.
Beispiel 1:
1U1 liefert zum Preis von 4,10 € je Dezitonne Zuckerrüben an die Zuckerfabrik Z und behält sich die Rückgabe der bei der Zuckerproduktion anfallenden Rübenschnitzel für Fütterungszwecke vor. 2Es handelt sich lediglich um eine (Gehalts-)Lieferung des U1 an Z (Entgelt 4,10 € je Dezitonne). 3Z erbringt keine Lieferung von Abfall in Form von Rübenschnitzeln, weil diese nicht am Leistungsaustausch teilgenommen haben und somit nicht Gegenstand der Gehaltslieferung des U1 geworden sind.
4. 1wenn das angekaufte Material ohne weitere Behandlung marktfähig (z. B. an einer Rohstoffbörse handelbar) ist, auch keiner gesetzlichen Entsorgungsverpflichtung mehr unterliegt und damit seine Eigenschaft als Abfall verloren hat. 2Da in diesem Fall das Material nur noch den Status eines normalen Handelsguts hat, kann davon ausgegangen werden, dass ggf. erforderliche Transport- oder Sortierleistungen ausschließlich im eigenen unternehmerischen Interesse des Erwerbers ausgeführt werden und keine Entsorgungsleistung vorliegt.
Beispiel 2:
1U2 erwirbt von verschiedenen Entsorgern unsortierte Altbleche, welche er nach Reinigung und Zerkleinerung einer elektrolytischen Entzinnung unterzieht. 2Das dabei gewonnene Eisen ver-äußert U2 an Stahlbearbeitungsbetriebe, das anfallende Zinn an Zinnhütten. 3Bei dem von U2 aus dem Altblechabfall zurück gewonnenen Zinn und Eisen handelt es sich um Rohstoffe für die weiterverarbeitende Industrie, die keiner gesetzlichen Entsorgungspflicht (mehr) unterliegen und deshalb nicht als Abfall anzusehen sind. 4Zwischen U2 und seinen Ab-nehmern finden keine tauschähnlichen Umsätze, sondern ausschließlich Rohstofflieferungen statt.
5. wenn bei der Entsorgung der Abfälle die werthaltigen Bestandteile (z. B. Edelmetalle) im Eigentum des Abfallerzeugers verbleiben und Barvergütungen für diese Entsorgungsleistungen gesondert abgerechnet werden.
(6) Für die Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes ist es nicht erforderlich, dass beide Beteiligte Unternehmer sind bzw. die Abgabe des Abfalls im unternehmerischen Bereich erfolgt; dies ist jedoch für die ggf. erforderliche gegenseitige Rechnungsstellung sowie für die Steuerschuldnerschaft nach § 13b Abs. 2 Nr. 7 i. V. mit Abs. 5 Satz 1 UStG von Bedeutung, wenn der überlassene Abfall zu den Gegen-ständen i. S. der Anlage 3 zum UStG gehört (vgl. Abschnitt 13b.4).
(7) 1Im Falle eines tauschähnlichen Umsatzes ist der Wert des hingegebenen Abfalls Bemessungsgrund-lage für die erbrachte Entsorgungsleistung. Bemessungsgrundlage für die Lieferung des Abfalls ist der Wert der Gegenleistung (Entsorgungsleistung). 2Baraufgaben sind zu berücksichtigen; eine ggf. enthal-tene Umsatzsteuer ist stets herauszurechnen (vgl. Abschnitt 10.5). 3Der maßgebliche Zeitpunkt für die Ermittlung des Wertes der gelieferten Abfälle ist der Zeitpunkt der Übergabe an den Entsorger. 4Dabei ist nicht auf die einzelnen Inhaltsstoffe abzustellen, d. h. der Wert muss dem Abfall im Zeitpunkt der Über-lassung als solchem zukommen. 5Spätere Bearbeitungsschritte (Bündelung, Sortierung, Aufbereitung usw.) durch den Entsorger sind bei der Wertermittlung außer Betracht zu lassen. 6Es bestehen keine Bedenken, dem zwischen den Beteiligten vereinbarten Wert der zur Entsorgung übergebenen Abfälle auch für umsatzsteuerrechtliche Zwecke zu folgen, sofern dieser Wert nicht offensichtlich unzutreffend erscheint.
(8) 1Verändert sich der Marktpreis für die zu entsorgenden Abfälle nach Abschluss des Entsorgungs- und Liefervertrags, hat dies zunächst keine Auswirkung auf die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die tauschähnlichen Umsätze und die Rechnungsstellung. 2Für diese Zwecke ist vielmehr so lange auf den im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblichen Wert abzustellen, bis dieser durch eine Ver-tragsänderung oder durch Änderung der Bemessungsgrundlage, z. B. auf Grund einer vereinbarten Preisanpassungsklausel oder einer vereinbarten Mehr- oder Mindererlösbeteiligung, angepasst wird.“
3. Abschnitt 10.5 Abs. 2 Satz 9 wird wie folgt gefasst:
„9Zu tauschähnlichen Umsätzen bei der Abgabe von werthaltigen Abfällen vgl. Abschnitt 3.16.“
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III. Anwendungsregelung
Dieses Schreiben ersetzt das Schreiben vom 20. September 2012, BStBl I S. 944. Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. In Fortführung der Nichtbeanstandungsregelungen aus den vorangegangenen Schreiben ist jedoch Folgendes zu beachten:
1. Bei vor dem 1. Juli 2009 abgeschlossenen Verträgen über die Lieferung oder die Entsorgung von Abfällen wird es bis zum 31. Dezember 2010 nicht beanstandet, wenn die Beteiligten davon ausgegangen sind, dass kein tauschähnlicher Umsatz vorliegt. Dies gilt nicht für die Lieferung oder die Entsorgung von Materialabfall, der z. B. bei der Be- oder Verarbeitung bestimmter Materialien, die selbst keine Abfallstoffe sind, anfällt (Abschnitt 10.5 Abs. 2 Sätze 1 bis 4 UStAE).
2. Bei Umsätzen, die vor dem 1. Januar 2013 ausgeführt worden sind, wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn diese Umsätze nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 1. Dezember 2008, BStBl I S. 992, behandelt werden.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Im Auftrag

Das Ableisten eines Postulats oder Noviziats in einer Ordensgemeinschaft erfüllt die Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Kindergeld

Das Ableisten eines Postulats oder Noviziats in einer Ordensgemeinschaft erfüllt die Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 10.10.2013, 16 K 283/12

 

Tatbestand

1
Strittig ist, ob die Zeit als Postulant bzw. Novize in einem Orden als Berufsausbildung anzusehen ist.

2
Mit Bescheid vom 2. Februar 2012 lehnte die Beklagte Kindergeld für das am 25. Mai 1989 geborene Kind der Klägerin M für den Zeitraum von Juni 2007 bis August 2009 ab. Zugleich setzte es Kindergeld für den Zeitraum September 2009 bis April 2010 fest und verwies bezüglich des Zeitraums ab Mai 2010 auf den Bescheid vom 10. Oktober 2011, mit dem sie es abgelehnt hatte, ab Mai 2010 Kindergeld für M zu zahlen. Auf den Einspruch der Klägerin vom 10. Februar 2012 gegen den Bescheid vom 2. Februar 2012 hin, erließ die Beklagte am 23. August 2012 eine Einspruchsentscheidung wegen Ablehnung des Kindergeldantrages für M von Juni 2007 bis August 2009. Das Kind habe nach eigenen Angaben von Juni 2007 bis August 2009 eine Noviziat in einem Kloster absolviert. Diese Maßnahme stelle keine berufsbezogene Ausbildung im Sinne des Kindergeldrechts dar. Ein Novize in einem Orden befinde sich in der Regel in Vorbereitung auf ein Ordensgelübde. Dies stelle keinen Beruf dar.

3
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, M habe während des Streitzeitraums sowohl ein Postulat als auch ein Noviziat in einer polnischen Ordensgemeinschaft absolviert. Hierzu reichte sie eine Bescheinigung des Hospitalordens des Heiligen Jan Bosy in Krakau vom 4. September 2013 ein, wonach M in der Zeit vom 10. August 2006 bis 5. Oktober 2007 das Postulat sowie in der Zeit vom 6. Oktober 2007 bis 6. Oktober 2009 das Noviziat in dem Orden absolvierte. Obwohl sich der Einspruchsbescheid nicht zum Kindergeldanspruch ab Mai 2010 verhalte, sei die Beklagte doch dazu zu verpflichten, auch ab dem 1. Mai 2010 Kindergeld für M zu zahlen. Mit der Verweisung im Bescheid vom 2. Februar 2012 auf die Entscheidung bezüglich der Kindergeldzahlung ab Mai 2010 auf den Bescheid vom 10. Oktober 2011 habe die Beklagte die Rechtsgewährung versagt, also eine Rechtsfolge herbeigeführt.

4
Mit ihrer Klageschrift vom 21. September 2012 hatte die Klägerin ursprünglich beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, für ihr Kind M Kindergeld für den Zeitraum 1. Juni 2007 bis 31. August 2009 und ab 1. Mai 2010 zu zahlen. Aufgrund einer nachgereichten Schulbescheinigung erließ die Beklagte am 6. Februar 2013 im Klageverfahren einen Änderungsbescheid, in dem sie Kindergeld nun auch für den Zeitraum von September 2008 bis August 2009 festsetzte. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärten, erging am 18. März 2013 ein Beschluss, mit dem das Gericht das Verfahren wegen Kindergeld für diesen Zeitraum abtrennte und das neue Aktenzeichen 16 K 62/13 gab; ferner erging eine Kostenentscheidung.

5
Die Klägerin beantragt nunmehr,

6
die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, Kindergeld für ihr Kind M in gesetzlicher Höhe für die Zeiträume Juni 2007 bis August 2008 und ab Mai 2010 zu bewilligen.

7
Die Beklagte beantragt,

8
die Klage abzuweisen.

9
Ein Postulat sowie ein Noviziat erfüllten nicht die Anforderungen einer Berufsausbildung.

10
Die Klägerin und die Beklagte haben mit Schriftsätzen vom 30. Mai 2013 bzw. 15. November 2012 gem. § 79 Abs. 3, 4 FGO ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter erklärt sowie auf mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

11
1. Die Klage ist unzulässig, was den Klagezeitraum ab Mai 2010 betrifft, da weder der Ausgangsbescheid vom 2. Februar 2012 noch die Einspruchsentscheidung vom 23. August 2012 für diesen Zeitraum eine Regelung enthält. Soweit der Ausgangsbescheid hinsichtlich eines Kindesgeldanspruchs für den Zeitraum ab Januar 2010 auf den Bescheid vom 10. Oktober 2011 verweist, liegt insoweit mangels Regelungswillens kein die Klägerin belastender Verwaltungsakt vor. Die Klägerin ist insoweit durch den angefochtenen Bescheid nicht beschwert und daher auch nicht nach § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt.

12
2. Im Übrigen ist die Klage begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Kindergeld für Ihr Kind M für den Zeitraum Juni 2007 bis August 2009. Das vom Sohn der Klägerin in dieser Zeit in einem polnischen Kloster abgeleistete Postulat und Noviziat erfüllt die Voraussetzungen einer Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG).

13
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- ist unter Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen danach alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. BFH-Urteile vom 16.04.2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; und vom 09.06.1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706, jeweils m.w.N.). Bei der angestrebten Tätigkeit muss es sich weder um einen Ausbildungsberuf im Sinne der §§ 4 ff. Berufsbildungsgesetzes (BBiG) vom 23.03.2005 (BGBl I 2005, 931) noch um eine Tätigkeit handeln, die einem bestimmten Berufsbild entspricht (BFH-Urteile vom 09.06.1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; und in BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706). Danach ist es für den Begriff der Ausbildung ausreichend, wenn die Maßnahme geeignet ist, eine nicht nur vorübergehende Betätigungsmöglichkeit zu schaffen, die dem Aufbau oder der Erhaltung und Sicherung der beruflichen Existenz und damit der Erhaltung und Sicherung einer Lebensgrundlage dienen kann und soll (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 18.12.1987 VI R 149/81, BFHE 152, 337, BStBl II 1988, 494 bezüglich der Ausbildung zum „Gouverneur des Zeitalters der Erleuchtung“). Es kommt auch nicht darauf an, ob die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder -mangels solcher Regelungen- jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muss, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind. Das Berufsziel wird nach ständiger Rechtsprechung weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt. Denn Kindern und Eltern kommt bei der Gestaltung der Ausbildung von Verfassungswegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Ausbildung im In- oder Ausland stattfindet (BFH-Urteil in BFHE 189, 95, BStBl II 1999, 713).

14
b) Die Ableistung eine Postulats und Noviziats ist nach diesen Grundsätzen eine Berufsausbildung. Die Tätigkeit als Ordensbruder ist ein Beruf, denn sie ist eine auf Dauer vorgesehene Arbeit, die der Existenzsicherung dient und die geeignet ist, materielle oder geistige in der Gesellschaft auftretende Bedürfnisse zu befriedigen und zu der die Befähigung durch Ausbildung (und Erziehung) erworben wird (so schon FG Münster-Urteil vom 2. Oktober 1991, 10 K 1108/91 L, EFG 1992, 269). Mit der Übernahme des Ordensstandes stellt sich zwar der einzelne der Ordensgemeinschaft mit seiner Person und seiner Tätigkeit unentgeltlich zur Verfügung, andererseits verpflichtet sich aber das Kloster dem Ordensbruder alles zur Verfügung zu stellen, was zur Erreichung des Zieles seiner Berufung erforderlich ist. Der Einzelne kann sich damit unabhängig von der Sorge um den täglichen Lebensbedarf voll und ganz der Erfüllung der Aufgaben widmen. Dass der Ordensangehörige dabei nach Kirchenrecht und ständiger klösterlicher Übung auf Vermögen und Erwerb zugunsten des Klosters verzichtet, steht der Anwendung des Berufsbegriffs nicht entgegen. Als Gegenleistung muss nämlich nicht stets ein in seinem Wertverhältnis angemessenes Entgelt für die einzelne Leistung oder für die Zurverfügungstellung der Arbeitskraft gewährt werden; es reicht auch aus, wenn lediglich der angemessene und bescheidene Unterhalt versprochen wird. Das Vorliegen eines Berufs kann auch nicht dann verneint werden, wenn die Berufstätigkeit einem inneren seelischen Bedürfnis („Berufung“) folgt und die Persönlichkeit im Ganzen erfasst, also als Gabe und Aufgabe bzw. als Entfaltung von Eignung und Neigung aufgefasst wird. Zum Berufsbewusstsein gehört bei einem Ordensangehörigen geradezu der Einsatz der ganzen Persönlichkeit. Was einen Ordensangehörigen kenn- und auszeichnet, ist nicht allein sein durch die Ausbildung vermitteltes Wissen und Können. Vielmehr kommt als Charakteristikum die durch die klösterliche Erziehung geprägte Persönlichkeit hinzu.

15
Stellt aber die Tätigkeit eines Ordensbruders einen Beruf dar, so ist das Postulat ebenso wie das Noviziat als Ausbildung zu diesem Beruf zu werten. Das Postulat geht der Zulassung zum Noviziat voraus und stellt eine erste Bewährungsfrist in der Ausbildung für das monastische Leben dar. Aufgabe des Postulats ebenso wie die des anschließenden Noviziats ist es, den Anwärtern des Ordensstandes mit den Pflichten des Ordenslebens vertraut zu machen und ihn darin zu üben. Dass für diese Ausbildung die Erklärung der Ordensregeln und die Erschließung der Satzungen der Kongregation grundlegend sind und die Erziehung außer dem Kennenlernen der verschiedenen Arbeitsbereiche der eigenen Gemeinschaft durch Arbeitseinsätze und auch u.a. die Einführung in die Heilige Schrift und Liturgie, die Anleitung zu persönlichem Gebet und Betrachtung, die Behandlung grundlegender Glaubensfragen und der Geschichte des Mönchtums umfasst, ist für die Bejahung der hierdurch erfolgten Berufsausbildung unschädlich, da die während der Zeit des Postulats und des Noviziats durchgeführte Formung der Persönlichkeit unerlässlich für die Tätigkeit einer Ordensbruders ist.

16
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3, § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 analog, § 711 Zivilprozessordnung. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

Steuerbefreiung nach § 4 S. 1 Nr. 16 k UStG für Kurse für Angehörige von Demezerkrankten.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

Dokumentansicht

Umsatzsteuer Vorauszahlung Januar 2012
Steuerbefreiung nach § 4 S. 1 Nr. 16 k UStG für Kurse für Angehörige von Demenzerkrankten.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 19.04.2013, 16 K 239/12

 

Tatbestand

1
Die Klägerin ist Diplom Gerontologin und führt für Angehörige von Demenzerkrankten eine Schulungsreihe nach einer Rahmenvereinbarung mit der B-GEK durch. Das Honorar für diese Schulungen beträgt je durchgeführter Kurseinheit von 120 Minuten 140 € und wird von der Barmer-GEK entrichtet. Die Verpflichtung zur Durchführung der Schulungen erfolgt auf der Grundlage von § 45 SGB XI. Nach dieser Vorschrift sollen Pflegekassen für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelisch Belastungen zu mindern.
2
Die Schulungen werden bisher nach der Rahmenvereinbarung mit der B-Pflegekasse von der Klägerin in den Ländern Niedersachsen, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt angeboten und durch beauftragte Dozenten durchgeführt. Ein Kurs umfasst 14 Stunden, wird an sieben Terminen zweistündig durchgeführt und ist in mehrere Themenblöcke aufgeteilt. Die Anzahl der Teilnehmer ist auf 15 Personen beschränkt. Da die Kosten der Kurse die B-GEK trägt, haben die Teilnehmer keine Schulungsgebühr zu entrichten. Die Kurse werden für pflegende Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflege Interessierte durchgeführt. Mit diesem Angebot wird in Zusammenarbeit mit der B-GEK Angehörigen von Menschen mit Demenz eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Aspekten der Demenzerkrankung geboten. In der Schulungsreihe haben die Angehörigen die Möglichkeit Wissen zu erlangen, praktische Tipps zum Umgang mit Menschen mit Demenz zu bekommen und sich mit ihrer individuellen Lebenssituation auseinanderzusetzen.
3
Mit Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Januar 2012 vom 28. März 2012 berücksichtigte der Beklagte, das Finanzamt (FA), die von der Klägerin erklärten Einnahmen von 25.480 € als steuerpflichtige Umsätze und setzte die Umsatzsteuer auf 4.841 € fest. Den Einspruch hiergegen wies es mit Bescheid vom 19. Juli 2012 als unbegründet zurück. Nach § 16 S. 1 Nr. 16 k UStG seien nur Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, die als Pflege der hilfsbedürftigen Personen erbracht würden. Unter die Befreiung fielen damit ausschließlich die Betreuungs- und Pflegeleistungen privater Altenheime. Im vorliegenden Fall dienten die Kurse der Beratung pflegender Angehöriger Personen. Vorrang habe hierbei die Gesundheitsprävention der Angehörigen selbst. Auch wenn die Erkrankten durch die Schulung der pflegenden Angehörigen indirekt einen Vorteil zögen, so handele es sich nicht um Pflegeleistungen für die Pflegebedürftigen, so dass für die Leistungen keine Umsatzsteuerbefreiung in Betracht komme.
4
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, ihre Umsätze seien gem. § 4 S. 1 Nr. 16k UStG steuerfrei. Die Klägerin sei im Sinne dieser Vorschrift als natürliche Person eine Einrichtung, deren Vergütung vollumfänglich von der B-GEK übernommen werde, da nach § 45 Abs. 1 SGB XI die Pflegekurse für die Teilnehmer unentgeltlich sein sollen. Die Pflegekurse seien für die Pflege und Betreuung von Demenzerkrankten im häuslichen Bereich durch Angehörige unerlässlich. Nach § 45 SGB XI sollen die Pflegekassen u.a. für Angehörige Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern. Nach der Gesetzesbegründung hätten die Pflegekurse eine wichtige Funktion zur Sicherstellung der Qualität der pflegerischen Versorgung der zu Hause gepflegte Pflegebedürftigen. Vom Gesetzgeber seien die Pflegekurse somit als Teil der Pflege und Betreuung dargestellt. Die Teilnahme an einem Pflegekurs werde häufig Ergebnis einer Pflegeberatung sein, die gemäß § 7a Abs. 2 Satz 1 SGB XI auf Wunsch unter Einbeziehung von Dritten, insbesondere Angehörigen und Lebenspartnern zu erfolgen habe. Pflege und Betreuung dürften daher nicht nur verkürzt auf eine direkte Pflegeanwendung an dem Patienten reduziert werden. In den von der Klägerin durchgeführten Kursen würden die Angehörigen für die Pflege und Betreuung geschult, was unerlässlich sei, um eine häusliche Pflege überhaupt zu ermöglichen.
5
 Die Klägerin beantragt,
6
den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2012 vom 28. März 2012 in der Fassung der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2012 aufzuheben sowie die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
7
Das FA beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Nach § 4 Nr. 16k UStG seien nur die Grundpflegeleistungen und die Leistungen zur hauswirtschaftlichen Versorgung körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen steuerbefreit. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen erfüllten damit nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung.
10
Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 31. Januar 2013 gemäß § 6 Abs. 1 FGO dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
 

Entscheidungsgründe

11
Die Klage ist begründet.
12
Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Januar 2012 vom 28. März 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2012 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Das FA hat die Umsätze der Klägerin zu Unrecht der Umsatzsteuer unterworfen.
13
1. Die Umsätze aus den von Klägerin durchgeführten Kursen für Angehörige von Demenzerkrankten sind jedenfalls nach richtlinienkonformer Auslegung des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG steuerfrei.
14
a) Nach § 4 S. 1 Nr. 16k UStG 2009 sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen steuerfrei „ die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbundenen Leistungen, die von Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind, erbracht werden.“
15
Die Vorschrift soll Art. 132 Abs. 1 Buchst. g i.V.m. Art. 133 und 134 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) umsetzen.
16
Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL lautet:
17
„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:
18
19
g) eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderer von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.“
20
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g           MwStSystRL genügt es, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind, und zwar
21
– zum einen, dass es sich um Leistungen handelt, die mit der Fürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind, und
22
–  zum anderen, dass diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind, erbracht werden.
23
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn eng mit der sozialen Fürsorge verbunden sind alle in den Sozialgesetzbüchern nach Art und Umfang beschriebenen Leistungen (BFH-Urteil vom 18. August 2005 V R 71/03, BStBl. II 2006, 143; Hölzer in Rau/Dürrwächter, UStG, § 4 Nr. 16 Rz. 16).
24
Die Klägerin hat die Kurse für Angehörige von Demenzerkrankten aufgrund einer Vereinbarung mit der einem Träger der Sozialversicherung (§ 12 und §§ 21, 21a SGB I), der B-GEK, erbracht. Grundlage für diese Vereinbarung war § 45 SGB XI, wonach Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen gesetzlich vorgesehen sind. Nach dieser Vorschrift sollen die Pflegekassen für Angehörige und sonstige an einer ehrenamtlichen Pflegetätigkeit interessierte Personen Schulungskurse unentgeltlich anbieten, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung  zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastungen zu mindern.  Die Kurse sollen Fertigkeiten für eine eigenständige Durchführung der Pflege vermitteln. Nach § 1 Abs. 1 SGB I (Allgemeiner Teil) soll das Recht des Sozialgesetzbuches zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen einschließlich sozialer Hilfe gestalten.  Leistungen wie die von der Klägerin im Rahmen des § 45 SGB XI gegenüber der B-GEK erbrachten Leistungen sind danach eng mit der sozialen Fürsorge verbunden.
25
Der Begriff „Einrichtung“ ist grundsätzlich weit genug, um auch private Einheiten mit Gewinnerzielungsabsicht zu erfassen (EuGH-Urteil in UR 2005, 486 RandNr. 35; vgl. auch EuGH-Urteil vom 7. September 1999 Rs. C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947 RandNr. 17). Die Anerkennung eines Unternehmers als einer Einrichtung mit sozialem Charakter kann dabei insbesondere auch aus der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden. Maßgebend ist insoweit, dass es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, für die die Kosten von den Sozialversicherungsträgern übernehmbar waren (BFH-Urteil in BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849, m.w.N.).  Die Klägerin erbringt ihre Leistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarung mit der B-GEK und rechnet die Kosten mit dieser ab. Das genügt.
26
b) Nach dem oben zitierten Wortlaut von § 4 S. 1 Nr. 16k UStG  ist es nicht ausgeschlossen, Schulungskurse, die wie die der Klägerin im Auftrage einer Pflegekasse für Angehörige von Demenzerkrankten durchgeführt werden als eng mit Pflegeleistungen verbundene Umsätze und damit als steuerbefreit anzusehen. Die Kurse kommen – was zwischen den Beteiligten unstrittig ist – den Demenzerkrankten zu Gute und sind nach § 45 Abs.1 SGB XI vorgesehen. Dass unter die Befreiung des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG, wie der Beklagte meint, ausschließlich Betreuungs- und Pflegeleistungen privater Altenheime fallen und dass die mit der Betreuung und Pflege steuerbefreiten eng verbundenen Leistungen direkt am Pflegebedürftigen selbst erbracht werden müssen, geht so aus der Vorschrift nicht hervor. Es ist daher Raum für eine richtlinienkonforme Auslegung, welche das oben gefundene Ergebnis, wonach die Klägerin für sich die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL in Anspruch nehmen kann, berücksichtigt. Danach ist es im Lichte der Richtlinie geboten, die von der Klägerin durchgeführten Kurse als eng mit Pflegeleistungen verbundene Umsätze i.S.v § 4 S. 1 Nr. 16k UStG anzusehen.  Dass die Gesundheitsprävention der Angehörigen in den Kursen mit im Fokus steht, ist dabei durch § 45 Abs. 1 SGB XI  und der hierzu zwischen der Klägerin und der B-GEK geschlossenen Rahmenvereinbarung mit abgedeckt und für eine effektive Betreuung und Pflege Demenzerkrankter im häuslichen Umfeld wie die Klägerin dem Gericht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. April 2013 überzeugend dargetan hat auch zwingend erforderlich.
27
Die übrigen Voraussetzungen des § 4 S. 1 Nr. 16k UStG sind gegeben. Der Begriff der „Einrichtung“ ist von dem oben dargestellten gemeinschaftlichen Begriff der Einrichtung in Art. 132 MwStSystRL abgeleitet, so dass die Klägerin als natürliche Person hierunter fällt. Die Leistungen der Klägerin werden schließlich zu 100 % von der B-GEK, also einer gesetzlichen Trägerin der Sozialversicherung, vergütet, so dass es sich bei der Klägerin um eine sowohl von Art. 132 Buchst. g MwStSystRL als auch von § 4 S. 1 Nr. 16k UStG anerkannte Einrichtung handelt.
28
Das FA hat danach zu Unrecht den angefochtenen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Januar 2012 erlassen.
29
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.  Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3, § 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Krankheitskosten als unvermeidbare, die Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mindernde Aufwendungen.

Rechtsprechung der niedersächsischen Justiz

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Kindergeld

Krankheitskosten als unvermeidbare, die Einkünfte und Bezüge nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG mindernde Aufwendungen.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 18.07.2013, 16 K 107/11

 

Tatbestand

1
Strittig ist der Anspruch auf Kindergeld der Klägerin für ihren Sohn M, geb. 21. April 1990, für das Jahr 2010.

2
Das Versorgungsamt Osnabrück stellte mit Bescheid vom 10. September 1996 für M ab dem 24. Juni 1996 infolge eines Marfan-Syndroms einen Grad der Behinderung von 40 % fest. M hatte im Streitzeitraum Einkünfte aus einer Ausbildungsvergütung in Höhe von 7.706,13 € und bezog zusätzlich eine Rente i.H.v. 2.327,28 €. Den Antrag der Klägerin auf Kindergeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Dezember 2010 wegen Überschreitung des Grenzbetrags nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ab. Den Einspruch hiergegen wies sie mit Bescheid vom 21. Februar 2011 als unbegründet zurück. Die Gesamteinkünfte und Bezüge des Kindes hätten in 2010 10.033,41 € betragen. Von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit sei nur der Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 € abzusetzen. Hinsichtlich der Rentenzahlung sei ein Werbungskostenpauschbetrag von 102 € zu berücksichtigen. Die Bezüge seien sodann noch um die Kostenpauschale von 180 € zu vermindern. Die so ermittelten Einkünfte und Bezüge des Kindes von 8.831,41 € überschritten den maßgeblichen Grenzbetrag von 8.004 €.

3
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes müssten noch um den Mehrbedarf für dessen Behinderung vermindert werden. Diesen bezifferte sie mit Schriftsatz vom 22. März 2011 mit 160 € monatlich für Kleidung und Ernährung. Zum Beleg reichte sie einen zwischen ihr und dem Landkreis Osnabrück vor dem Sozialgericht Osnabrück am 3. August 2010 geschlossenen Vergleich zu den Akten. Hierin verpflichtete sich der Landkreis für M einen Mehrbedarf zusätzlich zu dem bereits gewährten Mehrbedarf in Höhe von insgesamt 480 € zu gewähren, was einem monatlichen zusätzlichen Mehrbedarf von 40 € für die Zeit vom 1. März 2008 bis 28. Februar 2009 entspreche. Wie sich  aus einem Schreiben des Landkreis Osnabrück vom 18. März 2010 ergibt, betrug der bereits gewährte Mehrbedarf nach § 21 Abs. 5 SGB II 120 €. Am 1. August 2009 begann M die Ausbildung, so dass die Unterstützungen durch den Landkreis entfielen.

4
Zum weiteren Beleg des Mehrbedarfs reichte die Klägerin eine ärztliche Stellungnahme vom 22. Juli 2005, die im Auftrag des Gesundheitsdiensts für den Landkreis und die Stadt Osnabrück erstellt wurde, zu den Akten. Danach handelt es sich bei dem Marfan-Syndrom um eine angeborene Erkrankung mit Hochwuchs, Fettgewebsmangel, verminderter Muskelausprägung und Bindegewebsschwäche. Begleitsymptome sind eine allgemeine Leistungsschwäche und eine sehr eingeschränkte Belastbarkeit. Das Kind der Klägerin benötige eine kalorienreiche Kost, verteilt auf viele kleine Mahlzeiten. Es sei eine besonders hochwertige Ernährung notwendig, die viel hochwertiges Eiweiß aus Fleisch und Fisch enthalte, sowie vitaminreiches frisches Obst und Gemüse. Zusätzlich brauche M  Maltodextrin, um die Nahrung kalorisch anzureichern. M sei sehr Kälte und Haut empfindlich und benötige zusätzliche Kleidung. Er habe bei einer Größe von 190 cm und einem Gewicht von 62 kg eine Schuhgröße von 48. Die Beschaffung von Alters angemessener Oberbekleidung sei schwierig und teuer. Benötigt würde zusätzlich eine besondere, wärmestabilisierende Unterwäsche. Aus ärztlicher Sicht werde ein Mehrbedarf für die Ernährung in Höhe von 100 € pro Monat für erforderlich gehalten und ein Mehrbedarf an Kleidung in Höhe von 50 € pro Monat. Die Klägerin reichte ferner eine amtsärztliche Stellungnahme des Gesundheitsdiensts für Landkreis und Stadt Osnabrück vom 16. März 2010 zu den Akten. Hieraus ergebe sich ein durchschnittlicher Mehraufwand für Sonderernährung für M von 186 € monatlich.

5
Im Schriftsatz vom 14. August 2012 hat die Klägerin den monatlichen behindertenbedingten Mehraufwand mit 260 € berechnet. Es ergäben sich zusätzliche monatliche Kosten von 36 € für den Rehasport und Fahrtkosten hierfür von 50,40 €. Hinzu kämen Praxisgebühren und Medikamentzuzahlungen von 10 bis 20 € monatlich, so dass insgesamt von einem Mehraufwand von monatlich 260 € auszugehen sei.

6
  Die Klägerin beantragt sinngemäß,

7
die Beklagte zu verpflichten, ihr für ihr Kind M unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2011 Kindergeld für 2010 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

8
Die Beklagte beantragt,

9
die Klage abzuweisen.

10
Ein behinderungsbedingter Mehraufwand sei bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge im Rahmen der Grenzbetragsbetrachtung nicht in Abzug zu bringen. Da der Grenzbetrag ohne die behinderungsbedingten Mehraufwendungen überschritten werde, komme eine Berücksichtigung des Kindes nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG nicht in Betracht. Eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG scheitere an der fehlenden Ursächlichkeit der Behinderung.

11
Mit Schriftsätzen vom 25. November 2011 bzw. vom 4. März 2011 haben die Klägerin und die Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO sowie den Verzicht auf eine mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO erklärt.

 

Entscheidungsgründe

12
Die Klage ist begründet. Der angegriffene Ablehnungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 FGO). Die Klägerin hat für ihren Sohn für 2010 einen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld.

13
1. Für ein über 18 Jahre altes Kind, das –wie M im Jahr 2010– das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Anspruch auf Kindergeld u.a. dann, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und seine zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmten oder geeigneten Einkünfte und Bezüge den für den Streitzeitraum maßgeblichen Jahresgrenzbetrag von 8.004 € im Kalenderjahr nicht übersteigen.

14
Zu Unrecht hat die Beklagte die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG allein deshalb verneint, weil es den monatlichen Mehrbedarf i.H.v. 160 € aufgrund der Erkrankung des Kindes der Klägerin am Marfan-Syndrom vom Einkommen des Kindes i.H.v. 8.831,41 € nicht abgezogen hat.

15
a) Der Begriff der Einkünfte ist in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definiert –je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten–. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) kann der Begriff „Einkünfte“ daher nicht als „zu versteuerndes Einkommen“ ausgelegt werden.  § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sei  verfassungskonform auszulegen. Der Relativsatz „die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind“ sei nicht nur auf Bezüge, sondern auch auf Einkünfte des Kindes zu beziehen. Nicht als Einkünfte anzusetzen seien daher jedenfalls diejenigen Beträge, die –wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge– von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht zur Verfügung stünden und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten könnten. Offen bleiben könne, „in welchen Fällen der Relativsatz im Einzelfall auf Einkünfte anzuwenden“ sei (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260, unter B.II.3.).

16
Nach der Entscheidung des BVerfG ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, welche Teile der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung nicht angesetzt werden dürfen.

17
Der BFH hat im Urteil vom 26. September 2007 III R 4/07 (BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738, unter II. 8., betr. ansetzbare Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) ausdrücklich offen gelassen, ob und inwieweit Krankheits- oder Krankheitsfolgekosten zu den nach der Rechtsprechung des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 unvermeidbaren, die Einkünfte und Bezüge des Kindes mindernden Aufwendungen gehören können. Auch in den Urteilen vom 17. Dezember 2009 III R 74/07 (BFHE 228,72, BStBl II 2010,552) und vom 9. Februar 2012 III R 5/08 (BFH/NV 2012, 851) musste er diese Frage nicht entscheiden, da sich der geminderte Ansatz einer Rentennachzahlung in den von den zitierten Urteilen entschiedenen Fällen allein aus der Zweckbestimmung der Verletztenrente ergibt.

18
b) Das erkennende Gericht ist aber der Ansicht, dass jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegendem Krankheitsfolgekosten aufgrund der Erkrankung des Kindes der Klägerin am Marfan-Syndrom zu den nach der Rechtsprechung des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 unvermeidbaren, die Einkünfte und Bezüge des Kindes mindernden Aufwendungen gehören. Hierfür spricht, dass die Einkünfte soweit sie für die Folgen der Erkrankung am Marfan-Syndrom aufgewandt werden müssen, dem Kind zur Bestreitung seines Unterhalts oder seiner Berufsausbildung nicht zur Verfügung stehen.

19
c) Das Gericht sieht vorliegend Krankheitsfolgekosten jedenfalls in Höhe von 160 € für erwiesen an. Der Nachweis ergibt sich aus einer Gesamtschau der ärztlichen Stellungnahmen des Gesundheitsdienstes für den Landkreis und die Stadt Osnabrück vom 22. Juli 2005 sowie vom 16. März 2010 in Verbindung mit dem Schreiben des Landkreises Osnabrück vom 18. März 2010 und dem in der Sitzung vom 3. August 2010 vor dem Sozialgericht Osnabrück geschlossenen Vergleich.

20
Bei der Prüfung, ob die Einkünfte und Bezüge von M den Jahresgrenzbetrag von 8.004 € übersteigen, sind seine Einkünfte und Bezüge von 8.831,41 € daher um einen Betrag von 1.920 € zu mindern. Damit übersteigen seine Einkünfte und Bezüge von nunmehr 6.911 € den Jahresgrenzbetrag nicht.

21
Darauf, ob M, wie die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. August 2012 meint, weitere unvermeidbare Krankheitsfolgenkosten hatte, die von den berücksichtigten 160 € nicht mit abgedeckt werden, kommt es nicht an.

22
2. Die Frage, ob M als behindertes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist, ist ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

23
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. § 709 der Zivilprozessordnung.