Photovoltaikanlagen: Umsatzsteuerliche Folgen eines Betreiberwechsels

Photovoltaikanlagen: Umsatzsteuerliche Folgen eines Betreiberwechsels

Kernaussage

Es klingt schwer nachvollziehbar, doch nicht jeder Unternehmer freut sich über reichliche Erträge aus Photovoltaikanlagen. Ursächlich hierfür ist, dass aufgrund der Erträge manchen Unternehmern Kürzungen der Rente oder der Sozialleistungen drohen. Um dies zu verhindern, wird häufig versucht, die Anlage auf den Ehepartner oder andere Familienangehörige zu übertragen.

Neue Verwaltungsanweisung

Das Bayerische Landesamt für Steuern weist nun darauf hin, dass eine Übertragung der Unternehmereigenschaft nur für die Zukunft, nicht jedoch rückwirkend möglich ist. Hierzu ist notwendig, dass sich eine andere Person gegenüber dem Netzbetreiber vertraglich zur Lieferung des Stroms verpflichtet. Das Eigentum an der Photovoltaikanlage muss dabei nicht zwingend übertragen werden. Neben einer ent- bzw. unentgeltlichen Übertragung kann die Anlage auch verpachtet oder unentgeltlich überlassen werden.

Konsequenz

Ist ein Wechsel des Betreibers einer Anlage geplant, so sind neben den ertrag- auch die umsatzsteuerlichen Konsequenzen der dargestellten Alternativen zu betrachten. Wird die Anlage ent- oder unentgeltlich übertragen, so handelt es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung. Die Verpachtung ist hingegen steuerpflichtig, da es sich bei der Photovoltaikanlage um eine Betriebsvorrichtung handelt. Wird die Anlage dagegen dauerhaft dem neuen Unternehmer unentgeltlich zur Nutzung überlassen, so behandelt die Finanzverwaltung dies als steuerpflichtige Entnahme der Photovoltaikanlage. Von letzterer Alternative kann aus umsatzsteuerlich Sicht daher nur abgeraten werden.

Voranmeldungen: Verspätungszuschläge bei fehlender Authentifizierung

Voranmeldungen: Verspätungszuschläge bei fehlender Authentifizierung

Kernaussage

Umsatzsteuer- und Lohnsteueranmeldungen sind schon seit längerer Zeit elektronisch an das Finanzamt zu übertragen. Ab dem 1.1.2013 muss die Übertragung mit einem Sicherheitszertifikat, d. h. authentifiziert erfolgen. Hierzu ist eine Registrierung im Elster Online-Portal erforderlich. Übertragungen ohne Zertifikat sind dann nicht mehr möglich.

Neue Verwaltungsanweisung

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Koblenz weist in einer neuen Pressemitteilung darauf hin, dass das authentifizierte Verfahren alle Voranmeldungen betrifft, die ab dem 1.1.2013 übertragen werden. Somit sind z. B. auch schon die Voranmeldungen für Dezember 2012 hiervon betroffen, bei Dauerfristverlängerung auch die Umsatzsteuervoranmeldung für November 2012.

Praxisfolgen

Ist die notwendige Registrierung bis zur Abgabefrist nicht erfolgt, so ist eine rechtzeitige Übermittlung der Voranmeldungen nicht mehr möglich. Die Unternehmer müssen dann mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags rechnen, der bis zu 10 % der festgesetzten Steuer betragen kann. Unternehmen, die ihre Voranmeldungen selbst erstellen, sollten sich daher frühzeitig registrieren lassen, um Verspätungszuschläge zu vermeiden. Die OFD geht davon aus, dass die Registrierung bis zu 14 Tage dauern kann. Hilfen zur Registrierung finden sich unter www.fin-rlp.de/elster.

Zur Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhausapotheken

Zur Umsatzsteuerbefreiung von Krankenhausapotheken

Kernaussage

Krankenhaus- und ärztliche Heilbehandlungen sind regelmäßig von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt ebenso für die hiermit eng verbundenen Umsätze. Häufig ist streitig, ob Leistungen noch als eng verbundene Umsätze zu qualifizieren sind.

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb ein Krankenhaus, in dem Krebspatienten stationär sowie ambulant mittels Chemotherapie behandelt wurden. Ambulante Behandlungen wurden darüber hinaus auch von den angestellten Krankenhausärzten ausgeführt, die hierzu persönlich ermächtigt waren. Die anlässlich der Behandlungen verabreichten Zytostatika, wurden in der von der Klägerin betriebenen Krankenhausapotheke hergestellt. Während die Lieferung der Zytostatika für stationäre Behandlungen unstreitig steuerfrei war, versagte das Finanzamt die Steuerfreiheit, soweit die Verabreichung im Rahmen der ambulanten Behandlungen erfolgte. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegen insoweit keine steuerbefreiten „eng verbundenen Umsätze“ vor.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zur Klärung des Falles dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die folgenden Fragen zur Entscheidung vorgelegt: Kommen nur Dienstleistungen als eng verbundene Umsätze in Betracht, so dass die Lieferung von Medikamenten nicht steuerbefreit wäre? Sofern dies nicht zutrifft, steht es der Steuerbefreiung entgegen, wenn der eng verbundene Umsatz nicht durch den Unternehmer erbracht wird, der auch die steuerfreie Krankenhaus- bzw. ärztliche Heilbehandlung durchführt? Im Fall betraf dies die ambulanten Behandlungen durch die angestellten Krankenhausärzte, die insoweit selbst als Unternehmer auftraten. Falls eine Steuerbefreiung nach der vorstehenden Frage zulässig ist, scheitert die Steuerbefreiung daran, dass die maßgebliche Befreiungsvorschrift der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) nicht explizit die Befreiung eng verbundener Umsätze aufführt? Soweit die Krankenhausapotheke im Wettbewerb zu gewerblichen Apotheken steht, sieht der BFH keinen Anlass, die Steuerbefreiung zu versagen, sofern die Krankenhausapotheke nicht auch andere Kliniken beliefert.

Konsequenz

Es ist zu erwarten, dass der EuGH nun grundsätzliche Aussagen zu den Voraussetzungen für die Annahme steuerbefreiter eng verbundener Umsätze treffen muss, die auch in anderen Fällen von Bedeutung sein werden. Betroffene Unternehmen müssen prüfen, ob sie die Veranlagungen unter Verweis auf das Urteil offen halten müssen. Gegebenenfalls wird das Urteil des EuGH den Wettbewerbsnachteil für gewerbliche Apotheken, deren Lieferungen von Zytostatika an Krankenhäuser steuerpflichtig sind, beseitigen.

Kündigung trotz Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland?

Kündigung trotz Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Ausland?

Kernfrage

Betriebsbedingte Kündigungen sind in der Regel dann unzulässig, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem auch geringwertigeren Arbeitsplatz beim Arbeitgeber, eventuell auch in einem anderen Betrieb des Arbeitgebers, besteht. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte nun zu klären, ob dieser Grundsatz auch dann zur Anwendung gelangen muss, wenn die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem Betrieb des Arbeitgebers im Ausland besteht.

Sachverhalt

Die portugiesische Klägerin war langjährig in Deutschland in der Produktion beschäftigt. Die Vorfertigung erfolgte in einem Betrieb des Arbeitgebers in Tschechien. Nachdem der Arbeitgeber beschlossen hatte, die Produktion insgesamt nach Tschechien zu verlegen und das deutsche Werk stillzulegen, kündigte er den Mitarbeitern in Deutschland. Mit ihrer Kündigungsschutzklage machte die Klägerin geltend, der Arbeitgeber habe ihr zunächst eine Arbeitsstelle in Tschechien anbieten müssen.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Das Angebot zur Weiterbeschäftigung in Tschechien habe nicht erfolgen müssen, da Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes nur wirtschaftlich selbstständige Einheiten im Inland, also dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, seien.

Konsequenz

Mit der Entscheidung liegen nunmehr 2 landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen vor, die eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit alleine im Inland sehen. Eine abweichende Auffassung vertritt das Landesarbeitsgericht Hamburg; jedenfalls in einem Einzelfall. Ob die Entscheidung dazu genutzt wird, die Rechtslage durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) klären zu lassen, ist noch offen.

Kapitalgesellschaften haben Erstattungszinsen zu versteuern

Kernaussage

Erhalten Kapitalgesellschaften Zinsen auf Steuererstattungen, sind diese als steuerpflichtige Einnahmen zu qualifizieren.

Sachverhalt

Nachdem lange unbestritten war, dass Zinsen auf Steuererstattungen auch bei natürlichen Personen steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen, änderte der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2010 seine Meinung. Er befand, Erstattungszinsen seien der privaten Sphäre zuzuordnen, da die Hingabe des Geldes zur Tilgung der Steuerzahlung und nicht zur Erzielung von Einkünften erfolge. Erstattungszinsen durften also nicht länger zur Besteuerung herangezogen werden. Auf dieses Urteil reagierte der Gesetzgeber prompt und wies die Erstattungszinsen explizit den Kapitaleinkünften zu, um eine Besteuerung wieder möglich zu machen. Die mit der Zuweisung zu den Kapitaleinkünften verbundene Rückwirkungsregelung trifft allerdings auf Bedenken. So wird erwartet, dass der BFH in einem derzeit anhängigen Revisionsverfahren diese Rückwirkung dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorlegen wird.

Entscheidung

Der Streit hat die Oberfinanzdirektion (OFD) Rheinland veranlasst, jedenfalls für den Bereich der Körperschaft- und Gewerbesteuer klarzustellen, dass es sich auch bei Erstattungszinsen um steuerpflichtige Einkünfte handelt. Seit jeher gilt im Steuerrecht, dass Körperschaften keine Privatsphäre haben. Anders als bei natürlichen Personen ist es damit den Körperschaften verwehrt, privat veranlasste Vermögensmehrungen steuerfrei zu vereinnahmen. Die Steuerpflicht setzt bei natürlichen Personen immer voraus, dass sie eine Tätigkeit zum Zwecke der Einkunftserzielung unternehmen. Ist das nicht der Fall, kommt es nicht zur Belastung mit Einkommensteuer (z. B. in Fällen der Schenkung). Demgegenüber müsse bei einer Körperschaft zielgerichtetes Handeln nicht vorliegen. Vielmehr ist jede Vermögensmehrung grundsätzlich steuerpflichtig. Es komme gerade nicht darauf an, dass die Körperschaft die Steuerschuld beglichen habe, um nach erfolgreichem Rechtsstreit Zinsen zu kassieren. Vielmehr komme es allein auf die erfolgte Vermögensmehrung an.

Konsequenz

Die Finanzämter werden – vorbehaltlich einer anderslautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – auch künftig Zinsen, die der Fiskus auf Steuererstattungen zahlt, als Kapitaleinkünfte versteuern.

Ab 1.1.2013 authentifizierte Übermittlung von Zusammenfassenden Meldungen

Zusammenfassende Meldungen (ZM) müssen ab dem 1.1.2013 authentifiziert übermittelt werden. Eine nicht authentifizierte Übermittlung von ZM über den Formularserver der Bundesfinanzverwaltung ist nach dem 31.12.2012 nicht mehr zulässig.

ZM können dann nur noch über das ElsterOnline-Portal oder das BZStOnline-Portal mit einer entsprechenden Authentifizierung übermittelt werden. Diese Änderung ergibt sich aus § 6 Abs. 1 Steuerdaten-Übermittlungsverordnung in der ab 1.1.2013 geltenden Fassung in Verbindung mit § 150 Abs. 6 AO.

Aufgrund der zu erwartenden großen Zahl von Registrierungen in den Online-Portalen muss mit sehr langen Bearbeitungszeiten gerechnet werden. Bitte registrieren Sie sich rechtzeitig in dem Ihren Anforderungen entsprechenden Portal!

Informationen zu den Verfahren finden sich auf der Themenseite Elektronische Abgabe.

BZSt v. 30.11.2012

Erstattung von Kapitalertragsteuer – Abrechnungsbescheid

Finanzgericht Köln, 7 K 2640/08

Datum: 28.11.2012
Gericht: Finanzgericht Köln
Spruchkörper: 7. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 7 K 2640/08

Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, den Abrechnungsbescheid vom 18.3.2008 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass zugunsten der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung von Kapitalertragsteuer in Höhe von 2.250.000 DM und Solidaritätszuschlag in Höhe von 123.750 DM festgestellt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

1
Tatbestand
2
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Erstattungsanspruch hinsichtlich abgeführter Kapitalertragssteuer zusteht.
3
Die Klägerin ist eine in Großbritannien (A) ansässige Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer „Private Limited Company (PLC)“. Sie ist alleinige Gesellschafterin der sich in Liquidation befindlichen B … GmbH, C (im Folgenden: B GmbH).
4
Mit einem beim damaligen Bundesamt für Finanzen (jetzt: Bundeszentralamt für Steuern) am 27.12.1999 eingegangenen Schriftsatz beantragte die Klägerin die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 EStG a.F. (jetzt: § 50d Abs. 2 EStG) für die ihr von der B GmbH zufließenden Kapitalerträge. Das Bundesamt für Finanzen lehnte die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung mit Bescheid vom 20.4.2000 ab und wies den hiergegen von der Klägerin erhobenen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2.5.2002 als unbegründet zurück. Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das FG Köln das Bundeszentralamt für Steuern mit Urteil vom 16.3.2006 (Az.: 2 K 2916/02) dazu, der Klägerin die beantragte Freistellungsbescheinigung zu erteilen. Für nähere Einzelheiten wird auf das in den Akten des Beklagten befindliche Urteil des FG Köln vom 16.3.2006 Bezug genommen.
5
Das Bundeszentralamt für Steuern kam dieser Verpflichtung durch eine mit Datum vom 20.9.2006 erteilte Freistellungsbescheinigung nach. Die Bescheinigung war gültig für Kapitalerträge, die der Klägerin im Zeitraum vom 1.12.1999 bis zum 30.11.2002 von der B GmbH zuflossen. Für nähere Einzelheiten wird auf die in den Akten des Beklagten befindliche Freistellungsbescheinigung Bezug genommen.
6
Bereits während des zur Erteilung der Freistellungsbescheinigung geführten Einspruchsverfahrens hatte die B GmbH im Januar 2001 eine Bruttodividende in Höhe von 9.000.000 DM an die Klägerin ausgeschüttet und dabei keine Kapitalertragsteuer einbehalten und abgeführt. Der Beklagte hatte sodann mit Bescheid vom 12.3.2001 gegenüber der B GmbH die Kapitalertragsteuer in Höhe von 2.250.000 DM und den Solidaritätszuschlag in Höhe von 123.750 DM unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt. In dem Bescheid war die B GmbH als „Schuldner/Auszahlende Stelle“ bezeichnet. Darüber hinaus hatte der Beklagte unter der Rubrik „Erläuterungen“ folgendes ausgeführt:
7
„Hinsichtlich der am 19.1.2001 vorgenommenen Gewinnausschüttung in Höhe von 9.000.000 DM war gem. §§ 43 Abs. 1 Nr. 1, 43a Abs. 1 Nr. 1 und 44 EStG Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Dies ist ausweislich der von Ihnen eingereichten Kapitalertragsteuer-Anmeldung nicht geschehen. Nach § 50d Abs. 1 EStG sind die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuer durch den Schuldner der Kapitalerträge ungeachtet des § 44d EStG oder von Doppelbesteuerungsabkommen anzuwenden. Eine Abstandnahme vom Steuerabzug oder die Anwendung eines niedrigeren Steuersatzes ist gem. § 50d Abs. 3 EStG nur möglich, wenn durch das Bundesamt für Finanzen ein entsprechender Freistellungsbescheid erteilt ist. Ein solcher Bescheid liegt bislang nicht vor. Die Kapitalertragsteuer ist somit in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe einzubehalten und abzuführen.“
8
Für nähere Einzelheiten wird auf den in den Akten des Beklagten befindlichen Bescheid vom 12.3.2001 Bezug genommen.
9
Gegen diesen Bescheid legte die B GmbH fristgerecht Einspruch ein.
10
In der Folgezeit wurden die im Bescheid vom 12.3.2001 nachgeforderten Beträge unter dem 10.5.2001 in Höhe von 2.000.000 DM von der Klägerin und in Höhe von 373.750 DM von der B GmbH an den Beklagten entrichtet. Die von der Klägerin vorgenommene Banküberweisung enthielt auf der zugehörigen Bankbestätigung den Vermerk („Verwendungszweck“): „Details of payment: Kapitalertragsteuer in Sachen B … GmbH, C, Steuernummer a VBZ … Festsetzungsbescheid vom 12.3.2001“. Für nähere Einzelheiten wird auf die Bankbestätigung vom 10.5.2001 (Bl. 100 d. FG-Akte) Bezug genommen.
11
Mit Schreiben vom 25.9.2006 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Beklagten vor dem Hintergrund der am 20.9.2006 erteilten Freistellungbescheinigung auf, die gezahlte Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag an die Klägerin zu erstatten.
12
In der Folgezeit hob der Beklagte die Festsetzung der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags vom 12.3.2001 mit Blick auf die ergangene Freistellungsbescheinigung mit Bescheid vom 14.2.2007 auf. Zudem erklärte er mit einem weiteren Bescheid vom 14.2.2007 gegenüber der B GmbH die Aufrechnung eines seiner Meinung nach aus der Aufhebung des Bescheids vom 12.3.2001 der B GmbH zustehenden Erstattungsguthabens von 1.213.679,10 Euro mit diversen Steuerschulden der B GmbH in gleicher Höhe. Für nähere Einzelheiten wird auf den in den Akten des Beklagten befindlichen Bescheid vom 14.2.2007 und die Aufrechnungserklärung vom 14.2.2007 Bezug genommen.
13
Darüber hinaus erließ der Beklagte gegenüber der B GmbH unter dem 4.6.2007 einen Abrechnungsbescheid. Darin führte er aus, dass der B GmbH nach der Aufhebung des Bescheids vom 12.3.2001 ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der abgeführten Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag zustehe. Die B GmbH habe die Kapitalertragsteuer angesichts der erst nachträglich vom Bundeszentralamt für Steuern erteilten Freistellungsbescheinigung ohne Rechtsgrund auf eigene Rechnung gezahlt und sei daher gemäß § 37 Abs. 2 AO Gläubigerin des aus der Aufhebung des Steuerbescheids vom 12.3.2001 resultierenden Erstattungsanspruchs. Dieser Anspruch sei wegen der Aufrechnung mit den bestehenden und das Erstattungsguthaben übersteigenden Steuerschulden der B GmbH erloschen. Für nähere Einzelheiten wird auf den in den Akten des Beklagten befindlichen Abrechnungsbescheid vom 4.6.2007 Bezug genommen.
14
Außerdem erließ der Beklagte mit Datum vom 18.3.2008 auch einen Abrechnungsbescheid gegenüber der Klägerin. In diesem Bescheid – der sich in den Akten des Beklagten befindet und auf den für nähere Einzelheiten Bezug genommen wird – führte der Beklagte aus, dass der Klägerin kein Anspruch auf Erstattung der von der B GmbH angemeldeten und abgeführten Kapitalertragsteuer zustehe. Nur die B GmbH sei erstattungsberechtigt. Dieser Erstattungsanspruch sei jedoch durch die Aufrechnung mit den Steuerschulden der B GmbH erloschen.
15
Die gegen die jeweiligen Abrechnungsbescheide von der Klägerin bzw. der B GmbH erhobenen Einsprüche wurden vom Beklagten in einer gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 27.6.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Regelungen zum Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG im vorliegenden Fall nicht anwendbar seien, da kein Freistellungsbescheid im Sinne des § 50d Abs. 1 EStG, sondern lediglich eine Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 50d Abs. 3 EStG a.F. (jetzt: § 50d Abs. 2 EStG) vorliege. Da § 50d Abs. 3 EStG a.F. die Pflichten des Schuldners der Kapitalerträge normiere, sei es folgerichtig, auch die Rückzahlung der bereits einbehaltenen Kapitalertragsteuer im Fall einer nachträglich erteilten Freistellungsbescheinigung über den Schuldner der Kapitalerträge abzuwickeln. In Abweichung von der Grundnorm des § 37 Abs. 2 AO enthalte § 44b Abs. 5 Satz 2 EStG bei bereits abgeführten Kapitalertragsteuern eine Sonderregelung zur Erstattungsberechtigung des Schuldners der Kapitalerträge. Die Vorschrift des § 44a Abs. 5 EStG sei im vorliegenden Fall zwar nicht unmittelbar anwendbar, da die Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 3 EStG a.F. in § 44b Abs. 5 EStG nicht erwähnt werde. Da die Freistellungsbescheinigung und die in § 44b Abs. 5 EStG genannten Bescheinigungen allerdings identische Rechtswirkungen entfalteten, sei eine vergleichbare Sachlagen gegeben, die eine analoge Anwendung des § 44b Abs. 5 Satz 2 EStG im vorliegenden Fall rechtfertige. Dabei sei unter anderem zu berücksichtigen, dass es dem Finanzamt durch die Regelung des § 44b Abs. 5 EStG nach dem Willen des Gesetzgebers erspart bleiben solle, mit den Gläubigern des Entrichtungsschuldners in Kontakt treten zu müssen, wenn die Kapitalertragsteuer ohne eine entsprechende Verpflichtung abgeführt worden sei. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des BFH vom 14.7.2004 (I R 100/03, BFHE 207, 159, BStBl. II 2005, 31).
16
Wenn ein Dritter einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Entrichtungsschuldner geltend mache, sei ausschließlich das zwischen diesen beiden Beteiligten bestehende (zivilrechtliche) Innenverhältnis betroffen. Aus diesem Innenverhältnis solle die Finanzbehörde aus Vereinfachungsgründen herausgehalten werden, um den Erstattungsberechtigten ohne zeitliche Verzögerung und nähere Überprüfung leicht bestimmen zu können. Dieser vom Gesetzgeber in § 44b Abs. 5 EStG verankerte Vereinfachungs- und Beschleunigungsgedanke gelte auch bei einer nachträglich erteilten Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 50d Abs. 3 EStG a.F.
17
Selbst wenn im vorliegenden Fall die allgemeine Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO zur Anwendung käme, gelange man ebenfalls zu einer Erstattungsberechtigung der B GmbH. Denn im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO komme es für die Bestimmung des Erstattungsberechtigten darauf an, auf wessen Rechnung die jeweilige Steuer gezahlt worden sei. Im vorliegenden Fall hätten weder die B GmbH noch die Klägerin nachgewiesen, dass die Entrichtung der mit Bescheid vom 12.3.2001 festgesetzten Steuer auf Rechnung der Klägerin erfolgt sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass die B GmbH die Zahlung auf eigene Rechnung vorgenommen habe, zumal sie im Bescheid vom 12.3.2001 ausdrücklich als Schuldnerin bezeichnet worden sei. Auch das Leistungsgebot habe sich alleine an sie gerichtet. Im Übrigen habe die B GmbH eine Bruttodividende von 9.000.000 DM an die Klägerin ausgeschüttet. Wenn die B GmbH eine Schuld der Klägerin als ihrer Muttergesellschaft hätte begleichen wollen, so hätte sie lediglich die Nettodividende auszahlen dürfen und die Kapitalertragsteuer an das Finanzamt abführen müssen. Für die Behandlung der 9.000.000 DM als Nettodividende hätte es eines weiteren Ausschüttungsbeschlusses bedurft, zumal ansonsten eine verdeckte Gewinnausschüttung vorgelegen hätte. Nach der Überweisung der Bruttodividende wäre eine Zahlung der Kapitalertragsteuer auf Rechnung der Klägerin allenfalls dann in Betracht gekommen, wenn die B GmbH gegenüber der Klägerin einen Rückgriffsanspruch in Höhe der abgeführten Kapitalertragsteuer geltend gemacht und realisiert hätte. Dies sei aber gerade nicht der Fall.
18
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Erstattungsbegehren weiter und macht geltend, dass die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gegeben seien. Sie – die Klägerin – sei als Vergütungsgläubigerin erstattungsberechtigt, da sie nach § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG a.F. Schuldnerin der Kapitalertragsteuer sei. Die Kapitalertragsteuer sei von der B GmbH nach § 50a Abs. 5 Satz 4 EStG a.F. für ihre – der Klägerin – Rechnung einbehalten und abgeführt worden. Diese Auffassung werde zu Recht auch in der Literatur vertreten (vgl. Buciek, IStR 2001, 102 Tz. 4.2.1). Das vom Beklagten angeführte Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen dem Erstattungs- und dem Freistellungsverfahren existiere nicht. Beide Verfahren seien im Kern identisch und unterschieden sich lediglich bei der Frage der Steuerabführung. Die vom Beklagten aufgeworfene Frage nach der (analogen) Anwendung des § 50d Abs. 1 EStG oder § 44b Abs. 5 EStG sei vorliegend ohne Relevanz. Mit Blick auf den vom Beklagten geforderten Nachweis, dass die Steuern auf Rechnung der Klägerin gezahlt worden seien, sei zu berücksichtigen, dass sich Zahlungsvorgänge regelmäßig als tatsächliche Verfahrensabläufe darstellten, bei denen die handelnden Personen nicht zum Ausdruck brächten, wie ihre subjektive Einstellung zu der Zahlung sei. Soweit keine abweichenden Anhaltspunkte vorlägen, erfolge eine Zahlung stets auf Rechnung dessen, der zahle. Daher sei die Zahlung der Klägerin auf eigene Rechnung und die Zahlung der B GmbH auf Rechnung der Klägerin erfolgt.
19
Die Klägerin beantragt,
20
den Abrechnungsbescheid vom 18.3.2008 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass zu ihren Gunsten ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der abgeführten Kapitalertragsteuer von 2.250.000 DM und des Solidaritätszuschlags von 123.750 DM festgestellt wird und regt an,
21
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
22
Der Beklagte beantragt,
23
die Klage abzuweisen und regt an,
24
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
25
Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung. Ergänzend weist er darauf hin, dass dem Gläubiger der Kapitalerträge – hier: der Klägerin – bei bereits erfolgtem Steuerabzug zwei Handlungsmöglichkeiten zustünden: So könne er einerseits das Erstattungsverfahren nach § 50d Abs. 1 EStG mit der Erteilung eines Freistellungsbescheids wählen oder aber nach § 50d Abs. 3 EStG a.F. eine rückwirkende Freistellungsbescheinigung beantragen, diese dem Schuldner der Kapitalerträge vorlegen und damit die Rückabwicklung des durchgeführten Steuerabzugs erreichen, da dann der rechtliche Grund für den Steuerabzug entfallen sei.
26
Für das Erstattungsverfahren stelle § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG klar, dass der Gläubiger der Kapitalerträge – abweichend vom Grundsatz des § 44b EStG – erstattungsberechtigt sei. Eine solche Ausnahmeregelung fehle für das Verfahren der Freistellungsbescheinigung. Daher sei die allgemeine Regelung des § 44b EStG anzuwenden. Dies sei auch systemgerecht. Schon aus der Überschrift des § 44b EStG ergebe sich, dass es sich hierbei um die Grundsatznorm für die Erstattung der Kapitalertragsteuer handele. Der BFH habe den sich aus § 44b Abs. 5 EStG ergebenden Grundsatz sogar für den Fall bejaht, dass die Kapitalertragsteuer nicht für Rechnung des Abzugsverpflichteten entrichtet worden sei (Urteil vom 14.7.2004 I R 100/03, BFHE 207, 159, BStBl. II 2005, 31). Im Fall des § 50d Abs. 3 EStG a.F. werde der Entrichtungsschuldner von seiner „Soll-Abzugsverpflichtung“ befreit. Komme der Entrichtungsschuldner seiner eigenen Entrichtungspflicht als Steuerpflichtiger gemäß § 33 Abs. 1 AO nach, sei es folgerichtig, auch die Rückabwicklung dieser Zahlung über ihn durchzuführen und ihm den Erstattungsanspruch zuzuweisen, da die Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 3 EStG a.F. rückwirkend seine Entrichtungspflicht entfallen lasse. Falls der Gesetzgeber im Verfahren des § 50d Abs. 3 EStG a.F. eine Durchbrechung des in § 44b EStG normierten Grundsatzes gewollt hätte, hätte er in § 50d Abs. 3 EStG a.F. eine dem § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG vergleichbare Regelung aufnehmen müssen. Im Übrigen sei die Zahlung vom 10.5.2001 für Rechnung der B GmbH und nicht auf Rechnung der Klägerin erfolgt. Er – der Beklagte – habe bewusst einen Nachforderungsbescheid erlassen. Damit sei deutlich geworden, dass die B GmbH als Steuerpflichtige durch Steuerbescheid habe herangezogen werden sollen. Zur Erfüllung dieser Steuerschuld sei die Zahlung erfolgt. Die Zahlung habe sich auf das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen der B GmbH und ihm – dem Beklagten – bezogen. Das zivilrechtliche Innenverhältnis zwischen der B GmbH und der Klägerin sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung gewesen. Schließlich gehe die Spezialvorschrift des § 44b Abs. 5 EStG der allgemeinen Regelung des § 37 Abs. 2 AO ohnehin vor.
27
Mit Beschluss vom 28.11.2012 ist die B … GmbH i.L., C, auf Antrag des Beklagten nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Verfahren beigeladen worden.
28
Entscheidungsgründe
29
Die Klage ist begründet.
30
1.
31
Der gegenüber der Klägerin ergangene Abrechnungsbescheid vom 18.3.2008 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Klägerin steht hinsichtlich der aufgrund des Bescheides vom 12.3.2001 gezahlten Kapitalertragsteuer von 2.250.000 DM und des Solidaritätszuschlags von 123.750 DM ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten zu.
32
a)
33
Nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) wird über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt (sog. Abrechnungsbescheid) entschieden. Das gilt auch dann, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft, der nach § 37 Abs. 1 AO ebenfalls einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis darstellt. Gegenstand des Abrechnungsbescheides ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens reiner Zahlungsansprüche; er entscheidet, inwieweit bestimmte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis noch bestehen oder durch einen der in § 47 AO aufgeführten Gründe ganz oder teilweise erloschen sind (vgl. Klein/Rüsken, AO, 11. Auflage 2012, § 218 Rz 10a, 13, m.w.N.). Ist die Verwirklichung bestimmter Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis streitig, besteht auch ein Anspruch auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides, den die zuständige Finanzbehörde von Amts wegen oder auf Antrag desjenigen zu erlassen hat, der vom Finanzamt auf Zahlung in Anspruch genommen wird oder der vom Finanzamt eine Erstattung begehrt (vgl. Alber, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 218 AO Rz 112 f.; Klein/Rüsken, AO, 11. Auflage 2012, § 218 Rz 11). Vorliegend handelt es sich bei dem von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch hinsichtlich der Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags um Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, über deren Verwirklichung Uneinigkeit zwischen der Klägerin und dem Beklagten besteht.
34
b)
35
Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Erstattungsanspruch hinsichtlich der aufgrund des Bescheids vom 12.3.2001 gezahlten Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag zu.
36
aa)
37
Der Erstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich in entsprechender Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. dazu auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 50d Rn 13; Frotscher, EStG, § 50d Rn 29; Buciek, IStR 2001, 102; Klein, IStR 2002, 157). Eine unmittelbare Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG scheidet aus, da lediglich eine Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 50d Abs. 2 EStG (§ 50d Abs. 3 EStG a.F.) und kein Freistellungsbescheid im Sinne des § 50d Abs. 1 EStG vorliegt (vgl. zur Unterscheidung zwischen Freistellungsbescheid und Freistellungsbescheinigung etwa BFH-Urteil vom 11.10.2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl. II 2001, 291). Die Klägerin war zudem nicht gehalten, einen Freistellungsbescheid nach § 50d Abs. 1 EStG zu beantragen und ihren Erstattungsanspruch über § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG geltend zu machen. Das Erfordernis einer solchen Vorgehensweise ergibt sich für die vorliegende Fallkonstellation insbesondere nicht aus dem BFH-Urteil vom 11.1.2012 (I R 25/10, BFHE 236, 318, BFH/NV 2012, 871), zumal der Entscheidung des BFH ein abweichender Sachverhalt zugrunde lag und es dort im Übrigen – anders als im vorliegenden Fall – um die Frage der (nachträglichen) Erteilung einer Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 50d Abs. 2 EStG ging.
38
bb)
39
Die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 AO sind gegeben.
40
Die Kapitalertragsteuer wurde an den Beklagten ohne rechtlichen Grund gezahlt. Denn nach der Aufhebung des Nachforderungsbescheids vom 12.3.2001 war für die zunächst mit Rechtsgrund erfolgte Zahlung der Kapitalertragsteuer der Rechtsgrund entfallen (vgl. etwa Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 37 AO Rn 38a).
41
Die Zahlung der Kapitalertragsteuer erfolgte auf Rechnung der Klägerin. Bei Abzugssteuern wie der Kapitalertragsteuer ist derjenige erstattungsberechtigt, dessen Steuern gezahlt worden sind. Den abzugsverpflichteten Vergütungsschuldner trifft lediglich eine Entrichtungspflicht hinsichtlich einer für ihn fremden Steuer (vgl. dazu auch Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 37 AO Rn 67 und Rn 68; Boeker, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 37 AO Rn 61b). Denn nach § 44 Abs. 1 EStG in Verbindung mit §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG schuldet der Gläubiger der Kapitalerträge (Vergütungsgläubiger) die Kapitalertragsteuer, wobei der Schuldner der Kapitalerträge (Vergütungsschuldner) den Steuerabzug für Rechnung des Vergütungsgläubigers vorzunehmen hat. Da die vom Vergütungsschuldner zu entrichtende Kapitalertragsteuer in materiell-rechtlicher Hinsicht eine Steuer des Vergütungsgläubigers ist, ist es gerechtfertigt, dem Vergütungsgläubiger die Erstattungsberechtigung hinsichtlich der für ihn abgeführten Kapitalertragsteuern zuzuweisen (so im Ergebnis auch BFH-Urteil vom 11.10.2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl. II 2001, 291; vgl. auch Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 50d Rn 13; Frotscher, EStG, § 50d Rn 29; Buciek, IStR 2001, 102; Klein, IStR 2002, 157).
42
Vor diesem Hintergrund steht der Erstattungsanspruch der Klägerin zu. Denn die von der B GmbH als Vergütungsschuldnerin vorgenommene Ausschüttung in Höhe von 9.000.000 DM war für die Klägerin als Vergütungsgläubigerin eine Einnahme im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Schuldnerin der auf diese Ausschüttung entfallenden Kapitalertragsteuer war nach §§ 44 Abs. 1; 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG die Klägerin. Die B GmbH zahlte auf die Kapitalertragsteuer als Vergütungsschuldnerin einen Betrag von 373.750 DM. Der Restbetrag von 2.000.000 DM wurde von der Klägerin geleistet. Die gesamte Zahlung erfolgte – entgegen der Auffassung des Beklagten – auf Rechnung der Klägerin, da die Steuerschuld der Klägerin beglichen wurde (siehe oben).
43
Dem steht nicht entgegen, dass der Bescheid vom 12.3.2001 gegenüber der B GmbH als Nachforderungsbescheid ergangen war. Da die Kapitalertragsteuer als Abzugssteuer eine Steuer des Vergütungsgläubigers ist, wird auch die aufgrund eines Nachforderungsbescheids entrichtete Steuer auf Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge gezahlt. Es handelt sich lediglich um die nachträgliche Festsetzung bzw. Forderung einer bereits zu einem früheren Zeitpunkt vom Vergütungsschuldner zu entrichtenden Steuer. Der ursprüngliche Charakter der Kapitalertragsteuer als Steuer des Vergütungsgläubigers wird durch die Nachforderung bzw. den Nachforderungsbescheid nicht verändert (vgl. auch Frotscher, EStG, § 50d Rn 30; Buciek, IStR 2001, 102; Klein, IStR 2003, 157). Dies wurde für den Fall des § 50d Abs. 1 EStG ab dem Jahr 2002 in § 50d Abs. 1 Satz 2 EStG gesetzlich geregelt bzw. klargestellt (vgl. dazu etwa Frotscher, EStG, § 50d Rn 30; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 50d Rn 36).
44
Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist nicht erloschen. Insbesondere entfaltet die gegenüber der B GmbH erklärte Aufrechnung gegenüber der Klägerin keine Wirkung. Schließlich ist der Beklagte bei der entsprechenden Anwendung des § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 37 Abs. 2 AO auch der zutreffende Erstattungsverpflichtete (vgl. etwa BFH-Urteil vom 11.1.2012 I R 25/10, BFHE 236, 318, BFH/NV 2012, 871 m.w.N.; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 50d Rn 37).
45
cc)
46
Der Erstattungsberechtigung der Klägerin steht § 44b Abs. 5 EStG nicht entgegen.
47
Eine unmittelbare Anwendung des § 44b Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG kommt nicht in Betracht. Zum Einen wird die Freistellungsbescheinigung des § 50d Abs. 3 EStG a.F. in § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG nicht erwähnt. Zum Anderen fehlte es nicht an einer Verpflichtung zum Einbehalten bzw. Abführen der Kapitalertragsteuer im Sinne des § 44b Abs. 5 Satz 1 1. Alternative EStG. Der Beklagte hatte die Kapitalertragsteuer gegenüber der B GmbH mit Bescheid vom 12.3.2001 zunächst zu Recht festgesetzt und erhoben. Da in dem für die Entstehung der Kapitalertragsteuer maßgeblichen Zeitpunkt des Zuflusses der ausgeschütteten Kapitalerträge bei der Klägerin noch keine Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 3 EStG a.F. vorlag, war die B verpflichtet, die Kapitalertragsteuer für Rechnung der Klägerin einzubehalten und abzuführen. Vor diesem Hintergrund fehlte es im maßgeblichen Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer nicht an einer Verpflichtung im Sinne des § 44b Abs. 5 Satz 1 1. Alternative EStG (vgl. auch Ramackers, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 44b Rn 36 f.). Das vom Beklagten angeführte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14.7.2004 (I R 100/03, BFHE 207, 159, BStBl. II 2005, 31) betraf den vorliegend nicht einschlägigen Sonderfall, in dem eine Verpflichtung zur Einhaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer im Sinne des § 44b Abs. 5 Satz 1 1. Alternative EStG gerade nicht bestand.
48
dd)
49
Auch eine entsprechende Anwendung des § 44b Abs. 5 Satz 2 EStG (vgl. dazu etwa Ramackers, in: Littmann/Bitz/Pust, § 44b Rn 38) scheidet aus. Denn § 44b Abs. 5 Satz 2 EStG stellt eine Ausnahmeregelung vom Grundfall der allgemeinen Erstattungsberechtigung des Vergütungsgläubigers dar. Die in § 44b Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG normierte Erstattungsberechtigung des Vergütungsschuldners ist auf die besonderen Fallgestaltungen des § 44a EStG und die dort genannten Kapitalerträge im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 bis 12 sowie Satz 2 EStG zugeschnitten (siehe dazu auch Lindberg, in: Blümich, EStG, § 44b Rn 24). Hierunter fallen die im vorliegenden Verfahren relevanten Kapitalerträge (Ausschüttungen) im Sinne des §§ 43 Abs. 1 Nr. 1; 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG jedoch nicht. Vor diesem Hintergrund fehlt es bereits an der für eine analoge Anwendung erforderlichen vergleichbaren Sachlage. Im Übrigen besteht mit Blick auf die Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschrift des § 37 Abs. 2 AO auch keine planwidrige Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat die Freistellungsbescheinigung des § 50d Abs. 3 ESG a.F. nicht in den Katalog der Bescheinigungen des § 44b Abs. 5 Satz 1 EStG aufgenommen, obwohl davon auszugehen ist, dass ihm die Möglichkeit zur Erstattung von bereits einbehaltener Kapitalertragsteuer bei einer erst nachträglich erteilten Freistellungsbescheinigung im Sinne des § 50d Abs. 3 EStG a.F. ohne weiteres bekannt gewesen sein dürfte.
50
2.
51
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
52
3.
53
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
54
4.
55
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Bayerns Finanzminister Söder will die Luftverkehrsteuer wieder abschaffen

Bayern fordert eine Abschaffung der Luftverkehrsteuer. „Die Abgabe verzerrt den Wettbewerb und belastet nachhaltig den Luftverkehrsstandort Deutschland“, sagte Dr. Markus Söder, Finanzminister.

Bayern wird deshalb am Freitag, den 23.11.2012 einen entsprechenden Entschließungsantrag im Bundesrat einbringen. Die Abgabe habe eindeutig negative Folgen: So sei laut Experten das Wachstum bei den Passagierzahlen in 2011 aufgrund der Luftverkehrsteuer geringer ausgefallen. „Dies verschärft die Wettbewerbssituation gerade für kleinere Flughäfen, die keine ausgeprägte Bedeutung als internationales Drehkreuz haben“, so Söder.

Die Luftverkehrsteuer wurde 2011 in Deutschland eingeführt. Ein Zuschlag wird seither für jeden Flug erhoben, der von einem deutschen Airport aus startet. Damit würden deutsche Fluggesellschaften und Flughäfen höher belastet als die ausländische Konkurrenz. Die Abgabe falle, anders als bei internationalen Flügen, sowohl für Hin- als auch für Rückflüge an. „Hier wirkt die Luftverkehrsteuer doppelt als zusätzlicher Kostenfaktor“, stellt Söder fest. Der Finanzminister verwies zudem darauf, dass gerade kleinere Flughäfen eine wichtige Bedeutung für die internationale Anbindung der regionalen Wirtschaft haben. „Insbesondere für exportorientierte Unternehmen ist dies ein entscheidender Standortfaktor.“ Auch kostengünstige touristische Angebote seien für kleinere Airports von zentraler Bedeutung.
Söder betonte, dass sich der Luftverkehrsstandort Deutschland derzeit ohnehin in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld befinde. „Die Abgabe ist ein weiterer Faktor, der die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig beeinträchtigen kann.“ Für das laufende Jahr gehen Experten von einem leichten Wachstum im Passagierluftverkehr von 2,7 % aus. Dies konzentriert sich vor allem auf den Bereich der internationalen Verbindungen. In der Folge werden von dem Passagierwachstum insbesondere die sechs größten internationalen Verkehrsflughäfen profitieren. Die Passagierzahlen im Inlandsflugverkehr werden laut Expertenaussagen dagegen um 1,7 % zurückgehen.

FinMin Bayern, Pressemitteilung Nr. 235 v. 22.11.2012

BMF: Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2013

Die Programmablaufpläne berücksichtigen nicht Tarifsenkungen aufgrund des Gesetzes zum Abbau der kalten Progression. Das Gesetz befindet sich derzeit noch im Vermittlungsver­fahren, nachdem der Bundesrat dem Gesetz nicht zugestimmt (s. Bundestags-Drs. 17/9644 vom 11. Mai 2012) und die Bundesregierung den Vermittlungsausschuss angerufen hat (s. Bundestags-Drs. 17/9672 vom 16. Mai 2012). Der Arbeitgeber ist bis zur Bekanntmachung geänderter Programmablaufpläne nicht verpflichtet, Tarifsenkungen durch dieses Gesetz bei der Berechnung der Lohnsteuer zu berücksichtigen. Arbeitgeber, die die Lohnsteuer manuell berechnen (§ 39b i. V. m. § 51 Absatz 4 Nummer 1a EStG), können die Lohnsteuer bis zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt nach Bekanntmachung geänderter Programmablauf­pläne auch auf Grundlage von Lohnsteuertabellen für 2012 (Bekanntmachung vom

22. November 2011, BStBl I S. 1114, Anlage 2) ermitteln, wenn der Arbeitnehmer nicht aus­drücklich widerspricht und der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug bis zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt nach Bekanntmachung geänderter Programmablaufpläne korrigiert.

Auf die Erläuterungen unter „1. Gesetzliche Grundlagen/Allgemeines“ wird im Übrigen gesondert hingewiesen. Die Terminologie in den Programmablaufplänen berücksichtigt bereits die Regelungen des Verfahrens zu den elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmalen (ELStAM).

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen „http://www.bundesfinanzministerium.de“ unter der Rubrik „Themen/Steuern/ Steuerarten/Lohnsteuer/Programmablaufplan“ zur Ansicht und zum Abruf bereit.

BMF, Schreiben v. 19.11.2012, IV C 5 – S 2361/12/10001

Umsatzsteuer – elektronische Rechnung

Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung zum 1. Juli 2011 durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011

Durch die Neufassung des § 14 Absatz 1 und 3 UStG durch Artikel 5 Nr. 1 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BGBl. I S. 2131) sind die umsatzsteuer-rechtlichen Regelungen für elektronische Rechnungen zum 1. Juli 2011 neu gefasst worden. Eine elektronische Rechnung ist nach § 14 Absatz 1 Satz 8 UStG n. F. eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird. Die Anforderungen an die Übermittlung elektronischer Rechnungen sind gegenüber der bisherigen Rechtslage deutlich reduziert. Nunmehr können u. a. auch Rechnungen, die per E-Mail (ggf. mit Bilddatei- oder Textdokumentanhang) übermittelt werden, zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Bisher wurden auf elektronischem Weg übermittelte Rechnungen umsatzsteuerlich nur anerkannt, wenn eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 14 Absatz 3 Nummer 1 UStG a. F.) oder ein EDI-Verfahren (§ 14 Absatz 3 Nummer 2 UStG a. F.) verwendet wurden. Dies entsprach den unionsrechtlichen Regelungen nach Artikel 233 Absatz 1 Satz 1 Buchstabe a und b und Absatz 2 MwStSystRL. Der Gesetzgeber hat nunmehr von der Option nach Artikel 233 Absatz 1 Satz 2 MwStSystRL Gebrauch gemacht, die es den Mitgliedstaaten freistellt, auch Rechnungen anzuerkennen, die auf andere Weise elektronisch übermittelt oder bereitgestellt werden.

In Anlehnung an Artikel 233 MwStSystRL in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung (Änderung durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates zu den Rechnungsstellungsvorschriften vom 13. Juli 2010, ABl. EU 2010 L 189 Seite 1) sind Papier- und elektronische Rechnungen ab dem 1. Juli 2011 umsatzsteuerrechtlich gleich zu behandeln (§ 14 Absatz 1 UStG n. F.). Die Gleichstellung führt zu keiner Erhöhung der Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit einer Papierrechnung.

Sowohl bei Papier- als auch bei elektronischen Rechnungen müssen nach § 14 Absatz 1 UStG n. F. die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rech-nung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung herstellen können. § 14 Absatz 3 Nummer 1 und 2 UStG n. F. nennt deshalb die qualifizierte elektronische Signatur oder die qualifizierte elektronische Signatur mit Anbieter-Akkreditierung nach dem Signaturgesetz und den elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustauschs (ABl. EG 1994 L 338 Seite 98) nur noch als Beispiele für Technologien, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts einer elektronischen Rechnung gewährleisten. Dies entspricht Artikel 233 Absatz 2 MwStSystRL in der Fassung der Richtlinie 2010/45/EU des Rates zu den Rechnungsstellungsvorschriften vom 13. Juli 2010, a.a.O.

Das innerbetriebliche Kontrollverfahren im Sinne des § 14 Absatz 1 UStG n. F. dient nicht dazu, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG zu überprüfen. Ebenso wenig soll die inhaltliche Ordnungsmäßigkeit der Rechnung hinsichtlich der nach §§ 14 Absatz 4, 14a UStG erforderlichen Angaben gewährleistet werden. Mit dem innerbetrieblichen Kontrollverfahren soll lediglich die korrekte Übermittlung der Rechnungen sichergestellt werden. Eine inhaltlich richtige Rechnung (gemeint: richtige Leistung, richtiger Leistender, richtiges Entgelt, richtiger Zahlungsempfänger) rechtfertigt die Annahme, dass bei der Übermittlung keine die Echtheit der Herkunft oder die Unversehrtheit des Inhalts beeinträchtigenden Fehler vorgekommen sind. D. h. die Rechnung wurde weder ge- noch verfälscht oder auf andere Weise verändert; die Rechnung entspricht der erbrachten Leistung. Die Anforderungen an das innerbetriebliche Kontrollverfahren haben sich an dieser Zielrichtung zu orientieren.

In der Praxis werden sich die Durchführung des Kontrollverfahrens und die Prüfung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs in Teilen überschneiden. Ist der Nachweis erbracht, dass die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG gegeben sind, kommt der Frage der Durchführung des innerbetrieblichen Kontrollverfahrens in dem konkreten Einzelfall keine eigenständige Bedeutung mehr zu und kann insbesondere nicht mehr zur Versagung des Vorsteuerabzugs führen. Unter innerbetrieblichen Kontrollverfahren im Sinne des § 14 Absatz 1 UStG n. F. sind Verfahren zu verstehen, die der Unternehmer zum Abgleich der Rechnung mit seinen Zahlungsverpflichtungen einsetzt. Der Unternehmer ist in der Wahl des Verfahrens frei. Er wird im eigenen Interesse insbesondere überprüfen, ob:

  • die Rechnung in der Substanz korrekt ist, d. h. ob die in Rechnung gestellte Leistung tatsächlich in dargestellter Qualität und Quantität erbracht wurde,
  • der Rechnungsaussteller also tatsächlich den behaupteten Zahlungsanspruch hat,
  • die vom Rechnungssteller angegebene Kontoverbindung korrekt ist und ähnliches,

um zu gewährleisten, dass er tatsächlich nur die Rechnungen begleicht, zu deren Begleichung er auch verpflichtet ist.
Ein innerbetriebliches Kontrollverfahren erfüllt die Anforderungen des § 14 Absatz 1 UStG n. F., wenn es einen verlässlichen Prüfpfad gibt, durch den ein Zusammenhang zwischen der Rechnung und der zugrunde liegenden Leistung hergestellt werden kann. Dies kann im Rah-men eines entsprechend eingerichteten Rechnungswesens erfolgen, aber z. B. auch durch einen manuellen Abgleich der Rechnung mit vorhandenen geschäftlichen Unterlagen (z. B. Kopie der Bestellung, Auftrag, Kaufvertrag, Lieferschein, Überweisungs- oder Zahlungs-beleg). Es werden keine technischen Verfahren vorgegeben, die die Unternehmen verwenden müssen. Das innerbetriebliche Kontrollverfahren unterliegt keiner gesonderten Dokumen-tationspflicht. Allerdings ist der Steuerpflichtige nach wie vor verpflichtet, die Vorausset-zungen des geltend gemachten Vorsteuerabzugs nachzuweisen.
Papier- und elektronische Rechnungen sind nach § 14b UStG zehn Jahre aufzubewahren. Während des gesamten Aufbewahrungszeitraums müssen die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden (§ 14b Absatz 1 Satz 2 UStG n. F.).

Die Vorschriften der Abgabenordnung (insbesondere §§ 146, 147, 200 AO), die „Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme – GoBS –“ (Anlage zum BMF-Schreiben vom 7. November 1995, BStBl I Seite 738) sowie die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (GDPdU) bleiben unberührt.
Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Dass der Unternehmer hinsichtlich der Rechnung auch die Anforderungen an die Aufbewahrung nach § 14b UStG, §147 AO einschließlich GoBS und GDPdU erfüllt, ist danach nicht Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Verletzt der Unternehmer seine Aufbewahrungs-pflichten nach § 14b UStG, kann dies als eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 26a Absatz 1 Nummer 2 UStG geahndet werden. Der Anspruch auf Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG bleibt hiervon zwar unberührt, der Unternehmer trägt nach allgemeinen Grundsätzen jedoch die objektive Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Anspruch begründen. Sind Unterlagen für den Vorsteuerabzug unvollständig oder nicht vorhanden, kann der Unternehmer den Nachweis, dass er eine ordnungsgemäße Rechnung besaß, mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Mitteln führen (vgl. Abschnitt 15.11 Absatz 1 Satz 2 UStAE). Im Übrigen kann das Finanzamt die abziehbare Vorsteuer unter bestimmten Voraussetzungen schätzen oder aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise anerkennen, sofern im Übrigen die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen (vgl. Abschnitt 15.11 Absatz 5 ff UStAE).

Werden für ein und dieselbe Leistung mehrere Rechnungen ausgestellt, ohne dass sie als Duplikat oder Kopie gekennzeichnet werden, schuldet der Unternehmer den hierin ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14c Absatz 1 UStG (vgl. Abschnitt 14c.1 Absatz 4 UStAE). Dies gilt jedoch nicht, wenn inhaltlich identische (s. § 14 Absatz 4 UStG) Mehrstücke derselben Rechnung übersandt werden. Besteht eine Rechnung aus mehreren Dokumenten, sind diese Regelungen für die Dokumente in ihrer Gesamtheit anzuwenden.
Auf Grund der Vereinfachung der elektronischen Rechnungsstellung ist zur Sicherstellung einer effektiven Umsatzsteuerkontrolle § 27b Absatz 2 UStG ergänzt worden. Mit der Änderung wird geregelt, dass bei den der Umsatzsteuer-Nachschau unterliegenden Sachverhalten der Unternehmer dem Amtsträger auf Verlangen Einsicht in die gespeicherten Daten zu gewähren hat, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt wurden (§ 27b Absatz 2 Satz 2 UStG); es reicht nicht aus, wenn der Unternehmer nur entsprechende Papier-ausdrucke aus dem Datenverarbeitungssystem bereitstellt. Soweit dies für die Feststellung der der Umsatzsteuer-Nachschau unterliegenden Sachverhalte erforderlich ist, hat der die Um-satzsteuer-Nachschau durchführende Amtsträger das Recht, hierfür die eingesetzten Daten-verarbeitungssysteme zu nutzen.

I. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 19. Juni 2012 – IV D 3 – S 7170/10/10012 (2012/0542896), BStBl I S. xxx – geändert worden ist, wie folgt geändert:
1. Abschnitt 14.4 wird wie folgt neu gefasst:
„14.4 Echtheit und Unversehrtheit von Rechnungen

(1) 1Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Rechnungsempfängers elektronisch zu übermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 7 UStG).
2Die Zustimmung des Empfängers der elektronisch übermittelten Rechnung bedarf dabei keiner besonderen Form; es muss lediglich Einvernehmen zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger darüber bestehen, dass die Rechnung elektronisch übermittelt werden soll. 3Die Zustimmung kann z. B. in Form einer Rahmenvereinbarung (z. B. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen) erklärt werden. 4Sie kann auch nachträglich erklärt werden. 5Es genügt aber auch, dass die Beteiligten diese Verfahrensweise tatsächlich praktizieren und damit stillschweigend billigen.

(2) 1Eine elektronische Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 8 UStG ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird. 2Der Rechnungsaussteller ist – vorbehaltlich der Zustimmung des Rechnungsempfängers – frei in seiner Entscheidung, in welcher Weise er elektronische Rechnungen übermittelt. 3Elektronische Rechnungen können z. B. per E-Mail (ggf. mit Bilddatei- oder Textdokumentanhang) oder De-Mail (vgl. De-Mail-Gesetz vom 28. 4. 2011, BGBl. I S. 666), per Computer-Fax oder Faxserver, per Web-Download oder per EDI übermittelt werden. 4Eine von Standard-Telefax an Standard-Telefax oder von Computer-Telefax/Fax-Server an Standard-Telefax übermittelte Rechnung gilt als Papierrechnung.

(3) 1Papier- und elektronische Rechnungen werden ordnungsgemäß übermittelt, wenn die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet sind; sie sind auch inhaltlich ordnungsgemäß, wenn alle erforderlichen Angaben nach § 14 Abs. 4 und § 14a UStG enthalten sind. 2Die Echtheit der Herkunft einer Rechnung ist gewährleistet, wenn die Identität des Rechnungsausstellers sichergestellt ist. 3Die Unversehrtheit des Inhalts einer Rechnung ist gewährleistet, wenn die nach dem UStG erforderlichen Angaben während der Übermittlung der Rechnung nicht geändert worden sind. 4Eine Rechnung gilt als lesbar, wenn sie für das menschliche Auge lesbar ist; Rechnungsdaten, die per EDI-Nachrichten, XML-Nachrichten oder anderen strukturierten elektronischen Nachrichten-formen übermittelt werden, sind in ihrem Originalformat nicht lesbar, sondern erst nach einer Konvertierung.
Innerbetriebliche Kontrollverfahren

(4) Die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung müssen, sofern keine qualifizierte elektronische Signatur verwendet oder die Rechnung per elektronischen Datenaustausch (EDI) übermittelt wird (vgl. Absätze 7 bis 10), durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren, das einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen kann, gewährleistet werden (§ 14 Abs. 1 Satz 5 und 6 UStG).

(5) 1Als innerbetriebliches Kontrollverfahren im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG ist ein Verfahren ausreichend, das der Unternehmer zum Abgleich der Rechnung mit seiner Zahlungsverpflichtung einsetzt, um zu gewährleisten, dass nur die Rechnungen beglichen werden, zu deren Begleichung eine Ver-pflichtung besteht. 2Der Unternehmer kann hierbei auf bereits bestehende Rechnungsprüfungssysteme zurückgreifen. 3Es werden keine technischen Verfahren vorgegeben, die der Unternehmer verwenden muss. 4Es kann daher ein EDV-unterstütztes, aber auch ein manuelles Verfahren sein.

(6) 1Ein innerbetriebliches Kontrollverfahren erfüllt die Anforderungen des § 14 Abs. 1 UStG, wenn es einen verlässlichen Prüfpfad beinhaltet, durch den ein Zusammenhang zwischen der Rechnung und der zu Grunde liegenden Leistung hergestellt werden kann. 2Dieser Prüfpfad kann z. B. durch (manu-ellen) Abgleich der Rechnung mit vorhandenen geschäftlichen Unterlagen (z. B. Kopie der Bestellung, Auftrag, Kaufvertrag, Lieferschein oder Über-weisung bzw. Zahlungsbeleg) gewährleistet werden. 3Das innerbetriebliche Kontrollverfahren und der verlässliche Prüfpfad unterliegen keiner geson-derten Dokumentationspflicht. 4Eine inhaltlich zutreffende Rechnung – ins-besondere Leistung, Entgelt, leistender Unternehmer und Zahlungsemp-fänger sind zutreffend angegeben – rechtfertigt die Annahme, dass bei der Übermittlung keine die Echtheit der Herkunft oder die Unversehrtheit des Inhalts beeinträchtigenden Fehler vorgekommen sind.
Qualifizierte elektronische Signatur und elektronischer Datenaustausch (EDI)

(7) Beispiele für Technologien, die die Echtheit der Herkunft und die Unver-sehrtheit des Inhalts bei einer elektronischen Rechnung gewährleisten, sind zum einen die qualifizierte elektronische Signatur (§ 2 Nr. 3 SigG) oder die qualifizierte elektronische Signatur mit Anbieter-Akkreditierung (§ 2 Nr. 15 SigG) und zum anderen der elektronische Datenaustausch (EDI) nach Art. 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. 10. 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustauschs (ABl. EG 1994, L 338 S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Ein-satz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten (§ 14 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UStG).

(8) 1Zur Erstellung einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 oder Nr. 15 SigG wird ein qualifiziertes Zertifikat benötigt, das von einem Zerti-fizierungsdienstanbieter ausgestellt wird und mit dem die Identität des Zerti-fikatsinhabers bestätigt wird (§ 2 Nr. 7 SigG). 2Dieses Zertifikat kann nach § 2 Nr. 7 SigG nur auf natürliche Personen ausgestellt werden. 3Es ist zulässig, dass eine oder mehrere natürliche Personen im Unternehmen bevollmächtigt werden, für den Unternehmer zu signieren. 4Eine Verlagerung der dem leistenden Unter-nehmer oder dem von diesem beauftragten Dritten obliegenden steuerlichen Ver-pflichtungen ist damit jedoch nicht verbunden. 5Der Zertifikatsinhaber kann zusätzliche Attribute einsetzen (vgl. § 7 SigG). 6Ein Attribut kann z. B. lauten „Frau Musterfrau ist Handlungsbevollmächtigte des Unternehmers A und berech-tigt, für Unternehmer A Rechnungen bis zu einer Höhe von 100 000 € Gesamt-betrag zu unterzeichnen“. 7Auch Vertreterregelungen und ggf. erforderliche Zeichnungsberechtigungen, die an die Unterzeichnung durch mehrere Berechtigte gekoppelt sind, können durch Attribute abgebildet werden. 8Nach § 5 Abs. 3 SigG kann in einem qualifizierten Zertifikat auf Verlangen des Zertifikatsinhabers anstelle seines Namens ein Pseudonym aufgeführt werden. 9Das Finanzamt hat nach § 14 Abs. 2 SigG einen Anspruch auf Auskunft gegenüber dem Zertifizie-rungsdienstanbieter, soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erfor-derlich ist. 10Für die Erstellung qualifizierter elektronischer Signaturen sind alle technischen Verfahren (z. B. Smart-Card, „Kryptobox“) zulässig, die den Vor-gaben des SigG entsprechen. 11Der Rechnungsaussteller kann die Rechnungen auch in einem automatisierten Massenverfahren signieren. 12Es ist zulässig, meh-rere Rechnungen an einen Rechnungsempfänger in einer Datei zusammenzufassen und diese Datei mit nur einer qualifizierten elektronischen Signatur an den Emp-fänger zu übermitteln.

(9) Voraussetzung für die Anerkennung von im EDI-Verfahren übermittelten Rechnungen ist, dass über den elektronischen Datenaustausch eine Vereinbarung nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. 10. 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. EG 1994, L 338, S. 98) besteht, in der der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.
Echtheit und Unversehrtheit bei besonderen Formen der Rechnungsstellung
(10) 1Die Absätze 1 bis 9 gelten entsprechend für Gutschriften (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG), Rechnungen, die im Namen und für Rechnung des Unterneh-mers oder eines in § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG bezeichneten Leistungsemp-fängers von einem Dritten ausgestellt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 4 UStG) sowie für Anzahlungsrechnungen (§ 14 Abs. 5 UStG). 2Wird eine Gutschrift ausgestellt, ist der leistende Unternehmer als Gutschriftsempfänger zur Durchführung des innerbetrieblichen Kontrollverfahrens entsprechend Absätzen 4 bis 6 verpflichtet. 3Der Dritte ist nach § 93 ff. AO verpflichtet, dem Finanzamt die Prüfung des Verfahrens durch Erteilung von Auskünften und Vor-lage von Unterlagen in seinen Räumen zu gestatten. 4Der Empfänger einer elektronischen Rechnung, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen wurde, kann die ihm nach den GDPdU vorgeschriebenen Prüfungs-schritte auch auf einen Dritten übertragen. 5Dies gilt insbesondere für die entspre-chende Prüfung einer elektronischen Rechnung in Form einer Gutschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur.

(11) Bei Fahrausweisen (§ 34 UStDV) ist es für Zwecke des Vorsteuerabzugs nicht zu beanstanden, wenn der Fahrausweis im Online-Verfahren abgerufen wird und durch das Verfahren sichergestellt ist, dass eine Belastung auf einem Konto erfolgt.“

2. Abschnitt 14.7 Absatz 3 Satz 4 wird wie folgt gefasst:
„4Zur Erstellung von Fahrausweisen im Online-Verfahren vgl. Abschnitt 14.4 Absatz 11.“

3. Abschnitt 14.11 Absatz 1 Satz 6 wird gestrichen.

4. Abschnitt 14b.1 Absatz 5 und 6 werden wie folgt gefasst:

„(5) 1Die Rechnungen müssen über den gesamten Aufbewahrungszeitraum die Anforderungen des § 14 Absatz 1 Satz 2 UStG – Echtheit der Herkunft, Unversehrtheit des Inhalts und Lesbarkeit der Rechnung – erfüllen. 2Nachträgliche Änderungen sind nicht zulässig. 3Sollte die Rechnung auf Thermo-papier ausgedruckt sein, ist sie durch einen nochmaligen Kopiervorgang auf Papier zu konservieren, das für den gesamten Aufbewahrungszeitraum nach § 14b Absatz 1 UStG lesbar ist. 4Dabei ist es nicht erforderlich, die ursprüngliche, auf Thermopapier ausgedruckte Rechnung aufzubewahren.

(6) 1Die Vorschriften der Abgabenordnung (insbesondere §§ 146, 147, 200 AO), die „Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme – GoBS –“ (Anlage zum BMF-Schreiben vom 7. 11. 1995, BStBl I S. 738) sowie die „Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (GDPdU) bleiben unberührt. 2Wird eine elektronische Rechnung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur übermittelt, ist auch die Signatur an sich als Nachweis über die Echtheit und die Unversehrtheit der Daten aufzubewahren, selbst wenn nach anderen Vorschriften die Gültigkeit dieser Nachweise bereits abgelaufen ist.“

5. Abschnitt 14b.1 Absatz 10 wird wie folgt gefasst:
„(10) 1Verletzt der Unternehmer seine Aufbewahrungspflichten nach § 14b UStG, kann dies als eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 26a Abs. 1 Nr. 2 UStG geahndet werden. 2Der Anspruch auf Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bleibt hiervon zwar unberührt, der Unternehmer trägt nach allgemeinen Grundsätzen jedoch die objektive Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Anspruch begründen. 3Verletzungen der Grundsätze ord-nungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) und der „Grund-sätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen“ (GDPdU) wirken sich ebenfalls nicht auf den ursprünglichen Vorsteuerabzug aus, sofern die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nachgewiesen werden (vgl. Abschnitt 15.11 Abs. 1 Satz 3). 4Sind Unterlagen für den Vorsteuerabzug unvollständig oder nicht vorhanden, kann das Finanzamt die abziehbare Vor-steuer unter bestimmten Voraussetzungen schätzen oder aus Billigkeits-gründen ganz oder teilweise anerkennen, sofern im Übrigen die Vorausset-zungen für den Vorsteuerabzug vorliegen (vgl. Abschnitt 15.11 Abs. 5 ff).“

6. Abschnitt 14c.1 Absatz 4 wird wie folgt gefasst:
„(4) 1§ 14c Abs. 1 UStG gilt auch, wenn der Steuerbetrag von einem zu hohen Entgelt berechnet wurde (bei verdecktem Preisnachlass vgl. Abschnitt 10.5 Abs. 4). 2Sind für ein und dieselbe Leistung mehrere Rechnungen ausgestellt worden, ohne dass sie als Duplikat oder Kopie gekennzeichnet wurden, schuldet der leistende Unternehmer den hierin gesondert ausgewiesenen Steuerbetrag (vgl. BFH-Urteil vom 27. 4. 1994, XI R 54/93, BStBl II S. 718). 3Dies gilt nicht, wenn inhaltlich identische (s. § 14 Abs. 4 UStG) Mehrstücke derselben Rechnung übersandt werden. 4Besteht eine Rechnung aus mehreren Dokumenten, sind diese Regelungen für die Dokumente in ihrer Gesamtheit anzuwenden.“

7. Abschnitt 15.5 wird wie folgt geändert:
Nach Absatz 8 wird folgender Absatz 9 eingefügt:

„(9) Zum Vorsteuerabzug von Fahrausweisen, die im Online-Verfahren abgerufen werden, vgl. Abschnitt 14.4 Abs. 11.“

8. Abschnitt 27b.1 Abs. 4, 5, 6 und 8 werden wie folgt gefasst:

(4) Sobald der Amtsträger

– der Öffentlichkeit nicht zugängliche Geschäftsräume betreten will,
– den Steuerpflichtigen auffordert, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere umsatzsteuerrelevante Urkunden vorzulegen oder – wenn die Unterlagen mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt wurden – die gespeicherten Daten einzusehen oder
– den Steuerpflichtigen auffordert, Auskunft zu erteilen,
hat er sich auszuweisen.

(5) 1Im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau dürfen grundsätzlich nur Grund-stücke und Räume betreten werden, die gewerblich oder beruflich selbständig genutzt werden; unschädlich ist, wenn sie auch zu Wohnzwecken genutzt werden. 2Das Betreten muss dazu dienen, Sachverhalte festzustellen, die für die Umsatz-besteuerung erheblich sein können. 3Ein Durchsuchungsrecht gewährt die Umsatz-steuer-Nachschau nicht. 4Das bloße Betreten oder Besichtigen von Grundstücken und Räumen ist noch keine Durchsuchung. 5Ein Betreten der Grundstücke und Räume ist während der Geschäfts- und Arbeitszeiten zulässig. 6Die Umsatzsteuer-Nachschau kann auch außerhalb der Geschäftszeiten vorgenommen werden, wenn im Unternehmen schon oder noch gearbeitet wird. 7Der Unternehmer hat auf Ver-langen dem Amtsträger Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. 8Wurden die der Umsatzsteuer-Nachschau unterliegenden Sachverhalte betreffenden Unterlagen mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt, hat der Unternehmer dem Amts-träger auf Verlangen Einsicht in die gespeicherten Daten zu gewähren (§ 27b Abs. 2 Satz 2 UStG); es reicht nicht aus, wenn der Unternehmer nur entspre-chende Papierausdrucke aus dem Datenverarbeitungssystem bereitstellt. 9Soweit erforderlich, ist der Amtsträger befugt, das Datenverarbeitungs-system des Unternehmers zu nutzen (§ 27b Abs. 2 Satz 3 UStG). 10Hierbei ist es dem Unternehmer freigestellt, ob er dem Amtsträger einen entsprechenden Lesezugriff einräumt oder ob er selbst bzw. eine von ihm beauftragte Person dafür sorgt, dass der Amtsträger unverzüglich Einsicht in die entsprechenden Daten erhält. 11Zur Kostentragung durch den Unternehmer gilt § 147 Abs. 6 Satz 3 AO sinngemäß. 12Kommt der Unternehmer seinen Mitwirkungspflichten im Rahmen der Umsatzsteuer-Nachschau nicht nach, liegt es im Ermessen des Amtsträgers, zu einer Außenprüfung nach § 193 AO überzugehen.

(6) 1Da die Umsatzsteuer-Nachschau keine Außenprüfung im Sinne des §§ 193 ff. AO darstellt, finden insbesondere die §§ 147 Abs. 6 Sätze 1 und 2, 201, 202 AO keine Anwendung. 2 Ein Prüfungsbericht ist nicht zu fertigen. 3 Sollen auf Grund der Umsatzsteuer-Nachschau Besteuerungsgrundlagen geändert werden, ist dem Steuerpflichtigen rechtliches Gehör zu gewähren (§ 91 AO).

(8) 1Ein Verwaltungsakt liegt dann vor, wenn der Amtsträger Maßnahmen ergreift, die den Steuerpflichtigen zu einem bestimmten Tun, Dulden oder Unter-lassen verpflichten sollen. 2Ein Verwaltungsakt liegt insbesondere vor, wenn der Amtsträger den Steuerpflichtigen auffordert,
– das Betreten der nicht öffentlich zugänglichen Geschäftsräume zu dulden,
– Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere umsatzsteuerrelevante Urkunden vorzulegen oder – wenn die Unterlagen mit Hilfe eines Datenver-arbeitungssystems erstellt wurden – die gespeicherten Daten einzusehen oder
– Auskunft zu erteilen.
3Ein derartiger Verwaltungsakt ist grundsätzlich mit Zwangsmitteln nach §§ 328 ff. AO (insbesondere durch unmittelbaren Zwang nach § 331 AO) durchsetzbar.“

II. Anwendung

Die unter Abschnitt I Nr. 1 bis 8 dargestellten Änderungen bzw. Ergänzungen des Umsatz-steuer-Anwendungserlasses sind nach Artikel 18 Absatz 3 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BGBl. I Seite 2131) ab dem 1. Juli 2011 anzuwenden und gelten für alle Rechnungen über Umsätze, die nach dem 30. Juni 2011 ausgeführt worden sind (§ 27 Absatz 18 UStG).

Wird eine elektronische Rechnung über einen Umsatz, der vor dem 1. Juli 2011 ausgeführt und abgerechnet worden ist (vgl. § 27 Absatz 18 UStG), nach dem 30. Juni 2011 berichtigt, wird es nicht beanstandet, wenn für die Berichtigung der Rechnung die ab dem 1. Juli 2011 geltende gesetzliche Regelung des § 14 UStG zu Grunde gelegt wird.
Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin