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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Steuerbescheid - Einspruchsfrist verpasst? Unter welchen Voraussetzungen ist die Wiedereinsetzung (AO) in den vorigen Stand möglich?



Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist eine Möglichkeit, um eine Fristversäumnis in einem Rechtsbehelfsverfahren (Einspruch bzw. Klage) zu heilen, wenn diese Fristversäumnis unverschuldet war. Das bedeutet, dass der Steuerpflichtige oder sein Steuerberater, der die Frist versäumt hat, kein Verschulden an der Versäumnis hatte.


Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kann in verschiedenen rechtlichen Situationen möglich sein, wie zum Beispiel in zivilrechtlichen, strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Verfahren. Typischerweise ist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand jedoch an bestimmte Voraussetzungen gebunden und muss bei dem zuständigen Gericht oder der Behörde beantragt werden.

Zu den Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gehören in der Regel:

  • Die Fristversäumnis war unverschuldet.
  • Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird innerhalb einer bestimmten Frist gestellt.
  • Die versäumte Handlung wird innerhalb einer bestimmten Frist nachgeholt.
  • Es besteht ein besonderes Interesse an der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Anforderungen und Fristen für eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand je nach Art des Verfahrens und dem zuständigen Gericht oder der Behörde variieren können. Es ist daher ratsam, sich im konkreten Fall rechtzeitig an einen Steuerberater zu wenden, um sich beraten zu lassen und eine mögliche Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu prüfen.


1. Ausführungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 110 AO

1.1. Gesetzliche Frist

Gesetzliche Fristen sind Fristen, deren Dauer im Gesetz bestimmt ist.

In den Anwendungsbereich von § 110 AO fallen daher beispielsweise

  • die Einspruchsfrist (§ 355 AO)
  • Antragsfristen aller Art (z.B. Wiedereinsetzungsfrist nach § 110 Abs. 2 Satz 1 und 3 AO)
  • Erklärungsfristen (z.B. § 19 Abs. 2 Satz 1 und 4 UStG).

Keine gesetzlichen Fristen i.S. des § 110 AO sind u.a.

  • Festsetzungs- (§ 169 ff. AO) und
  • Zahlungsverjährungsfristen (§ 228 ff. AO).

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1.2. Verhinderung, die Frist zu wahren

Verhindert am Einhalten einer gesetzlichen Frist ist, wer auf Grund von außen einwirkender Umstände am Tätigwerden oder durch psychische oder physische Einflüsse in der Freiheit der Willensentschließung gehindert wird. Eine bloße Erschwernis genügt dabei nicht.

Als Verhinderungsgründe können bspw. Erkrankung, Abwesenheit, Unfall, Unkenntnis in Betracht kommen.

Wer bewusst eine Frist verstreichen lässt, ist nicht verhindert gewesen, die Frist zu wahren.

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1.3. Ohne Verschulden

Die Verhinderung am Einhalten der Frist muss ohne Verschulden erfolgt sein, um Wiedereinsetzung zu erlangen, vgl. § 110 Abs. 1 Satz 1. Der Verschuldensbegriff i.S. des § 110 AO umfasst Vorsatz und Fahrlässigkeit. Es reicht bereits einfache Fahrlässigkeit aus.

Fahrlässig handelt, wer die nach den vorliegenden besonderen Umständen und den personellen Verhältnissen gebotene und ihm zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt.

Bei der Würdigung des Tatbestandsmerkmals „ohne Verschulden” ist Folgendes zu beachten:

  • Es können mehrere möglicherweise schädliche Unterarten von Verschulden (z.B. Organisationsverschulden, Auswahlverschulden, Überwachungsverschulden usw.) in Betracht kommen.
  • Die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen wie Sach- und Rechtskunde sind zu berücksichtigen.
  • Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen, vgl. § 110 Abs. 1 Satz 2 AO.
  • Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Einspruchsfrist als nicht verschuldet. (§ 126 Abs. 3 Satz 1 AO).

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1.4. Antrag auf Wiedereinsetzung und Nachholung der versäumten Handlung

Grundsätzlich ist Wiedereinsetzung nur auf Antrag zu gewähren. Der Antrag kann schriftlich, mündlich – auch telefonisch – oder zur Niederschrift an Amtsstelle erfolgen.

Nach § 110 Abs. 2 Satz 3 AO ist zudem auch die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist gemäß § 110 Abs. 2 Satz 4 AO entbehrlich, wenn die versäumte Handlung gemäß § 110 Abs. 2 Satz 3 AO innerhalb der Nachholungsfrist nachgeholt worden ist.

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1.5. Innerhalb der Antrags- bzw. Nachholungsfrist

Die Antrags- bzw. Nachholungsfrist beträgt einen Monat ab Wegfall des Hindernisses, § 110 Abs. 2 Satz 1 AO. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Frist i.S. des § 108 AO, die nicht nach § 109 AO verlängert werden kann.

Das Hindernis i.S. des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO ist weggefallen, wenn der Betroffene von der Fristversäumung Kenntnis erlangt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können und müssen.

Ist das Hindernis noch während der einzuhaltenden Frist (z.B. Rechtsbehelfsfrist) weggefallen, so ist grundsätzlich keine Wiedereinsetzung möglich, weil es bereits an einem ausreichenden Hindernis fehlt.

Bei Unkenntnis der Betroffenen von der Fristversäumnis fällt das Hindernis spätestens mit der Kenntniserlangung weg, z.B. im Augenblick der Belehrung oder Information durch Mitteilung der Finanzbehörde, dass der Einspruch verspätet eingegangen ist, BFH vom 31.10.1996, VI 108/96 (BFH/NV 1997 S. 300) und BFH vom 21.10.2008, V R 19/08 (BFH/NV 2009 S. 396).

Ist innerhalb der Festsetzungsfrist kein Antrag des Steuerpflichtigen eingegangen, kann keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO mit dem Ziel einer rückwirkenden Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO gewährt werden, vgl. BFH vom 24.1.2008, VII R 3/07 (BStBl 2008 II S. 462).

Wiedereinsetzung ist nicht mehr möglich, wenn seit dem Ablauf der versäumten Frist ein Jahr verstrichen ist(Jahresfrist), es sei denn, es liegt ein Fall höherer Gewalt vor, § 110 Abs. 3 AO. Nach Ablauf dieses Jahres kann also auch dann keine Wiedereinsetzung mehr beantragt werden, wenn das Hindernis über das Jahr hinaus bestanden hat. Ist der Antrag auf Wiedereinsetzung noch vor Ablauf des Jahres gestellt worden und wurden die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen glaubhaft gemacht, so muss auch nach Ablauf des Jahres Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn die Antragsfrist eingehalten worden ist.

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1.6. Begründung des Antrags auf Wiedereinsetzung

Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu begründen, § 110 Abs. 2 Satz 2 AO.

Wiedereinsetzungsgründe sind im Kern innerhalb der Antragsfrist gem. § 110 Abs. 2 Satz 1 AO vorzutragen. Das erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Umstände und Tatsachen, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll, innerhalb dieser Frist.

Ohne eine solche fristgerechte und vollständige Darstellung der Ereignisse, die zur Fristversäumung geführt haben sollen, ist die Wiedereinsetzung ausgeschlossen, BFH vom 13.7.1989, VIII R 64/88 (BFH/NV 1990 S. 577). Die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags ist ausschließlich Sache des Antragstellers.

Die Finanzbehörde muss den Beteiligten allerdings zur Begründung „anhalten”, beispielsweise falls der Antragsteller irrtümlich meint, bereits alles seinerseits Erforderliche getan zu haben – bzw. auf eine unvollständige und ergänzungsbedürftige oder mangelhafte Antragsbegründung hinweisen.

Ein Nachschieben von weiteren tragenden Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der einmonatigen Antragsfrist ist unzulässig; dies gilt auch für wesentliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung, vgl. BFH-Urteil vom 31.1.2017, IX R 19/16, BFH/NV 2017 S. 885, m.w.N. Dagegen können Vertiefungen und Erläuterungen unklarer oder unvollständiger Angaben zu fristgerecht vorgetragenen Wiedereinsetzungsgründen auch nach Ablauf der Antragsfrist noch zulässig sein. Insbesondere können auch Nachweise zur Glaubhaftmachung der geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe nach Fristablauf beigebracht werden.

Beispiel:

Innerhalb der Antragsfrist begründet der Steuerpflichtige die Wiedereinsetzung mit einem längeren Urlaub. Nach Ablauf der Antragsfrist beschreibt er seine Rundreise im Detail und teilt zudem mit, dass er auch schon lange krank sei.

Die nach der Antragsfrist vertiefende Darstellung des Urlaubs ist zulässig und muss bei der Würdigung der Umstände berücksichtigt werden. Die Aussage, er sei schon länger krank, muss jedoch außen vor bleiben, da diese einen neuen Wiedereinsetzungsgrund darstellt, der erst nach der Antragsfrist vorgebracht wurde.

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2. Elektronischer Abruf von Bescheiddaten

Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Zusammenhang mit dem elektronischen Abruf von Bescheiddaten sagt das BMF-Schreiben vom 16.11.2011, BStBl 2011 I S. 1063 folgendes aus: „Der elektronische Abruf von Bescheiddaten ersetzt nicht die Bekanntgabe des Steuerbescheides. Auf die elektronische Übermittlung von Bescheiddaten wird im Steuerbescheid hingewiesen. Für diesen Fall sichert die Finanzverwaltung zu, dass die elektronisch bereitgestellten Daten mit dem bekannt gegebenen Bescheid übereinstimmen. Wird ein Einspruch nur deshalb verspätet eingelegt, weil im Vertrauen auf diese Zusicherung eine Überprüfung des Steuerbescheids innerhalb der Einspruchsfrist unterblieb, ist unter analoger Anwendung des § 126 Abs. 3 AO eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.”

Darüber hinaus kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Einzelfall in Betracht kommen, wenn eine elektronische Bereitstellung der Bescheiddaten – entgegen dem Wunsch des Steuerpflichtigen – unterblieben ist.

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3. Entschiedene Einzelfälle

Die nachfolgenden Urteile und Beschlüsse des BFH sind in vergleichbaren Fällen anzuwenden.

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3.1. Abwesenheit bei Geschäftsreisen

Ein Steuerpflichtiger, der des Öfteren oder länger auf Geschäftsreisen ist, muss es sich als Verschulden anrechnen lassen, wenn er keine Vorkehrungen dafür trifft, dass ihn Zustellungen verlässlich rechtzeitig erreichen oder erforderlichenfalls Termine ordnungsgemäß wahrgenommen werden können (vgl. BFH-Beschluss vom 17.11.1970, BStBl 1971 II S. 143).

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3.2. Arbeitsüberlastung

Die allgemein vorhandene Arbeitsüberlastung stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, unabhängig davon, ob sie durch Beruf, politisches Engagement, Ehrenämter, starke familiäre Beanspruchung oder die Schwierigkeit der Rechtsmaterie bedingt ist. Sofern besondere Umstände vorliegen, sind diese zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 22.2.1968, BStBl 1968 II S. 312).

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3.3. Erkrankung

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH entschuldigt Krankheit eine Fristversäumnis nur dann, wenn sie plötzlich auftritt und mit ihr nicht gerechnet werden musste und wenn sie so schwer war, dass weder die Wahrung der laufenden Fristen noch die Bestellung eines Dritten, der sich um sie kümmern konnte, möglich war (vgl. BFH-Beschluss vom 9.11.1999, BFH/NV 2000 S. 583).

So hat der BFH mit Urteil vom 23.2.1983 (BFH/NV 1987 S. 246) entschieden, dass eine ärztliches Attest (z.B. mit dem Inhalt „… kann sich nicht mit betrieblichen und steuerlichen sowie sonstigen rechtlichen Belangen für den Zeitraum … befassen”) ausreichend ist, um ein Verschulden an der Fristversäumnis zu verneinen. Das gleiche gilt bei Schlaganfällen oder erstmaligen Diabetesschock (BFH-Beschluss vom 13.12.2005, BFH/NV 2006 S. 765).

Bei längerer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist darzulegen, warum kein Vertreter rechtzeitig bestellt werden konnte. Der Nachweis kann in Form einer eidesstattlichen Versicherung einer dritten Person über Art und Dauer der Erkrankung erbracht werden (BFH-Beschluss vom 23.10.2000, BFH/NV 2001 S. 468)

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3.4. Hinzuziehung von Hilfspersonen

Wird eine Hilfsperson, d.h. eine nicht zur Vertretung bestellte oder beauftragte Person, bei fristwahrenden Maßnahmen tätig, wird deren Verschulden dem Beteiligten nicht zugerechnet. Die Hinzuziehung muss aber sachgerecht sein und der Beteiligte muss die Hilfspersonen in zumutbarer Weise unterweisen und beaufsichtigen (BFH-Urteil vom 11.1.1983, BStBl 1983 II S. 334).

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3.5. Organisationsverschulden

Der BFH hat mit Urteil vom 7.12.1988, BStBl 1989 II S. 266, entschieden, dass ein Bevollmächtigter verpflichtet ist, seinen Bürobetrieb so zu organisieren, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen sind. Dazu ist grundsätzlich unerlässlich, dass ein Fristenkontrollbuch (Fristenkalender oder eine vergleichbare Einrichtung) geführt wird. Im Fristenkalender muss der Fristablauf für jede einzelne Sache vermerkt sein. Die Einhaltung der laufenden Fristen muss durch tägliche Einsichtnahme in den Fristenkalender gesichert werden (BFH-Urteil vom 9.5.1961, BStBl 1961 III, 445). Zur Organisationspflicht gehört es, eine Ausgangskontrolle zu schaffen, die ausreichende Gewähr dafür bietet, dass fristwahrende Schriftstücke nicht über den Fristablauf hinaus im Büro liegenbleiben. Zu der hiernach geforderten Endkontrolle gehört die Anweisung, Fristen erst dann zu löschen, wenn das fristwahrende Schriftstück tatsächlich gefertigt und abgesandt ist oder zumindest „postfertig” (postausgangsbereit) vorliegt.

Das Fehlen einer ordnungsmäßigen Ausgangskontrolle ist nur dann nicht ursächlich für eine Fristversäumnis, wenn die mit der Versendung beauftragte Hilfsperson ausdrücklich auf die Bedeutung und Eilbedürftigkeit des Schriftstücks hingewiesen wurde.

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3.6. Tod eines nahen Angehörigen

Der BFH hat mit Beschluss vom 29.9.1971 (BStBl 1972 II S. 19) entschieden, dass die Versäumung der Frist nicht unverschuldet ist, wenn sie darauf beruht, dass sich der Prozessbevollmächtigte nach dem plötzlichen Tod eines nahen Angehörigen zwei Wochen lang nicht um seine Kanzlei gekümmert und keinen Vertreter bestellt hat.

Im vorliegenden Fall hat der Bevollmächtigte in der Zeit, in der er die Berufstätigkeit nicht ausübte, dringende persönliche mit dem Todesfall zusammenhängende Schriftsachen erledigt. Es konnte ihm deshalb – auch unter Berücksichtigung der mit einem solchen Todesfall verbundenen seelischen Belastung – zugemutet werden, dass er nach einigen Tagen die nötigsten Anordnungen traf. Da zudem zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Wochen seit seiner Rückkehr aus dem Urlaub vergangen waren, ohne dass er in solcher Weise tätig wurde, hat der Bevollmächtigte nicht die äußerste, den Umständen angemessene Sorgfalt angewendet.

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3.7. Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung

Bei der Briefbeförderung oder -zustellung, die der Rechtsmittelführer nicht zu vertreten hat und auf die er auch keinen Einfluss besitzt, dürfen Verzögerungen nicht als dessen Verschulden gewertet werden. In Fällen der Postlaufzeiten bei Inlandsbeförderung kann darauf vertraut werden, dass die von der Deutschen Post AG nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden (vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 25.9.2000, 1 BvR 2104/99, HFR 2001 S. 283).

In der Verantwortung des Beteiligten liegt es nur, das zu befördernde Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, dass es nach diesen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG bei regelmäßigem Dienstablauf den Empfänger fristgerecht erreicht.

Die Dauer einer Inlandsbeförderung ist nach den amtlichen Verlautbarungen der Deutschen Post AG und dem Erfahrungswissen der Gerichte grundsätzlich gerichtsbekannt (vgl. BFH-Urteil vom 7.5.1996, BFH/NV 1997 S. 34, und BFH-Beschluss vom 9.2.1998, BFH/NV 1998 S. 988).

Die Beteiligten können grundsätzlich Rechtsmittelfristen bis zum letzten Tag ausschöpfen, ohne sich insoweit rechtfertigen zu müssen. Sie sind im Rahmen der von der Deutschen Post AG verlautbarten Regellaufzeiten auch nicht gehalten, zusätzliche Vorkehrungen zur Fristwahrung zu treffen. Gegen Ende der Rechtsmittelfrist obliegt es ihnen lediglich, bei Inanspruchnahme der Post eine Beförderungsart zu wählen, die – unter Berücksichtigung der normalen Postlaufzeiten – die Einhaltung der Frist gewährleistet (BFH-Urteil vom 11.7.2006, BStBl 2007 II S. 96).

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3.8. Verfrühte Absendung vordatierter Steuerbescheide

Ein Steuerbescheid, der vor dem aufgedruckten Bescheiddatum dem Empfänger zugestellt wird, ist wirksam bekannt gegeben, so dass die Einspruchsfrist mit der Bekanntgabe des Bescheids beginnt. Versäumt der Empfänger jedoch die Einspruchsfrist, weil er darauf vertraut, dass diese nicht vor Ablauf eines Monats nach dem Datum des Bescheids endet, so ist regelmäßig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (BFH-Urteil vom 20.11.2008, BStBl 2009 II S. 185). In dem entschiedenen Fall hatte das Finanzamt Kenntnis von der verfrühten Bekanntgabe, da diese mittels Postzustellungsurkunde erfolgt ist.

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4. Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung

Nach § 110 Abs. 4 AO entscheidet das Finanzamt über den Antrag auf Wiedereinsetzung. Dies erfolgt im Rahmen der Entscheidung über die Hauptsache, bspw. im Rahmen einer Einspruchsentscheidung wegen des verspäteten Einspruchs. Die Entscheidung über die Wiedereinsetzung ist ein unselbstständiger Bestandteil der Entscheidung in der Hauptsache, vgl. BFH vom 8.11.1996, VI R 24/96 (BFH/NV 1997 S. 363).

Die Frage der Gewährung oder Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist untrennbar mit der Frage der fristgerechten Handlung verbunden, also bspw. bei der Einlegung von Rechtsbehelfen mit der Frage der Zulässigkeit, BFH vom 2.10.1986, IV R 39/83, BStBl 1987 II S. 7. Demnach wird in diesem Fall erst mit der Einspruchsentscheidung endgültig über die Gewährung der Wiedereinsetzung entschieden, BFH vom 26.10.1989, IV R 82/88, BStBl 1990 II S. 277.

Die Gewährung oder Versagung von Wiedereinsetzung ist daher kein selbstständig anfechtbarer Verwaltungsakt, BFH vom 14.11.1995, IX R 36/94 (BFH/NV 1996 S. 347).

Dementsprechend ist auf die Frage der Wiedereinsetzung etwa in einer Einspruchsentscheidung wegen des verspäteten Einspruchs einzugehen und kein zusätzlicher Bescheid über die Ablehnung der Wiedereinsetzung zu erlassen.

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5. Prüfungsschema

Zur Prüfung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO wurde ein Prüfungsschema entwickelt (vgl. Anlage). Das Prüfungsschema kann die Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze und Rechtsprechungshinweise erleichtern, jedoch eine einzelfallbezogene Prüfung nicht ersetzen.

Anlage

Prüfungsschema § 110 AO

Handelt es sich um

eine gesetzliche

Frist ?

V

V

Ja

Nein

V

V

Liegt ein

Hindernisgrund

vor?

Keine

Wiedereinsetzung

nach § 110 AO

V

V

Ja

Nein

V

V

Prüfung auf

der nächsten Seite

fortsetzen

Keine

Wiedereinsetzung

nach § 110 AO

Ist die Verhinderung

am Einhalten der

Frist ohne Verschulden erfolgt?

V

V

Ja

Nein

V

Liegen die Voraussetzungen des

§ 126 Abs. 3 AO

vor?

V

V

V



























































Liegt ein Antrag vor?

<–––––––––

Ja

Nein

V

V

Ja

Nein

V

V

Ist der Antrag

innerhalb eines

Monats nach

Wegfall des Hindernisses

gestellt worden?

Ist die versäumte

Handlung innerhalb

der Antragsfrist

nachgeholt worden?

Keine Wiedereinsetzung nach

§ 110 AO

V

V

V

V

Nein

Ja

Nein

V

V

V

Keine

Wiedereinsetzung

nach § 110 AO

Wiedereinsetzung

nach § 110 AO

Keine

Wiedereinsetzung

nach § 110 AO












































OFD Frankfurt, 31.1.2018, S 0262 A - 1 - St 23 Ergänzend zu dem AEAO zu § 110 AO

Normenkette AO 1977 § 110

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Rechtsgrundlagen zum Thema: Wiedereinsetzung

AO 
AO § 108 Fristen und Termine

AO § 109 Verlängerung von Fristen

AO § 110 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

AO § 126 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern

AO § 360 Hinzuziehung zum Verfahren

AO § 108 Fristen und Termine

AO § 109 Verlängerung von Fristen

AO § 110 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

AO § 126 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern

AO § 360 Hinzuziehung zum Verfahren

UStAE 
UStAE 4a.4. Antragsverfahren

UStAE 18.2. Voranmeldungszeitraum

UStAE 18.13. Vorsteuer-Vergütungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer

UStAE 18.14. Vorsteuer-Vergütungsverfahren für im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer

UStAE 4a.4. Antragsverfahren

UStAE 18.2. Voranmeldungszeitraum

UStAE 18.13. Vorsteuer-Vergütungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer

UStAE 18.14. Vorsteuer-Vergütungsverfahren für im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer

UStR 
UStR 126. Antragsverfahren

UStR 225a. Voranmeldungszeitraum

UStR 242. Vorsteuer-Vergütungsverfahren

AEAO 
AEAO Zu § 89 Beratung, Auskunft:

AEAO Zu § 91 Anhörung Beteiligter:

AEAO Zu § 110 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

AEAO Zu § 121 Begründung des Verwaltungsakts:

AEAO Zu § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts:

Zu § 126 Heilung von Verfahrens- und Formfehlern:

AEAO Zu § 171 Ablaufhemmung:

AEAO Zu § 251 Insolvenzverfahren:

AEAO Zu § 355 Einspruchsfrist:

AEAO Zu § 357 Einlegung des Einspruchs:

AEAO Zu § 364b Fristsetzung:

HGB 
§ 335 HGB Festsetzung von Ordnungsgeld

§ 335a HGB Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungsgeld; Rechtsbeschwerde; Verordnungsermächtigung

EStH 55
StbVV 
§ 23 StBVV Sonstige Einzeltätigkeiten

GrStR 41

Weitere Informationen zu diesem Thema aus dem Steuer-Blog:


BFH Urteile zu diesem Thema und weiteres:


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