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Bewertung eines Wohnrechts

Der für die Erbschaft- und Schenkungssteuer zuständige 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat mit Urteil vom 19.09.2012 entschieden, dass der Jahreswert von Nutzungen eines Wirtschaftsguts, das für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungssteuer nach den §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird, nicht nach § 16 BewG gedeckelt werden darf (Az.3 K 194/12).

Zum Hintergrund: Seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes am 1. Januar 2009 werden – entsprechend der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts – alle wesentlichen Vermögensgruppen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungssteuer mit dem gemeinen Wert (bzw. Verkehrswert) angesetzt.

§ 177 BewG bestimmt ausdrücklich, dass den Bewertungen des Grundvermögens der gemeine Wert zugrunde zu legen ist. Die Berücksichtigung von Grundstücksbelastungen ist dabei grds. nicht vorgesehen. § 198 BewG erlaubt es dem Steuerpflichtigen aber, den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes zu führen. Der Gesetzgeber hat dabei die Möglichkeit zugelassen, dass der niedrigere Verkehrswert auch aus der Belastung des Grundbesitzes mit einem Nutzungsrecht resultieren kann.

Wird das Nutzungsrecht – im Streitfall handelte es sich um ein Wohnrecht – allerdings nicht bereits bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes berücksichtigt, ist es (im Umkehrschluss zu § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG) bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer abzuziehen. Es ist dann „nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes“ zu bewerten. In diesem Fall kommt grds. auch die Vorschrift des § 16 BewG zur Anwendung. Danach kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert“ durch 18,6 geteilt wird. Anders als bei einer Berücksichtigung der Nutzungen im Rahmen des nachgewiesenen niedrigeren Verkehrswertes nach § 198 BewG findet bei einem Abzug der Nutzungen bei der Erbschaft­- bzw. Schenkungsteuer somit eine wertmäßige Deckelung des Jahreswertes statt.

Je nachdem, ob die Nutzungen somit bei dem Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwertes oder bei der Festsetzung der Erbschaft- bzw. Schenkungssteuer berücksichtigt werden, können sich bei identischem Sachverhalt und gleicher steuerlicher Leistungsfähigkeit somit stark unterschiedliche Steuerbelastungen ergeben, die alleine aus den unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten resultieren.

Der 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hält dieses Ergebnis für nicht folgerichtig und begrenzt § 16 BewG deshalb in verfassungskonformer Weise dahingehend, dass die Vorschrift nicht zur Anwendung kommt, wenn es sich bei dem „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert“ um den nach §§ 157 ff. BewG ermittelten Verkehrswert des Wirtschaftsgutes handelt.

Der Deckelungsvorschrift des § 16 BewG liegt die gesetzgeberische Überlegung zugrunde, dass der Wert der Nutzungen nicht den Wert des Eigentums als Vollrecht übersteigen soll. Dieses Ergebnis trat regelmäßig dann ein, wenn als „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[r] Wert“ eines Wirtschaftsgutes der unrealistisch niedrige Einheits- oder Bedarfswerte angesetzt wurde. § 16 BewG sorgte dann dafür, dass auch der Wert der Nutzungen auf dieses unrealistisch niedrige Wertniveau herabgesenkt wurde.

Diese Deckelung ist jedoch nach Auffassung des 3. Senats dann nicht mehr geboten und gerechtfertigt, wenn das belastete Wirtschaftsgut – wie vom Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben – nach §§ 157 ff. BewG mit dem Verkehrswert angesetzt wird. In diesem Fall verhinderte die Anwendung des § 16 BewG vielmehr eine Verkehrsbewertung der Nutzungen, die ebenfalls verfassungsrechtlich geboten ist.

Der 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat die Revision zugelassen. Ein Revisionsaktenzeichen des Bundesfinanzhofs liegt derzeit noch nicht vor.

Die Entscheidung finden Sie auf den Seiten des Landesjustizportals Niedersachsen -Rechtsprechung- unter Eingabe des Aktenzeichens.

 

Keine Begrenzung des Jahreswertes von Nutzungen eines Wirtschaftsgutes, das für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit dem Verkehrswert angesetzt wird

§ 16 BewG wird in verfassungskonformer Weise einschränkend dahingehend ausgelegt, dass die dortige Verweisung auf den „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert“ sich nur auf diejenigen Vorschriften des Bewertungsgesetzes bezieht, die bereits vor dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes am 1. Januar 2009 existiert haben.

Niedersächsisches Finanzgericht 3. Senat, Urteil vom 19.09.2012, 3 K 194/12

§ 157 BewG, § 16 BewG, § 177 BewG, § 198 BewG, § 10 Abs 6 S 6 ErbStG, Art 3 Abs 1 GG

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Bewertung eines Wohnrechts.

2
Dem im Oktober 1935 geborenen Kläger war im Jahr 2000 von seiner langjährigen Lebensgefährtin ein lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht an einem Hausgrundstück vermacht worden. Das Hausgrundstück selbst hatte die Lebensgefährtin an ihre Enkelin vererbt, die gleichzeitig die Pflegetochter des Klägers war.

3
Mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 2010 übertrug die Pflegetochter das Grundstück ohne Vereinbarung einer Gegenleistung auf den Kläger. Gleichzeitig wurde die Löschung des Wohnrechts des Klägers beantragt. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde in dem Vertrag mit 60.000 €, der des Wohnrechts mit 43.000 € beziffert. Die Werte basierten auf einem von dem Kläger eingeholten Sachverständigengutachten.

4
Der steuerlich zunächst nicht vertretene Kläger legte dieses Gutachten auch dem Beklagten im Verfahren über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes vor. Mit Bescheid des Beklagten vom 26. April 2011 stellte dieser jedoch – ohne Berücksichtigung des Wohnrechts – einen Grundbesitzwert in Höhe von 53.874 € fest und verwies in der Begründung des Bescheides darauf, dass „der ermittelte Grundbesitzwert nicht höher ist als der Verkehrswert“. Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

5
In der Schenkungssteuererklärung gab der Kläger den Wert des Grundstücks mit 17.000 € an. Der Beklagte übernahm jedoch den festgestellten Grundbesitzwert von 53.874 €, wiederum ohne das Wohnrecht bei der Berechnung der Schenkungsteuer in Abzug zu bringen.

6
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 15. September 2011 und bat um Berücksichtigung des Wohnrechts. Der Beklagte setzte daraufhin das Wohnrecht mit einem Wert von 23.000 € an. Bei der Ermittlung des Jahreswertes des Wohnrechts berücksichtigte er die in § 16 des Bewertungsgesetzes (im Folgenden: BewG) bestimmte Begrenzung des Jahreswertes von Nutzungen auf 1/18,6 des „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert[es]“. Unter Berücksichtigung eines Jahreswertes in Höhe von (53.874 € / 18,6 =) 2.896 und eines Vervielfältigers von 7,942 ergab sich – nach Abzug von Erwerbsnebenkosten in Höhe von 732 € – ein Steuerwert der Bereicherung in Höhe von (53.874 € ./. 23.000 € ./. 732 € =) 30.142 €.

7
Gegen den entsprechenden Einspruchsbescheid des Beklagten vom 27. Januar 2012 erhob der Kläger Klage.

8
Er ist der Auffassung, für Zwecke der Schenkungssteuer seien die von ihm durch Sachverständigengutachten nachgewiesenen Verkehrswerte in Höhe von 60.000 € für das Grundstück und in Höhe von 43.000 € für das Wohnrecht zugrunde zu legen, so dass sich aufgrund des für den Kläger geltenden erbschaftsteuerlichen Freibetrages in Höhe von 20.000 € keine steuerpflichtige Bereicherung mehr ergebe.

9
Der Kläger beantragt,

10
den Bescheid über Schenkungsteuer vom 25. August 2011 in der zuletzt ergangenen Fassung und der Einspruchsbescheid vom 27. Januar 2012 aufzuheben.

11
Der Beklagte beantragt,

12
die Klage abzuweisen.

13
Er trägt vor, der Jahreswert des Wohnrechts sei – wie geschehen – nach § 16 BewG auf ein 18,6tel des Steuerwertes des Grundstücks zu begrenzen und daher nur in der erfolgten Höhe von dem Grundbesitzwert abzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

14
I. Die zulässige Klage ist begründet. Die Begrenzung des Jahreswertes von Nutzungen in § 16 BewG ist nach Auffassung des Senates bei der Wertermittlung nach §§ 157 ff. BewG nicht anzuwenden.

15
1. Mit der unentgeltlichen Grundstücksübertragung liegt ein schenkungssteuerpflichtiger Vorgang nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes (im Folgenden: ErbStG) vor. Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist.

16
2. Erworbener Grundbesitz ist nach § 12 Abs. 3 ErbStG mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Wert, also mit dem Grundbesitzwert nach §§ 138, 157 BewG, anzusetzen. Die Grundbesitzwerte sind nach §§ 151 Abs. 1 Nr. 1, 179 AO gesondert festzustellen. Die entsprechend ergehenden Feststellungsbescheide sind nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für die Folgebescheide als Grundlagenbescheide bindend.

17
Im Streitfall wurde der Grundbesitzwert durch Bescheid vom 26. April 2011 des Beklagten mit 53.784 € festgestellt. Diesen Wert des unbelasteten Grundstücks hatte der Beklagte im Wege des Vergleichswertverfahrens ermittelt. Der vom Kläger durch Sachverständigengutachten nachgewiesene niedrigere Verkehrswert des unbelasteten Grundstückes war mit 60.000 € nicht niedriger als der von dem Beklagten ermittelte und wurde von diesen daher nicht nach § 198 BewG angesetzt. Auf den von dem Kläger vorgetragenen Wert des durch das Wohnrecht belasteten Grundstücks in Höhe von 17.000 € stellte der Beklagte – in zulässiger Weise – nicht ab. Die bestandskräftig gewordene Wertfeststellung ist für den Schenkungssteuerbescheid bindend und kann im Rahmen des gegen diesen gerichteten Einspruchs- und Klageverfahrens nach § 351 Abs. 2 AO nicht angegriffen werden.

18
3. Die Berücksichtigung des Wohnrechts erfolgte – entsprechend dem Umkehrschluss des § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG – im Rahmen der Schenkungssteuerveranlagung. Es ist dort als wiederkehrende Nutzung nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 13 ff. BewG zu bewerten. Zur Ermittlung des Wertes der wiederkehrenden Nutzung ist nach § 14 Abs. 1 BewG der Jahreswert der Nutzung mit dem in der Anlage zu § 14 Abs. 1 BewG (BMF-Schreiben vom 1. Oktober 2009, BStBl. I. 2009, 1168) genannten Vervielfältiger zu multiplizieren. Als Jahreswert von Nutzungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist nach § 15 Abs. 3 BewG „der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird“. Der von dem Kläger beauftragte Sachverständige hat in nicht zu beanstandender Weise einen Jahreswert von 4.744 € ermittelt.

19
Nach § 16 BewG kann jedoch bei der Ermittlung des Kapitalwerts von Nutzungen eines Wirtschaftsgutes der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert“ durch 18,6 geteilt wird. Im Streitfall ergäbe sich deshalb – wie von dem Beklagten ermittelt – höchstens ein Jahreswert von (53.784 € / 18,6 =) 2.896 € und unter Berücksichtigung eines – nach dem Lebensalter des Klägers bemessenen – Vervielfältigers von 7,942 für den am 22. Oktober 1935 geborenen Kläger zum Übertragungsstichtag, dem 21. Dezember 2010, ein Wert des Wohnrechts in Höhe von 23.000 €.

20
4. § 16 BewG ist jedoch nach Auffassung des Senats bei der Wertermittlung aufgrund der „Vorschriften für die Bewertung von Grundbesitz, von nicht notierten Anteilen an Kapitalgesellschaften und von Betriebsvermögen für die Erbschaftsteuer ab 1. Januar 2009“ in den §§ 157 BewG nicht anzuwenden. Dies ergibt sich aufgrund verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift. Die dortige Verweisung auf den „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert“ bezieht sich danach nur auf die Vorschriften des BewG, die bereits vor dem Erbschaftsteuerreformgesetz existiert haben.

21
a. Eine Anwendung des § 16 BewG im Streitfall verstieße nach Überzeugung des erkennenden Senats gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

22
(1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen.

23
Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Die Freiheit des Gesetzgebers im Steuerrecht – auch im Erbschaftsteuerrecht – wird hierbei allerdings durch zwei Leitlinien begrenzt, nämlich durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 – 1 BvR 611/07 u.a., BVerfGE 126, 400 m.w.N.).

24
(2) Die Vorschrift des § 16 BewG widerspräche – käme sie auch auf die nach den §§ 157 ff. BewG anzusetzenden Werte und somit im Streitfall zur Anwendung – dem Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und dem Gebot der Folgerichtigkeit, da sie eine nicht zu rechtfertigende steuerliche Ungleichbehandlung ein- und desselben Lebenssachverhaltes zur Folge hat, die alleine davon abhängt, ob Nutzungen nach § 198 BewG bei dem Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes des Grundstückes im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwertes oder nach § 12 Abs. 1 ErbStG i. V. m. §§ 13 ff. BewG bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer berücksichtigt werden.

25
(a) In seinem Beschluss vom 7. November 2006 (1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1) hat das Bundesverfassungsgericht bestimmt, dass eine mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbare Besteuerung des Vermögenszuwachses durch die Erbschaft- und Schenkungssteuer nur dann gewährleistet werden könne, wenn das Gesetz für die Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände einheitlich den gemeinen Wert als maßgebenden Bewertungsmaßstab vorschreibe. Seit dem Inkrafttreten des Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24. Dezember 2008 (BGBl. I 2008, 3018, im Folgenden: ErbStRefG) am 1. Januar 2009 werden – entsprechend dieser Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts – alle wesentlichen Vermögensgruppen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer mit dem gemeinen Wert (bzw. Verkehrswert) angesetzt (vgl. BT-Drs. 16/7918, S. 1). Für Grundvermögen bestimmt § 177 BewG ausdrücklich, dass den Bewertungen nach §§ 179 und 182 bis 196 BewG der gemeine Wert (§ 9 BewG) zugrunde zu legen ist. § 182 Abs. 1 BewG sieht zur Ermittlung des Verkehrswertes das Vergleichswert-, das Ertragswert und das Sachwertverfahren vor.

26
Die Berücksichtigung von Grundstücksbelastungen ist bei der Bewertung des Grundvermögens nach den §§ 176 ff. BewG grds. nicht vorgesehen (vgl. Horn in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG. Kommentar, § 12 ErbStG Rz. 530). Für das Vergleichswertverfahren bestimmt § 183 Abs. 3 BewG vielmehr ausdrücklich, dass die den Wert des Grundvermögens beeinflussenden Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art nicht mindernd berücksichtigt werden dürfen. Der Abzug eines Nutzungsrechts ist damit an dieser Stelle nicht zulässig.

27
§ 198 BewG erlaubt es dem Steuerpflichtigen aber, den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes zu führen und damit die Feststellung eines niedrigeren Verkehrswertes zu erreichen. Zwar hat der BFH (in seinem Urteil vom 11. Juni 2008 – II R 71/05, BFHE 222, 57; BStBl. II 2009, 132) für § 146 Abs. 7 BewG a.F. den Nachweis für den Fall verneint, dass der niedrigere Verkehrswert alleine aus der Belastung des Grundbesitzes mit dem Nutzungsrecht (eines Dritten) resultiert. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit jedoch in § 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG entgegen dieser Auffassung ausdrücklich zugelassen. Nach dieser Vorschrift ist der Abzug von Nutzungsrechten bei der Erbschaftsteuer ausgeschlossen, wenn diese sich als Grundstücksbelastung bereits bei der Ermittlung des gemeinen Werts einer wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes ausgewirkt haben. Folglich muss es nach der Vorstellung des Gesetzgebers bereits bei der Feststellung des Grundbesitzwertes möglich sein, die auf einem Grundstück ruhende Belastungen in Höhe ihres Verkehrswertes mindernd zu berücksichtigen (vgl. Jüptner in Fischer/Jüptner/Pahlke/ Wachter, ErbStG. Kommentar, § 12 ErbStG Rz. 271 ff.;Böge in Tiedtke, ErbStG. Kommentar, § 12 ErbStG Rz. 283).

28
Wird das Nutzungsrecht dagegen – wie im Streitfall – nicht bereits bei der Ermittlung des Grundbesitzwertes berücksichtigt, ist es im Umkehrschluss zu § 10 Abs. 6 ErbStG bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer abzuziehen. Es ist dann gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG „nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes“, insbesondere unter Berücksichtigung des § 16 BewG, zu bewerten. Danach kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der für das genutzte Wirtschaftsgut nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende Wert durch 18,6 geteilt wird. Anders als bei einer Berücksichtigung der Nutzungen im Rahmen des niedrigeren Verkehrswertes nach § 198 BewG findet bei einem Abzug der Nutzungen bei der Erbschaftsteuer somit eine wertmäßige Deckelung des Jahreswertes statt, die – wie im Streitfall – regelmäßig zu einer vom Verkehrswert abweichenden Bewertung der Nutzungen führt.

29
Je nachdem, ob die Nutzungen somit bei dem Nachweis eines niedrigeren Verkehrswertes im Rahmen der Feststellung des Grundbesitzwertes oder bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer berücksichtigt werden, können sich bei gleicher steuerlicher Leistungsfähigkeit somit stark unterschiedliche Steuerbelastungen ergeben, die alleine aus den unterschiedlichen Berechnungsmöglichkeiten resultieren (so ausdrücklich auchKrause/Grootens, NWB 2011, 1142 [1143] aus Sicht der Finanzverwaltung).

30
(b) Eine Rechtfertigung für diese steuerliche Ungleichbehandlung ein und desselben Lebenssachverhaltes ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist sie das Resultat einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung der Bewertungsvorschriften durch das ErbStRefG.

31
Die Höchstbetragsregelung des § 16 BewG geht von der Überlegung aus, dass das Nutzungsrecht an einem Wirtschaftsgut keinen größeren Wert haben kann als das Wirtschaftsgut selbst, weil gerade das Vollrecht an einem Wirtschaftsgut sämtliche Nutzungen und Vorteile umfasst. Der Bundesfinanzhof hatte diese Auffassung in seiner ständigen Rechtsprechung vertreten, sie aber mit Urteil vom 17. Mai 1963 (III 406/58 S, BStBl. III 1963, 530) aufgegeben. Als Reaktion auf diesen Rechtsprechungswechsel schuf der Gesetzgeber mit (der wortgleichen Vorgängerregelung des) § 16 BewG eine gesetzliche Regelung, die den Jahreswert der Nutzungen eines Wirtschaftsgutes auf (zunächst 1/18, später auf) 1/18,6 des Steuerwertes begrenzte. Diese Begrenzung war insbesondere von Bedeutung, solange der Erbschaftsteuer die weit unter dem Verkehrswert liegenden Einheits- und Bedarfswerte zugrunde gelegt wurden (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG. Kommentar, § 12 ErbStG Rz. 245). Durch die in § 16 BewG vorgenommene Verknüpfung des Kapitalwertes der Nutzungen mit dem Steuerwert des Wirtschaftsgutes wurde „das wirklichkeitsfremde Niveau der Einheitswerte des Grundbesitzes sowie der Grundbesitzwerte auf das Niveau des Kapitalwerts von Nutzungsrechten übertragen“ (so die Formulierung von Viskorf in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, ErbStG/BewG. Kommentar, § 16 BewG Rz. 3). Nachdem aufgrund des ErbStRefG nunmehr für die Besteuerung regelmäßig die Verkehrswerte maßgeblich sind, wird in der Literatur vertreten, § 16 BewG habe seine frühere Bedeutung verloren (Horn in Fischer/Jüptner/Pahlke/ Wachter, ErbStG. Kommentar, § 12 ErbStG Rz. 159). Nach der Auffassung von Meincke(ErbStG. Kommentar, 16. Auflage 2012, § 12 ErbStG Rz. 37) ist es gar fraglich, ob § 16 BewG „nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts unverändert beibehalten werden“ könne, denn auch die Bewertung von Nutzungen müsse sich am Verkehrswert orientieren. Das Ziel der Verkehrsbewertung wird unter Anwendung des § 16 BewG aber gerade nicht erreicht. Entsprechend hat der Bundesfinanzhof (Urteil vom 15. Dezember 2010 – II R 41/08, BStBl. II 2011, 363) – für die Feststellung einer gemischten Schenkung – entschieden, dass § 16 BewG bei der Ermittlung des Verkehrswertes von Nutzungen nicht anzuwenden ist, und ausgeführt, dass die Vorschrift zur Bestimmung des Verkehrswertes von Nutzungen ungeeignet sei, da „sie auf die Vorschriften des BewG und somit – bei grundstücksbezogenen Nutzungen – auf die Bedarfsbewertung von Grundstücken“ verweise.

32
Ungeachtet eines evtl. verbliebenen Anwendungsbereiches des § 16 BewG kann jedoch die genannte Zielsetzung auch nicht rechtfertigen, dass eine entsprechende Deckelung zwar bei der Berücksichtigung von Nutzungen im Rahmen der Schenkungssteuerveranlagung, nicht aber deren Berücksichtigung im Rahmen der gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte nach §§ 176 ff. BewG erfolgt. Sollte der Gesetzgeber sich bewusst für die Beibehaltung der Begrenzung der Jahreswerte in § 16 BewG entschieden haben, so hätte es – folgerichtig – auch einer entsprechenden Begrenzung bei der Ermittlung der Grundbesitzwerte aufgrund der §§ 176 ff. BewG bedurft (so auch Krause/Grootens, NWB 2011, 1142 [1148 f.]). Allerdings ist aus den Gesetzgebungsmaterialien zum ErbStRefG nicht ersichtlich, dass die Vorschrift des § 16 BewG in die Überlegungen mit einbezogen wurde (vgl. BT-Drs. 16/7918 und BR-Drs. 4/08, S. 50).

33
b. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Bedenken an der Vorschrift legt der Senat § 16 BewG in verfassungskonformer Weise einschränkend dahingehend aus, dass die dortige Verweisung auf den „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert“ sich nur auf diejenigen Vorschriften des BewG bezieht, die bereits vor dem Erbschaftsteuerreformgesetz existiert haben.

34
(1) Lässt eine Norm unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Zweck und Gesetzeszusammenhang mehrere Deutungen zu, von denen nur eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, ist diejenige Auslegung geboten, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Wortlaut und Gesetzeszweck ziehen einer verfassungskonformen Auslegung aber zugleich Grenzen. Ein Normverständnis, das mit dem Wortlaut und Zweck der anzuwendenden Normen sowie dem Gesetzeszusammenhang nicht mehr in Einklang zu bringen ist, kann durch eine verfassungskonforme Auslegung ebenso wenig gewonnen werden wie ein solches, das in Widerspruch zu dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers treten würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1996 – 1 BvL 44, 48/92, BVerfGE 95, 64; vgl. zum Ganzen eingehend jüngst Drüen, StuW 2012, 269).

35
(2) Die vom Senat gewählte Auslegung widerspricht weder dem Wortlaut der Vorschrift noch dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers. Vielmehr führt sie lediglich zu einer teleologischen Reduktion des Wortlauts, die mit dem durch das ErbStRefG verfolgten gesetzgeberischen Ziel der regelmäßigen Bewertung mit dem Verkehrswert im Einklang steht. Entsprechend dem oben genannten Zweck des § 16 BewG, „das wirklichkeitsfremde Niveau der Einheitswerte des Grundbesitzes sowie der Grundbesitzwerte auf das Niveau des Kapitalwerts von Nutzungsrechten [zu] übertragen“ und unter Berücksichtigung der Feststellung des Bundesfinanzhofs, dass § 16 BewG zur Bestimmung des – verfassungsrechtlich gebotenen – Verkehrswertes von Nutzungen ungeeignet ist, kann der Verweis auf den „nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes anzusetzende[n] Wert“ nur die niedrigen Einheitswerte (§§ 19 ff. BewG) und Bedarfswerte (§§ 138 ff. BewG), nicht aber die durch das ErbStRefG in §§ 176 ff. BewG bestimmten Verkehrswerte betreffen.

36
5. Im Streitfall sind von dem bindend festgestellten Grundbesitzwert in Höhe von 53.784 € ein Wert des Wohnrechts in Höhe von (4.744 € x 7,942 =) 37.676,85 € sowie die Erwerbsnebenkosten in Höhe von 732 € abzuziehen. Es ergibt sich eine Bereicherung des Klägers in Höhe von 15.375,15 €, die wegen des Freibetrages nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG in Höhe von 20.000 € nicht zu einer Schenkungsteuer führt.

37
II. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (im Folgenden: FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

38
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

39
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

Sammelauskunftsersuchen zu Internetverkäufen

Das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) hat mit Urteil vom 23.02.2012 (Az. 5 K 397/10) einer Klage gegen ein Sammelauskunftsersuchen der niedersächsischen Steuerverwaltung stattgegeben.

Hintergrund: Das beklagte Finanzamt für Fahndung und Strafsachen hatte die Klägerin um Auskunft über Verkäufe niedersächsischer Unternehmen in den Jahren 2007 bis 2009 als Drittanbieter über eine Internethandelsplattform ersucht.

Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass die website mit der darauf eingerichteten Internethandelsplattform in den Jahren 2007 bis 2009 nicht von der Klägerin, sondern ihrer luxemburgischen Muttergesellschaft betrieben und das Drittanbietergeschäft über diesen Internetmarktplatz von einer luxemburgischen Schwestergesellschaft abgewickelt wurde. Die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, erbrachte gegenüber Mutter- und Schwestergesellschaft eine Vielzahl von Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Internethandelsplattform.

Das Niedersächsische Finanzgericht gab der Klage gegen das Auskunftsersuchen statt, weil es der Klägerin nach Auffassung des erkennenden Senates nicht möglich ist, die ersuchten Auskünfte zu erteilen.

Die Auskunftsrechte der Finanzbehörden unterliegen nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte allgemeinen rechtsstaatlichen Grenzen: Die verlangte Auskunft muss zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Pflichterfüllung für den Betroffenen möglich und seine Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar sein. Eine Auskunft über den Inhalt elektronisch gespeicherter personenbezogener Daten – um die es im Streitfall ging – ist nach Auffassung des 5. Senates des NFG möglich, wenn der um Auskunft Ersuchte tatsächlich über die Speichermedien, auf denen die personenbezogenen Daten gespeichert sind, verfügen kann oder wenn er gegen den Verfügungsberechtigten einen rechtlichen Anspruch auf Herausgabe der Daten oder jedenfalls eine entsprechende Auskunft hat.

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist der Klägerin die Erteilung der ersuchten Auskünfte nicht möglich.

In tatsächlicher Hinsicht ist die Auskunft unmöglich, weil die Klägerin nach den Feststellungen des Finanzgerichts mangels Zugriffsberechtigung über keinen eigenen Zugriff auf die im Ausland befindlichen Server verfügt, auf denen die zur Auskunftserteilung benötigten Daten gespeichert sind.

Einen rechtlichen Anspruch gegen die Schwestergesellschaft als Betreiberin des Drittanbietergeschäfts auf Herausgabe der Daten, Erteilung einer Auskunft oder auf Verschaffung einer Berechtigung zum Zugriff auf die elektronischen Speichermedien hat die Klägerin nicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich nach Auffassung des Gerichts weder aus dem zwischen ihnen geschlossen Datenverarbeitungsvertrag noch aus dem Umstand, dass es sich bei der Betreiberin des Drittanbietergeschäfts um eine ausländische Schwestergesellschaft der Klägerin handelt. Konkrete gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten der Klägerin konnte das Finanzgericht nicht feststellen. Allein der Umstand, dass die Klägerin und die luxemburgische Schwestergesellschaft Teil eines Konzerns sind, begründet keine solchen Einflussmöglichkeiten. Insofern bezog sich das NFG auf einen Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.5.2001 (Az. I S 3/01, BFH/NV 2001, 957).

Auf die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die Finanzbehörde einen hinreichenden Anlass für das Ausbringen des Sammelauskunftsersuchens im Sinne der finanzgerichtlichen Rechtsprechung hatte (vgl. BFH-Urteil vom 16.01.2009 VII R 25/08, BStBl II 2009, 582), kam es für die Entscheidung nicht an.

Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH liegt derzeit noch nicht vor.

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Unzulässige Doppelbelastung aus Grunderwerb- und Umsatzsteuer für Empfänger von Bauerrichtungsleistungen

„Einheitlicher Leistungsgegenstand“ erneut auf dem Prüfstand

Die Kläger – ein junges Bauherren-Ehepaar – klagen gegen die vom Finanzamt festgesetzte Grunderwerbsteuer. Mit ihren Klagen hatten sie jetzt Erfolg. Die angefochtenen Grunderwerbsteuer-Festsetzungen wurden um insgesamt mehr als dreitausend Euro herabgesetzt (Az. 7 K 192/09 und 7 K 193/09).

Die Kläger hatten im Jahr 2005 ein unbebautes Grundstück erworben. Zwei Wochen nach dem notariellen Grundstücksübertragungsvertrag schlossen sie mit einem Bauunternehmen einen Bauvertrag über eine Doppelhaushälfte, in dem der Bauträger Umsatzsteuer auswies, die die Kläger als Endverbraucher jedoch nicht als Vorsteuer in Abzug bringen konnten. Das Finanzamt legte als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht nur den Kaufpreis für das unbebaute Grundstück, sondern auch die Bausumme für das herzustellende Gebäude zugrunde. Hiergegen wandten sich die Kläger.

Der konsentierte Einzelrichter des 7. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG) gab dem Klagebegehren statt. Die Aufwendungen aus einem Bauerrichtungsvertrag (zivilrechtlich: Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks abgeschlossen werde und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöse, unterlägen nicht der Grunderwerbsteuer. Insofern seien die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes nicht erfüllt, denn die Vorschrift verlange ein Rechtsgeschäft, das den „Anspruch auf Übereignung“ begründe. Diese Maßgabe erfülle ein Bauerrichtungsvertrag nicht. Entsprechend sei Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer lediglich der Kaufpreis für das unbebaute Grundstück.

Das NFG folgt damit der Rechtsprechung der für Umsatzsteuer zuständigen Senate des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die Verschaffung eines Grundstücks in einem Zustand, den dieses erst künftig durch Bebauung erhalten soll, nicht wie der Erwerb eines bebauten Grundstücks durch einen einheitlichen Erwerbsvertrag erfüllt werden kann (Hinweis auf BFH-Urteil vom 10.9.1992 – V R 99/88, BStBl. II 1993, S. 316). Im Gegensatz dazu fasst der für Grunderwerbsteuer zuständige Senat des BFH regelmäßig die noch auszuführenden Bauleistungen mit Lieferungen von unbebauten Grundstücken zu „einheitlichen Leistungsgegenständen“ zusammen (z.B. BFH-Urteil vom 27.10. 1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, S. 34). Auf diese Rechtsprechung hatte sich das Finanzamt gestützt.

Das NFG hat die Revision mit der Anregung zugelassen wegen der divergierenden Rechtsprechung innerhalb des BFH den Großen Senat des BFH anzurufen.

Revision:

Der BFH hat die Entscheidung des Nds. Finanzgerichts mit Urteil vom 27.09.2012 – II R 7/12 – aufgehoben und damit im Ergebnis die Rechtsauffassung des beklagten Finanzamts bestätigt. Die Kläger haben gegen dieses Urteil des BFH Verfassungsbeschwerde erhoben, die unter dem Az. 1 BvR 2766/12 beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist.

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz finden.

Antrag auf Günstigerprüfung bei Abgeltungsteuer fristgebunden? (FG)

Das Niedersächsische Finanzgericht hat sich mit der Frage befasst, ob nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids ein Antrag auf Günstigerprüfung gestellt werden und somit nachträglich die einbehaltene Abgeltungssteuer steuermindernd berücksichtigt werden kann. Im Streitfall hat das Gericht dies verneint. Die daraufhin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hatte jedoch Erfolg (FG Niedersachsen, Urteil v. 23.5.2012 – 2 K 250/11; Revision anhängig).

 

Einkommensteuer 2010

Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG fristgebunden?

Nichtzulassungsbeschwerde, BFH-Az. VII B 95/12 – Revision zugelassen
Revision eingelegt, BFH-Az. VIII R 14/13

Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Urteil vom 23.05.2012, 2 K 250/11

 

Tatbestand

1
Streitig ist, ob nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010 ein Antrag auf Günstigerprüfung im Sinne des § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) gestellt werden kann und somit nachträglich die einbehaltene Abgeltungssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag steuermindernd zu berücksichtigen ist.

2
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2010 als Mini-Jobberin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 16.765 €. Daneben erhielt sie nach ihrem verstorbenen Ehemann eine Leibrente in Höhe von 2.432 €. In der am 27. Januar 2011 beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung gab die Klägerin Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht an. Die Einkommensteuererklärung wurde gefertigt von der Vereinigten X. Aufgrund der Einkommensteuererklärung ermittelte das Finanzamt ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 7.849 € und daraus resultierend eine Einkommensteuer von 0,00 €. Der Einkommensteuerbescheid vom 3. März 2011 wurde bestandskräftig.

3
Mit Schreiben vom 12. Mai 2011, Eingang beim Finanzamt am 25. Mai 2011, beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Steuerbescheinigung der K über die Kapitalerträge sowie anrechenbare Abzugsbeträge die Verrechnung der Abzugsbeträge mit der persönlichen Einkommensteuer. Die Bescheinigung der K (Bl. 17 der Einkommensteuerheftung) trägt das Datum vom 20. August 2010. Die Bescheinigung ist ausdrücklich als Steuerbescheinigung bezeichnet. Bestätigt wurde darin, dass Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in Höhe von 1.523,72 € im Jahr 2010 ausgezahlt wurden. Die Kapitalertragssteuer wurde in Höhe von 380,93 € ausgewiesen, der Solidaritätszuschlag mit 20,95 €. In der Steuerbescheinigung findet sich weiter der Hinweis, dass die Höhe des in Anspruch genommenen Sparerpauschbetrages 0,00 € beträgt.

4
Der Beklagte lehnte die Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab. Bei den Wahlrechten nach § 32d Abs. 4 und Abs. 6 EStG seien die allgemeinen Grundsätze über steuerliche Wahlrechte zu beachten. Eine Anrechnung von Abgeltungssteuern sei somit nach Rechtskraft nicht möglich, wenn zuvor kein Antrag auf Günstigerprüfung bzw. auf Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge gestellt worden sei.

5
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.

6
Die Klägerin ist weiterhin der Rechtsansicht, dass der Einkommensteuerbescheid 2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) dergestalt zu ändern sei, dass bisher nicht erklärte Kapitalerträge im Rahmen einer Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG in die Veranlagung einbezogen werden müssen, mit der Folge, dass sich die festzusetzenden Steuern erhöhen und die von den Kapitalerträgen einbehaltenen Abzugssteuern (Abgeltungssteuer) anzurechnen seien. Die alleinstehende Klägerin sei in steuerlichen Dingen unerfahren. Sie erziele Versorgungsbezüge, eine kleine Rente sowie Einnahmen aus einem Minijob. Kapitalerträge aus den üblichen Spar- oder Wertpapiereinlagen habe sie im Jahr 2010 nicht erzielt. Allerdings habe sie per 1. September 2010 eine vor 2005 abgeschlossene Lebensversicherung innerhalb der Sperrfrist von 12 Jahren gekündigt. Es seien deshalb nach § 43 Abs. 1 EStG Kapitalertragssteuern auf die Auszahlung rechnungsmäßiger und außerrechnungsmäßiger Zinsen aus Sparanteilen einzubehalten gewesen. Die Klägerin habe nicht erkannt, dass die von der Versicherungsleistung einbehaltenen Abzugssteuern im Rahmen einer Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG zu deren teilweisen Erstattung hätte führen können. Daher habe sie die Steuerbescheinigung der K ihrem Berater zunächst auch nicht vorgelegt. Mangels irgendeines Hinweises auf einbehaltene Kapitalertragssteuern habe die für die Klägerin zuständige Beratungsstellenleiterin der Einkommensteuererklärung 2010 keine Anlage KAP beigefügt. Erst nachdem die Klägerin im Mai 2011 ihrem Berater die Steuerbescheinigung der K für 2010 doch noch zur Kenntnis gegeben habe, habe die Beratungsstellenleiterin sodann eine nachträgliche Günstigerprüfung beim Beklagten beantragt.

7
Die Finanzrechtsprechung habe sich bis heute noch nicht mit der Frage beschäftigt, ob ein Antrag nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG fristgebunden sei oder nicht. Im Gegensatz zu § 32d Abs. 4 EStG enthalte der Text des § 32d Abs. 6 EStG jedenfalls keine Verpflichtung, eine Günstigerprüfung schon mit der Erklärung zu beantragen. Die unterschiedlichen Formulierungen in den Absätzen 4 und 6 sprächen für ein nicht fristgebundenes Wahlrecht für eine Günstigerprüfung.

8
Zwar sei im ersten Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Bundestagsdrucksache 16/4841) zu § 32d Abs. 6 EStG ausgeführt worden, dass der Steuerpflichtige die Wahlmöglichkeiten im Rahmen seiner Veranlagung geltend machen könne; diese Formulierung sei später allerdings nicht mehr wiederholt und auch, anders als im Rahmen des § 32d Abs. 4 EStG, nicht ansatzweise in den Gesetzestext des Absatzes 6 übernommen worden. Da der Gesetzentwurf vom BMF stamme, gebe er nur die Auffassung der Finanzverwaltung wieder, die aber im weiteren Verfahren nicht ausdrücklich übernommen worden sei und demgemäß nicht als Willen des Gesetzgebers anzusehen sei. In der Literatur werde indes davon ausgegangen, dass dem Gesetz insoweit eine eindeutige Regelung nicht zu entnehmen sei und nicht auszuschließen sei, dass der Gesetzgeber eine Frist bewusst nicht aufgenommen habe.

9
Die Bundesregierung habe auf eine entsprechende Nachfrage in der Gesetzesberatung mitgeteilt, die Antragswahlrechte nach § 32d Abs. 4 und 6 EStG seien nicht fristgebunden, nach Eintritt der Bestandskraft könnten sie allerdings nur noch im Rahmen der Änderungsvorschriften ausgeübt werden, einschlägig könne insbesondere § 173 Abgabenordnung sein.

10
Auch im Streitfall sei aufgrund eines nicht fristgebundenen Wahlrechtes eine Änderung des Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eröffnet, weil die für die Ausübung des Wahlrechtes relevanten Tatsachen (Kapitaleinkünfte) und Beweismittel (Steuerbescheinigung) dem Finanzamt erst nachträglich bekannt geworden seien und die nachträgliche Einbeziehung der Kapitaleinkünfte zum tariflichen Steuersatz zu einer höheren festzusetzenden Einkommensteuer führt. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Klägerin durch die Anrechnung der Kapitalertragssteuer und der Solidaritätsbeitrage letztlich ein Vorteil entstehe, weil die Mehrbeträge an festzusetzenden Steuern niedriger seien als die zu erstattenden Steuereinbehalte. Es komme bei der Anwendung des § 173 Abs. 1 AO allein auf das Ergebnis der Steuerfestsetzung an, die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen sei nicht dem Festsetzungs-, sondern dem Erhebungsverfahren zuzuordnen.

11
Die Klägerin beantragt,

12
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20. Juli 2007 und des Einspruchsbescheides vom 30. August 2011 den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 7. April 2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dergestalt zu ändern, dass die bisher nicht erklärten Kapitalerträge noch in die Veranlagung einbezogen werden.

13
Der Beklagte beantragt,

14
die Klage abzuweisen.

15
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

16
Der BMF habe Einzelfragen zur Abgeltungssteuer mit bindender Wirkung für die Finanzbehörden im Anwendungsschreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl. I 2010, 94) geregelt. Dabei sei unter Randziffer 149 zur Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ausgeführt, dass der Steuerpflichtige diese Wahlmöglichkeit im Rahmen seiner Veranlagung geltend zu machen habe.

17
Die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechtes oder die nachträgliche Antragstellung sei auch keine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO, sondern lediglich eine Verfahrenshandlung. Tatsachen im Sinne des § 173 AO seien die zugrunde liegende Einkünfte aus § 20 EStG. Bei Antragsstellung nach Bestandskraft eines Steuerbescheides werden dem Finanzamt diese Tatsachen nachträglich bekannt.

18
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

19
In der mündlichen Verhandlung sind wurden die Parteien darauf hingewiesen worden, dass im Streitfall der Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eröffnet sein könnte.

 

Entscheidungsgründe

20
I. Die Klage ist unter Berücksichtigung von anrechenbaren Steuerabzugsbeträgen trotz höherer Steuerfestsetzung zulässig, vgl. BFH VI R 46/07, BStBl. II 2010, 72.

21
II. Die Klage ist allerdings nicht begründet, da der Beklagte zu Recht eine Änderung des bestandskräftigen Bescheides abgelehnt hat.

22
1. In Betracht kommt vorliegend im Hinblick auf die bei der erstmaligen Veranlagung nicht bekannten Kapitaleinkünfte des Klägers allein eine Änderung gem. § 173 AO. Die Eröffnung des Anwendungsbereiches ist allerdings nur gegeben, wenn der Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht fristgebunden wäre, andernfalls wären die neuen Tatsachen nicht rechtserheblich.

23
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Frage der Rechtserheblichkeit im Fall unterbliebener Anträge oder im Zusammenhang mit Wahrechten maßgeblich, ob der entsprechende Antrag fristgebunden oder nicht fristgebunden ist. Dementsprechend hat der BFH im Urteil vom 30. September 1991, II R 105/81 BStBl II 1982, 80 die Rechtserheblichkeit im Fall eines grunderwerbsteuerlichen Befreiungstatbestandes verneint unter Hinweis darauf, dass der entsprechende Antrag nach dem im entschiedenen Fall einschlägigen § 26 Abs. 2 GrEStG Berlin nicht in der dort ausdrücklich geregelten Frist gestellt worden war. Nach dieser Vorschrift konnte der Steuerpflichtige Anträge auf Steuervergünstigen ausdrücklich nur „bis zum Eintritt der Rechtskraft der Steuerfestsetzung oder im Anfechtungsverfahren bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht stellen.“ Die für die begehrte Steuerbefreiung relevanten Tatsachen waren deshalb zwar nachträglich bekannt geworden, aber nicht rechtserheblich, weil die Antragstellung ihrerseits nicht rechtzeitig bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit, sondern erst nach Bestandskraft erfolgt ist.

24
Demgegenüber hat der BFH im Urteil vom 28. September 1984, VI R 48/82 BStBl II 1985, 117 die Rechtserheblichkeit neuer Tatsachen bejaht bei der Ausübung nicht fristgebundener Wahlrechte und dabei zwischen Antrag und Wahlrecht nicht differenziert. Im entschiedenen Fall ging es um das Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr 1976 geltenden Fassung, für das sich im Gesetz kein Hinweis auf eine Befristung ergibt.

25
Entsprechend dieser Rechtsprechung geht der Senat davon aus, dass eine Befristung im Sinne dieser Differenzierung nicht in den generell bestehenden Einschränkungen durch die Bestandskraft zu sehen ist. Wäre Bestandskraft nicht eingetreten, würde sich die Frage nach einer Änderungsvorschrift indes nicht stellen.

26
b) Es spricht zunächst einiges dafür, ohne dass dies allerdings abschließend entschieden werden müsste, dass der Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht fristgebunden ist.

27
Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich keine Befristung. Sofern sich aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ergibt, dass der Steuerpflichtige die Wahlmöglichkeit im Rahmen der Veranlagung geltend machen könne, so ist dies ebenfalls keine eindeutige Begrenzung auf die Bestandskraft, die sich zudem im Gesetzestext nicht niedergeschlagen hat. Wäre eine entsprechende Befristung gewollt gewesen, ist im Hinblick auf die ausdrücklichen Regelungen in § 32d Abs. 4 sowie Abs. 2 Nr. 3 EStG davon auszugehen, dass dies auch ausdrücklich geregelt worden wäre.

28
Diese Auslegung entspricht auch der ausdrücklichen Aussage des aus dem Geschäftsbereich des BMF vom 15. April 2011 (Drucksache 17/5568, Frage Nr. 19), nach der der Antrag entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für steuerliche Wahlrechte nicht fristgebunden sei und die Bestandskraft die Wahlrechtsausübung lediglich insoweit einschränke, als die nachträgliche Antragstellung nur unter den Voraussetzung der §§ 172ff AO möglich ist.

29
Gleiches folgt aus Tz. 8 AEAO vor §§ 172 bis 177 AO: Danach können Wahlrechte grundsätzlich bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ausgeübt werden, wobei allerdings die Bestandskraft die Wahlrechtsausübung einschränke und die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechtes keine neue Tatsache i.S.d. § 173 AO sei.

30
c) Seitens der Verwaltung wird allerdings eine andere Auffassung vertreten (vgl. z.B. Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 2011, S 0351, juris). Für eine Befristung könnte möglicherweise die in § 32d Abs. 6 EStG enthaltene Verweisung auf die Absätze 1, 3 und 4 der Norm sprechen, anstelle derer die Besteuerung mit der tariflichen Einkommensteuer beantragt werden kann. Jedenfalls sofern der Antrag auf Günstigerprüfung in einem Fall des § 32d Abs. 4 EStG gestellt wird, könnte ebenfalls eine Antragstellung bereits mit der Einkommensteuererklärung zu fordern sein.

31
2. Die Frage braucht indes letztlich nicht abschließend entschieden zu werden, weil eine Änderung im vorliegenden Fall auch bei Annahme eines fristungebundenen Antragsrechts nicht in Betracht kommt, weil die Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen ein grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO trifft.

32
a) Auch wenn die Klägerin die Festsetzung einer höheren Steuer beantragt und sich der Vorteil für ihn erst aus der Anrechnung der eingehaltenen Steuerbeträge ergibt, ist vorliegend der Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eröffnet.

33
aa) Grundsätzlich ist bei der Frage, ob sich die Änderung eines Steuerbescheids zugunsten oder zuungunsten eines Steuerpflichtigen auswirkt, allein auf den zu ändernden Bescheid abzustellen. Ebenso kann im Rahmen des § 173 Abs. 1 AO nur aus einem Vergleich der ursprünglichen mit der beabsichtigten Steuerfestsetzung abgeleitet werden, ob die beabsichtigte Änderung zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führt (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1990, VI R 90/86 BStBl. II 1990, 610). Allerdings hat der BFH in dem zitierten Fall ausnahmsweise nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnende Steuerbeträge in die Betrachtung einbezogen, weil im konkreten Fall der Nettolohnvereinbarung mit einer Einbeziehung des Differenzbetrages in die Einkommensteuerveranlagung zugleich die Entscheidung der Streitfrage verknüpft sei, ob zwischen dem Kläger und dem Gaststätteninhaber eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden ist und diese Entscheidung zugleich die Grundlage dafür biete, dass sämtliche im Rahmen der Nettolohnvereinbarung als einbehalten behaupteten Abzugsbeträge zugunsten des Klägers angerechnet werden können.

34
bb) In der vorliegenden Fallgestaltung ist die Einbeziehung der anrechenbaren Steuerabzugsbeträge ebenfalls in den Vergleich mit einzubeziehen. Dies folgt aus der Überlegung, dass die mit dem Antrag verfolgte Günstigerprüfung zwingend nur unter Berücksichtigung der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge erfolgen kann und der Antrag in dem Fall, dass die Versteuerung der Einkünfte mit dem individuellen Steuersatz insgesamt gesehen (also unter Berücksichtigung der anrechenbaren Abzugsbeträge) für den Steuerpflichtigen nicht günstiger ist, als nicht gestellt gilt.

35
Vorliegend ergäbe sich bei Berücksichtigung der Kapitalerträge sowie der anzurechnenden Steuerbeträge mit über 400,00 € eine im Vergleich zur ursprünglichen Festsetzung (0,00 €) um 78,00 € höhere Steuerfestsetzung, allerdings nach Abzug der Kapitalertragsteuer von 380,93 € eine um ca. 300,00 € verminderte Steuerlast. Die Günstigerprüfung würde dementsprechend vorliegend dazu führen, dass entsprechend dem Antrag die Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer der Klägerin zu unterwerfen wären.

36
Die Entscheidung über die Änderung der Steuerfestsetzung kann danach nicht ohne Berücksichtigung der gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anrechenbaren Steuerabzugsbeträge getroffen werden, dementsprechend sind auch im vorliegenden Fall die anzurechnenden Steuerbeträge in die Betrachtung mit einzubeziehen und führen die nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen zu einer niedrigeren Steuer.

37
b) Die Klägerin trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen (Einkünfte aus Kapitalvermögen).

38
aa) Grobes Verschulden i.S.d § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Letztere ist dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. August 1994, VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl. II 1995, 264; vom 23. Januar 2001, XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379, und vom 16. September 2004, IV R 62/02, BFHE 207, 369, BStBl. II 2005, 75, jeweils m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

39
Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1986, III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl. II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993, III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl. II 1994, 346; vom 16. September 2004, IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75; in BFH/NV 2007, 866). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 10. August 1988, IX R 219/84, BFHE 154, 481, BStBl. II 1989, 131; vom 23. Februar 2000, VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005, VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212).

40
Allerdings muss auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind (BFH-Urteile in BFHE 175, 500, BStBl. II 1995, 264, und in BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379). Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige auch dann nicht berufen, wenn er eine im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines Rechtsirrtums der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 441, sowie in BFH/NV 2007, 866).

41
bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hätte die Klägerin ihre Kapitaleinkünfte sowie anrechenbaren Steuerabzugsbeträge dem Beklagten spätestens im Rahmen eines Einspruchsverfahrens mitteilen müssen. Es bestehen zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin selbst keine Kenntnis von den Erträgen hatte. Die Steuerbescheinigung über Kapitalerträge von 1.523,72 € sowie anzurechnende Steuerabzugsbeträge von 380,93 € (KapESt) sowie 20,95 € (Solidaritätszuschlag) ist der Klägerin von der K bereits am 20. August 2010, also weit vor Erstellung der Steuererklärung, übermittelt worden.

42
Soweit sich die Klägerin auf einen Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften beruft, ist dies wenig plausibel. Sie hat eine als solche ausdrücklich bezeichnete Steuerbescheinigung erhalten, in der aufgeführt war, in welche Zeilen der Anlage „KAP“ die Beträge einzutragen sind, ein Hinweis auf eine Abgeltungswirkung war indes nicht enthalten. Bei der dargelegten Unsicherheit wäre die Klägerin zumindest gehalten gewesen, ihren Steuerberater über die (außerordentlichen) Erträge und einbehaltenen Steuerabzugsbeträge zu informieren und über die Rechtslage zu befragen. Im Übrigen wäre es auch Aufgabe des Steuerberaters gewesen, die Klägerin zu befragen, welche Anlagen zur Einkommensteuererklärung zu erstellen sind und welche Änderungen sich ggf. gegenüber dem Vorjahr bei den einzelnen Einkunftsarten ergeben haben.

43
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Steuererklärung 2012 für Rentner

Finanzämter fordern Rentner zur Steuererklärung auf

Ursache ist das Alterseinkünftegesetz, wonach Rentner verpflichtet sind, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, weil immer mehr Rentner Einkommensteuer auf Ihre Rente zahlen müssen. Die Einkommensteuererklärung 2012 müssen Rentner – wie alle anderen Steuerpflichtigen auch – bis zum 31.05.2013 beim Finanzamt eingereicht haben. Jetzt beginnen die Finanzämter bereits damit, die Steuererklärungen 2012 zu bearbeiten. Daher wird es auch für Rentner jetzt Zeit, ihre Steuererklärung für das vergangene Jahr abzugeben.

Die Besteuerung der Renten wird sichergestellt, durch das Rentenbezugsmitteilungsverfahren, d.h. die Finanzämter werden über sämtliche seit 2005 ausgezahlten Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie von privaten Versicherungen oder Versorgungswerken informiert. Die Überprüfung hat jahrelang Zeit in Anspruch genommen, da die Steuerindentifikationsnummer erst eingeführt werden musste. Jetzt beginnen die Finanzämter damit, betroffene Rentner anzuschreiben und diese aufzufordern, ihre Steuererklärung abzugeben. Die Finanzämter prüfen auch, ob die Renten für die Jahre 2005 bis 2009 steuerpflichtig sind. Neben den Steuernachzahlungen drohen auch Nachzahlungszinsen. Auch Rentner können betroffen sein, die vom Finanzamt in früheren Jahren eine  Nichtveranlagungsbescheinigung erhalten haben.

Nach wie vor stellen sich viele Rentner folgende Fragen:

  • Wer muss überhaupt eine Steuererklärung einreichen?
  • Welche Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen können steuerlich abgesetzt werden?

Hier finden Sie viele Tipps und praktische Beispiele, die Rentnern beim Ausfüllen der Steuererklärung helfen und finden Sie Antworten auf Fragen zur

Rentenbesteuerung.

Es handelt sich um ein kostenloses Angebot im Internet. Außerdem können Sie Ihre Steuererklärung auch gleich online über Elster abgeben.

Änderung des Steuerrechts muss im Vermittlungsausschuss nachverhandelt werden

Der Bundesrat hat das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, das unter anderem Rechtsänderungen zur Anpassung des Steuerrechts enthält, in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Die Länder bemängeln, dass in dem Gesetz wichtige Regelungen zur Verhinderung von ungewollten Steuergestaltungen fehlen, zum Beispiel im Zusammenhang mit hybriden Finanzierungen und den so genannten Cash-GmbHs bei der Erbschaftsteuer. Im Ergebnis sei das Gesetz daher so zu fassen, wie es der Vermittlungsausschuss – ohne die Vorschläge zur steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften – bereits am 12. Dezember 2012 vorgeschlagen hatte.

Das Gesetz enthält zahlreiche Rechtsänderungen, die das deutsche Steuerrecht insbesondere an Recht und Rechtsprechung der Europäischen Union anpassen sollen. Weitere Maßnahmen dienen der Sicherung des Steueraufkommens oder der Funktionsfähigkeit des Besteuerungsverfahrens. Es handelt sich um eine „abgespeckte“ Version des Jahressteuergesetzes 2013, dem der Bundesrat am 1. Februar des Jahres die erforderliche Zustimmung verweigerte. Zuvor hatte der Bundestag den vom Vermittlungsausschuss vorgelegten Einigungsvorschlag abgelehnt.

Das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) finden Sie auf den Seiten des Bundesrats.

Quelle: Bundesrat, Pressemitteilung vom 22.03.2013

Neue Bundesfinanzrichter kommen aus Köln und Freiburg

Die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht Köln Ellen Siegers und der Richter am Finanzgericht Köln Dr. Christian Levedag wurden in der Bundesrichterwahl in Berlin zum Bundesfinanzhof (BFH) gewählt.

Ellen Siegers wurde 1961 in Osnabrück geboren. Nach einer Ausbildung zur Bankkauffrau studierte sie Rechtswissenschaften an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, wo sie später auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Internationales Wirtschaftsrecht tätig war. 1993 trat sie in die Finanzverwaltung des Landes Hessen ein und arbeitete dort zuletzt im hessischen Finanzministerium. Im März 1996 begann sie ihre Tätigkeit als Richterin beim Finanzgericht Köln. Hier ist sie seit dem 1. Januar 2010 Vorsitzende des 11. Senats. Frau Siegers ist verheiratet und wohnt mit ihrem Mann in Bonn.

Dr. Levedag ist 41 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern. Er ist seit 2004 Richter am Finanzgericht Köln. Von 2008 bis Ende 2011 war Dr. Levedag als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Bundesfinanzhof abgeordnet. Vor dem Eintritt in das Finanzgericht Köln arbeitete er als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in der Steuerabteilung einer international tätigen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Düsseldorf. Er hat zahlreiche Beiträge im Bereich des Unternehmenssteuerrechts veröffentlicht und ist darüber hinaus auch in der Steuerberater-Fortbildung tätig.

Der Präsident des Finanzgerichts Köln, Benno Scharpenberg, ist davon überzeugt, dass der Bundesrichterwahlausschuss die richtige Wahl getroffen hat: “Mit Frau Siegers und Herrn Dr. Levedag wird der BFH durch äußerst kompetente und leidenschaftliche Steuerrechtler verstärkt. Auch wenn ich ihren Weggang menschlich wie fachlich sehr bedaure, verstehe ich ihre Wahl auch als generelle Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit des Finanzgerichts Köln, das als eines der größten Finanzgerichte Deutschlands den Bürgerinnen und Bürgern umfassend und kompetent Rechtsschutz in Steuersachen gewährt. Ich wünsche Frau Siegers und Herrn Dr. Levedag alles Gute und viel Erfolg für ihre verantwortungsvolle Aufgabe.“

Der Bundesrichterwahlausschuss setzt sich aus den 16 zuständigen Landesministerinnen und Landesministern sowie 16 vom Bundestag gewählten Mitgliedern zusammen. Er entscheidet in geheimer Abstimmung mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Wahlvorschläge können von den Mitgliedern des Bundesrichterwahlausschusses und der für das entsprechende Bundesgericht jeweils zuständigen Bundesministerin oder dem zuständigen Bundesminister gemacht werden.

Auch Herrn Richter am Finanzgericht Baden-Württemberg Andreas Treiber hat der Richterwahlausschuss zum Richter am Bundesfinanzhof gewählt. “Ich freue mich sehr auf meine neue Aufgabe in München und danke den Mitgliederinnen und Mitgliedern des Richterwahlausschusses für das in mich gesetzte Vertrauen”, so der dreifache Familienvater in einer ersten Stellungnahme.

Der 1971 in Heidelberg geborene Andreas Treiber ist in Plankstadt aufgewachsen. Nach seinem Zweiten juristischen Staatsexamen im April 1997 war er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Herrn Prof. Dr. Holger Stadie am Lehrstuhl für Steuerrecht und Öffentliches Recht der Universität Leipzig tätig, bevor er im Mai 2000 in die Finanzverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz eintrat. Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Sachgebietsleiter bei den Finanzämtern Ludwigshafen und Landau in der Pfalz wurde er von August 2002 bis Oktober 2006 an den Bundesfinanzhof als wissenschaftlicher Mitarbeiter abgeordnet.

Seit November 2006 ist Andreas Treiber als Richter beim Finanzgericht Baden-Württemberg tätig. Er gehört dem u.a. für Körperschaftsteuer zuständigen 3. Senat bei den Außensenaten Freiburg an.

Andreas Treiber ist verheiratet und hat drei Kinder.

Finanzgericht Köln
Finanzgericht Baden-Württemberg

Entscheidungen des FG Niedersachsen (20.03.2013)

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen mit Datum von gestern (20.03.2013) veröffentlicht:

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.03.2012 – 1 K 275/09 (Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft Legt eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG – hier: eine GmbH & Co KG – eingezahltes Kommanditkapital verzinslich an, beteiligt sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und beginnt ihre werbende Tätigkeit mit der Folge, dass danach erzielte Erträge gewerbesteuerpflichtig sind. Nichtzulassungsbeschwerde, BFH-Az. IV B 73/12 – Revision zugelassen Revision eingelegt, BFH-Az. IV R 1/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.05.2012 – 2 K 250/11 (Einkommensteuer 2010 Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG fristgebunden? Revision eingelegt, BFH-Az.: VIII R 14/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 16.01.2013 – 2 K 239/12 (Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen Für empfangene Sachleistungen, die ein Altenteiler als wiederkehrende Bezüge versteuert, kann er die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im Haushalt geltend machen, soweit sie auf seinen Haushalt entfallen und in der Person des die Sachleistungen erbringenden Altenteilsverpflichteten alle Voraussetzungen der Steuerermäßigung vorliegen. Revision eingelegt, BFH-Az.: VI R 8/13);

– FG Niedersachsen Beschluss vom 28.11.2012 – 2 K 240/12 (Kindergeldbezug für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind (Prozesskostenhilfe) Eine Drogentherapie im Jugendstrafvollzug führt per se nicht zur Kindergeldberechtigung. Rechtskräftig, da Klage nach diesem Beschluss zurückgenommen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 14.02.2013 – 5 K 318/10 (Zurechnung von Umsätzen bei einem Bordellbetrieb: Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Steuerpflichtiger als Betreiber (Unternehmer) eines Bordellbetriebs angesehen werden kann. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 14.02.2013 – 5 K 281/11 (Umsätze aus Pensionspferdehaltung: Umsätze aus Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken unterliegen nur insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung, als der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist. Revision zugelassen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 12.12.2012 – 7 K 122/09 (Grunderwerbsteuer: Anteilsvereinigung, Rückgängigmachung, Nichtbeachtung bestimmter Anzeigepflichten Die anteilsvereinigende Übertragung eines Geschäftsanteils an einer grundbesitzenden GmbH kann auch dann mit Grunderwerbsteuer belastet bleiben, wenn sich bei der Rückgängigmachung herausstellen sollte, dass bestimmte Anzeigepflichten nicht beachtet worden sind. Revision zugelassen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 03.07.2012 – 8 K 121/11 (Kindergeld: Ist die Kindergeldzahlung befristet, setzt die Fortzahlung des Kindergeldes einen Antrag des Kindergeldberechtigten voraus. Stimmt die Kindesmutter dem Antrag des Kindesvaters auf Zahlung des Kindesgeldes an diesen zu, hat sie selbst keinen Kindergeldanspruch mehr. Revision eingelegt, BFH-Az.: III R 6/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.01.2013 – 9 K 293/11 (Einkünftequalifikation bei Verpachtung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen: Der Erwerber von land- und forstwirtschaftlich genutzten einzelnen Wirtschaftsgütern (im Streitfall: Acker- und Wiesenflächen), der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, erzielt im Falle der sofortigen Verpachtung dieser Wirtschaftsgüter grundsätzlich nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.01.2013 – 9 K 43/12 (Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung: 1. Bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO dürfen grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-)Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden, soweit die Änderung reicht. 2. Die Honorar-Tätigkeit einer Redakteurin in einem Übergangszeitraum von 2 Monaten zwischen einer angestellten Redakteurstätigkeit (Schwangerschaftsvertretung) und dem geplanten Antritt einer Planstelle als Angestellte bei dem gleichen Verlag kann als nichtselbständige Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG zu qualifizieren sein, auch wenn bei Krankheit und Urlaub in diesem Zeitraum kein Anspruch auf Entgeltsfortzahlung bestanden hat. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 17.01.2013 – 14 K 399/11 (Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf Zu den gem. § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Gestaltung seines individuellen Wohnumfeldes erforderlich sind, gehören auch Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 10.05.2012 – 16 K 281/11 (Besteuerung eines Lebensmittels: Zur umsatzsteuerlichen Einordnung eines diätetischen Lebensmittels. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH-Az. VII B 176/12).

Finanzgericht Niedersachsen

FG Köln zum gleichzeitigen Kindergeldbezug in mehreren EU-Staaten

FG Köln Urteil vom 30.01.2013 – 15 K 47/09
FG Köln Urteil vom 30.01.2013 – 15 K 930/09
FG Köln Urteil vom 30.01.2013 – 15 K 2058/09

Pressemitteilung des Gerichts:

“Unionsbürger anderer Mitgliedstaaten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, können auch dann in Deutschland kindergeldberechtigt sein, wenn sie weiterhin in das Sozialsystem ihres Heimatlandes eingegliedert bleiben und auch dort Kindergeld beziehen. In diesen Fällen ist das deutsche Kindergeld allerdings um die ausländischen Leistungen zu kürzen. Dies hat der 15. Senat des Finanzgerichts Köln in drei Urteilen vom 30.01.2013 für niederländische und polnische Arbeitnehmer entschieden (15 K 47/09, 15 K 930/09 und 15 K 2058/09). Der Senat stützt sich hierin auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12.06.2012 (RS C-611/10 und C-612/10, Hudzinski und Wawrzyniak). Gegenstand des EuGH-Urteils waren die Kindergeldansprüche eines von Polen nach Deutschland entsandten Arbeitnehmers und eines polnischen Saisonarbeiters. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass entsandte Arbeitnehmer und Saisonarbeiter aus Polen und anderen EU-Ländern nicht deshalb gänzlich vom Kindergeld in Deutschland ausgeschlossen werden dürften, weil sie in ihrem Heimatland vergleichbare Familienleistungen erhielten. Dies verstoße gegen die im EU-Vertrag garantierten Freizügigkeitsrechte.

Der 15. Senat vertritt in seinen Urteilen die Auffassung, dass der Anwendungsbereich dieser EuGH-Entscheidung nicht auf die entschiedenen Fallkonstellationen beschränkt sei, sondern dass diese Grundsätze auch und erst Recht für andere als entsandte oder nur saisonal beschäftigte Arbeitnehmer gelten, wenn diese von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nach Deutschland verlegt haben. § 65 des Einkommensteuergesetzes, der einen inländischen Kindergeldanspruch im Falle des Bezuges ausländischer Familienleistungen ausschließt, verstoße nach Auffassung des Senats gegen die im EU-Vertrag garantierten Freizügigkeitsrechte. Diese Vorschrift sei daher dahingehend auszulegen, dass das deutsche Kindergeld lediglich um die ausländischen Familienleistungen gekürzt werden dürfe.

Der 15. Senat hat gegen die Urteile die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen.”

Finanzgericht Köln

BFH-Urteile vom 13.03.2013

Folgende Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Datum von heute (13.03.2013) veröffentlicht:

– BFH-Urteil vom 10.01.2013 – V R 31/10 (Umsatzsteuer bei der Veranstaltung einer “Dinner-Show” – Komplexe Leistung – Keine Bindung des BFH an widersprüchliche Sachverhaltswürdigung des FG);

– BFH-Urteil vom 20.11.2012 – IX R 7/11 (Abgrenzung der Änderungsbefugnisse nach § 165 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO – Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Vorläufigkeit – Reichweite eines Vorläufigkeitsvermerks – Rechtmäßigkeit eines Bescheids);

– BFH-Urteil vom 22.01.2013 – IX R 1/12 (Keine Berufung auf Treu und Glauben nach unterlassenem Untätigkeitseinspruch oder Antrag nach § 171 Abs. 3 AO – Ablaufhemmung durch Untätigkeitseinspruch);

– BFH-Urteil vom 19.02.2013 – II R 47/11 (Geltendmachung des Pflichtteils nach Tod des Verpflichteten durch dessen Alleinerben – Abziehbarkeit des Pflichtteilsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit);

– BFH-Beschluss vom 19.12.2012 – V B 71/12 (Haftung für Steuerschulden einer GbR: Geltendmachung von Verfahrensfehlern, Erwiderungsfrist, Sachaufklärungsmangel, Einholung von Sachverständigengutachten, Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung, Beweis des ersten Anscheins);

– BFH-Beschluss vom 18.12.2012 – I B 48/12 (Entsprechende Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde – Beurteilung einer unzulässig gebildeten Tantieme-Rückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung);

– BFH-Urteil vom 14.11.2012 – I R 53/11 (Anwendungsbereich und Wirkung einer Änderung nach § 174 Abs. 4 AO – Keine periodenbezogene einschränkende Auslegung des “bestimmten Sachverhalts”);

– BFH-Urteil vom 20.12.2012 – III R 29/12 (Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs nach § 31 Satz 4 EStG – Keine Bindungswirkung eines Kindergeldablehnungsbescheides – Verfassungsmäßigkeit des § 31 Satz 4 EStG);

– BFH-Beschluss vom 23.01.2013 – X B 84/12 (Keine grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage bei fehlender Klärungsfähigkeit – Feststellungslast für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht – Unterbliebene Beweisaufnahme);

– BFH-Beschluss vom 06.02.2013 – III B 116/12 (Zulagenrechtliche Einordnung der Bearbeitung von Getreide);

– BFH-Beschluss vom 27.11.2012 – X B 14/12 (Verwertung von Ergebnissen einer Durchsuchung im Strafverfahren; Überraschungsentscheidung; verspätetes Vorbringen im Beschwerdeverfahren);

– BFH-Beschluss vom 13.12.2012 – X B 209/11 (Veräußerungsrente oder Unterhaltsleistungen i.S.d. § 12 Nr. 2 EStG – Vertragsauslegung – schlüssige Darlegung einer Divergenzrüge – Rüge eines Verstoßes gegen den Inhalt der Akten);

– BFH-Beschluss vom 31.01.2013 – X B 21/12 (Vorliegen von Scheinrechnungen – Geltendmachung von Verfahrensfehlern wegen Verstoßes gegen die richterliche Sachaufklärungspflicht und wegen Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens);

– BFH-Beschluss vom 06.12.2012 – I B 8/12 (Bindung an tatsächliche Verständigung – Rüge der unterbliebenen Beiziehung von Akten – Beweisantrag);

– BFH-Beschluss vom 20.12.2012 – I B 38/12 (Zulässigkeit der Klage – Erfordernis der Angabe einer ladungsfähigen Anschrift);

– BFH-Beschluss vom 07.02.2013 – II B 109/12 (Kein Grundsteuererlass wegen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung);

– BFH-Beschluss vom 04.02.2013 – III B 49/12 (Nichtzulassungsbeschwerde – Divergenz);

– BFH-Beschluss vom 29.01.2013 – II B 111/11 (Ermittlung der üblichen Miete nur ausnahmsweise durch Sachverständigengutachten);

– BFH-Beschluss vom 10.01.2013 – XI B 33/12 (Rechnungsberichtigung setzt zuvor erteilte (erstmalige) Rechnung voraus).

Bundesfinanzhof (BFH)