Alle Beiträge von steuerschroeder.de

Steuerberater

Elternzeit kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers verlängert werden

Elternzeit kann nur mit Zustimmung des Arbeitgebers verlängert werden

Rechtslage

Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) müssen Arbeitnehmer, die Elternzeit in Anspruch nehmen wollen, gegenüber dem Arbeitgeber erklären, für welche Zeiträume innerhalb von 2 Jahren Elternzeit genommen werden soll. Die so festgelegte Elternzeit kann der Arbeitnehmer nur verlängern, wenn der Arbeitgeber zustimmt.

Sachverhalt

Die Klägerin arbeitete seit 2005 in Vollzeit bei dem beklagten Arbeitgeber. Nach der Geburt ihres fünften Kindes in 2008 nahm sie für ein Jahr Elternzeit in Anspruch. Kurz vor Ablauf der Elternzeit bat sie den Arbeitgeber unter Berufung auf ihren Gesundheitszustand erfolglos, der Verlängerung der Elternzeit um ein weiteres Jahr zuzustimmen. Als die Klägerin nach dem regulären Ende der Elternzeit ihre Arbeit nicht wieder aufnahm, mahnte der Arbeitgeber sie wegen unentschuldigten Fehlens ab. Mit der hiergegen gerichteten Klage war die Klägerin zunächst vor dem Arbeitsgericht erfolgreich; der Arbeitgeber wurde verurteilt, der Verlängerung der Elternzeit zuzustimmen und die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. Die Richter der zweiten Instanz sahen dies anders und billigten dem Arbeitgeber zu, seine Zustimmung zur Verlängerung der Elternzeit bis zur Grenze des Rechtsmissbrauchs zu verweigern. Danach sei die Abmahnung berechtigt gewesen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab schließlich wieder der Klägerin Recht.

Entscheidung

Die Richter der zweiten Instanz werden sich nochmals mit der Sache beschäftigen müssen. Ein Arbeitgeber muss nämlich nach billigem Ermessen darüber entscheiden, ob er der Verlängerung der Elternzeit zustimmt. Ob dabei im vorliegenden Fall alle wichtigen Umstände berücksichtigt wurden, muss das Untergericht noch klären und sodann erneut entscheiden, ob die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen ist.

Konsequenz

Ein Arbeitgeber darf jedenfalls nicht völlig frei über die Verlängerung einer Elternzeit entscheiden. Vielmehr muss er zwischen seinen und den Interessen des Arbeitnehmers abwägen und alle relevanten Faktoren in seine Entscheidung einbeziehen. Eine unvorhergesehene Entwicklung in der Lebensplanung des Arbeitnehmers muss demnach z. B. ebenso berücksichtigt werden wie eventuell auslaufende befristete Verträge.

Besteuerung von Erstattungszinsen zulässig?

Besteuerung von Erstattungszinsen zulässig?

Kernaussage

Bei summarischer Prüfung bestehen – zumindest für den Veranlagungszeitraum 2008 – ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Diese Ansicht vertrat aktuell das Finanzgericht Düsseldorf.

Sachverhalt

Die Antragsteller wurden im Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und stritten mit dem Finanzamt darüber, ob die Erfassung von Erstattungszinsen im Veranlagungszeitraum 2008 als Einnahmen aus Kapitalvermögen rechtmäßig ist. Nach Ansicht des Finanzamts gehören Erstattungszinsen zu den steuerpflichtigen Kapitalerträgen. Dies deshalb, weil der Gesetzgeber auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) aus 2010 (hier wurden Erstattungszinsen dem nicht steuerbaren Bereich zugeordnet) im Rahmen des Jahressteuergesetzes (JStG) 2010 reagiert und eine gesetzliche Klarstellung und Festschreibung der früheren Rechtsprechung vorgenommen hat. Diese Klarstellung soll rückwirkend in allen noch offenen Fällen gelten. Die Antragsteller erhoben Einspruch und beantragten Aussetzung der Vollziehung. Der Einspruch ruht zurzeit kraft Gesetzes wegen eines noch anhängigen BFH-Verfahrens. Der vom Finanzamt abgelehnten Aussetzung der Vollziehung gab das Finanzgericht im Eilverfahren wegen unsicherer Rechtslage statt.

Entscheidung

Nach Ansicht des Gerichts sprechen gewichtige Gründe sowohl für als auch gegen die Rechtmäßigkeit der Besteuerung und die Verfassungsmäßigkeit der zugrunde liegenden Normen. Für die Rechtmäßigkeit spreche, dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach der Regelung des JStG 2010 hier erfüllt sein dürften und diese Klarstellung nach der gesetzlichen Anwendungsregelung und der Gesetzesbegründung rückwirkend in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen anzuwenden ist. Dagegen spreche allerdings, dass der BFH in seinem Urteil aus 2010 der Auffassung ist, dass Erstattungszinsen zur Einkommensteuer den Steuerpflichtigen nicht im Rahmen einer steuerbaren Einkunftsart zufließen. Darüber hinaus könne nach summarischer Prüfung nicht ausgeschlossen werden, dass die gesetzlichen Neuregelungen – zumindest für das Streitjahr 2008 – gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen.

Konsequenz

Diese Fragestellungen konnten im Aussetzungsverfahren durch das FG Düsseldorf nicht abschließend geklärt werden. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH zu diesem Themenkomplex Stellung beziehen wird.

Anforderungen an handschriftliche Zusätze zu einem Testament

Anforderungen an handschriftliche Zusätze zu einem Testament

Kernaussage

Wird ein vorschriftsmäßig unterschriebenes handschriftliches Testament durch eine Bedingung hinter der Unterschrift ergänzt, ist dieser Zusatz in der Regel unwirksam, sofern dieser keine neue Unterschrift trägt. Nur wenn der Zusatz zu dem übrigen Text einen engen Bezug hat, kann eine erneute Unterschrift entbehrlich sein. Dies ist etwa der Fall, wenn das Testament ohne die Ergänzung lückenhaft, unvollständig oder undurchführbar ist und der Erblasserwille nur aus beiden Erklärungen ersichtlich wird.

Sachverhalt

Der Erblasser ist im Juni 2010 im Alter von 67 Jahren verstorben. Er hatte ein handschriftliches unterschriebenes Testament gefertigt, in dem er seine Lebensgefährtin als Alleinerbin einsetzte. Seine 4 Kinder wurden nicht bedacht. Wenige Monate nach der Testamentserrichtung hatte er den Text unter der Unterschrift ergänzt und als Bedingung aufgenommen, dass die alleinige Erbin ein gleichlautendes Testament zu Gunsten des Erblassers verfassen müsse. Auf der Rückseite wurde vermerkt, dass das Testament noch nicht gültig sei, da die Lebensgefährtin kein entsprechendes Testament verfasst habe. Der Lebensgefährtin wurde trotzdem vom Nachlassgericht der beantragte Erbschein erteilt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der 4 Kinder.

Entscheidung

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Lebensgefährtin des Erblassers ist Erbin geworden. Die dem Testament zugefügte Bedingung ist nicht formwirksam, weil sie nicht unterschrieben ist. Die Unterschrift muss grundsätzlich am Schluss des Textes stehen, um die Identifikation des Erblassers zu ermöglichen und den Urkundentext räumlich abzuschließen und damit von nachträglichen Ergänzungen abzusehen. Die Ausnahme von diesem Formerfordernis, dass der Zusatz und der vorstehende Text ein unteilbares Ganzes bilden, liegt nicht vor. Bei dem nicht unterschriebenen Zusatz handelt es sich nicht um eine Ergänzung oder Erläuterung eines für sich lückenhaften Testaments oder gar um einen teilweisen Widerruf, sondern um eine Abänderung der ursprünglich getroffenen Regelung.

Konsequenz

Bereits eine Vielzahl von Entscheidungen beschäftigt sich mit den Anforderungen, die an die Form eines Testaments zu stellen sind. Das vorliegende Urteil fügt sich in die bisherige Rechtsprechung ein und zeigt erneut, dass nur in Ausnahmefällen ein Zusatz ohne Unterschrift wirksam ist. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollten alle Zusätze in letztwilligen Verfügungen stets mit Unterschrift und Datum versehen werden.

Vorsicht bei Vermietung zwischen Ehegatten

Vorsicht bei Vermietung zwischen Ehegatten

Kernaussage

Aktuell hatte sich der Bundesfinanzhof (BFH) wieder einmal mit einem umsatzsteuerlichen Dauerbrenner zu befassen: Wenn 2 Ehegatten ein Haus errichten und einer der Ehegatten einen Teil des Hauses unternehmerisch nutzen will, stellt sich die Frage, wie der Vorsteuerabzug optimiert werden kann.

Sachverhalt

Die Kläger (Ehegatten) errichteten ein Haus auf einem dem Ehemann sowie der Ehefrau jeweils zur Hälfte gehörenden Grundstück. Ca. 40 % des Gebäudes nutzte der Ehemann als Büro, den Rest nutzten die Ehegatten privat. Die Ehefrau vermietete ihren (zivilrechtlich) hälftigen Miteigentumsanteil unter Option zur Umsatzsteuer an ihren Ehegatten. Ziel der Vermietung war es, den Abzug der Vorsteuer für die Grundstücksteile zu erreichen, die der Ehefrau zuzurechnen waren (Seeling-Modell). Für den Ehemann sollte so keine zusätzliche Belastung entstehen, da er zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Strittig war zunächst nicht der Vorsteuerabzug, sondern die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer für die Eigennutzung der privaten Räume. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Finanzgericht keinen Erfolg, weil dies den Vorsteuerabzug grundsätzlich in Frage stellte, da die notwendige Zuordnung zum Unternehmensvermögen zu spät erfolgt sei. Der Fall landete daraufhin beim BFH.

Entscheidung

Entgegen der Vorinstanz kommt der BFH zu einem Ergebnis, das nicht nur die Ehegatten überrascht haben dürfte. Laut Ansicht der Richter lag umsatzsteuerlich überhaupt keine Vermietung zwischen den Ehegatten vor, weil dem Ehemann nicht vermietet werden konnte, was ihm zuvor schon geliefert wurde. Der BFH bezieht sich dabei auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach in solchen Fällen schon mit der Herstellung bzw. Anschaffung des Objekts eine Lieferung direkt an den Unternehmerehegatten erfolgt, sofern dessen unternehmerische Nutzung (hier: 40 %) nicht seinen Miteigentumsanteil (hier: 50 %) übersteigt.

Konsequenz

Die Ehefrau wurde durch die zivilrechtliche Vermietung nicht zur Unternehmerin. Da sie jedoch Umsatzsteuer in Rechnung gestellt hatte, schuldete sie diese auch. Ihrem Ehemann stand jedoch kein Vorsteuerabzug hieraus zu. Allein das im Revisionsverfahren geltende Verböserungsverbot verhinderte letztendlich noch Schlimmeres für die Ehegatten. Für die Praxis ist zu beachten, dass die vorliegende Gestaltung zumindest vor Ergehen des EuGH-Urteils nicht unüblich war. Für die Zukunft sollte von solchen Gestaltungen Abstand genommen werden. Allerdings ist unklar, ob der BFH zu dem gleichen Ergebnis gekommen wäre, wenn die Vermietung durch die Miteigentümergemeinschaft erfolgt wäre.

Finanzamt verzeiht keine Fehler bei Steuersoftware

Finanzamt verzeiht keine Fehler bei Steuersoftware

Kernproblem

Aufgrund der Komplexität des Steuerrechtes greifen viele Steuerpflichtige zur Steuererklärungssoftware, um ihre Einkommensteuererklärung zu erstellen. Doch auch bei Nutzung dieser Programme ist die fertige Einkommensteuererklärung häufig nicht korrekt. Entweder arbeiten die Programme selbst nicht immer fehlerfrei, wie diverse Tests dokumentieren, oder der Anwender übersieht wichtige Details. Was passiert aber nun, wenn der Steuerpflichtige im Vertrauen auf das Programm Fehler zu seinen Lasten begeht? Steuerpflichtige können eine Korrektur eines bestandskräftigen Steuerbescheides zu ihren Gunsten nur dann beantragen, wenn sie kein grobes Verschulden hinsichtlich des Grundes der Korrektur trifft.

Sachverhalt

Die Kläger erstellten ihre Einkommensteuererklärung 2008 mit einer handelsüblichen Software. Hierbei übersahen sie den Abzug für entstandene Kinderbetreuungskosten. Etwa ½ Jahr nach Ergehen des Bescheids beantragten sie nachträglich deren Berücksichtigung. Das Finanzamt verweigerte dies. Es sah hierin ein grobes Verschulden der Kläger, da das entsprechende Formular (Anlage K) auf die Kinderbetreuungskosten hinweise. Dem widersprachen die Kläger und beriefen sich u. a. auf die verwirrenden steuerlichen Vorschriften, den Stress durch erneuten Nachwuchs sowie auf den Umstand, dass die genutzte Software die Anlage K nicht automatisch anzeige, sondern über ein eigenes Menü durch die Erklärung führe.

Entscheidung

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz gab dem Finanzamt Recht. Demnach weist die Anlage K sowohl in Papierform als auch im Elster-Programm der Finanzverwaltung ausreichend auf die Kinderbetreuungskosten hin. Wer sich dieser, von der Finanzverwaltung bereitgestellten Möglichkeit zur Abgabe der Steuererklärung nicht bedient, muss sich die Fehler, die durch Nutzung eines Softwareprogramms entstehen, als eigenes grobes Verschulden anrechnen lassen.

Konsequenz 

Das FG behandelt die Nutzung von Steuersoftware genauso, wie die Beauftragung eines steuerlichen Beraters. Fehler der Software werden dem Steuerpflichtigen zugerechnet. Allerdings haften Steuerberater für Schäden. Ob hingegen die Softwarehersteller für Fehler oder schwer verständliche Programme zur Rechenschaft gezogen werden können, dürfte fraglich sein. Zudem ist zu beachten, dass Fehler der Software den Nutzern in der Regel gar nicht auffallen, da die Steuerbescheide das wiedergeben, was die Nutzer deklariert haben. Ihre Nutzung ist daher nicht gänzlich ohne Risiko.

Ungleichbehandlung unehelicher Kinder im Erbrecht bleibt bestehen

Ungleichbehandlung unehelicher Kinder im Erbrecht bleibt bestehen

Rechtslage

Die erbrechtliche Situation unehelicher Kinder im Verhältnis zum Vater hat über die letzten 50 Jahre hinweg erhebliche Änderungen erfahren. Waren uneheliche Kinder zunächst nicht erbberechtigt, erhielten sie zwischenzeitlich einen sogenannten Erbabgeltungsanspruch; heute sind sie ehelichen Kindern in vollem Umfang gleichgestellt. Nicht zuletzt aus historischen Gründen markierte aber der 1.7.1949 weiterhin eine Grenze in der erbrechtlichen Behandlung unehelicher Kinder. Sie hatten weiterhin kein Erbrecht nach ihrem Vater. Diese Praxis wurde durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beanstandet und vom deutschen Gesetzgeber im Jahr 2011 rückwirkend dahingehend gelöst, dass mit Wirkung nach dem 28.5.2009 (Datum der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte) auch vor dem 1.7.1949 geborene uneheliche Kinder mit leiblichen Kindern im Verhältnis zum Vater erbrechtlich gleich gestellt sind. D. h., der Erbfall des Vaters musste nach dem 28.5.2009 erfolgt sein. Es war am Bundesgerichtshof, nunmehr die letzte Lücke zu schließen und die erbrechtliche Lage unehelicher Kinder, die vor dem 1.7.1949 geboren wurden, im Verhältnis zum Vater zu klären, wenn der Erbfall vor dem 28.5.2009 eintrat.

Sachverhalt

Der 1940 unehelich geborene Kläger machte – gestützt auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte – Pflichtteilsansprüche nach seinem im Jahre 2006 verstorbenen Vater geltend. Die rückwirkende Gleichstellung für Erbfälle ab dem 29.5.2009 sei verfassungswidrig.

Entscheidung 

Der Bundesgerichtshof wies die Klage (wie die Vorinstanzen) ab. Es sei durch sachliche Gründe gerechtfertigt gewesen, dass der Gesetzgeber eine Gleichstellung von vor dem 1.7.1949 geborenen unehelichen Kindern stichtagsbezogen erst ab dem 29.5.2009 vorgesehen habe. Insbesondere das grundrechtlich geschützte Vertrauen von Erblassern auf den Bestand und die Wirksamkeit ihrer letztwilligen Verfügungen rechtfertige es, die Gleichstellung erst ab dem Tag anzunehmen, an dem sich die Rechtslage verbindlich geändert habe. Hier hinter hätten die verfassungsrechtliche geschützten Pflichtteilsrechte des unehelichen Kindes zurück zu stehen. Darüber hinaus war der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass sich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber seine Rückwirkung auch vor die Zeit der Entscheidung ausdehnen müsse.

Konsequenz

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs sorgt für Rechtsklarheit. Für Erbfälle ab dem 29.5.2009 sind auch vor dem 1.7.1949 geborene uneheliche Kinder im Verhältnis zu ihrem Vater erbrechtlich gleichgestellt. Das bedeutet auch, dass deren Ansprüche in sämtlichen Erbfällen nach dem 29.5.2009 noch geltend gemacht werden können. Ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nochmals angegriffen wird (entweder beim Bundesverfassungsgericht oder beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte), um die vollständige Gleichstellung zu erstreiten, bleibt abzuwarten.

ELStAM-Einführung verschiebt sich

ELStAM-Einführung verschiebt sich

Hintergrund

In Deutschland wird die Einkommensteuer auf Arbeitslöhne durch unmittelbaren Einbehalt beim Arbeitgeber erhoben, der sie an das Finanzamt abführt. Um für jeden Arbeitnehmer die Lohnsteuer in zutreffender Höhe einbehalten zu können, wurde bislang die Lohnsteuerkarte, die alle notwendigen Informationen enthielt, benötigt. Weil das Lohnsteuerabzugsverfahren modernisiert wird, war die Lohnsteuerkarte 2010 die letzte, die von den Gemeinden gedruckt und ausgegeben wurde. Sie wird ab dem 1.1.2012 durch ein elektronisches Verfahren (ELStAM) ersetzt, behält aber für die Übergangszeit ihre Gültigkeit. Bei dem Verfahren werden die Besteuerungsmerkmale aller Arbeitnehmer in einer zentralen Datenbank (ELStAM = Elektronische Lohnsteuer-Abzugs-Merkmale) erfasst.

Ablauf des ELStAM-Verfahrens

Beim ELStAM-Verfahren muss der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber künftig zu Beginn einer neuen Beschäftigung einmalig sein Geburtsdatum und seine steuerliche Identifikationsnummer angeben und mitteilen, ob es sich um ein Haupt- oder Nebenverhältnis handelt. Mithilfe dieser Informationen kann der Arbeitgeber die benötigten Daten für den Lohnsteuerabzug elektronisch bei der Finanzverwaltung abrufen. Hat das Arbeitsverhältnis bereits in 2011 bestanden, liegen dem Arbeitgeber die für den Abruf erforderlichen Informationen in der Regel bereits vor. Wenn sich an den steuerlichen Verhältnissen etwas ändert, z. B. durch Heirat eine neue Steuerklasse anzuwenden ist oder sich die Höhe eines Freibetrags geändert hat, werden die ELStAM neu gebildet und der Arbeitgeber erhält die Nachricht, dass neue Daten abzurufen sind.

Verzögerung bei der Einführung

Die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte wird auf Grund von technischen Verzögerungen nicht zum 1.1.2012 erfolgen. Ein weiterer Versuch soll voraussichtlich im 2. Quartal 2012 gestartet werden. Übergangsweise gelten die Besteuerungsmerkmale der Lohnsteuerkarten aus 2010 auch für das Jahr 2012.

Praxistipps

Die Finanzämter informieren bis Ende November 2011 alle Arbeitnehmer schriftlich über die gespeicherten Daten. In vielen Fällen entsprechen die Daten indes nicht (mehr) den tatsächlichen Verhältnissen. Die Arbeitnehmer sollten das Informationsschreiben ihres Finanzamts umgehend kontrollieren und unrichtige Merkmale noch in diesem Jahr korrigieren lassen. Der Antrag auf Korrektur kann telefonisch oder schriftlich erfolgen. Für das Lohnsteuerermäßigungsverfahren 2012 müssen sämtliche antragsgebundenen Einträge und Freibeträge (wie z. B. Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Faktorverfahren, Hinzurechnungsbeträge) vom Arbeitnehmer neu beantragt werden. Anderenfalls unterbleibt eine Berücksichtigung. Ein Pauschbetrag für behinderte Menschen und Hinterbliebene sowie die Anzahl der Kinder müssen jedoch nur dann neu beantragt werden, wenn sie im o. g. Informationsschreiben nicht enthalten sind.

Zeitschriftenverlage: Sind vergünstigte Abos für Mitarbeiter umsatzsteuerpflichtig?

Zeitschriftenverlage: Sind vergünstigte Abos für Mitarbeiter umsatzsteuerpflichtig?

Kernaussage

Verbilligte Lieferungen an Arbeitnehmer stehen regelmäßig im Fokus von Betriebsprüfungen. Fraglich ist zunächst, ob diese Lieferungen überhaupt der Umsatzsteuer unterliegen. Sind sie umsatzsteuerbar, ist die Höhe der Bemessungsgrundlage fraglich. In Betracht kommt hier zunächst das vereinbarte Entgelt. Ist dies jedoch niedriger als die Selbstkosten des Unternehmens, sind diese anzusetzen (Mindestbemessungsgrundlage).

Sachverhalt

Ein Verlag lieferte Tageszeitungen im Abonnement an seine Mitarbeiter. Strittig war die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer. Während das Finanzamt den Ansatz des regulären Abonnementpreises nebst Zustellgebühren verlangte, legte der Verlag lediglich 30 % hiervon der Umsatzsteuer zugrunde.

Neues Urteil

Der Bundesfinanzhof (BFH) stimmt dem Ansatz des Finanzamts zu. Er folgte der Argumentation des Verlags nicht, wonach die Abonnements primär unternehmerischen Zwecken dienten und die Zahlungen der Arbeitnehmer lediglich als nicht steuerbare Zuschüsse zu qualifizieren seien. Der Verlag hatte dies mit Auflagensteigerung, Information der Arbeitnehmer sowie Förderung der Corporate Identity begründet. Zum Ansatz des regulären Abonnementpreises nebst Zustellgebühren als Mindestbemessungsgrundlage kam der BFH, weil die Selbstkosten oberhalb dieses Preises lagen. Hier hatte der Verlag erfolglos den Ansatz der Grenzkosten gefordert, da mit jeder zusätzlichen Zeitung auch eine Werbeleistung an die Anzeigenkunden erbracht würde.

Konsequenzen

Das Urteil dürfte von der gesamten Verlagsbranche zu beachten sein. Abonnements an eigene Arbeitnehmer sind mit dem üblichen Abonnementpreis nebst Zustellkosten der Umsatzsteuer zu unterwerfen, unabhängig vom tatsächlich vom Arbeitnehmer gezahlten Preis. Nur wenn der Nachweis gelingt, dass die Selbstkosten unterhalb des Abonnementpreises liegen, können diese angesetzt werden. Dies ist jedoch bei Verlagen selten der Fall, da die Preise für ein Abonnement auch die Werbeeinnahmen aus Anzeigen berücksichtigen. Andere, wirtschaftlich durchaus nachvollziehbare Argumente, die einen geringeren Ansatz rechtfertigen könnten, wurden von den Klägern vorgebracht und vom BFH verworfen.

Verbilligte Überlassung von Wohnung immer Sachbezug?

Verbilligte Überlassung von Wohnung immer Sachbezug?

Kernproblem

Zu den Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit gehören auch Sachbezüge, die der Arbeitgeber aus dem Dienstverhältnis gewährt. Solche sogenannten geldwerten Vorteile finden sich in der Praxis häufig in der Gestellung eines Dienstwagens. Auch die verbilligte Überlassung einer Wohnung durch den Arbeitgeber kann einen solchen Vorteil darstellen. Aber wann ist von einer „Verbilligung“ auszugehen? Reichen hierfür bereits Lücken bei der Weiterbelastung von Nebenkosten aus, obwohl die Miete wie unter Fremden vereinbart ist? Mit dieser Thematik hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt auseinandergesetzt.

Sachverhalt

Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts war Eigentümerin von 68 Wohnungen, die sie an Mitarbeiter und fremde Dritte vermietete. Die ortsübliche Miete wurde turnusmäßig von einem öffentlich bestellten Gutachter ermittelt und die dabei festgestellten Mietwerte umgehend angepasst. Nebenleistungen blieben in dem Gutachten unberücksichtigt. Das Finanzamt stellte bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung fest, dass die Kosten für Hausversicherungen, Grundsteuer und Straßenreinigung nicht abgerechnet wurden und wertete dies als geldwerten Vorteil. Die Vermieterin verwies auf die Gleichbehandlung von 22 fremdvermieteten Wohnungen und dem Ziel einer Standardisierung der Nebenkostenabrechnungen. Das Finanzamt lehnte das Argument mit der Begründung ab, dass der Anteil an Fremdmietern nur 7,5 % betrage, weil ehemalige Arbeitnehmer nicht als Fremdmieter anzusehen seien. Der Fremdvergleich erfordere einen hören Anteil. Das Finanzgericht stützte die Auffassung des Finanzamts u. a. auch deswegen, weil der Anteil unter 10 % lag.

Entscheidung

Der BFH hat die Sache zur weiteren Untersuchung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Von einer verbilligten Überlassung sei nur auszugehen, soweit die tatsächlich erhobene Miete zusammen mit den tatsächlich abgerechneten Nebenkosten die ortsübliche Miete (Kaltmiete plus umlagefähige Nebenkosten) unterschreite. Als ortsüblich sei jeder Mietwert anzusehen, den der Mietspiegel im Rahmen einer Spanne zwischen mehreren Mietwerten für vergleichbare Wohnungen ausweise. Eine verbilligte Überlassung müsse zudem ihren Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis haben. Der Fremdvergleich bleibe hierfür ein gewichtiges Indiz. Es könne jedoch nicht typisierend davon ausgegangen werden, dass bei einem unter 10 % liegenden Anteil an fremdvermieteten Wohnungen ein Veranlassungszusammenhang zum Arbeitsverhältnis bestehe.

Konsequenz

Die Betrachtungsweise des BFH ermöglicht die Verrechnung einer über der Untergrenze liegenden Kaltmiete mit den nicht erhobenen Nebenkosten. Aufgrund der Ausführungen des BFH ist zu vermuten, dass auch im Fall eines Unterschreitens die Einschaltung des Gutachters, der Fremdvergleich und der Wille zur Vereinheitlichung den Ausschlag zugunsten des Arbeitgebers geben.

Erster (ernst zu nehmender) Angriff auf die Erbschaftsteuerreform

Erster (ernst zu nehmender) Angriff auf die Erbschaftsteuerreform

Rechtslage

Die zum 1.1.2009 in Kraft getretene und zum 1.1.2010 (zum Teil rückwirkend) überarbeitete Erbschaftsteuerreform begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies insbesondere im Hinblick auf die steuerliche Behandlung von entfernteren Verwandten, die die Reform durch höhere Steuersätze (besonders im Jahr 2009) zum Teil gegenfinanzieren, und die weiterhin bestehende Ungleichbehandlung unterschiedlicher Vermögensarten. Bisher gab es vereinzelt Versuche, die Erbschaftsteuerreform unmittelbar anzugreifen, die jedoch gescheitert sind. Nunmehr ist beim Bundesfinanzhof (BFH) das erste, durch den Instanzenzug gegangene, Verfahren über verfassungsrechtlich bedenkliche Teile der Erbschaftsteuerreform rechtshängig. Den Rechtsstreit will der BFH offenbar dazu nutzen, die Erbschaftsteuerreform einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zuzuführen.

Sachverhalt

Der Erbe war Neffe des Erblassers. Er erwarb 2009 (anteilig) einen Nachlass, der aus Barvermögen und einem Steuererstattungsanspruch bestand. Die Finanzverwaltung bewertete den nur aus Kapitalforderungen bzw. Barvermögen bestehenden Nachlass mit dem Nominalwert und setzte nach der Rechtslage 2009 Erbschaftsteuer mit einem Steuersatz von 30 % in der Steuerklasse II fest. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage machte der Erbe geltend, es sei verfassungswidrig, dass das geerbte Vermögen im Vergleich zu beispielsweise Betriebsvermögen erbschaftsteuerlich nicht privilegiert sei und er außerdem einem Steuersatz wie jeder fremde Dritte unterfalle. Er unterlag vor dem Finanzgericht. Aufgrund seiner Revision forderte der BFH das Bundesministerium der Finanzen nunmehr auf, dem Rechtsstreit beizutreten.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof hat die Aufforderung an das Bundesministerium der Finanzen ausgesprochen, um folgende Fragen durch Stellungnahmen und Erfahrungswerte des Ministeriums zu klären: a) Verfassungsmäßigkeit der Gleichstellung entfernterer Angehöriger der Steuerklasse II mit fremden Dritten der Steuerklasse III im Jahre 2009 und b) Verfassungsmäßigkeit von Betriebsvermögensprivilegierungen der Erbschaftsteuerreform. Denn diese ermöglichen es durch Gestaltungen, die Steuerfreiheit von Vermögenserwerben zu erreichen, und zwar unabhängig von der Zusammensetzung des Vermögens und dessen Bedeutung für das Gemeinwohl. Gleichzeitig hat der BFH angekündigt, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, soweit Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestünden.

Konsequenz

Während die bisherigen Versuche, die Erbschaftsteuerreform vor Gerichten anzugreifen, von vorneherein ohne große Aussicht auf Erfolg waren, zeigt die Entscheidung des BFH, dass es den Richtern ernst mit der Verfassungsprüfung der Erbschaftsteuerreform ist. Dies bedeutet zugleich, dass Erbschaftsteuerbescheide mit Einspruch und Verweis auf die Verfassungswidrigkeit der Erbschaftsteuerreform angegriffen und offen gehalten werden sollten.