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Steuerberater

E-Bilanz – Übergangsfrist endet: Sind Sie vorbereitet?

Die Zeit drängt. Für Wirtschaftsjahre ab dem 01.01.2013 muss die Einreichung der Jahresabschlussbilanz in elektronischer Form erfolgen. Den 1,35 Millionen betroffenen Unternehmen bleibt nur noch wenig Zeit, die notwendigen Umstellungen in Buchhaltung und IT vorzunehmen. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) empfiehlt den betroffenen Unternehmen, sich dazu rechtzeitig an ihren Steuerberater zu wenden.

Die Regelung zur E-Bilanz ist Teil des Steuerbürokratieabbaugesetzes (SteuBAG) der Bundesregierung, das Ende 2008 verabschiedet wurde. Mit diesem Gesetz wurde die Grundlage geschaffen, die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie auch für das Besteuerungsverfahren zu nutzen. Ziel ist es, die elektronische Kommunikation zwischen Unternehmen und Steuerbehörden zu verbessern.

Die Umsetzung des Gesetzes wurde bereits zweimal um je ein Jahr verschoben. Da es lange kein festes Regelwerk zur Abgabe einer Steuerbilanz gab, hat sich ein Großteil der deutschen Unternehmen bis heute nicht eingehend mit der E-Bilanz und deren Umsetzung auseinandergesetzt. Dies muss nun dringend geschehen.

Die allgemeine Nichtbeanstandungsregelung der Finanzverwaltung ermöglichte es noch für das erste Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 2011 begann, die Bilanz in Papierform einzureichen. Doch die Übergangsfrist endet nun mit dem Jahr 2012. Die Abgabe einer E-Bilanz wird für das Wirtschaftsjahr 2013 zur Pflicht.

Künftig müssen Unternehmen ihre Daten in ein elektronisches Übermittlungsformat (XBRL) übertragen und bei der Finanzverwaltung einreichen. Die Umstellung bedarf u. U. einer längeren Vorbereitungszeit, wenn die Unternehmen mehr und detailliertere Daten erarbeiten und die IT-Systeme anpassen müssen.

Die BStBK empfiehlt die Anpassung der Buchführung an die Erfordernisse der E-Bilanz bis Ende 2012 vorzunehmen, um 2013 bereits richtig buchen zu können. Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter www.bstbk.de.

FG Köln: Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer: Finanzgericht Köln weist Klage in der Rechtssache Meilicke ab

“Für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer ist es nicht ausreichend, wenn eine Bank die anrechenbare ausländische Steuer lediglich aus dem Körperschaftsteuersatz ableitet und bescheinigt. Denn hieraus ergibt sich nicht, dass die Steuer von dem ausländischen Unternehmen auch tatsächlich entrichtet wurde. Dies entschied der 2. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem heute verkündeten Urteil in der sog. “Rechtssache Meilicke” (2 K 2241/02) und wies die Klage mangels entsprechender Nachweise ab.

Der 2. Senat hat gegen das Urteil die Revision beim Bundesfinanzhof in München zugelassen. Das schriftliche Urteil wird den Beteiligten in Kürze zugestellt und auf der Homepage des Finanzgerichts Köln (www.FG-Koeln.NRW.de) veröffentlicht werden.

In dem Klageverfahren hatte der 2. Senat des Finanzgerichts Köln zwei Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH in Luxemburg gestellt. Im Rahmen des bis zum Jahr 2000 geltenden Anrechnungsverfahrens konnte nur die Körperschaftsteuer bei der persönlichen Einkommensteuer des Anteilseigners angerechnet werden, die auf Dividenden einer inländischen Kapitalgesellschaft entfiel. Infolge des ersten Vorlagebeschlusses hielt der EuGH diese Beschränkung für rechtswidrig und schuf damit die Voraussetzung für die Anrechnung ausländischer Körperschaftsteuer (Urteil in der Rechtssache Meilicke vom 6. März 2007 C-292/04). Offen blieb hierbei allerdings, welche formelle Anforderungen an den Nachweis ausländischer Körperschaftsteuer zu stellen sind. Der 2. Senat hatte deshalb den Rechtsstreit im Hinblick auf die praktischen Umsetzungsfragen erneut dem EuGH vorgelegt. Im Urteil vom 30. Juni 2011 (C-262/09, Meilicke II) hat der EuGH hierzu entschieden, dass die Anrechnung der ausländischen Steuer keine Körperschaftsteuerbescheinigung voraussetze, die dem seinerzeit geltenden deutschen Körperschaftsteuergesetz entspreche. Ausreichend aber auch erforderlich seien insoweit Belege, die es den Steuerbehörden erlaubten, klar und genau zu überprüfen, in welcher Höhe die ausländischen Dividenden tatsächlich mit ausländischer Körperschaftsteuer belastet seien.”

FG Köln Urteil vom 28.08.2012 – 2 K 2241/02

Pressemeldung des Gerichts: Finanzgericht Köln

Einkommensteuer | Veräußerungserlös bei gemischt genutztem Wohnmobil (FG)

Veräußerungserlös bei gemischt genutztem Wohnmobil

 Leitsatz

Veräußert ein Steuerpflichtiger das zu seinem Betriebsvermögen gehörendes gemischt genutztes Wohnmobil, so ist der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös Gewinn aus Gewerbebetrieb.

 Gesetze

§ 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG
§ 5 Abs. 1 EStG
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG

 Instanzenzug

BFH 20.08.2012 – X R 14/12

Verfahrensstand:  Revision eingelegt

 Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Veräußerungsgewinnes aus dem Verkauf eines betrieblich genutzten Wohnmobils.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger bezieht als Handelsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er ist Eigentümer von mehreren Pkws´s, u.a. eines Wohnmobils mit polizeilichem Kennzeichen XX-MH 16. Dieses Fahrzeug hat der Kläger am 30. Juni 2001 für 172.560,48 DM erworben und als notwendiges Betriebsvermögen behandelt. Bei dem Wohnmobil handelt es sich um ein Fahrzeug, welches, sowohl betrieblich als auch privat genutzt wurde. Im Rahmen der für die Jahre 2001 bis 2003 durchgeführten Außenprüfung (Betriebsprüfungsbericht vom 22. Dezember 2005 – Bl. 26 f. Bp-Berichtsakten) hat man sich dahingehend geeinigt, dass 40 % nicht als Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzugsfähig sind.

Das Wohnmobil wurde am 28. August 2006 für 45.689,66 € veräußert und der Veräußerungsgewinn wurde wie folgt ermittelt:

 

 Veräußerungserlö  45.689,66 €
 ./. Buchwert;  21.182,00 €
 Gewinn  24.507,66 €
 Buchwerterhöhung der nicht als Betriebsausgaben abzugsfähigen AfA wegen § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG  24.507,66 €
 zu versteuernder Veräußerungsgewinn  0,00 €

 

Mit Schreiben vom 2. Mai 2008 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass der Veräußerungsgewinn des Wohnmobils in voller Höhe versteuert werden müsse, weil die außer­bilanziellen Zurechnungen auf Grund des § 4 Abs. 5 Nr. 7 Einkommensteuergesetz -EStG- nicht berücksichtigt werden dürften.

Der Einkommensteuerbescheid für 2006 erging am 25. Juli 2008, in diesem hat der Beklagte den erklärten Gewinn wie folgt verändert:

 

 Gewinn lt. Erklärung  49.813,01 €
 + Berücksichtigung außerbilanziellen Zurechnung  24.507,66 €
 + keine Betriebsausgaben für XX-SH 512  5.703,51 €
 ./. Privatanteil XX-SH 512 netto  1.680,00 €
 + Privatnutzung XX-SU 49 durch Tochter  900,00 €
 Gewinn  49.243,51 €

 

Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 3. März 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage tragen die Kläger vor, dass eine Erhöhung des Gewinns um die stillen Reserven aus dem Verkauf des Wohnmobils nicht erfolgen dürfe, da diese in Höhe von 24.507,66 € in der Vergangenheit dem steuerlichen Gewinn außerhalb der Bilanz hinzugerechnet worden seien. Faktisch fände in Höhe der wegen § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG nicht abziehbaren AfA (40 % der Gesamt-AfA) eine Doppelbelastung statt, da insoweit in der Vergangenheit eine Hinzurechnung zum Gewinn und im Verkaufszeitpunkt eine erneute Besteuerung dieses Teils der stillen Reserven vorgenommen würde. Das verstoße gegen das objektive Nettoprinzip. Es ergebe sich auch aus der Literatur (Herrmann/Heuer/Raupach Anm. 1536 zu § 4 EStG , Frötscher Rz 340 zu § 4 EStG ). Außerdem habe der Große Senat des Bundesfinanzhofes in seinem Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06 bei seiner Entscheidung über die Aufwendungen für eine gemischt veranlasste Reise folgende dogmatische Grundaussagen getroffen: Die gesetzlichen Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten seien Ausdruck des objektiven Nettoprinzips, nachdem der Steuergesetzgeber die für die Lastengleichheit dem Einkommensteuerrecht u.a. maßgeblich finanzielle Leistungsfähigkeit bemesse. Danach unterliege der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblich/beruflichen) Erwerbsaufwendungen andererseits. Das objektive Nettoprinzip habe verfassungsrechtliche Bedeutung, vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidung. Weiter habe der Große Senat ausgeführt, dass der Begriff der Steuergerechtigkeit (als Rechtsbegriff) bedeute, dass im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerrechtlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden müsse, dass Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit) seien, während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einnahmen im Vergleich mit der Besteuerung niedriger Einkommen angemessen gestaltet werden müsse. Das Leistungsfähigkeitsprinzip biete die Berücksichtigung des beruflichen Anteils durch Aufteilung, notfalls durch Schätzung. Aus diesen Ausführungen ergebe sich, dass der Große Senat sich bei seiner Entscheidung von dem Gedanken der Steuergerechtigkeit (Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) und dem Grundsatz des objektiven Nettoprinzips, nachdem grundsätzlich nur das Nettoeinkommen der Einkommensteuer unterliege, habe leiten lassen. Die Einbeziehung der AfA in den die Besteuerung des „Gewinns” aus der Veräußerung des Wohn-/Büromobils, soweit sie sich nicht als Betriebsausgabe ausgewirkt habe, bzw. dem Gewinn außerbilanziell hinzugerechnet worden sei, sei mit den vorstehend vom Großen Senat aufgestellten Grundsätzen nicht vereinbar und daher abzulehnen.

Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 6. April 2010 und 23. Juli 2010 verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger vorgetragen, dass hilfsweise beantragt werde, das Wohnmobil nur zu 60 % als Betriebsvermögen zu bilanzieren, sodass auch immer nur 60 % der AfA den Buchwert mindern.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2010 den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 25. Juli 2008 dahingehend zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb des Klägers 54.251,52 € beträgt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt er aus, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung bei der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes keine Buchwerterhöhung um die wegen § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähige AfA erfolgen dürfe. Der BFH begründe dies mit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Es solle nämlich verhindert werden, dass zu Zwecken der betrieblichen Repräsentation dienende Aufwand den Gewinn beeinflusse und die Regeln der Bewertung und Abschreibung für diese Wirtschaftsgüter außer Kraft gesetzt würden. Der Veräußerungsgewinn sei grundsätzlich die Differenz zwischen Veräußerungspreis und dem Buchwert. So mindere die auf die private Nutzung entfallende AfA ebenfalls nicht den Gewinn. Gleichwohl müsse im Veräußerungsfall der um die volle AfA geminderte Buchwert angesetzt werden, da ansonsten die frühere auf private Nutzung entfallende und gewinnerhöhende AfA entgegen dem Sinn und Zweck der Regelung sich nachträglich gewinnmindernd auswirken würde. Die steuerliche Nichtberücksichtigung der Lebensführungskosten widerspreche nicht dem objektiven Nettoprinzip, denn der BFH habe in seiner von den Klägern zitierten Entscheidung ausdrücklich entschieden, dass das objektive Nettoprinzip nur den Abzug erwerbsbedingte Aufwendungen fordere, nicht aber den Abzug von Lebensführungskosten. Eine Doppelbesteuerung liege nicht vor, da sonst entgegen dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung – quasi durch die Hintertür – sich die auf die Lebensführung entfallende und gewinnerhöhende AfA gewinnmindernd auswirken würde.

 Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Beklagte hat zutreffend den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf eines betrieblich genutzten Wohnmobils berechnet.

Wirtschaftsgüter, die zum Betriebsvermögen gehören, sind auch bei teilweiser privater Nutzung Gegenstände des Betriebsvermögens, weil der Kläger dieses Wirtschaftsgut in seiner Bilanz aufgenommen hat und es nach § 5 Abs. 1 EStG einkommensteuerlich als Betriebsvermögen angesetzt werden muss. Für diese Wirtschaftsgüter gelten die Bewertungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes mit der Folge, dass auch für sie AfA vorzunehmen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG ), auch wenn diese wegen des Abzugsverbotes nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG den Gewinn nicht mindern darf (BFH-Urteile vom 12. Dezember 1973 VIII R 40/69 , BStBl II 1974, 207 und vom 23. April 1985 VIII R 300/81, BFH/NV 1986, 18 ). Das Wohnmobil kann deshalb auch nicht mit nur 60 % bilanziert werden.

§ 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG will nach seinem Sinn und Zweck nur verhindern, dass Zwecken der betrieblichen Repräsentation dienender Aufwand den Gewinn beeinflusst, dass er im Übrigen die Regeln der Bewertung und Abschreibung für diese Wirtschaftsgüter jedoch nicht außer Kraft setzen wollte. Es soll dem Wertverzehr nach wie vor Rechnung getragen und daher auch die AfA vorgenommen werden. Dass der Gewinn aus der Veräußerung eines solches Wirtschaftsgutes zu erfassen ist, folgt bereits aus seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen. Die Veräußerung stellt einen Geschäftsvorfall dar und der Bucherlös ist eine gewerbliche Einnahme. Die Entscheidung der Frage, welcher Betrag als Veräußerungsgewinn anzusetzen ist, richtet sich nach dem Unterschied zwischen Buchwert und dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten.

Schon in seinem Urteil vom 24. September 1959 IV 38/58 U BStBl III 1959, 466 hat der Bundesfinanzhof für einen zum Betriebsvermögen gehörenden Pkw, der teils privat genutzt wurde, hinsichtlich der Höhe des Veräußerungsgewinnes die Ansicht vertreten, dass der gesamte Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös als Gewinn zu erfassen ist, dass also insbesondere die auf die private Nutzung entfallende AfA, die zwar nicht den Gewinn der früheren Veranlagungszeiträume, wohl aber den Buchwert des Pkw´s beeinflusst hat, den Veräußerungsgewinn nicht mindert. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an, der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich Differenz zwischen Veräußerungspreis und dem Buchwert.

Auch aus dem von den Klägern zitierten Beschluss des Großen Senates vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672 ergibt sich keine andere Beurteilung. In diesem Beschluss hat der BFH ausdrücklich entschieden, dass das objektive Nettoprinzip nur den Abzug erwerbsbedingter Aufwendungen fordert, nicht aber den Abzug von Lebensführungskosten. Er führt aus, dass die gesetzlichen Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten Ausdruck des objektiven Nettoprinzips sind, nach dem der Steuergesetzgeber die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht u.a. maßgebliche objektive finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen andererseits. Das objektive Nettoprinzip hat verfassungsrechtliche Bedeutung, vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an die hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidung. In dem vom BFH zu entscheidenden Fall hat das Nettorprinzip gefordert, den beruflich veranlassten Teil der Reisekosten zum Abzug zuzulassen. Im vorliegenden Fall ist aber eindeutig, dass 40 % der Aufwendungen für das Wohnmobil – und der AfA – Kosten der Lebensführung sind, weshalb die steuerliche Nichtberücksichtigung dieser Lebensführungskosten (hier die unangemessene AfA) nicht dem objektiven Nettoprinzip widerspricht. Aus diesem Grund darf bei der Veräußerung des Wirtschaftsgutes keine Buchwerterhöhung um die wegen § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG nicht als Betriebsausgaben abzugsfähige AfA erfolgen. Ansonsten würde sich die frühere auf die Lebensführung entfallende und gewinnerhöhende AfA entgegen dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nachträglich gewinnmindernd auswirken. Es liegt somit keine Doppelbesteuerung vor, denn umgekehrt würde es zu einer doppelten Steuerbegünstigung führen, denn zum einen würden die auf die Lebensführung entfallenden Kosten nachträglich gewinnmindernd berücksichtigt werden und zum anderen würde auch der Veräußerungserlös sich mindern.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Umsatzsteuer | Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte eines Gesellschafter-Geschäftsführers (FG)

Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte eines Gesellschafter-Geschäftsführers, umsatzsteuerliche Behandlung

 Leitsatz

1. Der Anscheinsbeweis streitet ausschließlich dafür, dass ein vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2011 VI R 64/10 ).

2. Dieser Anscheinsbeweis kann entkräftet werden, indem substantiierte Einwände vorgebracht werden, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (vgl. nur BFH-Urteil vom 4. April 2008 VI R 68/05 , BStBl II 2008, 890 m.w.N.).

3. Im Streitfall ist der Anscheinsbeweis nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht entkräftet worden.

 Gesetze

EStG § 8 Abs. 2 Satz 2

 Instanzenzug

BFH 20.08.2012 – XI R 3/12

Verfahrensstand:  Revision eingelegt

 Tatbestand

Streitig ist, ob Fahrten des Gesellschafter-Geschäftsführers der Klägerin zwischen Wohnung und dem Büro der Klägerin zu versteuern sind. Die insoweit streitige Umsatzsteuer beträgt 755,57 € im Veranlagungszeitraum 2003 und 920,76 € in 2004 (bis Ende September).

Herr F.T. ist Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin. Daneben ist er zu 90 % Gesellschafter und ebenfalls Geschäftsführer der T.-GmbH (Parallelverfahren 6 K 2515/04).

Die Klägerin hatte ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer, Herrn F.T., gemäß § 5 des Anstellungsvertrages vom 1. September 2000 einen Anspruch auf Nutzung der durch die Gesellschaft angeschafften PKW auch zu privaten Zwecken eingeräumt. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils sollte nach dem geschlossenen Vertrag der Geschäftsführer übernehmen, Betriebs- und Unterhaltskosten die Gesellschaft.

Der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin wohnte im streitbefangenen Zeitraum in der …. -straße in C. Der Sitz und das eingerichtete Büro der Klägerin befand sich in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 30. September 2004 in der ……-straße in F.

Der lohnsteuerlich als geldwerter Vorteil behandelte Betrag wurde monatlich als Lohnaufwand gebucht der Lohnsteuer unterworfen. Im Rahmen der Lohnversteuerung wurde die Regelung des § 8 Abs. 2 S. 3 EStG – der pauschale Ansatz von 0,03 % für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – nicht angewendet.

Im streitbefangenen Zeitraum standen dem Gesellschafter-Geschäftsführer die folgenden betrieblichen PKW zur Verfügung:

  • 01/2003 bis 05/2003: Ford Fiesta Courier
  • 06/2003 bis 09/2003: MB SL 350 Roadster (Saisonkennzeichen)
  • 11/2003 bis 02/2004: MB E 270 CDI
  • 04/2004 bis 09/2004: MB SL 350 Roadster (Saisonkennzeichen)

 

Bei der Klägerin wurde für die Jahre 2003 – 2005 eine Außenprüfung durchgeführt. Durch die Außenprüfung wurden für die Jahre 2003 und 2004 für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zusätzlich 0,03 % des inländischen Listenpreises für Kfz angesetzt (Bericht vom 7. November 2008, Tz. 1.2.1 betreffend Körperschaftsteuer und Tz. 4.1 betreffend die Umsatzsteuer).

Der Beklagte folgte den Prüferfeststellungen. Die entsprechend geänderten Bescheide gingen am 8. Januar 2009 zur Post. Mit ihrem hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch trug die Klägerin zur Begründung vor, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer mit mehreren Gruppen Gräben für die Telekom ausgehoben habe, wobei eine dieser Gruppen von dem Gesellschafter-Geschäftsführer selbst geleitet worden sei. Aus diesem Grund sei Herr F.T. morgens nie ins Büro, sondern mit einem Bautransporter direkt an die jeweiligen Baustellen gefahren. Herr F.T. führe im Übrigen seine Geschäftsführertätigkeit ausschließlich von zu Hause aus durch. Anweisungen seien dort über seine ebenfalls bei der Klägerin beschäftigte Ehefrau – keine Gesellschafterin – weitergegeben worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Zur Besteuerung der privaten Pkw-Nutzung sehe das Gesetz zwei Methoden vor. Zum einen den Ansatz der tatsächlichen Kosten und zum anderen die pauschale Regelung über die so genannte 1 %-Regelung für die rein Privatfahrten und die 0,03 %-Regelung für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Da die Klägerin kein Fahrtenbuch geführt habe, sei die pauschale Regelung anzuwenden. Der geldwerte Vorteil für die reine Privatnutzung sei für jeden Kalendermonat mit einem Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Umsatzsteuer zu bewerten. Gemäß § 8 Abs. 2 S. 3 EStG erhöhe sich dieser Wert für jeden Kalendermonat um 0,03 % des genannten Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Zuschlag), wenn das Fahrzeug hierfür genutzt werden könne. Die Arbeitsstätte sei vorliegend das eingerichtete Büro in der …….-straße in F. Die BFH-Urteile VI R 68/05 und VI R 52/07 seien im Wege der nachträglichen Billigkeitsregelung anzuwenden; diese greife jedoch vorliegend nicht ein, da mit öffentlichen Verkehrsmittel keine Wege zurückgelegt worden seien. Das BFH-Urteil VI R 85/04 sei ebenfalls nicht hier anwendbar. Es handle sich bei der in dem Urteil genannten Person um einen Außendienstmitarbeiter und nicht um einen alleinigen, beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, der auch im Außendienst mitwirke und dessen Aufgaben sich von denen eines Außendienstmitarbeiters unterscheiden würden. Der Geschäftsführer habe die gesetzliche Aufgabe, die GmbH als Ganzes zu leiten und rechtlich zu vertreten. Die Geschäftsführung verlange jedenfalls eine zeitweise Präsenz des Geschäftsführers in der Firma. Eine Übertragung von Arbeiten auf einzelne Mitarbeiter sei teilweise möglich. Allerdings bleibe der Geschäftsführer für die Organisation, Anleitung, Unterschriften und Kontrolle selbst verantwortlich. Solche Kernaufgaben könnten nicht vom Außendienst oder von Zuhause aus vorgenommen werden, sondern in der Regel vom Betriebssitz aus. Eine Bewältigung dieser Aufgaben auf Dauer von Zuhause entspreche nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, stelle vielmehr eine atypische Sachverhaltsschilderung dar, da auch der in dem letztgenannten Urteil aufgeführte Außendienstmitarbeiter zumindest einmal wöchentlich seine Arbeitsstätte aufgesucht habe.

Auch wenn er diese Tätigkeit im betrieblichen Büro nicht vollumfänglich wahrgenommen habe, so werde davon ausgegangen, dass er diese nicht vollständig aufgegeben habe und somit Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt worden seien. Da der BFH lediglich auf die Nutzungsmöglichkeit abstelle, sei der zusätzliche geldwerte Vorteil von 0,03 % unabhängig davon anzusetzen, ob und wie oft im Monat der Arbeitnehmer seinen Firmenwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte nutze.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 13. November 2009 bei Gericht eingegangenen Klage. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Beklagte im Anschluss an die Betriebsprüfung zu Unrecht eine Besteuerung der Fahrten zwischen dem Wohnort und dem Büro der Klägerin vorgenommen habe. Der Geschäftsführer der Klägerin habe den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen DÜW nicht dazu verwendet, um von seinem Wohnort in C. zum Büro der Klägerin nach F. zu gelangen. Dies lasse sich auch leicht erklären. Wie bereits ausgeführt, habe der Geschäftsführer der Klägerin aktiv an den Montagearbeiten vor Ort mitgearbeitet. Er habe einer Montagegruppe vorgestanden. Diese Montagegruppe habe sich in den Jahren 2003 und 2004 am Wohnort des Geschäftsführers der Klägerin in C. getroffen und sei von dort mit dem Klein-Lkw zu den jeweiligen Baustellen gefahren. Wenn der Geschäftsführer der Klägerin das Büro der Klägerin in F. aufgesucht habe, welches in damaligen Zeiträumen aus einem Baucontainer bestanden habe, so sei dies mit dem Klein-Lkw der Klägerin erfolgt. Die Ausführungen der Klägerin seien auch insoweit durchaus glaubhaft, wenn man berücksichtige, dass das daneben vorhandene Cabrio mehrere Monate im Jahr abgemeldet gewesen sei. Der Geschäftsführer der Klägerin habe das Cabrio betrieblich für Kundenbesuche und Aufmaß- bzw. Abnahmetermine genutzt.

Sie, die Klägerin, teile zwar die Rechtsauffassung des Beklagten, wonach zunächst der Anscheinsbeweis dafür spreche, dass der Geschäftsführer der Klägerin den Dienstwagen auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verwendet habe. Dieser Anscheinsbeweis könne jedoch dadurch entkräftet werden, dass vom Steuerpflichtigen substantiierte Einwände vorgebracht würden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergebe. Die Klägerin habe ausgeführt und unter Beweis gestellt, dass der Geschäftsführer der Klägerin aktiv an den Montagearbeiten vor Ort mitgearbeitet habe und man sich zumeist am Wohnort des Geschäftsführers der Klägerin getroffen habe, um von dort mit dem Klein-Lkw zu den jeweiligen Baustellen zu fahren. Sie habe auch dargetan und unter Beweis gestellt, dass der Geschäftsführer der Klägerin den Klein-Lkw genutzt habe, wenn er das Büro der Beklagten aufgesucht habe. Dieser atypische Geschehensablauf müsse nicht durch ein Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Es seien vielmehr alle zulässigen Beweismittel heranzuziehen. Hierzu gehöre auch die von der Klägerin beantragte Vernehmung der beiden Zeugen T.

Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen DÜW um einen Pkw mit Saisonkennzeichen gehandelt habe. Im Rahmen der Betriebsprüfung habe der Betriebsprüfer die 1 %-Regelung allerdings auch während der Zeiträume der Abmeldung dieses Fahrzeugs angewandt; auch insoweit seien die Umsatzsteuerbescheide zu korrigieren.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2003 und 2004 vom 08. Januar 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass keine Fahrten des Geschäftsführers der Klägerin zwischen Wohnort und dem Büro der Klägerin der Umsatzsteuer unterworfen werden und dass für die Zeiträume der Stilllegung des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen DÜW keine Privatnutzung durch den Geschäftsführer der Klägerin der Umsatzsteuer unterworfen wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen. Er führt klageerwidernd aus, dass er weiterhin an seiner Auffassung festhalte, dass Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit den dienstlichen Pkw’s durchgeführt worden seien. Insoweit werde Bezug genommen auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Es sei darauf hinzuweisen, dass im Einspruchsverfahren bestritten worden sei, dass überhaupt Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte – unabhängig von der Nutzung eines privaten oder dienstlichen Pkw’s – stattgefunden hätten. Dort sei noch vorgetragen worden, der Geschäftsführer sei immer direkt zu den Baustellen gefahren und seine Tätigkeit als Geschäftsführer habe er von zuhause aus durchgeführt, da seine dort ebenfalls arbeitende Ehefrau die notwendigen Unterlagen mitgebracht habe.

Im Hinblick auf die Klagebegründung sei auszuführen, dass durch die Vertragsgestaltung die Klägerin ihrem Geschäftsführer die Möglichkeit zur privaten Nutzung der Firmenwagen eingeräumt habe. Ein Fahrtenbuch als Nachweis dafür, dass keinerlei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durchgeführt worden seien, sei nicht vorgelegt worden. Bei den beantragten Zeugenaussagen handle es sich nicht um ausreichende Mittel zur Nachweisführung. Die Klägerin habe bei der Gestaltung ihrer Verhältnisse eine Pflicht zur Beweisvorsorge (objektive, nachprüfbare Unterlagen), besonders in Fällen eines behaupteten a/-typischen Geschehensablaufs. Die Nachweise bezögen sich auf einen Zeitraum von 2 Jahren und könnten somit wegen des langen Zeitraumes nicht durch eine Zeugenaussage ersetzt werden; im Übrigen handle es sich um nahe Angehörige. Unter fremden Dritten wäre wegen der Gefahr des Missbrauchs im beiderseitigen Interesse nicht auf Belegnachweise verzichtet worden.

Dass es sich bei dem Pkw DÜW um ein Fahrzeug mit Saisonkennzeichen handle, habe bereits im BP-Bericht Berücksichtigung gefunden (Hinweis auf BP-Akte Bl. 10 und 13 – 14). Aus dem Bericht ergebe sich klar, dass die Klägerin noch weitere Pkw’s im Besitz gehabt habe, die in die Berechnung für Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte einbezogen worden seien. Eine Doppelberücksichtigung für einen Zeitraum sei ebenfalls nicht erfolgt.

Auch stelle es sich als atypischer Geschehensablauf dar, dass die Klägerin ihrem Geschäftsführer ein solches Nutzungsrecht einräume und der Geschäftsführer statt der Nutzung dieser höher klassigen Wagen sein eigenes Fahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausschließlich genutzt haben wolle. Für Dienstreisen und Kundenbesuche hingegen seien wieder die höher klassigen Wagen genutzt worden. Hierzu hätte der Geschäftsführer immer wieder mit seinem privaten Pkw zur Firma gefahren sein müssen, um für Dienstreisen bzw. Kundenbesuche das Auto zu wechseln.

Mit Beschluss des Senats vom 13. Oktober 2010 ist die Beweiserhebung darüber angeordnet worden, ob in den Streitjahren vom Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit betrieblichen Pkw’s durchgeführt worden sind durch Vernehmung der Frau A.T. und des Herrn V.T..

 Gründe

Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Recht die gesetzliche Pauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zum Ausgangspunkt der Umsatzbesteuerung genommen.

I.

1. In § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung sind die folgenden Regelungen getroffen: Für die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten gilt § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entsprechend (Satz 2). Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert in Satz 2 für jeden Kalendermonat um 0,03 vom Hundert des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Satz 3). Der Wert nach den Sätzen 2 und 3 kann mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (Satz 4).

Da ein Einzelnachweis (Fahrtenbuchmethode) nicht geführt worden ist, kam im Streitfall die sogenannte 1 % – Regelung zur Anwendung. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Kann das Fahrzeug auch zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der 1 %-Betrag um 0,03 % des Listenpreises monatlich für jeden km der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, und zwar unabhängig davon, wie häufig das Fahrzeug für diese Fahrten genutzt wird. Hierbei ist zu beachten, dass der Anscheinsbeweis, der im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG für die Privatnutzung des Dienstwagens besteht (vgl. hierzu BFH-Urteile in BFHE 215, 256 , BStBl II 2007, 116; vom 15. März 2007 VI R 94/04, BFH/NV 2007, 1302 ), in gleicher Weise auch dafür spricht, dass der Dienstwagen für die gesamte Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt worden ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 1. Dezember 2006 1 K 81/04 , nicht veröffentlicht – n.v. -; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2007 11 K 2182/04, n.v.; Seifert in Korn, § 4 EStG Rz 1038). Der Anscheinsbeweis kann jedoch dadurch entkräftet werden, dass substantiierte Einwände vorgebracht werden, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. nur BFH-Urteil vom 4. April 2008 VI R 68/05 , BStBl II 2008 , 890 m.w.N.).

Die Würdigung, ob im Einzelfall der Anscheinsbeweis als entkräftet angesehen werden kann, obliegt dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz.

2. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht für den erkennenden Senat zur Überzeugung fest (§§ 76 Abs. 1 Satz 1, 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ), dass der Beklagte die streitbefangene Pauschal-Regelung zutreffend angewandt hat. Auch vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Juni 2004 VI B 256/01, BFH/NV 2004, 1416 , m.w.N., vom 27. Oktober 2005 VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292 , und vom 25. März 2009 VIII B 209/08, JurisDok) ist der vorliegend einschlägige Beweis des ersten Anscheins nicht erschüttert worden. Auch wenn der Anscheinsbeweis nicht erst durch den Beweis des Gegenteils entkräftet wird, ergab sich für den Senat kein Bild, das einen zwingenden Rückschluss auf die ernstliche Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs erlaubt hätte. Die unstreitige Nutzungsmöglichkeit der für Privatfahrten geeigneten Fahrzeuge als Basis des Anscheinsbeweises erlauben zur Überzeugung des Senats die Schlussfolgerung, dass der Kläger von der ihm eingeräumten Möglichkeit in den Streitjahren tatsächlich Gebrauch gemacht und die Fahrzeuge auch für Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte genutzt hat.

Es existiert insoweit eine allgemeine Lebenserfahrung des Inhalts, dass ein Arbeitnehmer ein betriebliches Fahrzeug – das ihm von seinem Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassen worden ist – tatsächlich in nicht unerheblichem Umfang zu privaten Zwecken einsetzen wird, auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Diese Annahme gilt erst recht, wenn es sich wie im Streitfall bei dem Arbeitnehmer um den Gesellschafter-Alleingeschäftsführer handelt. Dass der Gesellschafter-Geschäftsführer die PKW´s aufgrund der Art der Geschäftsführung in Ansehung der betrieblichen Abläufe und der äußeren Umstände nicht für Fahrten Wohnung – Arbeitsstätte eingesetzt haben könnte, hat die Zeugenvernehmung nicht ergeben. Der Zeuge V.T. hat in nachvollziehbarer und glaubwürdiger Weise zur Nutzung der PKW lediglich ausgesagt, dass die PKW´s in der Regel vor dem Privatanwesen des Gesellschafter-Geschäftsführers in C. gestanden hätten; über deren Nutzung könne er keine konkreteren Ausführungen mache, da er ab frühmorgens auf den von ihm selbst betreuten Baustellen gewesen sei. Der Bruder habe jeweils seine eigene Kolonne begleitet.

Soweit die Zeugin A.T. bekundet hat, dass die streitbefangenen PKW´s vom Ehemann nur für Kundenbesuche und nicht für Fahrten von C. nach F. eingesetzt worden sind, hält der Senat diese Aussage nicht für glaubhaft. Sie gründet zunächst auf der durch die Klägerin im außergerichtlichen Vorverfahren vorgetragenen Annahme, der Gesellschafter-Geschäftsführer sei immer nur auf den Baustellen und bei Kunden gewesen, nicht aber in F. bzw. später in N.. Schon diese Annahme ist völlig lebensfremd. In seiner Funktion als Geschäftsführer war er zur Vertretung der Gesellschaft verpflichtet, § 35 GmbHG . Auch ein „draußen” mitarbeitender Geschäftsführer kann sich nicht derjenigen Aufgaben entziehen, die gemeinhin als „Bürotätigkeit” bezeichnet werden. Er kann einzelne Aufgaben delegieren – etwa an die im Büro arbeitende Ehefrau, bleibt aber in der Gesamtverantwortung. So hat er beispielsweise die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen, insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten § 34 Abs. 1 AO ). Seine regelmäßige Anwesenheit am Firmensitz, wo sich auch Büro nebst Ausstattung befinden, ist damit unerlässlich. Die Klägerin und die Zeugen haben nicht einmal ansatzweise vorgetragen bzw. ausgesagt, dass der Geschäftsführer im Streitfall die ihm obliegenden Aufgaben vernachlässigt habe. Der Senat ist damit zur Überzeugung gelangt, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer regelmäßig den Firmensitz, an dem sich auch die Büroeinrichtung befand, aufgesucht hat.

Weiterhin besteht für den Senat auch kein Zweifel daran, dass die vorgenannten Fahrten jedenfalls auch mit den streitbefangenen PKW´s durchgeführt worden sind. Die Zeugin hat nämlich auch – insoweit durchaus glaubhaft – bekundet, dass beispielsweise das Mercedes-Cabriolet mal in F. und mal in C. gestanden habe. Das sei abhängig gewesen „von der jeweiligen Situation”. Das Gericht hält diese Darstellung in Anbetracht der Gesamtumstände für nachvollziehbar und wahrscheinlich. Der Tagesablauf des „draußen” mitarbeitenden Gesellschafter-Geschäftsführers ist nicht in der Weise vom immergleichen äußeren Ablauf geprägt, wie er für viele andere Arbeitnehmer gilt. Der Gesellschafter-Geschäftsführer kann nicht nur auf der Baustelle präsent sein. Die dargestellte Vielfältigkeit seiner Obliegenheiten macht im Streitfall u.a. auch das Aufsuchen des Firmensitzes und der (potentiellen) Kunden erforderlich. Die Wahl des dabei jeweils genutzten Fahrzeugs hängt auch von Faktoren ab, auf die er selbst keinen Einfluss hat: Welches Fahrzeug steht überhaupt zur Verfügung, wie ist die Wetterlage, wie schnell muss ich sein, welcher Anschlusstermin ist noch wahrzunehmen, etc. Dass bei dieser Ausgangssituation auch die streitbefangenen PKW´s für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eingesetzt worden sind, steht für den Senat damit außer Frage.

II.

Die Klage ist weiterhin unbegründet, soweit die Klägerin beantragt hat, dass für die Zeiträume der Stilllegung des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen DÜW keine Privatnutzung durch den Geschäftsführer der Klägerin der Umsatzsteuer unterworfen wird. Dass es sich bei dem Mercedes Cabriolet um ein Fahrzeug mit Saisonkennzeichen handelte, hat Eingang in den BP-Bericht vom 7. November 2008 gefunden und zwar sowohl bei der 1 % – Regelung als auch bei der 0,03 % – Regelung. Unter C. 1.2.1 (dort Seite 13) heißt es im Rahmen der Berechnung bezüglich dieses PKW: „genutzt in Monaten … 4 (2003) … 6 (2004)”. Die Veranlagungsstelle des Beklagten ist dieser Berechnung gefolgt.

III.

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen.

Umsatzsteuer | Ehrenamt – Entwurf eines überarbeiteten BMF-Schreibens liegt vor (DStV)

Entwurf eines BMF-Schreibens zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 26b UStG; Angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis

S 11/12 | 24.08.2012

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Sehr geehrter Herr Ministerialdirigent Dr. Hofmann,

wir bedanken uns für die Gelegenheit zum vorbezeichneten Entwurf des überarbeiteten BMF-Schreibens zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG – Angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis Stellung nehmen zu können und möchten diese Möglichkeit hiermit gern wahrnehmen.

Vorbemerkungen

Bereits mit Schreiben vom 15.2.2012 hatte sich der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) gegenüber Herrn Bundesminister Dr. Schäuble zum BMF-Schreiben vom 2.1.2012 zur Umsatzsteuerbefreiung von ehrenamtlichen Tätigkeiten nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG kritisch geäußert. Insbesondere die darin geregelte Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift bei Zahlung pauschaler Vergütungen, die Ausführungen zur Behandlung von Auslagenersatz sowie die kurzfristig geplante Umsetzung des BMF-Schreibens stellten zentrale Kritikpunkte unserer Stellungnahme dar.

Die anschließende, mit BMF-Schreiben vom 21.3.2012 veröffentlichte zeitliche Verschiebung des Inkrafttretens der Neuregelungen auf Umsätze, die nach dem 31.12.2012 ausgeführt werden, wurde und wird seitens des DStV ausdrücklich begrüßt. Auch war die erneute Überarbeitung des Abschnitts 4.26.1 UStAE unserer Auffassung nach unerlässlich und ist absolut zu befürworten. Der nunmehr vorliegende Entwurf des überarbeiteten BMF-Schreibens stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber der zu Beginn dieses Jahres veröffentlichten Fassung dar. Wir möchten in diesem Zusammenhang anregen, auch künftig wieder bei wesentlichen Änderungen des UStAE den Berufsstand der Steuerberater vorab einzubinden und die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Allein auf diesem Wege können Anregungen und Erfahrungen der Praxis frühzeitig Berücksichtigung finden und umfangreicher Änderungsbedarf bei bereits veröffentlichten BMF-Schreiben vermieden werden.

Dies vorausgeschickt, möchten wir zu den Neuregelungen der Umsatzsteuerbefreiung bei ehrenamtlichen Tätigkeiten im vorbezeichneten Entwurf des überarbeiten BMF-Schreibens folgende Anmerkungen machen:

Auslagenersatz

Der DStV begrüßt, dass nach Überarbeitung des BMF-Schreibens die Erstattungen tatsächlich entstandener Kosten nicht länger in die Berechnung der Betragshöchstgrenzen von EUR 50,00 pro Tätigkeitsstunde / EUR 17.500,00 pro Jahr einfließen. Auch die im BMF-Schreiben vorgenommene beispielhafte Definition des Begriffs ʺAuslagenersatz“ ist notwendig und richtig. Dennoch möchten wir anmerken, dass die derzeitige Ausführung

  • „Als Auslagenersatz im Sinne des Satzes 4 wird auch ein Fahrtkostenersatz nach den pauschalen Kilometersätzen anerkannt, die lohnsteuerlich als Reisekosten angesetzt werden können (R 9.5 Abs. 1 Satz 5 LStR)“

tatsächlich nur ein Beispiel für Auslagenersatz darstellt. Neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Kilometer-Geldern zählen aber beispielsweise auch Verpflegungsmehraufwendungen, etwaige Telefonkosten sowie Übernachtungskosten zum Auslagenersatz (vgl. Heinrichshofen, Rz. 114 zu § 4 Nr. 26 UStG in Rau/Dürrwächter/ Flick/Geist: Umsatzsteuergesetz Kommentar). Diese Auslagen sind im gegenwärtig vorliegenden Entwurf nicht angeführt. Es ist daher nicht ersichtlich, ob der Ansatz pauschaler Beträge ausschließlich für den Ersatz von Fahrtkosten gilt oder auch Mehraufwendungen für Verpflegung etc. Berücksichtigung finden.
Der DStV regt daher an, eine allgemeingültigere Definition zur Begrifflichkeit „Auslagenersatz“ im BMF-Schreiben aufzunehmen und neben dem Beispiel des Fahrtkostenersatzes weitere Beispiele anzuführen. Gegebenenfalls sollte zudem der Hinweis erfolgen, dass die vorbezeichneten Beispiele keine abschließende Aufzählung darstellen.

Die nunmehr im BMF-Schreiben geregelte Orientierung an lohnsteuerrechtlichen Beträgen bei pauschal zu ersetzenden Kosten ist grundsätzlich nachvollziehbar. Dennoch möchten wir darauf aufmerksam machen, dass – sofern vertraglich oder mittels Gremienbeschluss geregelt – auch höhere angemessene Beträge anerkannt werden sollten. Beispielsweise ist eine Fahrtkostenerstattung i. H. v. 0,50 EUR / km in Anbetracht der derzeitigen Kraftstoffpreise nicht unverhältnismäßig, sondern entspricht vielmehr den tatsächlichen Kosten, obgleich diese über der gesetzlich geregelten Entfernungspauschale i. H. v. 0,30 EUR / km (§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG) liegt. Ähnlich verhält es sich mit dem Beispiel der Verpflegungsmehraufwendungen.

Zur Vermeidung unnötiger Bürokratie, die beispielsweise bei Zahlung einer Fahrtkostenerstattung i. H. v. 0,50 EUR / km aus der unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Behandlung (0,30 EUR / km umsatzsteuerfrei, 0,20 EUR / km umsatzsteuerpflichtig) resultiert, möchte der DStV deshalb vorschlagen, dass dort, wo Auslagenersatz in der Regel pauschaliert wird, auch höhere angemessene Beträge ersetzt werden können. In allen weiteren Fällen sind, wie bereits festgehalten, die tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Aufwendungen entsprechend anzuerkennen.

Pauschal gezahlte Aufwandsentschädigung

Die im Rahmen des überarbeiteten BMF-Schreibens nunmehr eingefügten Ergänzungen zur Zahlung pauschaler Vergütungen sind in jedem Fall zu begrüßen, da pauschale Erstattungen durchaus eine weit verbreitete Praxis darstellen. Eine Umsetzung der bislang beabsichtigten Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift bei Leistung pauschaler Vergütungen wäre unseres Erachtens nicht vertretbar, insbesondere sofern die Entschädigungen sich im Bereich der Angemessenheit bewegen.

In diesem Zusammenhang regelt der Entwurf außerdem, dass der tatsächliche Zeitaufwand glaubhaft zu machen ist (vgl. Absatz 5 Satz 3 des BMF-Schreibens). Fraglich ist hierbei, ob dieser Nachweis im Einzelnen über das gesamte Jahr zu erfolgen hat oder eine vereinfachte Nachweisführung für einen repräsentativen Zeitraum von beispielsweise drei Monaten genügt. Wie bereits im Schreiben vom 15.2.2012 gegenüber Herrn Bundesfinanzminister Dr. Schäuble dargelegt, führt die Dokumentation des Zeitaufwands ehrenamtlich Tätiger in den Vereinen, Verbänden und Organisationen zu einem erheblichen Arbeitsmehraufwand. Diese Gegebenheit nimmt den zahlreich betroffenen Institutionen jede Chance, die finanzielle Anerkennung ihrer ehrenamtlich Engagierten bei angemessenem Verwaltungsaufwand zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund regt der DStV an, zur Dokumentation des tatsächlichen Zeitaufwands die Möglichkeit der vereinfachten Nachweisführung über einen repräsentativen Drei-Monats-Zeitraum zu gewähren und für die restlichen Monate des Kalenderjahres sowie darüber hinaus auch für die folgenden Jahre – sofern sich die Verhältnisse nicht wesentlich ändern – keine weiteren Dokumentationspflichten an die Zahlung einer Pauschale zu knüpfen.

Auch die Formulierung in Absatz 5 Satz 4

  • „Aus Vereinfachungsgründen kann die Steuerbefreiung auch ohne weitere Prüfung gewährt werden, wenn der Jahresgesamtbetrag der Entschädigungen den Ehrenamtsfreibetrag nach § 3 Nummer 26 bzw. § 3 Nummer 26a Einkommensteuergesetz nicht übersteigt“

führt zu Unsicherheiten und offenen Fragen. Diese resultieren daher, dass bereits vorweg in den einführenden Bemerkungen dargelegt wird, „[dass] es sich bei den genannten Grenzen [EUR 50,00 pro Tätigkeitsstunde / EUR 17.500,00 pro Jahr] um so genannte Nichtbeanstandungsgrenzen handelt, bis zu deren Höhe seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich auf eine Angemessenheitsprüfung der Entschädigungen verzichtet wird …“ Die in Absatz 5 Satz 4 verwendete Formulierung relativiert diese Aussage hingegen wieder. Auch der Bezug auf § 3 Nr. 26a EStG erscheint unseres Erachtens an dieser Stelle überflüssig, da das BMF-Schreiben zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 26b UStG Stellung nimmt und somit eine ausdrückliche Trennung zur Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten für juristische Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 4 Nr. 26a UStG beachtet werden sollte. Zur Vermeidung etwaiger Unsicherheiten und Streitigkeiten möchte der DStV folgenden Formulierungsvorschlag unterbreiten:

  • „Aus Vereinfachungsgründen wird die Steuerbefreiung auch ohne weitere Prüfung gewährt, wenn der Jahresgesamtbetrag der Entschädigungen den Ehrenamtsfreibetrag nach § 3 Nummer 26 Einkommensteuergesetz nicht übersteigt.“

Beispielhafte Unterlegung

Die im vorliegenden Entwurf erfolgte Aufnahme von Beispielen findet unsere volle Befürwortung, da dem ehrenamtlich Tätigen die Möglichkeit eröffnet wird, den tatsächlich vorliegenden Sachverhalt unter einen der Beispielfälle zu subsumieren. Hierdurch können Vereine, Verbände und Organisationen künftig mitunter schneller entscheiden, ob die Regelungen des § 4 Nr. 26b UStG entsprechend Anwendung finden. Fraglich ist, ob unter Berücksichtigung der vorbezeichneten Anregungen weitere Beispiele sachdienlich wären.

Für ergänzende Konsultationen stehen wir jederzeit gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

gez.
StB/WP Dipl.-Kfm. Hans-Christoph Seewald

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Bestimmung der Einwohnerzahl bei der Bemessung von Konzessionsabgaben bei öffentlichen Betrieben im Bereich “Wasser”

Bestimmung der Einwohnerzahl bei der Bemessung von Konzessionsabgaben bei öffentlichen Betrieben im Bereich “Wasser” ; Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 31. Januar 2012 – I R 1/11 –1

Bestimmung der Einwohnerzahl bei der Bemessung von Konzessionsabgaben bei öffentlichen Betrieben im Bereich “Wasser” (PDF, 38,2 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

  1. Vgl. dazu “Weitere Entscheidungen des BFH (11.04.2012).

BMF-Schreiben vom 24. August 2012 – IV C 2 – S 2744/07/10001 :002 –

Umsatzsteuer | Haftung für Umsatzsteuer (BFH)

Haftung für Umsatzsteuer

 Leitsatz

1. Die Haftungsinanspruchnahme für einen Umsatzsteuerrückforderungsanspruch wegen (angeblich) materiell-rechtlich zu Unrecht festgesetzter und ausgezahlter negativer Umsatzsteuer (Vorsteuerüberschüsse) setzt voraus, dass aufgrund der formellen Bescheidlage (Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung) beim Steuerpflichtigen (Primärschuldner) festgestellt wurde, dass der Umsatzsteuererstattungs- bzw. Vergütungsanspruch nicht bestanden hat.

2. Es genügt nicht, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf Festsetzung der negativen Umsatzsteuer und die Auszahlung des Überschusses bestand. Die Steuerfestsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen (Primärschuldner) muss zunächst entsprechend der materiellen Rechtslage korrigiert werden.

 Gesetze

AO § 37 Abs. 2
AO § 38
AO § 69
AO § 150 Abs. 1 Satz 3
AO § 168 Sätze 1 und 2
AO § 191 Abs. 1 Satz 1
AO § 218 Abs. 1

 Instanzenzug

Sächsisches FG vom 19. Mai 2009 2 K 863/07 (EFG 2011, 938 )BFH XI R 6/10

 Gründe

I.

1  Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) als Geschäftsführer einer GmbH für Umsatzsteuer der GmbH mit Haftungsbescheid zu Recht in Anspruch genommen wurde.

2  Der Kläger war seit dem 10. Juli 2003 Geschäftsführer der Y-GmbH (GmbH), die mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Juni 2003 gegründet wurde und deren Sitz im Inland lag. Gegenstand der GmbH war die Vermietung von Baugerüsten sowie der Alleinvertrieb von Y Baugerüsten in Griechenland.

3  Die GmbH machte in verschiedenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen Vorsteuerbeträge geltend, die ihr durch den Beklagten und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) erstattet wurden.

4  Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung im Jahr 2004 stellte sich heraus, dass die GmbH ihr operatives Geschäft bereits im Gründungsjahr 2003 nach Griechenland verlegt hatte. Nach Ansicht des FA war die GmbH kein inländisches Unternehmen mehr, so dass ihr die Vorsteuern zu Unrecht erstattet worden seien.

5  Nach Angaben des FA hob es die Umsatzsteuer-Voranmeldungen mit Bescheid vom 12. September 2005 auf und erteilte Abrechnungsbescheide über die zuviel erstattete Umsatzsteuer, die dem Bevollmächtigten der GmbH Dr. K zugesandt wurden. Der Kläger bestritt den Zugang dieser Bescheide.

6  Das FA nahm den Kläger mit Haftungsbescheid vom 11. Oktober 2006 gemäß § 191 i.V.m. §§ 69 , 34 der Abgabenordnung (AO) für Umsatzsteuerschulden der GmbH u.a. für die Voranmeldungszeiträume Februar, April, Juni bis September und Dezember 2004 zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von insgesamt … € in Anspruch, da er als Geschäftsführer der GmbH deren Steuern nicht abgeführt habe.

7  Mit Einspruchsentscheidung vom 28. März 2007 wies das FA den Einspruch insoweit als unbegründet zurück.

8  Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung aus, da die GmbH im Jahr 2004 im Inland nicht (mehr) tätig gewesen sei, habe sie im Jahr 2004 keinen Vorsteuererstattungsanspruch gehabt. Die vom FA „bereits gezahlten Beträge seien daher als Rückforderungsanspruch gegen die GmbH nach § 37 Abs. 2 AO zu qualifizieren.” Nachdem aber die Erstattungen aufgrund von Voranmeldungen und damit aufgrund von Steuerbescheiden erfolgt seien, müssten zunächst diese Bescheide geändert oder die Jahressteuer auf 0 € festgesetzt werden. Davon könne im Streitfall nicht ausgegangen werden. Es sei nicht erwiesen, dass der Aufhebungsbescheid vom 12. September 2005 wirksam bekannt gegeben worden sei. Die Beweislast für den Zugang trage das FA. Folglich sei nicht „von einer wirksamen Aufhebung der festgesetzten Vorsteuerbeträge” auszugehen. Ein Rückforderungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO und damit ein Haftungsanspruch bestehe daher nicht.

9  Das Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 938 .

10  Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es führt im Wesentlichen aus, nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO könne derjenige, der für eine Steuer hafte, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Ein Festsetzungserfordernis hinsichtlich der Steuerschuld (Primärschuld) bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht. Entscheidend sei die materiell-rechtliche Existenz des Steueranspruchs. Es sei ausreichend, dass der Primäranspruch entstanden sei und bei Erlass des Haftungsbescheids bzw. im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung noch bestehe. Dies gelte auch bei einem Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO .

11  Sei eine negative Umsatzsteuer angemeldet worden, so ergebe sich die Rückleistungspflicht des Steuerschuldners zwar erst, wenn diese Festsetzung später durch förmlichen Bescheid aufgehoben worden sei. Einer solchen Festsetzung gegenüber dem Steuerschuldner bedürfe es jedoch nach der Rechtsprechung des BFH für die Inanspruchnahme eines anderen als Haftungsschuldner nicht. Der für die Haftung maßgebliche Rückforderungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO bestehe in Höhe der materiell-rechtlich unberechtigt festgesetzten negativen Umsatzsteuer.

12  Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

13  Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

II.

14  Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— ).

15  Es kann dahingestellt bleiben, ob das FA die negative Umsatzsteuer zu Unrecht an die GmbH gezahlt hat. Denn solange die den Zahlungen zugrunde liegenden Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide —wie im Streitfall— Geltung haben, ist weder ein Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO ) noch ein etwaiger Haftungsanspruch (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO ) durchsetzbar.

16  1. Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner) —wie der Geschäftsführer einer GmbH unter den Voraussetzungen der §§ 34 , 69 AO—, kann nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch für die Haftung für einen Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO (vgl. BFH-Urteil vom 16. Oktober 1986 VII R 157/84 , BFH/NV 1987, 618 , unter II.1.).

17  Ist eine Steuer oder eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Für die Finanzverwaltung ergibt sich aus dieser Vorschrift ein öffentlich-rechtlicher Rückforderungsanspruch, wenn der Rechtsgrund für eine Steuererstattung von Anfang an fehlt oder später weggefallen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1988 VII R 206/83 , BFHE 155, 40 , BStBl II 1989, 223; vom 14. Februar 1989 VII R 55/86, BFH/NV 1989, 751 , m.w.N.).

18  2. Das FG hat zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch des FA nach § 37 Abs. 2 AO nicht erfüllt sind. Denn die Vorsteuerbeträge sind nicht ohne rechtlichen Grund an die GmbH gezahlt worden.

19  a) Ob eine Steuer oder eine Steuervergütung i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO ohne rechtlichen Grund gezahlt worden ist, richtet sich regelmäßig nach den zugrunde liegenden Steuerbescheiden. Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO ) sind die Steuerbescheide; die Steueranmeldungen (§ 168 AO ) stehen den Steuerbescheiden gleich (§ 218 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO ; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. Dezember 1986 I R 52/83 , BFHE 149, 440 , BStBl II 1988, 521; vom 28. November 1990 V R 117/86, BFHE 163, 112 , BStBl II 1991, 281).

20  b) Im Streitfall ist danach der rechtliche Grund für die Auszahlung der Umsatzsteuer (Vorsteuerüberschüsse) an die GmbH deren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April, Juni bis September und Dezember 2004. Diese Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO ) stehen grundsätzlich jeweils einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO ). Da die Steueranmeldungen in den einzelnen streitbefangenen Voranmeldungszeiträumen jeweils zu Steuervergütungen führten, trat diese Folge jeweils mit der Zustimmung des FA (vgl. § 168 Satz 2 AO ) ein, die spätestens konkludent in der Auszahlung der Erstattungsbeträge zu sehen ist.

21  Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindend sind, hat das FA diese Steuerbescheide nicht wirksam aufgehoben. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat sich das FG davon überzeugt, dass der Zugang der Aufhebungsbescheide vom 12. September 2005 und der entsprechenden Abrechnungen nicht nachgewiesen ist. Die angebliche Bekanntgabe der Bescheide erfolgte mit einfachem Brief. Ein Empfangsnachweis liegt nicht vor. Der Kläger hat den Zugang bestritten. Anhaltspunkte aus dem anderweitigen Schriftverkehr für den Erhalt des Schreibens sind nicht ersichtlich.

22  c) Aber auch soweit der VII. Senat des BFH im Rahmen der Beurteilung, ob i.S. des § 37 Abs. 2 AO „ohne rechtlichen Grund” gezahlt wurde, auf das materielle Steuerrecht abstellt (vgl. auch Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung , Finanzgerichtsordnung , § 37 AO Rz 27 ff.; Ratschow in Klein, AO , 11. Aufl., § 37 Rz 3 ff.) rechtfertigt dies im Ergebnis keine abweichende rechtliche Würdigung.

23  Danach ist der Steuererstattungsanspruch zwar bereits mit der Zahlung eines nach materiellem Recht nicht geschuldeten Betrages entstanden. Für die Durchsetzung (Verwirklichung) des materiell bereits entstandenen Erstattungsanspruchs bedarf es jedoch auch nach dieser Auffassung der vorherigen Änderung einer bestehenden, dem materiellen Steuerrecht widersprechenden Steuerfestsetzung (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1994 VII R 109/93 , BFH/NV 1994, 839 ; vom 15. Oktober 1997 II R 56/94, BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796; vom 29. Oktober 2002 VII R 2/02, BFHE 200, 88 , BStBl II 2003, 43, unter II.2.b; vgl. ferner BFH-Urteile vom 29. Januar 1991 VII R 45/90 , BFH/NV 1991, 791 ; vom 6. Februar 1996 VII R 50/95, BFHE 179, 556 , BStBl II 1997, 112).

24  Denn unabhängig von der Frage der Entstehung des Erstattungsanspruchs kommt eine Rückforderung materiell zu viel entrichteter Steuer nur dann in Betracht, wenn eine entgegenstehende Steueranmeldung, die gemäß § 218 Abs. 1 Satz 2 AO einem Steuerbescheid gleichsteht, aufgehoben oder geändert worden ist. Dies ergibt sich aus § 218 Abs. 1 AO (vgl. BFH-Urteile vom 6. Februar 1990 VII R 86/88 , BFHE 160, 108 , BStBl II 1990, 523; in BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796). Der Steueranspruch entsteht zwar nach § 38 AO mit der Verwirklichung des Tatbestands, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, durch den Steuerbescheid wird jedoch erst die Grundlage für die Verwirklichung des Steueranspruchs geschaffen (§ 218 Abs. 1 AO ). Der —ggf. materiell unrichtige— Steuerbescheid beeinflusst zwar nicht die materielle Höhe des Steuererstattungsanspruchs, solange er jedoch besteht, legt er fest, ob und in welcher Höhe ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann (vgl. BFH-Urteile in BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796; in BFHE 200, 88 , BStBl II 2003, 43, unter II.2.b). Dem Steuererstattungsanspruch des FA stehen daher die bestehenden —wenn auch ggf. materiell unrichtigen— Steueranmeldungen entgegen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 184, 111 , BStBl II 1997, 796; in BFHE 200, 88 , BStBl II 2003, 43, unter II.2.b).

25  d) Aus dem vom FA angeführten Beschluss des BFH vom 21. Mai 2004 V B 212/03 (BFH/NV 2004, 1368 ), wonach die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners nicht voraussetzt, dass die Steuerschuld gegen den Erstschuldner bereits festgesetzt wurde (vgl. auch § 191 Abs. 3 Satz 4 AO ), ergibt sich keine abweichende Beurteilung, da dem Beschluss ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Dort sind wirksame Änderungsbescheide gegenüber der Rechtsnachfolgerin der GbR ergangen —und entgegen der Auffassung des FA nicht (ebenfalls) aufgehoben worden—, woran es in dem hier zu entscheidenden Streitfall gerade fehlt.

26  e) Ohne Erfolg beruft sich das FA ferner auf das BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 VII R 98/98 (BFHE 190, 25 , BStBl II 2000, 486).

27  Nach diesem Urteil kann der Haftungsschuldner auch nach Ergehen des Umsatzsteuer-Jahresbescheids gegenüber dem Steuerschuldner noch durch Haftungsbescheid für rückständige Umsatzsteuer-Vorauszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn die Haftungsvoraussetzungen (nur) bezüglich der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen vorlagen.

28  Der BFH hat unter II.2. der Urteilsgründe zwar u.a. ausgeführt, die Festsetzung des Steueranspruchs gegenüber dem Steuerschuldner sei für die Inanspruchnahme des Haftenden ohne Bedeutung; denn die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners setze nicht voraus, dass die Steuerschuld gegen den Erstschuldner festgesetzt worden sei; ausreichend sei, dass der Primäranspruch gegen die GmbH bei Erlass des Haftungsbescheids bzw. im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung über diesen noch bestehe.

29  Diese Aussagen haben aber nicht die ihnen vom FA beigelegte Bedeutung für den hier gegebenen Sachverhalt, dass gegen einen Dritten ein Haftungsbescheid wegen einer Steuerschuld einer GmbH erlassen wurde, die nach Lage der gegen die GmbH ergangenen Steuerbescheide gar nicht bestand.

30  3. Der erkennende Senat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan (GVPL) des BFH für die Entscheidung der Sache zuständig.

31  a) Die Zuständigkeit des XI. Senats des BFH ergibt sich aus der allgemeinen Senatszuständigkeit für Fragen aus dem Rechtsgebiet der Umsatzsteuer für Steuerpflichtige mit den Anfangsbuchstaben L bis Z (Buchst. A, XI. Senat Nr. 1 GVPL).

32  In Haftungsfällen richtet sich die Zuständigkeit nach II. Nr. 7 der Ergänzenden Regelungen des GVPL nach dem Namen des Steuerschuldners, in dessen Person die Steueransprüche entstanden sind. Trägt die Firma des Steuerschuldners —wie hier— die Firma der GmbH einen Familiennamen, ist in entsprechender Anwendung des nach II. Nr. 5 Buchst. a der Ergänzenden Regelungen des GVPL der erste Buchstabe des ersten Familiennamens maßgebend, im Streitfall somit der Anfangsbuchstabe M des Familiennamens M…

33  b) Die Zuständigkeit des VII. Senats des BFH nach Buchst. A, VII. Senat Nr. 5 Buchst. b GVPL (Haftung für Umsatzsteuer, wenn diese nicht auf dem Einzelsteuergesetz beruht und Grund oder Höhe der Steuer nicht streitig ist) ist nicht gegeben. Denn der Kläger hat bestritten, dass materiell-rechtlich ein Rückforderungsanspruch des FA gegen die GmbH besteht.

BFH: “Praxisgebühr” nicht als Sonderausgabe abziehbar

BFH-Urteil vom 18.07.2012 – X R 41/11

Presseerklärung des Bundesfinanzhofs (BFH) Nr. 58:

“Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11 entschieden, dass die Zuzahlungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung nach § 28 Abs. 4 des Sozialgesetzbuchs Fünftes Buch, die sog. “Praxisgebühren”, nicht als Sonderausgaben abgezogen werden können.

Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Steuerpflichtige “Beiträge zu Krankenversicherungen” als Sonderausgaben abziehen. Darunter fallen jedoch nur solche Ausgaben, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen, also letztlich der Vorsorge dienen.

Bei der “Praxisgebühr” ist dies nicht der Fall, da der Versicherungsschutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung unabhängig von der Zahlung der “Praxisgebühr” gewährt wird. Sie stellt vielmehr eine Form der Selbstbeteiligung der Versicherten an ihren Krankheitskosten dar.

Ob “Praxisgebühren” als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG in Form von Krankheitskosten geltend gemacht werden können, konnte der BFH offenlassen. Im Streitfall wurde die dem Kläger zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 EStG) nicht erreicht. Die Zahlungen hätten sich schon aus diesem Grund bei ihm steuerlich nicht auswirken können.”

Bundesfinanzhof (BFH)

Einkommensteuer | Schadensersatzzahlung als Werbungskosten (FG)

Bei Verrat von Betriebsgeheimnissen durch einen leitenden Angestellten an einen Wettbewerber des Arbeitgebers kein Werbungskostenabzug für vergleichsweise geleistete Schadensersatzzahlung zur Einstellung des Strafverfahrens

 Leitsatz

1. Hat ein im Einkauf tätiger leitender Angestellter Betriebsgeheimnisse seines ehemaligen Arbeitgebers (u.a. Preislisten, Angebote) unbefugt einem Konkurrenten verraten, an dessen Unternehmen er verdeckt mit knapp 25 % beteiligt war, und wurde das deswegen eingeleitete Strafverfahren u.a. nur deswegen nach § 153a StPO eingestellt, weil der Angestellte sich im Rahmen eines Vergleichs zu einer Wiedergutmachungs-Zahlung von 250.000 DM an seinen ehemaligen Arbeitgeber verpflichtet hat, so ist der Werbungskostenabzug dieser Zahlung zwar grundsätzlich nicht nach § 12 Nr. 4 EStG ausgeschlossen.

2. Ein Werbungskostenabzug im Rahmen der nichtselbstständigen Einkünfte ist aber ausgeschlossen, wenn die die Schadensersatzzahlungen auslösenden, schuldhaften Handlungen des Arbeitnehmers auf privaten Umständen beruhen. Solche privaten Umstände sind zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer unbefugt Betriebsgeheimnisse verrät und die für die Schadensersatzzahlung ursächlichen Handlungen somit außerhalb der beruflichen Aufgabenerfüllung des Arbeitnehmers liegen.

3. Ein Werbungskostenabzug der Schadensersatzzahlung im Zusammenhang mit der Beteiligung des Arbeitnehmers von knapp 25 % am Unternehmen des Konkurrenten, einer GmbH, scheidet aus, wenn der Arbeitnehmer von dieser GmbH niemals Zahlungen erhalten und seine Beteiligung an dem Unternehmen des Konkurrenten zum Nennbetrag an diesen zurückverkauft hat, ohne jemals Gewinnausschüttungen usw. aus der Beteiligung erhalten zu haben.

4. Hat der Arbeitnehmer die Weitergabe der Informationen nicht von einer Gegenleistung des Empfängers abhängig gemacht und eine solche auch nicht erhalten, hat er auch keine gewerblichen oder sonstigen Einkünfte erzielt, in deren Rahmen die Schadensersatzzahlung als Betriebsausgaben geltend gemacht werden könnten.

 Gesetze

EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 2
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 20 Abs. 1
EStG § 22 Nr. 3
EStG § 15
EStG § 4 Abs. 4
EStG § 12 Nr. 4
StPO § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1
StPO § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 2

 Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) aus seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei der BG GmbH & CO in W. (M.); die Klägerin war dort ebenfalls angestellt. Die Kläger erzielten zudem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) sowie aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG).

Mit der beim Finanzamt O. I. in 2003 eingereichten Steuererklärung beantragte der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Streitjahr 2001 u.a. 250.000 DM aus einem Vergleich und 34.131 DM Rechtsanwaltskosten zum Abzug als Werbungskosten zuzulassen. Das Finanzamt O. I. setzte die Einkommensteuer 2001 mit Bescheid vom 11. Dezember 2003 auf 87.622,13 EUR fest. Die beantragten Werbungskosten berücksichtigte das Finanzamt nicht, da diese mit dem Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Zusammenhang gestanden hätten.

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte nur wegen des Abzugs von hier nicht streitigen Steuerberatungskosten Erfolg. Mit der Einspruchsentscheidung vom 21. April 2006 wurde die Einkommensteuer auf 87.162,48 EUR herabgesetzt und der Einspruch im übrigen als unbegründet zurückgewiesen. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens wurde der Bescheid am 14. September 2011 nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geändert und nach § 165 Abs. 2 Satz 2 AO für endgültig erklärt.

Die Aufwendungen in Höhe von 250.000 DM resultieren aus einem Vergleich zwischen der Firma B. GmbH & Co KG (dem ehemaligen Arbeitgeber des Klägers), dem Kläger und einem Herrn P. (vgl. Blatt 12 ff der Prozessakte). Danach musste der Kläger diesen Betrag an B. zur Erledigung aller Rechtsstreitigkeiten, die aus dem früheren Angestelltenverhältnis resultieren, zahlen. Voraussetzung war, dass die beim Amtsgericht D. anhängigen Strafverfahren (u.a. gegen den Kläger) mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt werden. Sowohl der Kläger als auch B. verpflichteten sich, die wechselseitig beim Arbeitsgericht Bn. anhängig gemachten Verfahren wegen Zahlung restlichen Gehalts sowie wegen Schadenersatz unter den Aktenzeichen 4 a CA 4137/97, 4 a Ca 4225/97, 4 a Ca 4018/99 und 4 a Ca 4019/99 zurückzunehmen.

Gleichfalls musste der Kläger die beim Landesarbeitsgericht anhängige Berufung unter dem Aktenzeichen 1 O 2466/98 zurücknehmen. B. verpflichtete sich, alle notwendigen Erklärungen abzugeben, um die durch Arrestbefehl und Beschluss des Landgerichts O. (8 O 828/97) belasteten Grundstücke freizugeben, insbesondere indem die Löschungsbewilligungen hinsichtlich der Sicherungs- und Höchstbetragshypotheken für ein Grundstück in L., D.-Str. und ein Grundstück in Bs., D.Str. erklärt werden.

Aus den Unterlagen des vormals zuständigen Finanzamtes W. ergibt sich Folgendes:

Nach den Ausführungen der Staatsanwaltschaft O. (Auszüge aus Anklageschrift, Blatt 20 ff der Veranlagungsakte) war der Kläger als leitender Angestellter von 1988 bis 1997 bei B. beschäftigt gewesen. Diese Firma stellt Stahlerzeugnisse für den Straßenbereich her. Der Kläger hatte eigenverantwortlich den Einkauf der Gießereiprodukte im Ausland betreut. Zu seinem Aufgabenfeld hatte die Erarbeitung von technischen Vorgaben, die Absprache der Preise mit Auslandslieferanten und staatlichen Agenturen sowie die Prüfung und Abnahme der bestellten und gelieferten Gießereiprodukte gehört. Der Kläger soll sich etwa 1994 entschlossen haben, in einen geschäftlichen Wettbewerb zu seinem Arbeitgeber zu treten. In Ausführung dieses Plans habe er sich mit anderen über einen Treuhandvertrag als stiller Gesellschafter an der P. I. GmbH (P. GmbH) beteiligt. Aus dem Auszug eines Treuhandvertrages ergibt sich, dass Herr P. zunächst alleiniger Gesellschafter bleiben sollte, jedoch u.a. einen Anteil in Höhe von 33.100 DM des Stammkapitals in Höhe von 134.000 DM gegen eine Einlage in Höhe von 16 TDM für den Kläger als Treugeber halten sollte. Anschließend habe der Kläger dann im Einzelnen benannte, ihm über seine Arbeit zugängliche Informationen über Preislisten, Angebote und Zeichnungen der P. GmbH mitgeteilt.

Der Kläger führte hierzu gegenüber Vertretern des Finanzamtes W. näher aus, dass durch seinen Einfluss die Umsätze der P. GmbH seit 1995 deutlich gesteigert worden seien, und erstellte hierzu eine Aufstellung über die von der P. GmbH getätigten Umsätze, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen seien (Blatt 27 ff der Veranlagungsakte). Angesprochen auf fehlende Ausschüttungen hatte der Kläger angegeben, dass er sich zunächst entschieden hatte, das Geld erst einmal in der Gesellschaft zu lassen. Er könne jedoch jederzeit eine Ausschüttung initiieren. Die Staatsanwaltschaft O. habe ihn in der Anklageschrift sogar als faktischen Geschäftsführer angesehen. Die Anklageschrift in der Strafsache wegen Untreue und Verrat von Geschäftsgeheimnissen war dem Kläger vom Amtsgericht D. im Oktober 2000 übermittelt worden (Blatt 53 der Prozessakte).

Im März 2001 hatte das Amtsgericht D. mitgeteilt, dass eine Einstellung nach § 153 a Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO nur gegen Zahlung der 250.000 DM in Betracht kommen könne. Mit Beschluss vom 30. Oktober 2001 hat das Amtsgericht die Strafsache NZS 8 Ls VII 64/00 u.a. gegen den Kläger wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das UWG gemäß § 153 Abs. 2 StPO vorläufig und sodann nach der unwiderruflichen Zahlung der 250.000 DM aus dem o.g. Vergleich zur Schadenswiedergutmachung endgültig eingestellt (Blatt 126 der Prozessakte).

Zur Zahlung der 250.000 DM gab der Kläger an, dass mit seinem aktuellen Arbeitgeber besprochen worden sei, dass er im Voraus für fünf Jahre eine Tantieme in Höhe dieses Betrages erhalten könnte; wegen der abzuführenden Lohnsteuer könnte über den Rest ggf. ein Darlehen geschlossen werden (vgl. Vorsprache vom 23. Mai 2001, Blatt 25 f der Veranlagungsakte). Ausweislich eines mit der Klageschrift eingereichten Kontoauszugs für das Konto-Nummer A) bei der DC.-Bank AG sind unter dem 16. Mai 2001 250.000 DM von der As. GmbH & Co an die Prozessvertreter des Klägers überwiesen worden.

Der frühere Steuerberater hatte gegenüber dem Finanzamt W. im dort geführten Verfahren wegen Ermäßigung der Lohnsteuer die Berücksichtigung dieser Zahlung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen beantragt und hierzu ausgeführt, dass der Kläger mit einem Anteil am Stammkapital der P. GmbH in Höhe von 24,66 % beteiligt gewesen sei und die Geschäftsgeheimnisse an die P. GmbH weitergegeben habe, um über die Ausschüttungen bei der P. GmbH davon profitieren zu können. Bei der Zahlung von 250 TDM handle es sich um Schadensersatz, der ausschließlich durch die Absicht zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen verursacht worden sei. Darauf, ob der Kläger tatsächlich Einkünfte aus Ausschüttungen erzielt habe, komme es nicht an.

Das Finanzamt W. folgte den Einlassungen des Klägers nicht. Der Prozess habe nicht dem Erwerb oder der Erhaltung einer Einkunftsquelle bei der P. GmbH, sondern der Abwehr des Vorwurfs der Untreue gedient. Ein Zusammenhang zwischen Umsatzsteigerung und Einkünften aus Kapitalvermögen liege nicht vor, weil der Kläger kein Mehrheitsgesellschafter gewesen sei. Auch den nachfolgenden Antrag, die 250 TDM im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen, lehnte das Finanzamt W. mit der Begründung ab, dass der Kläger seinen Anteil erst nach Auferlegung der Geldstrafe zum Nominalwert veräußert habe (vgl. notarielle Urkunde vom 6. November 2001 über den Anteilsverkauf für 16 TDM, Blatt 48 ff der Veranlagungsakte).

Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger geltend, dass die Zahlung des Ablösebetrages zu Werbungskosten geführt habe. B. habe durch einen anderen Arbeitnehmer von der Beteiligung erfahren und daraufhin die Ansicht vertreten, dass der Kläger gegen Konkurrenzverbote verstoßen habe. Zahle der Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber zur Abgeltung oder wegen der Verletzung eines Konkurrenzverbotes eine Vertragsstrafe, seien dies entweder Werbungskosten aus einer laufenden Tätigkeit, wenn die Zahlung die Beendigung des Dienstverhältnisses bewirken soll, oder nachträgliche Werbungskosten, wenn die Zahlung nach Beendigung des Dienstverhältnisses geleistet werde. Die Zahlung des Klägers habe das Ziel gehabt, das Arbeitsverhältnis zu beenden und zu erreichen, dass Konkurrenzverbote nicht einschlägig sein können. Der Arbeitgeber habe gleichzeitig keine Gegenansprüche mehr verfolgt. Da der Kläger endlich wieder eine Anstellung als Führungskraft in einem Konkurrenzunternehmen annehmen wollte, sei er gezwungen gewesen, die Vergleichszahlung zu leisten. Die Firma B. habe den Kläger in der Öffentlichkeit herabgesetzt, insbesondere sei in dem Konkurrenzunternehmen vor der angeblichen Illoyalität gewarnt worden (Zeugnis eines Herrn Z., leitender Angestellter der Firma P., Kl.).

Eine bewusste Schädigung des Arbeitgebers habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe seine Arbeitskraft weiter der Firma B. zur Verfügung gestellt. Die P. GmbH habe nicht in Konkurrenz zu seinem damaligen Arbeitgeber gestanden. Der Kläger habe dort auch keine Geschäftsführertätigkeiten ausgeführt. Der Kläger sei nicht verurteilt worden. Aus der Anklageschrift vom 5. Oktober 2000 könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Auch die Staatsanwaltschaft habe beabsichtigt, das Verfahren einzustellen. Erst aufgrund von Beschwerden seitens B. seien weitere Ermittlungen aufgenommen worden. Auch zivilrechtlich habe B. seine Forderungen nicht durchsetzen können. In dem anhängigen Zivilverfahren sei B. der Hinweis erteilt worden, dass Anhaltspunkte für Schadenersatzansprüche nicht vorliegen würden. In keinem der anhängigen Verfahren sei eine Entscheidung getroffen worden (Zeugnis des damaligen Bevollmächtigten Dr. Fe., zu laden über die Kanzlei Im. & Partner, Bn.). Nach Auffassung des Prozessbevollmächtigten sei es B. letztlich um das Entfernen eines langjährigen Mitarbeiters gegangen, dem man keine Abfindung zahlen wollte. Zu diesem Zweck habe man den Vorwurf der Untreue erhoben und den Kläger mit einer Vielzahl von Verfahren überzogen. Insbesondere das Einfrieren des gesamten Vermögens des Klägers mittels einstweiliger Verfahren habe die Voraussetzung dafür geschafft, dass der Kläger sich zur Zahlung einer Abstandszahlung bereit gefunden habe.

Ergänzend werde vorgetragen, dass der Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erziele. Da die Firma B. sämtliche Immobilien mit Arrest- und Sicherungshypotheken (vgl. Grundbuchauszüge Blatt 62 ff der Akte) überzogen habe, die den Verkehrswert deutlich überstiegen hätten, habe der Kläger zunächst einstweilige Abwehrmaßnahmen ergreifen müssen. Da diese nicht erfolgreich verliefen, habe der Kläger sich auch unter diesem Gesichtspunkt zur Zahlung der Ablöse veranlasst gesehen. Die Höhe des Vergleichsbetrages stehe in keinem Verhältnis zu den von der Firma B. erhobenen Forderungen. Der Umstand, dass der Kläger nur Mieteinnahmen aus dem Haus in der D.-Str. in L. erzielt habe, stünde dem nicht entgegen. Hinsichtlich sämtlicher Häuser sei seine Verfügungsgewalt nicht mehr gegeben gewesen. Diese Aufwendungen stünden damit auch im Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Der Kläger gehe davon aus, dass B. die Zahlung der Steuer unterwerfen musste; auch aus diesem Grund sei der Abzug als Werbungskosten zuzulassen. Auch habe das Finanzamt W. bereits der Berücksichtigung der Vergleichszahlung als Werbungskosten zugestimmt, vorausgesetzt der Kläger gebe die Beteiligung an der P. GmbH zurück (Zeugnis Hlm., damaliger Steuerberater, W.).

Zuletzt haben die Kläger unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 VI R 37/06 geltend gemacht, dass das Abzugsverbot nach § 12 Nr. 4 EStG dann nicht bestehe, wenn die streitigen Zahlungen zum Ausgleich von Schäden geleistet worden seien. So verhalte es sich im Streitfall. Wenn überhaupt, handle es sich um eine Auflage im strafrechtlichen Verfahren nach § 153 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO, die nach der neueren Rechtsprechung dem Werbungskostenabzug zugänglich sei.

Hingewiesen auf die mögliche Abzugsfähigkeit der Rechtsanwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen hatten die Kläger – abweichend von ihrer Steuererklärung – eine Aufstellung über entstandene Kosten für diverse Verfahren eingereicht und beantragt, den ermittelten Betrag von umgerechnet 43.027,13 EUR abzüglich 12.564,18 EUR = 30.462,95 EUR nach § 33 EStG zum Abzug zu bringen. Dieser Aufstellung ist ein Schreiben des Rechtsanwalts vom 23. Januar 2002, wonach die D. Versicherung die Kosten in Sachen „Abgeschlossene Arbeitsrechtssache / B.A. GmbH & Co” nicht übernehmen werde. Die D. hatte am 21. Januar 2002 mitgeteilt, dass der Kläger nicht bei seiner Frau mitversichert sei, da er den überwiegenden Teil seiner Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit beziehe.

Die Kläger beantragen, den Bescheid vom 14. September 2009 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer 2001 auf 25.897,45 EUR herabgesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzulehnen.

Bei den Rechtsstreitigkeiten mit dem ehemaligen Arbeitgeber sei es um den Vorwurf der Untreue und des Verrats von Geschäftsgeheimnissen zum Nachteil des Arbeitgebers gegangen. Aus diesem Grund könne die Annahme des Klägers, dass eine bewusste Schädigung des Arbeitgebers nicht vorgelegen hätte, nicht geteilt werden. Im Falle der Veruntreuung bzw. des Verrats von Geschäftsgeheimnissen werde eine solche Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen; derartige Handlungen könnten nicht mehr als im Rahmen der beruflichen Zielvorstellung des Klägers angenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1987, BFH/NV 1988, 353). Soweit die Kläger vortragen würden, dass die Zahlung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Ziel gehabt hätte, fehle es bereits an einem Zusammenhang mit dem Erwerb, der Sicherung bzw. Erhaltung von Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Zu dem erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Zusammenhang der Vergleichzahlung mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei anzumerken, dass der Kläger lediglich aus einem Objekt in der D.-Str. (L.) Mieteinnahmen erklärt habe. Der Vortrag sei nicht geeignet, den notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang darzustellen.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2007 hat das Finanzamt angezeigt, dass aufgrund der Umstrukturierung der L.er Finanzämter die örtliche und sachliche Zuständigkeit nach § 17 FVG auf das neue Finanzamt L. übergegangen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, auf die dem Gericht vorliegenden Akten des Finanzamtes sowie auf den protokollierten Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 25. August 2011 und 29. Februar 2012 Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe

Die Klage, die sich nach gesetzlichem Beteiligtenwechsel nunmehr gegen das Finanzamt L. richtet und nach § 68 FGO allein den Bescheid vom 14. September 2011 zum Gegenstand hat, ist überwiegend unbegründet.

Die Kläger können die an B. gezahlten 250.000 DM und dem folgend die Rechtsanwaltskosten nicht als Werbungskosten geltend machen. Das ergibt sich zwar nicht bereits aus § 12 Nr. 4 EStG. Es fehlt jedoch an einem nachweislichen und anzuerkennenden Zusammenhang mit Einnahmen im Sinne des § 9 EStG. Die Klage ist jedoch insoweit begründet, als nachgewiesene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 34.131 DM als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

1. Das Gericht geht zunächst davon aus, dass die Kläger im Streitjahr 250.000 DM an B. gezahlt haben. Der Umstand, dass nicht die Kläger, sondern die As. GmbH den Betrag von 250.000 DM (über den damaligen Prozessbevollmächtigen) an B. überwiesen hatte, ist unschädlich, weil die As. diese als Lohn behandelt und der Lohn- bzw. Einkommensteuer unterworfen hatte.

2. Die Kläger gehen zudem zutreffend davon aus, dass dem Abzug der Aufwendungen die Regelung in § 12 Nr. 4 EStG nicht entgegen steht. Diese Vorschrift bestimmt, dass in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen, soweit die Auflagen und Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die tat verursachten Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Zahlungen zum Ausgleich von Schäden fallen nicht unter dieses Abzugsverbot; entsprechende Auflagen zeichnen lediglich die zivilrechtliche Schadensersatzpflicht nach, auf die sie angerechnet werden. Betrieblich oder beruflich veranlasster Schadensersatz ist Erwerbsaufwand, der Einkünfte mindernd zu berücksichtigen ist (BFH-Urteil vom 15. Januar 2009 VI R 37/062, BStBl II 2010, 111).

3. Die Kläger können den hier streitigen Aufwand jedoch nicht als Werbungskosten geltend machen. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Für das Vorliegen von Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und der Zuweisung dieses Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.

3.1. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG ist eine berufliche Veranlassung anzunehmen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden. Diese Grundsätze gelten auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit demselben erbringen muss. In einem solchen Fall muss bereits zu einem Zeitpunkt, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt wird, der dargestellte berufliche Zusammenhang bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1988 VI R 55/84, BFH/NV 1990, 23). Für die steuerrechtliche Beurteilung ist maßgeblich, ob das dem Geldabfluss zugrunde liegende Ereignis in nicht nur unbedeutenden Maße auf einer privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Veranlassung beruht (vgl. BFH-Beschluss des Großen Senats vom 28. November 1977 GrS 2-3/77, BStBl II 1978, 105). Zwar können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten oder Betriebsausgaben führen. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die – die Aufwendungen auslösenden – schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft, oder wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einem Dritten durch die schädigenden Handlung bereichert hat (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 VI R 35/96, BStBl II 2004, 641). Die bewusste Schädigung des Arbeitgebers ist das Gegenteil dessen, wozu sich der Arbeitnehmer im Dienstvertrag verpflichtet hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1987, BFH/NV 1988, 353), unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer mit seiner Handlung einen weitergehenden beruflichen Zweck, etwa die eigene Bereicherung oder die einer ihm nahe stehenden Person, verfolgt.

a) Wurden – wie im Streitfall – gegenüber dem Kläger als ehemaligen Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche damit begründet, dass dieser Betriebsgeheimnisse unbefugt weitergegeben hat, so liegt die den Schadensersatz begründende Handlung außerhalb der beruflichen Aufgabenerfüllung. Denn es gehört nicht zu den beruflichen Aufgaben eines bei einem Unternehmen Beschäftigten, ihm im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraute oder ihm zugänglich gewordene Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an andere zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, mitzuteilen (§ 17 Abs. 1 UWG). Im Streitfall hatte der Kläger Kenntnisse, die ihm als Beschäftigter bei B. zugänglich geworden waren, unbefugt an die P. GmbH weitergegeben. Zwar ist der Kläger nicht verurteilt worden und aus der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO können keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Das Gericht hat jedoch schon deshalb keinen Zweifel daran, dass der Kläger tatsächlich Geschäftsgeheimnisse weitergegeben hatte, weil er selbst hierzu umfangreich gegenüber dem Finanzamt W. vorgetragen und darüber hinaus im Einzelnen angegeben hatte, welche Umsätze der P. GmbH unmittelbar auf die von ihm zur Verfügung gestellten Informationen zurückzuführen sind. Hiermit stimmt überein, dass die Staatsanwaltschaft O. ebenso Feststellungen zu jedem einzelnen Vorgang getroffen hatte und auf dieser Grundlage Anklage wegen Untreue und Geheimnisverrat erhoben hatte, das Amtsgericht D. nur gegen Zahlung der 250.000 DM zur Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO bereit war und der Kläger selbst den Vergleich mit B. und der P. GmbH dahingehend akzeptiert hatte, dass er auf die von B. aufgemachten Forderungen Zahlungen in benannter Höhe leisten muss. Demgegenüber erscheinen die vom Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren aufgestellten Behauptungen, dass der Kläger B. überhaupt nicht geschädigt hatte, die P. GmbH kein Konkurrenzunternehmen gewesen sein soll und B. es eher um das Loswerden eines langjährigen Mitarbeiters in leitender Stellung gegangen sei, der möglichst ohne Zahlung einer Abfindung entfernt werden sollte, als Schutzbehauptungen, für die es schon in Anbetracht der vom Kläger auf sich genommenen Zahlungsverpflichtungen an einer nachvollziehbaren Grundlage mangelt. Das Interesse des Klägers zielte augenscheinlich auf die Einstellung des Strafverfahrens, denn der Vergleich mit B. und der P. GmbH stand ausdrücklich unter der aufschiebenden Bedingung, dass die beim Amtsgericht D. anhängigen Strafverfahren wegen Untreue und Verrat von Geschäftsgeheimnissen durch das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt werden sollen. Auf eine Verurteilung wollte der Kläger es augenscheinlich nicht ankommen lassen.

b) Aus dem Umstand, dass der neue Arbeitgeber dem Kläger die Zahlung der 250.000 DM erst ermöglicht hatte, kann der Kläger hinsichtlich eines Abzugs als Werbungskosten nichts herleiten. Dies wäre evident, wenn As. den Zahlungsbetrag nicht als Lohn, sondern z.B. darlehensweise überlassen hätte. Die Finanzierung durch As. schafft überhaupt erst den Grund, die Zahlung dem Kläger zuzuordnen. Dass As. die Zahlung als Lohn angesehen und dementsprechend versteuert hat, ermöglichte den Betriebsausgabenabzug bei der Firma und bedeutete für den Kläger eine Vorauszahlung für noch zu erbringende Arbeitsleistungen. Es mag zwar zutreffend gewesen sein, dass es dem Kläger um die Beendigung der Streitigkeiten mit B. auch deshalb gegangen war, um in Ruhe die neue Tätigkeit ausführen zu können und um der Gefahr zu entgegnen, dass B. sein Ansehen bei Konkurrenten beschädigt. Die insoweit nachzuvollziehenden Motive ändern indes nichts an dem einmal hergestellten Veranlassungszusammenhang zwischen der Tätigkeit bei B. und dem sich daraus ergebenden Schadensersatzanspruch. Insoweit spielte die Neueinstellung bei As. keine Rolle, denn für die von B. geltend gemachten Schadenersatzansprüche waren Handlungen des Klägers zugunsten einer anderen Firma – nämlich der P. GmbH – die Ursache. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger schließlich vorgetragen hat, dass es B. letztlich um eine abfindungsfreie Kündigung gegangen sei und hierzu eine Flut von Verfahren in Gang gesetzt worden sei, um damit den Kläger letztlich zu einem Vergleich zu zwingen, mag dies im Ergebnis sogar zutreffen, ist jedoch jedenfalls auf die unbefugte Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen zurückzuführen. Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu dem vom Prozessbevollmächtigten behaupteten vorsätzlich rechtswidrigem Vorgehen seitens B., das der Kläger hätte gerichtlich aufklären lassen können und auch müssen, zumal wenn es tatsächlich einen gerichtlichen Hinweis wegen eines fehlenden Anspruchs auf Schadensersatz gegeben haben soll. Aus der fehlenden strafrechtlichen Verurteilung kann der Kläger in diesem Zusammenhang nichts herleiten, denn das Amtsgericht D. hätte die Einstellung des Strafverfahrens nicht von der Zahlung des Schadensersatzes abhängig machen können, wenn es den Anspruch für unberechtigt gehalten hätte.

3.2. Der fehlende Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit steht dem Abzug der Schadenersatzzahlung bei anderen Einkünften grundsätzlich nicht entgegen. Anders als der Kläger im Vorverfahren behauptet hat, führte die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen beim Kläger indes nicht zu anderweitigen steuerpflichtigen Einkünften. Da der Kläger die Weitergabe der Informationen nicht von einer Gegenleistung des Empfängers abhängig gemacht hatte, liegen weder Einkünfte aus einer sonstigen noch gewerblichen Tätigkeit vor.

Insoweit macht es keinen Unterschied, dass der Kläger die Geheimnisse an die P. GmbH verraten hatte, denn auch die P. GmbH hatte diese Informationen kostenlos erhalten. Der unmittelbare Nutzen der hingegebenen Informationen lag damit bei der P. GmbH und nicht beim Kläger. Der vom Kläger im Vorverfahren behauptete Zusammenhang mit Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus der von ihm im Streitjahr aufgegebenen Beteiligung an der P. GmbH liegt nicht vor. Auch wenn dem Kläger unterstellt werden kann, dass er seine wie auch immer geartete Beteiligung an der P. GmbH ursprünglich mit der Absicht verbunden hatte, aus dieser Beteiligung Einkünfte zu erzielen, ist ihm dies im Ergebnis offenkundig nicht gelungen. Es ist unstreitig, dass es während seiner Beteiligung zu keinen Ausschüttungen gekommen war. Anders als der Kläger noch gegenüber dem Finanzamt W. erklärt hatte, konnte der Kläger aus dieser Beteiligung auch keinen anderweitig messbaren Vorteil erlangen, denn selbst für seine im Streitjahr veräußerte Beteiligung hatte die P. GmbH ihm lediglich den Einstandspreis bezahlt. Spätestens hier hätte es indes nahegelegen, den vom Kläger behaupteten Vorteil aus dieser Beteiligung zu realisieren. Als entscheidend sieht es das Gericht jedoch an, dass das Erzielen von Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht primär durch die Weitergabe der Informationen an die P. GmbH, sondern durch die Beteiligung des Klägers an dieser GmbH bedingt gewesen wäre. Ob etwas anderes ggf. dann angenommen werden könnte, wenn der Kläger – wie bereits vom Finanzamt W. eingewandt – alleiniger oder beherrschender Gesellschafter gewesen wäre und es damit jederzeit in der Hand gehabt hätte, den Mehrwert aus den Informationen über Ausschüttungen zu realisieren, kann im Streitfall allein schon in Anbetracht des tatsächlichen Geschehens dahingestellt bleiben. Eine alternative Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis im Sinne des § 17 EStG scheidet schließlich aus, weil der Kläger nicht als Gesellschafter der P. GmbH in Anspruch genommen worden ist und auch die Hingabe der Informationen nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung an der P. GmbH führen konnte.

3.3. Soweit der Kläger einen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung behauptet hat, fehlt es an einem nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen den bereits in 1997 erfolgten Eintragungen von Höchstbetragshypotheken auf die Grundstücke in L., Z. und Bs. gemäß einem Arrestbefehl des Landgerichts O. vom 27. März 1997 (AZ.: 80828/97) mit Forderungen aus vertraglichen Beziehungen über die Vermietung und Verpachtung bzw. diversen Baumaßnahmen an den Mietgegenständen. Darüber hinaus wäre nur die sog. Vermögensebene betroffen. Auch würden keine nachträglichen Anschaffungskosten vorliegen.

3.4. Da Prozess- und Rechtsanwaltskosten als Folgekosten grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation derjenigen Aufwendungen teilen, die Gegenstand von außergerichtlichen oder auch gerichtlichen Streitigkeiten waren, scheidet auch insoweit ein Abzug als Werbungskosten aus. Anders verhält es sich hingegen mit dem Abzug als außergewöhnliche Belastungen. Es entspricht der neueren Rechtsprechung des BFH, dass solche Kosten aus rechtlichen Gründen zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG erwachsen können. Voraussetzung ist, dass im jeweiligen Einzelfall die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint und die Kosten selbst notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht überschreiten (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10, BFH/NV 2011, 1426). Dem Gericht lagen insoweit die bereits mit Einreichung der Steuererklärung eingereichten Nachweise und Zahlungsbelege über die in 2001 insgesamt bezahlten 34.131 DM vor. Auch hat das Gericht aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs keinen Zweifel daran, dass die Rechtsverfolgung nicht mutwillig war. Schließlich hat die Klägerseite auch einen Nachweis dafür erbracht, dass Versicherungsleistungen nicht abzuziehen sind. Soweit für den Kläger allerdings kurz vor der letzten mündlichen Verhandlung noch weitere Kosten geltend gemacht worden sind, konnte das Gericht deren Berechtigung schon wegen der fehlenden Belege nicht näher prüfen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Umsatzsteuer | Befreiung von Umsätzen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (EuGH)

Steuerbefreiung von Umsätzen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren

 Leitsatz

1. Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.

2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

3. Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.

 Instanzenzug

BFH v. 28.10.2010 – V R 9/10 EuGH C-44/11

 Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. f und g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 2006/112).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst (im Folgenden: Finanzamt) und der Deutsche Bank AG (im Folgenden: Deutsche Bank), bei dem es insbesondere um die rechtliche Einordnung der von der Deutschen Bank getätigten Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (im Folgenden: Portfolioverwaltung) im Hinblick auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer geht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Art. 56 der Richtlinie 2006/112 bestimmte im entscheidungserheblichen Zeitraum:

„(1) Als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, gilt der Ort, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort:

e) Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern;

…”

4 Art. 135 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a) Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;

f) Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Rechte und Wertpapiere;

g) die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen;

…”

Deutsches Recht

5 § 3a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (im Folgenden: UStG ) lautete in seiner im entscheidungserheblichen Zeitraum geltenden Fassung:

„Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen ein Unternehmer, so wird die sonstige Leistung abweichend von Absatz 1 dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend. Ist der Empfänger einer der in Absatz 4 bezeichneten sonstigen Leistungen kein Unternehmer und hat er seinen Wohnsitz oder Sitz im Drittlandsgebiet, wird die sonstige Leistung an seinem Wohnsitz oder Sitz ausgeführt.”

6 § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a dieses Gesetzes bestimmte:

„Sonstige Leistungen im Sinne des Absatzes 3 sind: …

a) die sonstigen Leistungen der in § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h und Nr. 10 bezeichneten Art sowie die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten …”.

7 § 4 Nr. 8 Buchst. e und h UStG sieht vor:

„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

e) die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren,

h) die Verwaltung von Investmentvermögen nach dem Investmentgesetz und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes;

…”

8 In einem vom Bundesfinanzministerium stammenden Schreiben, einer norminterpretierenden Verwaltungsanweisung, die für die Gerichte nicht bindend ist, heißt es:

„§ 3a Abs. 3 und 4 Nr. 6 Buchst. a UStG ist für die Ortsbestimmung bei einer Vermögensverwaltung nicht anzuwenden. Auch eine unmittelbare Berufung auf Art. 56 Abs. 1 Buchst. e [der Richtlinie 2006/112], wonach sich der Leistungsort in bestimmten Fällen bei ‚Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätzen‘ nach dem Sitz oder der Betriebsstätte des Leistungsempfängers bestimmt, ist nicht möglich. ‚Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze‘ sind Begriffe des Gemeinschaftsrechts und als solche auszulegen. Die [Richtlinie 2006/112] – und bis 31. Dezember 2006 auch die [Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)] – definier[t] zwar nicht, was darunter im Einzelnen zu verstehen ist. Jedoch enthält die [Richtlinie 2006/112] in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis f … dezidierte Aussagen zur Auslegung dieser Begriffe. Die Vermögensverwaltung ist in diesen genannten Vorschriften nicht aufgeführt. Aus Art. 56 Abs. 1 Buchst. e [der Richtlinie 2006/112] … ergibt sich auch nicht, dass die Vorschrift darüber hinaus weitere Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze umfassen soll.

Die einheitliche Leistung ‚Vermögensverwaltung‘ ist steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG kommt nicht in Betracht, weil die Vermögensverwaltung (Portfolioverwaltung) nicht zu den nach den genannten Vorschriften begünstigten Umsätzen gehört. …”

Sachverhalt und Vorlagefragen

9 Im Jahr 2008 erbrachte die Deutsche Bank selbst und über Tochtergesellschaften Dienstleistungen der Portfolioverwaltung an Kunden, die Anlagen tätigen wollten (im Folgenden: Anleger). Die Anleger beauftragten die Deutsche Bank, Wertpapiere unter Berücksichtigung der von ihnen ausgewählten Anlagestrategievariante nach eigenem Ermessen und ohne vorherige Einholung ihrer Weisung zu verwalten sowie alle hierfür zweckmäßigen Maßnahmen zu treffen. Die Deutsche Bank war berechtigt, über die Vermögenswerte (Wertpapiere) im Namen und für Rechnung der Anleger zu verfügen.

10 Die Anleger zahlten eine jährliche Vergütung in Höhe von 1,8 % des Werts des verwalteten Vermögens. Diese Vergütung setzte sich aus einem Anteil für die Vermögensverwaltung in Höhe von 1,2 % des Werts des verwalteten Vermögens und einem Anteil für den Kauf und Verkauf von Wertpapieren in Höhe von 0,6 % des Vermögenswerts zusammen. Sie umfasste auch die Konto- und Depotführung sowie die Ausgabeaufschläge für den Erwerb von Anteilen einschließlich der Anteile an Fonds, die durch Unternehmen der Deutschen Bank verwaltet wurden.

11 Jeweils zum Ende eines Kalendervierteljahrs sowie zum Jahresende erhielt jeder Anleger einen Bericht über den Verlauf der Verwaltung seines Vermögens. Die Anleger hatten das Recht, den Verwaltungsauftrag jederzeit mit sofortiger Wirkung zu beenden.

12 Bei Abgabe ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008 wies die Deutsche Bank das Finanzamt darauf hin, dass sie davon ausgehe, dass ihre Leistungen im Rahmen der Portfolioverwaltung, wenn sie an Anleger im Inland und im übrigen Gebiet der Europäischen Union erbracht würden, nach § 4 Nr. 8 UStG steuerfrei seien. Wenn diese Leistungen an Anleger im Drittlandsgebiet erbracht würden, seien sie ihres Erachtens nach § 3a Abs. 4 Nr. 6 Buchst. a UStG nicht steuerbar.

13 Das Finanzamt folgte dieser Argumentation nicht und erließ am 29. April 2009 einen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den Voranmeldungszeitraum Mai 2008, in dem es die Umsätze der Portfolioverwaltung für die betreffenden Anleger als steuerbar und steuerpflichtig behandelte.

14 Der von der Deutschen Bank gegen diesen Vorauszahlungsbescheid eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht gab der von der Deutschen Bank hiergegen erhobenen Klage hingegen statt. Das Finanzamt legte gegen das Urteil des Finanzgerichts sodann Revision beim Bundesfinanzhof ein.

15 Der Bundesfinanzhof ist sich insbesondere nicht sicher, wie die Portfolioverwaltung im Hinblick auf Befreiungen von der Mehrwertsteuer einzuordnen ist. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Portfolioverwaltung, bei der ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht,

– nur als Verwaltung von Sondervermögen für mehrere Anleger gemeinsam nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 oder

– als individuelle Portfolioverwaltung für einzelne Anleger nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 (Umsatz, der sich auf Wertpapiere bezieht, oder als Vermittlung eines derartigen Umsatzes) steuerfrei?

2. Welche Bedeutung kommt bei der Bestimmung von Haupt- und Nebenleistung dem Kriterium, dass die Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Verhältnis zur gesonderten Berechnung der Nebenleistung und der Erbringbarkeit der Nebenleistung durch Dritte zu?

3. Erfasst Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen oder auch die Portfolioverwaltung, selbst wenn dieser Umsatz nicht der zuletzt genannten Bestimmung unterliegt?

Zu den Vorlagefragen

Zur zweiten Frage

16 Mit seiner zweiten Frage, die an erster Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Bedeutung bei der Bestimmung der Haupt- und der Nebenleistung im Rahmen einer Portfolioverwaltung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – d. h. einer entgeltlichen Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht – dem Kriterium, dass eine Nebenleistung für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Verhältnis zur gesonderten Berechnung der Nebenleistung und der Erbringbarkeit der Nebenleistung durch Dritte zukommt.

17 Zunächst ist festzustellen, dass eine Portfolioverwaltung wie die von der Deutschen Bank im Ausgangsrechtsstreit getätigte mehrere Elemente umfasst.

18 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank, C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnr. 19, sowie vom 10. März 2011, Bog u. a., C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 52).

19 Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass eine einheitliche Leistung insbesondere dann vorliegt, wenn ein Teil die Hauptleistung, ein anderer Teil aber eine Nebenleistung darstellt, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt (vgl. Urteil vom 15. Mai 2001, Primback, C-34/99, Slg. 2001, I-3833, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20 Allerdings ist zu beachten, dass im Hinblick auf die Mehrwertsteuer auch unter anderen Umständen eine einheitliche Leistung vorliegen kann.

21 Wie der Gerichtshof entschieden hat, liegt eine einheitliche Leistung auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige für den Verbraucher – wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist – zwei oder mehr Elemente liefert oder Handlungen vornimmt, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteil Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 22).

22 Angesichts dieser Ausführungen und um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist davon auszugehen, dass es dem Gericht mit seiner zweiten Frage darum geht, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung der Portfolioverwaltung – eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht – mehrwertsteuerrechtlich einzuordnen und insbesondere zu klären, ob diese Tätigkeit als eine einzige wirtschaftliche Leistung anzusehen ist.

23 Nimmt man im Einklang mit der in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung eine Gesamtbetrachtung dieser Leistung der Portfolioverwaltung vor, wird deutlich, dass sie im Wesentlichen eine Verbindung aus der Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers zum einen und der Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren zum anderen darstellt.

24 Zwar können diese beiden Teile der Leistung der Portfolioverwaltung getrennt erbracht werden. Möglicherweise wünscht ein Anleger nämlich nur eine Beratungsleistung und zieht es vor, selbst über die Anlagen zu entscheiden und sie auch selbst zu tätigen. Dagegen kann ein Anleger, der es vorzieht, selbst über die Anlagen in Wertpapiere zu entscheiden und allgemeiner sein Vermögen zu strukturieren und zu beaufsichtigen, ohne Kaufs- und Verkaufshandlungen vorzunehmen, für die letztgenannte Art von Umsätzen einen Mittler heranziehen.

25 Dem durchschnittlichen Anleger geht es im Rahmen einer Leistung der Portfolioverwaltung wie der von der Deutschen Bank im Ausgangsrechtsstreit erbrachten jedoch gerade um die Verbindung dieser beiden Elemente.

26 Wie die Generalanwältin in Nr. 30 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wäre eine Entscheidung über das optimale Vorgehen bei dem Erwerb, der Veräußerung oder dem Halten von Wertpapieren für die Anleger im Rahmen der Leistung der Portfolioverwaltung nicht von Nutzen, wenn sie nie umgesetzt würde. Sinnlos wäre es auch, ohne Fachkenntnisse und ohne vorherige Marktanalyse Verkäufe oder Käufe je nach Fall zu tätigen oder nicht zu tätigen.

27 Im Rahmen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistung der Portfolioverwaltung sind diese beiden Elemente nicht nur untrennbar, sondern auch als gleichrangig anzusehen. Beide sind nämlich für die Erbringung der Gesamtleistung unerlässlich, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine als Hauptleistung und die andere als Nebenleistung anzusehen ist.

28 Folglich ist davon auszugehen, dass die genannten Elemente so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

29 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass eine Leistung der Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, aus zwei Elementen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.

Zur ersten Frage

30 Mit seiner ersten Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

31 Zu der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen Befreiung ist festzustellen, dass der Begriff der Verwaltung von Sondervermögen in der Richtlinie 2006/112 nicht definiert ist. Der Gerichtshof hat jedoch klargestellt, dass es sich bei den Umsätzen, für die diese Befreiung gilt, um diejenigen handelt, die für die Tätigkeit der Organismen für gemeinsame Anlagen spezifisch sind (Urteil vom 4. Mai 2006, Abbey National, C-169/04, Slg. 2006, I-4027, Randnr. 63).

32 Hierzu ergibt sich aus Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 375, S. 3) in der durch die Richtlinie 2001/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 (ABl. L 41, S. 35) geänderten Fassung, dass es sich um Organismen handelt, deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen liquiden Finanzanlagen zu investieren, und deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zulasten des Vermögens der Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden.

33 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 14 und 15 ihrer Schlussanträge erläutert hat, handelt es sich konkret um gemeinsame Vermögensfonds, in denen zahlreiche Anlagen gebündelt und auf ein Spektrum von Wertpapieren verteilt sind, die sich zur Optimierung der Ergebnisse wirksam verwalten lassen und in deren Rahmen die einzelnen Anlagebeträge verhältnismäßig geringfügig sein können. Derartige Fonds verwalten ihre Anlagen im eigenen Namen und für eigene Rechnung, während der einzelne Anleger einen oder mehrere Anteile an dem Fonds, nicht aber die Anlagen des Fonds als solche besitzt.

34 Dienstleistungen wie die im Ausgangsverfahren von der Deutschen Bank erbrachten beziehen sich dagegen im Allgemeinen auf das Vermögen einer Einzelperson, das einen verhältnismäßig hohen Gesamtwert haben muss, damit seine Verwaltung rentabel ist. Der Portfoliomanager kauft und verkauft Anlageprodukte im Namen und für Rechnung des Anlegers, der während der gesamten Dauer des Vertrags und auch bei dessen Beendigung Inhaber der einzelnen Wertpapiere bleibt.

35 Folglich entspricht die von der Deutschen Bank im Ausgangsverfahren getätigte Portfolioverwaltung nicht dem Begriff „Verwaltung von … Sondervermögen” im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112.

36 Zur Reichweite von Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Umsätze, die sich auf Aktien und andere Wertpapiere beziehen, Umsätze sind, die auf dem Wertpapiermarkt bewirkt werden, und dass der Wertpapierhandel Handlungen umfasst, die die rechtliche und finanzielle Lage zwischen den Parteien ändern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juni 1997, SDC, C-2/95, Slg. 1997, I-3017, Randnrn. 72 und 73, sowie vom 5. Juli 2012, DTZ Zadelhoff, C-259/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22).

37 Die in dieser Bestimmung enthaltene Wendung „Umsätze, … die sich auf … Wertpapiere beziehen” betrifft daher Umsätze, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen (vgl. u. a. Urteile vom 13. Dezember 2001, CSC Financial Services, C-235/00, Slg. 2001, I-10237, Randnr. 33, und DTZ Zadelhoff, Randnr. 23).

38 Wie in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, besteht die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung der Portfolioverwaltung im Wesentlichen aus zwei Elementen, und zwar zum einen aus der Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers und zum anderen aus der Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren.

39 Während die Leistungen des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren unter Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 fallen können, gilt dies nicht für die Leistungen der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens, da diese Leistungen nicht zwingend die Bewirkung von Umsätzen voraussetzen, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen.

40 Die Deutsche Bank und die Europäische Kommission sind der Ansicht, dass das Wesen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistung der Portfolioverwaltung im aktiven Umsatz des Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren bestehe und dass diese Leistung daher gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 von der Mehrwertsteuer zu befreien sei. Das Finanzamt, die deutsche und die niederländische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs sehen in der genannten Portfolioverwaltung hingegen eine Leistung der Analyse und Beaufsichtigung, für die die in dieser Bestimmung vorgesehene Befreiung nicht gelten könne.

41 Aus Randnr. 27 des vorliegenden Urteils geht jedoch hervor, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Elemente, aus denen diese Dienstleistung besteht, zum einen eine Hauptleistung und zum anderen eine Nebenleistung sind, da diese Elemente als gleichrangig anzusehen sind.

42 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Begriffe, die zur Umschreibung der in Art. 135 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 genannten Steuerbefreiungen verwendet werden, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. u. a. Urteile vom 20. November 2003, Taksatorringen, C-8/01, Slg. 2003, I-13711, Randnr. 36, und DTZ Zadelhoff, Randnr. 20).

43 Da die genannte Leistung im Hinblick auf die Mehrwertsteuer nur als Ganzes berücksichtigt werden kann, kann sie somit nicht von Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112 erfasst werden.

44 Diese Auslegung wird durch die Systematik der Richtlinie 2006/112 bestätigt. Wie die deutsche und die niederländische Regierung vorgetragen haben, betrifft nämlich die nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112 befreite Verwaltung von „Sondervermögen” durch spezielle Kapitalanlagegesellschaften eine Form der Verwaltung von aus Wertpapieren bestehendem Vermögen. Wenn diese Form der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren bereits unter die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie festgelegte Steuerbefreiung für auf Wertpapiere bezogene Umsätze fiele, wäre es nicht notwendig gewesen, insoweit eine Befreiung in Art. 135 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie aufzunehmen.

45 Schließlich ist festzustellen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität diese Schlussfolgerung nicht in Frage stellt. Wie die Generalanwältin in Nr. 60 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, erlaubt dieser Grundsatz nicht, den Geltungsbereich einer Befreiung ohne eindeutige Bestimmung auszuweiten. Dieser Grundsatz ist nämlich keine Regel des Primärrechts, die für den Umfang eines Befreiungstatbestands bestimmend sein könnte, sondern ein Auslegungsgrundsatz, der neben dem Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen anzuwenden ist.

46 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass eine Portfolioverwaltung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

Zur dritten Frage

47 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen umfasst, oder ob er auch die Leistung der Portfolioverwaltung erfasst, selbst wenn dieser Umsatz nicht der zuletzt genannten Bestimmung unterliegt.

48 Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 bestimmte, dass als Ort der Dienstleistungen der Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, der Ort gilt, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort.

49 Nach ihrem Wortlaut sollte diese Vorschrift den Ort bestimmen, an dem unter dem Gesichtspunkt der Mehrwertsteuer Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, bewirkt werden. Die genannte Bestimmung enthielt keine Bezugnahme auf die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g der Richtlinie 2006/112 genannten Leistungen. Vielmehr sah sie eine einzige Ausnahme vor, nämlich für die Vermietung von Schließfächern.

50 Die Deutsche Bank, das Finanzamt, die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission sind der Ansicht, dass der Geltungsbereich von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nicht auf den des Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie begrenzt werden könne.

51 Die deutsche Regierung vertritt unter Hinweis auf die Randnrn. 31 und 32 des Urteils vom 22. Oktober 2009, Swiss Re Germany Holding (C-242/08, Slg. 2009, I-10099), die gegenteilige Auffassung. Der Gerichtshof habe in diesem Urteil festgestellt, dass das ordnungsgemäße Funktionieren und die einheitliche Auslegung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems es verböten, die Begriffe „Versicherungsumsätze” und „Rückversicherungsumsätze” in den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, die Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 entsprachen, unterschiedlich zu definieren, je nachdem, ob sie in der einen oder der anderen Vorschrift verwendet würden. Dies müsse entsprechend auch für den Begriff „Finanzumsätze” gelten.

52 Wie die Generalanwältin in Nr. 69 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, hängen jedoch die Ausführungen im Urteil Swiss Re Germany Holding damit zusammen, dass in Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 für den Bereich der Versicherung im Wesentlichen identische Formulierungen verwendet wurden, nämlich „Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze” bzw. „Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze”.

53 Dagegen besteht zwischen den Begriffen „Bankumsätze” und „Finanzumsätze” in Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 und den in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b bis g dieser Richtlinie genannten Umsätzen keine entsprechende Verbindung. In keiner der letztgenannten Bestimmungen kamen die Begriffe „Bank-” oder „Finanz-” vor. Die dort genannten Umsätze waren finanzieller Natur, und viele von ihnen wurden wahrscheinlich von Banken getätigt, jedoch nicht ausschließlich. Zudem stellten sie bei Weitem keine erschöpfende Auflistung aller Umsätze dar, die von einer Bank getätigt oder als Finanzumsätze angesehen werden können.

54 Da die von der Deutschen Bank im Ausgangsverfahren getätigte Portfolioverwaltung eine Leistung finanzieller Natur ist und Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 nicht eng ausgelegt werden darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. September 1996, Dudda, C-327/94, Slg. 1996, I-4595, Randnr. 21, sowie Levob Verzekeringen und OV Bank, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist davon auszugehen, dass diese Tätigkeit als Finanzumsatz in den Geltungsbereich von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 fällt.

55 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Portfolioverwaltung.

Kosten

56 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1. Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.

2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

3. Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.