Archiv der Kategorie: Einkommen- und Lohnsteuer

Anwendbarkeit der sog. Ein-Prozent-Regelung auf Taxen

 Gesetze

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
,
FGO § 115 Abs. 2
,
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3

 Instanzenzug

FG München Urteil vom 12.12.2011 7 K 1434/10

 

1%-Regelung berechnen

 

 Gründe

[1 ] I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betreibt ein Taxiunternehmen mit mehreren Taxen. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) hat für das Fahrzeug mit dem jeweils höchsten Bruttolistenpreis ertragsteuerlich Privatentnahmen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG ) sowie umsatzsteuerlich einen Privatanteil von 15 % angesetzt.

[2 ] Mit der Klage machte der Kläger geltend, eine private Nutzung der Taxen habe mit Ausnahme einer Bagatellnutzung von höchstens 50 km jährlich für Besorgungen quasi am Wegesrand nicht stattgefunden. Für Privatfahrten habe das Fahrzeug der Lebensgefährtin zur Verfügung gestanden. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

[3 ] Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht der Kläger grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO geltend.

[4 ] Taxen seien Nutz-/Sonderfahrzeuge. Es liege daher ein atypischer Sachverhalt vor, auf den nicht ohne weiteres die typisierende Regel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anwendbar sei. Für solche Fahrzeuge gelte nicht ohne weiteres der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung, so dass das FA die Beweislast dafür trage. Diese Rechtsfragen bedürften grundsätzlicher Klärung.

[5 ] Tatsächlich finde eine private Nutzung nicht statt. Dies habe er, der Kläger, im Detail dargelegt. Es sei lebensfremd zu unterstellen, wie es das FG unternehme, dass eine Familie mit „nur” einem privaten PKW deswegen mit den Taxen Privatfahrten durchführe. Millionen von Haushalten besäßen nur einen PKW. Private Fahrten habe die für Haushaltsführung und Kind zuständige Lebensgefährtin mit dem privat gehaltenen PKW durchgeführt. Ein gelegentliches Miterledigen einer privaten Angelegenheit an einer ohnehin gefahrenen Strecke könne nicht ernstlich zur Anwendung der 1 %-Regelung führen. Zudem dürften Taxen nur nach entsprechender Abrüstung (Entfernung von Taxameter, Taxischild, Ordnungsschild und Werbeaufschriften) privat genutzt werden. Er habe sich als Neueinsteiger keine Unregelmäßigkeiten erlauben wollen und können.

[6 ] Die Führung von Fahrtenbüchern für drei Taxen und einen Mietwagen mit wechselnden Fahrern sei unzumutbar.

[7 ] Angesichts der Differenzierung, die der Bundesfinanzhof (BFH) zwischen Nutz- und Sonderfahrzeugen auf der einen Seite und normalen PKW auf der anderen Seite vornehme (Entscheidungen vom 13. Februar 2003 X R 23/01, BFHE 201, 499 , BStBl II 2003, 472; vom 13. April 2005 VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300 , und vom 18. Dezember 2008 VI R 34/07, BFHE 224, 108 , BStBl II 2009, 381) stehe das FG-Urteil in Widerspruch zu den dort aufgestellten Grundsätzen.

[8 ] II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat die Voraussetzungen eines der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Revisionszulassungsgründe entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht hinreichend dargelegt.

[9 ] 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO setzt eine grundsätzlich bedeutsame klärungsbedürftige und im Streitfall klärungsfähige Rechtsfrage voraus. Zu diesen Voraussetzungen hat der Beschwerdeführer folglich auszuführen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung , 7. Aufl., § 116 Rz 31 ff., m.w.N.).

[10 ] Daran fehlt es. Es ist schon nicht ganz klar, welche konkrete Rechtsfrage der Kläger aufwerfen will. Insbesondere hat der Kläger aber keine Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit durch den BFH gemacht, und diese ist auch nicht offensichtlich (vgl. dazu i.E. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 32).

[11 ] a) Soweit der Kläger meint, ein atypischer Sachverhalt verbiete die Anwendung der typisierenden Regel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG , hat er nicht dargestellt, inwieweit sich hierin eine ungeklärte Rechtsfrage verbirgt.

[12 ] Der Senat hat vielmehr in seinem Urteil in BFHE 201, 499 , BStBl II 2003, 472 (dort unter II.1.d) bereits ausgeführt, dass bestimmte Arten von Kfz, namentlich PKW und Krafträder, typischerweise nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden, während dieser Erfahrungssatz sich auf LKW und Zugmaschinen grundsätzlich nicht anwenden lasse. Damit hat er eine allgemeine Aussage dahin getroffen, dass atypische Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG herauszunehmen sind. Es ist nicht erkennbar, warum es einer neuerlichen Entscheidung desselben Inhalts bedürfte.

[13 ] b) Soweit der Kläger in der Sache meint, Taxen seien ebenso atypisch wie LKW und Zugmaschinen, hat er nicht dargelegt, inwieweit diese Frage —falls darin überhaupt eine abstrakte Rechtsfrage und nicht das Ergebnis der Rechtsanwendung im Einzelfall zu sehen ist— zweifelhaft sein sollte. Er hat keine Hinweise darauf gegeben, wer wann wo dieses Thema aufgeworfen haben soll. Auch dem Senat erschließt sich nicht, warum Taxen —wie der Kläger meint— nicht typischerweise für private Zwecke genutzt werden sollten. Es handelt sich gerade typischerweise um Fahrzeuge, die für den Transport von Personen nebst einer gewissen Menge Gepäck und damit für private Zwecke verschiedenster Art geeignet sind.

[14 ] Davon geht auch das Bundesministerium der Finanzen mit seinen Erleichterungen für die Führung von Fahrtenbüchern bei Taxen (vgl. Schreiben vom 18. November 2009 IV C 6-S 2177/07/10004, 2009/0725394, BStBl I 2009, 1326, unter III.3.b) aus, die nur erforderlich sind, wenn dem Grunde nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auch auf Taxen anwendbar ist. Der Kläger hat keine abweichenden Stimmen benannt oder plausibel dargelegt, warum dies unzutreffend sein soll. Eine Rechtsgrundlage für seine Ausführungen, die private Nutzung von Taxen sei nur unter bestimmten engen Voraussetzungen zulässig, hat der Kläger nicht genannt. Die Frage, ob eine etwaige Unzulässigkeit von Privatfahrten überhaupt die tatsächliche Nichtvornahme von Privatfahrten indiziert, muss daher nicht beantwortet werden.

[15 ] 2. Die behaupteten Divergenzen sind ebenfalls nicht in einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt worden.

[16 ] Eine die einheitliche Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gefährdende Divergenz liegt vor, wenn das FG seiner Entscheidung zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage einen tragenden abstrakten Rechtssatz zu Grunde gelegt hat, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts zu derselben Rechtsfrage nicht übereinstimmt. Folglich sind gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO für eine schlüssige Divergenzrüge diese tragenden, abstrakten Rechtssätze aus dem FG-Urteil einerseits sowie aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits gegenüberzustellen (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Mai 2012 X B 57/11, BFH/NV 2012, 1307 ).

[17 ] Daran fehlt es. Der Kläger hat lediglich gerügt, dass das FG die Taxen nicht als Nutz-/Sonderfahrzeuge betrachtet habe, auf die § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht anwendbar sei. Diese Rüge ist schon deswegen unschlüssig, weil es auch nach den Entscheidungen in BFHE 201, 499 , BStBl II 2003, 472 sowie in BFHE 224, 108 , BStBl II 2009, 381 nicht darauf ankommt, ob ein Fahrzeug ein Sonderfahrzeug ist, sondern ob es typischerweise für Privatfahrten geeignet ist. Von diesem Grundsatz ist das FG gerade nicht abgewichen. Es hat sich vielmehr damit auseinandergesetzt, ob die Taxen für Privatfahrten geeignet sind. Der Beschluss in BFH/NV 2005, 1300 befasst sich nicht mit der Typisierungsfrage.

[18 ] Im Kern beanstandet der Kläger mit dieser Rüge lediglich die nach seiner Auffassung fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall, die für sich genommen außerhalb der greifbaren Gesetzeswidrigkeit (zu den Voraussetzungen der Revisionszulassung aus diesem Grunde vgl. Senatsbeschluss vom 30. August 2012 X B 97/11, BFH/NV 2013, 13 ) die Zulassung der Revision nicht ermöglicht. Eine solche Gesetzeswidrigkeit hat der Kläger mit der Wertung „ohne Zweifel” zwar behauptet, bezieht dies aber fälschlich auf die hier nicht maßgebende Einstufung der Taxen als Sonderfahrzeuge. Eine grobe Fehlerhaftigkeit in Bezug auf die typischerweise vorhandene Eignung der Taxen zu Privatfahrten ist damit nicht dargelegt.

[19 ] 3. Zu der umsatzsteuerlichen Behandlung sind keine Rügen erhoben.

 

BFH ändert „Fahrtrichtung“ bei der Besteuerung von Dienstwagen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Datum vom 10.07.2013 vier Urteile veröffentlicht, in denen er sich zur Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen äußert. Insbesondere in seiner Entscheidung Az. VI R 31/10 macht er darauf aufmerksam, dass die Anwendung der 1 %-Regelung auch dann greift, wenn faktisch keine private Nutzung des vom Arbeitgeber überlassenen Fahrzeugs erfolgt.

In seiner Begründung führt der BFH aus, dass bereits die Überlassung des Dienstwagens durch den Arbeitgeber zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers führt. Der hieraus resultierende geldwerte Vorteil ist – anders als nach der Zuschlagsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG, die nur zur Anwendung kommt, wenn der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einsetzt – nach der 1 %-Regelung zu bewerten und damit „unabhängig von Nutzungsart und -umfang“ abgegolten.

Bislang ging der BFH in seiner Rechtsprechung davon aus, dass bei fehlendem ordnungsgemäßem Fahrtenbuch der Beweis des ersten Anscheins zwar für eine private Nutzung des überlassenen Dienstwagens spricht. Diese Vermutung (sog. Anscheinsbeweis) konnte jedoch durch den Steuerpflichtigen entkräftet werden. Hierfür reichte regelmäßig aus, dass die ernstliche Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs bestand (vgl. BFH-Urteil vom 21.04.2010, Az. VI R 46/08). Diese Handhabe entfällt künftig.

Die aktuell veröffentlichen Entscheidungen stellen damit eine Rechtsprechungsänderung des BFH dar. Lediglich das ordnungsgemäße Führen eines Fahrtenbuchs bzw. ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot kann die Besteuerung des geldwerten Vorteils künftig verhindern. Einer besonderen Überwachung des Nutzungsverbots durch den Arbeitgeber bedarf es hingegen nicht. Auch stellt der BFH nochmals klar, dass die unbefugte Privatnutzung des betrieblichen Fahrzeugs nicht zwingend Lohncharakter hat.

Die Entscheidung des BFH, für welchen Zeitraum ein Fahrtenbuch geführt werden muss, um als ordnungsgemäß anerkannt zu werden (unterjähriger Wechsel von der 1 %-Regelung zur Fahrtenbuchmethode), steht weiterhin aus (Az. VI R 35/12).

www.dstv.de

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Pressemitteilung vom 12.07.2013

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Anwendungsvoraussetzung der 1 %-Regelung – Entkräftung des Anscheinsbeweises
Übernahme von Beiträgen für die Mitgliedschaft in einem Golfclub als Arbeitslohn

 Leitsatz

1. Die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer den betrieblichen PKW tatsächlich privat nutzt, zu einem lohnsteuerlichen Vorteil (Abgrenzung vom BFH-Urteil vom 7. November 2006 VI R 19/05 , BFHE 215, 256 , BStBl II 2007, 116).

2. Ob der Arbeitnehmer den Beweis des ersten Anscheins, dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden, durch die substantiierte Darlegung eines atypischen Sachverhalts zu entkräften vermag, ist damit für die Besteuerung des Nutzungsvorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG unerheblich (Änderung der Rechtsprechung).

3. Die Übernahme der Beiträge für die Mitgliedschaft eines angestellten GmbH-Geschäftsführers in einem Golfclub führt zu Arbeitslohn, auch wenn eine solche Mitgliedschaft dem Beruf förderlich ist.

 Gesetze

EStG §§ 42d, 41a Abs. 1, 38 Abs. 1 und Abs. 3, 19 Abs. 1, 8 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 2 bis 4, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2

 Instanzenzug

Niedersächsisches FG vom 25. Juni 2009 11 K 72/08 (EFG 2010, 1185) BFH VI R 31/10

 Gründe

[1 ] I. Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge.

[2 ] Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH. Die Klägerin hatte zunächst zwei Geschäftsführer, nämlich Steuerberater/Rechtsanwalt A und Steuerberater B. Seit 2001 war A alleiniger Geschäftsführer der Klägerin, nicht aber Gesellschafter der Klägerin. Die Klägerin übernahm im Dezember 2000 für A die Aufnahmegebühr für den Golfclub X in Höhe von 3.250 DM. Im Januar 2001 übernahm sie für A eine sog. Investitionsumlage in Höhe von 1.500 DM sowie den Jahresbeitrag in Höhe von 1.700 DM, ebenfalls für den Golfclub X. Aus diesen Vorgängen zog sie keine lohnsteuerlichen Konsequenzen. Darüber hinaus standen A in den Streitjahren (1998 bis 2001) nacheinander zwei PKW zur Verfügung, die er nach seinem Anstellungsvertrag auch für Privatfahrten nutzen durfte. Im Zeitraum Januar 1998 bis März 2000 nutzte er einen PKW Mercedes mit einem Bruttolistenpreis in Höhe von 75.500 DM; im Zeitraum April 2000 bis Oktober 2001 einen PKW Mercedes mit einem Bruttolistenpreis in Höhe von 121.300 DM.

[3 ] Die Klägerin versteuerte für die private PKW-Nutzung im Zeitraum Januar 1998 bis Dezember 2000 monatlich 130 DM (250 km x 0,52 DM/km) sowie im Zeitraum Januar 2001 bis Oktober 2001 monatlich 145 DM (250 km x 0,58 DM/km) als geldwerten Vorteil.

[4 ] Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) einen Haftungsbescheid, mit dem er die Klägerin nach § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Arbeitgeberin in Anspruch genommen hat. Dem Prüfer folgend war er zu der Auffassung gelangt, die Zahlungen an den Golfclub X seien steuerbarer Arbeitslohn des A. Weiterhin sei dessen Nutzungsvorteil aus der privaten Nutzung der betrieblichen PKW fehlerhaft lohnversteuert worden. Denn dieser sei nicht mit den tatsächlichen Kosten anzusetzen, sondern nach der sog. 1 %-Regelung zu bewerten.

[5 ] Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1185 veröffentlichten Gründen ab.

[6 ] Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

[7 ] Sie beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 25. Juni 2009 11 K 72/08 und den Haftungsbescheid vom 23. Mai 2003 i.d.F. des Einspruchsbescheids vom 29. Januar 2008 aufzuheben.

[8 ] Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

[9 ] II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO— ). Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

[10 ] 1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn —auch soweit er durch einen Dritten gewährt wird— für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

[11 ] a) Überlässt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil des Arbeitnehmers (Urteile des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 6. November 2001 VI R 62/96, BFHE 197, 142 , BStBl II 2002, 370; vom 7. November 2006 VI R 19/05, BFHE 215, 256 , BStBl II 2007, 116; VI R 95/04, BFHE 215, 252 , BStBl II 2007, 269; vom 4. April 2008 VI R 68/05, BFHE 221, 17 , BStBl II 2008, 890; vom 28. August 2008 VI R 52/07, BFHE 223, 12 , BStBl II 2009 , 280 ; vom 21. April 2010 VI R 46/08, BFHE 229, 228 , BStBl II 2010, 848; vom 6. Oktober 2011 VI R 56/10, BFHE 235, 383 , BStBl II 2012, 362). Der Arbeitnehmer ist um den Betrag bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden müsste und den er sich durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (vgl. Senatsurteile vom 13. Dezember 2012 VI R 51/11 , BFHE 240, 69 , BStBl II 2013, 385, sowie vom 10. Februar 1961 VI 89/60 U, BFHE 72, 376, BStBl III 1961, 139; vom 21. Juni 1963 VI 306/61 U, BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387).

[12 ] Die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt damit unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers (Gröpl, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG , § 8 Rz C 22; Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 113; Steiner in Lademann, § 8 EStG Rz 107; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 8 Rz 396; a.A. Kister in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 EStG Rz 80, 83). Denn der Vorteil aus der Nutzungsüberlassung umfasst das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur–, Wartungs- und Treibstoffkosten und damit nutzungsabhängige wie -unabhängige Kosten (vgl. Senatsurteile in BFHE 240, 69 , BStBl II 2013, 385, sowie in BFHE 72, 376, BStBl III 1961, 139; in BFHE 77, 191, BStBl III 1963, 387). Selbst wenn der Arbeitnehmer den hierzu überlassenen PKW tatsächlich nicht privat nutzen sollte, erspart er sich zumindest die (nutzungsunabhängigen) Kosten, die er für das Vorhalten eines betriebsbereiten Kfz verausgaben müsste (Abgrenzung vom BFH-Urteil in BFHE 215, 256 , BStBl II 2007, 116).

[13 ] b) Der geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen bzw. verbilligten Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung fließt dem Arbeitnehmer mit der Inbesitznahme des Dienstwagens und nicht (erst) mit der tatsächlichen privaten Nutzung des PKW zu.

[14 ] aa) Allein der Anspruch auf eine vom Arbeitgeber zugesagte Leistung —etwa die arbeitsvertragliche Zusage, den dienstlichen PKW auch privat nutzen zu dürfen— vermag den Zufluss von Arbeitslohn nicht zu begründen (vgl. BFH-Urteile vom 23. Juni 2005 VI R 124/99 , BFHE 209, 549 , BStBl II 2005, 766; VI R 10/03, BFHE 209, 559 , BStBl II 2005, 770; vom 20. Juni 2001 VI R 105/99, BFHE 195, 395 , BStBl II 2001, 689; vom 14. November 2012 VI R 56/11, BFHE 239, 410 , BStBl II 2013, 382).

[15 ] bb) Zugeflossen ist eine Einnahme erst dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 4. Mai 2006 VI R 19/03 , BFHE 213, 381 , BStBl II 2006, 832; vom 14. Juni 2005 VIII R 47/03, BFH/NV 2005, 2181 ; vom 18. Dezember 2001 IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643 ; jeweils m.w.N.). Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Leistungserfolg eingetreten ist. Deshalb ist bei Nutzungsüberlassungen der geldwerte Vorteil bereits mit der tatsächlichen Überlassung des jeweiligen Wirtschaftsgutes zum Gebrauch zugeflossen; einer tatsächlichen Nutzung des Gegenstands durch den Arbeitnehmer bedarf es in diesen Fällen nicht (Bergkemper, Finanz-Rundschau 2007, 1032 ; vgl. BFH-Urteil vom 12. April 2007 VI R 89/04 , BFHE 217, 555 , BStBl II 2007, 719).

[16 ] cc) Ob die Klägerin den auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis), dass dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden, durch die substantiierte Darlegung eines atypischen Sachverhalts (Gegenbeweis) zu entkräften vermag, ist damit für die Besteuerung des Nutzungsvorteils unerheblich. An der gegenteiligen Rechtsauffassung, wie sie der Senat beispielsweise im Urteil in BFHE 229, 228 , BStBl II 2010, 848 formuliert hat, hält der Senat nicht länger fest. Die belastbare Behauptung des Steuerpflichtigen, das betriebliche Fahrzeug nicht für Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt zu haben, genügt damit nicht, um die Besteuerung des Nutzungsvorteils auszuschließen. Davon kann nur abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige zur privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs nicht (länger) befugt ist.

[17 ] 2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat das FG den geldwerten Vorteil trotz des Vortrags der Klägerin, ihr Geschäftsführer habe den dienstlichen PKW nicht privat genutzt, zu Recht —ohne weitere Feststellungen zum Sachverhalt— als Arbeitslohn angesehen.

[18 ] Dem Geschäftsführer der Klägerin stand nach den bindenden und unbestrittenen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO ) ein Firmenfahrzeug auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Mit der Zurverfügungstellung des Dienstwagens, dem Verschaffen der Sachherrschaft, ist dem Arbeitnehmer der streitgegenständliche Nutzungsvorteil zugeflossen. Denn damit ist ihm die umfassende Möglichkeit zur privaten Nutzung des Fahrzeugs eingeräumt worden. Eines weiteren Zutuns der Arbeitgeberin bedurfte es hierzu nicht. Diese hat vielmehr ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung mit der Überlassung des PKWs erbracht.

[19 ] 3. Ebenfalls zutreffend hat das FG den Vorteil des Arbeitnehmers aus der privaten Nutzungsüberlassung mit der 1 %-Regelung bewertet.

[20 ] a) Nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist der Vorteil aus der privaten Nutzungsüberlassung eines betrieblichen PKW der Höhe nach mit der 1 %-Regelung zu bewerten, sofern nicht das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen wird.

[21 ] aa) Die 1 %-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. Deshalb bleiben nach mittlerweile ständiger Senatsrechtsprechung individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens bei der Bewertung der Nutzungsvorteile grundsätzlich ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwertes (Urteil in BStBl II 2013, 385, m.w.N.).

[22 ] bb) Der Wortlaut der Norm steht dem nicht entgegen. Auch wenn § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG für die „private Nutzung” die entsprechende Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anordnet, setzt § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG , anders als die Zuschlagsregelung nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG , die nur insoweit zur Anwendung kommt, als der Arbeitnehmer den Dienstwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt hat (BFH-Urteil vom 22. September 2010 VI R 57/09 , BFHE 231, 139 , BStBl II 2011, 359), keine entsprechende tatsächliche private Nutzung des Fahrzeugs voraus. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erklärt lediglich eine besondere Bewertungsregel für entsprechend anwendbar. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die betriebsfremde (private) Nutzung eines betrieblichen PKW nicht nach den allgemeinen Regeln und damit nicht mit dem durch die Nutzungsentnahme verursachten Aufwand, sondern pauschal nach der 1 %-Regelung zu bewerten. Die Geltungsanordnung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG erschöpft sich darin, dieses Bewertungsmaß auf die Bewertung eines lohnsteuerlichen Vorteils, der dem Grunde nach feststehen muss, zu erstrecken. Der private Nutzungsvorteil ist demnach nicht —wie bei Sachbezügen üblich— nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen, sondern —entsprechend der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG — pauschal mit 1 % des Bruttolistenneupreises zu bemessen.

[23 ] cc) Nur eine derartige Auslegung von § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG trägt dem Sinn und Zweck der Regelung als pauschalierende und stark typisierende Bewertungsregelung hinreichend Rechnung. Ansonsten müssten die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse für die Anwendung der Vorschrift in den Blick genommen werden. Mit der Anknüpfung der Bemessungsgrundlage an den Bruttolistenneupreis hat der Gesetzgeber jedoch erkennbar davon Abstand genommen, den Nutzungsvorteil (auch) danach zu bestimmen. Vielmehr sollen mit dem Betrag, der nach der 1 %-Regelung als Einnahme anzusetzen ist, sämtliche geldwerten Vorteile, die sich aus der Möglichkeit zur privaten Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs ergeben, unabhängig von Nutzungsart und -umfang (pauschal) abgegolten werden (BFH-Urteil vom 13. Oktober 2010 VI R 12/09 , BFHE 231, 540 , BStBl II 2011, 361).

[24 ] dd) Ihre Rechtfertigung schöpft diese pauschale Bewertung aus dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass bestimmte Kfz, sofern hierzu überlassen (BFH-Urteil in BFHE 235, 383 , BStBl II 2012, 362, m.w.N.), typischerweise und nicht nur vereinzelt und gelegentlich für private Zwecke genutzt werden (BFH-Urteile vom 13. Februar 2003 X R 23/01 , BFHE 201, 499 , BStBl II 2003, 472; in BFHE 229, 228 , BStBl II 2010, 848).

[25 ] b) aa) Der gesetzlich nicht weiter bestimmte Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ist durch die Rechtsprechung des BFH dahingehend präzisiert, dass nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Regelung die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss zeitnah und in geschlossener Form geführt werden, um so nachträgliche Einfügungen oder Änderungen auszuschließen oder als solche erkennbar zu machen. Hierfür hat es neben dem Datum und den Fahrtzielen grundsätzlich auch den jeweils aufgesuchten Kunden oder Geschäftspartner oder —wenn ein solcher nicht vorhanden ist— den konkreten Gegenstand der dienstlichen Verrichtung aufzuführen. Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen allenfalls dann, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Dementsprechend müssen die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden. Grundsätzlich ist dabei jede einzelne berufliche Verwendung für sich und mit dem bei Abschluss der Fahrt erreichten Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs aufzuzeichnen. Besteht allerdings eine einheitliche berufliche Reise aus mehreren Teilabschnitten, so können diese Abschnitte miteinander zu einer zusammenfassenden Eintragung verbunden werden. Dann genügt die Aufzeichnung des am Ende der gesamten Reise erreichten Gesamtkilometerstands, wenn zugleich die einzelnen Kunden oder Geschäftspartner im Fahrtenbuch in der zeitlichen Reihenfolge aufgeführt werden, in der sie aufgesucht worden sind. Wenn jedoch der berufliche Einsatz des Fahrzeugs zugunsten einer privaten Verwendung unterbrochen wird, stellt diese Nutzungsänderung wegen der damit verbundenen unterschiedlichen steuerlichen Rechtsfolgen einen Einschnitt dar, der im Fahrtenbuch durch Angabe des bei Abschluss der beruflichen Fahrt erreichten Kilometerstands zu dokumentieren ist (vgl. BFH-Urteile vom 9. November 2005 VI R 27/05 , BFHE 211, 508 , BStBl II 2006, 408; vom 16. November 2005 VI R 64/04, BFHE 211, 513 , BStBl II 2006, 410; vom 16. März 2006 VI R 87/04, BFHE 212, 546 , BStBl II 2006, 625; vom 14. Dezember 2006 IV R 62/04, BFH/NV 2007, 691 ; vom 10. April 2008 VI R 38/06, BFHE 221, 39 , BStBl II 2008, 768).

[26 ] Allerdings gibt ein Fahrtenbuch erst dann im gebotenen Umfang ohne die Möglichkeit nachträglicher Manipulation hinreichend Aufschluss über die Fahrten, wenn nicht nur die Anzahl der gefahrenen Kilometer in Form der zurückgelegten Strecke selbst, sondern auch die Anfangs- und Endpunkte der Fahrten hinreichend konkret benannt sind. Denn ohne diese Angaben ließe sich allenfalls die an den jeweiligen Tagen gefahrene Strecke ersehen und der Umkreis bestimmen, in dem sich das Fahrzeug aufgehalten haben könnte, ohne aber beurteilen zu können, welchem Zweck die jeweiligen Fahrten gedient haben. Diese Angaben sind im Fahrtenbuch selbst zu machen (BFH-Urteil vom 1. März 2012 VI R 33/10 , BFHE 236, 497 , BStBl II 2012, 505; Schneider, Neue Wirtschafts-Briefe 2012, 1892 ).

[27 ] bb) Dass das FG die von der Klägerin vorgelegten Fahrtenbücher als nicht ordnungsgemäß verworfen hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

[28 ] (1) Die Beurteilung, ob das Fahrtenbuch ordnungsgemäß ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung des FG (BFH-Urteil in BFHE 221, 39 , BStBl II 2008, 768, m.w.N.). Dieses hat im Streitfall die Ordnungsmäßigkeit der Fahrtenbücher in den streitigen Zeiträumen Januar 1998 bis Oktober 2001 als mangelhaft erachtet, weil es u.a. festgestellt hat, dass in den Fahrtenbüchern aussagefähige Angaben zum Zweck der jeweiligen Fahrt fehlen und die Fahrten nach Ausgangs- und Endpunkten nicht vollständig wiedergegeben worden sind.

[29 ] (2) Die Würdigung des FG, dass die von der Klägerin vorgelegten Fahrtenbücher deshalb keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der dort getroffenen Angaben bieten und zum Nachweis des zu versteuernden privaten Anteils an der Gesamtfahrleistung ungeeignet sind, ist möglich und nachvollziehbar. Sie verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, so dass der Senat hieran mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO ).

[30 ] c) Eine andere Art, die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse nachzuweisen, kennt das Gesetz nicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 221, 17 , BStBl II 2008, 890, m.w.N.). Vielmehr handelt es sich bei der 1 %-Regelung zur Ermittlung der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs —sofern kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch geführt wird— um eine zwingende Bewertungsregelung (BFH-Urteil in BFHE 215, 252 , BStBl II 2007, 269, m.w.N.). Deshalb sind —entgegen der Auffassung der Klägerin— insbesondere Reisekosten- und Spesenabrechnungen, aber auch andere Unterlagen wie Werkstattrechnungen, Terminkalender, Fahrtaufzeichnungen in Form einer Excel-Tabelle sowie Angaben von Mitarbeitern, Arbeitskollegen oder Familienangehörigen zu den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen nicht geeignet, das Verhältnis der privaten zur beruflichen Nutzung zu belegen.

[31 ] 4. Ebenfalls zu Recht hat das FG entschieden, dass die streitbefangenen Beiträge für die Mitgliedschaft ihres Geschäftsführers im Golfclub X zu Arbeitslohn führen und deshalb der angefochtene Haftungsbescheid auch hinsichtlich der auf diese Beiträge entfallenden Lohnsteuer (zuzüglich Annexsteuern) rechtmäßig ist.

[32 ] a) Die Mitgliedschaft in einem Sport-, Geselligkeits- oder Freizeitverein betrifft die private Sphäre des Arbeitnehmers. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Mitgliedschaft dem Beruf förderlich ist, weil sich auf diesem Weg Kontakte mit (zukünftigen) Kunden des Arbeitgebers anknüpfen oder vorhandene Geschäftsbeziehungen intensivieren lassen. Ein solcher beruflicher Bezug lässt sich vom privaten Bereich nicht trennen, da er oftmals eine Folgewirkung von privaten Kontakten (gemeinsame Unterhaltung, gemeinsamer Verzehr, sportliche Betätigungen im Verein) ist oder weil sich aus vorhandenen geschäftlichen Beziehungen private Freundschaften durch eine gemeinsame Mitgliedschaft in Vereinen entwickeln können, und zwar auch dann, wenn sich der Arbeitnehmer —wie im Streitfall— sportlich nicht betätigt oder beispielsweise mangels Platzreife nicht betätigen kann. Damit kommt auch eine Aufteilung der angefallenen Aufwendungen entsprechend einem beruflichen bzw. privaten Anteil der Veranlassungsbeiträge nicht in Betracht. Greifen —wie hier— die —für sich gesehen jeweils nicht unbedeutenden— beruflichen und privaten Veranlassungsbeiträge so ineinander, dass eine Trennung nicht möglich ist, fehlt es also an objektivierbaren Kriterien für eine Aufteilung, so kommt ein Abzug der Aufwendungen insgesamt nicht in Betracht (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1 , BStBl II 2010, 672, m.w.N.).

[33 ] b) Ersetzt daher die Klägerin A Beiträge (u.Ä.) für dessen Mitgliedschaft im Golfclub X, so wendet sie ihm Vorteile im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis zu, die als Arbeitslohn zu qualifizieren sind. Daran ändert —jedenfalls im Streitfall— der Umstand nichts, dass A aufgrund einer dienstlichen Weisung dem Verein beigetreten ist und dort im Interesse seiner Arbeitgeberin Kunden gewinnen sollte. Anders könnte die Rechtslage allenfalls dann sein, wenn eine aufgedrängte Bereicherung vorliegt, die Klägerin A den Beitritt zum Golfclub X derart aufgedrängt hätte, dass er sich dem nicht hätte entziehen können, ohne Nachteile in Kauf zu nehmen. Dies wurde von der Klägerin nicht vorgetragen und das FG hat solche Umstände auch nicht festgestellt; solche Umstände werden auch regelmäßig nicht gegeben sein (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 1992 VI R 106/88 , BFHE 168, 532 , BStBl II 1993, 840).

[34 ] 5. Dass das FA die streitbefangene Lohnsteuer nebst Annexsteuern durch einen Haftungsbescheid festsetzen durfte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig. Ebenfalls zu Recht streiten die Beteiligten nicht um die Bemessung der Lohnsteuerschuld.

[35 ] 6. Die geltend gemachten Verfahrensrügen der mangelhaften Sachverhaltsaufklärung und des Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO ).

 

Gleiche Rechte für Lebenspartner

Die Länder haben am 05.07.2013 dem Gesetz zugestimmt, das das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ehegattensplitting umsetzt. Die neue Regelung stellt sicher, dass Verheiratete und eingetragene Lebenspartner künftig bei der Einkommensteuer gleich zu behandeln sind. Die Vorschriften sind für alle noch nicht bestandskräftigen Fälle rückwirkend ab dem Jahr 2001 – dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Lebenspartnerschaftsgesetzes – anzuwenden. Das Gesetz kann nun dem Bundespräsidenten zur Verkündung zugeleitet werden.

In einer begleitenden Entschließung kritisiert der Bundesrat, dass sich das Gesetz allein auf die Umsetzung der Verfassungsgerichtsentscheidung im Einkommensteuergesetz beschränkt. Er hält auch eine Anpassung derjenigen steuerrechtlichen Vorschriften für erforderlich, die in direktem Zusammenhang mit der Einkommensteuer stehen, auf die sich die Entscheidung des Gerichts übertragen lässt. Zudem sei auch das gesamte Adoptionsrecht diskriminierungsfrei auszugestalten, wobei stets das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen müsse.

Das Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 finden Sie auf den Seiten des Bundesrat.

Quelle: Bundesrat, Pressemitteilung vom 05.07.2013

Bundesrat Drucksache 532/1/13
03.07.13

Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln
Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
ISSN 0720-2946
Antrag
der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg,
Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen,
Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein
Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in
Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
vom 7. Mai 2013
Punkt 72 der 912. Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013
Der Bundesrat möge folgende Entschließung fassen:
1. Der Bundesrat begrüßt es grundsätzlich, dass die Regierungsfraktionen einen
Gesetzentwurf zur Umsetzung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes
vom 7. Mai 2013 vorlegen und damit Schritte zur Gleichstellung eingetragener
Lebenspartnerschaften mit der Ehe im Steuerrecht unternehmen wollen. Er
bedauert es vor dem Hintergrund der eindeutigen Rechtsprechungslinie zur
Gleichstellung von homosexuellen mit heterosexuellen Partnerschaften, dass es
dazu erst einer erneuten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bedurfte.
2. Das vorliegende Gesetz beschränkt sich auf die Umsetzung der
Verfassungsgerichtsentscheidung im Einkommensteuergesetz, weil nach
Aussage des Bundesministeriums der Finanzen die darüber hinausgehende
Anpassung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften noch der umfassenden
steuerfachlichen und der rechtsförmlichen Prüfung bedarf.
Der Bundesrat verweist auf seinen bereits am 1. März 2013 beschlossenen
Entwurf eines Gesetzes zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe
im Einkommensteuerrecht (Drucksache 137/13 (Beschluss)), das – im
Gegensatz zum vorgelegten Gesetz – auch eine Anpassung derjenigen
steuerlichen Vorschriften enthält, die in direktem Zusammenhang mit der
Einkommensteuer stehen und auf die sich die Entscheidung desDrucksache 532/1/13 – 2 –

Bundesverfassungsgerichtes übertragen lässt. Hierzu gehören die auch aus Sicht
des Bundesrates – zumindest klarstellend – notwendigen Anpassungen
insbesondere der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, des
Wohnungsbau-Prämiengesetzes, des AltersvorsorgeverträgeZertifizierungsgesetzes und des Eigenheimzulagengesetzes.
Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetz
erneut nur dort eine Änderung der steuerlichen Vorschriften vornehmen will, wo
sie dazu ausdrücklich vom Bundesverfassungsgericht gezwungen wird. Er
erwartet, dass die gesetzliche Umsetzung der vollständigen Gleichstellung
eingetragener Lebenspartnerschaften im Steuerrecht in der kommenden
Legislaturperiode des Deutschen Bundestags umgehend und unter enger
Einbindung der Länder erfolgt.
3. Der Bundesrat sieht den vom Deutschen Bundestag vorgeschlagenen Schritt
insgesamt als zu kurz gegriffen an, um die bestehenden Ungleichbehandlungen
von eingetragenen Lebenspartnerschaften nachhaltig und vollständig zu
beenden.
4. Der Bundesgesetzgeber hat im Jahr 2001 mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz
eine Rechtsform geschaffen, mit der gleichgeschlechtliche Paare erstmals
rechtlich anerkannt und (schrittweise) mit Eheleuten in vielen Rechtsbereichen
gleichgestellt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt eine
Ungleichbehandlung zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft in
einzelnen Rechtsgebieten als verfassungswidrigen Verstoß gegen den
Gleichheitssatz angesehen, zum Beispiel im Beamtenrecht, in der Erbschaft-,
Schenkung- und Grunderwerbsteuer sowie jüngst im Einkommensteuerrecht.
Auch die Ungleichbehandlung hetero- und homosexueller Paare bei der
Sukzessivadoption wurde als verfassungswidrig verworfen.- 3 – Drucksache 532/1/13

5. Nach wie vor hat der Bundesgesetzgeber wider besseres Wissens die
Gleichstellung in einer ganzen Reihe von gesetzlichen Regelungen nicht
vollzogen, sodass es weiterhin zu unbegründeten Ungleichbehandlungen kommt.
Hierunter fallen auch Regelungen etwa
a. in der Zivilprozessordnung,
b. im Zwangsversteigerungsgesetz,
c. in der Insolvenzordnung,
d. im Schuldrechtsanpassungsgesetz,
e. bei der Übernahme eines Hofes,
f. im Heimarbeitsgesetz,
g. im Bundesvertriebenengesetz,
h. im Beruflichen Rehabilitierungsgesetz,
i. im Bundeskindergeldgesetz und
j. im Sprengstoffgesetz.
6. Auch die abschließende rechtliche Gleichstellung im Adoptionsrecht ist bisher
nicht erfolgt. Aus Sicht des Bundesrates sind homosexuelle Paare keine
schlechteren Eltern als heterosexuelle Paare. Es liegen auch keine
wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die die gegenteilige Annahme zu stützen
vermögen. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu ausgeführt (BVerfG, Urteil
vom 19. Februar 2013, 1 BvL 1/11 und 1 BvR 3247/09, Rn. 104): „Unterschiede
zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft, welche die ungleiche
Ausgestaltung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen
nicht; insbesondere sind beide Partnerschaften gleichermaßen auf Dauer
angelegt und rechtlich verfestigt“. In zwei Entscheidungen geht das
Bundesverfassungsgericht davon aus, dass Kinder in einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft ebenso behütet aufwachsen können wie in einer Ehe
(BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 2012, 2 BvR 1397/09, Rn. 76 und Urteil vom
19. Februar 2013, a.a.O., Rn. 80). Daher ist nicht nur die ausstehende
gesetzgeberische Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
zur Gleichstellung bei der Sukzessivadoption angezeigt. Vielmehr muss dasDrucksache 532/1/13 – 4 –
gesamte Adoptionsrecht diskriminierungsfrei ausgestaltet werden. Dabei muss
stets das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen.
7. Das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft bleibt letztlich immer eine
Sonderform. Der Ausschluss von der Eheschließung ist eine Diskriminierung
aufgrund der sexuellen Identität. Dies würde selbst dann gelten, wenn die völlige
rechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft erfolgen würde.
Um diese und alle übrigen rechtlichen Ungleichbehandlungen abzubauen, hat
der Bundesrat mit Beschluss vom 22. März 2013 ein Gesetz zur Einführung des
Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts (Drucksache
196/13 (Beschluss)) vorgeschlagen. Der Gesetzentwurf liegt dem Deutschen
Bundestag zur Beratung vor. Der Bundesrat bittet den Deutschen Bundestag, die
Beratung der Vorlagen zeitnah aufzunehmen.

„Sensibilisierungswoche“ als Arbeitslohn

Ein Unternehmen bot seinen Mitarbeitern im Rahmen eines sog. Demografieprojekts ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil (sog. Sensibilisierungswoche) an. Das Unternehmen bat das Finanzamt um Auskunft über die lohnsteuerliche Behandlung der Kosten für die Teilnahme an diesem Seminar, die sich pro Mitarbeiter auf ca. 1.300 Euro (abzüglich Krankenkassenzuschüsse) beliefen.

Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich um Arbeitslohn handele, wobei der Freibetrag für Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung in Höhe von 500 Euro abgezogen werden könne. Dagegen wendete sich das klagende Unternehmen und machte geltend, die angebotene Maßnahme liege ganz überwiegend in seinem eigenen Interesse, so dass es am Entlohnungscharakter fehle.

Dem ist das Finanzgericht Düsseldorf nicht gefolgt. Die Zuwendung stelle Arbeitslohn dar, da es sich bei der Sensibilisierungswoche um eine allgemein-gesundheitspräventive Maßnahme handele. Dafür sprächen neben der Verwendung der Bezeichnungen „Demografieprojekt“ und „Präventionsmaßnahme“ im Sinne des Sozialrechts die bezweckte Vermittlung von Erkenntnissen über einen gesunden Lebensstil sowie der Inhalt des vorgelegten Wochenplans. Zudem bestehe keine Verpflichtung der Arbeitnehmer zur Teilnahme, sie seien vielmehr gezwungen, Fahrtkosten und Freizeit dafür aufzuwenden.

Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Düsseldorf, Mitteilung vom 04.07.2013 zum Urteil 16 K 922/12 vom 18.04.2013

 

Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 922/12 L

Datum:
18.04.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
16. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
16 K 922/12 L
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Streitig ist, ob die Teilnahme von Arbeitnehmern der Klägerin an einem einwöchigen Seminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil („Sensibilisierungswoche“) als Zuwendung mit Entlohnungscharakter zu qualifizieren ist. Gegenstand der Klage ist die Erteilung einer Anrufungsauskunft gem. § 42 e des Einkommensteuergesetzes (EStG).

3Die Klägerin hatte mit Schreiben vom 12.10.2010 den Beklagten um Auskunft über die lohnsteuerliche Behandlung eines Angebots im Rahmen eines „Demografieprojekts“ ersucht. Bereits im Vorfeld des Auskunftsersuchens hatte es Besprechungen zwischen Vertretern der Klägerin und des Beklagten gegeben. Am 15.9.2010 waren Unterlagen unter der Bezeichnung „……. Das Gesundheitsprogramm der „A“ GmbH“ übergeben worden, auf deren Inhalt verwiesen wird.

4Die Klägerin, so heißt es in dem Auskunftsersuchen, habe in Zusammenarbeit mit der „B“ AG hierzu ein Konzept entwickelt, das dazu dienen solle, die Beschäftigungsfähigkeit, die Leistungsfähigkeit und die Motivation der aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend alternden Belegschaft zu erhalten. Unter anderem werde ein einwöchiges Einführungsseminar zur Vermittlung grundlegender Erkenntnisse über einen gesunden Lebensstil angeboten (sog. Sensibilisierungswoche). Das Angebot richte sich an sämtliche Mitarbeiter der Klägerin. Eine Verpflichtung zur Teilnahme sei zwar beabsichtigt, aber gegen den Konzernbetriebsrat nicht durchsetzbar gewesen. Bei einer zugesagten Teilnahme bestehe aber Anwesenheitspflicht unter Androhung von Sanktionen. Teilnehmer hatten vorab einen dies regelnden Vertrag zu unterzeichnen. Mit Schreiben vom 2.12.2010 hat die Klägerin ein Musterexemplar eines solchen Vertrages vorgelegt, auf das verwiesen wird. Die Kosten für die Teilnahme, die von der Klägerin auf ca. 1.300 Euro pro Mitarbeiter abzgl. zu erwartender Zuschüsse der Krankenkassen von bis zu 400 Euro beziffert wurden (Zusammensetzung: Übernachtungskosten für 6 Übernachtungen 204 Euro, Verpflegungskosten 330 Euro und Seminarkosten 766 Euro), hatte, mit Ausnahme der Fahrtkosten, die Klägerin zu tragen. Der jeweilige Mitarbeiter hatte für die Teilnahmewoche ein Zeitguthaben oder Urlaubstage aufwenden. Die Fortsetzung der Maßnahmen an den jeweiligen Beschäftigungsstandorten, so hieß es, sei vorgesehen. Hierfür sei dann vor Ort ein Koordinator zuständig. Die Firma „B“ biete zudem in einem überregionalen Netzwerk Hilfestellung an.

5Der Klageschrift war überdies ein Wochenprogramm beigefügt. Daraus ergibt sich, dass die Veranstaltung am Montag um 8.00 Uhr begann und am Freitag um 11.30 Uhr endete. Die Veranstaltungen dauerten jeweils mindestens bis zum späten Nachmittag. Wegen des Inhalts der Veranstaltungen im Einzelnen wird auf das Programm Bezug genommen. Auf einem angehängten Einzelblatt wurde ein „Haus der Arbeitsfähigkeit“ vorgestellt, dessen Ausgangsebene mit „Gesundheit, körperl./psych. Leistungsfähigkeit“ bezeichnet ist.

6Die Klägerin meinte, bei einer steuerlichen Behandlung der kostenlosen Teilnahme als Arbeitslohn sei jedenfalls ein Betrag von 500 Euro nach § 3 Nr. 34 EStG i.V.m. §§ 20, 20 a des Sozialgesetzbuches (SGB) Teil V steuerfrei. Da jedoch die angebotene Maßnahme im ganz überwiegenden Interesse der Klägerin liege, fehle es bereits an dem Entlohnungscharakter, so dass die „Zuwendung“ insgesamt nicht steuerbar sei. Das angebotene Seminar sei wie ein fachspezifisches Fortbildungsseminar zu behandeln.

7(..)

8Der Beklagte hat sich der Argumentation der Klägerin nicht angeschlossen und unter Hinweis auf die Rechtsprechung mit Bescheid vom 25.1.2011 eine für die Klägerin überwiegend negative Auskunft erteilt. Lediglich die Anwendung des § 3 Nr. 34 EStG komme in Betracht. In dem nachfolgenden Einspruchsverfahren hat die Klägerin, nunmehr nicht mehr vertreten durch ihre eigene Rechtsabteilung, sondern durch den Prozessvertreter, ihren Vortrag wie folgt modifiziert:

9Die individuellen Workshops während der Sensibilisierungswoche seien zielgruppenorientiert (Geschäftsleitung, Führungskräfte, Mitarbeiter und Betriebsräte). Im Anschluss daran folgten regelmäßige Führungswerkstätten, Fortbildungen und andere Veranstaltungen an den Standorten. Schwerpunkt des Programms sei, ein verändertes Führungsverhalten und ein anderes Miteinander-Umgehen anzustoßen. Das Modell ziele darauf ab, im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung differenzierte Ansatzpunkte für Verbesserungen und Optimierungen zu definieren. Für jeden Arbeitsbereich seien genaue Ansatzpunkte der Verbesserung und Optimierung der Arbeit zu finden. Die Sensibilisierungswoche diene dazu, auf Individualebene eine Beurteilung der eigenen Arbeits- und Leistungsfähigkeit vornehmen zu können, mit dem Ziel, selbständig Veränderungen einleiten zu wollen. Lediglich ein Nebeneffekt des Modells liege darin, dass es sich für den einzelnen Arbeitnehmer positiv auf sein gesundheitliches und soziales Wohlbefinden auswirken könne. Bei der Sensibilisierungswoche handele es sich nicht um eine Gesundheitswoche, die der Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit diene. Dementsprechend werde auch kein Arzt eingeschaltet. Vielmehr stünde die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens im Mittelpunkt der Betrachtung. Das Seminar sei vergleichbar mit Teambildungsmaßnahmen wie Survivalkursen oder Gruppenseminaren.

10Hierzu wurde ein Prospekt der „B“ eingereicht. Zur „zentralen Funktion der Sensibilisierungswoche“ heißt es in dem vorgelegten Material u.a., die Sensibilisierungswoche sei ein unverzichtbarer strategischer Grundpfeiler der Personal-, Persönlichkeits- und Organisationsentwicklung. Dem übrigen Inhalt ist zu entnehmen, es gehe insgesamt nicht um eigene gesundheitliche Aspekte der Teilnehmer, sondern darum, Führungsstil, Mitbestimmung und Umgang und Kommunikation im Hinblick auf gesundheitliche Auswirkungen zu überprüfen.

11Die Sensibilisierungswoche sei zudem zwingende Voraussetzung für das „Anforderungs-Ressourcen-Modell nach Becker“ und damit für die nachfolgenden Workshops. Sie könne daher nicht isoliert betrachtet werden, sondern müsse als Teil der Gesamtmaßnahme genauso beurteilt werden, wie die nachfolgenden „Workshops/Evaluationen“. Es handele sich bei den Aufwendungen nicht um Krankheitskosten oder Kosten für vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen.

12Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 7.2.2012). Daraufhin hat die Klägerin am 15.5.2012 Klage erhoben.

13Im Klageverfahren hat die Klägerin nochmals den Sachverhalt geschildert (..). Sie hat außerdem ihre Rechtsauffassung zusammengefasst. Hinzugefügt wurde eine weitere Ausarbeitung der „B“ zur zentralen Funktion der Sensibilisierungswoche. Darin heißt es u.a., die Sensibilisierungswoche verfolge das Ziel, allen Ebenen des Unternehmens, Geschäftsleitung, Führungskräften, Mitbestimmung und Mitarbeitern die Zusammenhänge und daraus resultierenden Einflussmöglichkeiten zu verdeutlichen.

14Die Seminare würden nunmehr seit 2009 betrieben und auch weiter fortgeführt. Die Veranstaltungen seien bewusst nicht getrennt nach Führungskräften und Mitarbeitern besetzt. Bis 2011 hätten insgesamt 680 Mitarbeiter teilgenommen (400 Tarifangestellte, 245 außertariflich Beschäftigte, 33 leitende Angestellte und 2 Geschäftsführer).

15Die Klägerin beantragt,

16die Anrufungsauskunft vom 25.1.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und festzustellen, dass die von der Klägerin getragenen Kosten der Sensibilisierungswoche keinen Arbeitslohn beinhalten,

17hilfsweise, die Revision zuzulassen.

18Der Beklagte beantragt,

19die Klage abzuweisen,

20hilfsweise, die Revision zuzulassen.

21Der Beklagte hat an seiner bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung festgehalten.

22Entscheidungsgründe

23Die Klage ist unbegründet.

24Der Beklagte hat  zu Recht den der Sensibilisierungswoche zuzumessenden Wert als Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils qualifiziert, der lediglich im in § 3 Nr. 34 EStG beschriebenen Umfang steuerfrei zu belassen ist. Damit hat der Beklagte eine zutreffende Anrufungsauskunft gegeben.

251. Nach § 42 e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten (hier des Arbeitgebers, R 42e Abs. 1 der Lohnsteuerrichtlinien –LStR-) Auskunft darüber zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind. Die Anfrage muss auf einen konkreten betrieblichen Vorgang im Zusammenhang mit der Einbehaltung oder Abführung der Lohnsteuer bezogen sein.

26Die Auskunft ist für das Lohnsteuerabzugsverfahren verbindlich (BFH-Urteil vom 13.1.2011 VI R 61/09, Bundessteuerblatt –BStBl- Teil II 2011, 479; Krüger/Schmidt, Kommentar zum EStG § 42 e Rz. 8 zu den Folgen). Die Bindung umfasst auch bereits abgeschlossene Geschehensabläufe. Die Beteiligten haben einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Auskunft. Die Auskunft ist ein feststellender voll, auch inhaltlich, überprüfbarer Verwaltungsakt (BFH-Urteil vom 30.4.2009 VI R 54/07, BStBl II 2010, 996). Sie unterliegt der umfassenden inhaltlichen Überprüfung durch das Finanzgericht (anders zur verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 der Abgabenordnung –AO-: BFH Urteil vom 29.2.2012 IX R 11/11, BStBl II 2012, 651, insb. unter II.1.g).

27Da im Falle der fachkundig vertretenen Klägerin ausdrücklich von Anfang an eine Auskunft nach § 42 e EStG beantragt worden war, waren die Voraussetzungen einer verbindlichen Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO bzw. eine verbindliche Zusage gem. §§ 204 ff. AO nicht zu prüfen.

282. Die Übernahme der Kosten für die Teilnahme an der Sensibilisierungswoche durch die Klägerin hatte Arbeitslohncharakter. Der den Arbeitnehmern zugewendete geldwerte Vorteil wurde nicht in ganz überwiegendem betrieblichen Interesse gewährt.

29a) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die für seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (BFH-Urteil vom 11.3.2010 VI R 7/08, BStBl II 2010, 763 m.w.N.).

30Das Ergebnis einer solchen, den Arbeitslohncharakter verneinenden Würdigung verlangt, dass der Vorteil im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse gewährt werden muss. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlungen zugrunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und insbesondere Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers.

31Insgesamt hängt die Qualifizierung von den Umständen des Einzelfalles ab. Ergibt die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt, auch wenn die Zuwendung für den Arbeitnehmer mit angenehmen Begleitumständen verbunden ist, kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor.

32Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung zu Arbeitslohn führen. Insbesondere bei Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten wird in der Regel das eigenbetriebliche Interesse erheblich überwiegen (vgl. BFH-Urteil vom 30.5.2001 VI R 177/99, BStBl II 2001, 671).

33b) Im Falle der Klägerin handelt es sich hingegen bei der Teilnahme an der Sensibilisierungswoche um eine allgemein gesundheitspräventive Maßnahme. Die im Zusammenhang mit der Anrufungsauskunft gewählte Bezeichnung „Demografieprojekt“, die zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung der Vermittlung von Erkenntnissen über einen gesunden Lebensstil, die Benennung in den Verträgen als „Präventionsmaßnahme“ nach § 20 SGB V sowie der Inhalt des Wochenplanes belegen, dass die Gesundheitsvorsorge Gegenstand der Sensibilisierungswoche gewesen ist. Die allgemeine Gesundheitsvorsorge liegt zwar auch im Interesse eines Arbeitgebers, aber zuvorderst im persönlichen Interesse der Arbeitnehmer. Dementsprechend bestand keine Verpflichtung zur Teilnahme der Arbeitnehmer an diesem Angebot der Klägerin. Die Teilnahme war grundsätzlich freigestellt, so dass diejenigen Arbeitnehmer die Möglichkeit zur Teilnahme hatten, die sich hiervon einen persönlichen Vorteil versprachen, beispielsweise gesundheitlich gefährdete Arbeitnehmer. Auch die Tatsache, dass die Arbeitnehmer Fahrtkosten und eigene Freizeit (Zeitguthaben, Urlaub) aufzuwenden hatten, unterstreicht den Gesamteindruck, dass hier den Arbeitnehmern zumindest auch ein Vorteil vermittelt wurde bzw. werden sollte. Diese Regelung setzte ein besonderes Eigeninteresse des Arbeitnehmers voraus, das ihn dazu bewegt, eigene Initiative und Aufwendungen einzubringen.

34c) Die Maßnahme ist auch nicht vergleichbar mit fachspezifischen Fortbildungsseminaren oder Teambildungsseminaren. Zum einen fehlte es an den fachspezifischen Inhalten und zum anderen bestand der Teilnehmerkreis nicht aus Arbeitsteams, sondern war, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, gemischt zusammengesetzt. (..)

35d) Es kann dahingestellt bleiben, ob der spätere „modifizierte“ Vortrag der Klägerin noch denselben, der Anrufungsauskunft zugrundeliegenden Sachverhalt meint, oder, ob es sich um einen neuen, noch zu bescheidenden Antrag mit geändertem Sachverhalt handelt. Der „ergänzte“ Sachverhalt ist für Zwecke einer Anrufungsauskunft überdies lückenhaft und damit für eine Beurteilung untauglich, schon deshalb, weil die weiteren, angeblich auf der Sensibilisierungswoche aufbauenden Maßnahmen nicht im Einzelnen dargestellt wurden. Jedenfalls spiegeln sich die möglicherweise und von dem hierzu angehörten Herrn „C“ anschaulich geschilderten weitergehend verfolgten Arbeitgeberinteressen im Sinne, eine veränderte Unternehmenskultur durch eine Vielzahl von Maßnahmen zu installieren, nicht in dem hier zu beurteilenden Sachverhalt. Da die freiwillige Teilnahme an der Sensibilisierungswoche keinerlei weitergehende Verpflichtung etwa zur Teilnahme an darauf aufbauenden Workshops oder dergleichen beinhaltete, unterliegt ihre lohnsteuerliche Bewertung einer isolierten Betrachtung. Bei objektiver Betrachtung wurde den Arbeitnehmern ein einwöchiger Aufenthalt ohne weitere Verpflichtungen vermittelt. Die vorgetragenen weitergehenden Zielsetzungen spiegeln sich auch in keiner Weise in dem Inhalt des Wochenprogramms wieder. Für den Arbeitnehmer war lediglich der Inhalt des konkreten Angebots der Teilnahme an der Sensibilisierungswoche und der damit einhergehende geldwerte Vorteil maßgebend.

36e) Eine Zuwendung kann auch gemischt veranlasst sein. Dann kommt eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 11.3.2010 VI R 7/08, BStBl II 2010, 763 m.w.N.). Voraussetzung ist, dass sich einzelne Elemente der Zuwendung aus dem Gesamtzusammenhang herauslösen lassen. Lässt sich der Charakter der Sachzuwendung dagegen nur einheitlich beurteilen, ist die Zuwendung auch nur einheitlich zu qualifizieren. Vorliegend ist eine Aufteilung nicht möglich, da die jeweiligen Veranlassungsbeiträge so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich ist. Die Positionen Übernachtungskosten, Verpflegungskosten und Seminarkosten sind einer unterschiedlichen Betrachtung nicht zugänglich. Ebenso bilden die einzelnen Seminarinhalte insgesamt eine Einheit, bei der die Veranstaltungen ineinandergreifend aufeinander aufbauen.

37f) Die Einordnung der Sensibilisierungswoche entspricht zudem der gesetzgeberisch vorgegebenen Wertung in § 3 Nr. 34 EStG für Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20, 20 a SGB V genügen. Deshalb war die Auskunft des Beklagten zutreffend, dass ein Betrag von 500 Euro steuerfrei zu belassen sei.

38Wie bereits ausgeführt, belegen insbesondere das ursprünglich vorgelegte Prospektmaterial, ebenso wie der Mitarbeitervertrag sowie das detaillierte Wochenprogramm die Ausrichtung als gesundheitspräventive Maßnahme i.S.d. §§ 20, 20 a SGB V. Auch der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich Erstattungen der Krankenversicherungen bis zur Höhe von 400 Euro pro Teilnehmer zu erwarten seien (vgl. auch unter Nr. 3 des Teilnahmevertrages). Diese Erstattungen setzen aber eine Qualifizierung i.S.v. §§ 20, 20 a SGB V voraus. In den mit den Teilnehmern geschlossenen Verträgen wurde folgerichtig auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um eine Maßnahme nach § 20 SGB V handele (unter 1. des Vertrages). Derartige Maßnahmen hat der Gesetzgeber, wie aus der Vorschrift des § 3 Nr. 34 EStG zu schließen ist, grundsätzlich als Arbeitslohn eingestuft und nur wegen der Förderungswürdigkeit bis zu einem vom Gesetzgeber für angemessen gehaltenen Betrag von 500 Euro steuerfrei belassen.

393. Die Revision wird zugelassen (§ 115 Abs. 1 u. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO-).

404. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Steuerliche Förderung eigengenutzter denkmalgeschützter Gebäude

Das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) hat mit Urteil vom 06.05.2013 (Az. 9 K 279/12) einer Klage zur steuerlichen Abzugsfähigkeit einer Steuerbegünstigung gemäß § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG stattgegeben und sich dabei – soweit ersichtlich – als erstes FG mit der Problematik einer zeitanteiligen Kürzung des Förderbetrags im Falle eines unterjährigen steuerschädlichen Nutzungswechsels auseinandergesetzt.

Hintergrund
Der Kläger hatte im Jahr 2000 ein Grundstück mit einem sanierungsbedürftigen, denkmalgeschützten Gebäude erworben. Er bewohnte dieses zunächst gemeinsam mit seinen Eltern. Das Finanzamt gewährte daraufhin die begehrte Steuerbegünstigung für die aufgewendeten Sanierungskosten nach § 10f Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab dem Jahr der Fertigstellung (2003) und für die Folgejahre (Förderzeitraum 10 Jahre).

Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt fest, dass der Kläger seit März 2010 mit seiner Lebensgefährtin im Nachbarhaus zusammenlebte. Das Förderobjekt hatte er unentgeltlich seinen Eltern überlassen. Für ihn selbst wurde lediglich ein Zimmer für regelmäßige Besuche vorgehalten. Das Finanzamt ging davon aus, dass durch den Nutzungswechsel ab März 2010 die Fördervoraussetzungen des § 10f Abs. 2 EStG nicht mehr vorlägen und kürzte daher den Förderbetrag für 2010 zeitanteilig.

Der 9. Senat des NFG teilte die Auffassung des FA nur insoweit, als das Vorhalten eines Zimmers und regelmäßige Besuche im Förderobjekt ab März 2010 nicht als Eigennutzung des Klägers anzusehen sind. Entgegen der Auffassung des FA ist das FG jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass die Steuerbegünstigung bei einem unterjährigen Wechsel von der Selbstnutzung zur unbeachtlichen vollständigen unentgeltlichen Überlassung an Angehörige nicht zeitanteilig zu kürzen ist. Dies ergebe sich weder aus dem Wortlaut des § 10f Abs. 1 Satz 2 EStG noch aus dem gesetzgeberischen Willen. Davon abgesehen sei auch bei vergleichbaren Steuerbegünstigungen in der Vergangenheit vom Jahresprinzip ausgegangen worden (z. B. § 7b oder § 10e EStG).

Das NFG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Fortbildung des Rechts zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH ist derzeit noch nicht bekannt.

Quelle: FG Niedersachsen, Pressemitteilung vom 04.07.2013 zum Urteil 9 K 279/12 vom 06.05.2013

 

Keine zeitanteilige Kürzung der Steuerbegünstigung gemäß § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG im Jahr des Nutzungswechsels

1. Der Tatbestand der Selbstnutzung i.S.v. § 10f Abs. 1 Satz 2 EStG ist auch dann erfüllt, wenn der Eigentümer andere Personen, insbesondere nahe Verwandte, Lebensgefährten, Freunde oder Bekannte in seine Wohnung aufnimmt und die Wohnung zusammen mit diesen gemeinsam nutzt.
2. Die Wohnverhältnisse müssen so gestaltet sein, dass der Dritte in Teilen der Wohnung des Abzugsberechtigten wohnt, und nicht so, dass der Abzugsberechtigte als in die dem Dritten überlassene Wohnung aufgenommen erscheint.
3. Entgegen der bislang herrschenden Auffassung in der steuerrechtlichen Literatur lässt sich aus dem Wortlaut des § 10f Abs. 1 Satz 2 EStG (?soweit?) nicht herleiten, dass die Steuerbegünstigung bei einem unterjährigen Wechsel von der Selbstnutzung zur unbeachtlichen vollständigen unentgeltlichen Überlassung an Angehörige zeitanteilig zu kürzen ist.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 06.05.2013, 9 K 279/12

§ 10f Abs 1 S 2 EStG, § 10f Abs 1 S 1 EStG, § 10f Abs 1 S 4 EStG, § 7i EStG, § 7h EStG

Tatbestand

1
Streitig ist, ob im Streitjahr 2010 die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbegünstigung nach § 10f des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgelegen haben.

2
Der Kläger ist im Streitjahr ledig und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

3
Im Kalenderjahr 2000 erwarb er das Grundstück H. Nr. 5 in U. Das aufstehende zuvor unbewohnte Gebäude war sanierungsbedürftig. Da es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelte, machte der Kläger für die dadurch entstandenen Aufwendungen die Steuerbegünstigung nach § 10f EStG geltend. Im Anschluss an die Sanierung (ab dem Kalenderjahr 2003) bewohnte der Kläger das sanierte Gebäude zusammen mit seinen Eltern. Die Küche, das Bad sowie die Hauswirtschafts- und Wohnzimmerräume wurden nach den Angaben des Klägers seitdem gemeinschaftlich genutzt. Das sogenannte „Kaminzimmer“ nutzte danach der Kläger allein zu Wohn- und Schlafzwecken. Auf dem Grundstück errichtete der Kläger gleichzeitig das Betriebsgebäude (Nr. 5a) für die W.E.T. GmbH mit einer Einliegerwohnung für den Hausmeister. Der Ausbau dieser Wohnung erfolgte zeitlich später. Die ursprüngliche Planung der Überlassung der Wohnung an Betriebsangehörige wurde später fallengelassen.

4
Bis zum Kalenderjahr 2009 gewährte das beklagte Finanzamt – zwischen den Beteiligten unstreitig zu Recht – die beantragte Steuerbegünstigung nach § 10f EStG.

5
Im Streitjahr 2010 fand eine steuerliche Betriebsprüfung (BP) für den Zeitraum 2005 bis 2009 statt. Die Betriebsprüfung stellte fest, dass die Einliegerwohnung des Betriebsgebäudes bis 6/2009 zu 50% und ab 7/2009 zu 100% durch den Kläger privat genutzt wurde. Die Betriebsprüfung zog aus diesem Sachverhalt die umsatzsteuerlichen Folgerungen für die Versteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe (vgl. Tz. 28 und 29 des BP-Berichts vom 15. Dezember 2010). Auswirkungen dieses Sachverhalts auf die Gewährung der Steuervergünstigung gemäß § 10f EStG bis zum Ende des Prüfungszeitraums 31. Dezember 2009 nahm die BP nicht an.

6
Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung lernte er im Januar 2010 Frau N. M. kennen. Im März 2010 trat sie als Lebensgefährtin des Klägers in die bestehende Haushaltsgemeinschaft ein. Zu diesem Zwecke wurde nach den Angaben des Klägers vor ihrem Einzug in die Hausmeisterwohnung eine zuvor nicht vorhandene Küche eingebaut. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin nutzte der Kläger seitdem die Hausmeisterwohnung gemeinsam. Nach den Angaben des Klägers fanden jedoch andere Tätigkeiten der häuslichen Gemeinschaft, zum Beispiel das Einnehmen von Mahlzeiten, die Reinigung der Wäsche und die Erledigung der Gartenarbeit überwiegend im Förderobjekt zusammen mit den Eltern des Klägers statt. Zu weiteren Einzelheiten hinsichtlich der Wohnsituation ab März 2010 aus Sicht der Kläger wird auf seine schriftliche Schilderung vom 18. Juni 2012 Bezug genommen.

7
Ausgehend von den BP-Feststellungen zur Nutzung der Einliegerwohnung ging der Beklagte bei der Einkommensteuerveranlagung 2010 davon aus, dass ab März 2010 die Steuerbegünstigung nach § 10f EStG nicht mehr zu gewähren sei, da der Kläger ab dem Zeitpunkt des gemeinsamen Einzugs mit der Lebensgefährtin in die Hausmeisterwohnung das Förderobjekt nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutze, sondern den Eltern zu 100% unentgeltlich überlassen habe. Deshalb gewährte der Beklagte die Steuervergünstigung nur noch für die Monate Januar und Februar 2010.

8
Der gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid 2010 gerichtete Einspruch vom 27. Februar 2012 hatte keinen Erfolg.

9
Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:

10
Die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbegünstigung gemäß § 10f EStG seien weiterhin gegeben. Der Steuerpflichtige müsse lediglich einen selbständigen Haushalt führen, und zwar aufgrund tatsächlicher persönlicher Ingebrauchnahme. Den Lebensmittelpunkt im Förderobjekt müsse er jedoch nicht haben. Die bisherige Haushaltsführung mit seinen Eltern habe sich durch den Zusammenzug mit seiner Lebensgefährtin und deren Eintritt in die Haushaltsgemeinschaft nicht geändert. Das Förderobjekt werde täglich durch ihn, seine Eltern und seine Lebensgefährtin genutzt. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass sich sowohl das Förderobjekt als auch die von dem Kläger bewohnte Hausmeisterwohnung auf einem Grundbuchblatt befinden. Der Kläger habe zu dem geförderten Objekt weiterhin ungehindert und jederzeit Zutritt. Eine gemeinsame Haushaltsführung (Einkauf des täglichen Bedarfs) mit den Eltern bestehe fort. Das Förderobjekt werde unverändert zu regelmäßigen Mahlzeiten mehrfach täglich aufgesucht; typische Haushaltstätigkeiten würden unverändert in dem Objekt wahrgenommen, der Garten mitbenutzt und gepflegt, die Lebensmittelvorratsräume gemeinsam genutzt. Das schon bisher allein durch den Kläger genutzte Kaminzimmer mit Bad werde von den Eltern nicht in deren Wohnbedarf einbezogen und weiterhin uneingeschränkt durch den Kläger genutzt.

11
Im Übrigen weist der Kläger darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung gemäß § 10f EStG zumindest – zwischen den Beteiligten unstreitig – bis März 2010 vorgelegen hätten. Diese zeitanteilige Nutzung reiche aus, um die Steuerbegünstigung für das gesamte Streitjahr beanspruchen zu können.

12
Der Kläger beantragt,

13
den  Einkommensteuerbescheid  2010  vom  1. Februar 2012, geändert am 23. März 2012, in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 1. Oktober 2012 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Anerkennung der vollständigen Steuervergünstigung nach § 10f EStG in Höhe von 13.398 Euro niedriger festgesetzt wird.

14
Der Beklagte beantragt,

15
die Klage abzuweisen.

16
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Steuerbegünstigung nach § 10f Abs. 1 EStG zu Recht nur anteilig für zwei Monate zu gewähren war. Für den Rest des Jahres fehle es an einer Nutzung des Förderobjektes zu eigenen Wohnzwecken. Das Tatbestandsmerkmal „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ sei ein tatsächlicher Vorgang (Bewohnen durch den Eigentümer und die mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen) zu verstehen. Mit der Nutzung zu Wohnzwecken sei eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneter Lebenssachverhalt umschrieben, und zwar aufgrund tatsächlicher Inanspruchnahme. Bis zum Einzug der Lebensgefährtin im März 2010 habe der Kläger unstreitig im Förderobjekt gewohnt. Der ehemals nur durch ihn genutzte Wohn- und Schlafraum werde nunmehr ausweislich seiner Stellungnahme nur noch im Rahmen von Familienfeiern und ähnlichem genutzt. Da auch die übrigen Gemeinschaftsräume vom Kläger nicht mehr bzw. nur noch im Rahmen seiner Besuche genutzt werden, liege eine vollständige unentgeltliche Überlassung der Wohnung vor. Allein die Tatsache, dass der Kläger das Frühstück und Mittagessen gemeinsam mit seinen Eltern im geförderten Objekt einnehme, ändere hieran nichts. Die Häufigkeit des Besuches sei für die Beurteilung ohne Bedeutung. Durch die gegebene Wohnsituation sei der Aufenthalt des Klägers im Haus seiner Eltern nicht auf Dauer angelegt, sondern durch die im Rahmen verwandtschaftlicher Beziehungen übliche Hilfeleistung bedingt. Das Zubereiten von Mahlzeiten für den berufstätigen Sohn sei durchaus üblich. Darüber hinaus sei eine Waschmaschine kein für die Begründung eines Haushalts unabdingbarer Einrichtungsgegenstand. Die Mitbenutzung sei kein Argument für die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Darüber hinaus sei es unerheblich, dass die Grundstücke auf demselben Grundbuchblatt stünden. Es handele sich um zwei voneinander trennbare wirtschaftliche Einheiten, die auf verschiedenen Flurstücken gelegen seien. Allein durch die aneinandergrenzenden Gärten werde kein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang begründet.

17
Zu der weiteren Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2012 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

18
1. Die Klage ist begründet.

19
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO -). Zu Unrecht hat das beklagte FA die Steuervergünstigung gem. § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG im Streitjahr nur zeitanteilig für die Monate Januar und Februar gewährt.

20
a. Nach § 10f Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige Aufwendungen an einem eigenen Gebäude im Kalenderjahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den neuen folgenden Kalenderjahren jeweils bis zu 9% wie Sonderausgaben abziehen, wenn die Voraussetzungen des § 7h EStG oder des § 7i EStG vorliegen. Dies gilt nach § 10  Abs. 1 Satz 2 EStG jedoch nur, soweit der Steuerpflichtige das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzt und die Aufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage nach § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagengesetz einbezogen hat. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt gemäß § 10f  Abs. 1 Satz 4 EStG auch dann vor, wenn Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen werden.

21
Zutreffend ist der Beklagte zunächst davon ausgegangen, dass der Kläger das streitbefangene Gebäude nur bis März des Streitjahres im vorgenannten Sinne zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.

22
aa. Was unter „eigenen“ Wohnzwecken im Sinne des § 10f Abs. 1 Sätze 2 und 4 EStG zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert. Der Begriff der “Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ findet sich wortgleich in der Vorschrift des § 10e EStG. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 10e Abs. 1 EStG wird eine Wohnung im Regelfall dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn der Eigentümer allein oder zusammen mit Familienangehörigen bzw. anderen in den Haushalt aufgenommenen Personen darin wohnt (vgl. BFH – Urteil vom 28. Januar 2011 X R 13/10, BFH/NV 2011, 974 m.w.N.).

23
Nach § 10e Abs. 1 Satz 3 EStG, der der Vorschrift des § 10f Abs. 1 Satz 4 EStG entspricht, liegt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn Teile einer zu Wohnzwecken genutzten Wohnung unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen werden. Aus dieser Vorschrift hat der BFH gefolgert, dass die unentgeltliche Überlassung der gesamten Wohnung grundsätzlich nicht als Eigennutzung des Eigentümers beurteilt werden kann (vgl. BFH – Beschluss vom 2. Dezember 1997 X B 47/97, BFH/NV 1998, 576). Eine Ausnahme hiervon hat der BFH für den Fall der unentgeltlichen Überlassung an ein unterhaltsberechtigtes Kind im Sinne des § 32 Abs. 6 EStG zugelassen (vgl. BFH – Urteil vom 18. Januar 2011 X R 13/10, BFH/NV 2011, 974). Die Vorschrift des § 10f Abs. 1 Satz 4 EStG betrifft Fälle, in denen abgegrenzte Teile der Wohnung Verwandten, Freunden u.s.w. unentgeltlich zur ausschließlichen Nutzung überlassen werden. Vorausgesetzt ist jedoch, dass der Eigentümer den übrigen Teil der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (vgl. BFH – Urteil vom 23. Juli 1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160). Durch § 10f Abs. 1 Satz 4 EStG soll vermieden werden, dass durch die unentgeltliche Überlassung einzelner Räume der im Übrigen vom Abzugsberechtigten bewohnten Wohnung an Dritte zu deren Wohnzwecken der Abzugsbetrag gekürzt werden muss (Stuhrmann, DStZ 1986, 273). Die Wohnverhältnisse müssen so gestaltet sein, dass der Dritte in Teilen der Wohnung des Abzugsberechtigten wohnt, und nicht so, dass der Abzugsberechtigte als in die dem Dritten überlassene Wohnung aufgenommen erscheint (Schmidt/Drenseck, Kommentar zum EStG, 17. Auflage 1998, § 10e Rz. 16 unter Hinweis auf BFH – Urteil vom 23. Juli 1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160).

24
Der Tatbestand der Selbstnutzung ist danach auch dann erfüllt, wenn der Eigentümer andere Personen, insbesondere nahe Verwandte, Lebensgefährten, Freunde oder Bekannte in seine Wohnung aufnimmt und die Wohnung zusammen mit diesen gemeinsam nutzt. Voraussetzung dabei ist jedoch, dass der Steuerpflichtige die Räume selbst mit benutzt und dass die Räume ihm ständig zu Verfügung stehen.

25
Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Kläger mit seinen Eltern bis März 2010 das streitbefangene Objekt im vorgenannten Sinne gemeinsam zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat.

26
bb. Zu Recht ist das beklagte Finanzamt davon ausgegangen, dass der Kläger ab März 2010 das Objekt jedoch vollständig unentgeltlich den Eltern zur Nutzung überlassen hat und damit die Fördervoraussetzungen nicht mehr erfüllt. Es ist zwar nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige in dem Begünstigungsobjekt seinen Mittelpunkt der Lebensinteressen hat. Gleichwohl ist nicht ausreichend, wenn er sich dort aufgrund der räumlichen Nähe und der verwandtschaftlichen Beziehung regelmäßig aufhält, an einzelnen Mahlzeiten teilnimmt und im Übrigen freien Zutritt hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach der Schilderung des Klägers seine Eltern das sogenannte Kaminzimmer, in dem der Kläger vorher geschlafen hat und ein Bad vorhält, nicht mitbenutzen. Unter der Berücksichtigung der Schilderung des Klägers im Vorverfahren und in der mündlichen Verhandlung ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger mit seiner Lebenspartnerin ab März 2010 eigenständig in der sogenannten Hausmeisterwohnung im Nebengebäude lebt und sich im üblichen Rahmen um seine Eltern kümmert und sich dort zu Mahlzeiten auch aufhält. Das Vorhalten eines einzelnen Zimmers steht der Wertung einer unentgeltlichen Überlassung der gesamten Wohnung aus Sicht des Senates nicht entgegen. Die Wohnverhältnisse sind vielmehr im Streitfall so verändert worden, dass der abzugsberechtigte Kläger als in die den Eltern überlassene Wohnung aufgenommen erscheint.

27
Diese rechtliche Bewertung steht auch im Einklang mit dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Danach sollte § 10f Abs. 1 Satz 4 EStG verdeutlichen, dass die unentgeltliche Überlassung z.B. eines Zimmers in der ansonsten vom Steuerpflichtigen bewohnten Wohnung an einen Angehörigen zu Wohnzwecken nicht zu einer Kürzung des Abzugsbetrages führt (vgl. BT – Drucksache 11/5680 Seite 13). Auch diese Gesetzesbegründung spricht dafür, dass das Vorhalten nur eines Zimmers in einer im Übrigen unentgeltlich überlassenen Wohnung und regelmäßige Besuche nicht ausreichen soll, um eine schädliche unentgeltliche Überlassung an Angehörige zu vermeiden.

28
cc. Der Umstand, dass die unentgeltlich überlassene Wohnung und die vom Kläger mit seiner Lebenspartnerin eigengenutzte Wohnung auf einem ungeteilten Grundstück liegen, spielt im Streitfall keine Rolle. Es handelt sich um zwei voneinander trennbare wirtschaftliche Einheiten, die auf verschiedenen Flurstücken gelegen sind. Nichts anderes ergibt sich aus dem von dem Kläger angeführten Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichtes vom 9. Februar 2006 (11 K 11202/03, EFG 2006, 1051). Danach sind nicht nur die unmittelbaren Wohnzwecken dienenden (Wohn-, Schlaf- und Ess-) räume heranzuziehen, sondern auch solche Räume, die in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zur Wohnung stehen und deshalb nur mittelbar Wohnzwecken dienen, wie etwa hauswirtschaftliche Nebenräume, auch wenn sie in einem selbständigen förderungsfähigen Gebäudeteil untergebracht sind. Einen für diese Betrachtungsweise erforderlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang kann der Senat im Streitfall jedoch nicht feststellen.

29
b. Zu Unrecht geht das beklagte Finanzamt jedoch davon aus, dass die Änderung der Wohn- und Lebensverhältnisse des Klägers im März 2010 zu einer zeitanteiligen Kürzung der Förderbeträge führt.

30
aa. Nach § 10f Abs. 1 Satz 2 EStG kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nur dann geltend machen, “soweit er das Gebäude in dem jeweiligen Kalenderjahr zu eigenen Wohnzwecken nutzt  und die  Aufwendungen  nicht in  die Bemessungsgrundlage  nach  § 10e EStG oder dem Eigenheimzulagengesetz einbezogen hat“.

31
Aus dieser gesetzlichen Einschränkung und dem Wortlaut “soweit“ schließt die herrschende Meinung in der steuerrechtlichen Literatur, dass im Falle eines unterjährigen Wechsels zwischen Selbstnutzung und anderen Nutzungszwecken (z.B. Vermietung oder Leerstand) der Sonderausgabenabzug nur zeitanteilig zu gewähren ist (Schmidt/Kulosa, EStG, 32. Aufl. 2013, § 10f Rz. 4; Blümich/Erhard, Kommentar zum EStG, Ergänzungslieferung 111, Stand Mai 2011, § 10f Rz. 28; Schindler in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, 98. Ergänzungslieferung Februar 2013, § 10f Rz. 16; Kratzsch in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 10f Rz. 12; B. Meyer/Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG/KStG, Stand Oktober 2003, Ergänzungslieferung 212, § 10f EStG, Anm. 15). Neben dem Wortlaut wird zur Begründung auch auf die ausdrückliche Konkurrenzregelung zum Werbungskostenabzug nach §§ 7h, 7i EStG für denselben Zeitraum (§ 10f Abs. 1 Satz 3 EStG) verwiesen.

32
bb. Soweit ersichtlich waren die Steuergerichte bislang mit dieser Problematik noch nicht befasst.

33
Der BFH hat sich lediglich im Urteil vom 18. Juni 1976 (IX R 40/95, BStBl II 1976, 445) mit der Frage befasst, ob der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von Herstellungskosten bei Baudenkmälern gemäß § 82i EStDV (Vorgängerregelung zu § 7i EStG) auch im Jahr der Veräußerung des Baudenkmals ungekürzt mit dem vollen Jahresbetrag in Anspruch nehmen kann. Dies hat der BFH bejaht und dabei zur Begründung im Wesentlichen auf die Formulierung “…im Jahr der Herstellung und in den neun folgenden Jahren jeweils bis zu 10 v.H. absetzen…“ abgestellt und nach dem Wortsinn so ausgelegt, dass der Steuerpflichtige im Jahr der Veräußerung den vollen Jahresbetrag in Anspruch nehmen kann. Ein Anhalt für zeitanteilige erhöhte Absetzungen im Jahr der Veräußerung lässt sich dem Wortsinn nach Auffassung des BFH nicht entnehmen.

34
cc. Entgegen der vorgenannten herrschenden Auffassung in der steuerrechtlichen Literatur hält der Senat eine zeitanteilige Kürzung bei einem unterjährigen Wechsel von der Selbstnutzung zur unbeachtlichen vollständigen unentgeltlichen Überlassung an Angehörige nicht für geboten. Nach Auffassung des Senates lässt sich eine solche Kürzung jedenfalls aus dem Wortlaut des § 10f Abs. 1 Satz 2 EStG “soweit“ nicht herleiten.

35
(1) Es kann dahinstehen, dass durch die Formulierung “soweit“ sowohl eine räumliche als auch eine zeitliche Beschränkung gemeint sein kann. Eine solche zeitliche Beschränkung war jedenfalls vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Der Gesetzesbegründung zum Entwurf des Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und denkmalgeschützter Gebäude zufolge sollte hierdurch allein die Inanspruchnahme von Abzugsbeträgen nach § 10e EStG gleichzeitig mit Abzugsbeträgen nach § 10f EStG für dieselben Aufwendungen im selben Kalenderjahr ausgeschlossen werden (BT-Drucks. 11/5680, S. 13; vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Januar 2004 X R 19/02, BStBl. II 2004, 711 betr. Wahlrecht zwischen Steuervergünstigung § 10f EStG und Eigenheimzulage). Eine solche Doppelbegünstigung konnte entstehen, denn durch das Bewohnen einer Wohnung in einem Baudenkmal waren auch die Voraussetzungen des § 10e EStG und später des Eigenheimzulagengesetzes erfüllt. Von einer zeitanteiligen Kürzung ist an dieser Stelle der Gesetzesbegründung mit keinem Wort die Rede.

36
(2) Zudem galt bei § 10e EStG – wie schon bei der Vorgängerregelung (§ 7b EStG) und auch der Nachfolgeregelung (Eigenheimzulagenförderung) – das sogenannte Jahresprinzip. Der Abzugsbetrag bzw. die Eigenheimzulagenförderung standen dem Steuerpflichtigen auch dann in vollem Umfang zu, wenn er die Wohnung nur während eines Teils des Veranlagungszeitraums zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat (vgl. BMF – Schreiben vom 31. Dezember 1994, IV B 3 – S 2225 a – 294/94, BStBl I 1994, 887, Tz. 58). Gleiches gilt jedenfalls nach der Rechtsprechung des BFH für die Regelung des § 82i EStDV (nachfolgend § 7i EStG), die sich von der des § 10f EStG nur dadurch unterscheidet, dass der Steuerpflichtige das Objekt zur Einkunftserzielung nutzt (vgl. Schmidt/Kulosa, Kommentar zum EStG, 32. Auflage 2013, § 7i EStG Rz.1). Hätte der Gesetzgeber ausnahmsweise bei der parallel gestrickten Vorschrift des § 10f EStG von diesem Prinzip abweichen wollen, hätte er dies entweder in der Gesetzesbegründung oder im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Allein die Formulierung „soweit“ ist nicht ausreichend klar umrissen. Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Regelung und des Zusammenhangs mit den vorstehenden vergleichbaren Vorschriften ist aus Sicht des Senates eine Kürzung aus dem Wortlaut nicht herauszulesen.

37
(3) Auch der Hinweis auf die Konkurrenzregelungen zum Werbungskostenabzug in §§ 7h, 7i EStG für denselben Zeitraum vermag nicht zu überzeugen (so aber Schmidt/Kulosa, EStG, 32. Aufl. 2013, § 10f Rz. 4). Nach der Gesetzesbegründung soll § 10f Abs. 1 Satz 3 EStG nur klarstellen, dass der Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum nicht sowohl erhöhte Absetzungen nach § 7h oder § 7i EStG als auch Abzugsbeträge nach § 10f Abs. 1 EStG für dieselben Aufwendungen und denselben Zeitraum in Anspruch nehmen kann (vgl. BT – Drucksache 11/5970 Seite 39). Diesem Regelungszweck wird die Vorschrift selbstverständlich auch dann gerecht, wenn bei einem Nutzungswechsel und Beendigung der Eigennutzung im Jahr des Wechsels der volle Abzugsbetrag nach § 10f Abs. 1 EStG gewährt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang dahinstehen lassen, ob in einem solchen Fall, in dem der Steuerpflichtige das Objekt zur Einkunftserzielung einsetzt, eine Aufteilung der Abzugsbeträge nach § 10f EStG bzw. §§ 7h, 7i, EStG nach Zeitanteilen zu erfolgen hat oder dem Steuerpflichtigen insoweit im Kalenderjahr des Nutzungswechsels ein Wahlrecht zusteht (so z.B. Schindler in Littmann/Bitz/Pust, Kommentar zum EStG, § 10f Rz 17).

38
(4) Für die vom Senat vorgenommene Auslegung des § 10f Abs. 1 Satz 2 EStG spricht auch, dass die herrschende Meinung in der steuerrechtlichen Literatur selbst im Falle des Beginns des Förderzeitraums eine ganzjährige Eigennutzung aus tatsächlichen Gründen nicht fordert (vgl. etwa Kratzsch in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 10f Rz 12). Insoweit ist es in sich stimmig und konsequent, im Kalenderjahr des unterjährigen Nutzungswechsels – wie schon bei §§ 7b, 10e EStG, Eigenheimzulagenförderung, §§ 7h, 7i EStG – den vollen Abzugsbetrags im Erst- und Wechseljahr zu gewähren. Über die bestehenden Konkurrenzregelungen ist ausreichend sichergestellt, dass eine Doppelförderung derselben Aufwendungen durch verschiedene Steuerbegünstigungstatbestände ausgeschlossen bleibt.

39
Angesichts der bestehenden Absicherung über die Konkurrenzregelungen besteht im Ergebnis für den Gesetzgeber kein gegenüber den Regelungen der §§ 7b, 10e EStG hinausgehendes besonderes Bedürfnis, die Abzugsbeträge im Wechseljahr nur zeitanteilig zu gewähren.

40
(5) Im Übrigen steht die Auslegung des Senates im Einklang mit der BFH-Rechtsprechung zu § 82i EStDV (Urteil vom 18. Juni 1976 IX R 40/95, BStBl. II 1976, 445).

41
Nach alledem hat die Klage in vollem Umfang Erfolg.

42
Die Neuberechnung bzw. Neufestsetzung der Einkommensteuer 2010 wird dem beklagten Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) übertragen.

43
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

44
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

45
3. Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2    FGO vorliegen. Im Revisionsverfahren erhält der Bundesfinanzhof Gelegenheit, die Anforderungen an die teilweise Selbstnutzung einer Wohnung im Sinne des § 10f Abs. 1 EStG zu präzisieren und klarzustellen, ob im Jahr des Nutzungswechsels lediglich eine zeitanteilige Abzugsberechtigung gemäß § 10f Abs. 1 Satz 2 EStG besteht.

Altersteilzeit – Besteuerung der Bezüge während der Freistellungsphase (Blockmodell)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 21. März 2013 VI R 5/12 entschieden, dass Einkünfte, die in der Freistellungsphase im Rahmen der Altersteilzeit nach dem sog. Blockmodell erzielt werden, regelmäßig keine Versorgungsbezüge sind. Der Kläger konnte daher weder den Versorgungsfreibetrag noch den Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in Anspruch nehmen.

Der 1948 geborene Kläger war im Streitjahr 2009 als Beamter nichtselbständig tätig. Die zuständige Behörde hatte ihm schon 2002 für den Zeitraum vom 1. August 2004 bis zum 30. November 2013 Altersteilzeit nach dem Blockmodell bewilligt. Der Kläger verrichtete danach bis zum 31. März 2009 den Dienst mit der regelmäßigen Arbeitszeit; seine Freistellungsphase begann am 1. April 2009. Ab diesem Zeitpunkt war der Kläger bis zum Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des 30. November 2013 von der Dienstleistung vollständig freigestellt. Der Kläger erklärte den auf den Zeitraum vom 1. April bis 31. Dezember 2009 entfallenden Teil der Bezüge als Versorgungsbezüge. Das Finanzamt und das Finanzgericht qualifizierten die Einnahmen dagegen als laufenden Lohn.

Der BFH hat diese Rechtsauffassung bestätigt. Die in der Freistellungsphase geleisteten Zahlungen sind kein dem Ruhegehalt gleichartiger Bezug i. S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes. Ein gleichartiger Bezug liegt nur vor, wenn er nach seinem Zuwendungsgrund mit einem Ruhegehalt, Witwen- und Waisengeld vergleichbar ist. Der Bezug muss also, wie das Ruhegehalt auch, einem Versorgungszweck dienen, also letztlich ein vorgezogenes Ruhegehalt sein. Daran fehlte es bei den in der Freistellungsphase gezahlten Bezügen. Denn die in der Altersteilzeit erbrachten Bezüge sind Entlohnung für die aktive Tätigkeit des Teilzeitbeschäftigten, also laufende Dienstbezüge. Das zeigt sich insbesondere bei dem anderen Altersteilzeitmodell, wenn nämlich der Beamte in der gesamten Altersteilzeitphase durchgängig die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit bei entsprechend geminderten Bezügen erbringt.

Das Altersteilzeitmodell betrifft mithin vor allem die Frage, in welchen Zeiträumen die Dienstleistung durch den Beamten einerseits und die Dienstbezüge andererseits erbracht werden, regelt also Fälligkeit und Zuflusszeitpunkt, nicht aber die grundlegende Qualifikation der beiderseitig geschuldeten Leistungen. Werden also vorab die Dienste bei voller Arbeitszeit erbracht und anschließend die Freistellungsphase in Anspruch genommen, bleiben die während der Altersteilzeit durchgängig geleisteten Zahlungen deshalb Dienstbezüge und werden nicht zu Versorgungsbezügen. Das Urteil stellte weiter klar, dass allein eine Freistellung vom Dienst bei fortlaufenden Bezügen diese nicht zu Versorgungsbezügen werden lässt.

BFH, Pressemitteilung Nr. 36/13 vom 03.07.2013 zum Urteil VI R 5/12 vom 21.03.2013

Doppelte Haushaltsführung – aufwandsunabhängige Inanspruchnahme der Entfernungspauschale für Familienheimfahrten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 18. April 2013 VI R 29/12 entschieden, dass die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Steuerpflichtige für die Fahrt keine Kosten hatte. Vom Arbeitgeber steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen und steuerfrei gewährte Freifahrten sind jedoch mindernd auf die Entfernungspauschale anzurechnen.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung Aufwendungen für die Wege vom Beschäftigungsort zum Ort des eigenen Hausstands und zurück (Familienheimfahrten) für jeweils eine Familienheimfahrt wöchentlich als Werbungskosten abgezogen werden. Zur Abgeltung der Aufwendungen ist eine Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen dem Ort des eigenen Hausstands und dem Beschäftigungsort anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG).

Im Streitfall machte der verheiratete Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) u. a. Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung für 48 Heimfahrten in Höhe von 5.199 Euro (48 Fahrten x 361 Entfernungskilometer x 0,30 Euro = 5.198,40 Euro) geltend. Elf Familienheimfahrten, die der Kläger mit dem eigenen Pkw durchgeführt hatte, berücksichtigte das Finanzamt, die übrigen mit der Bahn durchgeführten Familienheimfahrten hingegen nicht. Hierfür seien dem bei der Bahn angestellten Kläger keine Aufwendungen entstanden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) argumentierte, der Kläger könne die Entfernungspauschale nicht in Anspruch nehmen, soweit er die Aufwendungen für die Heimfahrten nicht selbst getragen habe.

Dem hat der BFH nun widersprochen und die Sache an das FG zurückverwiesen. Denn die Entfernungspauschale für eine wöchentliche Familienheimfahrt im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung kann wie die Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte (ab VZ 2014 erste Tätigkeitsstätte) verkehrsmittelunabhängig und selbst dann in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige für diese Fahrten keine Kosten getragen hat. Die darin liegende Begünstigung ist vom Gesetzgeber gewollt und durch umwelt- und verkehrspolitische Lenkungszwecke gerechtfertigt.

Dies bedeutet aber nicht, dass steuerfrei geleistete Reisekostenvergütungen oder steuerfreie Sachbezüge, beispielsweise Freifahrten, insoweit keine Berücksichtigung finden dürfen. Derartige Arbeitgeberleistungen sind vielmehr auf die Pauschalen anzurechnen, da in solchen Fällen jedenfalls ein vollumfänglicher Werbungskostenabzug nicht geboten ist. Deshalb hat das FG im zweiten Rechtsgang noch Feststellungen zur Anzahl der Familienheimfahrten und den anrechenbaren Arbeitgeberleistungen zu treffen.

BFH, Pressemitteilung Nr. 37/13 vom 03.07.2013 zum Urteil VI R 29/12 vom 18.04.2013

Freiberufliche Tätigkeit eines im Wesentlichen als Softwareentwickler tätigen Diplom-Ingenieurs für Holztechnik

Tenor

Die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2001 und 2002 vom 18. April 2008 sowie die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 2003 bis 2005 vom 11. April 2008 und die dazu erlassene Einspruchsentscheidung vom 02. März 2009 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Beschluss:

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger zur Gewerbesteuer heranzuziehen ist.

2
Der 1952 geborene Kläger studierte zunächst Holztechnik an der Fachhochschule B…, die ihm aufgrund der 1978 erfolgreich abgelegten Abschlussprüfung den akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs (FH) für Holztechnik verlieh. Im Anschluss studierte er Bauingenieurwesen an der Technischen Universität C…. Das Vordiplom erhielt er 1982. Während des Hauptstudiums war er dort studentischer Mitarbeiter am Institut D… und nahm Lehraufgaben im Bereich der Entwicklung von Computerprogrammen wahr. Das Hauptstudium schloss er nicht ab. Im Verlauf seines weiteren Berufsweges war er bei verschiedenen Unternehmen im Bereich der Softwareentwicklung beschäftigt.

3
In den Streitjahren war der Kläger selbständig auf dem Gebiet der Informationstechnologie tätig. Er nahm unter der Bezeichnung „Dipl.-Ing. A…, Softwareentwicklung, EDV-Berater“ am Geschäftsverkehr teil. Seine Berufstätigkeit bestand zu einem wesentlichen Teil darin, Softwareprodukte für seine Auftraggeber und deren Kunden zu entwickeln, bestehende Software seiner Auftraggeber an individuelle Kundenbedürfnisse anzupassen sowie das Zusammenspiel von Software-Produkte dritter Firmen mit der seiner Auftraggeber zu erproben. Daneben entwarf und betreute er Server und Netzwerke (Installation, Wartung und Administration). Auf die entsprechenden Bestätigungsschreiben sowohl der Firma E… vom 12. Dezember 2007 und vom 25. Mai 2009 als auch der Firma F… vom 07. Dezember 2007 nimmt das Gericht wegen der näheren Einzelheiten Bezug. Es handelte sich um zwei Hauptauftraggeber des Klägers.

4
Im Rahmen seiner Projekte bezog der Kläger zum Teil auch Hardware-Komponenten für seine Auftraggeber, die er ihnen zu seinem eigenen Einkaufspreis in Rechnung stellte. Auf die zum BP-Arbeitsbogen genommenen Rechnungen des Klägers vom 31. März 2005, vom 11. April 2005, 20. Mai 2005, 13. Juni 2005, 13. September 2005, 07. Oktober 2005 und 28. Oktober 2005 nimmt das Gericht wegen der näheren Einzelheiten Bezug.

5
Die Gewinne aus der genannten Betätigung ermittelte der Kläger nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz -EStG- und deklarierte sie als Einkünfte aus freiberuflicher Betätigung im Sinne des § 18 EStG.

6
In den Jahren 2007 und 2008 führte der Beklagte beim Kläger eine Außenprüfung durch. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Betätigung des Klägers einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz -GewStG- darstelle. Er begründete diese Einschätzung mit dem Argument, dass der Kläger keine Tätigkeit ausübe, die der eines Ingenieurs oder eines Ingenieur ähnlichen Berufs entspreche.

7
In Auswertung des Betriebsprüfungsberichts erließ der Beklagte Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitjahre wie folgt:

 

8
 Gewerbesteuermessbetrag 2001 in Höhe von 615,08 Euro (Bescheid vom 18. April 2008)
 Gewerbesteuermessbetrag 2002 in Höhe von 320,00 Euro (Bescheid vom 18. April 2008)
 Gewerbesteuermessbetrag 2003 in Höhe von 76,00 Euro (Bescheid vom 11. April 2008)
 Gewerbesteuermessbetrag 2004 in Höhe von 399,00 Euro (Bescheid vom 11. April 2008)
 Gewerbesteuermessbetrag 2005 in Höhe von 318,00 Euro (Bescheid vom 11. April 2008)
 

9
Zugleich ergingen entsprechende Gewerbesteuerfestsetzungen.

10
Hiergegen wehrte sich der Kläger fristgerecht mit Einspruch.

11
Er verfüge angesichts seines akademischen Grades über die für eine freiberufliche Betätigung erforderliche Ausbildung. In den 70er Jahren seien Studiengänge im Bereich der Informationstechnologie und Softwareentwicklung unüblich gewesen, weshalb er sich diese Spezialkenntnisse im weiteren Verlauf seines Berufsweges theoretisch und praktisch als Autodidakt angeeignet habe. Da er sich vorwiegend im Bereich der Softwareentwicklung betätige, entspreche die Art seiner Berufstätigkeit ebenfalls der eines Freiberuflers.

12
Mit Einspruchsentscheidung vom 02. März 2009 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück.

13
Die Tätigkeit des Klägers entspreche nicht einem der in § 18 EStG genannten Katalogberufe. Zwar sei der Kläger Diplom-Ingenieur für Holztechnik. Diesen Beruf habe er allerdings nicht ausgeübt.

14
Die Tätigkeit des Klägers sei zudem auch nicht der eines EDV-Ingenieurs oder Diplom-Informatikers ähnlich. Er habe weder eine vergleichbare berufliche Qualifikation nachgewiesen noch arbeite er gleich einem freiberuflichen EDV-Ingenieur oder Diplom-Informatiker. Denn neben der Entwicklung und Erweiterung von Software seiner Auftraggeber habe er sich zusätzlich der Software-Evaluierung, der Erstellung von Datenbanken, der Software-Konfiguration, der Netzwerk-Administration sowie dem An- und Verkauf von Hardware gewidmet. Dies begründe die Gewerblichkeit der gesamten beruflichen Betätigung.

15
Hiergegen wehrt sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage.

16
Schon im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Fachhochschule B… habe er ein Computerprogramm entwickelt. Einen entsprechenden Schwerpunkt habe er auch während seines Studiums an der TU C… gesetzt. Weitere Kenntnisse im Bereich der Softwareentwicklung habe er im Verlauf seiner berufspraktischen Tätigkeit erworben. Im Ergebnis verfüge er über ein Wissensspektrum, das dem eines ausgebildeten Diplom-Informatikers entspreche. Auch die Tätigkeit eines Autodidakten könne als freiberuflich anerkannt werden. Seine im Wesentlichen aus der Planung, Konstruktion und Überwachung von Software-Produkten bestehende Tätigkeit entspreche der für einen Diplom-Ingenieur charakteristischen Vorgehensweise. Die Auffassung des Beklagten, dass – isoliert betrachtet gewerbliche – Nebentätigkeiten zur Gewerblichkeit der gesamten Betätigung führten, sei nicht korrekt. Denn eine „Abfärberegelung“ finde auf Einzelunternehmer keine Anwendung. Entscheidend sei vielmehr, welche Tätigkeit der Gesamtbetätigung das Gepräge gebe. Prägend sei in seinem Falle die Programmiertätigkeit.

 

17
Der Kläger beantragt,
1. die Bescheide für 2001 bis 2005 über Gewerbesteuer und Gewerbesteuermessbetrag vom 18. April 2008 bzw. vom 11. April 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 02. März 2009 des Beklagten aufzuheben sowie
2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
 

18
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

19
Er hält an seiner Einspruchsentscheidung fest.

20
Dem Senat haben bei seiner Entscheidungsfindung die den Kläger und die Streitjahre betreffende Gewerbesteuerakte, ein Band Betriebsprüfungsakten und ein Band Betriebsprüfungsberichte sowie der Arbeitsbogen des Betriebsprüfers vorgelegen.

Entscheidungsgründe

21
1. Die Klage ist zulässig. Der Senat versteht die Klageschrift im Sinne einer rechtsschutzgewährenden Auslegung dahingehend, dass sie sich gegen die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und nicht zugleich gegen die Gewerbesteuerbescheide als deren Folgebescheide richtet (vgl. § 351 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-).

22
2. Die zulässige Klage ist begründet, da die angefochtenen Gewerbesteuermessbetragsbescheide rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers war nicht gewerblich im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG. Der Kläger war vielmehr freiberuflich als Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG tätig und damit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewStG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG und § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG nicht Subjekt der Gewerbesteuer. Denn nach den letztgenannten Vorschriften ist die selbständige Berufstätigkeit eines Ingenieurs eine freiberufliche und keine gewerbliche Tätigkeit.

23
a) Der unstreitig selbständig tätige Kläger war im streitgegenständlichen Zeitraum Ingenieur im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Ingenieur im Sinne dieser Vorschrift ist, wer über die erforderliche Berufsqualifikation verfügt und eine Ingenieurtätigkeit tatsächlich ausübt (zutreffend BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl. II 2010, 467, Rz. 10).

24
aa) Der Kläger verfügte über die erforderliche Berufsqualifikation. Er gehörte nach seiner Ausbildung zu dem nach dem Gesetzeswortlaut des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG begünstigten Berufszweig der Ingenieure. Über die persönliche Qualifikation als Ingenieur verfügt angesichts der Prägung des Berufsbildes des Ingenieurs durch die Ingenieurgesetze der Länder derjenige, der aufgrund seiner Ausbildung an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule oder eines Betriebsführerlehrganges an einer Bergschule befugt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen (BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl. II 2010, 467, Rz. 11). Der Kläger war in den Streitjahren aufgrund seines erfolgreich absolvierten Studiums an der Fachhochschule B… und des ihm verliehenen akademischen Grads „Diplom-Ingenieur (FH)“ berechtigt, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen [Art. 1 des Gesetzes zum Schutze der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ und „Ingenieurin“ (Ingenieurgesetz – IngG) vom 27. Juli 1970, Bay. GVBl. 1970, Seite 336; Übersicht über die Ingenieurgesetze der Länder in BFH, Urteil vom 18. Juni 1980 – I R 109/77, BStBl. II 1981, 118.].

25
bb) Der Kläger übte im streitgegenständlichen Zeitraum eine Ingenieurstätigkeit auch tatsächlich aus.

26
(1) Der Umstand, dass er seinen Abschluss zwar im Studiengang Holztechnik erworben, die streitgegenständliche Tätigkeit aber im IT-Bereich ausgeübt hat, ist in diesem Zusammenhang unschädlich. Zwar ist die Tätigkeit des Ingenieurs normalerweise auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränkt (siehe dazu Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, Kommentar, § 2 GewStG Anm. 836). Sinn und Zweck des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG erfordern indes nicht, dass ein Ingenieur nur dann Freiberufler sein kann, sofern er sich nach Studienabschluss der seinem Studium entsprechenden Fachrichtung tatsächlich widmet. Es genügt vielmehr, wenn er im Anschluss an sein erfolgreich abgeschlossenes Ingenieurstudium auf einem beliebigen Hauptgebiet des Ingenieurwesens in ingenieurtypischer Weise selbständig berufstätig ist (siehe etwa BFH, Urteil vom 06. September 2006 – XI R 3/06, BStBl. II 2007, 118, unter II.3.b) der Gründe: Wirtschaftsingenieure könnten unabhängig vom Studienschwerpunkt Freiberufler sein, sofern sie anschließend auf einem Hauptgebiet des Ingenieurwesens selbständig tätig sind; dazu allerdings kritisch Kempermann, FR 2007, 184). Erforderlich ist nach Auffassung des Senats lediglich, dass der Steuerpflichtige sich eine Bandbreite grundlegender technikwissenschaftlicher Ingenieurkenntnisse im Rahmen einer qualifizierten Vorbildung angeeignet hat. Der mit dem zeitintensiven Erwerb dieses Grundlagenwissens als Basis der Berufsausübung verbundene Einkommensverlust rechtfertigt die Besserstellung freiberuflicher Ingenieure in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht gegenüber anderen im technischen Bereich selbständig Tätigen (BFH, Urteil vom 14. Juni 2007 – XI R 11/06, BFH/NV 2007, 2091, unter II.3.a) der Gründe). Der Erwerb hinreichend vertiefter Kenntnisse allein in dem tatsächlich ausgeübten Teilgebiet des Ingenieurwesens reicht für die Anerkennung einer freiberuflichen Betätigung einerseits nicht aus. Der Erwerb solcher Kenntnisse in dem konkret ausgeübten Teilgebiet ist hierfür andererseits aber auch nicht zwingend erforderlich, da der entscheidende Gesichtspunkt für die Privilegierung des in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufes „Ingenieure“ nicht die im Einzelfall gegebene Qualität der geleisteten (ingenieurtypischen) Arbeit, sondern die genannte Breite und Tiefe der absolvierten Ausbildung im Allgemeinen ist.

27
(2) Der Kläger war in den Streitjahren auf einem Hauptgebiet des Ingenieurwesens, der Datenverarbeitungstechnik, selbständig tätig. Zu den das Berufsbild der Ingenieure prägenden Aufgaben gehört es im Generellen auf der Grundlage naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen (zutreffend BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl. II 2010, 467, unter II.1.b)aa) der Gründe m.w.N.). Übertragen auf den IT-Bereich sind ingenieurtypische Aufgaben daher die Entwicklung und Konstruktion von Hard- und Software, die Entwicklung von Betriebssystemen und ihre Anpassung an die Bedürfnisse des Kunden, der Aufbau, die Betreuung und Verwaltung von Firmennetzwerken und -servern, die Anpassung vorhandener Systeme an Bedingungen im Einzelfall sowie die Bereitstellung qualifizierter Dienstleistungen, wie etwa Netz- und Systemadministration, Benutzerservice und Schulung sowie die Bewertung bestehender Systeme (zutreffend BFH, Urteil vom 22. September 2009 – VIII R 31/07, BStBl. II 2010, 467, unter II.1.b)bb) der Gründe). Der Senat ist angesichts der plausiblen Bestätigungsschreiben sowohl der Firma E… als auch der Firma F… sowie der Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass der Kläger angesichts der von ihm ausgeführten qualifizierten EDV-Dienstleistungen in den Streitjahren den genannten Anforderungen entsprechend im IT-Bereich planend, konstruktiv und beratend und damit ingenieurtypisch tätig war. Dies gilt nicht nur für die Softwareentwicklung und -anpassung, sondern insbesondere auch für die durch den Kläger erbrachte Software-Evaluierung, Erstellung von Datenbanken, Software-Konfiguration und Netzwerk-Administration. Der Senat stuft auch solche Betätigungen, sofern sie im Rahmen von Firmennetzwerken und nicht auf dem für Privatanwender ausreichenden Niveau erbracht werden, als freiberuflich ein. Denn es sind Verrichtungen, die regelmäßig nicht durch einen durchschnittlichen Computeranwender erledigt werden können, sondern spezielles Wissen eines Fachmanns voraussetzen. Derart qualifizierte EDV-Dienstleistungen haben grundsätzlich freiberuflichen Charakter (in diesem Sinne zutreffend auch Demuth, EStB 2010, 85).

28
b) Die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers ist trotz einzelner gewerblicher Elemente insgesamt als freiberuflich einzuordnen. Die Argumentation des Beklagten, der Kläger habe gegenüber seinen Kunden im Rahmen seiner Betätigung zusätzlich gewerbliche Leistungen erbracht und sei daher insgesamt als Gewerbetreibender zu behandeln, überzeugt den Senat nicht. Zwar können Aktivitäten wie der zusätzliche Verkauf von Hardware durch einen IT-Ingenieur zur Gewerblichkeit der Gesamtbetätigung führen. Dies gilt indes nicht in Fällen, in denen dem Absatz von Hardware als Nebenarbeit nur dienende Funktion gegenüber der Betätigung als Ingenieur zukommt, weil letzterer im Rahmen der Entwicklung individueller Kundenlösungen oder der Betreuung von Firmenrechnern beispielsweise einzelne Bauteile für den Kunden liefert (siehe etwa BFH, Urteil vom 24. April 1997 – IV R 60/95, BStBl. II 1997, 567). Eine solche Betätigung ist steuerlich einheitlich nach dem vorherrschenden Element der ingenieurtypischen Arbeit als freiberuflich zu qualifizieren. Der Senat ist nach dem Studium der Rechnungen des Klägers über die Lieferung von Materialien wie einzelner Drucker, Notebooks, Festplatten, Kabel, Toner etc. zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Teil seiner Betätigung nur Hilfscharakter im Rahmen der Entwicklungs- und Beratungsarbeit hatte. Da es sich lediglich um einzelne Komponenten handelt, die der Kläger im Kundenauftrag bezogen und zum Einkaufspreis weiterberechnet hat, ist nicht davon auszugehen, dass die Betätigung des Klägers durch den Handel mit Computerzubehör oder das bloße Zusammenstecken und Installieren von Computerteilen geprägt war.

29
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-. Der Beschluss über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO und dem Umstand, dass die Sach- und Rechtslage nicht so einfach war, dass der Kläger auf sachkundige Vertretung hätte verzichten müssen.

Verluste aus der Vermietung eines Luxus-Sportwagens nicht steuerlich abzugsfähig

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg hatte sich im Urteil vom 20. März 2013 (Az. 3 K 3119/08) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Verluste aus der Vermietung eines Luxus-Sportwagens (Porsche 911) bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigt werden können.

Der Kläger – ein Mitarbeiter einer Autowaschanlage – wollte die laufenden Kosten für Versicherung, Steuern, Benzin und Wartung seines Sportwagens steuerlich absetzen. Er meldete einen Autovermietungsbetrieb bei seinem Finanzamt an und bot das Fahrzeug über verschiedene Internetplattformen zur Miete an. Das Finanzamt vermutete eine Privatnutzung des Pkw und lehnte die Berücksichtigung des mit der Steuererklärung geltend gemachten Verlustes ab. Im Prozess wandte der Kläger ein, schon aufgrund seiner Leibesfülle und seines Körpergewichts von 220 kg sei eine Selbstnutzung des Autos ausgeschlossen. Mit seinem Vermietungsbetrieb habe er eine Marktlücke schließen wollen, denn vergleichbare Angebote habe es trotz hoher Nachfrage nicht gegeben.

Die Richter des 3. Senats folgten dem Kläger nicht. Sie argumentierten, der Sportwagen könne auch von der Lebensgefährtin des Klägers für private Fahrten verwendet worden sein, zumal ein anderes vergleichbares Fahrzeug nicht zur Verfügung gestanden habe. Zudem sei das Konzept für den zwischenzeitlich eingestellten Verlustbetrieb von Anfang an nicht erfolgversprechend gewesen, weil Mieteinnahmen nur unregelmäßig flossen und die Gefahr bestanden habe, dass die Mieter den Wagen auf ihren Spritztouren stark verschleißen.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 01.07.2013 zum Urteil 3 K 3119/08 vom 20.03.2013

 

Verlust aus gewerblicher Autovermietung an Selbstfahrer

Tenor

 

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand

1
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger die Vermietung eines Pkw B… an Selbstfahrer mit Gewinnerzielungsabsicht ausübte.

2
Der ledige Kläger erzielte im Streitjahr als Mitarbeiter einer Autowaschanlage an 260 Arbeitstagen Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gemäß § 19 Einkommensteuergesetz -EStG- in Höhe von 24.746 €.

3
Mit seiner für das Streitjahr am 15. Juni 2007 beim Beklagten abgegebenen Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger neben seinen nichtselbständigen Einkünften einen durch Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 65.779,33 €. Der Verlust resultierte aus der beim Beklagten Mitte des Jahres 2006 angemeldeten gewerblichen Vermietung eines Pkw B… an Selbstfahrer. Den erklärten Einnahmen von rund 5.523 € (die Vermietungserlöse betrugen netto 4.667 €) standen Ausgaben von (abgerundet) 71.302 € gegenüber. Die erklärten Betriebsausgaben beruhten im Wesentlichen auf der Inanspruchnahme von Absetzungen für Abnutzung -AfA- für einen vom Kläger am 14. August 2006 mit Anschaffungskosten von 37.824 € erworbenen (gebrauchten) Pkw B… (amtliches Kennzeichen …, Erstzulassung: 1. Oktober 1998), auf den laufenden Betriebskosten für das Fahrzeug (Kfz-Steuer, Versicherung, Reparaturen usw.) in Höhe von rund 6.454,34 €, Werbe- und Reisekosten in Höhe von (rund) 655 € sowie einer Ansparabschreibung nach Maßgabe des § 7 g Abs. 3 EStG in Höhe von 58.500 €. Den vorerwähnten B… veräußerte der Kläger nach einem Unfall am 7. April 2007 zum Preis von 20.000 €. Am 11. Mai 2007 schaffte der Kläger als Ersatz einen gebrauchten Pkw B… an (amtliches Kennzeichen …). Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der erkennende Senat auf die Einnahmen-Überschussrechnung für 2006 in den Steuerakten Bezug.

4
Am 20. September 2007 erfolgte bei dem Kläger eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung, die sich auf den Prüfungszeitraum von August 2006 bis Juni 2007 erstreckte und deren Ergebnisse in dem Prüfungsbericht des mit der Prüfung beauftragten Finanzamtes vom 21. Dezember 2007 zusammengefasst sind (siehe Umsatzsteuer -USt- Sonderprüfungsakte). Der Prüfer ermittelte einen privaten Nutzungsanteil nach der 1 %-Methode i. Sinne d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG allein für einen auf den Kläger seit dem 7. Juni 2004 zugelassenen Pkw C… (amtliches Kennzeichen …, Erstzulassung: 19. März 1997), nicht jedoch für das Mietfahrzeug. Wegen der Einzelheiten zur Berechnung der privaten Nutzungsanteile wird auf Seite 3 des Berichts vom 21. Dezember 2007 in der USt-Sonderprüfungsakte Bezug genommen.

5
Im Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 13. Dezember 2007 ließ der Beklagte den erklärten Verlust aus gewerblicher Autovermietung unberücksichtigt und setzte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0 € an. Zugleich erließ er den Bescheid insoweit vorläufig, § 165 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung -AO-. In den Erläuterungen führte er aus, der Bescheid sei hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb vorläufig, weil zurzeit die „Einkünfteerzielungsabsicht“ nicht abschließend beurteilt werden könne. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien deshalb vorerst mit 0 € angesetzt worden. Der Beklagte führte weiter aus, eine steuerliche Berücksichtigung der erklärten Verluste erfordere, dass der Steuerpflichtige den Entschluss gefasst habe, mit dem Wirtschaftsgut über die gesamte Tätigkeit einen Totalgewinn zu erzielen. Hieran bestünden Zweifel, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Kläger das hochwertige Fahrzeug aus Hobby- oder Prestigegründen bzw. zur Befriedigung sonstiger privater Bedürfnisse und Neigungen erworben habe. Die Gesamtumstände legten nahe, dass mit der vom Kläger angemeldeten Vermietungstätigkeit dem Grunde nach nichtabzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) in die steuerlich relevante Erwerbssphäre verlagert werden sollten. Hierfür spreche zudem, dass der Kläger zur Bestreitung seines Lebensunterhalts aufgrund seiner nichtselbständigen Tätigkeit nicht auf die Einnahmen aus der Vermietungstätigkeit angewiesen sei.

6
Hiergegen wandte der Kläger sich u.a. mit seinem beim Beklagten am 20. Dezember 2007 eingegangenen Einspruchsschreiben vom 18. Dezember 2007 (Bl. 14 ESt-Akte). Hinsichtlich der vorliegend streitigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb trug er vor: Er beabsichtige, mit seiner Autovermietung einen Gewinn zu erzielen. Da er sich noch in der Anlaufphase befinde und einen zweiten Pkw B… mangels finanzieller Mittel noch nicht habe anschaffen können, läge kein steuerlich unbeachtlicher Liebhabereibetrieb vor. Es sei zu berücksichtigen, dass der Umsatzsteuer-Sonderprüfer eine Privatnutzung lediglich für seinen Pkw C…, nicht jedoch für den ausschließlich gewerblichen Vermietungszwecken dienenden Pkw B… angenommen habe.

7
Seine Geschäftsidee beruhe darauf, „edle Automobile“ an Selbstfahrer zu vermieten. Als besonderen Service biete er seinen Kunden an, das Mietfahrzeug an einem Ort ihrer Wahl zu übergeben und es dort nach Ende der Mietzeit wieder abzuholen. Ein solcher Bring- und Abholservice erspare den Kunden Zeit und Kosten. Mit diesem Konzept sollten insbesondere Geschäftsleute auf Geschäftsreisen angesprochen werden, die aus Repräsentationsgründen auf die Verwendung eines hochwertigen Fahrzeuges angewiesen seien. Bei der Umsetzung des Konzepts sei es allerdings schon kurze Zeit nach Betriebseröffnung zu Problemen gekommen. Infolge eines Unfalls sei es an dem ersten Pkw B… (amtliches Kennzeichen …) zu einem Totalschaden gekommen. Ein Ersatzfahrzeug habe er in Ermangelung fehlender finanzieller Rücklagen nicht sofort erwerben können. Hierdurch sei es zu Stornierungen bestehender Mietreservierungen gekommen; ein potentieller Großkunde (Hotelunternehmen) habe von weiteren Mietbuchungen Abstand genommen.

8
Mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2008 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur hier streitigen Problematik führte er aus: Die geltend gemachten negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb könnten nicht berücksichtigt werden. Der Kläger habe die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht sowie das Streben nach einem Totalgewinn nicht glaubhaft machen können. In Anlehnung an die vom Bundesfinanzhof -BFH- entschiedenen Fallkonstellationen der Vercharterung einer Segelyacht oder eines Motorbootes könnten die geltend gemachten Verluste nicht als Anlaufverluste berücksichtigt werden. Vielmehr handele es sich von Beginn an um eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei (siehe Wacker in Schmidt, 31. Aufl., 2012, § 15 Tz 31; keine Anlaufverluste für Tätigkeiten, die zum Hobbybereich gehören). Verluste im Falle der Neugründung eines Betriebes, die im Wesentlichen auf den persönlichen Neigungen und Interessen des Steuerpflichtigen beruhten, seien nur dann während der Anlaufphase zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige zu Beginn der Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept erstelle, das ihn zu der Annahme veranlassen durfte, durch die gewerbliche Tätigkeit werde insgesamt ein positives Betriebsergebnis erzielt (BFH, Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BStBl. II 2007, 874). Hieran fehle es im Streitfall. Es läge die Annahme nahe, dass der Kläger das Fahrzeug aus persönlichem Interesse angeschafft habe. Hierfür spreche, dass Sportwagen bzw. hochwertige Automobile typischerweise in der Nähe des Hobbybereichs angesiedelt seien. Das vom Kläger dargelegte Geschäftskonzept sei nicht schlüssig. Insbesondere der Bring- und Abholservice sei nicht zielführend und gehe an dem vorbei, was der Markt erfordere. Denn die vom Kläger ausgewählte Zielgruppe (Geschäftsreisende) würde sich üblicherweise bereits am Flughafen ein Mietfahrzeug beschaffen, um von Anfang an mobil zu sein. Die bekannten Autovermieter unterhielten deshalb bereits an den Flughäfen entsprechende Fahrzeugdepots. Abgesehen davon sei das Geschäftsmodell auch deshalb nicht erfolgversprechend, weil der Kläger nur ein einziges Mietfahrzeug besitze. Wie der Streitfall zeige, sei damit zu rechnen gewesen, dass bereits die üblichen wartungs-, reparatur- und unfallbedingten Ausfallzeiten des Fahrzeuges de facto zum Erliegen des Geschäftsbetriebes und damit zu erheblichen Mietausfällen führten. Gleichzeitig sei die Kostenstruktur des Vermietungsbetriebes ungünstig, weil schon die laufenden Unterhaltskosten für das Fahrzeug (ohne Berücksichtigung der AfA) die Einnahmen aus der Vermietung überstiegen.

9
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner fristgerecht erhobenen Klage gewandt, mit der er weiterhin begehrt, den geltend gemachten Verlust in Höhe von 65.779 € bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb anzusetzen. Den im Streitjahr (Verlustentstehungsjahr) bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen Verlust beabsichtigt er, in Höhe eines Teilbetrages von 13.335 € in das bereits bestandskräftig veranlagte Vorjahr 2005 zurückzutragen und den verbleibenden Verlustbetrag als verbleibenden Verlustvortrag gesondert feststellen zu lassen (Hinweis auf Bl. 2 Streitakte).

10
Sein vorinstanzliches Vorbringen ergänzend und vertiefend trägt er vor:

11
Mit der Vermietung von Fahrzeugen der Marke B… habe er – der Kläger – eine Marktlücke schließen wollen. Seinen Erfahrungen nach gäbe es nur wenige gewerbliche Vermieter, die Fahrzeuge der Luxusklasse, insbesondere Fahrzeuge der Marke B…, an Selbstfahrer vermieteten. Mangels fehlender finanzieller Mittel habe er zunächst nur einen gebrauchten Pkw B… erwerben können. Weitere Fahrzeuge sollten nach und nach hinzuerworben werden. Als besonderen Service habe er einen Bring- und Abholservice angeboten. Den Mietwagen habe er mit seinem Pkw C…, der über eine Anhängerkupplung verfügt habe, auf einem Anhänger transportiert. Eine private Nutzung des B… habe nicht vorgelegen. Hiergegen spreche der Umstand, dass er den Pkw nicht als Privatfahrzeug, sondern als gewerbliches Mietfahrzeug bei der D…-Versicherung gegen Vollkaskoschäden versichert habe. Der hierfür aufgewandte Jahresbeitrag sei um ein Mehrfaches höher gewesen, als der Jahresbeitrag für ein entsprechend versichertes Privatfahrzeug. Das Geschäft sei zunächst auch sehr gut angelaufen. Er habe eine eigene Homepage besessen, die mit Homepages verschiedener anderer Internetplattformen, z. B. der Vermietungsbörse „E…“, auf der eine Reihe anderer Kleinanbieter für Fahrzeugvermietungen aufgelistet gewesen seien, oder „F…“ unter der Rubrik „Reisen Sehen“ verlinkt gewesen sei. Ende des Jahres 2006 seien dann Probleme aufgetreten. Nach einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht sei der erste B… stark beschädigt worden. Die Versicherung habe erst nach Beschreitung des Rechtsweges den eingetretenen Schaden ersetzt. Neben weiteren kleineren Schwierigkeiten (Diebstählen von Zubehörteilen, Reparaturen usw.) und hierdurch bedingten Mietausfällen sei es im Jahr 2007 zu einem erheblichen Rückschlag für sein im Aufbau begriffenes Unternehmen gekommen. Ein Mieter habe das Fahrzeug anlässlich einer Polizeiflucht an Ostern des Jahres 2007 schrottreif beschädigt. Ein Ersatzfahrzeug habe nur mit großen Mühen aus eigenen ersparten Mitteln sowie dem Erlös aus der Veräußerung des schrottreifen ersten B… (Schrotterlös: 23.000 €) angeschafft werden können. Eine Teilregulierung durch die Vollkaskoversicherung sei wiederum erst nach Beschreiten des Rechtsweges im August des Jahres 2008 erfolgt. Seit diesen Vorkommnissen sei er – der Kläger – sehr vorsichtig geworden. Er prüfe die Seriosität seiner Kunden nunmehr sehr genau. Es sei ihm bewusst gewesen, dass mit nur einem einzigen Mietfahrzeug Gewinne nicht erzielt werden könnten und der Fuhrpark um mindestens ein weiteres Fahrzeug vergrößert werden müsse, um Gewinn erzielen zu können. Die Anschaffung eines weiteren Mietfahrzeuges sei jedoch aufgrund des Totalschadens und der verzögerten Regulierung der Unfallschäden durch die Versicherung unmöglich gewesen. Der geltend gemachte Verlust sei nicht dem Privatbereich zuzurechnen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei das Betriebskonzept als schlüssig und erfolgversprechend zu erachten gewesen. Persönliche Interessen oder sonstige private Motive hätten bei der Gründung des Unternehmens keine Rolle gespielt, eine Privatnutzung des Mietfahrzeuges hätte nicht vorgelegen. Schon wegen seiner damaligen Körperfülle und eines Körpergewichts von etwa 220 kg sei es ihm aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen, den B… auf längeren Strecken selbst zu nutzen (siehe Lichtbilder Bl. 41, 42 Streitakte). Die Berücksichtigung einer privaten Nutzungsentnahme nach Maßgabe der 1 %-Regelung scheide aus. Die vom BFH in den Vercharterungsfällen von Segelyachten und Motorbooten aufgestellten Grundsätze könnten auf den Streitfall nicht übertragen werden, weil sich gewerbliche Autovermietungen der vorliegenden Art von den Vercharterungsfällen grundlegend unterschieden. Deren Kostenstruktur sei gänzlich anders gelagert. Bereits die Liegekosten sowie die Abschreibung für Segelyachten seien wesentlich höher als die Unterhaltskosten für einen Sportwagen. Auch sei eine private Nutzung in den Vercharterungsfällen durch die Schiffseigner wahrscheinlicher. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Ansparrücklage im Streitjahr seien gegeben, weil diese der Finanzierung eines zweiten Pkw B… gedient habe.

12
Auf den entsprechenden rechtlichen Hinweis des Berichterstatters im Schreiben vom 23. Januar 2009 (Bl. 30 f Streitakte) hat der Kläger weiter ausgeführt, dass es für die Berücksichtigung der Ansparabschreibung gemäß § 7 g Abs. 3 EStG a.F. einer verbindlichen Bestellung des Zweitfahrzeuges im Jahr 2006 nicht bedurft habe. Eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur bei einem erst noch zu eröffnenden Betrieb erforderlich. Eine abgeschlossene Betriebseröffnung verlange nicht, dass der Betrieb bereits in seiner endgültig geplanten Form bestehe oder hohe Gewinne abwerfe. Zudem verlange die höchstrichterliche Rechtsprechung lediglich in den Fällen, in denen der Betrieb erst noch zu eröffnen ist, eine verbindliche Bestellung der wesentlichen Betriebsgrundlagen (BFH, Urteil vom 25. April 2002 IV R 30/00). Im Streitfall sei die Eröffnungsphase des Vermietungsbetriebes mit der Anschaffung des ersten Mietfahrzeuges Mitte des Jahres 2006 vollendet gewesen. Sei ein Unternehmen – wie hier – bereits am Markt tätig, müsse nicht mehr glaubhaft gemacht werden, dass die Investition tatsächlich beabsichtigt sei (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00).

13
Des Weiteren hat der Kläger mit Schriftsatz vom 5. November 2009 (Bl. 54 f Streitakte) für den Zeitraum von 2006 bis 2015 eine Prognoseberechnung über die zu erwartenden Ergebnisse aus der Vermietungstätigkeit vorgelegt (siehe Tabelle Bl. 58 Streitakte). Danach ergebe sich bezogen auf den Zeitraum von 2006 bis 2015 ein Totalgewinn in Höhe von 26.518 € wie folgt:

 

14
Kalenderjahr  Ergebnis in €  Anzahl der Vermietungstage
2006  ./.65.781  13
2007  ./.27.904  37
2008  ./. 4.337  35
2009  + 5.058  95
2010  + 3.618  100
2011  + 62.731  105
2012  + 10.147  110
2013  + 13.465  115
2014  + 14.329  120
2015  + 15.192  125
Totalgewinn  + 26.518
 

15
Mit weiterem Schriftsatz vom 15. Oktober 2010 (Bl. 119 f Streitakte) hat der Kläger außerdem vorläufige Gewinnermittlungen gemäß § 4 Abs. 3 EStG für die Jahre 2008 und 2009 vorgelegt. Abweichend von der vorstehenden Totalgewinnberechnung erwirtschaftete der Kläger einen Verlust aus gewerblicher Autovermietung für 2008 von rund 6.949 € (Bl. 122 Streitakte) sowie für das Jahr 2009 – ohne Berücksichtigung der Fahrzeug-AfA von jährlich 7.460 € (siehe Anlagenverzeichnis, Bl. 129 Streitakte) – einen Gewinn in Höhe von rund 2.772 € und bei Berücksichtigung der AfA einen Verlust in Höhe von 4.688 € (Bl. 127 Streitakte).

16
Zur Untermauerung seiner Berechnungen hat der Kläger im Verlauf des Klageverfahrens diverse Kfz-Mietverträge (jeweils in Ablichtung) vorgelegt, auf die der erkennende Senat ergänzend Bezug nimmt (Bl. 60 bis 107 Streitakte).

17
Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 13. Dezember 2007 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 65.779 € berücksichtigt werden.

18
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

19
Er bleibt bei seiner Auffassung, dass eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei vorliegt und verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

20
Ergänzend führt er aus:

21
Dass der Kläger die beiden fraglichen Pkw B… nicht selbst genutzt habe, lasse den Bezug zum privaten Bereich nicht entfallen. Bei lebensnaher Betrachtung sei anzunehmen, dass beide Fahrzeuge trotz der unzweifelhaft gegebenen Vermietung an fremde Dritte auch vom Lebenspartner, von Freunden oder Bekannten des Klägers genutzt worden sein könnten. Die Bildung einer Ansparrücklage sei unzulässig, weil es der verbindlichen Bestellung des B… bedurft habe. Die Betriebseröffnung sei erst abgeschlossen, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden seien (BFH-Urteil vom 10. Juli 1991, BStBl II 1991, 940). Im Fall einer gewerblichen Autovermietung könne bei Anschaffung eines einzigen Fahrzeuges noch nicht von einer abgeschlossenen Betriebseröffnung ausgegangen werden. Außerdem handele es sich bei der Anschaffung eines zweiten Fahrzeuges auch um eine wesentliche Erweiterung des vorhandenen Betriebs. Auch für diese Fälle erfordere die Bildung einer Ansparabschreibung eine verbindliche Bestellung des Wirtschaftsguts. Die im Klageverfahren vorgelegten Prognoseberechnungen des Klägers hält der Beklagte nicht für schlüssig. Es sei nicht anzunehmen, dass der im Jahr 2001 zugelassene B… noch im Jahr 2015 im Vermietungsbetrieb eingesetzt werden könne. Nicht nachvollziehbar sei außerdem die in den Jahren 2008/2009 durch nichts belegte sprunghafte Erhöhung der Anzahl der Vermietungstage.

22
Auf fernmündliche Mitteilung hat die Klägervertreterin mitgeteilt, dass der Kläger den Autovermietungsbetrieb mit Wirkung zum 5. Juni 2010 eingestellt habe (Vermerk Bl. 232 Streitakte/RS).

23
Der Berichterstatter hat das Rubrum der Klage berichtigt und lediglich die Einkommen-steuer des Jahres 2006 als Streitgegenstand erfasst.

24
Im Termin hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichts ausgeführt:

25
Die Idee zur Gründung der im Streit stehenden B…-vermietung an Selbstfahrer habe auf eigenen Erfahrungen beruht. Seinerzeit habe es in G… praktisch keine Möglichkeit gegeben, für Selbstfahrer einen hochwertigen B… für eine kurze Mietdauer und ohne größeren Aufwand anzumieten. Andererseits habe es nach seinen Recherchen durchaus eine erhebliche Nachfrage nach solchen Angeboten gegeben. Das von ihm zur Verfügung gestellte Fahrzeug sei von den Kunden häufig für „Spritztouren“ am Wochenende genutzt worden. Die Buchungen erfolgten z. B. auf der Grundlage von Geschenkgutscheinen, die über entsprechende Internetplattformen an den Kunden gebracht worden seien. Entsprechende Angebote bekannter Autovermietungsfirmen (z. B. …, … u. ä.) hätten seinerzeit nicht existiert. Aufgrund seiner abgeschlossenen Ausbildung zum Hotelfachwirt habe der Kläger Kontakte zum Empfangspersonal mehrerer großer Hotels (z. B. das …) unterhalten. Gegen eine geringe „Gebühr“ seien ihm ab und zu potentielle Kunden vermittelt worden. Mietvertragliche Rahmenvereinbarungen mit den betreffenden Hotels hätten aber nicht bestanden.

26
Aufgrund seiner sich verschlimmernden asthmatischen Erkrankung habe er damit rechnen müssen, seine Tätigkeit als „Vorwäscher“ in einer Autowaschanlage nicht mehr dauerhaft ausüben zu können. Mit der von ihm angestrebten Autovermietungstätigkeit habe er eine reale Chance gesehen, sich eine neue und nachhaltige Existenzgrundlage zu verschaffen. Da er das Unternehmen ohne Inanspruchnahme von Fremdkapital im Wesentlichen aus eigenen ersparten Mitteln finanziert habe, hätten sich die Kosten in einem überschaubaren Rahmen bewegt. Er habe eine vergleichsweise preisgünstige Selbstfahrer-Mietversicherung bei der D…-Versicherung abgeschlossen. Fremdpersonal habe er nicht beschäftigen müssen. Die für die Abwicklung der Vermietungen erforderlichen Tätigkeiten habe er gut mit seiner Tätigkeit als „Vorwäscher“ koordinieren können. Gelegentlich habe ihn seine langjährige (damalige) Lebensgefährtin, Frau H… (geb. am 13. August 1974), mit der er seinerzeit zusammengewohnt und mit der er eine gemeinsame Tochter (geb. am 8. März 2007) habe, bei den Vermietungsaktivitäten unterstützt. Die Pflegearbeiten am Mietfahrzeug (Wäsche usw.) habe er in der Autowaschanlage, in der er tätig gewesen sei, vorgenommen. Zum Transport des Mietfahrzeugs habe er einen Trailer eingesetzt, den ihm ein Bekannter je nach Bedarf leihweise zur Verfügung gestellt habe. Das Mietfahrzeug habe er trotz seiner Leibesfülle selbst auf den Anhänger verladen. Wenn das Mietfahrzeug nicht habe vermietet werden können, sei es in einer Garage in der Nähe seiner privaten Wohnung (I… Ring, G…) abgestellt worden. Eine private Nutzung des Mietwagens habe nicht stattgefunden. Er selber habe das Fahrzeug aufgrund seines Körperumfangs nicht auf längeren Strecken nutzen können. Seine damalige Lebensgefährtin habe kein Interesse an dem B… gehabt und diesen nicht genutzt. Der im Jahr 2007 angeschaffte B… (amtliches Kennzeichen …) sei im Zeitraum vom 29. Juli 2008 bis 29. Dezember 2009 allein aus versicherungstechnischen Gründen auf seine Freundin zugelassen gewesen. Im Jahr 2010 habe er das Mietunternehmen mangels Erfolgs aufgegeben und das Mietfahrzeug an Frau H… veräußert.

27
Dem Senat haben bei seiner Entscheidungsfindung neben der Streitakte zum vorliegenden Verfahren ein Band -Bd.- PKH- sowie drei Bde. Steuerakten des Beklagten (je ein Bd. Umsatzsteuer-Sonderprüfungs-, Einnahmen-Überschussrechnungs- und Einkommen-steuer-Akten) zur Steuernummer … vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

28
1. Die Klage richtet sich nur gegen die Anfechtung des Einkommensteuerbescheides für 2006. Den mit der Klageschrift gestellten weiteren Antrag, im Falle des Obsiegens einen Teil des im Streitjahr nicht ausgeglichen Verlustbetrages nach Maßgabe des § 10 d Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG in das Vorjahr (2005) zurückzutragen, hat der erkennende Senat dahingehend ausgelegt, dass dieses Begehren sich zur Vermeidung von Rechtsnachteilen allein an den Beklagten als Antrag auf Wahlrechtsausübung i. Sinne d. § 10 d Abs. 1 Satz 4 EStG richten und mithin nicht Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens sein soll. Auf ausdrückliche Nachfrage hat der im Termin fachkundig vertretene Kläger sich mit der entsprechenden Berichtigung des Rubrums ausdrücklich einverstanden erklärt.

2.

29
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

30
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2006 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

31
Der Beklagte hat die bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb geltend gemachten Verluste aus gewerblicher Autovermietung zu Recht nicht berücksichtigt, weil das Tatbestandsmerkmal der Gewinnerzielungsabsicht im Sinne des § 15 Abs. 2 EStG zu verneinen ist. Die Autovermietung an Selbstfahrer stellt keinen Gewerbebetrieb, sondern eine steuerlich unbeachtliche Liebhaberei dar.

32
Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal des gewerblichen Unternehmens ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns (BFH, Urteil vom 23. Mai 2007 X R 33/04, BStBl. II 2007, 874). Hieran fehlt es, wenn die Prognose des zu erwirtschaftenden Gewinns negativ ist und der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen und Neigungen ausübt. Es handelt sich um eine innere Tatsache, die – wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge – nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann (BFH, a.a.O. m.w.N.). Beruht die Neugründung eines Gewerbebetriebes im Wesentlichen auf den persönlichen Interessen und Neigungen des Steuerpflichtigen, so sind die entstehenden Verluste nur dann auf die Dauer einer betriebsspezifischen Anlaufphase steuerlich zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige zu Beginn seiner Tätigkeit ein schlüssiges Betriebskonzept erstellt hat, das ihn zu der Annahme veranlassen durfte, durch die gewerbliche Tätigkeit werde er insgesamt ein positives Gesamtergebnis erzielen können.

33
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist der erkennende Senat nach Beurteilung aller Umstände des Streitfalles zu der Überzeugung gelangt, dass die Vermietung von Anfang an als Liebhaberei anzusehen ist. Das Gesamtergebnis ist negativ. Der Kläger hat auf Nachfrage im Termin erklärt, dass auch in den nachfolgenden Veranlagungszeiträumen bis zur Veräußerung des einzigen Mietfahrzeuges im Jahr 2010 und mithin bis zur Beendigung der Tätigkeit stets Verluste erzielt worden waren. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse geht der Senat ferner davon aus, dass im Vordergrund für die zweifelsohne gegebene Vermietungstätigkeit nicht die Absicht der Gewinnererzielung, sondern das private Motiv stand, die nicht unerheblichen Kosten eines in der Anschaffung und im Unterhalt teuren Sportwagens durch gelegentliche Vermietung an Dritte zu senken. Auch das Betriebskonzept erweist sich bei näherer Betrachtung wirtschaftlich als nicht tragfähig. Für eine steuerliche Berücksichtigung des geltend gemachten Verlustes im Rahmen einer Anlaufphase besteht deshalb nach der oben zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung kein Raum.

34
Die mittlerweile im Jahr 2010 aufgegebene Vermietungstätigkeit hat zu keinem Totalgewinn geführt. Zwischen den Beteiligten ist nicht strittig, dass auch in den dem Streitjahr nachfolgenden Veranlagungszeiträumen von 2007 bis zur Beendigung der Vermietungsaktivitäten im Jahre 2010 keine Gewinne, sondern durchweg Verluste aufgelaufen sind. Für die anzustellende Prognose kommt es deshalb nicht auf eine in die Zukunft gerichtete langfristige (Gesamt-)Beurteilung an, denn im Falle der Veräußerung des Betriebes oder der Betriebsaufgabe ist das tatsächliche Ergebnis maßgeblich.

35
Im Streitfall beruhen die Verluste – wie der Beklagte zu Recht hervorgehoben hat – nach Würdigung aller streiterheblichen Umstände nicht auf einer einkommensteuerrechtlich beachtlichen Tätigkeit. Vielmehr würdigt der erkennende Senat die Gegebenheiten des Streitfalls dahingehend, dass die verlustbringende Vermietungstätigkeit von Beginn an auf unbeachtlichen privaten Motiven basierte. Hierfür spricht zunächst der Umstand, dass der Kläger die Autovermietung nicht als „Brotberuf“, sondern in nebenberuflichem Umfang ausübte und zur Bestreitung seines Lebensunterhalts nicht auf die Einnahmen aus der Vermietung angewiesen war. Der Erwerb nur eines Sportwagens der gehobenen Klasse deutet darauf hin, dass das Fahrzeug zumindest auch in nicht unerheblichem Umfang zu eigenen privaten Zwecken verwendet wurde. Indiz von Gewicht erlangt insoweit der Umstand, dass der Mietwagen – wie der Kläger im Termin auf Nachfrage bestätigt hat – in der Nähe seiner privaten Wohnung geparkt war und dort im Falle der Nichtvermietung dem jederzeitigen Zugriff zur Privatnutzung unterlag. Mit Erfolg kann der Kläger sich insoweit nicht darauf berufen, dass er das Mietfahrzeug aufgrund seines Leibesumfangs und Körpergewichts nicht selbst habe führen können. Zu Recht weist der Beklagte nämlich darauf hin, dass bei unbefangener Betrachtung durchaus die naheliegende Möglichkeit bestand, dass der B… von der seinerzeitigen Lebenspartnerin oder anderen Personen aus dem privaten Bekannten- und Freundeskreis des Klägers genutzt werden konnte. Diese Möglichkeit liegt auch deshalb auf der Hand, weil der Kläger und dessen Lebensgefährtin und Mutter der gemeinsamen Tochter (geb. am 8. März 2007) seit 1999 bis dato (neue Anschrift seit 1. März 2011: J…, G…) durchweg unter einer gemeinsamen Anschrift gemeldet waren. Neben der Halterstellung der Frau H… betreffend den Pkw B… (amtliches Kennzeichen …) im Zeitraum vom 28. Juli 2008 bis 29. Dezember 2009 erlangt für die Annahme einer steuerschädlichen Privatnutzung außerdem der Umstand Bedeutung, dass die Lebenspartnerin das Fahrzeug vom Kläger im Jahr 2010 käuflich erworben hat.

36
Zu Recht hat der Beklagte schließlich auch die Schlüssigkeit des Betriebskonzepts in Zweifel gezogen.

37
Der Erfolg des vom Kläger verfolgten und von ihm im Termin (nochmals) näher ausgeführten Betriebskonzepts stellt sich nach eingehender Würdigung aller Gesamtumstände aus der ex ante Sicht eines auf Erfolg bedachten und ordnungsgemäß agierenden Kaufmanns schon im Ansatz als äußerst fragwürdig dar. Nach Ansicht des Senats ist die zu beurteilende Autovermietung aus strukturellen Gründen auf Verlust angelegt.

38
Für diese Beurteilung spricht der Umstand, dass die Vermietung eines einzigen Sportwagens der vorliegenden Art an fremde Dritte für kurze „Spaß- und Spritztouren“ mit besonderen Risiken und Kosten des Unternehmers verbunden sein dürfte. Das vom Kläger verfolgte Konzept beruhte maßgebend darauf, einen Kundenkreis anzusprechen, dessen Hauptinteresse darauf gerichtet war, ein sportliches und edles Fahrzeug nutzen zu können. Hieraus ergaben sich besondere Verlustrisiken, die weit über das mit einem normalen Autovermietungsbetrieb verbundene wirtschaftliche Verlustrisiko hinausgehen dürften. Mit der erwähnten Nutzung waren neben einer höheren Unfallgefahr auch verschleißbedingt höhere Kosten für die laufende Wartung- und Reparatur des Fahrzeuges erforderlich. Zudem sind erhebliche Einnahmeausfälle während der Dauer der Reparatur- und Wartungsarbeiten zu gewärtigen, die in Ermangelung eines Ersatzfahrzeuges nicht anderweitig kompensiert werden konnten. Die von dem Kläger verfolgte unkonventionelle Überlassung des Fahrzeuges an fremde Dritte birgt nach Ansicht des Senats auch das Risiko, dass unseriöse Mieter das Fahrzeug über Gebühr nutzen oder unsachgemäß behandeln oder gar unterschlagen. Gleichzeitig besteht bei dieser Art der Überlassung keine Möglichkeit, die besonderen Schadens- und Ausfallrisiken verlässlich abzusichern, zumal dem Kläger letztlich keine ausreichenden Sicherheiten zur Abdeckung der aufgezeigten Verlustrisiken zur Verfügung standen. Dem erkennenden Senat ist bekannt, dass sich die großen Autovermieter bei der Vermietung von hochwertigen Fachzeugen der Sportwagen- oder Luxuswagenklasse durch eine strenge Bonitätsprüfung der Mieter gegen derartige Verlustrisiken absichern. Dergleichen hat der Kläger nicht unternommen.

39
Da ein Ersatzfahrzeug nicht existierte und ein unvorhersehbarer Ausfall des Mietfahrzeuges jederzeit eintreten konnte, bestand auch nicht die Möglichkeit, im Vorfeld eine verlässliche Mietreservierung vorzunehmen. Das hohe Ausfallrisiko war nicht nur theoretischer Natur, denn schon kurze Zeit nach der Eröffnung des Betriebes fiel der erste B… nach einem Totalschaden aus; hierdurch war die Fortführung des Unternehmens eigenen Angaben des Klägers zufolge ernsthaft gefährdet. Auf einen dauerhaften Ersatz durch die Versicherung konnte der Kläger nicht verlässlich setzen. Aufgrund der in dem Konzept angelegten strukturellen Mängel musste der Kläger jederzeit damit rechnen, dass die Versicherung im Falle ihrer wiederholten Inanspruchnahme das Versicherungsverhältnis aufgrund ihrer allgemeinen Versicherungsbedingungen kündigen würde. Abgesehen davon ist zu berücksichtigen, dass der Kläger auf dem Geschäftsfeld der Autovermietung mit anderen leistungsstarken und professionellen Anbietern (z. B. …, …) konkurrierte.

40
Auf die Frage, ob der Kläger für die Anschaffung eines Zweitfahrzeuges eine Sonderabschreibung nach § 7 g Abs. 3 EStG a.F. in Anspruch nehmen kann, kommt es nach alldem nicht mehr, weil die geltend gemachten Verluste wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht vom steuerlichen Abzug ausgeschlossen sind.

41
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften

Mit großer Mehrheit hat der Bundestag am 27. Juni dem Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 (17/13870) auf Empfehlung des Finanzausschusses (17/14195) angenommen. Damit werden die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zu Ehegatten und Ehen entsprechend dem genannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften angewendet. Das Gericht hatte die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartner in den Paragrafen 26, 26b, 32a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes zum Ehegattensplitting für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes erklärt (Aktenzeichen: 2 BvR 909/06). In namentlicher Abstimmung lehnte der Bundestag Änderungsanträge der SPD (17/14230), der Linken (17/14321) und der Grünen (17/14232, 17/14233) ab. Für die SPD-Initiative votierten 261 Abgeordnete, 312 lehnten sie ab. Es gab eine Enthaltung. Für den Änderungswunsch der Linken stimmten 259 Abgeordnete, 312 lehnten ihn ab. Drei Abgeordnete enthielten sich.  Dem ersten Änderungsantrag der Grünen stimmten 260 Abgeordnete zu, 312 lehnten ihn ab und es gab eine Enthaltung. Den zweiten Änderungsantrag befürworteten 261 Abgeordnete, 312 wiesen ihn zurück. Es gab zwei Enthaltungen. Darüber hinaus fand auch ein weiterer Änderungsantrag der Grünen (17/14234) keine Mehrheit. Gegen das Votum der Opposition scheiterte die SPD mit einem Gesetzentwurf zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht (17/13871). Unter anderem sollten auf Antrag der Lebenspartner auch bestandskräftige Steuerfestsetzungen geändert werden können. Mit dem gleichen Stimmenverhältnis lehnte das Parlament einen weiteren Gesetzentwurf der Grünen zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht (17/13872) ab. Auch diese Vorlage hatte die Gleichstellung von eingetragener Lebenspartnerschaft und Ehe zum Ziel.