Archiv der Kategorie: Privatbereich

Besteuerung eines Lebensmittels

Zur umsatzsteuerlichen Einordnung eines diätetischen Lebensmittels.

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH-Az. VII B 176/12

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 10.05.2012, 16 K 281/11
Pos 2106 KN, Pos 3004 KN, § 12 Abs 2 Nr 1 UStG 2005, Kap 21 KN, § 12 Anl 2 Nr 33 UStG 2005, UStG VZ 2005
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Organträgerin zur Organgesellschaft L GmbH (nachfolgend: GmbH). Die GmbH stellt Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel her und veräußert diese. Zu den Produkten, die hergestellt und vertrieben werden, gehört das Produkt „v00“. Streitig ist, ob die Lieferung dieses Produkts dem Regelsteuersatz oder dem begünstigten Steuersatz unterliegt.
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V00 wird in einer Faltschachtel angeboten, in der entweder 30 oder 90 Dragees des Produkts enthalten sind. Der Faltschachtel wird jeweils eine schriftlich verfasste Verbraucherinformation beigegeben. Wegen des äußeren Erscheinungsbildes der Verpackung und der Verbraucherinformation wird auf die Seiten 45, 46 der Gerichtsakte verwiesen. Nach den Aufdrucken auf der Verpackung wird v00 als ergänzende bilanzierte Diät beschrieben, die zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen infolge eines erhöhten Homocysteinspiegels dient. Die Inhaltsstoffe werden angegeben. Es wird die Verzehrempfehlung gegeben 1 Dragee pro Tag zu verzehren. Die Verpackung erhält die weiteren Hinweise: „Aufgrund der besonderen Ernährungserfordernisse bei der diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen infolge eines erhöhten Homocysteinspiegels ist der Gehalt an Vitamin B12 erhöht. V00 ist kein vollständiges Lebensmittel. … Mit einer gezielten diätetischen Versorgung mit den Vitaminen Folsäure, B6 und B12 können Patienten mit einem erhöhten Homocysteinspiegel sinnvoll ihre Ernährung ergänzen. V00 enthält diese wertvollen Vitamine in bilanzierter und sinnvoller Kombination, wie sie durch eine Ernährungsumstellung nicht zu erreichen wären. Mit der diätetischen Zufuhr dieser Vitamine können erhöhte Homocysteinspiegel günstig diätetisch Beeinfluss werden.“
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Aus der beigefügten Verbraucherinformation ergibt sich, dass pro Dragee in dem Produkt v00 8 mg an Vitamin B6, 100 µg an Vitamin B12 und 800 µg an Folsäure enthalten ist.
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Die Klägerin erklärte die mit dem Produkt v00 erzielten Umsätze als solche mit dem begünstigten Steuersatz von 7 v.H. Dabei stufte sie das Produkt als Lebensmittelzubereitung, die unter Zollnomenklatur 2106 einzuordnen sei, ein.
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Nach einer in 2009 stattgefundenen Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass die Umsätze dem Regelsteuersatz unterlägen. Entsprechend erhöhte der Beklagte diesbezüglich die Umsatzsteuer um 32.814,98 €. Das Erzeugnis sei in Position 3004 der kombinierten Nomenklatur (KN) einzuordnen.
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Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
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Das Präparat v00 sei keine Arzneiware. Arzneiwaren seien Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG bzw. des Artikel 1 Ziffer 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Es handele sich vielmehr um ein diätetischen Lebensmittel gemäß § 1 Abs. 4 a i.V.m. § 21 DiätVO. Es handele sich hierbei um ein Erzeugnis das für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sei. Es diene der Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung Modifikationen der normalen Ernährung, andere Lebensmittel zur besonderen Ernährung bzw. Kombinationen aus beiden nicht ausreichend seien. Der Hinweis auf der Verpackung, wonach das Produkt zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen bestimmt sei, stelle keine Formulierung her, die die Klägerin selbst bestimmt gewählt habe. Vielmehr sei dies eine Vorgabe durch § 21 Abs. 2 Ziffer 1 DiätVO. Diese beruhe auf den entsprechenden Vorgaben der europäischen Richtlinie 1999/21/EG. Es bleibe dennoch dabei, dass es sich bei dem Produkt um ein Lebensmittel handele und nicht um Arzneimittel. Der juristisch relevante Unterschied bestehe darin, dass Arzneimittel/Arzneiwaren eine pharmakologische Wirkung gemäß Artikel 1 Ziffer 2 b der Richtlinie 2001/89/EG aufwiesen, die diätetischen Lebensmittel hingegen ernährungsphysiologisch bzw. diätetisch ihre Wirkung entfalteten. Es könne das streitige Produkt deshalb nicht als Arzneiware im Sinne der Position 3004 der KN eingereiht werden. Es werde auch auf die EG-Verordnung 17177/2001 verwiesen, die in ihren Erwägungsgründen besonders hervorhebe, dass Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke, die speziell hergestellt oder zubereitet wurden, um den bei bestimmten physischen oder physiologischen Umständen bestehenden Bedürfnissen zu entsprechen, vom Anwendungsbereich der Arzneiware auszunehmen sind. Hinzu trete, dass die vom deutschen Gesetzgeber in § 21 Abs. 2 Ziffer 1 DiätVO verwendete Formulierung (zur diätetischen Behandlung von …) „eine Übersetzung darstelle, die den ernährungsbezogenen Charakter dieser diätetischen Ernährung nicht vollständig gerecht werde. Zutreffender sei sicherlich der Wortlaut in der englischen Version der Richtlinie 1999/21/10; darin heiße es: „The labelling shall also include: The statement for the dietary management of …“. Aus der Formulierung ergebe sich weit aus eindeutiger als in der deutschen Übersetzung, dass es sich um eine diätetischen Ernährungsmaßnahme im Sinne eines Ernährungsmanagements handele und nicht um eine therapeutische Behandlung einer Krankheit.
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Die Klägerin beantragt,
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die Umsatzsteuer 2005 auf XX € herabzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es werde weiter daran festgehalten, dass das im Streit stehende Produkt eine zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken hergestellte Arzneiware sei und demgemäß in Position 3004 der KN einzureihen sei. In der kombinierten Nomenklatur werde durch die zusätzliche Anmerkung 1 zum Kapitel 30 die Abgrenzung von Arzneiwaren zu Lebensmittel und damit auch zu diätetischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln geregelt. Danach seien pflanzliche Arzneizubereitungen und Zubereitung auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren, in Aufmachungen für den Einzelverkauf, dann in die Position 3004 der KN einzureihen, wenn auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel folgende Angaben enthalten sind:
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a. die spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, bei dem das Erzeugnis verwendet werden soll;
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b. die Konzentration des enthaltenen Wirkstoffs oder der darin enthaltenen Stoffe;
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c. die zu verabreichende Menge und
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d. die Art der Anwendung.
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Bei Zubereitungen auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren müsse die Menge eines dieser Stoffe pro auf dem Etikett angegebener empfohlener Tagesdosis deutlich höher sein, als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis. Nach den Erläuterungen zur KN des Kapitels 30 Rz. 06.1 und 07.2 müssten Zubereitungen auf der Grundlage von Vitaminen im Allgemeinen eine mindestens dreimal höhere Tagesdosis als die normalerweise empfohlene Tagesdosis enthalten. Der Nachweis einer Wirksamkeit entsprechender Waren sei nicht erforderlich. Die Rechtsvorschrift ziele allein auf die Aufmachung der Ware ab. Das streitbefangene Erzeugnis erfülle alle genannten Voraussetzungen.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte. Dem Gericht haben die für die Klägerin beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Für das streitige Produkt ist der Steuersatz mit 7 v.H. zu bestimmen.
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Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 7 v.H. für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Anlage 2 zum Umsatzsteuergesetz bezeichneten Gegenstände. In laufender Nummer 33 der Anlage 2 sind verschiedene Lebensmittelzubereitungen aus dem Zolltarif Kapitel 21 genannt. In die Position 2106 der KN gehören Lebensmittelzubereitungen, die anderweit weder genannt noch inbegriffen sind. Das streitige Produkt ist in diese Position 2106 der KN einzuordnen. Denn es gehört nicht in die Position 3004 der KN.
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Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Arzneiwaren im Sinne der Position 3004 der KN Erzeugnisse sind, die genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweisen und deren Wirkungen auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert sind (vgl. Urteil vom 9. Januar 2007 C-40/06 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
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Im Streitfall mangelt es dem streitigen Produkt an genau umschriebenen therapeutischen oder prophylaktischen Eigenschaften. Der einzige Hinweis auf der Verpackung der diesbezüglich in Betracht käme, ist derjenige, dass das Produkt zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen in Folge eines erhöhten Homocysteinspiegels verwendet werden kann. Abgesehen von dem insoweit zutreffenden Hinweis der Klägerin, dass ihr die Wortwahl für diesen Text durch die nationale Vorschrift in § 21 Abs. 2 Ziffer 1 DiätVO vorgegeben ist, ergibt sich hieraus keine genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft. Auch die europarechtlich geforderte konzentrierte Wirkung auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus lässt sich aus der Umschreibung auf dem Verpackungsinhalt nicht erkennen.
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Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass nach den Erläuterungen zu Kapitel 30 der KN, speziell dort unter 06.1 und 07.2 das streitige Produkt als pharmazeutisches Erzeugnis einzustufen sei, weil es die vier Voraussetzungen, nämlich die Verwendung bei spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptomen, die Konzentration der enthaltenen Wirkstoffe, die zu verabreichende Menge und die Art der Anwendung umschreibe, ist dem entgegenzuhalten, dass in den Erläuterungen zu Kapitel 30 unter 08.0 ausdrücklich ausgeführt ist, dass zu Position 3004 u. a. nicht Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Zubereitungen gehören.
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Das Gericht musste den vom Beklagten gestellten Beweisantrag nicht folgen. Denn es ist letztlich nicht entscheidungserheblich, ob durch Sachverständigengutachten bewiesen werden könnte, ob das in Rede stehende Produkt ein Mittel ist, welches geeignet wäre, Gefäßerkrankungen vorzubeugen oder/und zu behandeln. Entscheidend für die Einreihung in die KN ist nicht eine möglicherweise objektive Eigenschaft des Produkts. Vielmehr ist entscheidend, ob in einer Aufmachung des Erzeugnisses für den Einzelverkauf verdeutlicht wird, dass dieses zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken dient. Hierfür sind allein die Angaben auf der inneren oder äußeren Umschließung der Ware entscheidend (vgl. Erläuterungen 04.0 und 05.0 zu Position 3004 der KN).
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Im Ergebnis war die Umsatzsteuer antragsgemäß zu vermindern. Wegen der Berechnung verweist das Gericht auf die Anlage 4 des Außenprüfungsberichts vom 21. Januar 2010.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.

Einkünftequalifikation bei Verpachtung von landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzten Flächen

Der Erwerber von land- und forstwirtschaftlich genutzten einzelnen Wirtschaftsgütern (im Streitfall: Acker- und Wiesenflächen), der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, erzielt im Falle der sofortigen Verpachtung dieser Wirtschaftsgüter grundsätzlich nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 23.01.2013, 9 K 293/11
§ 13 Abs 1 EStG 2002, § 4 Abs 1 EStG 2002, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, EStG VZ 2005
Tatbestand
1
Streitig ist die steuerliche Qualifizierung von Einkünften aus der Verpachtung von Acker- und Wiesenflächen.
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Die Klägerin ist eine Erbengemeinschaft nach dem am 13. September 2005 verstorbenen E (Erblasser), die aus dessen beiden Töchtern besteht. Die Erbengemeinschaft erzielte Einkünfte aus verpachteten Ackerflächen sowie aus der Nutzung von Waldflächen von jeweils ca. 3 ha Größe.
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Der Erblasser war der älteste Sohn der Großeltern der an der Erbengemeinschaft Beteiligten. Er verzichtete auf sein Hoferbrecht und wurde promovierter landwirtschaftlicher Oberrat an diversen Landwirtschaftsschulen. Er baute sich auf dem Grundstück seines Onkels ein Einfamilienhaus.
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Der gesamte Hof der Großeltern wurde auf den Bruder des Erblassers übertragen, der nach der Übernahme des Hofes der Großeltern und Selbstbewirtschaftung in solche wirtschaftlichen Schwierigkeiten geriet, dass er Grundstücke des Hofes verkaufen musste. Zumindest zum Teil erwarb nun der Erblasser diese Grundstücke. So erwarb er zum 1. April 1975 Forstflächen in einer Größe von 3,14 ha in der Gemarkung N von seinem Bruder. Mit notariellem Vertrag vom 6. Januar 1976 (UR 3/1976 Notar B) erwarb er von seinem Bruder weiterhin den 61.463 qm großen Acker Flurstück 48, der Flur 6, in N (sog. B, früher W) zum Preis von 98.340,80 DM. Sollte das Grundstück oder Teile davon zu Lebzeiten des Erblassers als Bauland verkauft werden, so sollte nach § 1 Abs. 2 des Grundstückkaufvertrages die Differenz zwischen dem bisherigen Kaufpreis für Ackerland und dem Baulandpreis an den Verkäufer nachgezahlt werden. Nach § 8 des Vertrags beantragte der Erblasser die Befreiung von Grunderwerbsteuern und Gerichtskosten mit der Begründung, das Kaufgrundstück diene zur Aufstockung seines landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Ob eine Befreiung von Grunderwerbsteuer tatsächlich gewährt wurde, konnte nicht mehr ermittelt werden.
5
Mit UR 4/1976 schloss der Erblasser am selben Tag mit seinem Bruder vor demselben Notar einen Vertrag über die kostenlose Nutzung des Grundstücks im landwirtschaftlichen Betrieb des Bruders als Ackerland. U.a. wurde ein einjähriges Kündigungsrecht beider Parteien und ein Erlöschen des Vertrages bei Aufgabe der Landwirtschaft durch den Nut-zungsberechtigten vereinbart. Über die Art der Bewirtschaftung sollten beide Parteien im gegenseitigen Einvernehmen entscheiden.
6
Nach einer Pachtbestätigung wurde das Flurstück ab dem 1. Juli 1977 an den Landwirt S verpachtet. Im Jahr 1987 erfolgte ein weiterer Grundstückszukauf durch den Erblasser. Auch hierbei handelte es sich um einen Teil des großelterlichen Hofes.
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Im August 1987 wandte sich der Vater gegen die Bewertung einer Teilfläche von 21.168 qm aus dem Grundstück B als Bauland. In seiner schriftlichen Aussage an Amtsstelle teilte er mit, dass die Fläche von ihm noch landwirtschaftlich genutzt werde. In voraussehbarer Zeit sei mit einer Bebauung dieser Fläche nicht zu rechnen. Falls die Bebauung beginne, werde er dem Finanzamt Nachricht geben.
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Der für die Einkommensteuerveranlagung des Erblassers zuständige Arbeitnehmerbereich des beklagten Finanzamtes erlangte von dem Grundbesitz erst Kenntnis bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 1990. Die auf Rückfrage zu den Pachteinnahmen vorgelegte Anlage L enthielt sowohl die Forstflächen als selbstbewirtschaftete Flächen als auch die verpachtete Ackerfläche Bäckermorgen, die in die vorgegebene Zeile für verpachtetes Betriebsvermögen vom Erblasser selbst eingetragen wurde und nicht in die Zeile für Privatvermögen. In seinem notariellen Testament vom 1. April 1997 sprach der Erblasser von einem Zusammenhalt „der übrigen zum Hof gehörenden Grundstücke“.
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Die Erbengemeinschaft verkaufte mit Vertrag vom 28. Januar 2006 rd. 17.900 qm des Grundstücks B für ca. 800.000 € als Bauland. Die Kaufpreiszahlungen erfolgten erst ab dem 2. Halbjahr 2006.
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Während der Erblasser (auch) die Einnahmen aus der Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt hatte, ging die Klägerin davon aus, dass diese Grundstücke seit ihrem Erwerb durch den Erblasser dem Privatvermögen zuzuordnen seien, und erklärte für das Streitjahr 2005 insoweit entsprechend dem tatsächlichen Zufluss Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 902 € (Pächter S: insges. 749,56 €; Pächter P: 153,39 €).
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Die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte in Höhe von 1.886 € (Jagdpacht: 58,80 €; Holzverkauf: 1.182,61 € bzw. 664,60 €) ordnete die Klägerin dagegen im Rahmen der Feststellungserklärung 2005 zu 4/10 (= 754 €) dem Streitjahr zu.
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Dem folgte das beklagte Finanzamt (FA) nicht und stellte die nach Angaben der Klägerin im (Rumpf-)Wirtschaftsjahr zugeflossenen Einnahmen in der Zeit anteilig auf das Streitjahr entfallender Höhe von 1.405 € mit Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft fest. Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und beantragte, die Einkünfte i.H.v. insgesamt 1.656 € festzustellen, davon 902 €, die im Streitjahr aus der Verpachtung der Ackerflächen zugeflossen waren, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie (zeitanteilig auf das Streitjahr entfallend) 754 € aus Land- und Forstwirtschaft. Der Einspruch hatte keinen Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008).
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Im Klageverfahren des ersten Rechtsganges stellte die Klägerin den Antrag, „den Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008 zu ändern und die Einkünfte aus den Acker- und Wiesenflächen N Flur 3 (gemeint offenbar Flur 6) Flurstück 48 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen“.
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Der 11. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts wies die Klage mit Urteil vom 6. Mai 2010 (11 K 12404/08) als unzulässig ab, soweit die Klägerin die Feststellung höhere Einkünfte beantragt hatte, als im Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 aufgeführt. Soweit die Klägerin begehrt hatte, dass statt der Einkünfte aus Landwirtschaft nunmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt werden sollten, hielt der 11. Senat die Klage für zulässig und begründet. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das vorgenannte Urteil Bezug genommen. Die Revision ließ das FG nicht zu.
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Auf die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 (IV B 59/10) das vorgenannte Urteil des 11. Senates des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und wies die Sache zurück an das FG. Das FG habe gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, indem es dem angefochtenen Urteil ein Klagebegehren zugrunde gelegt hat, das mit dem tatsächlichen Begehren der Klägerin nicht übereinstimme. Im Streitfall sei das FG in zwei Punkten vom Klagebegehren abgewichen. Zum einen habe das FG die im angefochtenen Bescheid festgestellten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft dem Tenor des angefochtenen Urteils zufolge insgesamt als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt, obwohl die Klägerin ausweislich des im Tatbestand wiedergegebenen Klageantrags lediglich die Umqualifizierung der Einkünfte aus den in N, Flur 3 (gemeint offenbar Flur 6) Flurstück 48, belegenen Acker- und Wiesenflächen beantragt hatte. Den Feststellungen im angefochtenen Urteil lasse sich nicht entnehmen, ob in den zugeflossenen Pachteinnahmen aus den landwirtschaftlichen Grundstücken i.H.v. 902 € auch Pachteinnahmen für andere landwirtschaftliche Grundstücke enthalten gewesen waren. Daneben habe die Klägerin Einkünfte aus ihren selbstbewirtschafteten Forstflächen erzielt, die sie nach den Angaben im Tatbestand des angefochtenen Urteils im Einspruchsverfahren mit 754 € beziffert habe. Diese Einkünfte seien in den Klageantrag nicht einbezogen gewesen.
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Zum anderen rügte der Bundesfinanzhof, dass das FG die Klage als unzulässig verworfen habe, soweit die Klägerin den Ansatz höherer Einkünfte begehrt habe, als im angefochtenen Bescheid festgestellt worden seien. Auch insoweit weiche das angefochtene Urteil von dem darin wiedergegebenen Klageantrag ab. Denn dieser beziehe sich nur auf die Einkünfte aus den Acker- und Wiesenflächen in N, die (max.) 902 € betragen hätten. Zu Unrecht habe das FG angenommen, dass die Feststellung einer unzutreffenden Einkunftsart nicht zu einer Rechtsverletzung i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO führe. Im Streitfall habe die Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus Vermietung und Verpachtung anstelle solcher aus Land- und Forstwirtschaft – wegen der nur für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft geltenden zeitanteiligen Aufteilung der Einkünfte nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG – Auswirkungen auf deren Höhe.
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Auf Grundlage des im Zeitpunkt der Zurückverweisung geltenden Geschäftsverteilungsplanes des Niedersächsischen Finanzgerichts ist der 9. Senat für den Streitfall zuständig geworden.
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Zur Begründung verbleibt die Klägerin bei ihrem bisherigen Vorbringen und stützt sich auf das vorgenannte Urteil des 11. Senates des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. Mai 2010 (11 K 12404/08). Das zwischenzeitlich ergangene BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 (IV R 48/08) führe zu keiner anderen Beurteilung. Im Übrigen hält es die Klägerin für unerheblich, ob auch die unentgeltliche Überlassung zur Fruchtziehung als Pachtverhältnis zu beurteilen sei, da eine Einlage daraus jedenfalls nicht hergeleitet werden könne. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22. März 2012 Bezug genommen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Feststellungsbescheid 2005 vom 23. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008 dahingehend zu ändern, dass von den festgestellten Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ein Betrag von 902 € in Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung umqualifiziert wird.
21
Der Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Zunächst verweist der Beklagte erneut auf sein Vorbringen in der Einspruchsentscheidung. Des Weiteren trägt der Beklagte Folgendes vor: Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei im vorliegenden Fall Betriebsvermögen anzunehmen, so dass nicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern solche aus Land- und Forstwirtschaft aus der Verpachtung der Ackerflächen erzielt worden seien. In jeder noch vorliegenden Einkommensteuererklärung ab 1998 sei das strittige Grundstück in den Anlagen L als Betriebsvermögen erklärt sowie eine parzellenweise Verpachtung ab 1. Oktober 1988 angegeben worden. Seit 1999 seien die Angaben in der Anlage L, die für jeden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in einer eigenen Anlage L zu machen seien, erfolgt. Die aus den erklärungsgemäßen Veranlagungen resultierenden steuerlichen Vorteile (Freibeträge aus Land- und Forstwirtschaft) seien jahrelang vom Erblasser in Anspruch genommen worden. Zwar sei eine objektiv unrichtige Eintragung in der Steuererklärung in der Regel nicht ausreichend. Die Besonderheit des Streitfalles liege jedoch darin, dass keinerlei Zweifel an der jahrzehntelangen Erklärung und den entsprechenden Veranlagungen bestanden hätten.
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Unstreitig liege hier im vorliegenden Fall zwar keine ausdrückliche Einlageerklärung des Erblassers vor. Im Gegensatz zu buchführenden Steuerpflichtigen, die entsprechende Inventarverzeichnisse vorlegten, erfolgten bei den übrigen Land- und Forstwirten Angaben zu den betrieblichen Flächen und deren Nutzung jeweils in den Innenseiten der Anlage L. Diese seien vom Erblasser entsprechend ausgefüllt worden. Im Urteil des BFH vom 7. Februar 2002 (IV R 32/01) werde gerade auf die Angaben in dieser Anlage abgestellt zur Beurteilung, ob eine Entnahme erklärt worden sei. Im Übrigen sei das FG im ersten Rechtsgang zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine unentgeltliche Bewirtschaftung durch einen Fremden einen Pachtvertrag darstelle. In dieser Konstellation sei vielmehr eine Selbstbewirtschaftung anzunehmen.
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Dem Erblasser habe im Übrigen das Verpächterwahlrecht zugestanden. Er habe eine Erklärung abgeben müssen, wenn durch die Verpachtung eine Betriebsaufgabe bewirkt werden sollte, nicht jedoch, wenn weiterhin ein Betrieb bestehe.
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Zusammen mit den Erklärungen des Erblassers vom August 1987 der Bewertungsstelle des FA gegenüber und in seinem Testament vom 1. April 1997 sei nach dem Gesamtbild von einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auszugehen, so dass die strittigen Grundstücke noch Betriebsvermögen gewesen seien und die Einkünfte daraus als solche aus Land- und Forstwirtschaft festzustellen seien.
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Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 30. Januar 2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage ist begründet.
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Der Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die streitigen Ackerflächen gehören nicht zum Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin mit der weiteren Folge, dass die aus der Verpachtung erzielten Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung festzustellen sind.
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a) Hat ein Steuerpflichtiger ein Wirtschaftsgut zulässigerweise seiner betrieblichen Betäti-gung und damit seinem Betriebsvermögen i.S. von § 4 Abs. 1 EStG zugeordnet (z.B. dadurch, dass er das Wirtschaftsgut unmittelbar für betriebliche Zwecke nutzt – notwendiges Betriebsvermögen – oder dadurch, dass er das Wirtschaftsgut dazu bestimmt, den Betrieb mittelbar durch Einnahmen in Form von Vermögenserträgen zu fördern – gewillkürtes Betriebsvermögen -), so verliert das Wirtschaftsgut seine Eigenschaft als (notwendiges oder gewillkürtes) Betriebsvermögen nur durch eine Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Der sachliche betriebliche Zusammen-hang wird (bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts) durch Entnahme gelöst; der persönliche betriebliche Zusammenhang geht verloren durch eine entgeltliche Veräußerung des Wirtschaftsguts oder durch dessen schenkweise Übertragung auf einen Betriebsfremden, die wiederum – ebenso wie die Lösung des sachlichen Zusammenhangs bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts – eine Entnahme voraussetzt oder mit umfasst (BFH-Urt. v. 31. Januar 1985 IV R 130/82, BStBl II 1985, 395, unter 2.a der Gründe; Urt . v. 14. Mai 2009 IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811; Urt. v. 5. Mai 2011 IV R 48/08, BStBl. II 2011, 792 unter 4c. der Gründe).
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An einer solchen Zuordnung zum Betriebsvermögen fehlt es aber bei einem Erwerb eines landwirtschaftlichen Betriebes, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs den erwor-benen Betrieb zu keinem Zeitpunkt selbst bewirtschaftet, sondern in unmittelbarem An-schluss an den entgeltlichen Erwerb verpachtet (vgl. FG München, Urteil vom 13. September 2006 10 K 2650/03). Ein sogenanntes Verpächterwahlrecht steht dem Erwerber nicht zu. Ein solcher Erwerber hat keine Land- und Forstwirtschaft, die er bei Verpachtung entweder aufgeben oder dessen Betriebsvermögen er als aussetzenden Betrieb ohne Auflösung der stillen Reserven fortführen könnte. Er besitzt grundsätzlich überhaupt kein Betriebsvermögen mit im Lauf der Jahre angewachsenen stillen Reserven, deren Auflösung er vermeiden könnte. Er erwirbt käuflich nur Vermögen, das er weiter verpachtet, ohne mit diesem Vermögen durch eigene betriebliche Tätigkeit als Land- und Forstwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt zu haben, bzw. erzielen zu wollen. Eine vielleicht ursprünglich vorhandene, aber nicht verwirklichte dahingehende Absicht ist nicht beachtlich. Nur sein Pächter erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Erwerber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, kann daher im Falle der sofortigen Verpachtung des erworbenen Betriebes nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehen (BFH-Urt. v. 20. April 1989 IV R 95/87, BStBl. II 1989, 863; Urt. v. 29. März 2001 IV R 88/99, BStBl. II 2002, 791; BMF v. 23. November 1990 IV B 2 – S 2242 – 57/90, BStBl. I 1990, 770; ebenso Kanzler in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte – Loseblatt -, Kap. 24 Rz. 38).
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Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist aber dann zu machen, wenn der Erwerber – sei er Landwirt oder kein Landwirt – beabsichtigt, eine Eigenbewirtschaftung des erworbenen Betriebes alsbald vorzunehmen (BFH-Urt. v. 19. Juli 2011 IV R 10/09, BStBl. II 2012, 93: innerhalb von 12 Monaten; Urt. v. 12. September 1991 IV R 14/89, BStBl. II 1992, 134; Urt. v. 17. Juni 1993 IV R 110/91, BStBl. II 1993, 752). Hierzu bedarf es einer objektiv erkennbaren Absicht (Kulosa in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 13 Rz. 84).
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Die genannten Grundsätze gelten auch – wie im Streitfall – für den Erwerb einzelner Wirt-schaftsgüter der Land- und Forstwirtschaft, die selbst noch keinen land- oder forstwirt-schaftlichen Betrieb darstellen, es sei denn es handelt sich um den Erwerb von sogenann-tem Vorratsgelände, das unter Umständen Betriebsvermögen sein kann. Voraussetzung ist jedoch u.a. auch hier, dass die Grundstücke mit dem erklärten Willen erworben werden, diese zukünftig betrieblich nutzen zu wollen (Kanzler in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte – Loseblatt -, Kap. 24 Rz. 40).
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b) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ist indes eine Zuordnung der vom Erblasser erworbenen Ackergrundstücke zum Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nicht zu erkennen. Durch die nach dem Erwerb vorge-nommene sofortige Überlassung dieser Grundstücke an den Bruder und der anschließen-den Verpachtung der Ackerflächen ab 1977 an den Landwirt S wurden die Grundstücke nicht dem Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zugeordnet. Zwar hätte eine beabsichtigte Selbstbewirtschaftung eine andere Zuordnung rechtfertigen können; jedoch fehlt es im Streitfall an einer solchen Absicht. Weder ergibt sich eine solche Absicht aus den Akten noch aus anderen Umständen. Das Alter des Vaters spricht im Gegenteil gerade gegen das Vorhandensein einer Selbstbewirtschaftungsabsicht. Im Zeitpunkt des Erwerbs war der Vater bereits pensioniert und 65 Jahre alt (zur Bedeutung des Alters für die Annahme einer Selbstbewirtschaftungsabsicht s. BFH-Urt. v. 28. Juni 2001 IV R 23/00, BStBl. II 2003, 124, 126).
35
Entgegen der Auffassung des beklagten FA ist die zunächst vom Erblasser erfolgte unentgeltliche Überlassung an den Bruder, der damit – wie vor der Veräußerung – landwirtschaftliche Einkünfte erzielte, auch nicht als Selbstbewirtschaftung zu werten. Solches ist nach Überzeugung des Senats auch nicht aus der Entscheidung des Hessischen FG vom 16. Februar 2010 (13 K 2820/08, EFG 2011, 618, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 16/10) herzuleiten. Dieses Urteil betrifft zwar die Frage der Selbstbewirtschaftung im Sinne des § 13 EStG bei unentgeltlicher Überlassung an Dritte. Das Hessische FG ist zu Recht aber zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Selbstbewirtschaftung dann nicht gegeben ist, wenn – wie im Streitfall – das Bewirtschaftungsrisiko beim tatsächlich Nutzenden liegt. Für eine nach außen erkennbare Zuordnung der erworbenen Ackerflächen zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen hat die unentgeltliche Überlassung daher keine Bedeutung.
36
Damit waren die Ackerflächen im Zeitpunkt des Erwerbs dem Privatvermögen zuzuordnen. Die Einkünfte aus der Verpachtung dieser Flächen waren somit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
37
Dem steht nicht das BMF-Schreiben v. 23. November 1990 entgegen, soweit darin für vor dem 1. Januar 1990 erworbene Betriebe das Verpächterwahlrecht dem Erwerber einge-räumt wird, der den Betrieb unmittelbar nach dem Erwerb verpachtet. Weder ist die Rechtsprechung an diese Verwaltungsanweisung gebunden, noch liegen die Vorausset-zungen der Verfügung des BMF vor. Der Erblasser hat mit keinem Schriftsatz dieses Verpächterwahlrecht ausgeübt. Überdies widerspricht das Schreiben den Aussagen des BFH-Urteils vom 20. April 1989 (IV R 95/87, BStBl. II 1989, 863).
38
c) Ebenso ist aus den Erklärungen des Erblassers im Kaufvertrag vom 6. Januar 1976 nichts anderes herzuleiten. Zwar „beantragte“ er im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer- und Gerichtskostenbefreiung; jedoch ist nicht zu ermitteln, ob ein solcher Antrag mit welchem Ergebnis beim Beklagten gestellt worden ist. Weiterhin handelt es sich um eine Erklärung, die nicht unmissverständlich auf eine Einlage in ein Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs schließen lässt (vgl. zu Angaben in der Steuererklärung BFH-Urt. v. 14. Mai 2009 IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811 m.w.Nachw.).
39
d) Auch in den Jahren nach dem Erwerb der streitigen Flächen fand keine Einlage dieser Grundstücke in ein land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen statt. Insbesondere kam der Erklärung des Erblassers in der Anlage L des Jahres 1990 diese Bedeutung nicht zu. Zwar hat der Erblasser in der Anlage L die streitigen Grundstücke in der vorgegebenen Zeile für verpachtetes Betriebsvermögen eingetragen; eine solche Erklärung kann aber nicht als Einlage der Ackerflächen in ein Betriebsvermögen gewertet werden. Wie der BFH zum umgekehrten Fall der Entnahme in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, kommt der Steuererklärung eine solche Reichweite nicht zu. Danach genügt eine Erklärung der Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung in der Regel nicht, weil es sich dabei nicht um eine unmissverständliche Kundgabe eines Entnahmewillens, sondern ggf. um eine objektiv unrichtige Einkommensteuererklärung handelt (BFH-Urt. v. 14. Mai 2009 IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811 m.w.Nachw.).
40
e) Des Weiteren ist auch aus dem Besitz der Zuckerrübenaktien durch den Erblasser nicht eine Einlagehandlung zu entnehmen. Bei den Zuckerrübenlieferrechten handelt es sich um selbständige immaterielle Wirtschaftsgüter (s. BFH Urt. v. 24. Juni 1999 IV R 33/98, BStBl. II 2003, 58), welche dem Inhaber erlauben, bestimmte Mengen an Zuckerrüben an die Zuckerfabriken zu liefern. Mit der Erlangung dieses Rechtes ist keine Erklärung verbunden, es handele sich bei den zugrundeliegenden Grundstücken um landwirtschaftliches Betriebsvermögen des Inhabers der Rechte. Der betriebliche Zusammenhang entsteht allein über die Qualifizierung der mit den Rechten ggf. verbundenen landwirtschaftlichen Flächen. So werden die Lieferrechte nur dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie die geschäftlichen Beziehungen eines Unternehmens zur Beteiligungsgesellschaft fördern und sichern (BFH-Urt. v. 11. Dezember 2003 IV R 19/02, BStBl. II 2004, 280). Die Inhaberschaft von Zuckerrübenaktien führt aber nicht umgekehrt zu einer notwendigen Einstufung der daran ggf. gebundenen landwirtschaftlichen Flächen als Betriebsvermögen eines landwirtschaftlichen Betriebs (dies zeigt auch der Hinweis zum Streubesitz in der Hand Branchenfremder in BFH-Urt. v. 11. Dezember 2003 IV R 19/02, BStBl. II 2004, 280, 281, der durch Abfindung weichender Erben bei Hofübergabe entstehen kann).
41
f) Weiterhin kann sich aus der Formulierung des Erblassers im notariellen Testament von 1997, in der schriftlichen Erklärung an Amtsstelle im Jahr 1987 und im Kaufvertrag über die streitigen Grundstücke nichts anderes ergeben. Der Erblasser hatte dort die Flächen als landwirtschaftlichen Grundbesitz, als landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und Grundstücke, die zum Hof gehören, bezeichnet. Diese Erklärungen stellen keine Einlagehandlung dar. Entweder bezeichnen sie zutreffend nur die Nutzungsart der Grundstücksflächen oder betreffen einen vom Erblasser getroffenen Oberbegriff für sein gesamtes Grundvermögen. In jedem Fall handelt es sich jeweils bei den Erklärungen nicht um eine unmissverständliche Kundgabe des Einlagewillens, sondern auch um jeweils objektiv unrichtige Erklärungen. Da in der Folgezeit weder durch den Erblasser noch durch die Erbinnen eine solche Einlage erfolgt ist, bleibt es bei der Beurteilung der streitigen Flächen als Privatvermögen.
42
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens waren in die Kostengrundentscheidung einzubeziehen. Die Kostentragung diesbezüglicher Kosten richtet sich dabei ebenfalls nach dem endgültigen Maß des Obsiegens und Unterliegens (vgl. Stapperfend/Gräber, FGO-Kommentar, 7. Aufl., § 143 Rz. 23).
43
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Antragserfordernis für die Fortzahlung von Kindergeld bei befristeter Kindergeldzahlung

Antragserfordernis für die Fortzahlung von Kindergeld bei befristeter Kindergeldzahlung – Erfüllung des Kindergeldanspruchs bei Berechtigtenbestimmung

Ist die Kindergeldzahlung befristet, setzt die Fortzahlung des Kindergeldes einen Antrag des Kindergeldberechtigten voraus.

Stimmt die Kindesmutter dem Antrag des Kindesvaters auf Zahlung des Kindesgeldes an diesen zu, hat sie selbst keinen Kindergeldanspruch mehr.

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt – BFH-Az.: III B 117/12

Niedersächsisches Finanzgericht 8. Senat, Urteil vom 03.07.2012, 8 K 121/11
§ 170 Abs 2 Nr 1 AO, § 64 Abs 2 S 2 EStG 2002
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Klägerin für ihren Sohn A., geb. am 10.3.1980, für die Zeit vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für ihren Sohn B. geb. am 23.6.1982, für die Zeit vom 1.8.2003 bis Mai 2011 Kindergeld beanspruchen kann.
2
Die Klägerin war bis zum 31.7.2003 als Lehrerin im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen beschäftigt. Auf einen Kindergeldantrag der Klägerin setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 19.4.2000 das Kindergeld für B. weiterhin bis zum 30.6.2003 und mit Bescheid vom 4.4.2001 für A. vom 1.7.2000 bis zum 30.9.2004 fest.
3
Am 22.12.2010 ging bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen ein Schreiben der Steuerberater der Klägerin vom 21.12.2010 ein, mit der die Klägerin Kindergeld für die Zeit ab August 2003 für ihre Söhne B. und A. nebst 1.727,88 € Zinsen forderte. Sie trug vor, dass bei ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst die Kindergeldakte an sich an die Agentur für Arbeit hätte weitergeleitet werden müssen. Die Agentur für Arbeit hätte das Kindergeld weiter zu zahlen gehabt. Ein neuer Kindergeldantrag habe von ihr nicht gestellt werden müssen, denn der ursprüngliche Kindergeldantrag, mit dem auch die Berechtigtenbestimmung getroffen worden sei, gelte fort. Soweit die Klägerin bei dem Kindergeldantrag des Ehemannes zugestimmt habe, dass das Kindergeld an den Ehemann ausgezahlt werde, handele es sich um keine wirksame Berechtigtenbestimmung, da dazu erforderlich gewesen wäre, dass die Familienkasse die an sie gerichteten Bescheide aufgehoben hätte. Eine Verjährung der Kindergeldansprüche sei nicht eingetreten, da nicht rückwirkend erstmals Kindergeld festgesetzt werde. Dies wäre nur der Fall, wenn von einem Neuantrag ausgegangen werde. Falls Zahlungsverjährung eingetreten sein sollte, werde Schadensersatz geltend gemacht.
4
Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die die Kindergeldakte der Klägerin vernichtet hat, leitete das Schreiben vom 21.12.2010 an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 10.1.2011 lehnte die Beklagte die rückwirkende Gewährung von Kindergeld ab, weil Kindergeldansprüche vor 2007 verjährt seien. Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie trug vor, dass die Familienkasse nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst für die Zahlung des Kindergeldes zuständig geworden sei. Da das Kindergeld nicht an sie ausgezahlt worden sei, sei ihr Antrag begründet. Die zwischenzeitliche Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann ändere daran nichts, denn allenfalls könne die Zahlung des Kindergeldes an den Ehemann rechtswidrig sein.
5
Mit Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte wies darauf hin, dass für Zeiträume bis 2004 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Ab Januar 2005 sei das Kindergeld für den Ehemann der Klägerin festgesetzt und gezahlt worden.
6
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin hält im Wesentlichen an dem Vorbringen des Vorverfahrens fest und weist nochmals darauf hin, dass ihrer Auffassung nach kein neuer Kindergeldantrag erforderlich gewesen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie einen befristeten Kindergeldantrag gestellt habe. Für die Zeit nach dem 30.6.2003 für B. und nach dem 30.9.2004 für A. sei ihr Kindergeldantrag noch nicht von der Beklagten beschieden worden.
7
Die Klägerin beantragt,
8
den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10.1.2011 und den Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten Kindergeld für A. vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für B. vom 1.8.2003 bis laufend zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte weist darauf hin, dass für beide Kinder das Kindergeld befristet für die Klägerin festgesetzt worden sei. Sie trägt vor, dass Kindergeldansprüche vor 2006 verjährt seien. Im Übrigen sei das Kindergeld für A. von Januar bis April 2005 und für B. ab Januar 2005 bis laufend an den Ehemann der Klägerin gezahlt worden.
12
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die Kindergeldakten der Klägerin und ihres Ehemannes.
Entscheidungsgründe
13
Die Klage ist nicht begründet.
14
Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzungen für die Söhne A. und B. für die Klägerin für die Zeit ab August 2003 für A. und für die Zeit ab Juli 2004 für B. und die Auszahlung für die geltend gemachten Zeiträume abgelehnt, denn die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 70 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Festsetzung von Kindergeld für ihre Söhne A. und B. für diesen Zeitraum.
15
Aus den Bescheiden der Familienkasse vom 19.4.2000 für B. und vom 4.4.2001 für A. ergibt sich in aller Deutlichkeit, dass die Familienkasse das Kindergeld für B. befristet bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres von B. und für A. bis über dessen 24. Lebensjahr hinaus befristet festgesetzt hat. In beiden Bescheiden ist festgelegt, dass Schul- und Studienbescheinigungen vorzulegen sind. Damit waren die ursprünglichen Kindergeldanträge der Klägerin beschieden. Wenn die Klägerin mit diesen Bescheiden nicht einverstanden gewesen wäre, hätte sie dagegen ggf. Einspruch einlegen müssen. Durch die Befristung der Kindergeldfestsetzungen waren die Kindergeldansprüche für die Zeit nach Ablauf der Befristung nicht abgelehnt. Die Klägerin hätte innerhalb der Festsetzungsfrist neue Kindergeldanträge stellen müssen. Dass die Klägerin innerhalb der Festsetzungsfrist Kindergeldanträge gestellt hat, die für B. die Zeit nach dem 30.6.2003 und für A. die Zeit nach dem 30.9.2004 betrafen, hat die Klägerin selbst nicht einmal behauptet und weder Abschriften von Kindergeldanträgen noch etwaigen weiteren Bescheiden vorgelegt. Da infolge des Ausscheidens der Klägerin aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 die Kindergeldakten vernichtet worden sind, kann der Senat auch nicht auf andere Weise feststellen, dass die Klägerin weitere Anträge gestellt bzw. weitere Bescheide erhalten hat. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin insoweit bis Dezember 2010 nichts unternommen, insbesondere die Nichtzahlung des Kindergeldes an sie nicht gerügt hat, geht der Senat vielmehr davon aus, dass die Klägerin sich nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 nicht mehr an die Familienkasse gewandt hat.
16
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 Kindergeld beantragt hat, ist dieser Antrag unbegründet. Bei den Kindergeldfestsetzungen handelt es sich um Steuervergütungen, die nach § 169 Abs. Nr. 2 Abgabenordnung (AO) nach 4 Jahren verjähren. Die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem der jeweilige Vergütungsanspruch entstanden ist. Danach hat die Beklagte mit Recht darauf hingewiesen, dass für Kindergeldansprüche vor 2006 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
17
Auch für die Zeit ab 2006 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für B., denn sie hat der Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann zugestimmt. Nach § 64 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wird das Kindergeld nur einem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld, wenn das Kind in den Haushalt aufgenommen ist, gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG demjenigen gezahlt, den die Berechtigten untereinander bestimmt haben. Dies war, wie aus der Kindergeldakte des Ehemannes der Klägerin folgt, der Ehemann der Klägerin, denn am 11.9.2009 hat die Klägerin sich gegenüber der Familienkasse damit einverstanden erklärt, dass das Kindergeld an den Antragsteller, vorliegend also ihren Ehemann und Kindesvater, ausgezahlt wird. Tatsächlich hat die Familienkasse das Kindergeld ab Januar 2005 bis April 2005 für A. mit Bescheid vom 22.10.2010 an den Ehemann der Klägerin und ab Januar 2005 bis laufend für B. mit Bescheid vom 28.9.2009 an den Ehemann Kläger festgesetzt. Danach steht der Klägerin aber das Kindergeld für die Kinder A. und B. weder für die sich aus dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 ergebenden Zeiträume noch für B. für die Zeit ab Januar 2011 zu, denn mit dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 hat die Klägerin nicht etwa die Berechtigtenbestimmung widerrufen, sondern lediglich geltend gemacht, dass ihr das Kindergeld aufgrund der Bewilligungen vor 2005 weiter zu gewähren ist. Dies hat auch der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht.
18
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass ihr das Kindergeld nur bis Juli 2003 für A. gezahlt worden sei, ist dieser Vortrag im vorliegenden Verfahren wegen Kindergeldfestsetzung unerheblich. Unstimmigkeiten der Kindergeldauszahlung wären ggf. im Wege eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) zu klären. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass allerdings Zahlungsverjährung (§ 228 AO) eingetreten sein dürfte.
19
Danach konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
21
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

 

Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung

Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung – Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Redakteurstätigkeit

1. Bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO dürfen grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-)Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden, soweit die Änderung reicht.
2. Die Honorar-Tätigkeit einer Redakteurin in einem Übergangszeitraum von 2 Monaten zwischen einer angestellten Redakteurstätigkeit (Schwangerschaftsvertretung) und dem geplanten Antritt einer Planstelle als Angestellte bei dem gleichen Verlag kann als nichtselbständige Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG zu qualifizieren sein, auch wenn bei Krankheit und Urlaub in diesem Zeitraum kein Anspruch auf Entgeltsfortzahlung bestanden hat.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 23.01.2013, 9 K 43/12
§ 165 Abs 2 AO, § 177 Abs 4 AO, § 18 Abs 1 EStG 2002, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 7g Abs 7 EStG 2002
Tatbestand
1
Streitig ist die Zulässigkeit und inhaltliche Richtigkeit einer Rechtsfehlerkompensation im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO.
2
Die Klägerin erwarb zum 1. Juli 2000 den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Forsthof G. Die Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 2000 – 2002 waren hinsichtlich der Aufteilung des Kaufpreises für den bezeichneten Betrieb und der hieraus resultierenden Absetzungen für Abnutzung nach § 165 Abgabenordnung (AO) vorläufig ergangen (vgl. Tz. 19 des Bp-Berichts vom 15. Juni 2005).
3
Der Vorläufigkeitsvermerk in den geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden für die Jahre 2000 – 2002 vom 13. Dezember 2006 lautet wie folgt:
4
„Der Bescheid ergeht vorläufig gem. § 165 Abgabenordnung hinsichtlich der Kaufpreisaufteilung des Grundstückskaufs von Herrn W O (vgl. Tz. 18 des Bp-Berichts vom 15. Juni 2005). Die Vorläufigkeit umfasst die Bewertung der erworbenen Wirtschaftsgüter sowie die daraus resultierende Absetzung für Abnutzung.“
5
Nach Vorlage eines von den Sachverständigen der Oberfinanzdirektion erstellten Gutachtens zur Kaufpreisaufteilung waren die sich hieraus ergebenden Abschreibungsgrundlagen und Abschreibungen zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Mehrabschreibungen sind unter Tz. 15.1 des Bp-Berichts vom 12. April 2010 (Anschlussbetriebsprüfung für die Folgejahre) für die einzelnen Streitjahre wie folgt dargestellt:
6
Kalenderjahr 2000:
22.870,00 €
Kalenderjahr 2001:
45.758,00 €
Kalenderjahr 2002:
28.984,00 €
7
Von der vorausgehenden Betriebsprüfung für die Streitjahre 2000 – 2002 (Bp-Bericht vom 15. Juni 2005) war die seinerzeit gebildete Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. anerkannt worden. Durch die Anschlussbetriebsprüfung für die Folgejahre 2003 – 2006 (Bp-Bericht vom 12. April 2010) wurde gleichwohl die Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. aus der Vorprüfung erneut überprüft (vgl. Tz. 14 des Bp-Berichts vom 12. April 2010). Die Betriebsprüfung vertrat danach die Auffassung, dass mangels Existenzgründereigenschaft der Klägerin die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. nicht vorliegend waren. Die Klägerin habe im Vorgründungszeitraum Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt, und zwar in den Monaten Mai und Juni 1997 im Rahmen einer journalistischen Tätigkeit. Diese Einkünfte stünden einer Anerkennung der Eigenschaft als Existenzgründer entgegen.
8
Nach den Feststellungen des Senats liegt der Tätigkeit der Klägerin in den Monaten Mai und Juni 1997 folgender Sachverhalt zugrunde:
9
Die Klägerin war nach Ableistung ihres Volontariats für die L Rundschau C zunächst im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages (Schwangerschaftsvertretung) bis zum 31. März 1997 tätig. Dieser Arbeitsvertrag wurde um einen Monat bis zum 30. April 1997 verlängert. Im Rahmen dieses befristeten Arbeitsverhältnisses war die Klägerin als Redakteurin in einer Lokalredaktion tätig. Im Anschluss daran sollte die Klägerin in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Eine für sie vorgesehene Planstelle stand jedoch erst zum 1. Juli 1997 zur Verfügung. Aufgrund dessen kam sie mit dem in der damaligen Zeit verantwortlichen stellvertretenen Chefredakteur, Herrn Dr. R W, überein, in den dazwischen liegenden Monaten wie zuvor am gleichen Arbeitsplatz mit der gleichen festgelegten Arbeitszeit und dem gleichen redaktionellen Aufgabengebiet tätig zu sein. Auf Vorschlag ihres Vorgesetzten sollte sie für die abgeleisteten Arbeitstage Pauschalhonorare in Rechnung stellen, und zwar in Höhe von 230,00 DM pro Tag. Der sich so ergebende Monatsbetrag entsprach in etwa ihrem vorherigen Gehalt. Entsprechend dieser mündlichen Absprache war die Klägerin in den Monaten Mai und Juni 1997 für den LR – Medienverlag GmbH, C, tätig und stellte am 3. Juni bzw. 4. August 1997 entsprechende Rechnungen aus, auf die bezüglich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit Datum des 27. April 2010 bestätigte der damalige stellvertretende Chefredakteur, Dr. R W, diesen vorstehenden Sachverhalt schriftlich. Er wies darauf hin, dass die Klägerin in den Monaten Mai/Juni 1997 mit den gleichen redaktionellen Aufgaben betraut war, wie in der Zeit davor und danach. Sie sei ihm gegenüber weisungsgebunden und in der Redaktion H unverändert am gleichen Arbeitsplatz tätig gewesen. Sie sei dem Verlag gegenüber in keinerlei Weise unternehmerisch tätig gewesen. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin darüber hinaus, dass es in der Lokalredaktion auch so genannte freie Mitarbeiter gegeben habe. Diese hätten in einem anderen, abgegrenzten Arbeitsgebiet bestimmte Aufgaben bei Bedarf (nach Anruf der Sekretärin) übernommen und seien – anders als die Klägerin – nicht in den zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf eingebunden gewesen.
10
Bei der Einkommensteuererklärung 1997 unterließ es die Klägerin zunächst, die in Rechnung gestellten Beträge dem Finanzamt gegenüber zu erklären. Auf Nachfrage des Finanzamts holte sie dies nach und erklärte schriftlich, dass sie in den Monaten Mai/Juni 1997 „als freier Mitarbeiter gearbeitet und 2 Rechnungen über 9.220,00 DM geschrieben habe“. Gleichzeitig machte sie 54 Fahrten zur Arbeitsstelle nach H (einfache Entfernung: 30 km) geltend. Das Finanzamt beurteilte diese Fahrten – in geminderter Anzahl (20 Fahrten wurden anerkannt) – als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,70 DM pro Entfernungskilometer. Die weiteren geltend gemachten Dienstfahrten wurden nach Dienstreisegrundsätzen anerkannt. Im Einkommensteuerbescheid von 1997 berücksichtigte das Finanzamt den erzielten Überschuss als Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 7.760,00 DM.
11
Soweit ersichtlich ist dieser vorgenannte Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig. Im Rahmen der vorgenannten Anschlussbetriebsprüfung war jedoch die Bewertung dieses Sachverhaltes im Hinblick auf die Einordnung der Einkünfte streitig. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass sie in dem Zeitraum zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ebenfalls nichtselbstständig tätig gewesen und damit zu Recht als Existenzgründerin beurteilt worden sei. Die Betriebsprüfung kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Journalistin erzielt habe. Das gesamte Unternehmerrisiko während der 2 Monate ohne Vertrag habe auf Seiten der Klägerin gelegen. Bei Erkrankung hätte der Auftraggeber keinen Lohn/kein Honorar gezahlt. Im Krankheitsfall hätte die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus Eigenmitteln bestreiten müssen. Eine behauptete Scheinselbstständigkeit sei nicht nachgewiesen. Der Auftraggeber habe sie tatsächlich nicht als Arbeitnehmerin geführt. Das Entgelt sei nicht über eine Lohnsteuerkarte abgerechnet worden. Das Schreiben von Honorarrechnungen sei in nichtselbstständigen Arbeitsverhältnissen unüblich. Üblich sei jedoch, dass selbstständige Auftragnehmer ihrem Auftraggeber gegenüber durchaus projektbezogen weisungsgebunden seien. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 14 des Bp-Berichts vom 12. April 2010 Bezug genommen.
12
Ausgehend von dieser Beurteilung ging die Betriebsprüfung davon aus, dass die gesamte gebildete Rücklage nur als eine § 7g Abs. 3 EStG a.F. anzusehen sei mit der Folge, dass eine Neubildung in den Jahren 2000/2001 und 2001/2002 nur bis zur Höhe von 310.000,00 DM/154.000,00 € möglich gewesen sei und das bei der gewinnerhöhenden Auflösung ein außerbilanzieller Gewinnzuschlag/eine Verzinsung zu erfolgen habe. Insoweit ging die Betriebsprüfung von einem Rechtsfehler aus, der im Rahmen der vorzunehmenden Änderung der Feststellungsbescheide 2000 – 2002 gemäß § 165 Abs. 2 AO saldiert werden könne. Aufgrund dieser Rechtsfehlersaldierung kam es nur zu geringfügigen Gewinnminderungen.
13
Gegen die entsprechenden Änderungsbescheide vom 21. Juni 2010 legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren wendete sie sich alleine gegen die vorgenommene Rechtsfehlersaldierung. Die Einsprüche hatten jedoch keinen Erfolg.
14
Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus den Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Die vorgenommene Rechtsfehlersaldierung bei einer Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Teilbestandskraft). Die Reichweite der Vorläufigkeit sei dem im Bescheid dafür angeführten Grund zu entnehmen oder aus sonstigen Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei sei entscheidend, wie der Adressat des Vorläufigkeitsvermerks nach den ihm bekannten Umständen – seinem objektiven Verständnishorizont – unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Die Klägerin verweist zudem auf die verstärkte Bestandskraft nach Abschluss einer Außenprüfung. Die Änderungssperre nach einer Außenprüfung diene damit in besonderem Maße dem Rechtsfrieden. Der Gesetzgeber gebe damit dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit Vorrang vor der materiellen Richtigkeit der Besteuerung. Die Berichtigung von materiellen Fehlern gemäß § 177 AO im Rahmen der Bescheidänderung aufgrund anders gelagerte Sachverhalte, derentwegen die Feststellungsbescheide punktuell vorläufig gemäß § 165 AO ergangen sind, sei gemäß § 177 Abs. 4 AO nicht zulässig. Diese Vorschrift bestimme ausdrücklich, dass unter anderem § 165 Abs. 2 AO unberührt bleibe, so dass Änderungen nach § 165 Abs. 2 AO nicht kompensiert werden könnten mit einer Berichtigung materieller Fehler nach § 177 AO. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO, dessen Gesetzesbegründung, der systematischen Stellung des § 177 AO und dem Sinn und Zweck des § 177 Abs. 4 AO. Die Klägerin verweist hierzu auf die Ausführungen in dem Aufsatz von Bergan, Martin (in DStR 2007, 658) und auf die Kommentierung von Tipke/Kruse (AO/FGO-Kommentar, § 177 AO Rz. 2).
15
Die Klägerin beantragt,
16
die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für 2000 – 2002 vom 21. Juni 2010 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2012 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf 58.037 € für das Jahr 2000, 67.344 € für das Jahr 2001 und 15.226 € für das Jahr 2002 festgestellt werden.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid vom 12. Januar 2012 und das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. März 2000 (VI R 48/97). Die Bestimmung der zutreffenden Höhe der Besteuerungsgrundlagen sei Ziel der Festsetzungen. Dieses sei in den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden erfolgt. Eine Änderungssperre aufgrund erhöhter Bestandskraft nach der Vor-Betriebsprüfung komme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da kein Fall einer Änderung nach §§ 172 ff. AO vorliege. Auf einen Vertrauensschutz gemäß § 176 AO könne sich die Klägerin nicht berufen, da keine Änderungen der Rechtsprechung oder von Verwaltungsanweisungen maßgeblich gewesen seien.
20
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin ausführlich zu ihrer Tätigkeit in den Monaten Mai/Juni 1997 befragt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23. Januar 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21
1. Die Klage ist begründet.
22
Der Beklagte ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-) Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden dürfen, soweit die Änderung reicht. Der Änderung der angefochtenen geänderten Gewinnfeststellungs-bescheide 2000 bis 2002 in dem von der Klägerin begehrten Umfang stand jedoch eine Rechtsfehlerkompensation in Höhe der Einkommensteuer, die durch Umwandlung der zuvor gewährten Existenzgründerrücklage (§ 7g Abs. 7 EStG a.F.) in eine Ansparrücklage (§ 7g Abs. 3 EStG a.F.) entsteht, nicht entgegen, da der Beklagte die Existenzgründereigenschaft der Klägerin zu Unrecht verneint hat.
23
a. Aus verfahrensrechtlicher Sicht war der Beklagte – entgegen der Auffassung der Klägerin – grundsätzlich nicht gehindert, Rechtsfehler, die mit dem Grund der vorläufigen Steuerfestsetzung der angefochtenen Steuerbescheide nicht im Zusammenhang stehen, im Rahmen einer gegenläufigen Kompensation zu korrigieren.
24
aa. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der herrschenden Meinung im steuerrechtlichen Schrifttum sind bei einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO im Rahmen des Änderungsbetrages auch solche Fehler zu berücksichtigen, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen. Die materielle Bestandskraft des Steuerbescheides bleibt danach lediglich in dem Umfang offen, in dem die Steuer auf der im Bescheid als vorläufig gekennzeichneten Besteuerungsgrundlage beruht (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 2000 VI R 48/97, BStBl. II 2003, 332; BFH-Beschluss vom 6. März 2003 IX B 197/02, BFH/NV 2003, 742; BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2000 IV A 4-S0130a-9/00, BStBl. I 2000, 1549; u.a. Cöster in: Pahlke/Koenig, AO-Kommentar, 2. Aufl. München 2009, § 165 AO Rz. 46 bzw. Koenig in Pahlke/Koenig, § 177 AO Rz. 25; Rüsken in Klein, AO, § 165 Rz. 47 und § 177 Rz. 16, Kühn, AO/FGO, 20. Auflage 2011, § 177 Rz. 36; von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 177 AO Rz. 202; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO § 177 AO Tz. 2).
25
bb. Dieser Rechtsauslegung schließt sich der Senat an. Die hiergegen von der Klägerin auf der Grundlage des Aufsatzes von Bergan/Martin (DStR 2007, 658) vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. So steht der Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO einer Kompensation im Rahmen einer Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO nicht entgegen. Nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 FGO bleibt die Vorschrift des § 165 Abs. 2 AO lediglich unberührt. Nach dem Verständnis des Senats soll damit aber nicht die Saldierungsmöglichkeit, die § 177 Abs. 1 und Abs. 2 AO vorsieht, ausgeschlossen sein. Nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO soll lediglich klargestellt werden, dass die Möglichkeit der Änderung nach § 165 Abs. 2 AO nicht ausgeschlossen sein soll. Damit läuft im Ergebnis die Vorschrift des § 177 Abs. 4 AO genau genommen ins Leere. In dem Umfang der vorläufig festgesetzten Steuer – nicht Bemessungsgrundlage – tritt eine materiell-rechtliche Bestandskraft nicht ein (aA Eschenbach, DStZ 1997, 624). Eine Fehlerberichtigung ist in diesem Rahmen damit uneingeschränkt möglich, ohne dass es der Anwendung des § 177 AO überhaupt bedarf (vgl. Kühn, AO/FGO, 20. Auflage 2011, § 177 AO, Rz. 36). Im Ergebnis dürfen also auch Fehler uneingeschränkt berücksichtigt werden, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen.
26
Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung des historischen Gesetzgebers zu § 177 Abs. 4 AO. In der Begründung zu § 158 des Entwurfs zur AO (BT-Drucks. VI/1982, S. 155) ist lediglich ausgeführt, dass „die Vorschrift nicht gilt, soweit es sich um eine Änderung eines Steuerbescheides nach …§ 146 Satz 3 (entspricht § 165 Abs. 2 Satz 1 AO) handelt.“ Hier wird aus Sicht des Senats besonders deutlich, dass es einer Anwendung des § 177 AO im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO – wie im Übrigen auch bei einer Änderung nach § 164 Abs. 2 AO – nicht bedarf.
27
Nach diesem vorgenannten Verständnis des Senates von der Vorschrift des § 177 Abs. 4 AO verbietet auch die Systematik der AO nicht eine entsprechende Fehlerberichtigung im Rahmen des § 165 Abs. 2 AO. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift des § 177 AO grundsätzlich aufgrund der systematischen Stellung nur zur Anwendung kommt, wenn eine Berichtigungsvorschrift der §§ 172 ff. AO einschlägig ist. Wie zuvor erläutert bedarf es im Streitfall für die Rechtsfehlersaldierung nicht der Vorschrift des § 177 AO. Die Saldierungsmöglichkeit ergibt sich aus der Vorläufigkeit der Steuer und der damit im Zusammenhang stehenden fehlenden materiellen Bestandskraft selbst. Aufgrund dessen bedarf es auch entgegen der Auffassung der Klägerin keiner Vorschrift zur Durchbrechung einer Bestandkraft.
28
Dies führt im Ergebnis auch dazu, dass das Argument einer erhöhten Bestandskraft nach einer Außenprüfung (§ 173 Abs. 2 AO) ins Leere läuft, weil im Rahmen einer Rechtsfehlersaldierung im Umfang der Vorläufigkeit gerade keine Bestandskraft durchbrochen wird.
29
b. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen jedoch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rechtsfehlerberichtigung nicht vor, denn die streitbefangene Existenzgründerrücklage ist von der Klägerin zu Recht gebildet worden. Die Tätigkeit der Klägerin in dem Zeitraum Mai/Juni 1997, also im sog. Vorgründungszeitraum, steht der Existenzgründereigenschaft der Klägerin nicht entgegen. Zwar sind die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 1997 als solche aus selbständiger Arbeit – und damit „schädlich“ im Sinne des § 7 g Abs. 7 EStG a.F. – aufgeführt. Diese steuerrechtliche Einordnung im Einkommensteuerbescheid entfaltet aber keine Bindungswirkung für die Beurteilung der Existenzgründereigenschaft im Zeitpunkt der Bildung der Rücklage.
30
Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem grundsätzlich auch im Steuerrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben. Insbesondere kann der Senat ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin zur Erlangung von Steuervorteilen in Bezug auf die Zuordnung der im Zeitraum Mai/Juni 1997 zu einer Einkunftsart nicht feststellen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105; FG München, Beschluss vom 28. September 2009 7 V 2320/09 betr. Existenzgründereigenschaft). Im Schriftsatz vom 13. Dezember 1999 hat die Klägerin gegenüber dem Finanzamt lediglich die Einnahmen aus der Arbeit als „freie Mitarbeiterin“ nacherklärt und schließlich die Zuordnung der Einkünfte als solche aus § 18 EStG widerspruchlos hingenommen, ohne eine eigene Wertung abzugeben.
31
Entgegen der Beurteilung der Betriebsprüfung erfüllt die Tätigkeit der Klägerin als Redakteurin für den L-Verlag, C, im Zeitraum Mai/Juni 1997 nicht die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit in Sinne des § 18 EStG. Die diesbezüglichen Einkünfte der Klägerin sind vielmehr den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzuordnen. Damit hat die Klägerin im maßgeblichen Vorgründungszeitraum keine schädlichen Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 3 EStG erzielt (§ 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung).
32
aa. Für die im Streitfall entscheidende Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer nichtselbständigen Betätigung sieht § 1 Abs. 1 LStDV solche Personen als „Arbeitnehmer“ an, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein „Dienstverhältnis“ in diesem Sinne liegt vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 LStDV). Demgegenüber ist nicht Arbeitnehmer, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt (§ 1 Abs. 3 LStDV).
33
Unter Beachtung dieser Begriffsbestimmungen ist die Frage, ob ein Steuerpflichtiger mit einer bestimmten Betätigung Arbeitnehmer ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Denn es handelt sich um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann (BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 5/06, BStBl II 2009, 931, unter II.1.). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere die folgenden Merkmale von Bedeutung, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen können (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 14/10, BStBl II 2012, 511 m.w.N.): – persönliche Abhängigkeit, – Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, – feste Arbeitszeiten, – Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, – feste Bezüge, – Urlaubsanspruch, – Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, – Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, – Überstundenvergütung, – zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, – Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, – fehlendes Unternehmerrisiko, – fehlende Unternehmerinitiative, – kein Kapitaleinsatz, – keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, – Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, – Eingliederung in den Betrieb, – geschuldet wird die Arbeitskraft, nicht aber ein Arbeitserfolg, – Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist.
34
Alle diese Einzelmerkmale lassen sich zum Zwecke der Systematisierung letztlich den beiden Oberbegriffen der „Unternehmerinitiative“ und des „Unternehmerrisikos“ zuordnen. An der Unternehmerinitiative fehlt es – in Aufnahme der Kernmerkmale des § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV -, wenn der Beschäftigte vom Auftraggeber persönlich abhängig, also hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt seiner Tätigkeit weisungsgebunden ist. Ferner muss er in den Betrieb des Auftraggebers und in die dortigen Organisationsabläufe eingegliedert sein. Für eine solche Eingliederung spricht wiederum die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, die Ausübung der Tätigkeit zu festen Arbeitszeiten sowie gleichbleibend an einem bestimmten Ort und der zeitliche Umfang der Dienstleistungen. Denn je kürzer die zeitliche Berührung des Auftragnehmers mit dem Betrieb des Auftraggebers ist, desto geringer wird der Grad von dessen Eingliederung und Weisungsgebundenheit sein.
35
Anzeichen für das Fehlen eines Unternehmerrisikos sind der Erhalt fester Bezüge, die gesonderte Vergütung anfallender Überstunden und die Fortzahlung der Bezüge auch in Fällen, in denen der Auftragnehmer aus persönlichen Gründen an der Erbringung seiner Leistungen gehindert ist (z.B. Urlaubsanspruch, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall). Gegen das Vorhandensein eines Unternehmerrisikos spricht auch, wenn der Auftragnehmer lediglich seine Arbeitskraft, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg schuldet, und wenn der Arbeitsplatz vom Auftraggeber gestellt wird, der Auftragnehmer also weder zum Kapitaleinsatz noch zur Beschaffung von Arbeitsmitteln verpflichtet ist.
36
Dagegen ist die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig für die steuerrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend (BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BStBl II 2009, 873 m.w.N.).
37
bb. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsgrundsätze, denen der Senat folgt, erfüllt die Klägerin in dem Zeitraum Mai/Juni 1997 die für die Annahme der Einkünfte aus selbständiger Arbeit erforderlichen Merkmale der Selbständigkeit nicht. Insbesondere fehlen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Unternehmerinitiative und das Unternehmerrisiko.
38
Nach der von dem damaligen Vorgesetzten, Dr. W, abgegebenen schriftlichen Erklärung und den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geht der Senat davon aus, dass die Klägerin im Zeitraum Mai/Juni 1997 wie zuvor und im Anschluss an diesen Zeitraum weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt ihrer Redakteurstätigkeit war. Die Weisungsgebundenheit bezog sich dabei nicht auf einzelne Projekte, sondern umfasste die gesamte Tätigkeit. Die Klägerin war in den Betrieb des Verlags und in die dortigen Organisationsabläufe der Lokalredaktion eingegliedert. Nach der Schilderung der Klägerin begann sie wie zuvor und danach jeden Arbeitstag mit der Teilnahme an der Redaktionsbesprechung und der Verteilung der Aufgaben. Sie war für die Erstellung eines Teils der Zeitung im Bereich des Lokalteils zuständig und verantwortlich, arbeitete am gleichen Arbeitsplatz mit den gleichen Arbeitskollegen zusammen und hatte sich an die festen Arbeitszeiten und den gleichbleibenden zeitlichen Umfang der Tätigkeit wie zuvor zu richten. Damit fehlten ihr in jeder Hinsicht die Merkmale, die die Rechtsprechung für die Unternehmerinitiative herausgearbeitet hat. Insoweit konnte der Senat keine Unterschiede zu der unstreitig als nichtselbständig einzustufenden Arbeitnehmertätigkeit in den Zeiträumen vor Mai 1997 und nach Juni 1997 feststellen. Die Arbeitnehmertätigkeit wurde nach der schriftlichen Bestätigung des Vorgesetzten vom 27. April 2010 insoweit vielmehr unverändert fortgesetzt. Soweit ersichtlich hat der Beklagte hiergegen weder Einwendungen erhoben noch die aus Sicht des Senats glaubhafte Schilderung der Klägerin in der mündliche Verhandlung bzw. des Vorgesetzen in Zweifel gezogen.
39
Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die Klägerin im Zeitraum Mai/Juni 1997 bei Krankheit und Urlaub keinen Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge gehabt hätte. Dieser Umstand spricht für sich betrachtet für ein von ihr getragenes Unternehmerrisiko. Dagegen spricht jedoch, dass die Klägerin allein ihre Arbeitskraft schuldete, und keinen speziellen Arbeitserfolg. Im Unterschied zu anderen in der gleichen Lokalredaktion tätigen freien Mitarbeitern wurde sie nicht nur bei Bedarf für spezielle Aufträge beauftragt, sondern arbeitete wie zuvor im Rahmen einer regelmäßigen, für Arbeitnehmer festgesetzten Arbeitszeit. Eine Verpflichtung zum Kapitaleinsatz und zur Gestellung von Arbeitsmitteln bestanden nicht. Vielmehr erhielt sie eine vorher festgelegte Vergütung in gleichbleibender Höhe in Abhängigkeit von der Ableistung einer vereinbarten Arbeitszeit. Sie erhielt insoweit 230,00 DM pro Arbeitstag, ein Betrag, der auf den Monat addiert in etwa ihrem vorherigen monatlichen Arbeitslohn entsprechen sollte. Hinsichtlich der Abrechnung von Fotos ergab sich gegenüber der Arbeitnehmertätigkeit ebenfalls keine Änderung, da diese auch im Rahmen der Arbeitnehmertätigkeit üblicherweise gesondert abgerechnet werden können.
40
Im Rahmen der Gesamtwürdigung misst der Senat den Umständen der fehlenden Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub bzw. der fehlenden Absicherung im Krankheitsfall bei der Beurteilung des Unternehmerrisikos keine durchschlagende Bedeutung bei. Dabei ist nach Überzeugung des Senats entscheidend, dass der Zeitraum des Tragens dieses speziellen Risikos nur auf 2 Monate beschränkt war und daher aus Sicht der Klägerin keine große Bedeutung hatte. Weitaus wichtiger war für die Klägerin, dass sie in dem Zwischenzeitraum zu in etwa gleichen Bedingungen auch ohne einen formellen Arbeitsvertrag weiterarbeiten konnte, bis ihre Planstelle zu Verfügung stand. Gegenüber den übrigen, gegen das Unternehmerrisiko sprechenden Umstände treten daher dieser Punkte in den Hintergrund.
41
Abgesehen von der Art der Abrechnung hat sich für die Klägerin auch nichts Wesentliches im Vergleich zu der Tätigkeit im Zeitraum vor und nach Mai/Juni 1997 verändert. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Punkte (nicht als Arbeitnehmerin geführt, keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, kein Arbeitsvertrag, sondern Honorarrechnungen) betreffen dagegen die arbeits- und sozialversicherungstechnische Seite, also die äußere Hülle der Tätigkeit, die für die steuerliche Gesamtbeurteilung maximal indizielle Bedeutung hat, im Übrigen aber nicht ausschlaggebend ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BStBl II 2009, 873 m.w.N.).
42
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse geht der Senat deshalb davon aus, dass die Klägerin die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit im Zeitraum Mai/Juni 1997 nicht erfüllt hat.
43
Mangels Rechtsfehlers bei der Bildung der Existenzgründerrücklage scheidet damit eine Kompensation aus. Der Beklagte war im Ergebnis verpflichtet, die begehrte Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO im beantragten Umfang durchzuführen.
44
Die Klage hat damit im vollen Umfang Erfolg.
45
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
46
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Umsätze aus Pensionspferdehaltung

Umsätze aus Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken unterliegen nur insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung, als der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist.

Niedersächsisches Finanzgericht 5. Senat, Urteil vom 14.02.2013, 5 K 281/11
Art 25 Abs 2 EWGRL 388/77, § 24 Abs 2 S 1 UStG, UStG VZ 2005
Tatbestand
1
Streitig ist, ob Zuchtleistungen eines Landwirts für Nichtlandwirte der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegen.
2
Der Kläger betreibt eine Pferdezucht mit 30 eigenen Pferden. Zusätzlich unterhält er eine Pferdepension für ca. 70 Pferde. Im Rahmen dieser Pension bietet er folgende Dienstleistungen an:
3
– Belegung der Stuten durch künstliche Besamung
4
– Abfohlung
5
– Aufzucht und Ausbildung der Fohlen
6
– Präsentation und Ausbildung für Pferdeschauen und Leistungsprüfungen
7
– Beratung über die Zuchtmöglichkeiten
8
– Betreuung (Futter, Stall, Auslauf, Tierarzt während der Trächtigkeit und bei und nach der Geburt)
9
– Hilfe beim Kauf oder Verkauf von Pferden.
10
Der gesamte Zuchtprozess gliedert sich im Wesentlichen wie folgt:
11
1. Abschnitt
12
Die Stuten werden künstlich belegt. Sie sind dann 11 Monate trächtig und werden während dieser Zeit umfangreich betreut. Neben der täglichen Bewegung, Fütterung und Pflege der Pferde findet insbesondere eine regelmäßige Trächtigkeitskontrolle statt.
13
2. Abschnitt
14
Während der Geburt findet eine Geburtshilfe statt. Die Geburt wird auch elektronisch überwacht und begleitet. Auch eine Intensiv- und Frühchenversorgung wird durchgeführt.
15
3. Abschnitt
16
In den ersten sechs Monaten nach der Geburt verbleibt das Fohlen bei der Stute. In dieser Zeit wird die Stute wieder neu belegt. Das Fohlen wird versorgt, erhält ein Pflichtkennzeichen (sog. Fohlenbrennen) und wird zur ersten Klassifizierung einer Prämierungsvorführung unterzogen.
17
4. Abschnitt
18
Im siebten Lebensmonat wird das Fohlen von der Mutter getrennt. Die Fohlen werden nach Geschlecht getrennt und in Gruppenhaltung aufgezogen. Die Aufzucht dauert bis zum 2. Lebensjahr des Fohlens.
19
5. Abschnitt
20
In diesem Abschnitt beginnt die Auslese. Die Hengste werden zwecks Körung nach Qualität sortiert. Soll ein Hengst zur Zucht eingesetzt werden, so ist der erste Schritt die Körung, die eine Vorauswahl zur Hengstleistungsprüfung darstellt. Die zur Körung vorgesehenen Hengste werden zur Ausbildung und Vorbereitung auf die Körung an ein eigens dafür geeignetes Unternehmen abgegeben. Nach etwa vier Monaten entscheidet sich, welches Pferd zur Körung zugelassen ist (ca. 25 v. H.). Von den nicht zur Körung zugelassenen Hengsten kommt erfahrungsgemäß jedes zweite Pferd zurück auf den Hof des Klägers. Diese und die nicht zur Körung abgegebenen Hengste werden im Alter von 2 1/2 Jahren kastriert.
21
6. Abschnitt
22
Im Alter von ca. 3 Jahren beginnt die Grundausbildung der Stuten und Wallache. Die Stuten werden für die Stutenleistungsprüfung (vier- bis fünfmonatigen Grundausbildung) vorbereitet. Nach der abgelegten Stutenleistungsprüfung endet die Ausbildung. Die Stutenleistungsprüfung ist Grundlage für die Zucht und die Prämierung der Stute durch die Zuchtverbände. Die belegten Stuten gehen anschließend in die Herde (siehe Abschnitt 1) und die nicht belegten Stuten an den Eigentümer zurück. Die Wallache gehen nach einer vier bis fünfmonatigen Grundausbildung ebenfalls zurück an den Eigentümer.
23
Der Kläger hat mit den jeweiligen Pferdeeinstellern Pensionsverträge abgeschlossen. Der monatliche Pensionspreis betrug ausweislich der vom Kläger unter dem 11.02.2013 vorgelegten Abrechnungen durchschnittlich 185,– € pro Stute. Sofern – wie regelmäßig – zusätzliche Leitungen vom Kläger oder von Dritten (z. B. Hufschmied) erbracht wurden, sind diese jeweils monatlich vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt worden. Die Tierarztleistungen sind den Pferdeeinstellern regelmäßig direkt in Rechnung gestellt worden.
24
Zu den Kunden des Klägers zählen Landwirte, gewerbliche Pferdezüchter, Privatpersonen und ausländische Bürger aus EU-Staaten.
25
In der Zeit vom 7. April 2008 bis zum 19. November 2009 fand beim Kläger eine landwirtschaftliche Betriebsprüfung statt. Der Prüfer beurteilte die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen an Nichtlandwirte als einheitliche Pensionsleistung, die außerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erbracht und damit nicht der Durchschnittsbesteuerung unterliege. Die darauf entfallenden Umsätze in Höhe von 193.013,61 € unterwarf er der Regelbesteuerung. Die Umsätze aus der Unterbringung von Pferden, deren Eigentümer Land- und Forstwirte sind, wurden vom Prüfer unverändert der Durchschnittssatzbesteuerung unterworfen.
26
Bei der Ermittlung der Vorsteuern wurde im Vorfeld geklärt, dass 30 v. H. der gesamten Vorsteuern auf die eigene Pferdezucht und -haltung entfallen. Auf den Gesamtbereich der untergestellten Fremdpferde entfallen damit 70 v. H. Da der Kläger aus dem Ankauf von Heu, Hafer und Grundfutter zu Unrecht 16 v. H. (statt 7 v. H.) herausgerechnet hatte. nahm der Prüfer eine entsprechende Korrektur der Vorsteuern vor. Außerdem wurde bei den Vorsteuern ein Abzug von 10,91 v. H. vorgenommen. Diese Quote entsprach dem Verhältnis der Pensionsumsätze (brutto) der landwirtschaftlichen zu den nichtlandwirtschaftlichen Pferdeeinstellern (24.448,– € zu 223.895,79 €).
27
Gegen den aufgrund der Prüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 18. März 2010 wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage.
28
Er trägt vor, dass die hier streitigen Umsätze nach der Durchschnittsbesteuerung gemäß § 24 UStG zu besteuern seien. Nach § 24 UStG seien Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe als landwirtschaftliche Betriebe anzusehen, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51 a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehörten. Das Gesetz stelle insoweit allein darauf ab, ob der jeweilige Betrieb für die gehaltenen Tiere eine ausreichende Futtergrundlage biete. Da der Betrieb des Klägers mit seinen 30 ha eine ausreichende Futtergrundlage für die Pferde und Fohlen biete, liege ein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Die Eigentumsfrage der Pferde spiele bei der Tierzucht und -haltung keine Rolle.
29
Die von ihm geschuldete Hauptleistung bestehe darin, Pferde zu züchten. Damit in Zusammenhang erbringe er als Nebenleistung die Versorgung der Pferde durch Unterkunft, Füttern, Pflege und Auslauf. Nach Ansicht des BFH fielen Leistungen wie das Einstellen und Betreuen von Reitpferden nicht unter den Begriff „Halten von Vieh“ i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG und auch nicht unter die Durchschnittsbesteuerung, wenn die Reitpferde zur Ausübung des Freizeitsports genutzt würden. Anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen stünden die Reitanlagen des Klägers den Pferdebesitzern gerade nicht zur Ausübung ihrer Reit- und Freizeitaktivitäten zur Verfügung. Vielmehr dienten die Reitanlagen des Klägers ausschließlich der Betreuung und Ausbildung der Pferde im Rahmen der oben dargestellten Zucht.
30
Die erbrachten Zuchtleistungen unterfielen auch der Pauschalbesteuerung nach Art. 25 der 6. EG-Richtlinie, die bei der Auslegung des § 24 UStG zu berücksichtigen sei. Nach Art. 25 Abs. 2 1. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelte als landwirtschaftlicher Erzeuger ein Steuerpflichtiger, der seine Tätigkeit im Rahmen eines der in Art. 25 angeführten Betriebe ausübe. Nach Art 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich i. V. m. Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG stelle auch ein Betrieb, der die dort aufgezählten Dienstleistungen erbringe, einen landwirtschaftlichen Betrieb dar. Als Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, seien gerade das Hüten, die Zucht und das Mästen von Vieh im Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG genannt. Damit stelle ein Zuchtbetrieb einen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieb dar, dessen landwirtschaftliches Produkt eben die Fohlen seien.
31
Da die landwirtschaftlichen Dienstleistungen auf die eigene landwirtschaftliche Produktion des Klägers gerichtet seien, komme es nicht darauf an, wer letztlich der jeweilige Leistungsempfänger sei. Vielmehr sei dem Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 05.11.2009, 16 K 10340/07 – Rz. 36) darin zuzustimmen, dass auch eine landwirtschaftliche Dienstleistung an einen Nichtlandwirt zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen und damit landwirtschaftlichen Zwecken dienen könne.
32
Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Bundesfinanzhof (Urteil vom 13.01.2011 – V R 65/09) die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts aufgehoben habe. Zum einen habe der BFH nicht zu der Frage Stellung genommen, ob landwirtschaftliche Dienstleistungen nur dann unter die Durchschnittssatzbesteuerung fielen, wenn sie an Landwirte erbracht würden. Zum anderen habe der BFH klargestellt, dass § 24 UStG anwendbar sei, wenn es sich – wie hier – um Zucht- oder Arbeitspferde handele.
33
Der Kläger beantragt,
34
den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 18. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2011 dahingehend zu ändern, dass Umsätze in Höhe von 193.013,61 € des klägerischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nach der Durchschnittsbesteuerung des § 24 UStG besteuert werden.
35
Der Beklagte beantragt,
36
die Klage abzuweisen.
37
Landwirtschaftliche Zuchtleistungen erbringe der Kläger nur gegenüber seinen eigenen Pferden bzw. Pferden anderer Landwirte. Nur insoweit handele es sich um landwirtschaftlich Tierzucht und -haltung. Bei den züchterischen Dienstleistungen, die er gegenüber den Pferden der „privaten Pferdebesitzer“ (Nichtlandwirte) erbringe, handele es sich nicht um Dienstleistungen, die für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt seien, sondern um Pferdepensionsleistungen. Hierzu habe der BFH (Urteil vom 22.01.2004 V R 41/02) ausgeführt:
38
„Eine Dienstleistung, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt ist, könnte beispielsweise vorliegen, wenn Zuchtpferde eines Gestüts oder land- oder forstwirtschaftliche Arbeitspferde untergestellt werden“
39
Bei den eingestellten Pferden der „privaten Pferdebesitzer“ handele es nicht um Zuchtpferde eines (landwirtschaftlichen) Gestüts oder um land- oder forstwirtschaftliche Arbeitspferde. Diese ergebe sich bereits daraus, dass die „privaten Pferdebesitzer“ als Empfänger der Dienstleistungen des Klägers mangels einer eigenen landwirtschaftlich genutzten Fläche keine Landwirtschaft betrieben.
40
Das „Hüten und die Zucht von Vieh“ gehöre zwar zu den landwirtschaftlichen Dienstleistungen nach Art 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich i. V. m. Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG. Befreit seien danach aber nur solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen würden landwirtschaftliche Erzeuger, also Personen, die ihre Tätigkeiten im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausübten. Nichtlandwirte übten keine entsprechende Tätigkeit aus mit der Folge, dass die an diese Personen erbrachten Dienstleistungen nicht unter § 24 UStG fielen.
Entscheidungsgründe
41
Die Klage ist unbegründet.
42
Der Beklagte hat zu Recht die streitbefangenen Umsätze als der Regelbesteuerung und dem allgemeinen Steuersatz unterliegende Umsätze behandelt. Die Voraussetzungen des § 24 UStG liegen bezüglich der Umsätze aus der „Pensionspferdehaltung“ nicht vor.
43
1. Die Durchschnittssatzbesteuerung gilt gemäß § 24 UStG grundsätzlich für alle „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze“. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG
44
„1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
45
2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören“.
46
§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform entsprechend Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2011 V R 65/09, BStBl II 2011, 465, vom 19. November 2009 V R 16/08, BStBl II 2010, 319; vom 13. August 2008 XI R 8/08, BStBl II 2009, 216).
47
2. Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere nach dem vierten Gedankenstrich dieser Bestimmung „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“.
48
Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung (EuGH-Urteile vom 15. Juli 2004 C-321/02, Harbs, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnrn. 31 und 36, sowie vom 26. Mai 2005 C-43/04, Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 21). Weiter sind die von Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen (EuGH-Urteil Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 24). Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist (EuGH-Urteile Harbs, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnr. 27, und Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 27). Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen. Als „landwirtschaftliche Dienstleistungen“ sind daher nicht Leistungen anzusehen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen (EuGH-Urteile Harbs, BFH/NV 2004, 371 Rdnr. 31, und Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 29).
49
3. Der Kläger hat gegenüber den Einstellern der Pensionspferde zu Zuchtzwecken keine Lieferungen, sondern jeweils einheitliche sonstige Leistungen gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG (Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG) erbracht.
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a) Nach § 3 Abs. 1 UStG, der Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG umsetzt, sind Lieferungen eines Unternehmens Leistungen, durch die dieser den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen oder Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Werden mehrere unterschiedliche Leistungen zusammenhängend erbracht, so liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen/Dienstleistungen (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 15. Januar 2009 V R 91/07, BFH/NV 2009, 865 und vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH-NV 2008, 1712 mit weiteren Nachweisen).
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b) Im Streitfall hat der Kläger gegenüber den Einstellern zum einen die für Pensionspferdehaltung üblichen Leistungen wie Unterbringung und Versorgung der Tiere in Form der Fütterung, des Tränkens, der Fell- und Hufpflege und der Bewegung der Tiere erbracht. Zum anderen hat er – und dadurch unterscheidet sich der Streitfall von der üblichen Pferdepension zu Reitsportzwecken – die im Sachverhalt dargestellten züchterischen Leistungen erbracht. Beide Leistungen (Pensions- und Zuchtleistungen) stellen unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang dar, dessen einzelne Leistungsbestandteile derart eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare Leistung bilden. So konnte der Kläger die Zuchtleistungen an den Fremdpferden der Einsteller nur erbringen, wenn er deren Tiere in Pension nimmt. Pension und Zuchtleistungen sind besonders aufeinander abgestimmt (spezielles Futter für Stuten und Fohlen, Bewegung und Kontrolle der Stuten während der Trächtigkeit, Geburtsbegleitung durch fachliche und elektronische Überwachung, Aufzucht der Fohlen in Gruppenhaltung, Ausbildung auf den hofeigenen Reitanlagen, etc.) und untrennbar miteinander verbunden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Pension ein fester monatlicher Betrag (185,– € pro Stute) geschuldet und zusätzliche Zuchtleistungen vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt wurden.
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c) In diese vom Kläger erbrachte einheitliche „Pensionsleistung“ zu Zuchtzwecken geht sowohl die von ihm erfolgte Lieferung von selbst erzeugtem oder zugekauftem Futter, als auch die evtl. Lieferung auf dem Hof produziertem Heu und Stroh unter. Die Lieferungen sind lediglich Teil der Gesamtleistung „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken und versetzen den Kläger (lediglich) in die Lage, seinen Pflichten aus den „Pensionsverträgen“ unter optimalen Bedingungen nachzukommen. Sie stellen damit unselbständige Nebenleistungen zur Hauptleistung dar und teilen deren Schicksal.
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4. Der Kläger hat mit den „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG erbracht. Nach Art. 25 Abs. 2 5. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG („Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen“) gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:
54
– Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens;
55
– Verpackung und Zubereitung, wie beispielsweise Trocknung, Reinigung, Zerkleinerung, Desinfektion und Einsilierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
56
– Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
57
– Hüten, Zucht und Mästen von Vieh;
58
– Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken;
59
– technische Hilfe;
60
– Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen;
61
– Betrieb von Be- und Entwässerungsanlagen;
62
– Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen.
63
a) Die vom Kläger gegenüber den Einstellern jeweils erbrachte (einheitliche) sonstige Leistung/Dienstleistung gehört nicht zu den in dem Katalog aufgeführten Dienstleistungen. Auch die unter Spiegelstrich 4 aufgeführten Leistungen „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ sind nicht einschlägig, denn nach dem Einleitungssatz zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen (nur) solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zudem ist zu beachten, dass – wie bereits ausgeführt – die Vorschrift restriktiv auszulegen ist. Der EuGH hat in dem Urteil vom 26. Mai 2005 (Rs. C-43/04 -Stadt Sundern-, BFH/NV 2005 Beilage 4, 320) ausgeführt, dass eine Dienstleistung, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dient und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel bezieht, weder der Art noch dem Ziel der Regelung entspricht.
64
Nach Ansicht des Senats setzt das Tatbestandsmerkmal „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ unter Berücksichtigung des Einleitungssatzes zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG voraus, dass der jeweilige Leistungsempfänger der „Pensionsleistung“, mithin im Streitfall der jeweilige Einsteller der Pferde, selbst ein landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG ist, denn eine „Pensionsleistung“ an einen Nichtlandwirt trägt nicht zur landwirtschaftlichen Produktion bei, dient keinen landwirtschaftlichen Zwecken (so ausdrücklich FG Münster, Urteil vom 18. August 2009 15 K 3176/05 U, EFG 2009, 1979; so wohl auch FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Februar 2009 1 K 107/08, EFG 2009, 877 und die Finanzverwaltung in Abschnitt 24.3 Abs. 5 Satz 6 und Abs. 11 Satz 2 UStAE sowie Windecker in Plückebaum/Widmann, UStG, § 24 Rz 148f; anderer Auffassung: Niedersächsisches FG, Urteil vom 5. November 2009 16 K 10340/07, juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.06.2011 6 K 2287/09, EFG 2011, 2025, Revision: XI R 27/11 – Klärschlammtransporte für Samtgemeinde).
65
Als landwirtschaftliche Erzeuger gelten solche Betriebe, die eine der in Art. 25 Abs. 2 Spiegelstrich 1 und 2 i. V. m. Anhang A der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten ausüben, d. h. die unter anderem Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung betreiben. Eine private bzw. gewerbliche Tierzucht der Einsteller ohne Bodenbewirtschaftung fällt hingegen nicht unter die Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung. Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu Recht die Einstellumsätze, die an Nichtlandwirte erbracht wurden, der Regelbesteuerung unterworfen.
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b) Die „Pensionsleistungen“ des Klägers sind nicht „Teil seiner eigenen Pferdezucht“ und stehen mit dieser auch nicht unmittelbar in Verbindung.
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Zwar betreibt der Kläger mit seinen eigenen Pferden eine landwirtschaftliche Pferdezucht. Unstreitig ist auch, dass der eigene Tierbestand zusammen mit den eingestellten Fremdpferden die nach der Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Betriebs (ca. 30 ha) mögliche Zahl der Vieheinheiten (276 VE) nicht übersteigt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die vom Kläger durchgeführte Zucht von fremdem Vieh nicht als eigene landwirtschaftliche Erzeugung sondern als landwirtschaftliche Dienstleistung zu beurteilen ist. Anders als bei der eigenen Zucht stehen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Fohlen) aus dem „Pensionszuchtbetrieb“ auch nicht dem Kläger sondern dem jeweiligen Einsteller zu.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Kein Ehegattensplitting bei Zweitfrau

Finanzgericht Köln: Kein Ehegattensplitting bei Zweitfrau

Eine Zusammenveranlagung mit der im Koma liegenden Ehefrau kommt nicht in Betracht, wenn der Ehemann bereits mit einer neuen Partnerin zusammenlebt und aus dieser Beziehung ein Kind hervorgegangen ist. Dies hat der 10. Senat des FG Köln in seinem Urteil vom 16. Juni 2011 (10 K 4736/07) entschieden.

In dem Verfahren klagte ein Mann auf Zusammenveranlagung mit seiner im Wachkoma liegenden Ehefrau, die in einem Pflegeheim untergebracht war. Zur Haushaltsführung und Versorgung der beiden ehelichen Kinder nahm der Kläger gegen Kost und Logis eine Frau auf, die im Streitjahr vom Kläger ein Kind bekam. Das Finanzamt lehnte daraufhin die Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner Ehefrau ab.

Dies bestätigte der 10. Senat. Er hielt es wie das Finanzamt für ausgeschlossen, die Kindsmutter lediglich als “Hausangestellte“ zu sehen. Der Senat ging vielmehr spätestens mit der Geburt des gemeinsamen Kindes von der Begründung einer neuen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft aus, durch die die Gemeinschaft mit der im Koma liegenden Ehefrau aufgehoben worden sei. Nach dem grundgesetzlichen Gebot der Einehe (Art. 6 GG) könnten bei einer Person nicht gleichzeitig zwei Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften vorliegen.

Der 10. Senat hat die Revision gegen sein Urteil zum BFH zugelassen, weil bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden sei, ob besondere Lebensumstände das gleichzeitige Vorliegen von zwei Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaften rechtfertigen könnten.

FG Köln, 01.08.2011

Anhebung des Grundfreibetrags

 Auswirkungen für Arbeitnehmer ab April

Der Bundesrat hat in seiner ersten Sitzung im neuen Jahr der Anhebung des Grundfreibetrags zugestimmt. Für das Jahr 2013 beträgt dieser 8.130 Euro sowie 8.354 Euro für das Jahr 2014. Der Bund der Steuerzahler begrüßt die Entscheidung des Bundesrates. Allerdings war die Anhebung des Grundfreibetrags erforderlich, um das verfassungsrechtliche Existenzminimum in ausreichendem Maße steuerfrei zu stellen.

Von der Anhebung des Grundfreibetrags profitieren alle Steuerzahler, denn sie müssen Steuern nur für das Einkommen zahlen, das über dem Grundfreibetrag liegt. Bei den Arbeitnehmern wird sich der höhere Grundfreibetrag in der Lohntüte aber frühestens im April 2013 auswirken, denn nun müssen erst die Softwareprogramme zum Lohnsteuerabzug umgestellt werden. Viele Selbstständige werden sogar erst mit der Einkommensteuererklärung 2013 etwas von der Anpassung spüren. Zu große Hoffnungen sollten sich die Steuerzahler aber nicht machen. Denn diese Regelung macht sich bei den Steuerzahlern mit maximal 24 Euro gegenüber dem Vorjahr bemerkbar.

Darüber hinaus fordert der Bund der Steuerzahler weitergehende Schritte zur Entlastung der Steuerzahler, z.B. über den Abbau der kalten Progression oder des Solidaritätszuschlags.

BdSt fordert praxisgerechte Umsetzung

Erst im Februar 2013 hat der Bundesrat der rückwirkenden Anhebung des steuerfreien Grundfreibetrags von 8.004 Euro auf 8.130 Euro pro Jahr zugestimmt. „Die Politik konnte sich nicht frühzeitig auf die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des Grundfreibetrags einigen, sodass gegenwärtig noch der niedrigere Grundfreibetrag bei der Lohnabrechnung angewendet wird. Nun muss eine schnelle und pragmatische Lösung gefunden werden, damit die Steuerzahler bereits in diesem Jahr vollständig von der Anhebung des Grundfreibetrags profitieren“, fordert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt).

Die Anhebung des Grundfreibetrags wird sich nämlich wahrscheinlich erst im April 2013 in der Lohntüte auswirken, denn nun müssen die Softwareprogramme zum Lohnsteuerabzug umgestellt werden. Damit wird für die Monate Januar, Februar und März 2013 zu viel Lohnsteuer abgezogen. Der BdSt fordert das Bundesministerium der Finanzen auf, eine unbürokratische Lösung für die Korrektur der Lohnabrechnungen Januar bis März 2013 zu finden. Einen entsprechenden Vorschlag hat der BdSt in einem Schreiben an das Bundesministerium der Finanzen unterbreitet. Er sieht vor, eine entsprechende Korrektur für die ersten drei Kalendermonate direkt im April vorzunehmen oder die Berichtigung über die verbleibenden neun Monate zu strecken.

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

Bundesregierung: Existenzminimumbericht bestätigt steuerpolitischen Kurs zum Abbau der kalten Progression

Das Bundeskabinett hat am heutigen 7. November 2012 den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern beschlossen. Der Bericht bestätigt den steuerpolitischen Kurs der Bundesregierung zum Abbau der kalten Progression.

Erwerbseinkommen, soweit es zum dem Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich ist, darf in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht besteuert werden. Um die Einhaltung dieser Vorgabe exakt zu überprüfen, legt die Bundesregierung seit 1995 alle zwei Jahre einen Bericht vor, in dem die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern auf der Basis statistischer Daten ermittelt wird. Künftig wird die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch alle zwei Jahre einen regelmäßigen Bericht zum Umfang der kalten Progression vorlegen.

Bereits der letzte (achte) Existenzminimumbericht aus dem Frühjahr 2011 hatte klar gemacht, dass der bestehende Grundfreibetrag (8.004 Euro) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausreichen würde, um das Existenzminimum von Erwachsenen im Jahr 2013 steuerfrei zu halten. Die Bundesregierung hat deshalb die notwendige Anpassung des Grundfreibetrages bereits mit dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression auf den Weg gebracht. Der jetzt vorgelegte 9. Existenzminimumbericht bestätigt die in den parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf vorgelegten Berechnungen. Die Unterdeckung beim Grundfreibetrag beträgt im Jahr 2013 120 Euro und im Jahr 2014 348 Euro. Das Gesetz zum Abbau der kalten Progression, mit dem die zentralen Tarifeckwerte an die Preisentwicklung angepasst werden, sieht eine Erhöhung des Grundfreibetrages um 126 Euro in 2013 und um weitere 224 Euro in 2014, also insgesamt um 350 Euro vor. Die Anpassungen des Grundfreibetrages sind damit hinreichend groß, zugleich aber auch zwingend erforderlich, um nicht zum 1. Januar 2013 eine verfassungswidrige Situation zu schaffen. Es gilt daher das in den parlamentarischen Beratungen befindliche Gesetz zum Abbau der kalten Progression zügig zu verabschieden, damit die Bürger in Deutschland nicht mit jeder Lohnerhöhung heimlich höher besteuert werden als zuvor.

Hinsichtlich des Kinderfreibetrags hat der 9. Existenzminimumbericht aufgezeigt, dass bis einschließlich 2013 kein Erhöhungsbedarf besteht. Erst ab 2014 weist der Kinderfreibetrag eine leichte Unterdeckung von 72 Euro auf, so dass eine Erhöhung erforderlich wird. Auch dies wird die Bundesregierung rechtzeitig gesetzgeberisch auf den Weg bringen.

Der Bericht wird nun dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleitet. Er ist, wie unten angegeben, auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen veröffentlicht.

Broschüre: Schutz vor versteckten Steuererhöhungen (PDF, 2,5 MB)
Bundesregierung
Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Bericht zum Abbau der kalten Progression

BdSt-Forderung zeigt Wirkung

Der Bund der Steuerzahler begrüßt den Entschluss des Bundestages, künftig alle zwei Jahre einen Bericht zur Auswirkung der kalten Progression auf die steuerliche Belastung der Arbeitnehmer zu erstellen „Damit erfüllt die Politik nicht nur eine Forderung des Bundes der Steuerzahler, sondern verdeutlicht die Belastung der Arbeitnehmer durch die kalte Progression. Bei einer alleinigen Dokumentation der Belastung der Arbeitnehmer darf es jedoch nicht bleiben. Vielmehr muss die Politik jetzt Wege finden, um den Abbau der kalten Progression voranzutreiben“, kommentiert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, den Beschluss des Bundestages.

„Der geplante Bericht wird verdeutlichen, dass der Staat derzeit überproportional von Lohnzuwächsen zum Ausgleich der Inflation profitiert, weil die Bürger zusätzlich besteuert werden. Die Blockadehaltung der von SPD und Grünen regierten Bundesländer im Bundesrat beim Abbau der kalten Progression ist nicht nachzuvollziehen und sollte schleunigst überwunden werden; schließlich sind davon alle Wähler betroffen“, so Holznagel. Die alleinige Anhebung des Grundfreibetrages auf 8.130 Euro rückwirkend zum 01. Januar 2013 ist für die Steuerzahler keine ausreichende Antwort auf ihre steigende Steuerbelastung. Hier erwarten die Steuerzahler von allen Parteien mehr Einsatz für ihre Belange und weniger Wahlkampfgetöse.

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

Bankgeheimnis für Österreicher soll bleiben

Finanzministerium Österreich, Pressemitteilung vom 08.04.2013

Im Zuge der nun wieder entflammten Diskussion rund um das österreichische Bankgeheimnis hält Finanzministerin Dr. Maria Fekter fest: „Ich werde auch künftig für den Erhalt des Bankgeheimnisses in Österreich kämpfen, denn ich will weder einen Schnüffelstaat noch sinnlose Datenfriedhöfe. Die Österreicher haben auch wenn es um´s Ersparte geht, ein Recht auf Privatsphäre.“ Sparer, die sich etwas zur Seite legen, seien nicht per se Kriminelle. Das Bankgeheimnis ist bereits heute kein Schutz für Verbrecher und Kriminelle, da es schon jetzt auf Anfrage einer Behörde im Einzelfall aufgehoben werden kann.

Österreich Vorreiter im Kampf gegen Steuersünder
Viel effizienter im Kampf gegen Steuersünder sind gezielte Abkommen mit Staaten wir der Schweiz oder Liechtenstein, wie sie erst kürzlich abgeschlossen wurden. „Wir holen uns aus diesen Abkommen über 1,5 Milliarden Euro von Steuersündern zurück, ohne des Bankgeheimnis zu opfern. So macht man das richtig und dieses Modell ist ausgesprochen effizient“, so Fekter. Bereits heute sei das Bankgeheimnis kein Schutz für Verbrecher und Kriminelle, daher fordert Fekter „einen raschen Stopp dieser irreführenden Debatte.“ Selbstverständlich werde schon heute in Österreich – wie dies weltweit Standard ist – im Einzelfall auf Anfrage einer Behörde Auskunft erteilt.

Bankgeheimnis schützt Standort
Die Wertschöpfung durch das Bankgeheimnis für den Standort Österreich ist enorm, denn neben hohen Steuereinnahmen, hängen wirtschaftliche Impulse und tausende Arbeitsplätze daran. Fekter: „Wer für die Abschaffung des Bankgeheimnisses ist, gefährdet heimische Arbeitsplätze und hemmt das Wirtschaftswachstum. Das werde ich nicht zulassen!“

Österreich ist mit einer 25-prozentigen Kapitalertragsteuer (KESt) alles andere als eine Steueroase, vielmehr sind wir Hochsteuerland und definitiv kein Anreiz für Steuerflucht. Andererseits lässt man Steuerparadiese in Europa, wie die Kanalinseln von Großbritannien oder Monaco im Hinterhof Frankreichs zu. Angesichts dieser Tatsachen sei es für Fekter „scheinheilige Tatsachenverdrehung“, wenn man das heimische Bankgeheimnis kritisiere.

„Ich werde auf EU-Ebene auch weiterhin gegen den automatischen Datenaustausch und für das österreichische Bankgeheimnis kämpfen“, schloss Fekter.

Quelle: Finanzministerium Österreich

EuGH bestätigt arbeitnehmerfreundliche Rechtsauffassung des FG Rheinland-Pfalz

FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 12.04.2013 zum Urteil des EuGH C-544/11 vom 28.02.2013

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxembourg zur sog. Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob eine Ungleichbehandlung von Entwicklungshelfern, die bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt sind, und Entwicklungshelfern, die bei einem Arbeitgeber mit Sitz im europäischen Ausland beschäftigt sind, gegen EU-Recht verstößt. Der EuGH hat dies in seinem Urteil vom 28. Februar 2013 (Az. C-544/11) bejaht.

Dem Verfahren des FG liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger ist dänischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Er arbeitet für ein in Dänemark ansässiges Unternehmen, für das er drei Jahre im Ausland zur Durchführung eines Entwicklungshilfeprojekts war. Den dabei erzielten Lohn unterwarf das deutsche Finanzamt der Einkommensteuer. Der Kläger hingegen berief sich (u. a.) auf den Auslandstätigkeitserlass, wonach die Einkünfte aus einer nichtselbständigen Tätigkeit, die im Ausland im Rahmen der Entwicklungshilfe für einen inländischen Arbeitgeber ausgeübt werden, einkommensteuerfrei sind. Das FG sah in dieser Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern, die bei einem inländischen Arbeitgeber beschäftigt sind, und Arbeitnehmern, die bei einem Arbeitgeber mit Sitz im europäischen Ausland beschäftigt sind, einen Verstoß gegen den EG-Vertrag und legte dem EuGH ein sog. „Vorabentscheidungsersuchen“ vor.

Aufgrund dieses Ersuchens hat der EuGH mit Urteil vom 28. Februar 2013 (Az. C-544/11) entschieden, dass eine nationale Regelung eines Mitgliedstaats, wonach Einkünfte einer in diesem Mitgliedstaat wohnhaften und unbeschränkt steuerpflichtigen Person aus einer nichtselbständigen Tätigkeit von der Einkommensteuer befreit sind, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, aber nicht, wenn er seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, gegen Art. 45 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) verstößt.

Quelle: FG Rheinland-Pfalz