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Beginn der Dreimonatsfrist für pauschale Verpflegungsmehraufwendungen in den sog. Wegverlegungsfällen

Beginn der Dreimonatsfrist für pauschale Verpflegungsmehraufwendungen in den sog. Wegverlegungsfällen. Die Beteiligten stritten über die Frage, ob im Fall der Wegverlegung des Lebensmittelpunkts vom Beschäftigungsort unter Beibehaltung der Wohnung am Beschäftigungsort für die ersten drei Monate der doppelten Haushaltsführung pauschale Verpflegungsmehraufwendungen geltend gemacht werden können. Dies hat das Finanzgericht Düsseldorf – entgegen den Lohnsteuerrichtlinien der Finanzverwaltung – bejaht. Die Dreimonatsfrist für längerfristige vorübergehende Tätigkeiten an derselben Tätigkeitsstätte habe erst mit der Umwidmung der Wohnung am Beschäftigungsort in eine Zweitwohnung zu laufen begonnen, so dass sie der Inanspruchnahme von Verpflegungsmehraufwendungen nicht entgegenstehe. Das Finanzgericht Düsseldorf hat die Revision zum Bundesfinanzhof ebenfalls zugelassen.

 

Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 318/12 E

Datum:
09.01.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 318/12 E
Tenor:

Der Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 22.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 wird dergestalt geändert, dass weitere Werbungskosten in Höhe von EUR 1.272 berücksichtigt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger während der ersten drei Monate einer unstreitig vorliegenden doppelten Haushaltsführung Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand zustehen.

3Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

4Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter Z-Stadt. Er hatte bereits vor dem Streitjahr mehrere Jahre am Beschäftigungsort Z-Stadt in der Z-Straße gewohnt. Nach ihrer Eheschließung am 08.05.2008 begründeten die Kläger ihren Familienwohnsitz in der Y-Straße in Y-Stadt. Die Wohnung am Beschäftigungsort behielt der Kläger als Zweitwohnung bei.

5In der Einkommensteuererklärung 2008 machte er für den Zeitraum vom 09.06. (Tag der polizeilichen Meldung in Y-Stadt) bis zum 31.12.2008 Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Er begehrte insbesondere den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer Abwesenheit von 24 Stunden für 53 Tage i.H.v. EUR 1.272.

6Der Beklagte verweigerte insoweit den Werbungskostenabzug unter Hinweis auf die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Nr. 5 Sätze 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes -EStG- (Einkommensteuerbescheid vom 27.01.2010). Mehraufwendungen für Verpflegung dürften zwar grundsätzlich für die ersten drei Monate nach Begründung einer doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden. Da der Kläger aber bereits vorher länger als drei Monate am Beschäftigungsort gewohnt habe, sei die Dreimonatsfrist zum Zeitpunkt der Begründung der doppelten Haushaltsführung bereits abgelaufen gewesen.

7Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Sie vertraten die Auffassung, die Regelung in R 9.11 Abs. 7 Satz 5 der Lohnsteuer-Richtlinien -LStR- widerspreche den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH- zu den sog. Wegverlegungsfällen. Danach liege eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung auch dann vor, wenn ein Arbeitnehmer nach der Eheschließung seinen Haupthausstand vom Beschäftigungsort wegverlege und seine Wohnung am Beschäftigungsort als Zweitwohnung beibehalte. Auch in diesen Fällen zähle der BFH den Verpflegungsmehraufwand zu den typischen Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung.

8Nachdem der Beklagte am 02.03.2010, 05.08.2011 und 22.12.2011 andere Streitpunkte betreffende Änderungsbescheide erlassen hatte, wies er den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 als unbegründet zurück. Entstehe die doppelte Haushaltsführung durch die Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Beschäftigungsort unter Beibehaltung der Wohnung am Beschäftigungsort, könnten auch während der ersten drei Monate nach Begründung der doppelten Haushaltsführung keine Verpflegungsmehraufwendungen anerkannt werden. Denn der Zweck des Werbungskostenabzugs würde dadurch verfehlt. Durch die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen solle dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der Steuerpflichtige mit dem Einzug in eine neue Wohnung auf eine geänderte Verpflegungssituation einstellen müsse und ihm erfahrungsgemäß deshalb vorübergehend zusätzliche Kosten entstünden. Dies treffe jedoch nicht auf Steuerpflichtige zu, die bereits vor Begründung der doppelten Haushaltsführung am Beschäftigungsort gewohnt hätten. Die Dreimonatsfrist beginne nicht mit der Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Beschäftigungsort, sondern mit dem Einzug in die Wohnung am Beschäftigungsort.

9Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und wiederholen ihre im Verwaltungsverfahren vertretene Rechtsauffassung. Ergänzend verweisen sie auf die Entscheidung des BFH vom 08.07.2010 VI R 15/09, -Bundessteuerblatt- BStBl II 2011, 47, gemäß der es für die Abziehbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen nicht darauf ankomme, ob dem Steuerpflichtigen die Verpflegungssituation am Beschäftigungsort bekannt gewesen sei.

10Die Kläger beantragen,

11den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 22.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 zu ändern und dem Beklagten aufzugeben, die Einkommensteuer um EUR 602 herabzusetzen sowie die Festsetzung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer entsprechend anzupassen,

12hilfsweise, die Revision zuzulassen.

13Der Beklagte beantragt,

14die Klage abzuweisen,

15hilfsweise, die Revision zuzulassen.

16Er verweist auf die Begründung der Einspruchsentscheidung.

17Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

18Entscheidungsgründe

19Die Klage ist begründet.

20Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), denn der Beklagte hat zu Unrecht die von den Klägern geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung innerhalb der ersten drei Monate der doppelten Haushaltsführung i.H.v. EUR 1.272 nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

21Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG i. d. F. des Streitjahres 2008 grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig (sog. Dienstreise), so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen. Nach Satz 5 beschränkt sich bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte der pauschale Abzug auf die ersten drei Monate (sog. Dreimonatsfrist). Gemäß Satz 6 gelten die Abzugsbeschränkungen nach Satz 1, die Pauschbeträge nach Satz 2 sowie die Dreimonatsfrist nach Satz 5 auch für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer aus betrieblichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Nach § 9 Abs. 5 EStG sind die aufgeführten Regelungen bei der Ermittlung der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit sinngemäß anzuwenden.

22§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 1. Hs. EStG legt der Höhe nach für die Abzugsfähigkeit der Mehraufwendungen für Verpflegung Pauschbeträge fest;wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, ist für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt

23a) 24 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 24,

24b) weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 12,

25c) weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 6

26abzuziehen.

27Dem Kläger standen danach für die ersten drei Monate seiner doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach Mehraufwendungen für Verpflegung zu,und zwar in Höhe der geltend gemachten Pauschbeträge von EUR 1.272.

28Dass der Kläger im Streitjahr 2008 in Z-Stadt eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung hatte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

29Die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG hat mit der Umwidmung der bisherigen Wohnung des Klägers in Z-Stadt in eine – neben der Ehewohnung in Y-Stadt bestehende – Zweitwohnung am 09.06.2008 zu laufen begonnen. Dem Kläger stehen daher für 53 Tage mit Abwesenheitszeiten von seiner Wohnung in Y-Stadt von 24 Stunden die geltend gemachten Pauschbeträge i.H.v. jeweils EUR 24 zu.

30Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unmittelbar vor dem 09.06.2008 bereits mehrere Jahre in der Zweitwohnung in Z-Stadt gewohnt hatte. Denn die Dauer eines unmittelbar der Begründung des Zweithaushaltes am Beschäftigungsort vorausgegangenen Aufenthalts am Ort des Zweithaushalts ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf die Dreimonatsfrist anzurechnen.

31Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG. Die Regelung beschränkt den pauschalen Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte auf die ersten drei Monate der aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Begründet wird eine doppelte Haushaltsführung in der Regel mit Bezug der Zweitwohnung am Beschäftigungsort. Dies gilt jedoch nicht für die sog. Wegverlegungsfälle, in denen die doppelte Haushaltsführung dadurch entsteht, dass ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand vom Beschäftigungsort wegverlegt und darauf – durch Umwidmung seiner bisherigen Hauptwohnung – einen Zweithaushalt am Beschäftigungsort errichtet, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können. In diesen Fällen wird die doppelte Haushaltsführung mit der Umwidmung der bisherigen Hauptwohnung des Steuerpflichtigen in eine Zweitwohnung begründet (vgl. BFH-Urteil vom 05.03.2009 VI R 58/06, BStBl II 2009, 1012). Mit dem Zeitpunkt der Umwidmung beginnt die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG zu laufen.

32Die Ansicht des Beklagten, die Dreimonatsfrist beginne in Wegverlegungsfällen mit dem – zum Teil weit vor der Begründung der doppelten Haushaltsführung liegenden – Bezug der Zweitwohnung am Beschäftigungsort, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes, denn die ersten drei Monate nach Bezug der Zweitwohnung sind gerade nicht mit den ersten drei Monaten der doppelten Haushaltsführung identisch. Der Inhalt der Richtlinie 9.11 Abs. 7 Satz 5 LStR, gemäß dem in Wegverlegungsfällen notwendige Verpflegungsmehraufwendungen nur vorliegen, wenn und soweit der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort vor Begründung des Zweithaushaltes nicht bereits drei Monate gewohnt habe und die Dauer eines unmittelbar der Begründung des Zweithaushaltes vorausgegangenen Aufenthalts an diesem Ort auf die Dreimonatsfrist anzurechnen sei, hat keinen Eingang ins Gesetz gefunden.

33Die Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nach dem Gesetzeszweck, wie er in den Gesetzesmaterialien niedergelegt ist, bestätigt das Ergebnis der Wortlautauslegung.

34Die Vorschrift ist durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I Seite 1250) umfassend neu gestaltet worden. Dabei verfolgte der Gesetzgeber erklärtermaßen das Ziel, allen Steuerpflichtigen mit Auswärtstätigkeiten die gleichen Pauschalen zuzumessen und dadurch zur steuerlichen Gleichbehandlung und zur Vereinfachung des Steuerrechts beizutragen. Zuvor bestehende Abgrenzungsprobleme zwischen Dienstreise, Einsatzwechseltätigkeit, Fahrtätigkeit und doppelter Haushaltsführung sollten beseitigt und allgemein die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen nach Ablauf eines Dreimonatszeitraums ausgeschlossen werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs in den Bundestagsdrucksachen -BT-Drucks.- 13/901, S. 129, und 13/1558, S. 143). Die Regelung der Dreimonatsfrist beruht auf der allgemeinen Unterstellung des Gesetzgebers, dass die Steuerpflichtigen nach der typisierten Übergangszeit regelmäßig eine Verpflegungssituation vorfinden, die keine beruflich veranlassten Mehraufwendungen mehr verursacht (BT-Drucks. 13/901, S. 129).

35Nach diesen Gesetzesmaterialien geht das Argument des Beklagten, die Berücksichtigung pauschalen Verpflegungsmehraufwands sei zu versagen, weil sich der Kläger nicht auf eine geänderte Verpflegungssituation habe einstellen und keine zusätzlichen Kosten habe tragen müssen, fehl. Denn der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung in § 4 Abs. 5 Nr. Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG nicht nur – in verfassungsgemäßer Weise(BFH-Urteil vom 08.07.2010 VI R 10/08, BStBl II 2011, 32) – eine Typisierung dahin gehend vorgenommen, dassnach Ablauf der Dreimonatsfrist ein weiterer Abzug von Verpflegungsmehraufwand ausscheiden soll, da nach dieser Frist dem Steuerpflichtigen typischerweise kein Mehraufwand dieser Art mehr entstehe, weil er die Verpflegungssituation kenne, die Höhe der Kosten beeinflussen und damit einen „Mehr“-Aufwand minimieren oder sogar vermeiden könne. Er hat vielmehr zugleich zum Ausdruck gebracht, dass generell bei Begründung einer jeden Auswärtstätigkeit – also auch bei Begründung einer doppelten Haushaltsführung durch Wegverlegung des Haupthausstandes vom Beschäftigungsort und Umwidmung der bisherigen Hauptwohnung in einen Zweithaushalt – typisierend die Pauschbeträge je nach konkreter Abwesenheitszeitzu gewähren sind, ohne dass insoweit auf die jeweilige konkrete Verpflegungssituation des einzelnen Steuerpflichtigen abzustellen wäre. Eine Prüfung, ob im Einzelfall tatsächlich Verpflegungsmehraufwendungen entstanden sind, soll gerade nicht stattfinden. Dass von dem Abzug der Pauschbeträge damit ausnahmsweise auch Steuerpflichtige profitieren, denen die Verpflegungssituation am Zweitwohnort bei Begründung der doppelten Haushaltsführung bereits bekannt war, hat der Gesetzgeber zugunsten der steuerlichen Gleichbehandlung aller Auswärtstätigkeiten und der Vereinfachung des Steuerrechts in Kauf genommen. Denn eine den Abzug von Verpflegungsmehraufwand ausnahmsweise einschränkende Regelung wie in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 6 EStG a. E., gemäß der die Dauer einer Dienstreise an den Beschäftigungsort auf die Dreimonatsfrist anzurechnen ist, wenn die Dienstreise der doppelten Haushaltsführung unmittelbar vorausgegangen ist, hat er für die Wegverlegungsfälle nicht getroffen.

36Von den vorgenannten Erwägungen hat sich auch der BFH in einem Fall leiten lassen, in dem ein Steuerpflichtiger, der nach Beendigung einer doppelten Haushaltsführung erneut eine doppelte Haushaltsführung am früheren Beschäftigungsort in der früheren Zweitwohnung begründet hatte, Verpflegungsmehraufwendungen geltend machte. Der BFH ließ den wiederholten Abzug der Pauschbeträge mit der Begründung zu, dass es für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht darauf ankomme, ob dem Kläger die Verpflegungssituation am Beschäftigungsort bekannt gewesen sei; der Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung während der Dreimonatsfrist sei generell von der konkreten Verpflegungssituation unabhängig (BFH-Urteil vom 08.07.2010 VI R 15/09, BStBl II 2011, 47 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 16.11.2005 VI R 12/04, BStBl II 2006, 267; so auch Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 9 Rn. 1100). Diese Überlegungen, denen sich der Senat anschließt, sind auf Wegverlegungsfälle uneingeschränkt übertragbar. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung des Beklagten steht dem nicht entgegen, dass in dem vom BFH (Urteil vom 08.07.2010 VI R 15/09, a. a. O.) entschiedenen Fall der Beendigung und Neubegründung einer doppelten Haushaltsführung die Zweitwohnung einige Monate (zehn) ungenutzt geblieben war. Denn dies ändert nichts an der mit den Wegverlegungssachverhalten vergleichbaren Situation, dass dem Steuerpflichtigen die Verpflegungssituation am Zweitwohnort bei der erneuten Begründung der doppelten Haushaltsführung bestens bekannt war.

37Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§151 Abs.3, 155 FGO i.V.m. §§708 Nr.10, 711 der Zivilprozessordnung.

39Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit eines EDV-Beraters

Zur Abgrenzung zwischen gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit, hier: Tätigkeit eines EDV-Beraters

Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 856/09 G

Datum:
30.08.2011
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
13. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 856/09 G
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

 

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

1Gründe:

2I.

3Streitig ist, ob der Kläger mit seinen Einkünften der Gewerbesteuer unterliegt.

4Der Kläger ist als selbständiger EDV – Berater tätig. Er hat weder einen Hochschulabschluss noch einen Fachhochschulabschluss. Der Beklagte sah die Tätigkeit als gewerblich an. Er setzte wegen dieser Einkünfte Gewerbesteuermessbeträge entsprechend der vom Kläger eingereichten Gewerbesteuererklärungen fest. Gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2006 vom 21.2.2008 legte der Kläger am 26.2.2008 Einspruch ein. Er trug zur Begründung vor, er übe seine Tätigkeit auch weiterhin unverändert aus, es handele sich aber nicht um eine gewerbliche, sondern um eine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Es sei eine der Tätigkeit eines Ingenieurs oder Diplominformatikers vergleichbare Tätigkeit. Er verfüge über theoretische Kenntnisse, die mit denen eines

5Diplom- Ingenieurs, Diplom- Wirtschaftsinformatikers oder Diplom- Informatikers vergleichbar seien.

6Nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 5.2.2009) trägt der Kläger zur Begründung seiner Klage vor:

7Aus dem von ihm vorgelegten Gutachten des „C“ ergebe sich, dass er über theoretische Kenntnisse verfüge, die in ihrer Breite und Tiefe denjenigen entsprächen, die ein an einer Hochschule oder Fachhochschule ausgebildeter Diplom – Informatiker oder Ingenieur habe. Das Gutachten bestätige zudem, dass die ausgeübte Tätigkeit in wesentlichen Elementen und ganz überwiegend mit der Tätigkeit eines Ingenieurs vergleichbar sei.

8Der Kläger beantragt,

9den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2006 vom 21.2.2008 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.

10Der Beklagte beantragt,

11die Klage abzuweisen.

12Zur Begründung trägt er vor:

13Das vorgelegte Gutachten des „C“ sei nicht von einem gerichtlich bestellten, unabhängigen Sachverständigen gefertigt worden. Es sei zweifelhaft, ob die dem Kläger ausweislich des Gutachtens von „C“ (Seite 22) attestierten Mängel in den Kenntnissen der theoretischen Grundlagen der Informatik und der Mathematik tatsächlich nur geringfügige Abweichungen von dem Wissen eines Diplominformatikers oder Ingenieurs darstellten.

14Nach Anhörung der Beteiligten hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das am 16.7.2010 vorgelegt worden ist und auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. In dem Gutachten haben die Sachverständigen im Wesentlichen die Ausbildungsinhalte der in Frage kommenden Studiengänge zum Diplom- Informatiker (FH), zum Diplom- Wirtschaftsinformatiker (FH) oder zum Diplom- Ingenieur Elektrotechnik (FH) aufgefächert und überprüft, ob und wenn ja welche dieser Inhalte durch die vom Kläger dargelegten praktischen Tätigkeiten und Aus- und Fortbildungen als abgedeckt angesehen werden können. Sie sind zu dem Ergebnis gelangt, dass Kenntnisse in den mathematisch – technischen sowie den wirtschaftswissenschaftlichen Grundlagen durch die vorgelegten Unterlagen nicht nachgewiesen seien. Zudem fehle in Gänze der Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.11.2010 haben die Sachverständigen ihr Gutachten gegenüber den Beteiligten weiter erläutert, wegen der Erläuterungen im Einzelnen wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat daraufhin beantragt, den Kläger einer Wissensprüfung durch die Gutachter unterziehen zu lassen. Mit Beweisbeschluss vom 30.11.2010 sind die Gutachter mit der Durchführung der Wissensprüfung beauftragt worden. Die Wissensprüfung ist am 17.5.2011 durchgeführt worden und hat zu dem Ergebnis geführt, dass der Kläger auch weiterhin die erforderlichen theoretischen Kenntnisse nicht hat nachweisen können.

15Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

16II.

17Die Klage ist unbegründet.

18Der angefochtene Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung –FGO–). Der Kläger übt keine freiberufliche Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 EStG aus, sondern ist gewerblich tätig.

19Freiberufliche Einkünfte erzielt unter anderem, wer selbständig einen der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgeführten sog. “Katalogberufe“ oder eine einem Katalogberuf ähnliche Tätigkeit ausübt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht. Er übt weder den Beruf eines Ingenieurs noch eine diesem Beruf ähnliche Tätigkeit aus.

20Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist „Ingenieur“ nur derjenige, der wegen der Prägung des Berufsbildes des Ingenieurs durch die Ingenieurgesetze der Bundesländer aufgrund eines Studiums an einer wissenschaftlichen Hochschule, einer Fachhochschule, einer Ingenieurschule oder eines Betriebsführerlehrganges an einer Bergschule befugt ist, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 9. Februar 2006 IV R 27/05, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2006, 1270 und BFH- Urteil vom 18. April 2007 XI R 29/06, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 218, 65, Bundessteuerblatt – BStBl II 2007, 781, beide mit weiteren Nachweisen). Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis, weil er über keinen der oben genannten Berufsabschlüsse verfügt.

21Der Kläger übt keine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit aus.

22Nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, kann ein Diplom-Informatiker eine dem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ausüben. Das Studium der Informatik an einer (Fach-)Hochschule ist dem der traditionellen Ingenieurwissenschaften gleichwertig, auch wenn das Ingenieurstudium im Grundsatz allgemeiner sein kann (BFH-Urteil vom 28. Januar 1993 IV R 105/92, BFH/NV 1994, 613; BFH- Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80, BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677; BFH- Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87, BFHE 159, 171, BStBl II 1990, 337; BFH-Urteil vom 4. Mai 2004 XI R 9/03, BFHE 206, 233, BStBl II 2004, 989; BFH- Urteil vom 18. April 2007 XI R 29/06, BFHE 218 65, BStBl II 2007, 781). Die vorstehenden Grundsätze sind zur Überzeugung des Senates auf den Abschluss eines Diplom – Wirtschaftsinformatikers übertragbar.

23Nach der vorzitierten Rechtsprechung des BFH kann aber nur der eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausüben, der entweder über einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss als Diplom- Informatiker oder Diplom – Wirtschaftsinformatiker verfügt oder Kenntnisse nachweist, die in Tiefe und Breite mit dem Wissen eines Fachhochschul- oder Hochschulabsolventen der vorgenannten Studiengänge vergleichbar sind (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. August 2005 XI R 62/04, BFH/NV 2006, 505; BFH- Urteil vom 9. Februar 2006 IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270 und BFH- Urteil vom 18. April 2007 XI R 29/06, BFHE 218 65, BStBl II 2007, 781, jeweils mit weiteren Nachweisen).

24Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht.

25Er hat kein abgeschlossenes Studium. Er hat den Senat auch nicht davon überzeugen (vgl. § 96 FGO) können, dass er sich das Wissen eines Diplom-Informatikers/Diplom – Wirtschaftsinformatikers in vergleichbarer Breite und Tiefe auf andere Weise angeeignet hat.

26Der Senat hat ein Gutachten erstellen lassen. Darin haben die Sachverständigen ausgeführt, dass aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen nur auf das Vorhandensein eines Teils der erforderlichen theoretischen Kenntnisse geschlossen werden könne, ein erheblicher Teil (zwischen 42% und 75% je nach Vergleichsabschluss) aber als nicht nachgewiesen anzusehen sei. Sie haben dieses Ergebnis methodisch gut nachvollziehbar hergeleitet, indem sie die im Studium zum Diplom- Informatiker / Diplom – Wirtschaftsinformatiker und zum Ingenieur für Elektrotechnik zu absolvierenden Pflichtveranstaltungen aufgelistet und anschließend überprüft haben, ob und in welchem Umfang aus den vorgelegten Unterlagen des Klägers auf Kenntnisse geschlossen werden kann, die den in den einzelnen Veranstaltungen vermittelten Studieninhalten vergleichbar sind. Hierbei sind sie zu dem Ergebnis gelangt, dass für den Studiengang Wirtschaftsinformatik je nach dem, welcher der drei exemplarischen Studienverläufe ausgewählt wird, zwischen ca. 42 % bis ca. 57,5 % der im Studium vermittelten theoretischen Grundlagen durch die Unterlagen des Klägers nicht belegt sind. Für den Studiengang Diplom – Informatik sind sie zu dem Ergebnis gelangt, dass mindestens ca. 50 % der im Studium vermittelten theoretischen Grundlagen durch die Unterlagen des Klägers nicht belegt sind. Für den Studiengang Diplom – Elektrotechnik sind sie sogar zu dem Ergebnis gelangt, dass mindestens ca. 75 % der im Studium vermittelten theoretischen Grundlagen durch die Unterlagen des Klägers nicht belegt sind.

27Besonderer Bedeutung kommt aus Sicht des Senates in diesem Zusammenhang der Feststellung im Gutachten zu, dass aus den vorgelegten Unterlagen auf mathematisch – technische Grundkenntnisse nicht geschlossen werden könne. Solche Kenntnisse müssen aber, wie die Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23.10.2010 ergänzend erläutert haben, in allen vom Kläger genannten Studiengängen zumindest in einem mit “ausreichend“ zu bewertenden Umfang vorhanden sein, um die jeweiligen Berufsabschlüsse erreichen zu können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Einschätzung der Relevanz solchen Wissens seitens der Sachverständigen zutreffend ist, da sie als Fachhochschulprofessoren in den entsprechenden Studiengängen unterrichten und auch der Kläger dieser Einschätzung nicht entgegengetreten ist, sondern eine Wissensprüfung beantragt hat.

28Dem Einwand des Klägers im Schriftsatz vom 25.10.2010, das Gutachten sei teilweise nicht nachvollziehbar, teilweise unvollständig und teilweise unzutreffend, tritt das Gericht nicht bei. Dass das Gutachten nachvollziehbar und folgerichtig ist, wurde bereits ausgeführt (siehe oben). Die auf Antrag des Klägers durchgeführte Wissensprüfung hat die Feststellung der Sachverständigen, dass der Kläger die erforderlichen theoretischen Kenntnisse nicht darlegen und nachweisen kann, nicht widerlegt, sondern bestätigt.

29Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung

Finanzgericht Düsseldorf erweitert Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung

01. Februar 2013
Das Finanzgericht Düsseldorf (Az.: 15 K 318/12 E) widerspricht bei der Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen nach Begründung einer doppelten Haushaltsführungin den sogenannten „Wegverlegungsfällen“ der Auffassung der Finanzverwaltung. 

Der Kläger des Verfahrens wohnte und arbeitete zunächst mit Hauptwohnsitz in Düsseldorf. Nachdem er seine jetzige Frau kennenlernte, zog er in eine Kleinstadt am Niederrhein und verlegte dorthin seinen Hauptwohnsitz. Die Wohnung am Beschäftigungsort behielt er als Zweitwohnung bei. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger u.a. für die ersten drei Monate nach seinem Umzug Verpflegungsmehraufwendungen geltend. Das Finanzamt verweigerte den Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen, weil der Kläger bereits vor dem Umzug länger als drei Monate in Düsseldorf gewohnt und seinen Wohnsitz von dort „wegverlegt“ habe.

 

Mehraufwendungen für die Verpflegung können im Fall der Begründung einer doppelten Haushaltsführung in den ersten drei Monaten geltend gemacht werden (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1, 2, 5 und 6 EStG). Dem steht nach Ansicht des Finanzgerichts Düsseldorf nicht entgegen, dass ein Steuerpflichtiger vor der Begründung der doppelten Haushaltsführung bereits länger am Beschäftigungsort gewohnt hat. Die Ansicht der Finanzverwaltung (Richtlinie 9.11 Abs. 7 Satz 5 Lohnsteuerrichtlinien 2011), wonach die Dauer eines der doppelten Haushaltsführung vorausgegangenen Aufenthalts am Beschäftigungsort auf die Dreimonatsfrist anzurechnen sei, widerspreche dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Gesetzes. In den gesetzlichen Regelungen zum Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen habe der Gesetzgeber eine typisierende Regelung getroffen, dass generell bei Begründung einer Auswärtstätigkeit – also auch bei Begründung einer doppelten Haushaltsführung durch Wegverlegung des Hauptwohnsitzes vom Beschäftigungsort und Umwidmung der bisherigen Erstwohnung in einen Zweithaushalt – die Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen zu gewähren sind.

Der vollständige Entscheidungstext kann in neutralisierter Form abgerufen werden in der Rechtsprechungsdatenbank NRWE.

 

Finanzgericht Düsseldorf, 15 K 318/12 E

Datum:
09.01.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
15 K 318/12 E
Tenor:

Der Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 22.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 wird dergestalt geändert, dass weitere Werbungskosten in Höhe von EUR 1.272 berücksichtigt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

1Tatbestand

2Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger während der ersten drei Monate einer unstreitig vorliegenden doppelten Haushaltsführung Pauschalen für Verpflegungsmehraufwand zustehen.

3Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2008 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

4Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellter Z-Stadt. Er hatte bereits vor dem Streitjahr mehrere Jahre am Beschäftigungsort Z-Stadt in der Z-Straße gewohnt. Nach ihrer Eheschließung am 08.05.2008 begründeten die Kläger ihren Familienwohnsitz in der Y-Straße in Y-Stadt. Die Wohnung am Beschäftigungsort behielt der Kläger als Zweitwohnung bei.

5In der Einkommensteuererklärung 2008 machte er für den Zeitraum vom 09.06. (Tag der polizeilichen Meldung in Y-Stadt) bis zum 31.12.2008 Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Er begehrte insbesondere den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer Abwesenheit von 24 Stunden für 53 Tage i.H.v. EUR 1.272.

6Der Beklagte verweigerte insoweit den Werbungskostenabzug unter Hinweis auf die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Nr. 5 Sätze 5 und 6 des Einkommensteuergesetzes -EStG- (Einkommensteuerbescheid vom 27.01.2010). Mehraufwendungen für Verpflegung dürften zwar grundsätzlich für die ersten drei Monate nach Begründung einer doppelten Haushaltsführung berücksichtigt werden. Da der Kläger aber bereits vorher länger als drei Monate am Beschäftigungsort gewohnt habe, sei die Dreimonatsfrist zum Zeitpunkt der Begründung der doppelten Haushaltsführung bereits abgelaufen gewesen.

7Hiergegen wandten sich die Kläger mit dem Einspruch. Sie vertraten die Auffassung, die Regelung in R 9.11 Abs. 7 Satz 5 der Lohnsteuer-Richtlinien -LStR- widerspreche den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH- zu den sog. Wegverlegungsfällen. Danach liege eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung auch dann vor, wenn ein Arbeitnehmer nach der Eheschließung seinen Haupthausstand vom Beschäftigungsort wegverlege und seine Wohnung am Beschäftigungsort als Zweitwohnung beibehalte. Auch in diesen Fällen zähle der BFH den Verpflegungsmehraufwand zu den typischen Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung.

8Nachdem der Beklagte am 02.03.2010, 05.08.2011 und 22.12.2011 andere Streitpunkte betreffende Änderungsbescheide erlassen hatte, wies er den Einspruch der Kläger mit Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 als unbegründet zurück. Entstehe die doppelte Haushaltsführung durch die Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Beschäftigungsort unter Beibehaltung der Wohnung am Beschäftigungsort, könnten auch während der ersten drei Monate nach Begründung der doppelten Haushaltsführung keine Verpflegungsmehraufwendungen anerkannt werden. Denn der Zweck des Werbungskostenabzugs würde dadurch verfehlt. Durch die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen solle dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sich der Steuerpflichtige mit dem Einzug in eine neue Wohnung auf eine geänderte Verpflegungssituation einstellen müsse und ihm erfahrungsgemäß deshalb vorübergehend zusätzliche Kosten entstünden. Dies treffe jedoch nicht auf Steuerpflichtige zu, die bereits vor Begründung der doppelten Haushaltsführung am Beschäftigungsort gewohnt hätten. Die Dreimonatsfrist beginne nicht mit der Wegverlegung des Lebensmittelpunktes vom Beschäftigungsort, sondern mit dem Einzug in die Wohnung am Beschäftigungsort.

9Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und wiederholen ihre im Verwaltungsverfahren vertretene Rechtsauffassung. Ergänzend verweisen sie auf die Entscheidung des BFH vom 08.07.2010 VI R 15/09, -Bundessteuerblatt- BStBl II 2011, 47, gemäß der es für die Abziehbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen nicht darauf ankomme, ob dem Steuerpflichtigen die Verpflegungssituation am Beschäftigungsort bekannt gewesen sei.

10Die Kläger beantragen,

11den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 22.12.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2011 zu ändern und dem Beklagten aufzugeben, die Einkommensteuer um EUR 602 herabzusetzen sowie die Festsetzung des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer entsprechend anzupassen,

12hilfsweise, die Revision zuzulassen.

13Der Beklagte beantragt,

14die Klage abzuweisen,

15hilfsweise, die Revision zuzulassen.

16Er verweist auf die Begründung der Einspruchsentscheidung.

17Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

18Entscheidungsgründe

19Die Klage ist begründet.

20Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), denn der Beklagte hat zu Unrecht die von den Klägern geltend gemachten Mehraufwendungen für Verpflegung innerhalb der ersten drei Monate der doppelten Haushaltsführung i.H.v. EUR 1.272 nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

21Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG i. d. F. des Streitjahres 2008 grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig (sog. Dienstreise), so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen. Nach Satz 5 beschränkt sich bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte der pauschale Abzug auf die ersten drei Monate (sog. Dreimonatsfrist). Gemäß Satz 6 gelten die Abzugsbeschränkungen nach Satz 1, die Pauschbeträge nach Satz 2 sowie die Dreimonatsfrist nach Satz 5 auch für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer aus betrieblichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Nach § 9 Abs. 5 EStG sind die aufgeführten Regelungen bei der Ermittlung der Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit sinngemäß anzuwenden.

22§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 1. Hs. EStG legt der Höhe nach für die Abzugsfähigkeit der Mehraufwendungen für Verpflegung Pauschbeträge fest;wird der Steuerpflichtige vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten betrieblichen Tätigkeit entfernt betrieblich tätig, ist für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt

23a) 24 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 24,

24b) weniger als 24 Stunden, aber mindestens 14 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 12,

25c) weniger als 14 Stunden, aber mindestens 8 Stunden abwesend ist, ein Pauschbetrag von EUR 6

26abzuziehen.

27Dem Kläger standen danach für die ersten drei Monate seiner doppelten Haushaltsführung dem Grunde nach Mehraufwendungen für Verpflegung zu,und zwar in Höhe der geltend gemachten Pauschbeträge von EUR 1.272.

28Dass der Kläger im Streitjahr 2008 in Z-Stadt eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung hatte, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab.

29Die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG hat mit der Umwidmung der bisherigen Wohnung des Klägers in Z-Stadt in eine – neben der Ehewohnung in Y-Stadt bestehende – Zweitwohnung am 09.06.2008 zu laufen begonnen. Dem Kläger stehen daher für 53 Tage mit Abwesenheitszeiten von seiner Wohnung in Y-Stadt von 24 Stunden die geltend gemachten Pauschbeträge i.H.v. jeweils EUR 24 zu.

30Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger unmittelbar vor dem 09.06.2008 bereits mehrere Jahre in der Zweitwohnung in Z-Stadt gewohnt hatte. Denn die Dauer eines unmittelbar der Begründung des Zweithaushaltes am Beschäftigungsort vorausgegangenen Aufenthalts am Ort des Zweithaushalts ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf die Dreimonatsfrist anzurechnen.

31Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG. Die Regelung beschränkt den pauschalen Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte auf die ersten drei Monate der aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung. Begründet wird eine doppelte Haushaltsführung in der Regel mit Bezug der Zweitwohnung am Beschäftigungsort. Dies gilt jedoch nicht für die sog. Wegverlegungsfälle, in denen die doppelte Haushaltsführung dadurch entsteht, dass ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand vom Beschäftigungsort wegverlegt und darauf – durch Umwidmung seiner bisherigen Hauptwohnung – einen Zweithaushalt am Beschäftigungsort errichtet, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können. In diesen Fällen wird die doppelte Haushaltsführung mit der Umwidmung der bisherigen Hauptwohnung des Steuerpflichtigen in eine Zweitwohnung begründet (vgl. BFH-Urteil vom 05.03.2009 VI R 58/06, BStBl II 2009, 1012). Mit dem Zeitpunkt der Umwidmung beginnt die Dreimonatsfrist des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG zu laufen.

32Die Ansicht des Beklagten, die Dreimonatsfrist beginne in Wegverlegungsfällen mit dem – zum Teil weit vor der Begründung der doppelten Haushaltsführung liegenden – Bezug der Zweitwohnung am Beschäftigungsort, widerspricht dem Wortlaut des Gesetzes, denn die ersten drei Monate nach Bezug der Zweitwohnung sind gerade nicht mit den ersten drei Monaten der doppelten Haushaltsführung identisch. Der Inhalt der Richtlinie 9.11 Abs. 7 Satz 5 LStR, gemäß dem in Wegverlegungsfällen notwendige Verpflegungsmehraufwendungen nur vorliegen, wenn und soweit der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort vor Begründung des Zweithaushaltes nicht bereits drei Monate gewohnt habe und die Dauer eines unmittelbar der Begründung des Zweithaushaltes vorausgegangenen Aufenthalts an diesem Ort auf die Dreimonatsfrist anzurechnen sei, hat keinen Eingang ins Gesetz gefunden.

33Die Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nach dem Gesetzeszweck, wie er in den Gesetzesmaterialien niedergelegt ist, bestätigt das Ergebnis der Wortlautauslegung.

34Die Vorschrift ist durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I Seite 1250) umfassend neu gestaltet worden. Dabei verfolgte der Gesetzgeber erklärtermaßen das Ziel, allen Steuerpflichtigen mit Auswärtstätigkeiten die gleichen Pauschalen zuzumessen und dadurch zur steuerlichen Gleichbehandlung und zur Vereinfachung des Steuerrechts beizutragen. Zuvor bestehende Abgrenzungsprobleme zwischen Dienstreise, Einsatzwechseltätigkeit, Fahrtätigkeit und doppelter Haushaltsführung sollten beseitigt und allgemein die Berücksichtigung von Verpflegungsmehraufwendungen nach Ablauf eines Dreimonatszeitraums ausgeschlossen werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs in den Bundestagsdrucksachen -BT-Drucks.- 13/901, S. 129, und 13/1558, S. 143). Die Regelung der Dreimonatsfrist beruht auf der allgemeinen Unterstellung des Gesetzgebers, dass die Steuerpflichtigen nach der typisierten Übergangszeit regelmäßig eine Verpflegungssituation vorfinden, die keine beruflich veranlassten Mehraufwendungen mehr verursacht (BT-Drucks. 13/901, S. 129).

35Nach diesen Gesetzesmaterialien geht das Argument des Beklagten, die Berücksichtigung pauschalen Verpflegungsmehraufwands sei zu versagen, weil sich der Kläger nicht auf eine geänderte Verpflegungssituation habe einstellen und keine zusätzlichen Kosten habe tragen müssen, fehl. Denn der Gesetzgeber hat mit der Bestimmung in § 4 Abs. 5 Nr. Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG nicht nur – in verfassungsgemäßer Weise(BFH-Urteil vom 08.07.2010 VI R 10/08, BStBl II 2011, 32) – eine Typisierung dahin gehend vorgenommen, dassnach Ablauf der Dreimonatsfrist ein weiterer Abzug von Verpflegungsmehraufwand ausscheiden soll, da nach dieser Frist dem Steuerpflichtigen typischerweise kein Mehraufwand dieser Art mehr entstehe, weil er die Verpflegungssituation kenne, die Höhe der Kosten beeinflussen und damit einen „Mehr“-Aufwand minimieren oder sogar vermeiden könne. Er hat vielmehr zugleich zum Ausdruck gebracht, dass generell bei Begründung einer jeden Auswärtstätigkeit – also auch bei Begründung einer doppelten Haushaltsführung durch Wegverlegung des Haupthausstandes vom Beschäftigungsort und Umwidmung der bisherigen Hauptwohnung in einen Zweithaushalt – typisierend die Pauschbeträge je nach konkreter Abwesenheitszeitzu gewähren sind, ohne dass insoweit auf die jeweilige konkrete Verpflegungssituation des einzelnen Steuerpflichtigen abzustellen wäre. Eine Prüfung, ob im Einzelfall tatsächlich Verpflegungsmehraufwendungen entstanden sind, soll gerade nicht stattfinden. Dass von dem Abzug der Pauschbeträge damit ausnahmsweise auch Steuerpflichtige profitieren, denen die Verpflegungssituation am Zweitwohnort bei Begründung der doppelten Haushaltsführung bereits bekannt war, hat der Gesetzgeber zugunsten der steuerlichen Gleichbehandlung aller Auswärtstätigkeiten und der Vereinfachung des Steuerrechts in Kauf genommen. Denn eine den Abzug von Verpflegungsmehraufwand ausnahmsweise einschränkende Regelung wie in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 6 EStG a. E., gemäß der die Dauer einer Dienstreise an den Beschäftigungsort auf die Dreimonatsfrist anzurechnen ist, wenn die Dienstreise der doppelten Haushaltsführung unmittelbar vorausgegangen ist, hat er für die Wegverlegungsfälle nicht getroffen.

36Von den vorgenannten Erwägungen hat sich auch der BFH in einem Fall leiten lassen, in dem ein Steuerpflichtiger, der nach Beendigung einer doppelten Haushaltsführung erneut eine doppelte Haushaltsführung am früheren Beschäftigungsort in der früheren Zweitwohnung begründet hatte, Verpflegungsmehraufwendungen geltend machte. Der BFH ließ den wiederholten Abzug der Pauschbeträge mit der Begründung zu, dass es für den Abzug von Verpflegungsmehraufwendungen nicht darauf ankomme, ob dem Kläger die Verpflegungssituation am Beschäftigungsort bekannt gewesen sei; der Abzug von Mehraufwendungen für Verpflegung während der Dreimonatsfrist sei generell von der konkreten Verpflegungssituation unabhängig (BFH-Urteil vom 08.07.2010 VI R 15/09, BStBl II 2011, 47 mit Verweis auf BFH-Urteil vom 16.11.2005 VI R 12/04, BStBl II 2006, 267; so auch Zimmer in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 9 Rn. 1100). Diese Überlegungen, denen sich der Senat anschließt, sind auf Wegverlegungsfälle uneingeschränkt übertragbar. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung des Beklagten steht dem nicht entgegen, dass in dem vom BFH (Urteil vom 08.07.2010 VI R 15/09, a. a. O.) entschiedenen Fall der Beendigung und Neubegründung einer doppelten Haushaltsführung die Zweitwohnung einige Monate (zehn) ungenutzt geblieben war. Denn dies ändert nichts an der mit den Wegverlegungssachverhalten vergleichbaren Situation, dass dem Steuerpflichtigen die Verpflegungssituation am Zweitwohnort bei der erneuten Begründung der doppelten Haushaltsführung bestens bekannt war.

37Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

38Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§151 Abs.3, 155 FGO i.V.m. §§708 Nr.10, 711 der Zivilprozessordnung.

39Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

Steuerliche Behandlung von „Expatriates“

Finanzgericht Düsseldorf entscheidet über steuerliche Behandlung von „Expatriates“

13. Februar 2013
Mit Urteil vom 14.01.2013 hat das Finanzgericht Düsseldorf (Az.: 11 K 3180/11 E) über Einzelfragen der steuerlichen Behandlung von längerfristig in das Ausland entsandten Arbeitnehmern („Expatriates“) entschieden.Ein in einem inländischen Konzern beschäftigter Arbeitnehmer war zunächst für drei Jahre, später für insgesamt sechs Jahre im Ausland für eine dort ansässige Tochtergesellschaft tätig. Sein Gehalt bezog er von der ausländischen Tochtergesellschaft und zum Teil auch unter Anrechnung des ausländischen Gehalts von der inländischen Muttergesellschaft. Der Arbeitnehmer zog mitsamt seiner Familie für den Entsendungszeitraum ins Ausland, behielt im Inland aber die bisherige Wohnung bei. Es kam mit dem Finanzamt zum Streit darüber, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer die Mietaufwendungen für die ausländische Wohnung und die Aufwendungen für die arbeitstäglichen Fahrten zwischen der Wohnung und der Tätigkeitsstätte im Ausland steuerlich absetzen kann.

Das Finanzgericht hielt die Mietaufwendungen im Ausland für steuerlich nicht berücksichtigungsfähig. Da der Arbeitnehmer mitsamt der Familie ins Ausland verzogen sei, liege weder eine Auswärtstätigkeit noch eine doppelte Haushaltsführung vor. Der Lebensmittelpunkt des Arbeitnehmers habe am Beschäftigungsort gelegen. Aus diesem Grund könnten auch die im Ausland durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur nach den Grundsätzen der sogenannten Entfernungspauschale mit 0,30 € je Entfernungskilometer steuerlich geltend gemacht werden. Die Anwendung der Dienstreisepauschale von 0,30 € je gefahrenen Kilometer sei nicht möglich.

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Änderung des Steuerrechts muss im Vermittlungsausschuss nachverhandelt werden

Bundesrat, Pressemitteilung vom 22.03.2013

Der Bundesrat hat das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, das unter anderem Rechtsänderungen zur Anpassung des Steuerrechts enthält, in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Die Länder bemängeln, dass in dem Gesetz wichtige Regelungen zur Verhinderung von ungewollten Steuergestaltungen fehlen, zum Beispiel im Zusammenhang mit hybriden Finanzierungen und den so genannten Cash-GmbHs bei der Erbschaftsteuer. Im Ergebnis sei das Gesetz daher so zu fassen, wie es der Vermittlungsausschuss – ohne die Vorschläge zur steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften – bereits am 12. Dezember 2012 vorgeschlagen hatte.

Das Gesetz enthält zahlreiche Rechtsänderungen, die das deutsche Steuerrecht insbesondere an Recht und Rechtsprechung der Europäischen Union anpassen sollen. Weitere Maßnahmen dienen der Sicherung des Steueraufkommens oder der Funktionsfähigkeit des Besteuerungsverfahrens. Es handelt sich um eine „abgespeckte“ Version des Jahressteuergesetzes 2013, dem der Bundesrat am 1. Februar des Jahres die erforderliche Zustimmung verweigerte. Zuvor hatte der Bundestag den vom Vermittlungsausschuss vorgelegten Einigungsvorschlag abgelehnt.

Das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) finden Sie auf den Seiten des Bundesrats.

Quelle: Bundesrat

Umsatzsteuergesetz: Zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs; kein Vorsteuerabzug bei Scheinrechnungen und bei Scheingeschäften

Umsatzsteuer: Zu den formellen Voraussetzungen für eine Rechnung gemäß § 14 Abs. 4 UStG gehören insbesondere Angaben zu Umfang und Art der Leistung, die eine leichte und eindeutige Identifizierung der Leistung ermöglichen. Kein Vorsteuerabzug ist möglich, wenn für den geltend gemachten Vorsteuerabzug Scheinrechnungen zugrunde liegen, Eilbe-schluss des 2. Senats vom 20.11.2012, 2 V 264/12, rechtskräftig.

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 V 264/12
Beschluss des Senats vom 20.11.2012
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: UStG § 14, UStG § 15
Leitsatz: Ein Unternehmer kann die gesetzlich geschuldete Steuer für eine sonstige Leistung nur dann als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG abziehen, wenn die formellen Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllt sind und die Rechnungen insbesondere Angaben zu Umfang und Art der Leistung enthalten, die eine leichte und eindeutige Identifizierung der Leistung ermöglichen. Auch ist die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nur dann als Vorsteuer abziehbar, wenn das andere Unternehmen tatsächlich eine Leistung für sein Unternehmen erbracht hat. Ein Vorsteuerabzug bleibt versagt, wenn für den geltend gemachten Vorsteuerabzug Scheinrechnungen zugrunde liegen.
Überschrift: Umsatzsteuergesetz: Zu den Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs; kein Vorsteuerabzug bei Scheinrechnungen und bei Scheingeschäften
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist eine 2009 gegründete GmbH, deren Unternehmensgegenstand sich auf das Be- und Entladen von Containern sowie Lagerarbeiten aller Art erstreckt. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist A.
In dem Streitzeitraum 2010 und Januar bis Juli 2011 führte die Antragstellerin u. a. auch Kommissionierungsarbeiten und Qualitätskontrollen für den Fruchthandel durch. Die Antragstellerin beschäftigte für die übernommenen Aufträge keine eigenen Mitarbeiter, sondern bediente sich der Hilfe von Subunternehmern.
Gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin wurde in diesem Zusammenhang ein Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung eingeleitet.
Für den Streitzeitraum führte der Antragsgegner bei der Antragstellerin eine Umsatzsteuersonderprüfung durch. Auf Grund der Prüfungsergebnisse erkannte der Antragsgegner u. a. einen Vorsteuerabzug aus Rechnungen der B GmbH (im Folgenden B), der C GmbH (im Folgenden C), der D GmbH (im Folgenden D), der E GmbH (im Folgenden E) und des Einzelunternehmers F nicht an. Auf die zu diesen Unternehmen eingereichten Unterlagen und geschlossenen Verträge sowie den Betriebsprüfungsbericht wird für weitere Einzelheiten Bezug genommen.
Mit geändertem Umsatzsteuerbescheid für 2010 vom 23.08.2012 setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer für 2010 auf 72.686,91 € fest. Ebenfalls änderte er am 23.08.2012 die Vorauszahlungsbescheide für Januar bis Juli 2011 und setzte die USt-Vorauszahlung für Januar 2011 auf 11.976,63 €, für Februar 2011 auf 4.298,11 €, für März 2011 auf 3.453,44 €, für April 2011 auf 3.362,79 €, für Mai 2011 auf 11.859,50 €, für Juni 2011 auf 13.529,31 € und für Juli 2011 auf 13.054,66 € fest.
Gegen diese Bescheide legte die Antragstellerin am 30.08.2012 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 30.08.2012 ab. Über den dagegen am 12.09.2012 eingelegten Einspruch hat der Antragsgegner bisher ebenso wenig entschieden wie über den Einspruch vom 30.08.2012.
Am 01.10.2012 beantragte die Antragstellerin bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Zur Begründung führt sie aus, dass sie sich nicht mit dem Ziel der Steuerverkürzung an so genannten Dienstleistungsketten beteiligt habe. Sie habe sich vielmehr stets von der Unternehmereigenschaft der von ihr beauftragten Subunternehmer vergewissert. So habe sie sich auch bei den hier betroffenen Subunternehmern nach einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung erkundigt, die Gewerbeerlaubnis sowie weitere Unterlagen angefordert, bevor sie dann den Auftrag zur Durchführung der Arbeiten erteilt habe. Die Arbeiten seien – wie auch der Antragsgegner wohl einräume – tatsächlich erbracht und die Rechnungen der Subunternehmer in bar oder durch Überweisung bezahlt worden. Zudem sei ein Schaden nicht eingetreten, denn ihres Wissens seien die betroffenen Unternehmen ihren steuerlichen Pflichten nachgekommen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2010 und der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide Januar 2011 bis Juli 2011 auszusetzen, soweit darin ein Vorsteuerabzug aus den Rechnungen B GmbH, der C GmbH, der D GmbH, der E GmbH und des F nicht berücksichtigt worden ist.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht ernstlich zweifelhaft sei. Es seien bereits die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht gegeben. Die Leistungsbeschreibung mit „Qualitätskontrolle“ und einer Auflistung von Containernummern sei nicht ausreichend, insbesondere wenn sich die Vergütung für die entladenden Container nach deren Größe, der Anzahl der enthaltenen Collies und Sorten richte. Auch eine Leistungsbeschreibung „Container Be- und Entladen“, „Lagereinheiten“ oder „Lagerarbeiten“ sei nicht ausreichend konkret. Die Rechnungen der E enthielten jeweils auf der zweiten Seite einen unzutreffenden Briefkopf. Bei vielen Rechnungen sei ein Leistungsort nicht angegeben, so dass nicht erkennbar sei, bei welchem Endkunden die Leistungen durchgeführt worden seien. Insoweit nimmt der Antragsgegner auf den Betriebsprüfungsbericht Bezug.
Darüber hinaus ergäben sich aus den eingereichten Vermerken der Steuerfahndung, dass es sich bei den genannten Firmen um solche handle, die Schein- bzw. Abdeckrechnungen zur Verfügung stellten.
Dem Gericht haben drei Bände Bp-Arbeitsakten, die Rechtsbehelfsakte und die Umsatzsteuerakte zu der Steuer Nr. …/…/… vorgelegen.
II.
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ist zulässig. Der Antrag nach § 69 Abs. 3 und 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) setzt nicht die Durchführung eines Vorverfahrens voraus, so dass es für die Zulässigkeit nicht darauf ankommt, dass der Antragsgegner über den Einspruch gegen die ablehnende Entscheidung vom 30.08.2012 nicht entschieden hat.
Der Antrag hat jedoch keinen Erfolg.
Nach § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Danach soll seitens des Gerichts eine Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Solche sind gegeben, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen und/oder Unklarheiten in der Beurteilung einer Tatfrage bewirken (st. Rspr., vgl. BFH, Beschluss vom 03.02.2005 – I B 208/04, BStBl II 2005, 351; Beschluss vom 03.02.1993 – I B 90/92, BStBl II 1993, 426). Die Entscheidung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage sowie aufgrund von präsenten Beweismitteln (§ 155 FGO i. V. m. § 294 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO) ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht (BFH-Beschluss vom 20.03.2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809 m. w. N.).
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Der Antraggegner hat zu Recht einen Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen versagt.
1. Die streitigen Rechnungen erfüllen ganz überwiegend bereits nicht die formellen gesetzlichen Voraussetzungen für einen Abzug der Vorsteuer.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.02.2005 kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14 a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG muss eine Rechnung u. a. die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung enthalten. Diese Anforderungen stehen im Einklang mit den Regelungen der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 (Mehrwertsteuersystemrichtlinie – vgl. BFH-Urteil vom 02.09.2010, V R 55/09, BStBl II 2011, 235 zur Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG). Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend, besteht für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH dient das Abrechnungspapier (Rechnung oder Gutschrift) für den Vorsteuerabzug als Belegnachweis. Deshalb müssen die Abrechnungspapiere Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Die den Leistungsgegenstand betreffenden Angaben müssen eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung, über die abgerechnet worden ist, ermöglichen, denn aus der Funktion des Abrechnungspapiers als Belegnachweis folgt, dass der Aufwand zur Identifizierung der Leistung begrenzt sein muss. Es ist jedoch zulässig, zur Identifizierung der abgerechneten Leistungen über die im Abrechnungspapier enthaltenen Angaben tatsächlicher Art hinaus weitere Erkenntnismittel heranzuziehen. Sofern auf andere Erkenntnismittel verwiesen wird, ist es erforderlich, dass die in Bezug genommenen Unterlagen in der Rechnung eindeutig bezeichnet werden (BFH, Urteil vom 10.11.1994 – V R 45/93, BStBl II 1995, 395; Urteil vom 21.01.1993 – V R 30/88, BStBl II 1993, 385; Urteil vom 24.09.1987 – V R 50/85, BStBl II 1988, 688, 691f.; Beschluss vom 29.11.2002 – V B 119/02, BFH/NV 2003, 518; Beschluss vom 14.10.2002 – V B 9/02, BFH/NV 2003, 213;. Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 16.09.2005 – 6 V 2616/05, juris).
a) Rechnungen der B
Den Anforderungen an eine eindeutige und leicht nachprüfbare Leistungsbeschreibung werden die Rechnungen der B vom 06.04.2010, 17.05.2010 (Nr. …/05/2010), 17.05.2010 (Nr. …/05/2010), 30.05.2010 und 30.06.2010 nicht gerecht. Soweit die Rechnungen vom 06.04.2010 und 30.05.2010 lediglich die Angabe „Qualitätskontrollen“ enthalten, ist diese Bezeichnung so allgemein, dass eine mehrfache Abrechnung derselben Leistung nicht kontrolliert werden könnte. Auch wird durch weitere Angaben keine Konkretisierung der abgerechneten Leistung vorgenommen, denn weder die Angabe der Firma „…, Hbg“, nach dem Vortrag der Antragstellerin einer der Hauptauftraggeber, noch das unter der „Art.-Nr.“ aufgeführte Datum oder die Menge, ohne Angabe der Mengeneinheit, ermöglichen eine eindeutige Zuordnung der abgerechneten Leistung.
Die Rechnungen vom 17.05.2010 bezeichnen unter „Bauvorhaben“ offenbar einen Auftraggeber der Antragstellerin (G bzw. H), unter der Rechnungsposition „Bezeichnung“ werden offenbar Containernummern angegeben, ohne dass dies eindeutig festgestellt werden kann. Soweit keine solche Kombination aus Buchstaben und Zahlen angegeben ist, wird die Leistung mit „Paletten kommissioniert“, „Paletten umpacken“ oder „Entladen von Wechselbrücken und Verteilung der Waren und Halle A + B“ angegeben. Auch diese Leistungsbeschreibung lässt eine leichte und eindeutige Kontrolle der abgerechneten Leistung nicht zu, denn bei einer Mehrheit der abgerechneten Positionen ist die Art der erbrachten Leistung nicht im Ansatz bezeichnet. Auch der mit der B geschlossene Rahmenvertrag kann nicht zur Konkretisierung herangezogen werden, denn nach § 1 Abs. 1 des Vertrages könnten unterschiedliche Leistungen (entladen, beladen, kommissionieren, allgemeine lagermäßige Arbeiten) mit den Einzelrechnungen abgerechnet worden sein. Im Übrigen ist in den Rechnungen kein Bezug auf die Regelung des Rahmenvertrags genommen worden.
Die Rechnung vom 30.06.2010 nimmt nur scheinbar eine konkretere Leistungsbeschreibung vor, in dem die Art der Leistung mit „Entladen und Verteilung der Waren in Halle D“ abgerechnet wird. Die Angaben der Rechnung sind jedoch in sich nicht stimmig, denn die Art der Waren wird mit „Brücken“ bezeichnet, die Mengenangabe weist jedoch drei Stellen hinter dem Komma aus. Zudem passt auch der Stückpreis von 35 € nicht zu der Einheit „Brücken“, so dass aus diesem Grunde nicht von einer ausreichend eindeutigen Leistungsbeschreibung ausgegangen werden kann.
Die weiteren Rechnungen vom 28.03.2010, 14.03.2010 und 10.04.2010 nehmen mit der Bezeichnung der erbrachten Arbeit und mit der Bezeichnung der (be- oder entladenen oder kommissionierten) Container eine Leistungsbeschreibung vor, die gerade noch eine Kontrolle der erbrachten Leistung ermöglichen könnte. Im Ergebnis kann dies jedoch dahinstehen, denn auch aus anderen Gründen ist der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen zu versagen (hierzu unter 2.).
b) Rechnungen der C
Die hier streitigen Rechnungen der C enthalten bis auf die Rechnung vom 09.07.2010 keine den formellen Anforderungen genügende Leistungsbeschreibung. Art und Umfang der Leistung wird in ganz allgemein gehaltenen Bezeichnungen wie „40′ Entladen von Waren“, „Lagereinheiten“ oder „Container be- und entladen + kommissionieren“ umschrieben, die eine Kontrolle im Hinblick auf Mehrfachabrechnungen nicht ermöglicht. Eine Konkretisierung erfolgt auch nicht dadurch, dass in Einzelfällen ein Firmenname in der Rechnung angegeben ist, denn auch dadurch kann eine eindeutige Bestimmung der abgerechneten Leistung nicht erfolgen.
Soweit die Rechnung vom 09.07.2010 Containernummern ausweist und es an anderer Stelle (unter Ort der Ausführung) heißt „Container Be- und Entladen“, kann es dahin stehen, ob darin eine ausreichende Leistungsbeschreibung zu sehen ist, denn der Vorsteuerabzug ist aus anderen Gründen zu versagen (hierzu unter 2.).
c) Rechnungen der D
Soweit die Rechnungen der D als Leistungsbeschreibung lediglich Angaben wie „Lagerarbeiten“ oder „Lagerarbeiten, Qualitätskontrolle“ enthalten, genügt dies nicht den formellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG. Eine Konkretisierung der Art der Leistung erfolgt auch nicht in einem ausreichenden Maße durch Angabe einer Stundenanzahl und einem Preis pro Stunde, denn auch dadurch wird eine Kontrolle im Hinblick auf Mehrfachabrechnungen nicht möglich. Nachweise über die abgerechneten Arbeitsstunden sind den Rechnungen nicht beigefügt und auch der Betriebsprüfung nicht vorgelegt worden.
Soweit die übrigen Rechnungen neben der Bezeichnung der Leistung mit „Container Be- und Entladen“ die einzelnen Container mit Nummern bezeichnen, kann es auch hier offen bleiben, ob die Rechnungen den gesetzlichen Anforderungen genügen, denn der Vorsteuerabzug ist auf Grund eines fehlenden Leistungsaustauschs zu versagen (hierzu unter 2.).
d) Rechnungen der E
Ebenfalls enthalten die Rechnungen der E zu einem großen Teil keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Leistungsbeschreibung. Art und Umfang der Leistung werden in allgemeiner Form mit „Qualitätskontrollen“, „Containerentladung“, „Umpackarbeiten“, „Grobreinigung“, „Treppenhausreinigung“ oder mit „40′ Entladen von Waren“ bezeichnet, ohne dass darüber hinaus eine Konkretisierung erfolgt, die eine Kontrolle im Hinblick auf Mehrfachabrechnungen ermöglicht. Soweit in Rechnungen unter der Bezeichnung der Leistung Auftragsnummern aufgeführt werden, ergibt sich auch daraus nicht eine Konkretisierung der Art der Leistung, denn die Aufträge sind den Rechnungen nicht als Anlage beigefügt. Im Übrigen wurde von der Betriebsprüfung festgestellt, dass die Antragstellerin über keinerlei schriftlichen Unterlagen über Auftragsvergaben oder weiteren Schriftverkehr mit ihren Subunternehmern verfügte. Insoweit hat die Antragstellerin selbst darauf hingewiesen, dass sie alles telefonisch erledigen würde.
Soweit in einigen Rechnungen neben der Leistungsbeschreibung „Be- und Entladen“ durch Angabe von Containernummern eine gewisse Konkretisierung ermöglicht wird, kann es offen bleiben, ob sie den gesetzlichen Anforderungen genügen, denn der Vorsteuerabzug ist auch aus anderen Gründen zu versagen (hierzu unter 2.).
Darüber hinaus enthalten die Rechnungen aus Dezember 2010 nicht die Steuernummer des leistenden Unternehmers oder dessen USt-ID-Nummer, so dass auch insoweit die notwendigen Angaben der Rechnung nach § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG nicht vorliegen.
e) Rechnungen des F
Sämtliche Rechnungen des F erfüllen nicht die Anforderungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG. Die Rechnungen bezeichnen die Art der Leistung nur ganz allgemein mit „Qualitätskontrollen“. Daneben wird die Menge in Collies angegebenen sowie ein Datum. Aber auch diese weiteren Angaben führen nicht zu einer Konkretisierung der Leistungsbeschreibung, die eine leichte und eindeutige Kontrolle im Hinblick auf Mehrfachabrechnungen ermöglicht würde. Vielmehr bleibt die Bezeichnung der abgerechneten Leistung insgesamt derart im Allgemeinen, dass eine Nachprüfung, ob die Leistung überhaupt erbracht worden ist und ob sie schon einmal abgerechnet wurde, nicht ermöglicht wird.
Der Vorsteuerabzug aus diesen Rechnungen ist demnach schon aus formellen Gründen zu versagen.
2. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für eine sonstige Leistung nur dann als Vorsteuer abziehen, wenn das andere Unternehmen auch tatsächlich eine Leistung für sein Unternehmen erbracht hat. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin nicht darlegen können, dass den Rechnungen auch tatsächlich ein Leistungsaustausch zugrunde gelegen hat. Die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung dargelegten Hinweise, dass den geltend gemachten Vorsteuerabzug Scheinrechnungen zugrunde liegen, hat die Antragstellerin nicht widerlegen können. Sie trägt jedoch für den geltend gemachten Vorsteuerabzug die Darlegungslast.
Alle Subunternehmer der Antragstellerin, aus deren Rechnungen der Antragsgegner einen Vorsteuerabzug abgelehnt hat, beschäftigten nach den Feststellungen der USt-Sonderprüfung (vgl. Tz. 5 bis 9 des USt-Sonderprüfungsberichts vom 03.08.2012) keine eigenen Mitarbeiter, die die abgerechneten Leistungen hätten erbringen können. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin konnten die Subunternehmer ihre Arbeitsleistung nicht ohne weiteres durch weitere Subunternehmer erbringen, denn dazu hätten sie der schriftlichen Zustimmung ihrer Auftraggeberin bedurft. Die Antragstellerin hat mit den betroffenen Subunternehmern B, C, E und F jeweils inhaltlich gleich lautende Rahmenvereinbarungen geschlossen, in denen u. a. vereinbart worden war, dass der Auftragnehmer nur mit schriftlicher Zustimmung des Auftragsgebers Subunternehmer einschalten darf (vgl. § 7 Abs. 2 des Rahmenvertrags). Solche schriftlichen Zustimmungen gibt es jedoch nicht. Vielmehr gibt es nach den – unbestrittenen – Feststellungen der Betriebsprüfung überhaupt keine schriftlichen Unterlagen über Geschäftskontakte, insbesondere keine schriftlichen Aufträge, Unterlagen im Zusammenhang mit der Abwicklung der übernommenen Aufträge, wie z. B. Arbeitsnachweise oder Entladeberichte, oder sonstigen Schriftverkehr, so dass es neben dem Rahmenvertrag und den Rechnungen keine Hinweise auf ein Auftragsverhältnis gibt.
Entgegen der Vereinbarung im Rahmenvertrag hat die Antragstellerin sich nicht regelmäßig vor einer Auftragserteilung Unterlagen über die Existenz und Zuverlässigkeit der Subunternehmer vorlegen lassen, wie die Gewerbeanmeldung, den Handelsregisterauszug, Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Krankenkasse und der Berufsgenossenschaft, eine Steuerbescheinigung u. a. m. (vgl. § 12 Abs. 2 des Rahmenvertrags). Entsprechende Unterlagen, soweit sie der Antragstellerin vorgelegt wurden, wurden häufig erst nach einer Auftragserteilung und Abrechnung von Leistungen vorgelegt, teilweise erst, nachdem die Geschäftsbeziehungen bereits wieder beendet waren.
Auffällig ist des Weiteren, dass die Subunternehmer nacheinander der Antragstellerin immer nur für wenige Monate sonstige Leistungen in Rechnung stellten. Ein Subunternehmer löste den vorherigen vollständig ab, wobei es nur geringfügige zeitliche Überschneidungen gab. Auch zu einem späteren Zeitpunkt trat ein Subunternehmer nicht wieder als Vertragspartner auf, wie es sonst im Geschäftsverkehr durchaus üblich ist.
Aus den vorgelegten Unterlagen betreffend die Subunternehmer, den Rechnungen und der Art der vorgetragenen Bezahlung ergeben sich weitere Ungereimtheiten, die den Eindruck verstärken, dass die hier betroffenen Subunternehmer der Antragstellerin gegenüber keine Leistungen erbracht haben.
So hat die B der Antragstellerin bereits seit Februar 2010 Leistungen in Rechnung gestellt, obwohl die GmbH erst durch Gesellschaftsvertrag vom 12.03.2010 gegründet wurde und eine Gewerbeanmeldung erst im April 2010 erfolgte. Die Rechnungen enthielten bereits im Februar 2010 den Ausweis der Handelsregisternummer und die Angabe der USt-ID-Nummer, obwohl das Unternehmen erst im Mai 2010 ins Handelsregister eingetragen wurde und das Bundeszentralamt für Steuern der B erst mit Bescheid vom … 06.2010 eine USt-ID-Nummer mitgeteilt hatte. Die Rechnungen müssen demnach rückdatiert worden sein. Ein Grund hierfür ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Der Scheincharakter der Rechnungen wird darüber hinaus auch daran deutlich, dass die Rechnungen ausweislich der vorgelegten Quittungen angeblich alle am Tag der
Rechnungserstellung in bar bezahlt worden sein sollen, was angesichts der Rückdatierung schon nicht möglich ist. Vor diesem Hintergrund fallen weitere Ungereimtheiten, wie fehlender Abzug des eingeräumten Skontos, kaum mehr ins Gewicht.
Bei der E hat die Antragstellerin sich entgegen der Vereinbarung im Rahmenvertrag Unterlagen nach § 12 Abs. 2 nicht vorlegen lassen. Für den Scheinrechnungscharakter dieser Rechnungen spricht des Weiteren, dass zum Teil nur die erste Seite der Rechnung die E als Rechnungsausteller aufführt, während auf den weiteren Seiten der Rechnung eine „E GmbH“ als Rechnungsaussteller aufgeführt ist. Einem tatsächlich am Markt auftretenden Unternehmen würde kaum der Fehler unterlaufen, dass unter einer unzutreffenden Firma Teile der Rechnung erstellt werden, zumal es sich dabei nicht um versehentliche Ausdrucke auf falschem Briefpapier handelt. Bei der E GmbH handelte es sich nach Ermittlungen der Steuerfahndung um ein Scheinunternehmen.
Die Rechnungen der D sollen ausweislich der vorgelegten Quittungen alle in bar bezahlt worden sein. Die Bar-Bezahlung von Rechnungen bei Beträgen im vier- und fünfstelligen Bereich ist jedoch unüblich und bedürfte zumindest einer Begründung. Gründe für dieses ungewöhnliche Geschäftsverhalten sind jedoch weder ersichtlich noch vorgetragen, so dass die Vermutung naheliegt, dass tatsächlich eine Bezahlung nicht erfolgt ist.
Die Antragstellerin hat die von der USt-Sonderprüfung im Prüfungsbericht bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten nicht wiederlegen oder erklären können. Es sind keine ergänzenden Nachweise vorgelegt worden, dass die genannten Subunternehmen tatsächlich gegenüber der Antragstellerin Leistungen erbracht haben. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass möglicherweise auch der Antragsgegner davon ausgeht, dass die Antragstellerin ihrerseits die Leistungen gegenüber ihren Auftraggebern erbracht hat. Die Antragstellerin kann ihre Aufträge auch in anderer Weise erfüllt haben. Die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin, dass ihm die Unternehmen namentlich bekannt seien und er alle Rechnungen bezahlt habe, ist so allgemein, dass sie nicht geeignet ist, die konkreten Anhaltspunkte auf das Vorliegen von Scheinrechnungen zu widerlegen.
Nach allem bestehen nach der in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen und nur möglichen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung eines Vorsteuerabzugs aus den streitgegenständlichen Rechnungen.
3. Die Antragstellerin hat nach § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beschwerde ist nach § 128 Abs. 3, § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

Umsatzsteuer: Umsatzsteuerpflicht der Visabeschaffung durch Reiseveranstalter

Umsatzsteuer: Unabhängig davon, ob die Visabeschaffung durch einen Veranstalter von Russlandreisen als unselbständige Nebenleistung oder als eigenständige Leistung zu beur-teilen ist, ist das dafür erzielte Entgelt ohne die darin enthaltene Visumsgebühr der Umsatzsteuer zu unterwerfen, Urteil des 1. Senats vom 6.11.2012, 1 K 52/10, rechtskräftig.

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 1 K 52/10
Urteil des Senats vom 06.11.2012
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: UStG § 25, UStG § 3 Abs. 9, UStG § 3a Abs. 1, UStG § 10
Leitsatz: Unabhängig davon, ob die Visabeschaffung durch einen Veranstalter von Russlandreisen als unselbständige Nebenleistung oder als eigenständige Leistung zu beurteilen ist, ist das dafür erzielte Entgelt ohne die darin enthaltene Visumsgebühr der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Überschrift: Umsatzsteuer: Umsatzsteuerpflicht der Visabeschaffung durch Reiseveranstalter
Tatbestand:
Streitig ist, ob und in welcher Höhe Umsatzsteuer für die Beschaffung von Visa durch die Klägerin zu entrichten ist.
Die Klägerin veranstaltet Reisen insbesondere in baltische Staaten und nach Russland. In diesem Zusammenhang bietet sie ihren Kunden auch die Beschaffung der erforderlichen Visa für Russlandreisen an. 99 % ihrer Kunden nehmen diese Leistung der Klägerin in Anspruch. Die Klägerin beschafft die Visa beim russischen Konsulat in A und berechnet ihren Kunden hierfür ein die Visagebühren jeweils um 20 € übersteigendes Entgelt.
Die Klägerin versteuerte in den Streitjahren die von ihr erbrachten Reiseleistungen gemäß § 25 UStG. Sie behandelte dabei ihre Leistung als steuerfrei, soweit die ihr zuzurechnenden Reisevorleistungen im Drittlandgebiet (insbesondere Russland) bewirkt wurden (§ 25 Abs. 2 UStG). Die Entgelte für die Visabeschaffung behandelte die Klägerin als ebenfalls gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfreien Teil der Reiseleistung.
Nach einer für die Jahre 2004 bis 2006 durchgeführten Betriebsprüfung (Betriebsprüfungsbericht vom … 2008) gelangte der Beklagte zu der Auffassung, die von der Klägerin erzielten Entgelte für die Visabeschaffung seien als Entgelte für selbstständige Leistungen umsatzsteuerpflichtig. Unter Einbeziehung des gesamten Entgeltes für Visabeschaffung einschließlich der beim Konsulat zu entrichtenden Visagebühren errechnete der Beklagte insoweit eine zusätzliche Umsatzsteuer für 2004 in Höhe von 8.532,24 €, für 2005 in Höhe von 9.428,10 € und für 2006 in Höhe von 6.048,05 €. Auf dieser Grundlage ergingen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderte Bescheide vom 13.10.2008 über die Umsatzsteuer für 2004 bis 2006. Der hiergegen von der Klägerin am … 2008 eingelegte Einspruch blieb gemäß Einspruchsentscheidung vom … 2010 erfolglos.
Die Klägerin trägt vor, zu der von ihr zu erbringenden Visabeschaffung gehöre auch die erforderliche Einholung der Visumsbetätigungen/Visareferenzen von den hierfür lizenzierten Unternehmen in Russland. Dabei handele es sich nicht um eine bloße Hotelbestätigung. Eine Visumsreferenz sei für die Erteilung eines Visums erforderlich. Sie werde von der Klägerin im Zusammenhang mit der Buchung der
Unterkunft eingeholt. Bei einer Direktbuchung im Hotel falle hierfür in der Regel eine separate Vergütung von 10 bis 20 € an. Bei einer Buchung über Agenturen, bei denen ein Gesamtpaket eingekauft werde, sei die Gebühr dafür bereits enthalten. Der von ihr ihren Kunden berechnete Betrag für die Besorgung eines Visums enthalte eine Vergütung für die gesamten Dienstleistungen einschließlich der Einholung der Visareferenz.
Die Klägerin ist der Auffassung, bei der von der Klägerin als Eigenleistung erbrachten Visabeschaffung handele es sich um eine unselbstständige Nebenleistung der Reiseleistung mit der Folge, dass sie nicht selbstständig der Umsatzsteuer unterliege. Sie sei Bestandteil der einheitlichen Leistung gemäß § 25 Abs. 1 S. 3 UStG. Sie sei nicht etwa mit einer Reiserücktrittskostenversicherung vergleichbar. Ein Visum sei für die Durchführung der Reise erforderlich. Die Leistung habe ein relativ geringes wirtschaftliches Gewicht. Einem Durchschnittsverbraucher stelle sich die Visumsbeschaffung als Nebenleistung der Reiseleistung dar. Sie sei daher auch ein verbreitetes Angebot von Reiseveranstaltern. Die Reiseleistung und die Visabeschaffung seien in Deutschland grundsätzlich steuerbar und steuerpflichtig als sonstige Leistung gemäß § 25 Abs.1 i. V. m. § 3a Abs.1 UStG. Im Hinblick auf die im Drittlandsgebiet – Russland – erbrachten Reisevorleistungen (u. a. Verpflegungs- und Beherbergungsleistungen) sei jedoch die gesamte Reiseleistung einschließlich der Visabeschaffung als Nebenleistung der eigentlichen Reiseleistung steuerfrei gemäß § 25 Abs.2 UStG. Sofern entgegen der Auffassung der Klägerin die Visabeschaffung nicht gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei sei, seien zumindest die Visagebühren als steuerfreie durchlaufende Posten zu behandeln. Die Klägerin verweist darauf, dass zuvor in mehreren Umsatzsteuersonderprüfungen die umsatzsteuerliche Behandlung der Visabeschaffung durch die Klägerin nicht beanstandet worden war. Zudem erleide sie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Mitbewerbern dadurch, dass von den Mitbewerbern keine Umsatzsteuer auf die Visabeschaffung verlangt werde.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2006 vom 13.10.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2004 um 8.532,24 €, für 2005 um 9.428,10 € und für 2006 um 6.048,05 € herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die Visabeschaffung sei nicht als unselbstständige Nebenleistung anzusehen. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Visabeschaffung gehöre nicht überwiegend zum Leistungsangebot von Reiseveranstaltern. Zudem sei die Visumsbeschaffung als Beibringung einer behördlichen Einreisegenehmigung nicht als nebensächlich zu qualifizieren, sondern stelle eine bürokratische Voraussetzung der Reisedurchführung dar. Mit ihr werde keine Ergänzung oder Verbesserung der Reise erreicht, denn als bloße Einreisegenehmigung sei die Visumsbeschaffung mit der eigentlichen Transportleistung, der Unterbringung und Verpflegung und gegebenenfalls anderen Serviceangeboten nicht inhaltlich verknüpft, sondern stelle ein aliud dar. Sie sei eine
sonstige Leistung, deren Leistungsort sich am Ort des Unternehmens der Klägerin und damit im Inland befinde.
Dem Gericht haben die Betriebsprüfungsakten I, Bp-Arbeitsakten I und II, Rechtsbehelfsakte, Umsatzsteuerakten Bd. 1 und die Bilanz- und Bilanzberichtsakten II bzgl. der Klägerin zur Steuernummer … (neu …) vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Beklagte hat zwar zu Recht die Visabeschaffung als umsatzsteuerpflichtige Leistung der Klägerin behandelt, dabei jedoch die Umsatzsteuer für die Jahre 2004 bis 2006 insoweit zu hoch festgesetzt und damit die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO), als die Umsatzsteuer unter Einbeziehung der Visagebühren in die Bemessungsgrundlage berechnet worden ist. Die Umsatzsteuer ist daher im tenorierten Umfang herabzusetzen.
1. Für die Entscheidung ist es unerheblich, ob die Visabeschaffung durch die Klägerin als eigenständige Leistung oder als unselbstständige Nebenleistung, die das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, nach Maßgabe der Auslegungshinweise des EuGH gem. dessen Urteil vom 25.02.1999, C-349/96, juris zu betrachten ist.
a) Versteht man die Visabeschaffung durch die Klägerin als eigenständige Leistung, so ist diese umsatzsteuerpflichtig im Inland gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1; 3 Abs. 9; 3a Abs. 1 UStG. Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer gem. § 10 Abs. 1 UStG ist dabei das vom Leistungsempfänger aufgewendete Entgelt abzüglich der Umsatzsteuer. Dabei gehören jedoch solche Beträge nicht zum Entgelt, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten, § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG). Die von der Klägerin aufgewandten Konsulatsgebühren für die Visa sind durchlaufende Posten im Sinne dieser Regelung, so dass sie in die Bemessung der Umsatzsteuer nicht einzubeziehen sind. Denn die Visa werden von der Klägerin für bestimmte gegenüber dem Visaaussteller konkret bezeichnete Personen beschafft und damit im Namen und auf Rechnung ihrer Kunden. In diesem Sinne sind auch in dem Fall des Urteils des BFH vom 02.03.2006, V R 25/03, BFHE 213,.134, BStBl II 2006, 788 von den Beteiligten die Konsulatsgebühren unstreitig als durchlaufende Posten behandelt worden. Die Umsatzsteuer bemisst sich daher nach dem von der Klägerin erzielten Entgelt ohne Einbeziehung der Visagebühr.
b) Versteht man dagegen die Visabeschaffung durch die Klägerin als unselbstständige Nebenleistung zu den von der Klägerin gegenüber ihren Kunden erbrachten Reiseleistungen und damit als Bestandteil der einheitlichen sonstigen Leistung der Klägerin gemäß § 25 Abs. 1 S. 3 UStG, so folgt die Umsatzsteuerpflicht des Entgelts für die Visabeschaffung aus § 25 UStG. Gemäß § 25 Abs. 1 UStG gelten besondere Vorschriften für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen. Erbringt der Unternehmer an einen
Leistungsempfänger im Rahmen einer Reise mehrere Leistungen dieser Art, so gelten sie als eine einheitliche sonstige Leistung. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1 UStG. Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugutekommen. Gemäß § 25 Abs. 2 UStG ist die sonstige Leistung steuerfrei, soweit die ihr zuzurechnenden Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden. Die sonstige Leistung bemisst sich gem. § 25 Abs. 3 UStG nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet. Die Umsatzsteuer gehört dabei nicht zur Bemessungsgrundlage.
Die Klägerin erbringt Reiseleistungen im Sinne des § 25 UStG und unterliegt daher der Margenbesteuerung nach dieser Vorschrift. Bei Einbeziehung der Visabeschaffung durch die Klägerin in die von ihr den Kunden erbrachte einheitliche sonstige Leistung ist die Margenbesteuerung gemäß § 25 Abs. 3 UStG unter Einbeziehung der von der Klägerin für die Visabeschaffung erzielten Entgelte abzüglich der von ihr als Vorleistung aufgewandten Visagebühren zu berechnen. Die Visabeschaffung ist nicht gemäß § 25 Abs. 2 UStG steuerfrei, da die Steuerfreiheit nach dieser Regelung nur im Drittlandsgebiet bewirkte Reisevorleistungen umfasst. Die Regelung setzt Art. 26 Abs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG um, wonach die Dienstleistung eines Reisebüros einer nach Art. 15 Nr. 14 der Richtlinie befreiten Vermittlungstätigkeit gleichgestellt wird, wenn die Umsätze, für die das Reisebüro andere Steuerpflichtige in Anspruch nimmt, von diesen außerhalb der Gemeinschaft erbracht werden; werden diese Umsätze sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschaft erbracht, so ist nur der Teil der Dienstleistung des Reisebüros als steuerfrei anzusehen, der auf die Umsätze außerhalb der Gemeinschaft entfällt. Für den Fall einer einheitlichen sonstigen Leistung im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 3 UStG gilt damit ein ausdrückliches Aufteilungsgebot, wonach eine Steuerfreiheit der sonstigen Leistung (Reiseleistung) nur in Betracht kommt, wenn und soweit die entsprechenden Reisevorleistungen tatsächlich im Drittlandsgebiet bewirkt wurden (vgl. BFH Urteil vom 19.10.2011, XI R 18/09, BFHE 236, 222, BFH/NV 2012, 887). Die Visabeschaffung durch die Klägerin erfolgt in Deutschland beim russischen Konsulat in A und damit im Inland und nicht im Drittlandsgebiet. Sie kann daher nicht ebenso als steuerfrei behandelt werden wie die in Russland gegenüber den Kunden erbrachten bzw. beschafften Reisevorleistungen (z. B. Beförderung, Unterkunft, Verpflegung, Betreuung, Visareferenz und anderes).
Das für die Visabeschaffung erzielte Entgelt ist nicht aufzuteilen auf die eigentliche Visabeschaffung und die Einholung der Visareferenz. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das von der Klägerin ihren Kunden in Rechnung gestellte Entgelt für die Visabeschaffung auch Aufwendungen für die Einholung der Visareferenz umfasst. Die Einbeziehung solcher Aufwendungen würde dazu führen, dass die Klägerin für ihre Bemühungen im Zusammenhang mit der Visabeschaffung bei Entgelten für die Visareferenz bis zu 20 € keine eigene Vergütung erhalten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass Aufwendungen für die Visareferenzen bereits in die sonstigen Reisevorleistungen gemäß § 25 Abs. 2 UStG einzubeziehen sind. Dem entspricht auch die von der Klägerin nicht beanstandete Berechnung der Betriebsprüfung zu den Umsätzen aus Visa-Besorgungsleistungen, die lediglich Angaben zu den Visagebühren und dem Gesamtentgelt, nicht jedoch Angaben zu darin berücksichtigten Aufwendungen für Visareferenzen enthält.
2. Die von der Klägerin in den Streitjahren für die Visabeschaffung zu entrichtende Umsatzsteuer bemisst sich nach dem von der Klägerin erzielten Entgelt ohne die darin enthaltene Visumsgebühr. In Anknüpfung an die in der Betriebsprüfung zusammengestellten unstreitigen Umsätze aus der Visabeschaffung errechnet sich eine im tenorierten Umfang zu hoch angesetzte Umsatzsteuer gemäß der folgenden tabellarischen Darstellung:

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Sie entspricht dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens. Die vom Beklagten bisher für die Visabeschaffung für die Streitjahre insgesamt angesetzte Umsatzsteuer von 24.008,39 € ist um 16.928,96 € herabzusetzen. Dies entspricht einem Obsiegen der Klägerin von 71 %.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vorliegen, kann im Billigkeitsverfahren ausnahmsweise nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes

Umsatzsteuer / Abgabenordnung: Wenn die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nach § 15 UStG wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vorliegen, kann ein Unternehmer aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes einen Anspruch auf Vorsteuerabzug haben, sofern er gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen, und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist; Urteil des 6. Senats vom 21.12.2012 in einem Fall, in dem diese Voraussetzungen allerdings nicht vorlagen, 6 K 33/11, NZB eingelegt, Az. des BFH V B 14/13. – Entscheidung im Volltext

Grunderwerbsteuer: Einheitlicher Erwerbungsvorgang von Grundstück und zu bauendem Gebäude

Grunderwerbsteuer: Schließen die Käufer unmittelbar nach Erwerb eines Grundstücks einen Vertrag über ein auf dem Grundstück zu errichtendes Gebäude und besteht zwischen dem Bauunternehmer und dem Veräußerer des Grundstücks eine personelle Verbindung, so liegt grunderwerbsteuerlich ein einheitlicher Erwerbsvorgang für Grundstück und Haus vor, auch wenn in dem Kaufvertrag vereinbart worden ist, dass keinerlei vertragliche Bindung hinsichtlich der Bebauung durch die Erwerber bestehe, Beschluss des 3. Senats vom 25.1.2013, 3 V 231/12, rechtskräftig.

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FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 3 V 231/12
Beschluss des Senats vom 25.01.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, GrEStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, GrEStG § 8 Abs. 1

Leitsatz: Schließen die Käufer unmittelbar nach Erwerb eines Grundstücks einen Vertrag über ein auf dem Grundstück zu errichtendes Gebäude und besteht zwischen dem Bauunternehmer und dem Veräußerer des Grundstücks eine personelle Verbindung, so liegt grunderwerbsteuerlich ein einheitlicher Erwerbsvorgang für Grundstück und Haus vor, auch wenn in dem Kaufvertrag vereinbart worden ist, dass keinerlei vertragliche Bindung hinsichtlich der Bebauung durch die Erwerber bestehe.

Überschrift: Grunderwerbsteuer: Einheitlicher Erwerbungsvorgang von Grundstück und zu bauendem Gebäude

Gründe:

I.
Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob die Kosten für die Errichtung eines Einfamilienhauses in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind.
1.
a. Die A Immobilien GmbH (im Folgenden A-GmbH) war Eigentümerin des im X-Straße … in B-1 belegenen Grundstücks. Durch Teilungserklärung vom 09.10.2012 teilte die A-GmbH das Grundstück in zwei Wohnungseigentumsrechte auf. Geschäftsführer der A-GmbH war zunächst nur Herr A. Am … 2012 wurde die Alleingesellschafterin, Frau A, als weitere und ebenfalls einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführerin im Handelsregister eingetragen. Geschäftsgegenstand der A-GmbH war u. a. die Vermittlung von Grundstückskaufverträgen (Handelsregisterauszug, Finanzgerichtsakten -FGA- Bl. 12).
b. Die Antragsteller erwarben durch notariell beurkundeten Vertrag vom … 2012 (UR-Nr. -1 des Notars Dr. C; Grunderwerbsteuerakten -GrEStA- Bl. 4 ff.) eines dieser Wohnungseigentumsrechte je zur ideellen Hälfte zum Preis von € 136.000,00.
Der Kaufvertrag enthielt u. a. folgende Regelungen:
§ 1 Kaufgegenstand
(…) Die Firma A Immobilien GmbH verkauft hiermit nunmehr das Wohnungseigentumsrecht Nr. 1 an die Erwerber je zur ideellen Hälfte, und zwar zum Zwecke der Bebauung des Grundbesitzes auf eigene Rechnung und Gefahr durch die Erwerber.
§ 14 Schlussbestimmungen
(…) Die Vertragsparteien erklären übereinstimmend, dass es sich bei diesem Vertrag lediglich um eine selbständige Grundstücksübertragung handelt, die nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien von der späteren Bebauung des Grundbesitzes durch den Erwerber unabhängig ist. Dementsprechend besteht keinerlei vertragliche Bindung hinsichtlich der Bebauung des Grundbesitzes durch den Erwerber.“
c. Im unmittelbaren Anschluss schlossen die Antragsteller mit der D-Gesellschaft mbH (im Folgenden: D-GmbH) einen notariell beurkundeten Bauwerkvertrag (UR-Nr. -2 des Notars Dr. C; GrEStA Bl. 8 ff.), in dem sich die D-GmbH gegen eine Vergütung in Höhe von € 199.000,00 zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück X-Straße … verpflichtete. In den dem Vertrag als Anlage beigefügten Bauzeichnungen war die A-GmbH als Bauherrin angegeben. Der Bauplan war mit folgendem Stempelaufdruck der Bauprüfabteilung des Bezirksamts E vom 08.08.2012 versehen: „Genehmigt! Anlage zum Bescheid“ (GrEStA Bl. 14). Gesellschafter der D-GmbH waren Herr A und Herr F. Herr F war alleiniger Geschäftsführer der D-GmbH und hatte als Architekt die Baupläne für das zu errichtende Haus entworfen.
2.
a. Der Antragsgegner setzte die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstücks mit Grunderwerbsteuerbescheiden vom 20.11.2012 unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von € 167.500,00 (€ 136.000,00 zzgl. € 199.000,00, hiervon 50 %) auf jeweils € 7.537,00 fest und wies erläuternd darauf hin, dass die vorliegenden Verträge ein einheitliches Vertragswerk bildeten und sich die Steuer nach dem Gesamtaufwand bemesse.
b. Die Antragsteller legten mit Schreiben vom 05.12.2012 Einspruch gegen diesen Bescheid ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheides. Es liege kein einheitliches Vertragswerk vor, da sie, die Antragsteller, die freie Wahl gehabt hätten, das Grundstück ohne Bebauung zu erwerben.
c. Der Antragsgegner lehnte den AdV-Antrag mit Bescheid vom 10.12.2012 ab und wies darauf hin, dass die Antragsteller das Grundstück von der A-GmbH erworben hätten, Grundstückskaufvertrag und Werkvertrag am selben Tag unter nachfolgenden Urkundenrollennummern beurkundet worden seien und die A-GmbH in den Bauplänen als Bauherrin angegeben sei, so dass die Voraussetzungen für die Annahme eines einheitlichen Vertragswerks gegeben seien und die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht ernstlich zweifelhaft sei.
d. Mit Einspruchsentscheidungen vom 04.01.2013 wies der Antragsgegner die Einsprüche der Antragsteller als unbegründet zurück. Die Antragsteller hätten ein bebautes Grundstück erworben mit der Folge, dass die Herstellungskosten des Gebäudes zur Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer gehörten. Denn der Kaufvertrag über das Grundstück und der Werkvertrag bildeten ein einheitliches Vertragswerk. Es liege ein sog. faktisch einheitlicher Erwerbsvorgang vor, weil die Antragsteller bei objektiver wirtschaftlicher Betrachtungsweise das bebaute Grundstück erhalten hätten. Dass sich der Übereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung eines Gebäudes gegen verschiedene Personen richteten, sei unschädlich, da aufgrund der Identität des Gesellschafters der D-GmbH – A – mit
dem Geschäftsführer der A-GmbH zwischen beiden Gesellschaften eine wirtschaftliche bzw. gesellschaftsrechtliche Verbundenheit bestehe.
3. Die Antragsteller haben am 19.12.2012 bei Gericht einen AdV-Antrag eingereicht und tragen vor, bei dem Erwerb des Grundstücks sei die schlüsselfertige Bebauung durch die D-GmbH von der Verkäuferin zwar angeboten worden. Die Annahme dieses Angebots sei aber nicht Bedingung für den Abschluss des Grundstückskaufvertrages gewesen. Sie, die Antragsteller, seien in der Wahl des Bauträgers frei gewesen und hätten dies auch ausdrücklich im Vertrag festgelegt. Nachdem sie im Vorfeld bereits Kontakte zu anderen Baufirmen aufgenommen hätten, hätten sie letztlich das günstige Festpreisangebot der D-GmbH angenommen.
Ein einheitlicher Vertragsabschluss über den Grundstückserwerb und die Bebauung in zivilrechtlicher Hinsicht sei wegen des damit verbundenen Risikos im Fall der Insolvenz des Bauträgers nicht gewollt gewesen. Der Abschluss beider Verträge am selben Tag sei zwar ein Indiz für ein einheitliches Rechtsgeschäft, tatsächlich aber Ausfluss einer sich über mehrere Monate hinziehenden Verhandlung. Der erste Kontakt zu der Veräußerin sei im September 2012 zustande gekommen.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Vollziehung der Grunderwerbsteuerbescheide vom 20.11.2012 betreffend das Wohnungseigentumsrecht Nr. 1 X-Straße … in B-1 in Höhe von jeweils € 4.477,00 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, der Annahme eines einheitlichen Erwerbsvorganges stehe es nicht entgegen, dass die Antragsteller in der Lage gewesen wären, ein anderes Unternehmen mit der Bebauung zu beauftragen oder sich für eine andere Bebauung zu entscheiden. Maßgebend sei der tatsächliche Geschehensablauf. Im Übrigen sei zwischen dem ersten Kontakt der Antragsteller mit der Veräußerin im September 2012 und dem Vertragsabschluss am … 2012 kein Zeitraum von mehreren Monaten vergangen, wie von den Antragstellern behauptet.
Dem Gericht hat ein Band Grunderwerbsteuerakten vorgelegen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt. Danach ist ein gerichtlicher Aussetzungsantrag grundsätzlich nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen AdV-Antrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dabei genügt eine einmalige Ablehnung; es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige in jedem Stadium des Verwaltungsverfahrens,
also etwa vor und nach Erlass der Einspruchsentscheidung, einen neuen AdV-Antrag stellt (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 71 m. w. N.). Der Antragsgegner hat den vor Erlass der Einspruchsentscheidung gestellten AdV-Antrag der Antragsteller mit Bescheid vom 10.12.2012 abgelehnt.
2. Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
a. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung anhand präsenter Beweismittel neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 24.10.2012 I B 47/12, juris). Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die Aussetzung der Vollziehung nicht erforderlich (BFH-Beschlüsse vom 20.07.2012 V B 82/11, BFHE 237, 545, BStBl II 2012, 809; vom 07.09.2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590).
b. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen rechtlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide. Der Antragsgegner hat den vereinbarten Werklohn für die Errichtung des Einfamilienhauses zu Recht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen.
aa.
aaa. Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 27.09.2012 II R 7/12, BFH/NV 2013, 147; vom 29. Juli 2009 II R 58/07, BFH/NV 2010, 63, jeweils m. w. N.).
bbb. Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln (BFH-Urteil vom 28.03.2012 II R 57/10, BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920). Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der
Veräußererseite in seiner Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde (BFH-Beschluss vom 19.03.2010 II B 130/09, BFH/NV 2010, 1659).
ccc. Darüber hinaus wird ein derartiger objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag aber auch dann indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot später annimmt (BFH-Urteile vom 27.09.2012 II R 7/12, BFH/NV 2013, 147; vom 02.03.2006 II R 47/04, BFH/NV 2006, 1509).
ddd. Auf der Veräußererseite können dabei auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten. Nicht ausschlaggebend ist, dass der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, dass (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (BFH-Urteile vom 27.09.2012 II R 7/12, BFH/NV 2013, 147; vom 21.09.2005 II R 49/04, BFHE 211, 530, BStBl II 2006, 269, jeweils m. w. N.). Treten auf der Veräußererseite mehrere Personen als Vertragspartner auf, liegt ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nur vor, wenn die Personen entweder personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind (BFH-Beschluss vom 19.03.2010 II B 130/09, BFH/NV 2010, 1659) oder aufgrund von Abreden bei der Veräußerung zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteil vom 27.09.2012 II R 7/12, BFH/NV 2013, 147). Dabei genügt ein tatsächliches, einvernehmliches Zusammenwirken ohne schriftlichen Vertragsschluss (BFH-Urteil vom 02.03.2006 II R 42/04, BFH/NV 2007, 760).
eee. Eine Indizwirkung für einen einheitlichen Erwerbsgegenstand ergibt sich folglich auch dann, wenn eine mit dem Veräußerer personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbundene Person vor Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung dem Käufer die Errichtung eines bestimmten Gebäudes auf dem vom Veräußerer angebotenen Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot ebenso wie das Angebot zum Grundstückskauf annimmt. In solchen Fällen wird ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Bauvertrag erst nach dem Kaufvertrag geschlossen wird und der Erwerber tatsächlich und rechtlich in der Lage gewesen wäre, ein anderes, mit dem Grundstücksveräußerer nicht verbundenes Unternehmen mit der Bebauung zu beauftragen oder sich für eine andere, wesentlich vom Angebot abweichende Bebauung zu entscheiden, und ggf. auch entsprechende Angebote eingeholt hatte (BFH-Urteil vom 29.07.2009 II R 58/07, BFH/NV 2010, 63). Maßgebend ist der tatsächlich verwirklichte Geschehensablauf (BFH-Urteil vom 02.03.2006 II R 47/04, BFH/NV 2006, 1509).
fff. Die dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze zum „einheitlichen Erwerbsgegenstand“ sind weder in verfassungs- noch in unionsrechtlicher Hinsicht zu beanstanden (BFH-Urteile vom 27.09.2012 II R 7/12, BFH/NV 2013, 147; vom 28.03.2012 II R 57/10, BFHE 237, 460, BStBl II 2012, 920, m. w. N.).
bb. Die Würdigung der Umstände des Streitfalls ergibt bei summarischer Prüfung, dass die Antragsteller ein Angebot der Veräußererseite angenommen haben, dessen Gegenstand aufgrund einer bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf dem von den Antragstellern erworbenen Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis war.
aaa. Aus dem Umstand, dass die Antragsteller den Bauvertrag, in dem ein Festpreis vereinbart war, im unmittelbaren zeitlichen Anschluss an den Grundstückskaufvertrag abgeschlossen haben, folgt, dass die im Bauvertrag vereinbarten Einzelheiten der Bauausführung bereits vor Abschluss des Kaufvertrages festgestanden haben müssen. Nach dem Inhalt des Stempelaufdrucks auf der Bauzeichnung lag die Genehmigung der zuständigen Baubehörde offenbar sogar bereits vor; jedenfalls war die Planung bis zur Baureife gediehen.
bbb. Dass die Antragsteller das Grundstück von der A-GmbH erworben, den Bauerrichtungsvertrag aber mit der D-GmbH als Bauunternehmerin geschlossen haben, steht der Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands nicht entgegen. Da der Geschäftsführer der A-GmbH, Herr A, als Gesellschafter an der D-GmbH beteiligt war, bestand zwischen beiden Gesellschaften eine personelle Verbindung. Zusätzlich ist, ohne dass es darauf noch ankäme, wegen der Namensgleichheit davon auszugehen, dass es sich bei der Alleingesellschafterin und Mit-Geschäftsführerin der A-GmbH um die Ehefrau des Herrn A handelte. Darüber hinaus bestand aber auch eine wirtschaftliche Verbindung zwischen der als Maklerin tätigen A-GmbH und der als Bauträgerin tätigen D-GmbH, wie aus dem Umstand ersichtlich ist, dass in den Bauplänen die A-GmbH als Bauherrin aufgeführt war.
Unabhängig davon haben die A-GmbH und die D-GmbH auch durch ein abgestimmtes Verhalten auf den gemeinsamen Abschluss sowohl des Grundstückskaufvertrags als auch des Bauerrichtungsvertrags hingewirkt. Die D-GmbH hat die Baupläne für die A-GmbH erstellt und die A-GmbH hat, wie die Antragsteller selbst vortragen, ihnen die schlüsselfertige Bebauung des Grundstücks angeboten.
ccc. Dass die Antragsteller, wie sie unter Hinweis auf die Vereinbarungen in § 1 und § 14 des Kaufvertrages vortragen, die Möglichkeit gehabt hätten, einen anderen Bauunternehmer mit der Errichtung des Hauses zu beauftragen, spielt, wie oben (unter II.2.a.bb.eee.) dargelegt, keine Rolle.
c. Die Antragsteller haben nicht geltend gemacht, dass die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte; dies ist auch sonst nicht ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Beschwerde gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Gewerbesteuer: Verlustnutzung bei unterschiedlicher gewerblicher Betätigung, Verlustfeststellung

Gewerbesteuer: Betätigt sich der Steuerpflichtige sowohl als Einzelunternehmer als auch als Mitunternehmer einer KG in derselben Branche (hier Projektentwicklung), kann er die auf seinen Sonderbetriebsausgaben beruhenden Verluste der KG nach deren Insolvenz mangels Unternehmens- und Unternehmeridentität nicht im Rahmen seines Einzelunter-nehmens nutzen, Urteil des 2. Senats vom 15.11.2012, 2 K 140/11, NZB eingelegt, Az. des BFH X B 5/13.

 

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 K 140/11
Urteil des Senats vom 15.11.2012
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: X B 5/13
Normen: GewStG § 10 a, GewStG § 35 b Abs. 2
Leitsatz: Betätigt sich ein Gewerbetreibender als Einzelunternehmer und als Mitunternehmer einer KG, kann er die auf seinen Sonderbetriebsausgaben beruhenden Verluste der KG nicht im Rahmen seines Einzelunternehmens nutzen.
Überschrift: Gewerbesteuer: Verlustnutzung bei unterschiedlicher gewerblicher Betätigung, Verlustfeststellung
Tatbestand:
Streitig ist die Berücksichtigung gewerbesteuerliche Verluste.
Seit den 1990er Jahren war der Kläger als Kommanditist an der im Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragenen B & Co. … GmbH & Co. KG (im Folgenden KG), einer Bauträgergesellschaft, beteiligt. Bis zu seiner Abberufung Anfang 1998 war er zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Durch Beschluss des Amtsgerichts C vom 03.04.2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt verfügte sie noch über sechs Grundstücke, die der Insolvenzverwalter in der Folgezeit verwertete. Dieser beauftrage den Kläger, für ein in D belegenes Grundstück, das im Miteigentum des Klägers und der KG stand, die noch nicht abgeschlossenen Projektentwicklungsarbeiten fortzusetzen und die Vermietung bzw. den Verkauf durchzuführen.
Mit Berechnung vom 31.07.2007 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2001, die dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben wurde, stellte das Finanzamt (FA) C I einen vortragsfähigen Gewerbeverlust von … € fest. Mit Gewinnfeststellungsbescheid für 2001 vom 27.07.2007 hatte es negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb von … € festgestellt und dem Kläger in voller Höhe zugerechnet, weil sie auf seinen Sonderbetriebsausgaben beruhten. Dieser Bescheid änderte die ursprüngliche Feststellung vom 22.02.2005. Dem vorausgegangen war ein Rechtsstreit des Klägers vor dem Finanzgericht (FG) E wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung 1996 bis 1998 (…) und 1999 bis 2002 (…), in dessen Verlauf am 02.03.2007 eine Einigung u. a. dahin erzielt worden war, dass 10 % einer gegen den Kläger geltend gemachten Ausgleichsforderung, … €, in 2001 in die Sonderbilanz des Klägers einzustellen sei. Dieser Feststellungsbescheid wurde -ohne Auswirkungen für den Kläger– erneut am 10.07.2008 geändert.
In Umsetzung der tatsächlichen Verständigung ergingen am 09.12.2008 für die KG auch Änderungsbescheide über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für die Folgejahre auf den 31.12.2002 bis 31.12.2007 und am 02.09.2010 auf den 31.12.2008 sowie am 18.10.2010 auf den 31.12.2009, die dem Insolvenzverwalter bekannt gegeben wurden und im Wesentlichen unverändert einen vortragsfähigen Verlust von ca. … € feststellten.
Die in dem geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2001 dem Kläger zugewiesenen negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigte sein Wohnsitzfinanzamt bei der Festsetzung der Einkommensteuer.
Seit den 1990er Jahren war der Kläger auch einzelunternehmerisch als Immobilienmakler und Bauträger gewerblich in Hamburg tätig. In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2007 erklärte er einen Gewerbeertrag von … €. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 23.09.2010 den Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung eines auf den 31.12.2006 festgestellten Gewerbeverlustes von … € auf … € fest und stellte mit Bescheid vom selben Tag den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2007 mit 0 € fest. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 25.10.2010, mit dem der Kläger einen berichtigten Jahresabschluss ankündigte und zur Begründung vortrug, der bei der KG per 31.12.2001 festgestellte vortragsfähige Verlust sei bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages 2007 bei seinem Einzelunternehmen zu berücksichtigen. Insoweit bestehe Unternehmer- und Unternehmensidentität. Die von der KG in C erbrachten Leistungen seien mit denen von ihm in Hamburg als Einzelunternehmer erbrachten identisch. Mit Entscheidung vom 28.06.2011 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid zurück. Am 21.07.2011 hat der Kläger Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2007 und den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 erhoben.
Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, dass die Voraussetzungen für eine Nutzung der bei der KG entstandenen Verluste erfüllt seien. Nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen der KG eröffnet worden sei, habe er, der Kläger, die Verbindungen zu den Kunden des Bauträgergeschäfts und die Kontakte zu den Bauunternehmen aufrechterhalten. Das von der KG betriebene Geschäft habe er praktisch als Einzelunternehmer in Hamburg fortgeführt. Zudem habe er bereits von der KG projektierte Objekte fortgeführt. Auch die Stellungnahme des Insolvenzverwalters F vom 13.07.2012 (Anl. K 14) belege die gleichbleibende Tätigkeit für die KG und als Einzelunternehmer. Sonach sei die erforderliche Unternehmensidentität zu bejahen. Weil er, der Kläger, die Verluste als Mitunternehmer selbst erlitten habe, und die Geschäfte als Gesellschafter-Geschäftsführer maßgeblich geprägt habe, sei auch die Unternehmeridentität gegeben.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 2007 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 23.09.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 28.06.2011 mit der Maßgabe zu ändern, dass unter Berücksichtigung eines Gewerbeverlustes von … € der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € festgesetzt wird
sowie
den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2007 zu ändern und einen vortragsfähigen Gewerbeverlust von … € festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und hält an seiner Ansicht fest, dass weder Unternehmens- noch Unternehmeridentität bestehe. Die Nutzung von Kunden- und anderen Kontakten für das Einzelunternehmen bedeute keine Fortsetzung der mitunternehmerischen Betätigung durch die KG. Die bei Insolvenzeröffnung noch vorhandenen Grundstücke der KG seien bereits 2001 veräußert und der Betreib eingestellt worden. Lediglich ein einzigen Grundstück der KG habe der Kläger in Absprache mit dem Insolvenzverwalter entwickelt und vermarktet.
Zudem fehlten auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Verlustnutzung. Die Verluste hätten ab 2002 berücksichtigt werden müssen und zwar entsprechend dem gesellschaftsrechtlichen Verteilungsschlüssel.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften über den Erörterungstermin und die Senatssitzung Bezug genommen.
Die den Kläger betreffende Gewinnfeststellungsakte nebst Beiakten hat vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
I.
1.) Die Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2007 ist unzulässig. Nach § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht durch Anfechtung des Folgebescheides angegriffen werden.
Gemäß § 10a Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) wird der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrages für die vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden sind. Die Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge ist gesondert festzustellen (§ 10a Satz 2 GewStG). Der Feststellungsbescheid ist jeweils Grundlagenbescheid für den Gewerbesteuermessbescheid des oder der Folgejahre(s), vgl. § 182 AO (vgl. Bundesfinanzhof (BFH) vom 09.06.1999 I R 92/98, BStBl II 1999, 733; Drüen in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, 10a GewStG Rz. 116). Steht die Höhe des zu berücksichtigen gewerblichen Verlustes im Streit, muss sonach der Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes angegriffen werden bzw. der Erlass eines entsprechenden Bescheides beantragt werden. Die Klage gegen den Folgebescheid, den Gewerbesteuermessbescheid, ist demgegenüber unzulässig.
2.) Soweit sich die Klage gegen den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes richtet, fehlt es an der Durchführung eines
Vorverfahrens i. S. von § 44 FGO, weil insoweit eine Einspruchsentscheidung bislang nicht ergangen ist. Die Klage wäre danach unzulässig. Sie kann aber als Untätigkeitsklage gem. § 46 Abs. 1 FGO angesehen werden, weil der Beklagte ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht über den Einspruch des Klägers entschieden hat.
Die so verstandene Klage hat aber in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.
Wie vorstehend dargestellt, ist die Höhe der vortragsfähigen Gewerbeverluste gesondert festzustellen. Maßgebender Gewerbeertrag in diesem Sinne ist gemäß § 7 GewStG der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, der bei der Ermittlung des Einkommens für den dem Erhebungszeitraum (§ 14 Abs. 2 Satz 1 GewStG) entsprechenden Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen ist, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge. § 14 Abs. 2 Sätze 2 und 3 GewStG bestimmt, dass unter Erhebungszeitraum das Kalenderjahr bzw. ggf. der Zeitraum der Steuerpflicht zu verstehen ist. Nach dessen Ablauf wird der Steuermessbetrag (vgl. § 11 GewStG) festgesetzt. Daraus folgt in zeitlicher Hinsicht, dass das Gesetz auf eine lückenlose Fortschreibung der vortragsfähigen Fehlbeträge hin angelegt ist. Die Höhe dieser Beträge ist in Einklang hiermit gemäß § 10a Satz 2 GewStG für den jeweiligen Erhebungszeitraum (vgl. § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG) unter Verrechnung oder Zuschreibung von Fehlbeträgen gesondert festzustellen (BFH vom 09.06.1999 I R 92/98, BStBl II 1999, 733).
Im Streitfall geht es um Verluste, die -nach Maßgabe der tatsächlichen Verständigung vor dem FG E – auf Sonderbetriebsausgaben des Klägers im Erhebungszeitraum 2001 beruhen. Diese Verluste sind mit formell bestandskräftigem Verlustfeststellungsbescheid vom 31.07.2007 auch für 2001 und sodann für die Folgejahre gesondert festgestellt worden. Allerdings ist diese Feststellung für die KG erfolgt, an der der Kläger weiterhin beteiligt war und ist, und deren Insolvenzverwalter bekannt gegeben worden.
Die Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste ist auch zu Recht für die KG erfolgt. Denn der Verlustabzug erfordert in materieller Hinsicht, dass der im Kürzungsjahr bestehende Gewerbebetrieb identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Verlustentstehungsjahr bestanden hat, sog. Unternehmensidentität (vgl. z. B. BFH vom 14.09.1993 VIII R 84/90, BStBl II 1994,764; GewStR 2009 R 10a. 2 Satz 1). Ferner bedarf es der Unternehmeridentität, d.h. der Unternehmer muss den Verlust in eigener Person erlitten haben. An beiden Voraussetzungen fehlt es bezogen auf das Einzelunternehmen des Klägers. Dieses und der in mitunternehmerischer Verbundenheit geführte Betrieb der KG sind zwei unterschiedliche Gewerbebetriebe, die von unterschiedlichen Unternehmern -einerseits der Kläger als Einzelunternehmer in Hamburg, andererseits die Personengesellschaft in C- betrieben worden sind.
Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Kläger ab 2001 als Einzelunternehmer einen abgrenzbaren Teilbetrieb der KG übernommen hätte, dem die in Rede stehenden Verluste auch sachlich zuzuordnen wären. Abgesehen davon, dass für die Annahme eines übertragenen bzw. übernommenen Teilbetriebes jegliche Anhaltspunkte fehlen -insoweit reicht das Ausnutzen von während der Tätigkeit für die KG erworbenen Geschäftskontakten oder die Verwertung eines im Miteigentum stehenden Grundstücks im Auftrag des Insolvenzverwalters nicht aus (s.
dazu im einzelnen z. B. BFH vom 05.09.1990 X R 20/89, BStBl II 1991, 25)–, würde es auch diesbezüglich in formeller Hinsicht an der erforderlichen auf diesen Teilbetrieb bezogenen gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes ab 2001 fehlen.
Das Verfahren ist auch nicht nach § 74 FGO auszusetzen, bis über die Höhe der in Rede stehenden vortragsfähigen Fehlbeträge zum 31.12.2001 eine bestandskräftige Feststellung gem. § 10a Satz 2 GewStG ergangen ist (vgl. hierzu z. B. BFH vom 09.06.1999 I R 91/98, BFH/NV 1999, 913). Abgesehen vom Fehlen der materiellen Voraussetzungen, ist für 2001 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten. Die Gewerbesteuerklärung für sein Einzelunternehmen hat der Kläger im April 2003 eingereicht, sodass mit Ablauf des Jahres 2007 Festsetzungsverjährung eingetreten ist (§§ 169 Abs. 2 Nr. 4; 170 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 35b Abs. 2 Satz 4 GewStG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.