Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

Voraussetzungen des Benachteiligungsvorsatzes und dessen Kenntnis

Voraussetzungen des Benachteiligungsvorsatzes und dessen Kenntnis

Kernaussage

Der Benachteiligungsvorsatz und dessen Kenntnis kann im Falle einer inkongruenten Deckung nur dann angenommen werden, wenn die Wirkung der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintrat, als bereits Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln. Auch eine Sicherung die sofort bei Bestellung, also unabhängig von einem Insolvenzfall, wirksam wird, stellt kein ausreichendes Beweisanzeichen hierfür dar.

Sachverhalt

Der Kläger ist Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG (Schuldnerin), von welcher er 1993 eine Pensionszusage erhielt. 1996 verpfändete die Schuldnerin ihr zustehende Versicherungen zur Absicherung des Anspruchs des Klägers. Im Januar 2008 übertrug der Kläger seine Gesellschaftsanteile auf seinen Sohn und einen weiteren Erwerber. In diesem Zusammenhang bestellte die Schuldnerin nach Ablauf der Versicherungen dem Kläger zur Sicherung seiner Pensionsansprüche eine Grundschuld über 500.000 EUR an ihrem Grundeigentum. Am 1.12.2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger verlangt Feststellung, dass ihm wegen der Grundschuld ein Absonderungsrecht zusteht. Der beklagte Verwalter verlangt widerklagend die Übertragung der Grundschuld an die Masse.

Entscheidung

Die Revision des Klägers vor dem Bundesgerichtshof (BGH) hat Erfolg. Mangels Benachteiligungsvorsatzes und Kenntnis von diesem sind die Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung nicht erfüllt. Zwar ist durch die nachträgliche Besicherung der Verbindlichkeit der Schuldnerin eine inkongruente Deckung gegeben, weil es sich um eine nach der Entstehung der Pensionsansprüche gewährte Sicherung handelt. Jedoch bestand zum Zeitpunkt der Grundschuldbestellung kein Grund zur Annahme von Liquiditätsproblemen, denn es bestand keine ernsthafte Besorgnis bevorstehender Zahlungskürzungen oder -stockungen des Schuldners. Daher ist die inkongruente Deckung kein Beweisanzeichen zur Vorsatzanfechtung. Ebenso begründet der Umstand, dass die Schuldnerin dem Kläger eine sofort bei Bestellung und nicht erst im Insolvenzfall wirksame Sicherung gewährte, kein abweichendes Ergebnis. Da die Sicherung außerhalb einer Insolvenz verwertet werden konnte, brauchte der Kläger nicht mit einer erst durch die Verfahrenseröffnung bedingten Gläubigerbenachteiligung zu rechnen.

Konsequenz

Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht die Gefahr der nachträglichen Besicherung von Pensionszusagen. Allein die Inkongruenz kann als Beweisanzeichen für die Vorsatzanfechtung ausreichen, wenn aus Sicht des Empfängers der Leistung Anlass besteht, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.

Arbeitnehmer müssen Lohnzahlungen Dritter bei Insolvenz des Arbeitgebers zurückzahlen

Arbeitnehmer müssen Lohnzahlungen Dritter bei Insolvenz des Arbeitgebers zurückzahlen

Kernaussage

Die Insolvenzordnung gibt dem Insolvenzverwalter mit den gesetzlichen Anfechtungsvorschriften der Insolvenzordnung eine Handhabe, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene, ungerechtfertigte Schmälerungen der Insolvenzmasse rückgängig zu machen. Nach diesen gesetzlichen Bestimmungen kann eine Rechtshandlung u. a. dann angefochten werden, wenn eine Forderung eines Insolvenzgläubigers erfüllt worden ist, ohne dass er dies „in der Art“ beanspruchen konnte. Dann liegt eine so genannte inkongruente Deckung vor. Weist der Schuldner einen Dritten an, die geschuldete Leistung gegenüber dem Gläubiger zu erbringen, bewirkt die Zahlung im Regelfall eine inkongruente Deckung, weil die Erfüllung nicht „in der Art“ erfolgt, in der sie geschuldet ist. Das gilt auch, wenn der Schuldner und der Dritte Schwesterunternehmen sind oder einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten. Etwas anderes ist nur dann anzunehmen, wenn die Zahlung auf einer dreiseitigen, insolvenzfest getroffenen Abrede beruht.

Sachverhalt

Der Kläger war bis zum 31.1.2009 bei dem Schuldnerunternehmen als Polier beschäftigt. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde auf Antrag vom 19.1.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer der Schuldnerin war zugleich alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer eines Schwesterunternehmens. Die Schuldnerin führte hauptsächlich Aufträge dieses Unternehmens aus. Beide Unternehmen unterhielten denselben Geschäftssitz, nutzten denselben Geschäftsraum und führten Verrechnungskonten. Vom 30.10.2008 – 12.1.2009 erhielt der Kläger 5 Zahlungen über insgesamt rd. 3.700 EUR vom Konto des Schwesterunternehmens als Entgelt für August – Oktober 2008. Der Beklagte hat diese Zahlungen u. a. nach der Insolvenzordnung angefochten und mit seiner Widerklage die Rückzahlung zur Masse verlangt. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe diese Zahlungen nicht als verdächtig empfunden, weil Lohnzahlungen durch das Schwesterunternehmen nicht unüblich gewesen seien und er auch für dieses tätig geworden sei.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht hat eine Rückzahlungspflicht des Klägers verneint; die Zahlungen hätten eine kongruente Deckung bewirkt. Auf die Revision des Beklagten hob das Bundesarbeitsgericht (BAG) das Urteil auf verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an die Unterinstanz zurück. Dieses hat zu Unrecht angenommen, dass eine kongruente Deckung deshalb vorliege, weil die Unternehmen im Ergebnis alles aus einem „Topf“ entnommen hätten. Diese Annahme widerspricht wesentlichen Grundgedanken des Insolvenzverfahrens, das rechtsträgerbezogen ausgestaltet ist.

Konsequenz

Es ist noch aufzuklären, ob eine Gläubigerbenachteiligung erfolgt ist, ob die Schuldnerin zahlungsunfähig war und ob weitere Anfechtungstatbestände erfüllt sind. Mit dieser Maßgabe muss das Untergericht nun über die vorliegende Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen durch ein Schwesterunternehmen neu entscheiden.

Betriebsprüfung über 11 Jahre kann rechtmäßig sein

Betriebsprüfung über 11 Jahre kann rechtmäßig sein

Kernaussage
Für den Erlass einer Prüfungsanordnung für einen Zeitraum von elf Jahren ist maßgeblich, ob der Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit besteht.

Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung. Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der die Beteiligten zu je 50 % beteiligt sind. Die Klägerin betreibt seit 1995 ein Restaurant. Einer der Gesellschafter ist nicht in das operative Tagesgeschäft des Restaurants eingebunden. Der andere Gesellschafter gab am 8.2.2011 eine Selbstanzeige beim beklagten Finanzamt ab. In dieser erklärte er für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2009 Einkünfte aus Kapitalvermögen von insgesamt über 130.000 EUR nach. Im März 2011 zeigte die Klägerin dem Finanzamt an, dass der anzeigende Gesellschafter jährlich ca. 24.000 EUR an Trinkgeldern erzielt habe und diese steuerfrei behandelt worden seien. Im August 2009 ordnete das Finanzamt – ohne weitere Begründung – eine steuerliche Außenprüfung für die Jahre 2000 – 2010 bei der GbR an. Anschließend wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen den Gesellschafter eingeleitet. Die GbR legte gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein und machte geltend, dass der Prüfungszeitraum regelmäßig nur 3 zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen dürfe. Gegen die Einspruchsablehnung, in der das Finanzamt zur Begründung des Prüfungsumfangs auf den Verdacht einer Steuerstraftat hinwies, erhob die GbR Klage beim Finanzgericht.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Prüfungsanordnung war rechtmäßig. Zunächst war sie ausreichend begründet, da bei Gewerbetreibenden der Hinweis auf die gesetzliche Zulässigkeit einer Außenprüfung (§ 193 Abs. 1 AO) genügt und auch Gründe zur Abweichung vom Regel-Prüfungsumfang nachgeschoben wurden. Weiter war die Prüfungsanordnung auch in der Sache nicht zu beanstanden. Für den Erlass einer mehr als 3 Besteuerungszeiträume umfassenden Prüfungsanordnung ist insoweit nicht entscheidend, ob eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit begangen oder nicht begangen wurde. Maßgeblich ist nur, ob der Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit besteht. Dies ist vorliegend bereits aufgrund der Einleitung der Strafverfahren der Fall.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt, dass in speziellen Fällen der Regelprüfungszeitraum erheblich überschritten werden kann. Im Übrigen verdeutlicht die Entscheidung, dass auch nach Einleitung eines Strafverfahrens Ermittlungen im Rahmen einer Außenprüfung erfolgen können. Es besteht keine sich gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung (vgl. § 393 AO).

Wann ist eine Prüfungsanordnung mangels Bestimmtheit nichtig?

Wann ist eine Prüfungsanordnung mangels Bestimmtheit nichtig?

Kernaussage
Die Anordnung für eine Betriebsprüfung ist hinreichend begründet, wenn sie die für die Ermessensausübung auch des beauftragenden Finanzamts maßgebenden Erwägungen enthält. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied kürzlich, dass eine Prüfungsanordnung nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig ist, wenn für den Steuerpflichtigen der Regelungsgehalt nicht ernsthaft zweifelhaft sein kann. Das vorübergehende Bestehen von 2 Prüfungsanordnungen, die sich inhaltlich nicht widersprechen, führt ebenfalls nicht zu deren Nichtigkeit.

Sachverhalt
Im November 2009 bat das beklagte Finanzamt das Wohnsitzfinanzamt des Klägers, um die Befugnis zum Erlass einer Prüfungsanordnung und Durchführung der anschließenden Außenprüfung. Begründet wurde dies damit, dass bei dem betreffenden Konzern eine Außenprüfung durchgeführt werde (Prüfungszeitraum 2001 bis 2004). Zum Konzernbereich gehöre „nachstehendes Unternehmen: Eheleute A und B“ (darunter der Kläger). Es sei zweckmäßig, dieses Unternehmen nicht vom Wohnsitzfinanzamt aus zu prüfen, weil sich dort nicht die Buchführung und die Auskunftspersonen befänden. Es drohe die Verjährung des Prüfungszeitraums 2002. Noch im November 2009 teilte das Wohnsitzfinanzamt dem beklagte Finanzamt mit, es übertrage ihm die Befugnis zur Anordnung und Durchführung einer Außenprüfung beim Kläger. Der Prüfungszeitraum solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Zuvor hatte das Finanzgericht eine Prüfungsanordnung des beklagten Finanzamts aus dem Jahr 2006 für die Jahre 2001 bis 2004 mangels örtlicher Zuständigkeit des beklagten Finanzamts aufgehoben. Die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen blieb erfolglos. Mit Prüfungsanordnung vom 1.12.2009 ordnete das beklagte Finanzamt gegenüber dem Kläger die Durchführung einer Außenprüfung an, gab als Prüfungsgegenstand „Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer 2002-2004“ an und führte zur Begründung u. a. aus, das beklagte Finanzamt sei vom Wohnsitzfinanzamt mit der Prüfung beauftragt worden; die Prüfung erfolge im Zusammenhang mit der laufenden Außenprüfung der Firmengruppe Z und umfasse nicht die Sachverhalte (Tat im prozessualen Sinn), welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 6.3.2009 abgedeckt würden. Der Einleitung des Steuerstrafverfahrens ging eine Selbstanzeige des Klägers voraus, die Einkünfte aus Kapitalvermögen ausländischer Herkunft betraf. Während das Finanzgericht der hiergegen gerichteten Klage noch stattgab und die Prüfungsanordnung des beklagten Finanzamts vom 1.12.2009 aufhob, wies der BFH die Klage endgültig ab.

Entscheidung
Für die Besteuerung des Klägers zuständig war zunächst das Wohnsitzfinanzamt. Durch innerdienstliches Schreiben vom November 2009 hatte dieses das beklagte Finanzamt mit der Durchführung der Außenprüfung bei dem Kläger beauftragt. Dem Auftrag lag eine Ermessensentscheidung der beauftragenden Finanzbehörde zugrunde. Die Rechtmäßigkeit einer Ermessensentscheidung setzt voraus, dass sie mit Gründen versehen ist, die die Ermessenserwägungen der Behörde erkennen lässt. Die angefochtene Prüfungsanordnung enthält die für die Ermessensausübung des Wohnsitzfinanzamts maßgebenden Erwägungen: der Steuerpflichtige (der Kläger), der Prüfungsumfang (Einkommensteuer und gesonderte Feststellungen sowie Umsatzsteuer 2002 bis 2004) und die tragenden Ermessenserwägungen für die Auftragsprüfung (einheitliche Prüfung des Konzerns). Eine Nichtigkeit der Prüfungsanordnung schied ersichtlich aus: Die streitige Prüfungsanordnung vom 1.12.2009 sollte „neben die Prüfungsanordnung vom 11.12.2006“ treten, die vom Finanzgericht mangels Zuständigkeit des beklagten Finanzamts aufgehoben worden war. Zwar ist das Urteil erst mit BFH-Beschluss, mit dem die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Finanzamts zurückgewiesen worden ist, rechtskräftig geworden. Das vorübergehende gleichzeitige Bestehen beider Prüfungsanordnungen führt jedoch nicht zur Nichtigkeit der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung, da sich die beiden Anordnungen in ihrem Regelungsgehalt hinsichtlich des Prüfungszeitraums (2002 bis 2004), des Steuerpflichtigen (dem Kläger) und der zu prüfenden Steuerarten (Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer) nicht widersprachen.

Konsequenz
Die Prüfungsanordnung war auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig. Maßgeblich ist der objektive Erklärungsinhalt der Prüfungsanordnung aus der Sicht des Empfängers. Denn für den Kläger konnte der Regelungsgehalt der Prüfungsanordnung vom 1.12.2009 nicht ernsthaft zweifelhaft sein. Prüfungsgegenstand war Einkommensteuer einschließlich gesonderter Feststellungen und Umsatzsteuer 2002 bis 2004 mit Ausnahme der „Sachverhalte, welche durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens vom 6.3.2009 abgedeckt“ wurden.

Insolvenz: Kündigungsschutzklagen nicht immer gegen Insolvenzverwalter zu richten

Insolvenz: Kündigungsschutzklagen nicht immer gegen Insolvenzverwalter zu richten

Kernfrage
Fällt ein Arbeitgeber (Einzelunternehmen) in Insolvenz, geht die Verfügungsbefugnis mit Rücksicht auf die beim Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse kraft Gesetzes auf den Insolvenzverwalter über. Klagen gegen den Arbeitgeber sind deshalb gegen den Insolvenzverwalter zu richten; dieser ist regelmäßig passiv legitimiert. Gleichzeitig kann der Insolvenzverwalter die selbständige Tätigkeit eines Arbeitgebers aus der Insolvenzmasse freigeben. Mit anderen Worten, diese selbständige Tätigkeit kann der Arbeitgeber weiter in eigener Verantwortung und auf eigene Rechnung und eigenes Risiko fortführen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob im Falle einer solchen Freigabe eine Klage gegen den Arbeitgeber weiterhin gegen den Insolvenzverwalter zu richten ist.

Sachverhalt
Ein Einzelunternehmer hatte einen Arbeitnehmer fristlos entlassen. Kurze Zeit später wurde das Insolvenzverfahren über den Einzelunternehmer eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter seinerseits gab die selbständige Tätigkeit unmittelbar aus der Insolvenzmasse frei. Danach klagte der Arbeitnehmer gegen den Insolvenzverwalter gegen die Kündigung.

Entscheidung
Zuletzt erklärte das BAG die Klage für unzulässig. Richtiger Klagegegner (= Beklagter) wäre der Arbeitgeber gewesen. Die wirksame Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters bewirke, dass dessen mit Insolvenz eintretende Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverhältnisse (wieder) an den Arbeitgeber zurückfalle und durchbreche insoweit den insolvenzrechtlichen Grundsatz der Verfügungsbefugnis über Arbeitsverhältnisse durch den Insolvenzverwalter.

Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Tücken im Umgang mit Arbeitsverhältnissen in der Insolvenz des Arbeitgebers. Vorsorglich wird der insolvenzrechtliche Status vorab zu klären sein. Allerdings dürfte die Entscheidung nur auf die Insolvenz von Einzelunternehmern bzw. Gesellschaften mit ausschließlich persönlich haftenden Gesellschaftern Anwendung finden.

Verwertungsverbot von Zufallsfunden im Besteuerungsverfahren

Verwertungsverbot von Zufallsfunden im Besteuerungsverfahren

Kernaussage
Zufallserkenntnisse, die bei einer gegen einen anderen Beschuldigten durchgeführten Telefonüberwachung gewonnen werden, dürfen in einem Besteuerungsverfahren gegen den Betroffenen nur eingeschränkt verwendet werden. Eine Verwendung ist zulässig, wenn die dem Betroffenen im Haftungsbescheid zur Last gelegte Straftat strafprozessrechtlich die Anordnung einer Telefonüberwachung gerechtfertigt hätte.

Sachverhalt
Der Kläger wurde als Haftender für Tabaksteuer vom Hauptzollamt mit der Begründung in Anspruch genommen, er habe das Kaufgeschäft von unverzollten und nicht versteuerten Zigaretten vermittelt und damit den Tatbestand der einfachen (d. h. nicht gewerbs- oder bandenmäßig begangenen) Steuerhehlerei erfüllt. Im Strafverfahren wurde nur der Verkäufer der Zigaretten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt, dem Kläger konnte keine Beteiligung nachgewiesen werden. Dennoch ging das Hauptzollamt im Haftungsbescheid von einer Verkaufsvermittlung durch den Kläger aus und stützte sich dabei auf die Protokolle aus einer (aus anderen Gründen angeordneten) Telefonüberwachung aus dem Jahr 2007. Der Kläger legte erfolglos Einspruch gegen den Bescheid ein. Das Finanzgericht hob den Bescheid mit der Begründung auf, dass für die zufälligen Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung ein Verwertungsverbot bestanden habe. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Hauptzollamts.

Entscheidung
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg, da das Urteil auf keinem Verfahrensmangel beruht. Im Ergebnis teilt der Bundesfinanzhof (BFH) die Auffassung des Finanzgerichts. Er führt aus, dass unter bestimmten Voraussetzungen, die in der Strafprozessordnung (StPO) und der Abgabenordnung (AO) näher festgelegt sind, Auskünfte aus Strafverfahren an die Finanzbehörden zur Feststellung eines Haftungsanspruchs wegen einer begangenen Steuerhehlerei zwar grundsätzlich zulässig sind, sie aber den besonderen Voraussetzungen der Vorschrift der StPO zur Informationsübermittlung unterliegen. Nach dieser Vorschrift dürfen aufgrund einer nur bei Verdacht bestimmter Straftaten zulässigen Maßnahme erlangte personenbezogene Daten ohne Einwilligung des Betroffenen zu Beweiszwecken in anderen Strafverfahren nur zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach der StPO hätte angeordnet werden dürfen. Zufallserkenntnisse aus einer Telefonüberwachung dürfen zu Beweiszwecken daher nur verwertet werden, wenn sich die Erkenntnisse auf eine Tat beziehen, bei der nach der StPO eine Überwachung zulässig ist. Andernfalls besteht für die Erkenntnisse nach dieser Vorschrift ein Verwertungsverbot. Die Maßnahme der Anordnung einer Telefonüberwachung ist für die Aufklärung des Verdachts einer einfachen Steuerhehlerei unzulässig, allein bei einem Verdacht der gewerbs- oder bandenmäßigen Begehung wäre eine Überwachung zulässig gewesen. Zu letzterem hatte das Hauptzollamt aber nichts vorgetragen. Ein solcher Verdacht war auch nicht ersichtlich. Es bestand daher ein Verwertungsverbot.

Konsequenz
Werden Zufallsfunde in einem Besteuerungsverfahren verwertet, ist genau zu prüfen, ob diese Verwertung auch zulässig ist oder ob ein Verwertungsverbot besteht.

Festsetzung unbezahlter Umsatzsteuervorauszahlungen als Masseverbindlichkeit

Festsetzung unbezahlter Umsatzsteuervorauszahlungen als Masseverbindlichkeit

Kernaussage
Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit. Für die „Zustimmung“ reicht es aus, wenn sich der vorläufige Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt hat.

Sachverhalt
Der Kläger wurde im Oktober 2011 zum sog. „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter einer Kommanditgesellschaft (KG) bestellt und führte den Geschäftsbetrieb zunächst fort. Für die Monate Oktober und November 2011 reichte die KG Umsatzsteuer-Voranmeldungen beim beklagten Finanzamt ein. Zahlungen auf die Umsatzsteuer erfolgten nicht. Zum 31.12.2011 wurde der Geschäftsbetrieb eingestellt, das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen abweichend von den Voranmeldungen gegenüber dem Insolvenzverwalter fest. Die Steuerfestsetzungen wurden mit einem Leistungsgebot verbunden. Der Kläger ist u. a. der Auffassung, dass hinsichtlich der geforderten Beträge keine Masseverbindlichkeiten im Sinne der Insolvenzordnung begründet worden seien.

Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) gab dem Finanzamt Recht und wies die Klage ab. Die streitigen Umsatzsteuer-Vorauszahlungen Oktober und November 2011 sind wie Masseverbindlichkeiten zu behandeln, denn sie sind mit Zustimmung des Klägers als „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden. Ausreichend ist, dass sich der Insolvenzverwalter mit der Fortführung der Umsatztätigkeit im Insolvenzeröffnungsverfahren aktiv oder konkludent einverstanden erklärt. Der vorläufige Insolvenzverwalter stimmt demnach nicht mehr zu, sobald er Umsatzgeschäften des Schuldners widerspricht. Das Finanzamt ist zudem berechtigt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen gegenüber dem Kläger festzusetzen. Die Insolvenzmasse betreffende Steuerbescheide können nämlich nicht mehr durch Bekanntgabe an den Insolvenzschuldner wirksam werden, weil dieser durch die Verfahrenseröffnung seine Verfügungsrechte verloren hat.

Konsequenz
Wie die Geltendmachung von solchen Steuerforderungen die insolvenzrechtlich als Masseverbindlichkeiten gelten, durch das Finanzamt in der Praxis zu erfolgen hat, ist höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden. Die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) ist daher zugelassen.

Schenkungsteuer bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus WP-Gesellschaft?

Schenkungsteuer bei Ausscheiden eines Gesellschafters aus WP-Gesellschaft?

Kernaussage
Das Finanzgericht Düsseldorf hat aktuell entschieden, dass keine Schenkungsteuer entsteht, wenn der Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter Auszahlung nur des Nennbetrags seines Geschäftsanteils aus einer Kapitalgesellschaft ausscheidet, welche nach dem so genannten Managermodell organisiert ist.

Sachverhalt
Eine Wirtschaftsprüfgesellschaft mit beschränkter Haftung hatte den Geschäftsanteil eines ausscheidenden Gesellschafters zum Nennwert auf einen Treuhänder übertragen. Der Treuhänder hatte den Anteil bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters für die verbliebenen Altgesellschafter zu halten. Die Finanzverwaltung forderte daraufhin eine Schenkungsteuererklärung der Gesellschaft und setzte Schenkungsteuer fest. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage der Gesellschaft statt, die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde zugelassen.

Entscheidung
Das Gericht hat eine Schenkungsteuerpflicht für die Übertragung des Geschäftsanteils auf den Treuhänder verneint. Die Gesellschaft ist nicht Steuerschuldnerin, da der Geschäftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters nicht auf sie übergegangen war. Vielmehr wurde der Geschäftsanteil dem Treuhänder zum Nennwert übertragen. Laut Finanzgericht gab es weder eine Bereicherung der Gesellschaft noch der verbliebenen Gesellschafter, noch sei es zu einem Übergang der Vermögenssubstanz auf die Gesellschaft oder die anderen Gesellschafter gekommen.

Konsequenz
Scheidet ein Gesellschafter einer Wirtschaftsprüfgesellschaft unter Auszahlung des Nennbetrags seines Anteils aus und erfolgt eine Übertragung auf einen Treuhänder, so fällt keine Schenkungsteuer an. Wichtig ist, dass es keine Bereicherung der Gesellschaft oder der verbleibenden Gesellschafter gibt und ihnen auch keine Vermögenssubstanz übertragen wird.

Zum Einlagekonto bei Regiebetrieben

Zum Einlagekonto bei Regiebetrieben

Kernaussage
Bei einem als Regiebetrieb geführten Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sind in Höhe eines nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelten Jahresfehlbetrags Einlagen der Trägerkörperschaft anzunehmen und unmittelbar dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben. Dies gilt auch, wenn der Betrieb bilanziert und der Fehlbetrag durch bloße Buchverluste (z. B. durch Abschreibungen) entstanden ist.

Sachverhalt
Im Streitfall ging es um den Bestand des steuerlichen Einlagekontos eines als Regiebetrieb geführten Bäderbetriebs gewerblicher Art (BgA), der seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. Zum Betriebsvermögen gehörte die Beteiligung an einer GmbH. Die GmbH schüttete ihre nach Verlustverrechnung verbleibenden Gewinne regelmäßig an den Betrieb gewerblicher Art aus. Das Finanzamt nahm jährlich in Höhe der Ausschüttungen Abschreibungen auf den Wert der Beteiligung vor und beurteilte die damit verbundenen Vermögensminderungen als verdeckte Gewinnausschüttung, die in den ersten Jahren – mangels anderer Rücklagen – zu Minderungen des steuerlichen Einlagekontos führten. Die sich insgesamt beim Betrieb ergebenden Jahresfehlbeträge rechnete das Finanzamt dabei jedoch nicht dem Einlagekonto zu. In Folge dieser Berechnungsmethode überstieg die verdeckte Gewinnausschüttung schließlich das zum 31.12.2004 festgestellte steuerliche Einlagekonto, so dass vom Finanzamt insoweit eine kapitalertragsteuerpflichtige Leistung des Betriebs angenommen wurde. Um die hieraus erfolgte Haftungsinanspruchnahme der Stadt ging es in dem Verfahren. Das Finanzgericht hatte der Klage bereits zum Teil stattgegeben. Es war der Meinung, der Zugang zum steuerlichen Einlagekonto umfasse auch Buchverluste, selbst wenn der Haushalt der Trägerkörperschaft dadurch nicht belastet werde.

Entscheidung
Maßgeblich für die Zuführungen zum Einlagekonto ist laut Bundesfinanzhof (BFH) nicht das steuerbilanzielle, sondern der nach handelsrechtlichen Grundsätzen ermittelte Jahresfehlbetrag. Es ginge bei der Besteuerung des Kapitalertrags des BgA ohne eigene Rechtspersönlichkeit um die Erfassung von Vorgängen, die bei Kapitalgesellschaften als Gewinnausschüttungen anzusehen wären. Im Unterschied zum Eigenbetrieb bleibt der Regiebetrieb Teil der unmittelbaren Verwaltung. Demgemäß fließen Einnahmen der Regiebetriebe – anders als bei Eigenbetrieben – unmittelbar in den Haushalt und Ausgaben werden unmittelbar aus dem Haushalt der Trägerkörperschaft bestritten. Bei Regiebetrieben ist daher ein bilanzieller Verlustvortrag nicht möglich ist, sondern der Verlust gilt im Entstehungsjahr als durch Einlagen der Gemeinde ausgeglichen und führt deshalb zu einem entsprechenden Zugang im Einlagekonto.

Konsequenz
Das Urteil bestätigt die bisherige Rechtsprechung zum steuerlichen Einlagekonto und hat insofern klarstellenden Charakter. Bei Regiebetrieben ist darauf zu achten, in Verlustjahren die (fiktiven) Ausgleichszahlungen des Trägers als Zuführung zum steuerlichen Einlagekonto zu erklären. Ansonsten droht in Gewinnjahren ggf. zusätzliche Kapitalertragsteuer, weil eine kapitalertragsteuerfreie Rückzahlung von Einlagen anhand des steuerlichen Einlagekontos nicht belegt werden kann. Die Höhe des Verlustausgleichs bzw. Jahresverlustes soll ausdrücklich nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt werden. In der Praxis wird man abwägen müssen, ob es sich lohnt, deshalb neben der Einnahmeüberschussrechnung oder Steuerbilanz noch eine handelsrechtliche Schattenrechnungen (z. B. zur Abzinsung langfristiger Rückstellungen) anzustellen.

Rückstellungszeitpunkt für künftige Steuernachforderungen

Rückstellungszeitpunkt für künftige Steuernachforderungen

Kernfrage
Steuerpflichtige haben künftige Steuerbelastungen als Rückstellungen in ihrer Bilanz auszuweisen. Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen äußert sich in einer neuen Verfügung zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt Rückstellungen für Mehrsteuern in Folge einer Betriebsprüfung bzw. einer Steuerfahndungsprüfung zu passivieren sind.

Inhalt der OFD-Verfügung
Die lediglich auf allgemeiner Erfahrung beruhende Erwartung von Steuernachforderungen bei einer Betriebsprüfung rechtfertigt keine Bildung einer Rückstellung für betriebliche Mehrsteuern. Hat jedoch eine Betriebsprüfung bereits begonnen, so sind Rückstellungen für zu erwartende Betriebssteuern zu bilden. Die Steuern sind in dem Jahr zu passivieren, in dem sie wirtschaftlich verursacht wurden. Dagegen sind Rückstellungen für Mehrsteuern in Folge einer Steuerfahndungsprüfung erst im Jahr der Beanstandung einer bestimmten Sachbehandlung durch den Prüfer als Rückstellungen in der Bilanz auszuweisen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einer neueren Entscheidung bestätigt. Zudem stellte die OFD Niedersachsen klar, dass für hinterzogene Lohnsteuer vom Arbeitgeber in dem Zeitpunkt eine Rückstellung zu bilden ist, in dem er mit seiner Haftungsinanspruchnahme rechnen muss. Nachforderungen für Sozialversicherungsbeiträge sind dagegen im Jahr der Entstehung zurück zu stellen.

Konsequenz
Es besteht kein Widerspruch zwischen Verwaltungsmeinung und BFH-Rechtsprechung; somit profitiert der Steuerpflichtige von einer einheitlichen Regelung.