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Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen in der Rechnungslegung für Kleinkapitalgesellschaften (MicroBilG) – Blog.Steuer.org

Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer an das Bundesministerium der Justiz Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen in der Rechnungslegung für Kleinkapitalgesellschaften (MicroBilG)

Sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für die Zusendung des Referentenentwurfs zur Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen der Rechnungslegung für Kleinstkapitalgesellschaften (MicroBilG).
Die Bundessteuerberaterkammer begrüßt die rasche Umsetzung der EU-Richtlinie 2012/6/EU.
Gestatten Sie uns vorab die folgende Anmerkung:

Wir regen an, die Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU zum Anlass zu nehmen, das Ordnungsgeldverfahren bei Nichtvorlage, bzw. nicht fristgemäßer Vorlage des Jahresabschlusses zu überprüfen. Denn die praktische Anwendung der §§ 325 ff. HGB hat leider gezeigt, dass insbesondere der Automatismus hinsichtlich der Festsetzung der Mindesthöhe des Ordnungsgeldes über 2.500,00 € gem. § 335 Abs. 1 HGB zu nicht tragbaren Schärfen führt. Dieses gilt insbesondere auch deshalb, weil dieses Ordnungsgeld ggf. mehrfach festgesetzt wird, völlig unabhängig von der Schwere des Verstoßes und vor allen Dingen der Größe des Unternehmens, das betroffen ist.

Vor allen Dingen gibt es keine Möglichkeit, ein fehlendes Verschulden der Geschäftsführung einer Gesellschaft sowohl dem Grunde als vor allen Dingen auch der Höhe nach bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen. Zu denken ist etwa an den Fall, dass der alleinige Geschäftsführer eines Kleinstunternehmens schwer erkrankt ist und seinen rechtlichen Verpflichtungen nicht – rechtzeitig – nachkommen kann.

Aus diesem Grunde regen wir an, bei der Festsetzung eines Ordnungsgeldes, vor allen Dingen jedoch bei der Mindesthöhe des Ordnungsgeldes, Änderungen vorzunehmen. Es sollte zudem überlegt werden, ggf. den Erlass des Ordnungsgeldes im Billigkeitswege vorzusehen.

Dies gilt u. E. umso mehr, als dass auf europäischer Ebene durch die Europäische Richtlinie 78/660/EU in den Artikeln 47 ff. keine Mindestvorgaben für die Sanktionierung durch die Mitgliedstaaten vorgesehen ist.
Für die praktische Anwendung durch die Steuerberater wäre es u. E. sinnvoll, einen klarstellenden Hinweis aufzunehmen, dass die in Rede stehenden Vorschriften auch für Gesellschaften i. S. d. § 264 a HGB gelten.
Hinsichtlich der vorgesehenen Regelungen im Referentenentwurf selbst nehmen wir auf die beigefügte Anlage Bezug.

Mit freundlichen Grüßen
i. V.
Jörg Schwenker
Geschäftsführer

Anlage
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Micro-Richtlinie 2012/6/EU über Erleichterungen in der Rechnungslegung für Kleinkapitalgesellschaften (MicroBilG)

Artikel 1 – Änderung des Handelsgesetzbuchs
Zu 3. Einfügung eines Satzes in § 253 Abs. 1
Wir begrüßen die deutliche Absage einer Bewertung zum Zeitwert für Kleinstkapitalgesellschaften (§ 267a HGB), sofern sie von den vorgesehenen Erleichterungen Gebrauch machen.
Denn generell lehnt die Bundessteuerberaterkammer eine Bewertung zum Zeitwert für Bilanzierende, die nach dem HGB Rechnung legen, ab. Dennoch regen wir an, den allgemein gültigen Terminus „beizulegender Zeitwert“ auch an dieser Stelle zu verwenden.

Zu Nr. 4 – § 264 HGB
Zwar ist der Verzicht auf einen Anhang prinzipiell zu begrüßen, es stellt sich uns allerdings die Frage, wie der dann vorgesehene Ausweis unter der Bilanz konkret aussehen sollte. Völlig unabhängig davon sollte es besser statt … unter der der Bilanz ausweisen … unter der Bilanz angeben … heißen. Wegen der leichteren Lesbarkeit wäre es unter Umständen sinnvoller, ebenfalls in § 288 HGB eine Befreiung vorzunehmen und die in den Nr. 1, 2 und 3 geforderten Angaben in einer „Anlage“ zum Jahresabschluss aufzuführen.

Zu Nr. 6 – Anfügung eines Abs. 5 in § 264c HGB
Die Aussage dieses Absatzes bleibt im Dunkeln. Insbesondere ist nicht klar, was mit „Berechnung der Bilanzposten“ tatsächlich gemeint ist.
Leider erschließt sich der Sinngehalt des Abs. 5 auch nicht aus der Gesetzesbegründung und es bleibt unklar, ob nun ein Ausweis erforderlich ist oder nicht.
Soll damit erreicht werden, dass kleine haftungsbeschränkte Personenhandelsgesellschaften die Wahlrechte für kleine, bzw. Kleinstunternehmen hinsichtlich der Gliederungstiefe in Anspruch nehmen können?
Aus den vorstehenden Gründen regen wir eine Klarstellung an.

Zu Nr. 7 – Anfügung der Sätze 4 f. in § 266 Abs. 1
Diese Regelung beinhaltet die Möglichkeit, dass Kleinstkapitalgesellschaften auf den gesonderten Ausweis der Rechnungsabgrenzungsposten verzichten. Allerdings soll der Ausweis der Rechnungsabgrenzungsposten innerhalb der Forderungen bzw. Verbindlichkeiten erfolgen.
Wenn jedoch ein gesonderter Ausweis der materiell einzustufenden Rechnungsabgrenzungsposten als Forderungen/Verbindlichkeiten erfolgen muss, ist eine Erleichterung nicht damit verbunden, weil die gesonderte Berechnung der Posten auf jeden Fall erfolgen muss.
Vielmehr führt diese vermeintliche Erleichterung eher zu einer weiteren Erschwernis, weil entsprechend vorhandene Zuordnungstabellen abgeändert werden müssten.

Zu Nr. 9 Anfügung des Abs. 5 in § 275 HGB
Hier soll die verdichtete Gewinn- und Verlustrechnung geregelt werden. Dieses Gliederungsschema ist so aus der Richtlinie unverändert übernommen worden. Allerdings enthält die Richtlinie insoweit nur eine Mindestvorgabe, denn es heißt dort: „…b) gegebenenfalls nur eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung zu erstellen, in der zumindest folgende Posten gesondert ausgewiesen werden…“.
Dieses ist u. E. jedoch unter folgenden Aspekten missglückt:

1. Nettoumsatzerlöse
Dieser Terminus ist bisher gesetzlich nicht in § 275 HGB definiert. Es könnte auf den ersten Blick der Eindruck entstehen, als seien damit die Erlöse ohne Umsatzsteuer gemeint.
Gemeint sind jedoch „Erlöse aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit abzüglich Umsatzsteuer und Erlösschmälerungen“, wie sich aus einem Blick in die Richtlinie zu Art. 28 78/660/EWG ergibt. Hier sollte auf jeden Fall eine entsprechende Klarstellung erfolgen, da dem Rechtsanwender ein Studium der Richtlinientexte nicht zugemutet werden sollte.

2. Bestandsveränderungen, aktivierte Eigenleistungen usw.
Völlig im Dunkeln bleibt auch, wo aktivierte Eigenleistungen und Bestandsveränderungen bei einer Anwendung des Gesamtkostenverfahrens zuzuordnen sind.

3. Zinsaufwendungen, Zinserträge, Beteiligungserträge usw.
Dies gilt auch für das gesamte Finanzergebnis, also insbesondere Zinserträge und Zinsaufwendungen und Beteiligungserträge usw.

Im Rahmen der unterjährigen Buchhaltung werden aber die vorstehend genannten Positionen auf getrennten Konten gebucht, so dass es mittels einer Zuordnungstabelle ohne Weiteres möglich ist, die nicht verdichtete Gewinn- und Verlustrechnung entsprechend auszufüllen und darzustellen. Insofern ist keinerlei Erleichterung aus dieser „Verdichtung“ ersichtlich.

Gestatten Sie es uns noch auf einen weiteren Aspekt hinzuweisen. Gerade bei Kleinstkapitalgesellschaften kann es sinnvoll sein, die Gewinn- und Verlustrechnung stärker aufzugliedern als in § 275 Abs. 5 HBG-E vorgesehen. Denn die Buchhaltung und der Jahresabschluss übernehmen bei Kleinstkapitalgesellschaften häufig auch Controllingzwecke, so dass der Kaufmann etwa Abweichungen in einem Mehrjahresvergleich nachverfolgen kann und hieraus ggf. notwendige wirtschaftliche Maßnahmen ergreifen kann.

Fazit
Als Fazit unserer obigen Ausführungen sind die vorgesehenen Erleichterungen betreffend des Anhangs und der Offenlegung zu begrüßen. Die sog. „Verdichtungen“ sind aber u. E. eher kontraproduktiv und abzulehnen.
Unseres Erachtens wäre in diesem Zusammenhang zudem zu überprüfen, ob eine Konvergenz mit den Erfordernissen der E-Bilanz besteht, so dass ohne größeren Bürokratieaufwand die verdichteten Posten in die E-Bilanzierung Eingang finden können. Wäre dieses nicht der Fall, so würde der Sinn und Zweck dieses Gesetzes konterkariert, nämlich Bürokratie abzuschaffen und Kosten zu verringern. Dieses Petitum gilt gerade für Kleinstkapitalgesellschaften.

Anhebung des Grundfreibetrags

 Auswirkungen für Arbeitnehmer ab April

Der Bundesrat hat in seiner ersten Sitzung im neuen Jahr der Anhebung des Grundfreibetrags zugestimmt. Für das Jahr 2013 beträgt dieser 8.130 Euro sowie 8.354 Euro für das Jahr 2014. Der Bund der Steuerzahler begrüßt die Entscheidung des Bundesrates. Allerdings war die Anhebung des Grundfreibetrags erforderlich, um das verfassungsrechtliche Existenzminimum in ausreichendem Maße steuerfrei zu stellen.

Von der Anhebung des Grundfreibetrags profitieren alle Steuerzahler, denn sie müssen Steuern nur für das Einkommen zahlen, das über dem Grundfreibetrag liegt. Bei den Arbeitnehmern wird sich der höhere Grundfreibetrag in der Lohntüte aber frühestens im April 2013 auswirken, denn nun müssen erst die Softwareprogramme zum Lohnsteuerabzug umgestellt werden. Viele Selbstständige werden sogar erst mit der Einkommensteuererklärung 2013 etwas von der Anpassung spüren. Zu große Hoffnungen sollten sich die Steuerzahler aber nicht machen. Denn diese Regelung macht sich bei den Steuerzahlern mit maximal 24 Euro gegenüber dem Vorjahr bemerkbar.

Darüber hinaus fordert der Bund der Steuerzahler weitergehende Schritte zur Entlastung der Steuerzahler, z.B. über den Abbau der kalten Progression oder des Solidaritätszuschlags.

BdSt fordert praxisgerechte Umsetzung

Erst im Februar 2013 hat der Bundesrat der rückwirkenden Anhebung des steuerfreien Grundfreibetrags von 8.004 Euro auf 8.130 Euro pro Jahr zugestimmt. „Die Politik konnte sich nicht frühzeitig auf die verfassungsrechtlich gebotene Anhebung des Grundfreibetrags einigen, sodass gegenwärtig noch der niedrigere Grundfreibetrag bei der Lohnabrechnung angewendet wird. Nun muss eine schnelle und pragmatische Lösung gefunden werden, damit die Steuerzahler bereits in diesem Jahr vollständig von der Anhebung des Grundfreibetrags profitieren“, fordert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt).

Die Anhebung des Grundfreibetrags wird sich nämlich wahrscheinlich erst im April 2013 in der Lohntüte auswirken, denn nun müssen die Softwareprogramme zum Lohnsteuerabzug umgestellt werden. Damit wird für die Monate Januar, Februar und März 2013 zu viel Lohnsteuer abgezogen. Der BdSt fordert das Bundesministerium der Finanzen auf, eine unbürokratische Lösung für die Korrektur der Lohnabrechnungen Januar bis März 2013 zu finden. Einen entsprechenden Vorschlag hat der BdSt in einem Schreiben an das Bundesministerium der Finanzen unterbreitet. Er sieht vor, eine entsprechende Korrektur für die ersten drei Kalendermonate direkt im April vorzunehmen oder die Berichtigung über die verbleibenden neun Monate zu strecken.

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

Bundesregierung: Existenzminimumbericht bestätigt steuerpolitischen Kurs zum Abbau der kalten Progression

Das Bundeskabinett hat am heutigen 7. November 2012 den Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern beschlossen. Der Bericht bestätigt den steuerpolitischen Kurs der Bundesregierung zum Abbau der kalten Progression.

Erwerbseinkommen, soweit es zum dem Bestreiten des notwendigen Lebensunterhalts erforderlich ist, darf in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht besteuert werden. Um die Einhaltung dieser Vorgabe exakt zu überprüfen, legt die Bundesregierung seit 1995 alle zwei Jahre einen Bericht vor, in dem die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern auf der Basis statistischer Daten ermittelt wird. Künftig wird die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch alle zwei Jahre einen regelmäßigen Bericht zum Umfang der kalten Progression vorlegen.

Bereits der letzte (achte) Existenzminimumbericht aus dem Frühjahr 2011 hatte klar gemacht, dass der bestehende Grundfreibetrag (8.004 Euro) mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausreichen würde, um das Existenzminimum von Erwachsenen im Jahr 2013 steuerfrei zu halten. Die Bundesregierung hat deshalb die notwendige Anpassung des Grundfreibetrages bereits mit dem Gesetz zum Abbau der kalten Progression auf den Weg gebracht. Der jetzt vorgelegte 9. Existenzminimumbericht bestätigt die in den parlamentarischen Beratungen zum Gesetzentwurf vorgelegten Berechnungen. Die Unterdeckung beim Grundfreibetrag beträgt im Jahr 2013 120 Euro und im Jahr 2014 348 Euro. Das Gesetz zum Abbau der kalten Progression, mit dem die zentralen Tarifeckwerte an die Preisentwicklung angepasst werden, sieht eine Erhöhung des Grundfreibetrages um 126 Euro in 2013 und um weitere 224 Euro in 2014, also insgesamt um 350 Euro vor. Die Anpassungen des Grundfreibetrages sind damit hinreichend groß, zugleich aber auch zwingend erforderlich, um nicht zum 1. Januar 2013 eine verfassungswidrige Situation zu schaffen. Es gilt daher das in den parlamentarischen Beratungen befindliche Gesetz zum Abbau der kalten Progression zügig zu verabschieden, damit die Bürger in Deutschland nicht mit jeder Lohnerhöhung heimlich höher besteuert werden als zuvor.

Hinsichtlich des Kinderfreibetrags hat der 9. Existenzminimumbericht aufgezeigt, dass bis einschließlich 2013 kein Erhöhungsbedarf besteht. Erst ab 2014 weist der Kinderfreibetrag eine leichte Unterdeckung von 72 Euro auf, so dass eine Erhöhung erforderlich wird. Auch dies wird die Bundesregierung rechtzeitig gesetzgeberisch auf den Weg bringen.

Der Bericht wird nun dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zugeleitet. Er ist, wie unten angegeben, auf der Internetseite des Bundesministeriums der Finanzen veröffentlicht.

Broschüre: Schutz vor versteckten Steuererhöhungen (PDF, 2,5 MB)
Bundesregierung
Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Bericht zum Abbau der kalten Progression

BdSt-Forderung zeigt Wirkung

Der Bund der Steuerzahler begrüßt den Entschluss des Bundestages, künftig alle zwei Jahre einen Bericht zur Auswirkung der kalten Progression auf die steuerliche Belastung der Arbeitnehmer zu erstellen „Damit erfüllt die Politik nicht nur eine Forderung des Bundes der Steuerzahler, sondern verdeutlicht die Belastung der Arbeitnehmer durch die kalte Progression. Bei einer alleinigen Dokumentation der Belastung der Arbeitnehmer darf es jedoch nicht bleiben. Vielmehr muss die Politik jetzt Wege finden, um den Abbau der kalten Progression voranzutreiben“, kommentiert Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, den Beschluss des Bundestages.

„Der geplante Bericht wird verdeutlichen, dass der Staat derzeit überproportional von Lohnzuwächsen zum Ausgleich der Inflation profitiert, weil die Bürger zusätzlich besteuert werden. Die Blockadehaltung der von SPD und Grünen regierten Bundesländer im Bundesrat beim Abbau der kalten Progression ist nicht nachzuvollziehen und sollte schleunigst überwunden werden; schließlich sind davon alle Wähler betroffen“, so Holznagel. Die alleinige Anhebung des Grundfreibetrages auf 8.130 Euro rückwirkend zum 01. Januar 2013 ist für die Steuerzahler keine ausreichende Antwort auf ihre steigende Steuerbelastung. Hier erwarten die Steuerzahler von allen Parteien mehr Einsatz für ihre Belange und weniger Wahlkampfgetöse.

Bund der Steuerzahler Deutschland e.V.

Investitionszulage für den Betreiber einer Biogasanlage

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 04.03.2013
Streitjahre: 2002, 2003
Aktenzeichen: III B 124/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 2 InvZulG 1999, § 172 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 115 Abs 2 FGO
Investitionszulage für den Betreiber einer Biogasanlage

Leitsatz
1. NV: Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass sich im Investitionszulagenrecht der Begriff des verarbeitenden Gewerbes nach der Klassifikation der Wirtschaftszweige bestimmt.

2. NV: Für die zulagenrechtliche Einordnung eines Betriebes, der im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, kommt es auf die Vorschriften des deutschen Abfallwirtschaftsrechts und die hierzu ergangene Rechtsprechung nationaler Verwaltungsgerichte nicht an.

3. NV: Bei kumulativer Urteilsbegründung ist die Revision nur zuzulassen, wenn für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund schlüssig dargelegt wird und auch vorliegt.

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 6. Juni 2012, Az: 8 K 1738/06, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 26. Juli 2012, Az: III R 43/11
Vergleiche BFH, 23. März 2005, Az: III R 20/00
im Text BFH, 16. April 2002, Az: X B 102/01

Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt eine Biogasanlage. Sie nimmt Klärschlamm und Bioabfall gegen Entgelt an und vergärt nach einer Aufbereitung das organische Material in einem Biogasreaktor. Das durch die Vergärung entstehende Methangas nutzt sie zur Verstromung und Wärmegewinnung. Die Gärreste veräußert sie zur Nutzung als Düngemittel oder zur weiteren Energiegewinnung. Anträge auf Investitionszulage lehnte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) mit der Begründung ab, dass kein Betrieb des verarbeitenden Gewerbes vorliege; die Klägerin sei als Dienstleistungs- bzw. Energieversorgungsbetrieb nicht begünstigt. Das Finanzgericht bestätigte diese Einschätzung. Der Betrieb der Klägerin falle unter Abschnitt O Ziffer 90.02.4 „Biologische Abfallbeseitigung“, Unterklasse „Abfallaufbereitung durch biologische Behandlung zum Zwecke der Entsorgung, auch mit Gewinnung eines Nebenerzeugnisses (u.a. Biogas)“ der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2003 (WZ 2003).

2
Von einer weiter gehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.

Entscheidungsgründe
3
II. Die Beschwerde ist –bei erheblichen Bedenken gegen ihre Zulässigkeit– jedenfalls unbegründet und wird daher durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

4
1. a) Die auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt und die Rechtsfrage in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig und klärungsbedürftig ist (z.B. BFH-Beschluss vom 16. April 2002 X B 102/01, BFH/NV 2002, 1045). Ist das angegriffene Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt, von denen jeder für sich das Entscheidungsergebnis trägt, muss hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO geltend gemacht werden und auch vorliegen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 31 und § 116 Rz 28, m.w.N.).

5
b) Das Finanzgericht hat im Streitfall seine Entscheidung im eben beschriebenen Sinne kumulativ begründet. So ist es zum einen in entscheidungstragender Weise davon ausgegangen, dass der Korrekturtatbestand des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Satz 2 und Satz 3 Halbsatz 1 der Abgabenordnung nicht eingreift. Zum anderen hat es sein Urteil auf die materiell-rechtliche Begründung gestützt, dass die Klägerin im Sinne der WZ 2003 einen Abfallbeseitigungs- und damit Dienstleistungsbetrieb unterhält.

6
In Bezug auf die letztgenannte Begründung hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung.

7
aa) In der Beschwerde(begründungs)schrift wird die Rechtsfrage aufgeworfen, „ob und inwieweit die Behandlung der Klägerin im steuerlichen Sinn als Betrieb der Abfallbeseitigung tatsächlich mit der vom Gesetzgeber vorgegebenen Primalabfallverwertung zu vereinbaren ist“. Die Klägerin will mit diesen Ausführungen dahin verstanden werden, dass sie nach den Bestimmungen des deutschen Abfallwirtschaftsrechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kein Abfallbeseitigungs-, sondern ein Abfallverwertungsbetrieb sei; dem vom Gesetzgeber statuierten abfallrechtlichen Primat der Verwertung von Abfällen widerspreche es, wenn diese Verwertung steuerrechtlich als Abfallbeseitigung behandelt würde.

8
bb) Das Rechtsproblem, ob es für die investitionszulagenrechtliche Einordnung auf die abfallrechtliche Qualifikation der Tätigkeit der Klägerin ankommt, wurde in der Rechtsprechung des BFH bereits gelöst. Eine klärungsbedürftige Frage ist demnach nicht gegeben.

9
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der Begriff des verarbeitenden Gewerbes im Investitionszulagenrecht nach der für das jeweilige Kalenderjahr geltenden Klassifikation der Wirtschaftszweige, im Streitfall also nach der WZ 2003 (BFH-Urteile vom 23. März 2005 III R 20/00, BFHE 209, 186, BStBl II 2005, 497; vom 26. Juli 2012 III R 43/11, BFH/NV 2013, 86). Die WZ 2003 basiert, wie ihre Vorgängerin, die WZ 1993, auf der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft, die wiederum auf der Internationalen Systematik der Wirtschaftszweige der Vereinten Nationen aufbaut (vgl. Statistisches Bundesamt, Vorwort zur WZ 2003, abrufbar unter www.destatis.de; BFH-Urteil in BFHE 209, 186, BStBl II 2005, 497). Die Klassifikation ist damit Ausdruck einer generellen, weltweit harmonisierten Verkehrsauffassung über Zuordnungskriterien für Wirtschaftsunternehmen (BFH-Urteil in BFHE 209, 186, BStBl II 2005, 497, zur WZ 1993). Bereits dieser Befund schließt es aus, dass es für die Einordnung der Betriebe in die Klassifikation auf nationalstaatliche Gesetze ankommt, die zudem nur für einen kleinen Teil der insgesamt von der WZ erfassten Wirtschaftsunternehmen gelten und nicht dem Zweck der europarechtlich harmonisierten Investitionsförderung, sondern einem anderen Zweck dienen. Danach ist es geklärt, dass es für die investitionszulagenrechtliche Einordnung von Betrieben, die, wie der der Klägerin, im Bereich der Abfallwirtschaft tätig sind, auf die Vorschriften des deutschen Abfallwirtschaftsrechts und die hierzu ergangene Rechtsprechung nationaler Verwaltungsgerichte nicht ankommt.

10
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

BFH-Urteile im April (bis zum 10.4.2013 veröffentlichten Entscheidungen)

10.4.2013 V X.  Senat 6.2.2013 X K 11/12 Vertretungszwang auch bei Entschädigungsklagen – Vereinbarkeit des Vertretungszwangs mit höherrangigem Recht
10.4.2013 V VIII.  Senat 15.1.2013 VIII R 7/10 Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in einem allein genutzten Zweifamilienhaus – Einbindung eines Arbeitsraums in die häusliche Sphäre
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 21/13 vom 10.4.2013
10.4.2013 V VIII.  Senat 15.1.2013 VIII R 22/10 Keine Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung bei Anonymität der mutmaßlichen Haupttäter – Freie Beweiswürdigung des FG
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 20/13 vom 10.4.2013
10.4.2013 NV VII.  Senat 9.1.2013 VII B 67/12 Generalbevollmächtigter kann als Verfügungsberechtigter Haftungsschuldner sein
10.4.2013 NV VIII.  Senat 8.2.2013 VIII B 122/12 Anforderungen an die Darlegung der Verfassungswidrigkeit einer Norm
10.4.2013 NV VI.  Senat 7.2.2013 VI B 163/12 Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde – Glaubhaftmachung des Arrestanspruchs – Rechtsanwendungsfehler – Rügeverzicht bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht
10.4.2013 NV III.  Senat 14.2.2013 III B 67/12 Einkünftequalifikation bei Tätigkeiten als Disability Manager
10.4.2013 NV III.  Senat 4.3.2013 III B 124/12 Investitionszulage für den Betreiber einer Biogasanlage
10.4.2013 NV II.  Senat 21.2.2013 II B 113/12 Heilung eines Bekanntgabemangels durch Zugang des Bescheids beim Empfangsberechtigten; Wiederholung eines wirksamen Bescheids
10.4.2013 NV III.  Senat 4.3.2013 III B 64/12 Gewerbesteuerfreiheit für einen Lotterieeinnehmer
10.4.2013 NV V.  Senat 22.2.2013 V B 72/12 Einseitige Erledigungserklärung, Übergang vom Sach- zum Feststellungsantrag, Hilfsweises Aufrechterhalten des Sachantrags, Konkludente Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten, Verhältnis von Gestattungs- und Festsetzungsverfahren
10.4.2013 NV X.  Senat 19.2.2013 X B 119/12 Bemessung des PKW-Eigenverbrauchs nach der sog. 1 %-Regelung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen
10.4.2013 NV X.  Senat 12.3.2013 X S 12/13 (PKH) Keine Verkürzung der Sechs-Monats-Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG – Fristbeginn – Verfassungsmäßigkeit der Fristenregelung – Abgrenzung zu § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG – Prüfung des Vorliegens einer unangemessenen Verzögerung nur bei Zulässigkeit der Entschädigungsklage
10.4.2013 NV V.  Senat 1.3.2013 V B 112/11 Erlass von Nachzahlungszinsen
10.4.2013 NV V.  Senat 24.1.2013 V R 42/11 Prüfung der Grenzbetragsüberschreitung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
10.4.2013 NV VI.  Senat 8.2.2013 VI B 100/12 Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens als Verfahrensmangel
3.4.2013 V XI.  Senat 23.1.2013 XI R 27/11 Klärschlammabfuhren unterliegen nicht der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG
3.4.2013 V IX.  Senat 22.1.2013 IX R 19/11 Vorübergehender Leerstand von zur Untervermietung bereit gehaltener Räume in der Wohnung des Steuerpflichtigen
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 7/13 vom 6.2.2013
3.4.2013 V VI.  Senat 16.1.2013 VI R 14/12 Kindergeld: Fahrtaufwendungen als Werbungskosten – Dienstverhältnis i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG
3.4.2013 V V.  Senat 7.2.2013 V R 22/12 Anforderungen an Berufsqualifikation bei Heilbehandlungen – Erbringung steuerfreier Heilbehandlungsleistungen durch einen Podologen
3.4.2013 V III.  Senat 30.1.2013 III R 84/11 Abgrenzung zwischen den berufsüblichen und den außerordentlichen Einkünften eines Rechtsanwalts
siehe auch: Pressemitteilung Nr. 18/13 vom 3.4.2013
3.4.2013 NV VII.  Senat 5.2.2013 VII R 37/11 Zolltarif: Einreihung sogenannter Silikonventile
3.4.2013 NV VII.  Senat 21.1.2013 VII B 44/12 Energiesteuerbefreiung der gewerblichen Schifffahrt
3.4.2013 NV IX.  Senat 15.2.2013 IX B 178/12 Versagung rechtlichen Gehörs durch Ablehnung eines Antrags auf Terminsverlegung – Wahrnehmung der Rechte des Beteiligten durch prozessbevollmächtigten und in selber Kanzlei tätigen Ehegatten
3.4.2013 NV II.  Senat 1.3.2013 II B 83/12 Fehlende Urteilsgründe i.S. des § 119 Nr. 6 FGO – kraftfahrzeugsteuerliche Einordnung von Pickup-Fahrzeugen
3.4.2013 NV IX.  Senat 20.2.2013 IX B 179/12 Divergenz

Bund der Steuerzahler fordert Abbau der heimlichen Steuererhöhung

Mehr Geld – weniger Kaufkraft: Sinkende Realeinkommen durch kalte Progression

Aktuelle Zahlen des Bundesministeriums der Finanzen belegen: Der Fiskus macht bei den Steuerzahlern über die kalte Progression ordentlich Kasse. Und zwar mehr, als bislang zugegeben.

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler fordert: Die Politik sollte den Abbau der kalten Progression in Angriff nehmen, schließlich werden die Steuerzahler durch die kalte Progression überproportional besteuert. Davor darf auch der Bundesrat die Augen nicht verschließen. Mit einem Abbau der kalten Progression könnten besonders kleine und mittlere Einkommen von zukünftigen ungerechtfertigten Steuererhöhungen befreit werden.

„Gegenwärtig profitiert bei Lohn- und Einkommenssteigerungen vor allem der Fiskus. Ein Inflationsausgleich von beispielsweise 2,5 % führt zu einer durchschnittlichen Steuererhöhung von über 4,5 %. Das muss sich ändern. Zumal der Effekt der kalten Progression über die jüngste Anhebung des Grundfreibetrag auf 8.130 EUR nochmals verschärft wurde. Jeder mehr verdiente Euro führt damit – gerade bei kleineren Einkommen knapp über diesem Betrag – zu einer extremen Steuermehrbelastung“, so Holznagel weiter.

Nach Zahlen des Bundesministeriums der Finanzen nimmt der Fiskus rund 9 Milliarden Euro allein in den Jahren 2011 bis 2013 zusätzlich aus der kalten Progression ein. Auch im Jahr 2014 sind Mehreinnahmen von 3 Milliarden Euro zu erwarten. Wie hoch die ungerechtfertigte Besteuerung der Steuerzahler aus der kalten Progression ist, zeigen folgende Berechnungen, die hier einzusehen sind.

(Als kalte Progression bezeichnet man die Steuermehrbelastung bei steigendem Einkommen, wenn der Steuertarif nicht an die Inflation angepasst wird.)

Pressemitteilung des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V.

Bemessung des PKW-Eigenverbrauchs nach der sog. 1 %-Regelung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 19.02.2013
Streitjahr: 2008
Aktenzeichen: X B 119/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2002, § 115 Abs 2 FGO, EStG VZ 2008
(Bemessung des PKW-Eigenverbrauchs nach der sog. 1 %-Regelung i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei fehlender Mitwirkung des Steuerpflichtigen)

Leitsatz
NV: Soweit der Steuerpflichtige bei Fahrzeugen, die so gut wie ausschließlich zur Beförderung von Gütern bestimmt sind, seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, kann ein Privatanteil nach der 1%-Methode angesetzt werden (Rn.9).

Orientierungssatz
NV: Der Rechtssatz, dass ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, der 1 %-Regelung nicht unterfällt (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2008 VI R 34/07), führt nicht automatisch dazu, dass ein solches Fahrzeug immer aus der Bewertungsregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG herauszunehmen ist. Es sind konkrete Feststellungen im Einzelnen zu treffen, die es erlauben, eine Privatnutzung tatsächlich auszuschließen (Rn.9).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 4. Mai 2012, Az: 4 K 318/11, Urteil
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
im Text BFH, 30. August 2012, Az: X B 97/11
im Text BFH, 5. Oktober 2010, Az: X B 72/10
Vergleiche BFH, 18. Dezember 2008, Az: VI R 34/07
Vergleiche BFH, 13. Februar 2003, Az: X R 23/01

Tatbestand
1
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) nutzte im Streitjahr 2008 einen Opel … Kastenwagen im Rahmen seines Hausmeisterservices. Er führte kein Fahrtenbuch.

2
Abweichend von seinen Erklärungen ermittelte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) den PKW-Eigenverbrauch nach der 1 %-Methode i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und erhöhte entsprechend die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfestsetzungen wie auch den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 2008.

3
Im Klageverfahren reichte der Kläger Unterlagen in Bezug auf den Neupreis des KFZs ein, woraufhin sich das FA bereit erklärte, geringere Beträge nach der 1 %-Methode anzusetzen. Das Finanzgericht (FG) schloss sich der Berechnung des FA an, korrigierte insoweit die Festsetzungen wie auch den Gewerbesteuermessbetrag und wies die Klage im Übrigen als unbegründet ab.

4
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger Divergenz.

Entscheidungsgründe
5
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der vom Kläger benannte Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt trotz erheblicher Bedenken in Bezug auf die Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO zumindest in der Sache nicht vor.

6
1. Eine die einheitliche Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gefährdende Divergenz ist gegeben, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der Bundesfinanzhof (BFH), das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes FG. Das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 30. August 2012 X B 97/11, BFH/NV 2013, 13, m.w.N.).

7
Zur schlüssigen Darstellung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO gehört u.a. die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung deutlich erkennbar zu machen. Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2010 X B 72/10, BFH/NV 2011, 273, m.w.N.).

8
Der Kläger trägt vor, dem angefochtenen Urteil des FG liege der Rechtssatz zugrunde, dass jedwedes zum Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen rechnende Kraftfahrzeug auch für private Zwecke genutzt werden könne. Damit weiche das Urteil von der ständigen Rechtsprechung des BFH, insbesondere den Urteilen vom 18. Dezember 2008 VI R 34/07 (BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381) und vom 13. Februar 2003 X R 23/01 (BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472) ab, nach denen die LKWs von der Anwendung der 1 %-Regelung auszunehmen seien.

9
Das Urteil des FG beruht nicht auf dem von dem Kläger gebildeten abstrakten Rechtssatz. Entgegen der Auffassung des Klägers verkennt das FG nicht den im Urteil des BFH in BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381 ausgesprochenen Rechtssatz, dass ein Fahrzeug, das aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise so gut wie ausschließlich nur zur Beförderung von Gütern bestimmt ist, der 1 %-Regelung nicht unterfällt. Anders als der Kläger annimmt, führt dies nicht automatisch dazu, dass ein solches Fahrzeug immer aus der Bewertungsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG herauszunehmen ist. Es sind, auch dies wird in diesem Urteil vom BFH klargestellt, konkrete Feststellungen im Einzelnen zu treffen, die es erlauben, eine Privatnutzung tatsächlich auszuschließen. Hierzu bedarf es aber der Mitwirkung des Steuerpflichtigen, die im Streitfall unterblieben ist. In diesem Fall kann eine Privatnutzung ausnahmsweise nicht ausgeschlossen werden, so dass die 1 %-Regelung zum Tragen kommt. Dies entspricht im Ergebnis auch dem Senatsurteil in BFHE 201, 499, BStBl II 2003, 472, nach dem die bloße Behauptung des Steuerpflichtigen, der betriebliche PKW werde nicht zu Privatfahrten genutzt oder Privatfahrten würden ausschließlich mit anderen Fahrzeugen durchgeführt, nicht ausreicht, um die Anwendung der 1 %-Regelung auszuschließen.

10
2. Der Kläger macht letztlich nur Rechtsanwendungsfehler geltend. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) ist die Revision zwar auch dann zuzulassen, wenn ein solcher Rechtsanwendungsfehler des FG zu einer „greifbaren gesetzwidrigen“ Entscheidung führt (vgl. im Einzelnen Senatsbeschuss in BFH/NV 2013, 13, m.w.N.). Da aber schon ein einfacher Rechtsanwendungsfehler nicht erkennbar ist, ist auch insoweit die Revision nicht zuzulassen.

Gewerbesteuerfreiheit für einen Lotterieeinnehmer

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 04.03.2013
Streitjahr: 2007
Aktenzeichen: III B 64/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 3 Nr 1 GewStG 2002, § 13 GewStDV 2002, GewStG VZ 2007
Gewerbesteuerfreiheit für einen Lotterieeinnehmer

Leitsatz
NV: Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass die für staatliche Lotterieunternehmen geltenden Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 1 GewStG und § 13 GewStDV strikt auf solche Unternehmen beschränkt sind, die der Staat unmittelbar selbst betreibt oder die in der Form der rechtsfähigen, der Staatsaufsicht unterliegenden Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert sind(Rn.5).

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 1. Dezember 2010, Az: IV R 18/09
im Text BFH, 28. Juni 2006, Az: IV B 75/05
Vergleiche BFH, 19. November 1985, Az: VIII R 310/83
Vergleiche BFH, 13. November 1963, Az: GrS 1/62 S
Vergleiche BFH, 14. März 1961, Az: I 240/60 S

Gründe
1
Die Beschwerde ist –bei erheblichen Bedenken gegen ihre Zulässigkeit– jedenfalls unbegründet und wird daher durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).

2
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

3
a) Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den Bundesfinanzhof (BFH) aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei soll es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig sein muss. Eine Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH erforderlich machen (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2006 IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243).

4
b) Die Rechtsfrage, ob die X-Personengesellschaft eine staatliche Lotterie i.S. des § 3 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist und dadurch die Einnehmer dieser Gesellschaft gemäß § 13 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) als Einnehmer einer staatlichen Lotterie von der Gewerbesteuer befreit sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung. Es fehlt an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage.

5
aa) Der BFH hat bereits mehrfach in rechtsgrundsätzlicher Weise entschieden, dass die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschriften nach § 3 Nr. 1 GewStG und § 13 GewStDV –ausgehend vom Wortsinn „staatlich“– strikt auf solche Unternehmen beschränkt ist, die der Staat unmittelbar selbst betreibt oder die in der Form der rechtsfähigen, der Staatsaufsicht unterliegenden Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert sind (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1961 I 240/60 S, BFHE 72, 581, BStBl III 1961, 212; vom 19. November 1985 VIII R 310/83, BStBl II 1986, 719; vom 1. Dezember 2010 IV R 18/09, BFHE 232, 197, BStBl II 2011, 368; Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/62 S, BFHE 78, 496, BStBl III 1964, 190).

6
bb) Neue, vom BFH bislang nicht geprüfte rechtliche Gesichtspunkte ergeben sich aus der Beschwerde(begründungs)schrift nicht. Der Hinweis der Klägerin auf die Rechtsform der Personengesellschaft, die im Unterschied zur Rechtsform der Kapitalgesellschaft die Ebenen der Gesellschaft und der Gesellschafter nicht vollständig trennt, begründet keinen neuerlichen Klärungsbedarf. Denn der BFH hat bereits entschieden, dass die Steuerbefreiung zu versagen ist, wenn die Lotterie in irgendeiner bürgerlich-rechtlichen Form betrieben wird (BFH-Urteil in BStBl II 1986, 719). Der Unterschied zwischen einer Kapitalgesellschaft und einer offenen Handelsgesellschaft ist damit nicht rechtserheblich. Es spielt auch keine Rolle, ob sich die Anteile der Gesellschaft in der Hand des Staates befinden und dieser über seine Gesellschafterstellung Einfluss ausüben kann (vgl. in BStBl II 1986, 719, m.w.N.).

7
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen. Die Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist unbegründet. Denn das angegriffene Urteil beruht nicht auf dem geltend gemachten Fehler.

8
a) Die Revision ist nur dann gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen, wenn das Urteil des Finanzgerichts (FG) auf dem Verfahrensmangel beruht. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre. Dabei kommt es bei Verfahrensfehlern, die die Ermittlung des Sachverhalts betreffen, grundsätzlich auf den materiell-rechtlichen Standpunkt an, den das FG eingenommen hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 79 und 96, jeweils m.w.N.).

9
b) Nach der Rechtsauffassung des FG war für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiungsvorschriften allein auf die Rechtsform des Lotteriebetreibers abzustellen. Dagegen war nicht maßgeblich, ob sich die X-Personengesellschaft selbst als staatlich konzessionierte Lotteriegesellschaft bezeichnet oder ob sie –ausgehend von der geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Unrecht– seitens des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) als staatliches Lotterieunternehmen geführt wird. Da diese von der Klägerin genannten Gesichtspunkte für das FG rechtlich irrelevant waren und die Rechtsform der Lotteriebetreiberin zur Überzeugung aller Beteiligten feststand, bedurfte es keiner weiter gehenden Erforschung des Sachverhalts.

Heilung eines Bekanntgabemangels durch Zugang des Bescheids beim Empfangsberechtigten; Wiederholung eines wirksamen Bescheids

Gericht: BFH 2. Senat
Entscheidungsdatum: 21.02.2013
Aktenzeichen: II B 113/12
Entscheidungstyp: Beschluss
Normen:§ 9 VwZG, § 8 VwZG vom 12.08.2005, § 189 ZPO

Heilung eines Bekanntgabemangels durch Zugang des Bescheids beim Empfangsberechtigten; Wiederholung eines wirksamen Bescheids

Leitsatz

1. NV: Wurde ein Steuerbescheid statt dem empfangsbevollmächtigten Steuerberater dem Steuerpflichtigen persönlich bekannt gegeben, genügt es für die Heilung des Bekanntgabemangels, dass der Bescheid in der Kanzlei des Steuerberaters eingeht. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerberater den Bescheid zur Kenntnis nimmt(Rn.5).

2. NV: Ist ein Steuerbescheid wirksam bekannt gegeben worden, kommt es auch dann, wenn das Finanzamt später einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt bekannt gegeben hat, für alle Folgefragen einschließlich des Beginns der Einspruchsfrist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des ersten Bescheids an(Rn.20).

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Mai 2012, Az: 2 K 1152/11, Urteil

Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 14. November 2012, Az: II R 14/11
im Text BFH, 7. März 2012, Az: II B 90/11
Vergleiche BFH, 21. September 2011, Az: I R 50/10
im Text BFH, 8. Juni 2011, Az: X B 216/10
Vergleiche BFH, 9. Dezember 2009, Az: X R 54/06
Vergleiche BFH, 19. September 2007, Az: VI B 151/06
Vergleiche BFH, 25. Februar 2005, Az: III B 77/04
Vergleiche BFH, 14. Mai 2003, Az: XI R 37/99
Vergleiche BFH, 8. Dezember 1988, Az: IV R 24/87
Vergleiche BGH, 23. November 1977, Az: VIII ZR 107/76
Gründe
1
Die Beschwerde ist unbegründet und war daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Soweit die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt, liegen die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) nicht vor.
2

1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO wegen einer Abweichung eines der Vorentscheidung zugrunde liegenden, tragenden Rechtssatzes von einem Rechtssatz zuzulassen, der die von der Klägerin angeführten Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) trägt. Eine solche Abweichung liegt nicht vor.
3
a) Nach der Auffassung des Finanzgerichts (FG) war der Grunderwerbsteuerbescheid vom 4. März 2008 zwar zunächst nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden, weil ihn der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) der Rechtsvorgängerin der Klägerin und nicht der empfangsberechtigten Steuerberatungs-GmbH übersandt hatte. Dieser Bekanntgabemangel sei aber dadurch geheilt worden, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Bescheid an die GmbH weitergeleitet habe, der Bescheid dadurch in den Machtbereich der GmbH gelangt sei und die zu deren Vertretung befugten Personen daher von dem Bescheid Kenntnis hätten nehmen können. Der Heilung des Bekanntgabemangels habe es nicht entgegengestanden, wenn eine zur Vertretung der GmbH befugte Person den Bescheid tatsächlich nicht zur Kenntnis genommen haben sollte. Entscheidend sei vielmehr der Zugang des Bescheids bei der GmbH. Dieser Zugang sei dadurch nachgewiesen, dass die GmbH der Rechtsvorgängerin der Klägerin durch das von einer Mitarbeiterin der GmbH „i.A.“ unterzeichnete Schreiben vom 6. März 2008 mitgeteilt habe, dass kein Anlass für eine Anfechtung des Bescheids bestehe.

4
b) Mit dieser Begründung ist das FG nicht von einem Rechtssatz abgewichen, der die von der Klägerin angeführten Urteile des BFH trägt.

5
aa) Nach dem BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 24/87 (BFHE 155, 472, BStBl II 1989, 346) wird dann, wenn ein Steuerbescheid dem betroffenen Steuerpflichtigen bekannt gegeben und dadurch eine von ihm erteilte Bekanntgabevollmacht zugunsten seines Steuerberaters nicht beachtet wird, der Bekanntgabemangel durch die Weiterleitung des Steuerbescheids an den Bevollmächtigten geheilt. Die Einspruchsfrist beginnt mit dem Erhalt des Bescheids durch den Bevollmächtigten.

6
Zur Begründung verwies der BFH auf die Rechtslage bei der förmlichen Zustellung, bei der ein Zustellungsmangel gemäß § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (VwZG a.F.) in dem Zeitpunkt geheilt wurde, in dem der Empfangsberechtigte den Bescheid „nachweislich erhalten hat“.

7
Der BFH hat in dieser Entscheidung nicht ausgeführt, die Heilung des Bekanntgabemangels setze über einen Zugang des Bescheids in der Kanzlei des Empfangsbevollmächtigten hinaus voraus, dass der Empfangsbevollmächtigte oder eine zur Vertretung der zum Empfang bevollmächtigten Steuerberatungsgesellschaft berechtigte Person den Bescheid persönlich in die Hand nehme.

8
Im Übrigen ist die Bezugnahme auf § 9 Abs. 1 VwZG a.F. im BFH-Urteil in BFHE 155, 472, BStBl II 1989, 346 insofern überholt, als mit Wirkung vom 1. Februar 2006 an die Stelle dieser Vorschrift § 8 VwZG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Novellierung des Verwaltungszustellungsrechts vom 12. August 2005 (BGBl I 2005, 2354) getreten ist (Art. 4 Abs. 1 dieses Gesetzes) und es nach dem Wortlaut des § 8 VwZG für die Heilung von Zustellungsmängeln darauf ankommt, dass das zuzustellende Dokument dem Empfangsberechtigten „tatsächlich zugegangen ist“.

9
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dem die Heilung von Zustellungsmängeln im Zivilprozess betreffenden § 187 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. ist ein Schriftstück dann zugegangen, wenn es so in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass er Gelegenheit zur Kenntnisnahme hat. Der schikanösen Rüge von Zustellungsmängeln durch den Adressaten werde mit der Feststellung des Zugangs des Schriftstücks auf sonstige Art die Grundlage entzogen (BGH-Urteil vom 23. November 1977 VIII ZR 107/76, Neue Juristische Wochenschrift 1978, 426).

10
Der BFH sieht den tatsächlichen Zugang i.S. des an die Stelle von § 187 ZPO a.F. getretenen § 189 ZPO als gegeben an, wenn das zuzustellende Schriftstück derart in die Hände des Zustellungsadressaten gelangt ist, dass er es behalten und von seinem Inhalt Kenntnis nehmen kann (BFH-Urteil vom 21. September 2011 I R 50/10, BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197, Rz 10; BFH-Beschluss vom 19. September 2007 VI B 151/06, BFH/NV 2007, 2332, unter 1.). Die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Zustellungsadressaten fordert der BFH nicht.

11
In der Literatur zu § 189 ZPO wird ausgeführt, ein Schriftstück sei dann zugegangen, wenn es so in den „Machtbereich“ (Stein/Jonas/Herbert Roth, ZPO, 22. Aufl., § 189 Rz 7; MünchKommZPO/Häublein, 4. Aufl., § 189 Rz 8; Wittschier in Musielak, ZPO, 9. Aufl., § 189 Rz 3) oder den „Herrschaftsbereich“ (so Kessen in Prütting/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., § 189 Rz 4) des Adressaten gelangt sei, dass er es behalten könne und Gelegenheit zur Kenntnisnahme von dessen Inhalt habe. Dabei wird „in den Machtbereich oder in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt“ gleichbedeutend mit „in die Hand des Adressaten gelangt“ verwendet (Stein/Jonas/Herbert Roth, a.a.O.; MünchKommZPO/Häublein, a.a.O.; Wittschier, a.a.O.; Kessen, a.a.O.). Dass der Adressat von dem Schriftstück tatsächlich Kenntnis nehmen müsse, wird ausdrücklich nicht als erforderlich angesehen (Stein/Jonas/Herbert Roth, a.a.O.; Kessen, a.a.O.).

12
bb) Das Urteil des FG weicht auch nicht von dem BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 37/99 (BFH/NV 2004, 198) ab. Dieses Urteil betraf zum einen nicht die unter Nichtbeachtung einer Bekanntgabevollmacht erfolgende Bekanntgabe eines Steuerbescheids an den Steuerpflichtigen persönlich und die Weiterleitung des Bescheids an den Empfangsbevollmächtigten, sondern die Bekanntgabe eines Änderungsbescheids während des finanzgerichtlichen Verfahrens nicht an den Prozessbevollmächtigten, sondern an die Partnerschaft, an der der Prozessbevollmächtigte beteiligt ist. Zum anderen bezog sich der BFH auf die im seinerzeit maßgeblichen Zeitpunkt noch geltende Vorschrift des § 9 Abs. 2 VwZG a.F., nach der § 9 Abs. 1 VwZG a.F. nicht anzuwenden war, wenn mit der Zustellung eine Frist für die Erhebung der Klage, eine Berufungs-, Revisions- oder Rechtsmittelbegründungsfrist begann. Eine vergleichbare Vorschrift enthält § 8 VwZG nicht mehr.

13
cc) Soweit die Klägerin eine Abweichung der Vorentscheidung von weiteren Urteilen des BFH rügt, genügt die Beschwerdebegründung schon deshalb nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO, weil diese Entscheidungen weder mit Datum und Aktenzeichen noch mit einer Fundstelle bezeichnet sind und daher nicht erkennbar ist, welche Entscheidungen die Klägerin ansprechen will (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 8. Juni 2011 X B 216/10, BFH/NV 2011, 1511, Rz 11).

14
2. Die Verfahrensrüge ist ebenfalls unbegründet, soweit die Klägerin das Vorliegen des von ihr gerügten Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) überhaupt schlüssig dargelegt hat.

15
a) Die Revision ist nach dieser Vorschrift zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das finanzgerichtliche Urteil beruhen kann. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Mangel gestützt, so bedarf es hierfür eines genauen Vortrags der Tatsachen, die den Mangel schlüssig ergeben. Zudem muss außer bei den absoluten Revisionsgründen gemäß § 119 FGO dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung –ausgehend von der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG– auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen könne, sie also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (BFH-Beschluss vom 7. März 2012 II B 90/11, BFH/NV 2012, 998, m.w.N.).

16
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung jedenfalls hinsichtlich des Bescheids vom 4. März 2008 nicht. Aus ihr geht nicht schlüssig hervor, warum das FG auf der Grundlage der von ihm vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung verpflichtet gewesen sein soll, den von der Klägerin schriftsätzlich gestellten Beweisanträgen nachzukommen, und inwiefern das Ergebnis einer Beweisaufnahme auf der Grundlage dieser Auffassung des FG zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Nach Ansicht des FG wurde, wie bereits ausgeführt, der Bekanntgabemangel bereits durch den Zugang des Bescheids vom 4. März 2008 bei der GmbH geheilt; denn ab diesem Zeitpunkt konnten die zur Vertretung der GmbH berechtigten Personen von dem im Machtbereich der GmbH befindlichen Bescheid Kenntnis nehmen. Ob eine solche Kenntnisnahme tatsächlich erfolgt ist oder aus welchen Gründen dies nicht der Fall war, sah das FG nicht als entscheidungserheblich an.

17
c) Soweit die Klägerin den geltend gemachten Verfahrensmangel auf den Bescheid vom 27. Dezember 2010 bezieht, ist die Beschwerde jedenfalls unbegründet.

18
Das FG hat insoweit ausgeführt, es handle sich bei diesem Bescheid nicht um eine neue, eigenständige Steuerfestsetzung, sondern lediglich um eine Wiederholung des (inhaltsgleichen) Bescheids vom 4. März 2008. Dies hätten die zur Vertretung der GmbH berufenen Personen gewusst bzw. wissen müssen.

19
Soweit die Klägerin vorträgt, bei einer weiteren Sachaufklärung hätte sich die Unrichtigkeit dieser Ansicht des FG zur subjektiven Seite ergeben, kann dies der Rüge des Verfahrensmangels nicht zum Erfolg verhelfen.

20
Ist ein Steuerbescheid wirksam bekannt gegeben worden, kommt es für alle Folgefragen einschließlich des Beginns der Einspruchsfrist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheids an. Hat das FA wegen bestehender Zweifel am Zugang eines Steuerbescheids einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt bekannt gegeben oder eine Bescheidkopie übermittelt, kommt dem nur dann Bedeutung zu, wenn die Bekanntgabe zuvor nicht wirksam gewesen war (BFH-Urteile vom 9. Dezember 2009 X R 54/06, BFHE 228, 111, BStBl II 2010, 732, unter II.1.b aa, und vom 14. November 2012 II R 14/11, www.bundesfinanzhof.de). Auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen oder dessen Bevollmächtigten von der Wirksamkeit der Bekanntgabe des ursprünglichen Steuerbescheids kommt es nicht an.

21
Dies ist im Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision in entsprechender Anwendung des § 126 Abs. 4 FGO zu beachten (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2005 III B 77/04, BFH/NV 2005, 1276, unter 2.b, m.w.N.).

Geplante Verkürzung der steuerlichen Aufbewahrungsfristen entlastet unsere Unternehmen

Zu der heute vom Bundeskabinett verabschiedeten Neuregelung zur Verkürzung der Aufbewahrungsfristen sowie zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften erklärt der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler:

„Ich begrüße die heute beschlossene Neuregelung für kürzere Aufbewahrungsfristen von steuerlichen Unterlagen ausdrücklich. Sie ist ein wichtiger Schritt hin zu weiteren Entlastungen für unsere Unternehmen. Insgesamt entlasten wir die Unternehmen damit um rund 2,5 Milliarden Euro jährlich. Mit dem heutigen Beschluss treibt die Bundesregierung den Bürokratieabbau konsequent voran. Entsprechende Vorschläge waren im letzten Jahr auf den Widerstand der Länder im Bundesrat getroffen. Ich hoffe nun auf Einsicht und Zustimmung der Länder zu unserer Neuregelung.“

Die heute vom Bundeskabinett beschlossene Formulierungshilfe für den Entwurf eines Gesetzes zur Verkürzung der Aufbewahrungsfristen sowie zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften wird nun dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet. Der Entwurf sieht Maßnahmen zur Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Verwaltung vor. Hervorzuheben ist insbesondere die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für steuerliche Unterlagen von derzeit zehn Jahren rückwirkend ab 2013 auf acht und in einem weiteren Schritt ab 2015 auf sieben Jahre. Diese Maßnahme trägt wesentlich zum Bürokratieabbau bei.

BMWi PRESSEMITTEILUNG 10.4.2013