Steuerliche Vorrechte und Befreiungen auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen

BMF, Schreiben IV B 4 – S-1311 / 07 / 10039 vom 18.03.2013

Als Anlage übersende ich die nach dem Stand vom 1. Januar 2013 aktualisierte Zusammenstellung der Fundstellen der zwischenstaatlichen Vereinbarungen, Zustimmungsgesetze und Rechtsverordnungen, aufgrund derer Personen, Personenvereinigungen, Körperschaften, internationalen Organisationen oder ausländischen Staaten Befreiungen von deutschen Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gewährt werden (ausgenommen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung).

Dieses Schreiben tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 20. August 2007 (BStBl I S. 656), welches hiermit aufgehoben wird.

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Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe

Vorläufige Festsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) des Gewerbesteuermessbetrags: Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe und der Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 1 Buchstaben a, d und e GewStG

Sämtliche Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrags für Erhebungszeiträume ab 2008 sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 5b EStG) vorläufig gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO durchzuführen. Ferner sind Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrags für Erhebungszeiträume ab 2008 mit Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag nach § 8 Nummer 1 Buchstabe a, d oder e GewStG im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Hinzurechnungsvorschriften vorläufig gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO durchzuführen. Die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25. April 2013 regeln, welcher Erläuterungstext in die Gewerbesteuermessbescheide aufzunehmen ist.

Vorläufige Festsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) des Gewerbesteuermessbetrags; Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe und der Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 1 Buchstaben a, d und e GewStG (PDF, 41,2 KB)

Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 25. April 2013

Vorläufige Festsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) des Gewerbesteuermessbetrags; Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe  und der Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 1 Buchstaben a, d und e GewStG
TOP 4 der Sitzung AO I/2013 vom 6. bis 8. März 2013
Sämtliche Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrags für Erhebungszeiträume ab 2008  sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit
der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4  Absatz 5b EStG) vorläufig gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO durchzuführen.

Ferner sind Festsetzungen des Gewerbesteuermessbetrags für Erhebungszeiträume ab 2008 mit  Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag nach § 8 Nummer 1 Buchstabe a, d oder e GewStG im  Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Hinzurechnungsvorschriften vorläufig gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3  AO durchzuführen.

In die Gewerbesteuermessbescheide ist folgender Erläuterungstext aufzunehmen:

Fälle ohne Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 1 Buchstabe a, d oder e GewStG: „Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags ist gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3  AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 5b EStG). Die Vorläufigkeitserklärung erfasst sowohl die Frage, ob die angeführte gesetzliche Vorschrift mit höherrangigem Recht vereinbar ist, als auch den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof die streitige verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschrift entscheidet (BFH-Urteil  vom 30. September 2010 – III R 39/08 -, BStBl 2011 II S. 11). Die Vorläufigkeitserklärung  erfolgt lediglich  aus verfahrenstechnischen Gründen. Sie ist nicht dahin zu verstehen, dass die  im Vorläufigkeitsvermerk angeführte gesetzliche Vorschrift als verfassungswidrig angesehen  wird. Sie ist außerdem nicht dahingehend zu verstehen, dass die Finanzverwaltung es für  möglich hält, das Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof könne die im Vorläufigkeitsvermerk angeführte Rechtsnorm gegen ihren Wortlaut auslegen.“

Fälle mit Hinzurechnungen nach § 8 Nummer 1 Buchstabe a, d oder e GewStG: „Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags ist gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3  AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 5b  EStG) und der Verfassungsmäßigkeit der Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag nach § 8  Nummer 1 Buchstabe a, d und e GewStG. Die Vorläufigkeitserklärung erfasst sowohl die  Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften mit höherrangigem Recht vereinbarsind,  als auch den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof die streitige  verfassungsrechtliche Frage durch verfassungskonforme Auslegung der angeführten gesetzlichen Vorschriften entscheidet (BFH-Urteil vom 30. September 2010 – III R 39/08 -, BStBl 2011 II S. 11). Die Vorläufigkeitserklärung erfolgt lediglich aus verfahrenstechnischen  Gründen. Sie ist nicht dahin zu verstehen, dass die im Vorläufigkeitsvermerk angeführten  gesetzlichen Vorschriften als verfassungswidrig angesehen werden. Sie ist außerdem nicht dahingehend zu verstehen, dass die Finanzverwaltung es für möglich hält, das  Bundesverfassungsgericht oder der Bundesfinanzhof könne die im Vorläufigkeitsvermerk angeführte  Rechtsnorm gegen ihren Wortlaut auslegen.“

Im Übrigen gelten die im BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (BStBl I S. 464) getroffenen  Regelungen entsprechend. Diese Erlasse treten mit sofortiger Wirkung an die Stelle der Erlasse vom 30. November 2012 (BStBl I S. 1098).Ministerium für Finanzen und Wirtschaft

Vorläufige Steuerfestsetzung hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteilen vom 4. Februar 2010 – X R 10/08 – (BStBl II S. 617), vom 16. Februar 2011 – X R 10/10 – (BFH/NV S. 977) und vom 17. Oktober 2012 – VIII R
51/09 – (BFH/NV 2013 S. 365) entschieden, dass die Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Gegen keines dieser Urteile wurde eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Das BMF-Schreiben vom 25. April 2013 enthält dazu unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder Regelungen.
Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe sowie hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben (PDF, 37,7 KB)

 

Vorläufige Steuerfestsetzung (§ 165 Absatz 1 AO) hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben

BEZUG BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (BStBl I S. 464) und vom 25. Februar 2013 (BStBl I S. 195);
TO-Punkte 4 und 20 der Sitzung AO I/2013 vom 6. bis 8. März 2013

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteilen vom 4. Februar 2010 – X R 10/08 -(BStBl II S. 617), vom  16. Februar 2011 – X R 10/10 -(BFH/NV S. 977) und vom 17. Oktober 2012 – VIII R 51/09 – (BFH/NV 2013 S. 365) entschieden, dass die Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als  Sonderausgaben nicht gegen das Grundgesetz verstößt. Gegen keines dieser Urteile wurde eine Verfassungsbeschwerde erhoben. Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den  obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:

Nummer 3 (Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben – Aufhebung  des § 10 Absatz 1 Nummer 6 EStG durch das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm vom 22. Dezember 2005, BGBl. I S. 3682) der Anlage zum BMF-Schreiben vom  16. Mai 2011 (BStBl I S. 464), die zuletzt durch BMF-Schreiben vom 25. Februar 2013 Seite 2 (BStBl I S. 195) neu gefasst worden ist, wird mit sofortiger Wirkung gestrichen. Wegen der  Frage, ob die Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben verfassungsgemäß ist, kommt ein Ruhen von Einspruchsverfahren nicht mehr in Betracht. Die Anlage zum BMF-Schreiben vom 16. Mai 2011 (a. a. O.) wird mit sofortiger Wirkung
wie folgt gefasst:

„Festsetzungen der Einkommensteuer sind hinsichtlich folgender Punkte gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AO im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit und verfassungskonforme Auslegung der Norm vorläufig vorzunehmen:

1. Nichtabziehbarkeit der Gewerbesteuer und der darauf entfallenden Nebenleistungen als  Betriebsausgaben (§ 4 Absatz 5b EStG).

2.a) Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§ 4f, § 9 Absatz 5 Satz 1, § 10  Absatz 1 Nummern 5 und 8 EStG)

-für die Veranlagungszeiträume 2006 bis 2008 -.

2.b) Beschränkte Abziehbarkeit von Kinderbetreuungskosten (§ 9c, § 9 Absatz 5 Satz 1 EStG)

-für die Veranlagungszeiträume 2009 bis 2011 -.

3. Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Absatz 3, 4, 4a EStG) für  die Veranlagungszeiträume 2005 bis 2009.

4. Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a  EStG für Veranlagungszeiträume ab 2005.

5. Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG für Veranlagungszeiträume ab 2005.

6. Höhe der kindbezogenen Freibeträge nach § 32 Absatz 6 Sätze 1 und 2 EStG.

7. Höhe des Grundfreibetrags (§ 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 EStG).

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 1 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten folgenden Bescheiden beizufügen: Sämtlichen Einkommensteuerbescheiden für
Veranlagungszeiträume ab 2008, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfassen, sämtlichen

Körperschaftsteuerbescheiden für Veranlagungszeiträume ab 2008 sowie sämtlichen Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften, soweit diese
Bescheide Feststellungszeiträume ab 2008 betreffen und für die Gesellschaft oder Gemeinschaft ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wurde.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 2 ist auch Bescheiden über die gesonderte (und  ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften i. S. von § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummern 1 bis 3
EStG beizufügen. Im Vorläufigkeitsvermerk ist nur § 4f EStG (Feststellungszeiträume 2006 bis 2008) bzw. § 9c Absatz 1 und 3 Satz 1 EStG (Feststellungszeiträume 2009 bis 2011) zu
zitieren.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 4 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2005
beizufügen. In die Bescheide ist zusätzlich folgender Erläuterungstext aufzunehmen: „Der Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten stützt sich auch auf § 165 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 AO und umfasst deshalb auch die Frage einer eventuellen einfachgesetzlich begründeten steuerlichen Berücksichtigung.“

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 5 erfasst sämtliche Leibrentenarten im Sinne des § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 6 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001 mit
einer Prüfung der Steuerfreistellung nach § 31 EStG beizufügen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 7 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume ab 2001
beizufügen.

Ferner sind im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtliche Festsetzungen des  Solidaritätszuschlags für die Veranlagungszeiträume ab 2005 hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2  Nummer 3 AO vorzunehmen.“

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. Es steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen
(http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Weitere  Steuerthemen – Abgabenordnung -BMF-Schreiben / Allgemeines zum Download bereit.

EuGH: spanische Rechtsvorschriften, nach denen nicht realisierte Wertzuwächse besteuert werden, wenn eine in Spanien niedergelassene Gesellschaft ihren Sitz oder ihre Aktiva in einen anderen Mitgliedstaat transferiert, verstoßen gegen das Unionsrecht

EuGH-Urteil vom 25.04.2013 – C-64/11 Kommission / Spanien

Pressemeldung des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Nr. 53/13:

Die Niederlassungsfreiheit steht zwar einer solchen Besteuerung nicht entgegen, wohl aber dem Erfordernis der sofortigen Zahlung der Steuer

Nach den spanischen Rechtsvorschriften über die Körperschaftsteuer1 werden die nicht realisierten Wertzuwächse in die Bemessungsgrundlage des Steuerjahrs einbezogen, falls eine in Spanien niedergelassene Gesellschaft ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt oder ihre Aktiva dorthin verlagert oder wenn eine Betriebsstätte in Spanien ihre Tätigkeiten einstellt. Da diese Vorgänge keine unmittelbare steuerliche Wirkung haben, wenn sie innerhalb des spanischen Hoheitsgebiets stattfinden, stellen solche Vorschriften nach Ansicht der Kommission eine diskriminierende Maßnahme und ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit dar, da sie die Gesellschaften, die diese Freiheit in Anspruch nehmen, dem Nachteil geringerer liquider Mittel aussetzen.

Deshalb hat die Kommission eine Vertragsverletzungsklage gegen Spanien vor dem Gerichtshof erhoben2.

Mit seinem heutigen Urteil entscheidet der Gerichtshof zum einen, dass die Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse der Aktiva einer Betriebsstätte, die ihre Tätigkeiten in Spanien einstellt, keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt. Denn diese Besteuerung ist nicht die Folge der Verlegung des Sitzes oder der Verlagerung der Aktiva einer im spanischen Hoheitsgebiet ansässigen Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat, sondern folgt lediglich aus der Einstellung ihrer Tätigkeiten. Deshalb handelt es sich um einen rein innerstaatlichen Sachverhalt und nicht um eine unterschiedliche Behandlung von Sachverhalten, die unter die Niederlassungsfreiheit fallen.

Dagegen liegt bei der sofortigen Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse im Fall der Verlegung des Sitzes oder der Verlagerung der Aktiva einer in Spanien niedergelassenen Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor. Der Gerichtshof führt aus, dass eine solche Gesellschaft in diesen Fällen eine finanzielle Benachteiligung gegenüber einer vergleichbaren Gesellschaft erleidet, die derartige Transfers innerhalb des spanischen Hoheitsgebiets vornimmt, denn bei Letzterer werden die dadurch entstehenden Wertzuwächse erst dann in die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer einbezogen, wenn sie tatsächlich realisiert werden. Diese unterschiedliche Behandlung ist geeignet, eine Gesellschaft davon abzuhalten, ihre Tätigkeiten aus dem spanischen Hoheitsgebiet in einen anderen Mitgliedstaat zu verlagern. Die festgestellte unterschiedliche Behandlung lässt sich auch nicht damit erklären, dass eine andere objektive Situation als bei Gesellschaften vorliegt, bei denen diese Vorgänge im Inland stattfinden.

Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass mit den spanischen Rechtsvorschriften das rechtmäßige Ziel der Wahrung der Steuerhoheit Spaniens erreicht werden soll. Das Unionsrecht steht daher einer Ermittlung der Steuer auf die in Spanien erzielten nicht realisierten Wertzuwächse zu dem Zeitpunkt, zu dem die Besteuerungsbefugnis von Spanien gegenüber der betroffenen Gesellschaft endet – im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Verlegung des Sitzes oder der Verlagerung der Aktiva in einen anderen Mitgliedstaat – grundsätzlich nicht entgegen.

Nach Ansicht des Gerichtshofs sind die zur Erreichung dieses Ziels getroffenen Maßnahmen jedoch nicht verhältnismäßig und gehen über das erforderliche Maß hinaus. Denn die Steuerhoheit Spaniens kann durch Maßnahmen gewahrt werden, die die Niederlassungsfreiheit weniger stark beeinträchtigen. So ist es möglich, die Zahlung der Steuerschuld erst nach dem Transfer zu verlangen, d. h. zu dem Zeitpunkt, zu dem der Wertzuwachs besteuert worden wäre, wenn die Gesellschaft keinen Transfer aus dem spanischen Hoheitsgebiet vorgenommen hätte. Ferner reichen die zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten bestehenden Mechanismen der gegenseitigen Unterstützung aus, um den Herkunftsstaat in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit der Erklärungen von Gesellschaften zu überprüfen, die für einen Aufschub der Zahlung der Steuer optieren. Somit steht das Recht auf Niederlassungsfreiheit der Besteuerung der in einem bestimmten Hoheitsgebiet entstandenen Wertzuwächse auch dann nicht entgegen, wenn sie noch nicht realisiert wurden. Es steht aber dem Erfordernis der sofortigen Zahlung der Steuer entgegen.

1 Art. 17 Abs. 1 der durch das Real Decreto Legislativo 4/2004 vom 5. März 2004 gebilligten konsolidierten Fassung des spanischen Körperschaftsteuergesetzes (Ley del Impuesto sobre Sociedades) (BOE Nr. 61 vom 11. März 2004, S. 10951).

2 Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Portugal, das Vereinigte Königreich und Schweden sind dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge Spaniens beigetreten.

Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)

ELSTAM – Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale

Abweisung der ELStAM-Anfrage des Arbeitgebers aufgrund der Angaben in den Feldern “Beschäftigungsbeginn” und “Referenzdatum Arbeitgeber”; Verfahrenserleichternde Regelungen zur Durchführung des Lohnsteuerabzugs:

Derzeit werden im Verfahren der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) die Anmeldung des Arbeitnehmers und der Abruf seiner ELStAM in bestimmten Fällen abgewiesen. An der Behebung dieses Fehlers wird gearbeitet. Das BMF-Schreiben regelt, nach welchen Lohnsteuerabzugsmerkmalen der Lohnsteuerabzug bis zum Einsatz einer neuen Programmversion durchzuführen ist.

Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale; Abweisung der ELStAM-Anfrage des Arbeitgebers aufgrund der Angaben in den Feldern “Beschäftigungsbeginn” und “Referenzdatum Arbeitgeber”; Verfahrenserleichternde Regelungen zur Durchführung des Lohnsteuerabzugs (PDF, 42,7 KB)

Bundesfinanzministerium (BMF)

 

Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale

Abweisung der ELStAM-Anfrage des Arbeitgebers aufgrund der Angaben in den
Feldern „Beschäftigungsbeginn“ und „Referenzdatum Arbeitgeber“;
Verfahrenserleichternde Regelungen zur Durchführung des Lohnsteuerabzugs

Für die Anmeldung des Arbeitnehmers und den Abruf seiner elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM) hat der Arbeitgeber u. a. die Datumsfelder Beschäftigungsbeginn
(BB) und Referenzdatum Arbeitgeber (RefDatumAG = Zeitpunkt, ab dem der Arbeitgeber die
für den Lohnsteuerabzug erforderlichen ELStAM anzuwenden hat) an die Finanzverwaltung
zu übermitteln.

Meldet der Arbeitgeber dasselbe Arbeitsverhältnis bei der Finanzverwaltung nach zuvor
erfolgter Abmeldung ein weiteres Mal an, weist das Verfahren der elektronischen
Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELStAM-Verfahren) derzeit die Anmeldung des Arbeitnehmers
ab, wenn das übermittelte Datum des Beschäftigungsbeginns vor dem Datum der Abmeldung
liegt. Folglich kann der Arbeitgeber für diesen Arbeitnehmer die ELStAM nicht abrufen.
Hiervon sind insbesondere die folgenden Gestaltungen betroffen:

  • Wechsel vom ersten Dienstverhältnis (Hauptarbeitsverhältnis) zu einem weiteren Dienstverhältnis (Nebenarbeitsverhältnis) beim selben Arbeitgeber sowie
  • beim  Wechsel von einem Nebenarbeitsverhältnis in das Hauptarbeitsverhältnis beim selben  Arbeitgeber
  • Änderung der Höhe des im Nebenarbeitsverhältnis zu berücksichtigenden Freibetrags und des im Hauptarbeitsverhältnis zu berücksichtigenden Hinzurechnungsbetrags,
  • Korrektur einer zunächst fehlerhaften Anmeldung des Arbeitnehmers (Hauptarbeitsverhältnis als Nebenarbeitsverhältnis oder Nebenarbeitsverhältnis als  Hauptarbeitsverhältnis).

Weil der Arbeitgeber in diesen Fällen die ELStAM des Arbeitnehmers derzeit wegen
„technischer Störungen“ nicht abrufen kann, gilt im Einvernehmen mit den obersten
Finanzbehörden der Länder Folgendes:

Bis zu zwei Monate nach dem Einsatz der Programmversion, mit der dieser Fehler behoben
wird, längstens für den letzten Lohnzahlungszeitraum im Kalenderjahr 2013, darf der
Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug nach den ihm in Papierform vorliegenden
Lohnsteuerabzugsmerkmalen des Arbeitnehmers durchführen.

Dabei dürfen im ersten Dienstverhältnis die Steuerklassen I bis V, Zahl der Kinderfreibeträge,
Faktor sowie ein Freibetrag oder Hinzurechnungsbetrag nach § 39a EStG nur dann
berücksichtigt werden, wenn dem Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte 2010 oder eine vom
Finanzamt nach § 52b Absatz 3 EStG alter Fassung ausgestellte Bescheinigung für den
Lohnsteuerabzug 2011, 2012 oder 2013 (Ersatzbescheinigung 2011, 2012, 2013) mit einer der
Steuerklassen I bis V bzw. einem Freibetrag oder Hinzurechnungsbetrag nach § 39a EStG
vorliegt. Weist der Arbeitnehmer anhand eines aktuellen Ausdrucks des Finanzamtes
abweichende Lohnsteuerabzugsmerkmale (Steuerklasse, Zahl der Kinderfreibeträge,
Freibetrag, Hinzurechnungsbetrag, Kirchensteuerabzugsmerkmal, Faktor) nach, hat der
Arbeitgeber diese beim Lohnsteuerabzug zu berücksichtigen.

Soll ein im Nebenarbeitsverhältnis zu berücksichtigender Freibetrag geändert werden, hat der
Arbeitnehmer einen aktuellen Ausdruck des Finanzamtes vorzulegen.
Nach einem Wechsel vom Hauptarbeitsverhältnis zum Nebenarbeitsverhältnis (Korrektur
einer zunächst fehlerhaften Anmeldung des Arbeitnehmers) darf der Arbeitgeber die
Steuerklasse VI mit dem ihm aufgrund eines früheren Abrufs der ELStAM bekannten
Kirchensteuerabzugsmerkmal des Arbeitnehmers ohne Berücksichtigung eines Kinderzählers
und eines Freibetrags nach § 39a EStG ohne weiteren Nachweis durch den Arbeitnehmer
anwenden.

Spätestens nach Ablauf der o. g. 2-Monatsfrist oder nach Ablauf des Kalenderjahres 2013 hat
der Arbeitgeber den Lohnsteuerabzug im ELStAM-Verfahren durchzuführen. In diesen Fällen
bestehen für den Arbeitgeber weder eine Rückrechnungs-/Korrekturpflicht noch eine Seite 3
Anzeigeverpflichtung gegenüber dem Finanzamt. Er ist jedoch nach § 41c Absatz 1 Satz 1
EStG berechtigt, bisher zu viel erhobene Lohnsteuer zu erstatten.

Die Finanzverwaltung wird den Einsatz der neuen Programmversion des ELStAM-Verfahrens
bekannt geben; z. B. im Internet unter https://www.elster.de.

Deutschland und Frankreich wollen die europäischen Regulierungen gegen Geldwäsche verschärfen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Pierre Moscovici haben sich am 24. April 2013 in einem Brief an die Europäische Kommission gewandt und fordern ein ambitioniertes europäisches Vorgehen gegen Geldwäsche und Finanzkriminalität.

Der Schutz der Integrität des Binnenmarktes vor unerlaubten Geldströmen und den negativen Effekten durch nicht-kooperative Jurisdiktionen, die den nationalen Haushalten wichtige finanzielle Ressourcen entziehen, ist ein vorrangiges Anliegen französischer und deutscher Finanzpolitik.

Unmittelbar vor Beginn der Verhandlungen zur vierten Geldwäsche-Richtlinie in Brüssel und vor dem Hintergrund der signifikanten Fortschritte, die im Rahmen des G20 Treffens in Washington am 18. und 19. April erreicht wurden, rufen Frankreich und Deutschland die Europäische Kommission auf, eine Führungsrolle im Kampf gegen Geldwäsche einzunehmen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Entwicklung einer angemessenen Risikomanagementstrategie durch die Europäische Kommission. Diese sollte als Leitlinie für Finanzinstitute im Kampf gegen Geldwäsche dienen.

Frankreich und Deutschland drängen auch auf eine bessere Harmonisierung der nationalen Anti-Geldwäsche Regeln. Die 4. Geldwäsche-Richtlinie sollte genutzt werden, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, den wirklich wirtschaftlich Berechtigten von Stiftungen und anderen Rechtsformen juristischer Personen zu identifizieren. Dies wäre eine entscheidende Verbesserung bei der Transparenz von Geldströmen. Frankreich und Deutschland bitten die Europäische Kommission, die Umsetzung der europäischen Anti-Geldwäscheregeln in den Mitgliedstaaten zu begleiten und zu kontrollieren.

In ihrem Brief schlagen Minister Schäuble und Minister Moscovici vor, dass die EU weltweit den Kampf gegen Finanzkriminalität anführt und eine europäische Politik gegen nicht-kooperative Jurisdiktionen entwickelt. Dies würde dazu beitragen, Schwierigkeiten und Hindernisse im Kampf gegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche zu reduzieren. Insbesondere sollte die Europäische Kommission mit den Mitgliedstaaten daran arbeiten, nicht-kooperative Jurisdiktionen zu identifizieren und ein Bündel an Maßnahmen zu entwickeln, um die Integrität des Binnenmarktes vor diesen zu schützen. Dies beinhaltet die Möglichkeit, die Tätigkeiten von Europäischen Finanzinstituten mit oder in diesen Staaten zu begrenzen.

 

Gemeinsame Pressemitteilung des deutschen Bundesministeriums der Finanzen und des französischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums

Zugangsvoraussetzungen der AdV – Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen drohender Vollstreckung

Gericht: BFH 10. Senat
Entscheidungsdatum: 06.03.2013
Streitjahre: 1999, 2000, 2001
Aktenzeichen: X S 28/12
Dokumenttyp: Beschluss
Norm: § 69 Abs 4 S 2 Nr 2 FGO
Zugangsvoraussetzungen der AdV – Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wegen drohender Vollstreckung

Leitsatz

NV: Die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO müssen bei Eingang des Antrags bei Gericht vorliegen.

Orientierungssatz

NV: Eine Vollstreckung droht i.S. des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO nicht schon dann, wenn ein angefochtener Steuerbescheid eine Zahlungsaufforderung hinsichtlich der noch nicht getilgten Steuerschuld enthält. Diese Voraussetzung ist erst dann erfüllt, wenn die Finanzbehörde mit der Vollstreckung begonnen hat oder eine solche unmittelbar bevorsteht.

Fundstellen

NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 28. Mai 2008, Az: IX S 4/08 (PKH)
Vergleiche BFH, 24. Oktober 2006, Az: X B 91/06

Tatbestand

1
I. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Sie unterhält im Bezirk des Antragsgegners einen Gewerbebetrieb. Die Einkommensteuerveranlagung führt das Wohnsitzfinanzamt durch.

 

2
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) hatte der Antragsgegner eine teilweise Änderung der Umsatzsteuerbescheide zu Gunsten der Antragstellerin zugesagt. Das FG hat die Klage sodann durch Urteil vom 10. November 2011 2 K 163/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 770) insgesamt abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Die Antragstellerin hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt (eingegangen am 30. November 2011, Az. X B 172/11), über die noch nicht entschieden ist.

 

3
Am 1. Dezember 2011 hatte ihr Prozessbevollmächtigter (PV) für die Antragstellerin bei dem Antragsgegner AdV in einem im Einzelnen ungeklärten Umfang beantragt. Am 12. Januar 2012 gewährte der Antragsgegner AdV der Umsatzsteuer 1999. Der PV hat Ablichtungen von Schreiben vorgelegt, mit denen er beim Antragsgegner die AdV der Umsatzsteuer 2000 sowie der Gewinnfeststellungsbescheide 1999, 2000 und 2001 beantragt habe.

 

4
Am 22. August 2012 teilte das Wohnsitzfinanzamt mit, es sei zwar Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben, aber keine erneute AdV beantragt worden, und forderte zur Zahlung noch offener Einkommensteuer auf.

 

5
Mit einem am 27. August 2012 bei dem Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz teilte der PV mit, er habe bereits am 29. Dezember 2011 nach Mitteilung des Geschäftszeichens des Beschwerdeverfahrens die AdV beantragt, und legte den Abdruck eines entsprechenden Schriftstücks vor. Er beantragte erneut AdV, hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Dies teilte er auch dem Wohnsitzfinanzamt mit. Zum Beleg dafür, dass der Antrag bereits am 29. Dezember 2011 gestellt worden sei, legte er einen Ausdruck aus dem elektronischen Postausgangsbuch vor. Im BFH ist ein Eingang eines Antrags vom 29. Dezember 2011 demgegenüber nicht festzustellen.

 

6
Im Hinblick auf die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) behauptet der PV, er habe am 1. Dezember 2011 bei dem Antragsgegner die AdV hinsichtlich aller Bescheide beantragt, und legt auch hierfür einen Ausdruck aus dem elektronischen Postausgangsbuch vor. Unstreitig habe er die AdV der Umsatzsteuerbescheide 1999 und 2000 beantragt und auch erhalten, wenn auch erst am 9. Januar 2012. Über den ebenfalls gestellten AdV-Antrag hinsichtlich der Gewinnfeststellungsbescheide sei hingegen nicht und damit auch nicht in angemessener Frist entschieden worden. Nachdem auf seinen Antrag keine Reaktion erfolgt sei, sei vom 29. Dezember 2011 an mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu rechnen gewesen.

 

7
Inhaltlich nimmt er auf die Beschwerdebegründung in dem Verfahren X B 172/11 Bezug.

 

8
Der Antragsgegner ist der Auffassung, die Zugangsvoraussetzungen lägen nicht vor. Ein Antrag auf AdV der Gewinnfeststellungsbescheide sei, nachdem die AdV im Einspruchsverfahren für dessen Dauer gewährt worden sei, weder bei ihm noch bei dem Wohnsitzfinanzamt gestellt worden. Die AdV der Umsatzsteuer 1999 habe er gewährt. Die AdV der Umsatzsteuer 2000 komme nicht in Betracht, da die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2000 zu einer Erstattung geführt habe.

 

Entscheidungsgründe

9
II. Der –mittlerweile wirksam gestellte– Antrag ist unzulässig.

 

10
1. Ob die Antragstellerin bereits am 29. Dezember 2011 AdV beim BFH beantragt hat, kann dahinstehen. Mittlerweile liegt jedenfalls ein Antrag vor, über den der Senat entscheidet.

 

11
2. Hinsichtlich der Gewinnfeststellungsbescheide fehlt es an den Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO.

 

12
Nach § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO ist der Antrag nach Abs. 3 (der Antrag bei dem Gericht der Hauptsache, hier dem BFH) nur zulässig, wenn die Behörde einen AdV-Antrag ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nach § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO nicht, wenn (Nr. 1) die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder (Nr. 2) die Vollstreckung droht.

 

13
Die Zugangsvoraussetzungen müssen bei Eingang des gerichtlichen AdV-Antrags vorliegen. Eine nachträgliche Heilung ist nicht möglich (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Mai 2008 IX S 4/08 (PKH), BFH/NV 2008, 1489).

 

14
a) Der Antragsgegner hat unstreitig keinen Antrag ganz oder teilweise abgelehnt.

 

15
b) Er hat auch nicht über einen solchen Antrag in angemessener Frist i.S. des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO nicht entschieden. Der Senat kann nicht feststellen, dass ein AdV-Antrag betreffend die Gewinnfeststellung 1999 bis 2001 bei dem Antragsgegner eingegangen ist. Der Antragsgegner hat dies bestritten. Die Antragstellerin hat keinen Zugangsnachweis erbracht. Sie beschränkt sich auf die Darstellung, dass sie einen solchen Antrag abgesandt habe, und sucht dies zu belegen. Das beweist jedoch den Zugang nicht, zumal ihr Vorbringen in sich nicht widerspruchsfrei ist.

 

16
aa) So kann der Senat schon nicht feststellen, dass ein solcher Antrag überhaupt abgesandt wurde.

 

17
Der PV hat AdV-Anträge hinsichtlich der Gewinnfeststellung 1999 bis 2001 sowie der Umsatzsteuer 2000 vorgelegt. Da der Antragsgegner die AdV hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 gewährt hat, müsste es auch einen entsprechenden Antrag, also insgesamt drei AdV-Anträge gegeben haben. Das hierzu vorgelegte Postausgangsbuch weist unter dem 1. Dezember 2011 zu dem Mandantennamen lediglich zwei Ausgänge auf, die beide als Einspruch bezeichnet sind, deren einer sich auf die Umsatzsteuer 2000, deren anderer sich auf die Gewinnfeststellung beziehen soll. Das Postausgangsbuch ist schon insofern entweder unzutreffend und unvollständig, als der AdV-Antrag hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 darin entweder gar nicht verzeichnet ist oder falsch bezeichnet wurde.

 

18
bb) Auch mutet es ungewöhnlich an, dass die Antragstellerin, wenn sie auf einen Antrag von Dezember 2011 im Januar 2012 die AdV hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 erhält, hingegen keine AdV hinsichtlich der Gewinnfeststellungsbescheide, nicht gelegentlich nach dem Stand der Bearbeitung gefragt hat.

 

19
c) Schließlich drohte auch nicht eine Vollstreckung i.S. des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO.

 

20
Allein der Fristablauf nach Zustellung des FG-Urteils ließ die Vollstreckung noch nicht drohen, ebenso wenig wie das Schreiben des Wohnsitzfinanzamts mit der Aufforderung, die Steuerschulden nunmehr zu begleichen. Mit einer Zahlungsaufforderung allein ist den Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO im Allgemeinen nicht genügt. Vielmehr setzt die Vorschrift voraus, dass die Finanzbehörde mit der Vollstreckung begonnen hat oder eine solche unmittelbar bevorsteht (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2006 X B 91/06, BFH/NV 2007, 460). Hierfür ist nichts vorgetragen und nichts ersichtlich.

 

21
3. Hinsichtlich der Umsatzsteuer 1999 ist der AdV-Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Er geht ins Leere, da die AdV insoweit gewährt wurde.

 

22
4. Im Ergebnis dasselbe gilt hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000.

 

23
Die Antragstellerin meint, dem Antrag sei stattgegeben worden, während der Antragsgegner demgegenüber meint, für den Antrag sei mangels offener Steuerschuld kein Raum.

 

24
Der Senat wertet die in sich widersprüchlichen Erklärungen der Antragstellerin dahin, dass sie lediglich die Aussetzung, nicht aber die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 2 Satz 7 FGO begehrt. Wenn sie auf den entsprechenden Hinweis des Antragsgegners, es gebe nichts auszusetzen, ihren Antrag nicht ausdrücklich auf eine Aufhebung der Vollziehung umstellt, ist ihr daran offenbar nicht gelegen. Der Aussetzungsantrag hingegen geht, da es an einer offenen Steuerschuld fehlt, ins Leere und ist wiederum unzulässig.

 

25
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

 

Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags

Gericht: BFH 3. Senat
Entscheidungsdatum: 18.03.2013
Aktenzeichen: III B 143/12
Dokumenttyp: Beschluss
Normen: § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 155 FGO, § 295 ZPO
Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen eines Beweisantrags

Leitsatz

1. NV: Das Finanzgericht verletzt seine ihm nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegende Pflicht zur Sachaufklärung, wenn es einen ordnungsgemäß gestellten Beweisantrag übergeht, sofern nicht das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann.

 

2. NV: Übergeht das Finanzgericht einen schriftsätzlich gestellten Beweisantrag, verliert auch ein fachkundig vertretener Kläger, der auf mündliche Verhandlung verzichtet hat, sein Recht, eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichtes zu rügen, jedenfalls dann nicht, wenn er diesen Beweisantrag nach dem Verzicht auf mündliche Verhandlung bis zur Entscheidung des Gerichts im schriftlichen Verfahren erneut stellt.

Fundstellen

NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Finanzgericht, 17. Oktober 2012, Az: 5 K 1499/08 (Kg), Urteil
Diese Entscheidung zitiert

Rechtsprechung
Vergleiche BFH, 29. Juni 2011, Az: X B 242/10
Vergleiche BFH, 14. Januar 2011, Az: III B 96/09
Vergleiche BFH, 15. Juni 2005, Az: X B 180/03
im Text BFH, 16. Dezember 2003, Az: VII B 10/03
Vergleiche BFH, 14. November 2003, Az: VIII B 70/02
im Text BFH, 9. Dezember 1998, Az: VIII B 54/97

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter eines im Januar 1971 geborenen Sohnes (S). Zur Klärung der Frage, ob für S ein Betreuer bestellt werden sollte, wurde auf Veranlassung des zuständigen Amtsgerichts am 30. April 2003 ein psychiatrisches Gutachten erstellt, wonach bei S ein leichtes postremissives Erschöpfungssyndrom nach abgelaufener psychotischer Episode sowie rezidivierende psychotische Episoden bei anamnestisch bekanntem Abusus von Cannabis und Halluzinogenen diagnostiziert wurden. Ferner kam das Gutachten zu dem Ergebnis, dass insbesondere wegen der bestehenden Rückfallgefährdung eine mindestens zwei Jahre dauernde Betreuung erforderlich sei. Zum 31. Januar 2005 wurde bei S ein Grad der seelischen Behinderung von 50 festgestellt. Nach einer weiteren ärztlichen Bescheinigung vom 30. Mai 2008 leidet S an einer chronischen psychiatrischen Erkrankung, welche bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres bestanden habe.

 

2
Den im Oktober 2007 gestellten Antrag der Klägerin auf Gewährung von Kindergeld lehnte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) mit Bescheid vom 24. Juni 2008 ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2008 als unbegründet zurückgewiesen.

 

3
Die hiergegen auf Kindergeldgewährung ab Januar 2003 gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Zur Begründung verwies es im Wesentlichen darauf, dass die kindergeldrechtliche Berücksichtigung des S nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes ausgeschlossen sei. Insoweit sei zwar davon auszugehen, dass bei S bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres eine Erkrankung in Form psychotischer Episoden nach Abusus von Cannabis und Halluzinogenen vorgelegen habe. Aus den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen gehe jedoch nicht hervor, dass diese Erkrankung bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres so schwer gewesen sei, dass von einer Behinderung auszugehen sei. Die insoweit nicht ausgeräumten Zweifel des Gerichts gingen nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten der Klägerin.

 

4
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–) und wegen des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

 

Entscheidungsgründe

5
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist zulässig und begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).

 

6
Es liegt ein von der Klägerin in der erforderlichen Form (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO) dargelegter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Denn das FG hat seine aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt.

 

7
1. Die Klägerin hat einen Verfahrensmangel in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

 

8
a) Wird das Übergehen von Beweisanträgen gerügt, so muss neben dem Beweisthema und dem angebotenen Beweismittel vorgetragen werden, inwiefern das Urteil des FG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann und welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätte (Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 9. Dezember 1998 VIII B 54/97, BFH/NV 1999, 802). Ferner muss dargelegt werden, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529).

 

9
b) Entgegen der Auffassung der Familienkasse hat die Klägerin im Streitfall diesen Darlegungsanforderungen genügt. Nach ihrem Vortrag wurde zum Beweis der Tatsache, dass bei S bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres eine Behinderung vorlag, Urkundenbeweis in Form der beizuziehenden Akten zweier Betreuungsverfahren, Zeugenbeweis durch Vernehmung von drei Ärzten und Sachverständigenbeweis durch Einholung eines Gutachtens bei einem dieser Ärzte angeboten. Ferner wurde dargelegt, es ergebe sich aus diesen Beweismitteln, dass bereits vor Vollendung des 27. Lebensjahres die psychotischen Störungen des S ein Ausmaß erreicht hätten, das das Vorliegen einer Behinderung begründe. Schließlich hat die Klägerin dargelegt, dass sie die unterbliebene Beweiserhebung nicht habe rügen können, weil das FG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden habe.

 

10
2. Der gerügte Verfahrensmangel liegt auch tatsächlich vor. Das FG hat seine aus § 76 Abs. 1 FGO folgende Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, indem es die gestellten Beweisanträge übergangen hat.

 

11
a) aa) Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar bzw. unzulässig oder absolut untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 29. Juni 2011 X B 242/10, BFH/NV 2011, 1715, m.w.N.).

 

12
bb) Die Klägerin hat die dargelegten Beweisanträge mehrfach ordnungsgemäß gestellt, so etwa durch Bezugnahme auf frühere Beweisanträge im Schriftsatz vom 16. Juli 2012 (Bl. 197 ff. der Finanzgerichtsakte) und explizit im Schriftsatz vom 24. Mai 2012 (Bl. 183 ff. der Finanzgerichtsakte).

 

13
Keiner der o.g. Gründe für eine zulässige Nichtberücksichtigung von Beweismitteln lag hinsichtlich der im Streitfall gestellten Beweisanträge vor. Insbesondere waren die Beweismittel nach dem insoweit maßgeblichen materiellen Rechtsstandpunkt des FG (s. hierzu Senatsbeschluss vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788) nicht unerheblich, da das FG selbst den Nachweis einer vor Vollendung des 27. Lebensjahres eingetretenen Behinderung für erforderlich –wenn auch für nicht geführt– gehalten hat. Auch durfte das FG nicht von einer Untauglichkeit dieser Beweismittel ausgehen. Es ist –wie dem Senat auch aus vergleichbaren Fällen bekannt ist– nicht auszuschließen, dass sich aus den beizuziehenden Akten und den Zeugenvernehmungen der behandelnden Ärzte Hinweise auf die Schwere und die Dauer der vom FG festgestellten Erkrankung im Zeitraum vor Vollendung des 27. Lebensjahres ergeben hätten, die es –im Falle des Fehlens ausreichender eigener Sachkunde der Familienkasse und des Gerichts– zumindest einem Sachverständigen erlauben, auch rückblickend eine Einschätzung vorzunehmen, ob im damaligen Zeitraum –wie von der Klägerin dargelegt– die Erkrankung bereits zum Vorliegen einer Behinderung geführt hat.

 

14
b) Die Klägerin hat ihr Rügerecht nicht nach § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung verloren.

 

15
aa) Ein Verfahrensmangel kann hiernach nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben. Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört auch das Übergehen eines Beweisantrags (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 14. November 2003 VIII B 70/02, BFH/NV 2004, 513, m.w.N.).

 

16
Geht das FG einem schriftsätzlich gestellten Beweisantrag nicht nach, dann muss jedenfalls ein rechtskundig vertretener Beteiligter dies in der (nächsten) mündlichen Verhandlung, an welcher er teilnimmt, rügen, weil sonst das Rügerecht endgültig verloren geht (BFH-Beschluss vom 15. Juni 2005 X B 180/03, BFH/NV 2005, 1843).

 

17
bb) Im vorliegenden Fall hat das FG mit Einverständnis der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden. Insoweit kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob in dem von der fachkundig vertretenen Klägerin mit Schreiben vom 2. September 2008 erklärten Verzicht auf mündliche Verhandlung zugleich ein Verzicht auf die Rüge der Nichteinholung der zuvor beantragten Beweiserhebungen gesehen werden kann. Denn die Klägerin hat jedenfalls durch die danach bis unmittelbar vor Ergehen der angegriffenen Entscheidung erfolgte Wiederholung ihrer Beweisanträge zum Ausdruck gebracht, dass sie auf die Beachtung der Verfahrensvorschrift nicht verzichten will.

 

18
c) Die Vorentscheidung kann auf diesem Verfahrensmangel beruhen, da nicht auszuschließen ist, dass das FG nach Durchführung der Beweiserhebungen zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre. Dem FG wird daher Gelegenheit gegeben, die unterbliebenen Beweiserhebungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

 

19
3. Ob die weiteren Rügen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts durchgreifen, bedarf hiernach keiner Entscheidung. Die Sache geht deshalb an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück (§ 116 Abs. 6 FGO).

 

Kein Abrechnungsbescheid über Rückzahlungsanspruch der Bank wegen versehentlicher Überweisung nicht gepfändeter Beträge

Gericht: BFH 7. Senat
Entscheidungsdatum: 11.12.2012
Streitjahr: 2009
Aktenzeichen: VII R 13/12
Dokumenttyp: Urteil
Normen: § 37 Abs 2 AO, § 218 Abs 2 AO, § 812 Abs 1 BGB, § 17a Abs 5 GVG
Kein Abrechnungsbescheid über Rückzahlungsanspruch der Bank wegen versehentlicher Überweisung nicht gepfändeter Beträge

Leitsatz
NV: Überweist die Bank auf die Pfändung und Einziehung eines Kontoguthabens des Vollstreckungsschuldners dem FA versehentlich einen das Guthaben übersteigenden Betrag, ist der ihr zustehende Rückzahlungsanspruch kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen durch Abrechnungsbescheid festgestellt werden kann.

Fundstellen
NV (nicht amtlich veröffentlicht)
Verfahrensgang
vorgehend FG Köln, 15. Februar 2012, Az: 10 K 3397/09, Urteil
Tatbestand
1
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Kreditinstitut, bei dem die Fa. C (Vollstreckungsschuldnerin) zwei Guthabenkonten unterhielt. Wegen vollstreckbarer Steuerforderungen in Höhe von 23.787,79 € pfändete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) mit Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 8. April 2009 (u.a.) gegen die Klägerin bestehende Ansprüche der Vollstreckungsschuldnerin auf Zahlung ihrer gegenwärtigen und künftigen Kontoguthaben und forderte die Klägerin zur Zahlung der gepfändeten Beträge auf. Aufgrund eines Irrtums ihres zuständigen Sachbearbeiters überwies die Klägerin dem FA den gesamten geschuldeten Betrag, obwohl die Konten der Vollstreckungsschuldnerin lediglich Guthaben in Höhe von insgesamt 2.419,72 € aufwiesen.

2
Nachdem die Klägerin das FA zur Rücküberweisung des überzahlten Betrags aufgefordert hatte, erließ dieses einen Abrechnungsbescheid, mit dem ein Erstattungsanspruch der Klägerin als nicht bestehend festgestellt wurde.

3
Auf die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hob das Finanzgericht (FG) aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1017 veröffentlichten Gründen den Abrechnungsbescheid auf und verurteilte das FA, der Klägerin 21.368,07 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. September 2009 zu zahlen.

4
Mit seiner Revision vertritt das FA die Auffassung, es habe durch Abrechnungsbescheid entscheiden dürfen, weil es sich bei dem seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung des streitigen Betrags um einen Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) handele. Steuern könnten auch von Dritten mit befreiender Wirkung für den Steuerschuldner gezahlt werden. Die Klägerin habe im Streitfall auf die bestehende Steuerschuld der Vollstreckungsschuldnerin gezahlt und habe diese Schuld insoweit zum Erlöschen gebracht. Die Frage, ob die Klägerin im Verhältnis zur Vollstreckungsschuldnerin zur Zahlung verpflichtet gewesen sei, betreffe allein dieses Verhältnis zur Vollstreckungsschuldnerin. Rechtliche Grundlage für eine Erstattung des gezahlten Betrags seien § 37 Abs. 2 AO, nicht aber bereicherungsrechtliche Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ein Erstattungsanspruch nach jener Vorschrift könne im Streitfall nur von der Vollstreckungsschuldnerin geltend gemacht werden und bestehe im Übrigen wegen ihrer Steuerschuld nicht.

5
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

7
Sie schließt sich der Auffassung des FG an.

Entscheidungsgründe
8
II. Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).

9
1. Nach § 218 Abs. 2 AO wird über Streitigkeiten, die die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis betreffen, durch Verwaltungsakt (sog. Abrechnungsbescheid) entschieden; dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch betrifft, der nach § 37 Abs. 1 AO ebenfalls ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist. Gegenstand des Abrechnungsbescheids ist die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens reiner Zahlungsansprüche; er entscheidet, inwieweit bestimmte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) noch bestehen oder durch einen der in § 47 AO aufgeführten Erlöschenstatbestände ganz oder teilweise erloschen sind (vgl. Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 218 Rz 13, m.w.N.).

10
Ob ein Steuerpflichtiger einen Erstattungsanspruch hat, hängt nach § 37 Abs. 2 AO davon ab, ob auf seine Rechnung eine Steuer ohne rechtlichen Grund gezahlt worden bzw. ein für die Leistung zunächst vorhandener rechtlicher Grund später weggefallen ist. Als rechtlicher Grund im Sinne dieser Vorschrift kommen nur die in § 218 Abs. 1 AO genannten Bescheide in Betracht (Klein/Rüsken, a.a.O., § 218 Rz 3). Der Erstattungsbetrag ist die Differenz zwischen dem bereits an die Finanzbehörde geleisteten Betrag und dem durch Bescheid i.S. des § 218 Abs. 1 AO festgesetzten Betrag (Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 218 AO Rz 6). Sind die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach Grund oder Höhe im Streit, entscheidet die Finanzbehörde gemäß § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid.

11
Bei dem vorliegend streitigen Rückzahlungsanspruch der Klägerin handelt es sich nicht um einen aus dem Steuerschuldverhältnis herrührenden Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO, über dessen Bestehen dem Grund oder der Höhe nach im Wege eines Abrechnungsbescheids verbindlich entschieden werden kann.

12
Zwischen der Klägerin und dem FA besteht kein (mit dem Streitfall im Zusammenhang stehendes) Steuerschuldverhältnis. Anders als das FA meint, hat die Klägerin mit der Überweisung des streitigen Betrags an das FA auch nicht auf die Steuerschuld der Vollstreckungsschuldnerin geleistet. Sie hat vielmehr mit der Überweisung den ursprünglich der Vollstreckungsschuldnerin zustehenden und nunmehr im Wege der Pfändung auf das FA übergegangenen Anspruch auf Auszahlung der auf den Konten bestehenden Guthaben erfüllt. Dieser Anspruch ist kein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern gründet sich auf den zwischen der Klägerin und der Vollstreckungsschuldnerin geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe mehr überwiesen, als das FA aufgrund seines von der Vollstreckungsschuldnerin übergegangenen Anspruchs zu fordern berechtigt war, handelt es sich –wie das FG zutreffend entschieden hat– um einen zivilrechtlichen Anspruch, dessen Bestehen oder Nichtbestehen das FA nicht durch Abrechnungsbescheid feststellen kann.

13
2. a) Ob –wie das FG angenommen hat– für die gerichtliche Durchsetzung des Rückzahlungsanspruchs der Klägerin der beschrittene Finanzrechtsweg zulässig ist, hat der erkennende Senat nicht zu entscheiden (§ 155 FGO i.V.m. § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes).

14
b) Zu Recht hat das FG den Anspruch der Klägerin als nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB begründet angesehen. Da die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 8. April 2009 (u.a.) nur Ansprüche der Vollstreckungsschuldnerin auf Auszahlung ihrer Kontoguthaben erfasste, ist dem FA mit dem überwiesenen Betrag etwas ohne Rechtsgrund geleistet worden, soweit dieser über die auf den Konten bestehenden Guthaben hinausging.

15
c) Das FG hat das FA auch zu Recht zur Zahlung von Zinsen seit dem 18. September 2009 verurteilt. Insoweit ist ergänzend auf die vom FG in den Entscheidungsgründen nicht erwähnten §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB hinzuweisen.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin