Privates Veräußerungsgeschäft bei lastenfreier Veräußerung eines bei Anschaffung mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks

Mit Urteil vom 12. Juni 2013 IX R 31/12 hat der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden, dass für die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts nach §§ 22 Nr. 2, 23 des Einkommensteuergesetzes dem Erfordernis der wirtschaftlichen Identität zwischen angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut (nur) teilweise genügt ist, wenn ein mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstück angeschafft und – nach Löschung des Erbbaurechts – kurzfristig lastenfrei weiterveräußert wird. Der Ermittlung des Gewinns aus einem solchen privaten Veräußerungsgeschäft ist nur der anteilige Veräußerungspreis zugrunde zu legen, der – wirtschaftlich gesehen – auf das Grundstück im belasteten Zustand entfällt; er ist ggf. im Schätzungswege zu ermitteln.

Private Veräußerungsgeschäfte liegen nur vor, wenn angeschafftes und veräußertes Wirtschaftsgut wirtschaftlich identisch sind (sog. Nämlichkeit). Maßgebliche Kriterien sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut. Eine wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend. Ein privates Veräußerungsgeschäft begründet sie aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts.

Im entschiedenen Fall bildeten die Kläger eine Erbengemeinschaft, auf die im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein Erbbaurecht übergegangen war. Im Streitjahr 2005 erwarben sie dazu das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück. Das Erbbaurecht brachten sie zur Löschung. Danach veräußerten die Kläger das nunmehr lastenfreie Grundstück im selben Jahr an Dritte. Das Finanzgericht (FG) sah in der Veräußerung des Grundstücks kein privates Veräußerungsgeschäft, da es an der wirtschaftlichen Identität zwischen dem von den Klägern angeschafften (erbbaurechtsbelasteten) Grundstück und dem ohne diese Belastung veräußerten (lastenfreien) Grundstück fehle. Letztlich habe sich in dem Veräußerungsergebnis lediglich der Wert des Erbbaurechts realisiert.

Der BFH trat dieser Rechtsauffassung entgegen und hob das FG-Urteil auf. Zwar sei das belastete Eigentum sowohl zivilrechtlich als auch wirtschaftlich etwas anderes als das unbelastete Eigentum, denn das bei Anschaffung bestehende und später gelöschte Erbbaurecht stehe einer vollumfänglichen wirtschaftlichen Identität – im Sinne einer Gleichwertigkeit – von angeschafftem und veräußertem Grundstück entgegen. Von einer wirtschaftlichen Identität könne allerdings insoweit ausgegangen werden, als das angeschaffte (belastete) Wirtschaftsgut in dem veräußerten (unbelasteten) aufgegangen sei. Da das FG keine Feststellungen zur Ermittlung und Höhe des auf das Grundstück im belasteten Zustand entfallenden Veräußerungspreises getroffen hatte, verwies der BFH das Verfahren zur weiteren Aufklärung an das FG zurück.

BFH, Pressemitteilung Nr. 54/13 vom 04.09.2013 zum Urteil IX R 31/12 vom 12.06.2013

 

Kein Abzug von Strafverteidigungskosten

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 16. April 2013 IX R 5/12 die Kosten, die einem wegen einer vorsätzlichen Tat Verurteilten für seine Strafverteidigung entstanden sind, nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen.

Der Kläger war rechtskräftig wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Er machte seine Rechtsanwaltskosten (ca. 50.000 Euro für 2007 und 160.000 Euro für 2008) steuermindernd geltend. Sie wurden weder vom Finanzamt noch vom Finanzgericht anerkannt, insbesondere auch nicht als außergewöhnliche Belastungen.

Der BFH hat den Abzug der Strafverteidigungskosten als Betriebsausgaben oder Werbungskosten (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 EStG) versagt, weil die Tat nicht eindeutig der beruflichen oder sonstigen steuerbaren Sphäre zuzuordnen war. Auch den Abzug als außergewöhnliche Belastungen hat er mit der allgemeinen Meinung verneint. Dem steht nach Ansicht des erkennenden IX. Senats die neuere Rechtsprechung des VI. Senats (Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) nicht entgegen, wonach sich die Unausweichlichkeit von Prozesskosten daraus ergibt, dass der Steuerpflichtige zur Durchsetzung seines Rechts den Rechtsweg beschreiten muss. Im Streitfall fehlt es aber schon an der Unausweichlichkeit der Aufwendungen. Die Strafverteidigungskosten hat der Kläger gerade wegen seiner rechtskräftigen Verurteilung zu tragen. Die Straftat ist aber nicht unausweichlich.

BFH, Pressemitteilung Nr. 58/13 vom 04.09.2013 zum Urteil IX R 5/12 vom 16.04.2013

Abfindung bei Streit über Erbschaft in Anteil an einer Personengesellschaft führt zu Veräußerungsgewinn

Beenden die potentiellen Erben des verstorbenen Gesellschafters einer Personengesellschaft den Streit darüber, wer als Erbe Gesellschafter geworden ist, durch Vergleich, so erzielt derjenige, der im Vergleich gegen Geld auf die Geltendmachung seiner Rechte verzichtet und nach den Regeln des Gesellschaftsrechts Gesellschafter hätte werden können, einen Veräußerungsgewinn, der bei der Personengesellschaft festgestellt werden muss. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 16. Mai 2013 IV R 15/10 entschieden.

In dem vom BFH zu entscheidenden Fall hatten sich die potentiellen Erben des Gesellschafters einer Personengesellschaft vergleichsweise über die Erbfolge geeinigt. Die Vergleichsbeteiligten, die gegen Entgelt auf ihre Rechtsposition verzichtet hatten, machten geltend, sie seien als Vermächtnisnehmer nicht am Feststellungsverfahren der Personengesellschaft zu beteiligen. Dies sah das Finanzamt anders und bezog die Betroffenen in die Gewinnfeststellung ein.

Anders als das Finanzgericht folgte der BFH der Auffassung des Finanzamtes. Die Abfindungszahlungen hätten die Betroffenen deshalb nicht als Vermächtnisse erhalten, weil ein Vermächtnis nur vom Erblasser eingeräumt und nicht nachträglich durch Vergleich geregelt werden könne. Vielmehr seien die Abfindungen den betroffenen Vergleichsbeteiligten als Veräußerungsgewinne zuzurechnen, weil der entgeltliche Verzicht auf die Durchsetzung ihrer Rechtsposition als vermeintliche Erben wie die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils zu behandeln sei. Es gebe keinen vernünftigen Grund dafür, die Abgefundenen anders zu besteuern als einen unangefochtenen Miterben oder Mitgesellschafter, der aus der Gesellschaft gegen Abfindung ausscheide.

Das Verfahren wurde an das Finanzgericht zurückverwiesen, weil noch Unklarheit darüber bestand, ob die vermeintlichen Erben gesellschaftsrechtlich Rechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters hätten werden können.

BFH, Pressemitteilung Nr. 55/13 vom 04.09.2013 zum Urteil IV R 15/10 vom 16.05.2013

 

Aufwand für Auslandsreisen eines nebenberuflichen Autors für kaufmännische Lehrbücher nicht abziehbar

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat einem nebenberuflichen Autor den Abzug von Reiseaufwendungen in südliche Länder versagt, weil die Aufwendungen untrennbar sowohl betrieblich als auch privat veranlasst waren (Urteil vom 7. Mai 2013 VIII R 51/10).

Der zu 90% schwerbehinderte Kläger, der hauptberuflich als Lehrer tätig ist, wollte die Aufwendungen für Auslandsreisen im Zusammenhang mit seiner Autorentätigkeit als Betriebsausgaben abziehen, weil er die Reisen in trockene Länder auf ärztlichen Rat unternommen habe, allerdings nur, um an den Urlaubsorten Lehrbücher zur kaufmännischen Ausbildung zu aktualisieren. Er habe sich dort nur in den Ferienhäusern aufgehalten und zehn Stunden täglich an seinen Lehrbüchern gearbeitet, aber sonst keinerlei touristische Aktivitäten entfaltet. Der Ausblick habe ihm zur Erholung genügt. Die Reiseaufwendungen für seine Ehefrau seien als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, weil sie ihn wegen seiner Schwerbehinderung habe begleiten müssen.

Der BFH hat die Reiseaufwendungen insgesamt nicht als Betriebsausgaben zum Abzug zugelassen. Die Aufwendungen hätten nicht in einen beruflichen und einen privaten Teil aufgeteilt werden können, weil sie gleichrangig sowohl der Erholung an einem Ferienort als auch der schriftstellerischen Tätigkeit gedient und untrennbar ineinandergegriffen hätten.

Die Reisekosten für die mitgereiste Ehefrau des Klägers seien nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, weil durch die Behinderung des Klägers insoweit kein Mehraufwand entstanden sei. Die Ehefrau des Klägers wäre aus eigenem Interesse auch dann mitgereist, wenn ihr Mann nicht schwerbehindert gewesen wäre.

BFH, Pressemitteilung Nr. 57/13 vom 04.09.2013 zum Urteil VIII R 51/10 vom 07.05.2013

Keine rückwirkende Verzinsung der Einkommensteuernachzahlung bei rückwirkendem Wegfall eines Investitionsabzugsbetrags

Gibt der Unternehmer die Absicht zu einer Investition auf, für die er einen Steuerabzugsbetrag nach § 7g des Einkommensteuergesetzes erhalten hat, verliert er rückwirkend den Anspruch auf die Steuervergünstigung. Die betreffende Einkommensteuer muss er dann nachzahlen, und zwar ohne einen Zinszuschlag. Dies ergibt sich aus dem heute veröffentlichten Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Juli 2013 IV R 9/12.

Der BFH hat damit die in zahlreichen Betriebsprüfungen erörterte Frage nach der rückwirkenden Verzinsung der Steuernachforderung zugunsten der Unternehmer entschieden, allerdings nur mit Wirkung für die Vergangenheit. Denn für ab 2013 beanspruchte Investitionsabzugsbeträge ist die rückwirkende Verzinsung bei rückwirkendem Wegfall des Anspruchs kürzlich ausdrücklich gesetzlich geregelt worden (durch das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 26. Juni 2013).

Im entschiedenen Fall hatte eine Dachdecker-KG im Jahr 2007 Investitionsabzugsbeträge u. a. in Höhe von 6.400 Euro für den für 2009 geplanten Einbau von Schiebetoren und von 14.000 Euro für den für 2010 geplanten Erwerb eines Kastenwagens erhalten. Mit Einreichung der Bilanz für 2009 erklärte die KG, dass sie beide Investitionen nicht mehr durchführen werde. Dies hatte zur Folge, dass rückwirkend der Gewinn des Jahres 2007 um 20.400 Euro erhöht wurde. Die KG verlangte die zusätzliche Feststellung, dass die Änderung auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a der Abgabenordnung beruhe. Diese Feststellung hat zur Folge, dass Zinsen auf die Steuernachzahlung nicht rückwirkend erhoben werden.

Wie schon das Finanzgericht gab auch der BFH dem Antrag der KG statt und widersprach damit der gegenteiligen Gesetzesauslegung durch die Finanzverwaltung. Das Gesetz habe die rückwirkende Verzinsung lediglich für die rückwirkende Streichung eines Investitionsabzugsbetrags nach durchgeführter Investition wegen Nichteinhaltung bestimmter Nutzungsvoraussetzungen geregelt. Dem Gesetzgeber sei bewusst gewesen, dass sich bei Ausbleiben der Investition eine vergleichbare Rechtslage ergebe. Gleichwohl habe er für diesen Fall die rückwirkende Verzinsung nicht ausdrücklich angeordnet. Von einem Versehen des Gesetzgebers sei nicht auszugehen. Deshalb gelte der Grundsatz, dass auf einem rückwirkenden Ereignis beruhende Steuernachzahlungen nicht rückwirkend zu verzinsen seien.

BFH, Pressemitteilung Nr. 56/13 vom 04.09.2013 zum Urteil IV R 9/12 vom 11.07.2013

Zum Vorliegen eines innergemeinschaftlichen Verbringens und einer Gewinnerzielungsabsicht i. Zhg. m. dem Kauf einer Yacht zwecks Vercharterung in Spanien

Finanzgericht Düsseldorf, 5 K 3463/10 U

Datum:
10.07.2013
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
5. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 3463/10 U
Tenor:

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu 94,5 v.H. und das beklagte Finanzamt zu 5,5 v.H. zu tragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen

1Tatbestand:

2Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an welcher im Streitjahr 2008 Herr W zu 51 % und Frau H zu 49 % beteiligt waren. Die Gesellschafter waren 2008 gleichzeitig auch die Geschäftsführer der Gesellschaft.

3Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der gewerbliche Handel mit Waren aller Art, nicht genehmigungspflichtige Dienstleistungen aller Art, Vermietungsleistungen von Autos, Flugzeugen, Schiffen und anderen beweglichen und unbeweglichen Gegenständen des allgemeinen Rechtsverkehrs, Halten von Beteiligungen, Immobilienverwaltung und Vermietung von Immobilien. Seit 2003 gehört zum Angebot der Klägerin auch die Vercharterung von Motoryachten.

4Am 20.12.2006 hatte die Klägerin Yacht A – für 1.100.000 € zzgl. 176.000 € Umsatzsteuer erworben. Im März 2007 wurde diese Yacht auf Veranlassung der Klägerin von Deutschland nach Palma de Mallorca transportiert, um sie – wie die Klägerin bekundete – an fremde Dritte zu vermieten. Die Yacht A ordnete die Klägerin ihrem Unternehmensvermögen zu und machte hinsichtlich des Erwerbs für den Veranlagungszeitraum 2006 erfolgreich den Vorsteuerabzug geltend.

5Mit Rechnung vom 23.12.2008 veräußerte die Klägerin die Yacht A zum Einkaufspreis (1.100.000 €) zurück an die deutsche Firma. Die Yacht wurde der Käuferin am gleichen Tag auf Mallorca übergeben. In der Rechnung- in welcher die der Klägerin erteilte deutsche Umsatzsteuer-Identifizierungsnummer (USt.-ID-Nr.) ausgewiesen wird – wird der Verkauf von der Klägerin als nicht steuerbar behandelt. Über eine spanische USt.-ID-Nr. verfügte die Klägerin nicht.

6Mit Kaufvertrag vom 13.8.2008 und Rechnung vom 8.12.2008 kaufte die Klägerin unter Anrechnung des Kaufpreises für die Yacht A die gebrauchte Yacht B – für 1.630.900 € zzgl. 309.871 € Umsatzsteuer. Die Finanzierung der Yacht B erfolgte teils durch Verrechnung mit dem für die Yacht A zu entrichtenden Kaufpreis, teils durch Aufnahme eines Bankdarlehens i.H.v. 1.000.000 €, für welches sich der Ehemann der Gesellschafterin H verbürgte. Nach dem Inhalt des Kaufvertrages sollte die Yacht B im Dezember in Deutschland an die Klägerin übergeben werden. Nach Angabe der Klägerin sollte die Yacht B ebenfalls ihrem Unternehmensvermögen zugeordnet werden; dementsprechend brachte sie in der Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2008 die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer i.H.v. 309.871 € als Vorsteuer in Abzug.

7Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung betreffend den Voranmeldungszeitraum Dezember 2008 (Prüfungsbericht vom 19.6.2009) gelangte die Prüferin unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 1a UStG i.V.m. Abschn. 15b Abs. 11 der Umsatzsteuerrichtlinien 2008 – UStR – zu der Feststellung, dass der Verkauf der Yacht A als innergemeinschaftliche Lieferung in Gestalt des Verbringens zu beurteilen sei. Dieser an sich gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V.m. § 6a Abs. 2 UStG steuerfreie Umsatz sei als steuerpflichtig zu behandeln, da die Klägerin insoweit ihre sich aus § 17c Abs. 3 UStDV ergebenden Aufzeichnungspflichten verletzt habe (siehe Tz. 15 des Berichts). Die Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz betrage gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1.100.000 €, sodass die Umsatzsteuer für diesen Umsatz i.H.v. 209.000 € (19%) festzusetzen sei.

8Bezüglich der im Dezember 2008 erworbenen Yacht B gelangt die Prüferin in ihrem Bericht (siehe Tz. 16) zu der Feststellung, dass der Klägerin der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Werde der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb eines sog. Freizeitgegenstandes – wie vorliegend einer Motoryacht – begehrt, seien besonders hohe Anforderungen an den Nachweis der Absicht einer unternehmerischen Nutzung zu stellen. Die Prüferin führt in ihrem Bericht aus, dass die Klägerin im Prüfungszeitraum bereits seit fünf Monaten Eigentümerin der Yacht B gewesen sei, ohne dass in dieser Zeit überzeugende und ernsthaft betriebene Werbemaßnahmen zur Kundengewinnung vorgenommen worden seien. So sei noch am 9.6.2009 die Internet-Seite der Klägerin nicht aktualisiert und die neue Yacht B zur Vercharterung angeboten worden. Vorgelegt worden sei von der Klägerin lediglich ein unprofessioneller Flyer, der wie selbst gefertigt am PC wirke sowie ein Vertragsentwurf über eine geplante Zusammenarbeit mit einer Charterfirma aus der Slowakei, die sie im Internet nicht habe ausfindig machen können. Auf die Anforderung der Prüferin vom 11.3.2009 hin habe die Klägerin lediglich eine E-Mail vom 1.4.2009 an den Herausgeber von Bootsfachzeitschriften vorgelegt, indem sie diesem mitgeteilt habe, dass sie eine umfangreiche Bewerbung für die Yacht B plane.

9Die von der Klägerin behauptete Absicht, die Yacht B unternehmerisch zu nutzen, habe diese auch nicht anhand der tatsächlichen Nutzung der Vorgängeryacht A glaubhaft machen können. So sei das Logbuch der Yacht A nachgeschrieben worden. Die Ausgangsrechnungen über die Vercharterung dieser Yacht hätten sich teilweise als bloße Scheinrechnungen, denen tatsächlich keine Leistungen zu Grunde gelegen hätten, erwiesen oder es sei zumindest fraglich, ob die abgerechneten Charterleistungen tatsächlich er-bracht worden seien. Hinzu komme, dass die Familie der Gesellschafterin H in der Zeit vom 1. Juli 2004 bis Ende 2008 ganzjährig eine Wohnung auf Mallorca angemietet habe, was dafür spreche, dass die Familie sich oft privat auf Mallorca aufhalte und auch die Yacht dort privat nutze.

10Das beklagte Finanzamt setzte die Feststellungen der Prüferin durch Erlass eines Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für Dezember 2008 vom 30.7.2009 um.

11Den hiergegen von der Klägerin erhobenen Einspruch hat das Finanzamt durch Einspruchsentscheidung vom 30.8.2010 betreffend den mittlerweile anstelle des Vorauszahlungsbescheides getretenen Umsatzsteuerjahresbescheid für 2008 vom 16.8.2010 hinsichtlich der streitigen Punkte – Umsatzbesteuerung des Verkaufs der Yacht A; Versagung des Vorsteuerabzugs bezüglich des Erwerbs der Yacht B – als unbegründet zurückgewiesen. In der Einspruchsentscheidung hat das Finanzamt die Umsatzsteuer für 2008 auf 273.556,09 € festgesetzt.

12Hiergegen richtet sich die am 29.9.2010 eingegangene Klage.

13Die Klägerin trägt vor:

14Zwar sei dem Finanzamt zuzustimmen, dass der Verkauf der zunächst nur zu Vermietungszwecken nach Mallorca verbrachten Yacht A im Dezember 2008 den Tatbestand einer innergemeinschaftlichen Lieferung in Gestalt des Verbringens erfülle gemäß § 6a Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 1a UStG. Dieser Umsatz sei jedoch gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG umsatzsteuerfrei zu belassen, weil – auch wenn die Klägerin keine Aufzeichnungen im Sinne des § 17c Abs. 3 UStDV geführt habe – objektiv feststehe, dass die Yacht A nach Spanien verbracht worden sei und es sich nach der Rechtsprechung des BFH bei dem Buch- und Belegnachweis der §§ 17a, 17c UStDV nicht um eine materielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung handele.

15Sollte der Verkauf der Yacht A auf Mallorca vom Gericht unter Berücksichtigung von § 3d UStG im Inland als steuerpflichtig beurteilt werden, so sei die Umsatzsteuer zur Ermittlung der korrekten Bemessungsgrundlage aus dem Verkaufspreis von 1.100.000 € herauszurechnen, was eine Verringerung der Umsatzsteuer um 33.169,75 € zur Folge habe.

16Diesbezüglich haben sich im Sitzungstermin die Beteiligten dahingehend verständigt, dass die Bemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG für die Yacht A statt wie bisher mit 1.100.000 € nur in Höhe von 950.000 € anzusetzen sei.

17Bezüglich des Erwerbs der Yacht B ist die Klägerin der Auffassung, dass ihr der Vorsteuerabzug in Höhe von 309.871 €  zu bewilligen sei.

18Bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B im Dezember 2008 habe die Klägerin die objektiv belegbare Absicht gehabt, diese Yacht gewinnbringend im Sinne eines Totalgewinns zu verchartern. Zwar habe die Klägerin vor Erwerb der Yacht B keine Marktanalyse bzw. Wirtschaftlichkeitsberechnung in Bezug auf deren Vercharterung eingeholt. Dies könne allerdings auch nicht verlangt werden.

19Auch bei anderen unternehmerischen Entscheidungen verlasse man sich bei der Klägerin auf die ausschließlich und allein im Kopf der Geschäftsführer bzw. des Ehemanns der Gesellschafterin H, welcher die Gesellschaften berate, aufgestellten Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Die Klägerin gehört einer Unternehmensgruppe in Wuppertal, die sich hauptsächlich mit dem Erwerb, der Aufbereitung und späteren Vermietung von Industriebrachen und herunter gewirtschafteten Gewerbeimmobilien beschäftige. Bei keiner unternehmerischen Entscheidung in diesem Unternehmensverband verlasse man sich auf schriftliche Wirtschaftlichkeitsberechnungen oder Marktanalysen; dennoch arbeiteten sämtliche Gesellschaften der Unternehmensgruppe erfolgreich und mit Gewinn. Der Erfolg der Gruppe resultiere daraus, dass die Geschäfte völlig anders betrieben würden als bei anderen Unternehmen. Man verlasse sich auf das Bauchgefühl, die Kontakte und die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Seitens der Klägerin benötige man keine Markt- bzw. Wirtschaftlichkeitsanalyse, um etwas gewinnbringend zu vermarkten und es würden auch keine großartigen Werbemaßnahmen benötigt. Wichtiger sei Flexibilität und ein vernünftiger Umgang mit potentiellen Kunden und den Wünschen des Kunden.

20Die Klägerin habe bereits seit 2003 feststellen können, dass man mit der Vercharterung von Booten auf Mallorca Geld verdienen könne. Nach der Überzeugung des als Berater fungierenden H, der bei anderen Unternehmen der Gruppe Geschäftsführer sei, und den von ihm gewonnenen Erfahrungen sei die Vercharterung einer großen Yacht – wie der Yacht B – erfolgversprechender als die einer mittelgroßen Yacht wie der Yacht A. Daher habe man sich 2008 zum Verkauf der Yacht A und zum Kauf der Yacht B entschlossen.

21Herr H habe zwischenzeitlich auch gute Kontakte zu Fußballstars aus der ersten Bundesliga aufbauen können. Aufgrund zahlreicher Gespräche habe Herr H erfahren, dass von deren Seite aus großes Interesse an der Anmietung von Yachten innerhalb der Sommerpause bestanden habe.

22Desweiteren habe ein guter Bekannter des Herrn H, Herr S, erklärt, dass er aufgrund einer Erbschaft in dreistelliger Millionenhöhe die Yacht B im Falle des Erwerbs durch die Klägerin für einen Großteil des Jahres für eine Charter von 200.000 € zuzüglich sämtlicher Nebenkosten anmieten wolle. Vor diesem Hintergrund habe Herr H vor dem Erwerb der Yacht B jährliche Einnahmen in Höhe von rund 200.000 € errechnet, so dass aus seiner damaligen Sicht ein entsprechender Gewinn mit dem Boot realistisch gewesen sei. Dass sich diese damalige Vorstellung nicht realisiert habe, habe sich erst nach dem Erwerb der Yacht B ergeben. Der potentielle Kunde S habe immer wieder neue Ausreden gehabt, warum er noch nicht über die Millionenerbschaft verfügen könne, so dass es letztendlich nicht zu dieser geplanten Vercharterung des Bootes gekommen sei.

23Auf Basis der Beratung und der Einschätzungen des von der Klägerin als Zeugen angebotenen Herrn H und in Kenntnis zu dessen Kontakten zu Herrn S und den Bundesligafußballern sowie aufgrund dessen Bekundung, auch selbst für ca. 12-15 Tage im Jahr die Yacht anmieten zu wollen, habe sich die Geschäftsführung der Klägerin zum Kauf der Yacht B entschlossen.

24In den ersten fünf Monaten nach dem Erwerb der Yacht B habe die Klägerin bewusst auf Werbemaßnahmen verzichtet, weil das Boot aufgrund diverser Mängel noch nicht zur Vermietung geeignet gewesen sei. Erst im Juni 2009 seien die Mängel behoben worden und man habe das Boot für Vermietungszwecke nutzen können.

25In einer von der Klägerin vorgelegten Charterübersicht betreffend die Jahre 2008-2010 (Anl. 6 zum Schriftsatz vom 3.4.2011; Bl. 166) hat die Klägerin Einnahmen aus der Vermietung der Yacht, beginnend ab Mai 2009, i.H.v. 151.800 € für 2009 und i.H.v. 145.000 € für 2010 aufgelistet.

26Mit Schriftsatz vom 25.8.2011 teilt die Klägerin mit, dass sie zwischenzeitlich einen langfristigen Chartervertrag – Laufzeit vom 10.5.2011 bis 31.12.2016 – mit einer spanischen Firma zu einem jährlichen Preis von 165.000 € netto für das Jahr 2011 bzw. 180.000 € netto für die Folgejahre abgeschlossen habe. Aufgrund dieses langfristigen Mietvertrages sei mit einem Totalgewinn bezüglich der Vermietung dieser Yacht zu rechnen.

27Die Klägerin beantragt,

28den Umsatzsteuerbescheid für 2008 vom 16.8.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.8.2010 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 518.871 € vermindert wird,

29hilfsweise unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung,

30hilfsweise Revisionszulassung.

31Das beklagte Finanzamt beantragt,

32die Klage abzuweisen,

33hilfsweise unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verständigung.

34Hinsichtlich der Yacht A vertritt das Finanzamt die Ansicht, dass die Klägerin durch ihren Entschluss, die zuvor zu – vorübergehenden – Vermietungszwecken nach Mallorca verbrachte Yacht zurück an die Firma in Deutschland zu verkaufen, den Verbringenstatbestand des § 6a Abs. 2 UStG erfüllt habe und dieser Umsatz als steuerpflichtig zu behandeln sei, da die Klägerin keine Aufzeichnungen i.S. des § 17c Abs. 3 UStDV geführt habe.

35Den Vortrag der Klägerin, sich beim Kauf der Yacht B alleine auf das Bauchgefühl und die Beratung des Herrn H verlassen zu haben, hält das Finanzamt für die Untermauerung einer Gewinnerzielungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht für völlig unzureichend, da die Klägerin insoweit die objektive Beweislast für das Vorliegen der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen trage.

36Kontakte zu mietwilligen Profifußballern und die Behauptung, Herr S habe infolge einer Erbschaft bereits vor Erwerb der Yacht B die Absicht bekundet, das Boot für 200.000 € jährlich anmieten zu wollen, habe die Klägerin erstmals in diesem Klageverfahren vorgetragen.

37Zusammenfassend bleibe festzustellen, dass im Dezember 2008 seitens der Klägerin keinerlei unternehmerisches Konzept zur Vermarktung der neu angeschafften Yacht B vorgelegen habe. Die von der Klägerin erst nach Ablauf des Streitjahres 2008 vorgelegten, nach Ansicht des Finanzamts ohnehin nicht zu akzeptierenden Gewinnprognoserechnungen und Verträge könnten insoweit nicht auf den Zeitpunkt des Erwerbs im Dezember 2008 zurückwirken. Die von der Klägerin vorgetragenen Gesamtumstände und Gestaltungen und ihr jeweils neuer Sachvortrag, mit denen sie den Stellungnahmen des Finanzamts begegnet sei, hätten keine Gewinn bringende Vercharterung auf der Basis eines seriösen betriebswirtschaftlichen Konzepts deutlich machen können. Vielmehr seien private Interessen der Gesellschafterin H und ihres Ehemannes an der eigenen Nutzung des Schiffes erkennbar. Die Übernahme einer Bürgschaft und von Kosten im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Unterhaltung der Yacht B durch Herrn H lasse alleine den Schluss zu, dass die Vercharterung des Schiffes vorwiegend im privaten Interesse und nicht mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt sei.

38Entscheidungsgründe:

39Die Klage hat nur in dem tenorierten Umfang Erfolg und ist im übrigen unbegründet.

40I. Die Verbringung der Yacht A nach Mallorca ist zwar als umsatzsteuerpflichtig zu beurteilen. Allerdings haben sich die Beteiligten dahingehend verständigt (worauf sich der jeweilige Hilfsantrag bezieht), dass die Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz nicht – wie im angefochtenen Bescheid angesetzt – 1.100.000,- €, sondern nur 950.000 € beträgt. Hierdurch mindert sich die derzeit auf 273.556,09 € festgesetzte Umsatzsteuer (siehe Einspruchsentscheidung vom 30.8.2010) um 28.500 € auf 245.056,09 €.

41Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist ihr die Steuerfreiheit für die Verbringung der Yacht A nach Mallorca zu versagen.

42Die Klägerin hat den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens der bereits 2007 zunächst nur zu Vermietungszwecken nach Mallorca beförderten Yacht A im Zeitpunkt des Verkaufs im Dezember 2008 gemäß § 3 Abs. 1a UStG erfüllt.

43Gemäß § 3 Abs. 1a UStG gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

44Die Beförderung der Yacht A nach Mallorca im März 2007 erfolgte zunächst mit der Absicht, diese zu vermieten bzw. durch die Familie der Gesellschafter-Geschäftsführerin H zu nutzen. Es handelt sich dabei um eine ihrer Art nach nur vorübergehende Verwendung im Gemeinschaftsgebiet, welche noch nicht den Tatbestand des innergemeinschaftlichen Verbringens erfüllt.

45Mit dem Verkauf der Yacht A im Dezember endete die vorübergehende Verwendung, damit gilt die Yacht A in diesem Zeitpunkt als verbracht i.S. des § 3 Abs. 1a UStG (siehe auch Art. 17 Abs. 3 der Richtline 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie – MWStSystRl.-; vergl. Abschn. 15b Abs. 11 UStR 2008, Martin in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 3 Rdnr. 196).

46Das Finanzamt hat diesen – gemäß § 6a Abs. 2 UStG einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellten – Umsatz zu Recht nicht gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG als steuerfrei beurteilt, da die hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

47Das Verbringen der Yacht A nach Spanien ist als steuerpflichtig zu beurteilen, weil die Klägerin nicht die umsatzsteuerlichen Konsequenzen hieraus – Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs der Yacht B in Spanien – gezogen hat. Spiegelbildlich steht der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung bzw. des innergemeinschaftlichen Verbringens gemäß § 6a Abs. 1 und 2 UStG im Inland die Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland gegenüber (siehe § 1a UStG).

48Dementsprechend wird durch § 6a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 UStG die Steuerfreiheit des innergemeinschaftlichen Verbringens unter anderem davon abhängig gemacht, dass der Erwerb des verbrachten Gegenstandes beim Abnehmer – der in diesem Fall mit dem Lieferer identisch ist (vergl. Abschn. 15b Abs. 1 Satz 3 UStR) – den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt.

49Nach der für alle Mitgliedstaaten verbindlichen MWStSystRl. (siehe Art. 2 Abs. 1 Buchst. b), Art. 20 MWStSystRl.) unterlag der mit dem Verbringen der Yacht A einhergehende innergemeinschaftliche Erwerb in Spanien zwar grundsätzlich der dortigen Erwerbsbesteuerung.

50Unstreitig ist jedoch, dass der innergemeinschaftliche Erwerb der Yacht A von der Klägerin bisher in Spanien weder versteuert noch als solcher deklariert wurde. Eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hatte sich die Klägerin in Spanien nicht erteilen lassen, dementsprechend hatte sie diesen Umsatz auch nicht in einer zusammenfassenden Meldung gemäß § 18a UStG (siehe § 18a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 2; Abs. 7 Nr. 2 UStG) erfasst und konnte im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung auch keine Aufzeichnungen im Sinne des § 6a Abs. 3 i.V.m. § 17c Abs. 3 UStDV vorlegen (siehe Tz. 15 des USt.-Sp.-Berichts vom19.6.2009).

51Auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH –(u.a. Urteil des BFH vom 06. Dezember 2007 – V R 59/03 –, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57), wonach die in den §§ 17a, 17c UStDV aufgeführten Nachweispflichten des Unternehmers keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung darstellen, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststehe, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, kann sich die Klägerin schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil sie selbst durch ihre Vorgehensweise die Erwerbsbesteuerung in Spanien dadurch vermieden hat, dass sie sich dort weder umsatzsteuerlich hat registrieren lassen noch den innergemeinschaftlichen Erwerb der Yacht A angezeigt hat.

52Nach der Rechtsprechung des BFH (u.a. Urteile des BFH vom 11. August 2011 – V R 50/09 –, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151 und vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451,) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – EuGH – ist eine Lieferung i.S. des § 6a Abs. 1 UStG als steuerpflichtig zu behandeln, wenn – obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen – der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 138 Abs. 1 der MWStSystRl.) beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 45).

53Entsprechend ist nach Auffassung des Senats der hier vorliegende Sachverhalt eines innergemeinschaftlichen Verbringens im Sinne von § 6a Abs. 2 UStG zu beurteilen, wenn der in diesem Fall mit dem Lieferer identische Erwerber durch das Unterlassen seiner Registrierung als Unternehmer im Bestimmungsmitgliedstaat und die Nichtdeklarierung des dortigen Erwerbs die Erwerbsbesteuerung verhindert.

54Nachdem sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung darauf verständigt haben, dass als Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz gemäß § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG anstelle des bisher angesetzten historischen, im Dezember 2006 entrichteten Einkaufspreises i.H.v. 1.100.000 € (siehe Tz. 15 des USt.-Sp.-Berichts vom 19.6.2009) nur ein verringerter Betrag i.H.v. 950.000 € anzusetzen ist, war die Umsatzsteuer für 2008 um 28.500 € zu vermindern (Differenz 150.000 € X 19%).

55Ob anstelle der Versagung der Steuerfreiheit für das innergemeinschaftliche Verbringen der Yacht A vorliegend auch eine Erwerbsbesteuerung nach § 3d S. 2 UStG in Betracht käme, lässt der Senat dahingestellt. Sollte die Klägerin jedoch zukünftig die Erwerbsbesteuerung bezüglich der Yacht A in Spanien nachholen und dies gegenüber dem Finanzamt nachweisen, so dürfte dies – auch unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 3d S. 2 UStG – als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung – AO – zu werten sein mit der Folge, dass dann der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2008 erneut geändert und die Steuerfreiheit für das innergemeinschaftliche Verbringen der Yacht A gemäß § 6a Abs. 2 UStG nachträglich anerkannt werden könnte.

56II. Der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb der Yacht B ist der Klägerin gemäß § 15 Abs. 1a UStG zu versagen, weil eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht im Dezember 2008 nach der Überzeugung des Senats nicht feststellbar ist.

57Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer unter anderem die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, in Abzug bringen. Nicht abziehbar sind jedoch gemäß § 15 Abs. 1a UStG die Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG – gilt, entfallen. Von dem Abzugsverbot sind auch die Aufwendungen für die Anschaffung einer Motoryacht betroffen (§ 4 Abs. 5 Nr. 4 EStG).

58Das Vorsteuerabzugsverbot gemäß § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst demnach Aufwendungen für Yachten, die vom Erwerber nachhaltig und zur Erzielung von Einnahmen, jedoch ohne Gewinnabsicht vermietet werden (vgl. Urteile des BFH vom 02. Juli 2008 XI R 61/06, juris vom 06. August 1998 V R 74/96, BFHE 186, 454, BStBl II 1999, 104, betreffend eine Motorjacht; und vom 24. August 2000 V R 9/00, BFHE 193, 161, BStBl II 2001, 76, betreffend eine Segeljacht).

59Derartige Aufwendungen sind ertragsteuerrechtlich nicht abziehbar und unterliegen deshalb umsatzsteuerrechtlich dem Vorsteuerausschluss, wenn die Verwendung der Yacht bei typisierender Betrachtung dazu geeignet ist, private Neigungen zu befriedigen. Davon kann bei einer Yachtvercharterung ohne Einkünfteerzielungsabsicht regelmäßig ausgegangen werden (Urteil des BFH vom 02.07.2008 XI R 61/06, HFR 2009, 278, JURIS).

60Die Absicht der steuerrechtlich relevanten Gewinn-/Überschusserzielung zeigt sich in dem Bestreben, während des Bestehens der „Einkunftsquelle“ insgesamt einen „Totalgewinn“ bzw. Einnahmenüberschuss zu erzielen. Ob der Unternehmer eine derartige Absicht hatte, lässt sich als innere Tatsache nicht anhand seiner Erklärungen, sondern nur aufgrund äußerer Umstände feststellen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282, unter II.1.b). Hierfür ist insbesondere von Bedeutung, ob die Betätigung bei objektiver Betrachtung nach ihrer Art, ihrer Gestaltung und den gegebenen Ertragsaussichten einen Totalüberschuss erwarten lässt (vgl. BFH-Urteil vom 27. Januar 2000 IV R 33/99, BFHE 191, 119, BStBl II 2000, 227).

61Während die Klägerin behauptet, sie habe die Yacht B durch Kaufvertrag vom 13.8.2008 und Rechnung vom 8.12.2008 in der Absicht erworben, aus deren Vercharterung Gewinne zu erzielen, ist das Finanzamt der Auffassung, der Erwerb der Yacht habe weit überwiegend der Befriedigung privater Interessen der Gesellschafterin H bzw. deren Ehemannes gedient.

62Ungeachtet der von der Klägerin im Einspruchsverfahren und in diesem Klageverfahren vorgelegten Berechnungen und Begründungen, welche einen Totalgewinn prognostizieren sollen, ist das Gericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Ansicht, dass die Vorsteuerabzugsvoraussetzungen vorliegend nicht erfüllt sind bzw. die Klägerin diese entgegen der ihr obliegenden Beweislast nicht nachgewiesen hat.

63Die Entscheidung darüber, ob eine den Vorsteuerabzug eröffnende Verwendung des Leistungsbezugs vorliegt, ist durch eine abschließende Prognose bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs auf der Grundlage der durch objektiver Anhaltspunkte belegten Absicht des Unternehmers zu treffen (Bunjes, Kommentar zum UStG, § 15 Rn. 106).

64Diese Sichtweise, wonach auf die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht im Zeitpunkt des Erwerbs abzustellen ist, entspricht der ständigen Auffassung des BFH, wonach die unternehmerische Entscheidung, einen Leistungsbezug dem Unternehmen zuzuordnen, bereits „bei Anschaffung, Herstellung oder Einlage des Gegenstands“ zu treffen ist. Spätere Absichtsänderungen eines Steuerpflichtigen wirken hiernach nicht auf den Zeitpunkt des Leistungsbezugs zurück und führen deshalb nicht dazu, dass für Eingangsleistungen in Rechnung gestellte Umsatzsteuerbeträge nachträglich als Vorsteuern abziehbar sind (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 11.04.2008 V R 10/07 BFHE 221, 456, BStBl II 2009, 741 und vom 08.10.2008 XI R 58/07 BFHE 223, 487, BStBl II 2009, 394).

65Entsprechend dieser Rechtsprechung hält es der Senat vorliegend für entscheidungserheblich, ob die Klägerin die von ihr behauptete Absicht, durch die Vercharterung der Yacht Einkünfte in Gestalt eines Totalgewinns zu erzielen, durch objektive Anhaltspunkte im Zeitpunkt des Erwerbs im Dezember Jahr 2008 belegen kann. Sämtliche erst zu einem späteren Zeitpunkt avisierten oder verwirklichten Geschäftsmodelle, insbesondere die nunmehr von der Klägerin mitgeteilte Vercharterung der Yacht an die Firma in Spanien durch Vertrag vom 12.5.2011 zu einem jährlichen Festpreis von 165.000 € bzw. 180.000 € dürften in Anbetracht der vorzitierten Rechtsprechung für die Frage des Vorsteuerabzugs im Jahr 2008 unbeachtlich sein.

66Objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin bereits im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht die Absicht gehabt hätte, durch deren spätere Vercharterung Gewinne zu erzielen, lassen sich nach Auffassung des Gerichts weder aus den Schriftsätzen der Klägerin noch aus den sonstigen in den Steuerakten befindlichen Unterlagen entnehmen. Das Finanzamt hat hierzu festgestellt, dass die Klägerin vor dem Erwerb der Yacht B – immerhin einer Investition in Höhe von mehr als 1,9 Mio. € (brutto) – keinerlei Marktanalyse bzw. Wirtschaftlichkeitsberechnung in Bezug auf die Vercharterung der Yacht B eingeholt hatte. Erste Werbemaßnahmen – die von der Prüferin zudem als nicht ernsthaft beurteilt wurden (siehe Tz. 16 des USt.-Sp.-Berichts vom 19.6.2009) – hatte die Klägerin erstmals fünf Monate nach Erwerb der Yacht – und damit bereits nach Beginn der Umsatzsteuer-Sonderprüfung – ergriffen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass die Yacht B nur an die Stelle der zuvor bereits im Charterbetrieb eingesetzten Yacht A getreten sei, mag dieser Vortrag zwar dazu geeignet sein, auf eine Vermietungsabsicht der Klägerin auch bezüglich der Yacht B im Zeitpunkt des Erwerbs schließen zu lassen. Allerdings reicht dieser Vortrag nicht aus, um eine Absicht der Klägerin dahingehend anzunehmen, mit der Vercharterung der 2008 erworbenen Yacht auch Gewinne zu erzielen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin bei Erwerb der Yacht B diese in ein bereits erprobtes, einen Totalgewinn zulassendes Geschäftsmodell integriert hätte. Dies ist aber nicht der Fall. Auch die Vercharterung der Vorgängeryacht A erfolgte nicht im Rahmen eines Geschäftsmodells, durch das ein Totalgewinn zu erwarten gewesen wäre. In Bezug auf die Vorgängeryacht existierten auch keine längerfristigen Verträge, Geschäftsbeziehungen oder sonstige Vereinbarungen, die auf die 2008 erworbene Yacht B übertragen worden wären.

67Die Klägerin trägt hierzu in ihren aktuellen Schriftsätzen vor, man habe sich bei Erwerb der Yacht B auf die Beratung des H und auf dessen „Bauchgefühl“ und Kontakte zu potentiellen Kunden verlassen, womit man auch bei anderweitigen unternehmerischen Entscheidungen innerhalb der Unternehmensgruppe der Klägerin gute Erfolge verzeichnet habe. Wirtschaftlichkeitsberechnungen hätten alleine im Kopf der Geschäftsführung der Klägerin bzw. im Kopf des Herrn H stattgefunden.

68Dieser Sachvortrag entspricht insoweit den Erkenntnissen der Umsatzsteuer-Sonderprüferin bzw. des beklagten Finanzamts, als auch diese Herrn H als treibende Kraft hinter dem Erwerb der Yacht ausgemacht haben. Allerdings beschränkt sich der Vortrag der Klägerin insoweit auf den subjektiven Bereich der Entscheidungsfindung.

69Auf welche konkreten wirtschaftlichen Erkenntnisse und Grundlagen Herr H bei seiner Kaufberatung zurückgreifen konnte, welche Qualifikation ihn überhaupt für die Klägerin als Berater in Sachen „Yachtvercharterung auf Mallorca“ geeignet erscheinen ließ, wird nicht mitgeteilt.

70Das Gericht geht bei lebensnaher Betrachtung daher davon aus, dass Herr H als Ehemann der Gesellschafter-Geschäftsführerin der Klägerin und maßgeblicher Kopf hinter den Entscheidungen der Unternehmensgruppe die treibende Kraft bei Erwerb der Yacht war. Dies zeigt sich auch darin, dass Herr H persönlich in Höhe von 1.000.000 € Bürgschaftsverpflichtungen bei Aufnahme des Kaufpreisdarlehens einging. Dessen privates Interesse an dem Yachterwerb ist jedoch im Hinblick auf die Nutzung der Yacht, wie auch schon der Vorgängeryachten, in erheblichem Umfang zu privaten Zwecken der Familie H unverkennbar. Diesbezüglich und hinsichtlich der Würdigung der von der Klägerin im vorgerichtlichen Verfahren mitgeteilten Gewinnprognosen wird gemäß § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung auf die zutreffenden Ausführungen des Finanzamts in seiner Einspruchsentscheidung vom 30.08.2010 Bezug genommen.

71Dem Gericht bieten sich im Ergebnis keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass im Zeitpunkt des Erwerbs der Yacht B bei den Verantwortlichen der Klägerin eine Absicht dahingehend bestanden haben könnte, diese im Wege eines Geschäftsmodells unternehmerisch zu nutzen, welches einen Totalgewinn realistisch erscheinen ließe. Das Gericht vertritt insoweit die Ansicht, dass bei einer kostspieligen Investition in ein Wirtschaftsgut wie vorliegend einer Motoryacht – einem typischen Repräsentationsgegenstand – zu einem Bruttokaufpreis von ca. 1,9 Mio €, die behauptete Gewinnerzielungsabsicht im Zeitpunkt des Kaufs durch Vorlage zuvor eingeholter Markt- bzw. Wirtschaftlichkeitsanalysen nachzuweisen ist, zumindest dann, wenn es sich nicht nur um eine Ersatzbeschaffung für ein bereits bestehendes und mit Gewinn betriebenes Unternehmen handelt.

72Soweit sich aus den objektiven Gegebenheiten im Zeitpunkt des Ankaufs der Yacht B überhaupt auf eine Verwendungsabsicht der Klägerin schließen lässt, dürfte sich diese bei lebensnaher Betrachtung darauf beschränkt haben, die Yacht im Rahmen sich bietender Möglichkeiten – ohne näheres Geschäftskonzept im Zeitpunkt des Kaufs – hin und wieder fremd zu vermieten und ansonsten durch die Gesellschafterin der Klägerin bzw. deren Ehemann zu nutzen. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug sind hierdurch unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 1a UStG nicht erfüllt.

73Dem von der Klägerin angebotenen Zeugenbeweis – Vernehmung ihres ehemaligen Geschäftsführers W bzw. des Herrn H (siehe Schreiben der Klägerin vom 2.5.2013) – brauchte das Gericht nicht nachzugehen, da hiermit lediglich der subjektive Hintergrund, welcher der Kaufentscheidung zugrunde lag, unter Beweis gestellt wird, jedoch keine objektiven Anhaltspunkte dafür geboten werden, dass die Klägerin die Yacht B mit Gewinnerzielungsabsicht erworben habe.

74Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO überwiegend abzuweisen.

75Die Entscheidung, die Zuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

76Die Revisionszulassung hält das Gericht zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO für angezeigt im Hinblick auf die Frage der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Verbringens in Fällen der nicht durchgeführten Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland und bezüglich der Frage, ob die Gewinnerzielungsabsicht – und nicht nur die Absicht der unternehmerischen Verwendung – in Fällen des § 15 Abs. 1a UStG durch objektive Anhaltspunkte bereits zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges nachgewiesen werden muss.

Zu den Merkmalen einer doppelten Haushaltsführung

Finanzgericht Düsseldorf, 3 K 3799/10 E

Datum:
26.10.2012
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 3799/10 E
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

1T a t b e s t a n d :

2Streitig ist, ob die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung vorliegen.

3Die im Jahr 1959 geborene Klägerin lebte bis Mai 1995 im Haushalt ihrer Eltern in H, den ihr Vater nach dem Tod der Mutter im Jahr 1977 fortgeführt hatte. Aufgrund eines von der Klägerin und Herrn A abgeschlossenen Mietvertrags vom 12.05.1995 bezog sie mit diesem im August 1995 eine 61,75 qm große Wohnung in M. Nach dem Tod ihres Vaters am 13.09.1998 schloss sie am 07.01.1999 mit einer KG ab dem 01.01.1999 einen Mietvertrag über die 59,10 qm große Wohnung in H ab.

4Die Klägerin war seit Juni 1994 in H arbeitslos gemeldet; ab September 1997 bis Juni 1999 bezog sie Unterhaltsgeld im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme zur Fachangestellten. Ab dem 14.06.1999 nahm sie in R eine Beschäftigung auf.

5Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2001 bis 2007 machte die Klägerin die Kosten für ihre Wohnung in M und für ihre Heimfahrten nach H als Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung steuerlich geltend.

6Das Finanzamt (FA) H erkannte die geltend gemachten Aufwendungen im Rahmen der Veranlagungen zur Einkommensteuer 2001 bis 2004 im Wesentlichen an. Die Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2004 wurden bestandskräftig.

7Nach Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2005 bat der nunmehr zuständige Beklagte mit Schreiben vom 03.04.2007 u. a. um Nachweise zur beruflichen Veranlassung der doppelten Haushaltsführung. Die Klägerin verwies in ihrer Stellungnahme darauf, dass die Begründung der doppelten Haushaltsführung aus beruflichem Anlass bereits in den Vorjahren vom FA H geprüft und anerkannt worden sei. Die Gründe für die Aufrechterhaltung seien unerheblich. Die Klägerin legte ferner Kopien der Mietverträge und Überweisungsbelege hinsichtlich der Mieten für die Wohnung in H vor. Bis einschließlich 2007 wurden auf Antrag der Klägerin auf ihren Lohnsteuerkarten Freibeträge eingetragen, in denen u.a. Aufwendungen einer doppelten Haushaltsführung enthalten waren.

8Aufgrund einer Anzeige des Beklagten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung leitete das FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung am 14.05.2007 gegen die Klägerin ein Strafverfahren ein.

9Der Beamte der Straf- und Bußgeldsachenstelle kam in seinem Abschlussvermerk vom 19.01.2009 (StraBu-Akte Bl. 246ff.) zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit der Anmietung der Wohnung in M ihren Lebensmittelpunkt von H nach M verlegt habe. Dafür spreche, dass es sich bei Herrn A um den Lebensgefährten der Klägerin handele, was sich insbesondere aus der aufgefundenen Korrespondenz und den gemeinsamen Urlauben ergebe. Die Ausstattung der Wohnung in H lege nahe, dass es sich um eine nach Art einer Ferienwohnung genutzte Zweitwohnung handele. Die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen habe ferner ergeben, dass mehrere der in den Reisekostenabrechnungen angegebenen Fahrten zwischen H und M nicht durchgeführt worden sein könnten, weil die Klägerin sich an diesen Tagen nicht an den in den Abrechnungen genannten Orten aufgehalten haben könne.

10Der Beklagte schloss sich den Feststellungen des FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung an und erließ am 19.08.2009 für die Streitjahre 2001 bis 2004 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen er keine Aufwendungen anlässlich einer doppelten Haushaltsführung mehr anerkannte. Bei den erstmaligen Veranlagungen zur Einkommensteuer für die Streitjahre 2005 bis 2007 durch die Einkommensteuerbescheide vom 19.08.2009 berücksichtigte er nur noch Aufwendungen für Fahrten zwischen der Wohnung in M und der Arbeitsstätte, für Arbeitsmittel und für die Kontoführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die von der Klägerin auch für diese Jahre in den Steuererklärungen als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen anlässlich einer doppelten Haushaltsführung ließ er unter Hinweis auf die Feststellungen der Straf- und Bußgeldsachenstelle nicht mehr zum Abzug zu.

11Die Klägerin legte gegen die Einkommensteuerbescheide vom 19.08.2009 Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Der Beklagte lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung am 17.11.2009 ab. Mit am 07.01.2010 bei Gericht eingegangenem Antrag verfolgte die Klägerin daraufhin ihr Aussetzungsbegehren auf gerichtlichem Wege weiter.

12Mit Beschluss vom 10.06.2010 (3 V 56/10 A (E)) setzte der Senat die Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2004 vom 19.08.2009 von der Vollziehung aus. Im Übrigen lehnte er den Aussetzungsantrag der Klägerin ab.

13Zur Begründung führte er aus, im Streitfall bestünden zwar keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Klägerin die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG in den Streitjahren nicht erfüllt habe. Aus verfahrensrechtlichen Gründen sei jedoch ernstlich zweifelhaft, dass der Beklagte deshalb die Steuerfestsetzungen für die Streitjahre 2001 bis 2004 habe ändern dürfen.

14Mit Einspruchsentscheidung vom 24.09.2010 änderte der Beklagte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für 2001 bis 2004 unter Beachtung der Ausführungen des Senats im Beschluss vom 10.06.2010 entsprechend ab. Gleichzeitig hielt er an seiner Rechtsauffassung fest, dass eine Berichtigung gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO für diejenigen Werbungskosten erfolgen könne, für die der Senat in seinem Beschluss die Anträge der Klägerin als unbegründet angesehen habe.

15Mit Einspruchsentscheidung ebenfalls vom 24.09.2010 wies er die Einsprüche der Klägerin gegen die Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 vom 19.08.2009 als unbegründet zurück.

16Die Klägerin hat am 25.10.2010 Klage erhoben.

17Die unter dem Aktenzeichen 3 K 3798/10 E geführte Klage betreffend die Einkommensteuerfestsetzungen für 2001 bis 2004 hat sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 26.10.2012 wieder zurückgenommen. Das Verfahren 3 K 3798/10 E ist daraufhin mit Beschluss vom 26.10.2012 gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingestellt worden.

18Hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 vom 19.08.2009 hält die Klägerin an ihrem Klagebegehren fest. Insoweit beruft sie sich insbesondere auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren.

19Ergänzend trägt sie vor, sie habe nach dem Tod ihrer Mutter im Jahr 1977 die Führung des Haushaltes mit ihrem Vater übernommen und sich auch finanziell daran beteiligt. Seit diesem Zeitpunkt habe sie daher einen eigenen Hausstand unterhalten. Darüber hinaus sei bereits die Anmietung der Wohnung in M im Mai 1995 aus beruflichen Gründen erfolgt, denn ab diesem Zeitpunkt habe sie sich um eine neue Anstellung im Ballungszentrum des Ruhrgebiets bemüht. Die Arbeitsvermittlung in H, wo sie bis 1999 arbeitssuchend gemeldet gewesen sei, habe ihr lediglich Anstellungsmöglichkeiten in der dortigen Region vermitteln können. Ihre Bemühungen um eine Beschäftigung im Ruhrgebiet seien erst 1999 mit der Aufnahme der Tätigkeit als Fachangestellte erfolgreich gewesen. Unabhängig hiervon sei ihr Lebensmittelpunkt im gesamten Zeitraum in H anzusiedeln gewesen, da sich dort sämtliche ihrer sozialen Kontakte befunden hätten. Außer zu ihrem derzeitigen Lebensgefährten, Herrn A, habe sie in M keine persönlichen Kontakte geknüpft. Sie sei dort auch keinem Verein oder einer sonstigen Vereinigung beigetreten. Soweit der Beklagte Unterlagen über ihre Mitgliedschaft in einem Sportverein in M an der Ruhr vorgelegt habe (Bl. 19f. d. A.), ändere dies nichts daran, dass sie dort keinerlei soziale Kontakte entwickelt habe. Entgegen den Feststellungen der Steuerfahndung sei Herr A in den Streitjahren auch nicht ihr Lebensgefährte gewesen. Mit ihm habe sie lediglich eine Wohngemeinschaft geführt, die ihr die Durchführung ihrer Bewerbungsbemühungen vor Ort habe erleichtern sollen. Die Steuerfahndung habe einseitig Beweismittel für das Bestehen einer angeblichen persönlichen Beziehung zu Herrn A gesammelt. Andere Beweismittel, die einen gegenteiligen Schluss zuließen, seien von ihr ignoriert worden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass hinsichtlich der Frage ihres Lebensmittelpunktes nicht allein an ihre lange Beschäftigungsdauer in M angeknüpft werden könne. Nicht zuletzt sei auch der Umstand zu berücksichtigen, dass sie regelmäßig an den Wochenenden nach H gefahren sei. Die weite Fahrtstrecke habe sie allein zur Aufrechterhaltung und Pflege ihrer dortigen sozialen Kontakte auf sich genommen.

20Die Klägerin beantragt,

21die Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 vom 19.08.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.09.2010 dahingehend abzuändern, dass die erklärten Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung jeweils berücksichtigt werden.

22Der Beklagte beantragt,

23die Klage abzuweisen.

24Er macht im Wesentlichen geltend, die Klägerin trage für das Vorliegen der Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung die Feststellungslast, weil es sich hierbei um steuermindernde Umstände handele. Dieser Feststellungslast habe sie nicht entsprochen. Die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung seien in den Streitjahren eindeutig nicht erfüllt. Der Abschluss des Mietvertrages im Mai 1995 sei lange vor Beginn der Umschulungsmaßnahme zur Fachangestellten erfolgt. Berufliche Gründe könnten hierfür nicht ausschlaggebend gewesen sein. Es sei auch davon auszugehen, dass sich der Lebensmittelpunkt der Klägerin im zeitlichen Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung in M im Mai 1995 zusammen mit ihrem Lebensgefährten, Herrn A, von H nach M verlagert habe. Unter dem Aspekt des bereits vierjährigen Zusammenlebens mit ihrem Lebensgefährten und der dann erfolgten Aufnahme eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses in R träten die von der Klägerin geschilderten sozialen Kontakte nach H in den Hintergrund. Die Anmietung der Wohnung in H rechtfertige keine andere Beurteilung. Denn eine solche Zweitwohnung könne auch lediglich für Besuchs- oder Ferienzwecke vorgehalten werden.

25Im Rahmen des parallel zum finanzgerichtlichen Verfahren laufenden Strafverfahrens ist die Klägerin mit Urteil des Landgerichts vom 19.10.2011 − unter Aufhebung des freisprechenden Urteils des Amtsgerichts vom 01.03.2011 − wegen Steuerhinterziehung in den Jahren 2001 bis 2004 zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu jeweils 50,- Euro verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Revision der Klägerin wurde durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 24.05.2012 als unbegründet verworfen. Auf die Gründe dieser Entscheidungen wird Bezug genommen (Bl. 32ff. und 70ff. d. A.).

26Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakten verwiesen.

27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

28Die Klage ist unbegründet.

29Die Einkommensteuerbescheide für 2005 bis 2007 vom 19.08.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.09.2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

30Die Klägerin hat nicht den Nachweis dafür erbracht, dass die Voraussetzungen der doppelten Haushaltsführung in den Streitjahren 2005 bis 2007 erfüllt waren.

31Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, und zwar unabhängig davon, aus welchen Gründen die doppelte Haushaltsführung beibehalten wird. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG). Ein nicht verheirateter Arbeitnehmer kann einen eigenen Hausstand außerhalb des Beschäftigungsortes unterhalten, wenn er seinen Lebensmittelpunkt dort beibehält und sich − abgesehen von der Berufstätigkeit am Beschäftigungsort − ständig dort aufhält. Dort und nicht am Beschäftigungsort muss sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen befinden. Das Vorhalten einer Wohnung außerhalb des Beschäftigungsortes für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist nicht als Unterhalten eines eigenen Hausstandes zu werten. Ob die außerhalb des Beschäftigungsortes gelegene Wohnung des Arbeitnehmers als Mittelpunkt seiner Lebensinteressen anzusehen ist und deshalb seinen Hausstand darstellt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen. Bei nicht verheirateten Arbeitnehmern spricht, je länger die Auswärtstätigkeit dauert, immer mehr dafür, dass die eigentliche Haushaltsführung und auch der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort verlegt wurden und die Heimatwohnung nur noch für Besuchszwecke vorgehalten wird. Indizien können sein, wie oft und wie lange sich der Arbeitnehmer in der einen oder anderen Wohnung aufhält, wie beide Wohnungen ausgestattet und wie groß sie sind. Von Bedeutung sind auch die Dauer des Aufenthalts am Beschäftigungsort, die Entfernung beider Wohnungen sowie die Zahl der Heimfahrten. Erhebliches Gewicht hat ferner der Umstand, zu welchem Wohnort die engeren persönlichen Beziehungen bestehen. Insoweit ist von Belang, wo sich die Bezugspersonen des Arbeitnehmers überwiegend aufhalten; dies gilt auch, soweit ein alleinstehender Arbeitnehmer mit seinem Lebensgefährten zusammenlebt (BFH-Urteile vom 22.02.2001 VI R, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH −BFH/NV− 2001, 1111 und vom 09.08.2007 VI R 10/06, BStBl II 2007, 820). Ein nicht verheirateter Arbeitnehmer unterhält einen eigenen Hausstand darüber hinaus nur, wenn er diesen aus eigenem oder abgeleitetem Recht nutzt, ihn führt und für die Kosten des Haushalts aufkommt. Ein eigener Hausstand wird nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt (z. B. den der Eltern eingegliedert ist), so dass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann (BFH-Urteil vom 14.06.2007 VI R 60/05, BStBl II 2007, 890).

32Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze sind die Voraussetzungen einer doppelten Haushaltsführung in den Streitjahren nicht nachgewiesen.

33Zweifelhaft ist bereits, ob die Klägerin in den Jahren bis zur Anmietung der Wohnung ihres Vaters Anfang 1999 in dieser Wohnung über in sich abgeschlossene Räumlichkeiten verfügte, die die Merkmale eines eigenen Hausstandes erfüllten. Nur unter dieser Voraussetzung hätte sie jedoch bereits 1995 durch die Anmietung der Wohnung in M eine doppelte Haushaltsführung begründen können. Es ergäbe sich aber auch dann nichts Anderes, wenn die Klägerin in der elterlichen Wohnung einen eigenen Hausstand unterhalten hätte. Denn sie hat nicht nachgewiesen, dass die Anmietung der Wohnung in M im Mai 1995 aus rein beruflichen Gründen erfolgte. Zwar hat sie vorgetragen, dass sie sich ab diesem Zeitpunkt um eine Anstellung im Bereich des Ruhrgebiets bemüht habe. Nachweise hierfür hat sie indes nicht vorgelegt. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, bis einschließlich 1999 in H arbeitssuchend gemeldet war. Auch vor diesem Hintergrund erschließt sich für den Senat nicht ohne weiteres, dass bereits die bloße Durchführung von Bewerbungsbemühungen den Bezug der Wohnung in M notwendig gemacht haben soll. Vielmehr wäre die Anmietung einer Wohnung unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten erst bei einem sich abzeichnenden Erfolg der Bewerbungen und einer in Aussicht gestellten Anstellung zu erwarten gewesen. Auch der Bezug des Unterhaltsgeldes erst ab dem 04.09.1997 und die Arbeitslosigkeit von Juli 1994 bis Juni 1997 sprechen dagegen, dass es vor Beginn der Umschulung einen beruflichen Grund für die Anmietung in M gab. Selbst wenn jedoch auch dies der Fall gewesen sein sollte, legen die Gesamtumstände im Streitfall den Schluss nahe, dass die Klägerin ihren Lebensmittelpunkt spätestens 1999 (jedenfalls aber zu Beginn des Streitzeitraums ab 2005) nach M verlegt hat. Hierfür spricht zum einen, dass sie die Wohnung zusammen mit Herrn A anmietete, bei dem es sich nach den im Urteil des Landgerichts vom 19.10.2011 getroffenen Feststellungen um ihren Lebensgefährten handelte. Die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zur Widerlegung dieses Umstandes vorgetragenen Ausführungen vermögen angesichts der detaillierten Feststellungen des Landgerichts über die Lebenspartnerschaft zu Herrn A (vgl. S. 18ff. des landgerichtlichen Urteils), denen der Senat folgt, nicht zu überzeugen. Soweit die Klägerin vorgebracht hat, die Steuerfahndung habe Beweismittel, die gegen eine Lebenspartnerschaft mit Herrn A sprächen, ignoriert, hat sie derartige Beweismittel weder im vorbereitenden Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vorgelegt.

34Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben nach etwa eineinhalbjähriger Arbeitssuche sowie zweijähriger Umschulung im Juni 1999 in dem Büro in R eine (von ihrer Wohnung in M nur etwa 10 km entfernt gelegene) unbefristete Stelle aufnahm. Zudem war ihr Vater als letzter engster Angehöriger am 13.09.1998 verstorben. Zwar mag die Klägerin weiterhin persönliche Kontakte nach H unterhalten haben und aus ihrer persönlich-subjektiven Sicht dort ihren Lebensmittelpunkt gesehen haben. Aber auch in M hatten sich in den Streitjahren soziale Bindungen entwickelt. Jedenfalls in den Jahren 2001 bis 2007 war sie aktives Mitglied in einem Sportverein in M (vgl. Bl. 20 d. A.). Es entspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sie dort keinerlei soziale Kontakte geknüpft haben will. Auch angesichts des bereits vierjährigen Zusammenlebens mit ihrem Lebensgefährten seit Juni 1999 in der Wohnung in M und der Aufnahme eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses erscheinen ihre Kontakte nach H bei einer Gesamtwürdigung nicht so gewichtig, dass sie die Annahme des Lebensmittelpunktes in M entkräften können.

35Die Merkmale einer doppelten Haushaltsführung in den Jahren 2005 bis 2007 sind damit nicht hinreichend nachgewiesen. Die Versagung des Abzugs der insoweit geltend gemachten Aufwendungen erfolgte nach alledem zu Recht.

36Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Zur Frage nach der Höhe des Grunderwerbsteuersatzes; Bedingung der Erteilung einer Auskiesungsgenehmigung

Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 563/13 GE

Datum: 29.07.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 7. Senat
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 7 K 563/13 GE
Tenor: Unter Änderung des Bescheides vom 22.11.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 22.01.2013 wird die Grunderwerbsteuer auf 1.611 Euro herabgesetzt.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

1T a t b e s t a n d:

2Die Klägerin erwarb durch notariellen Vertrag vom 25. 5. 2004 von „A“ das Grundstück „X“. Der Kaufpreis betrug 3,50 €/qm für die landwirtschaftliche Fläche, insgesamt 20.814,50 €. Weiterhin wurde Folgendes vereinbart:

3„Sollte der Firma „B“ die Zulassung der Auskiesung des veräußerten Grundstücks innerhalb der nächsten 15 Jahre unter wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen bestandskräftig erteilt werden, gerechnet von heute an, so verpflichtet sich die Firma „B“ zur Zahlung eines zusätzlichen Kiesentgeltes in Höhe von 9,80 €/qm für die alsdann genehmigte Kiesabbaufläche auf der genannten Fläche. Das Kiesentgelt wird fällig vier Wochen nach Eintritt der Bestandskraft der Entkiesungsgenehmigung. Rein schuldrechtlich vereinbaren die Beteiligten: Sollte der Firma „B“ innerhalb von 15 Jahren ab heute keine Auskiesungsgenehmigung erteilt werden oder aber innerhalb dieses Zeitraums eine Auskiesungsgenehmigung bestandskräftig abgelehnt werden, so steht jeder Partei das Recht zu, innerhalb eines Jahres ab Entstehung des Rücktrittsgrundes von diesem Vertrag zurück zu treten.“

4Weiterhin wurde in dem Vertrag die Auflassung bezüglich des übertragenen Grundbesitzes erklärt und die Eintragung des Eigentumswechsels bewilligt.

5Der Kaufpreis von 20.814,50 € wurde im Jahr 2004 gezahlt. Das beklagte Finanzamt setzte hierfür gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

6In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin um eine Auskiesungsgenehmigung für einen Bereich, in dem auch das erworbene Grundstück lag. Diese Genehmigung wurde im Jahr 2012 erteilt. Daraufhin zahlte die Klägerin an die Veräußerin das vereinbarte Kiesentgelt in Höhe von 46.030 € und teilte dies dem Finanzamt mit.

7Mit Bescheid vom 22. 11. 2012 setzte der Beklagte hierfür Grunderwerbsteuer iHv 2.301 € fest, wobei er als Bemessungsgrundlage das gezahlte Kiesentgelt zugrunde legte und einen Steuersatz von 5 % anwandte. Gegen den Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein, mit dem sie sich gegen den Steuersatz von 5 % wandte. Der Erwerbsvorgang sei vor dem 1. 10. 2011 verwirklicht worden. Der Beklagte wies den Einspruch am 22. 1. 2013 zurück.

8Hiergegen richtet sich die Klage.

9Die Klägerin trägt vor:

10Der Beklagte habe rechtswidrig den mit NRW-Landesgesetz über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer vom 25. 7. 2011 (GV NRW S. 389), in Kraft getreten am 1. 10. 2011, eingeführten Steuersatz von 5 % auf den vorliegenden Fall angewandt. Das Gesetz sehe einen Steuersatz von 5 % für alle Erwerbsvorgänge vor, die sich auf im Land NRW gelegene Grundstücke bezögen; es sei anzuwenden auf Erwerbsvorgänge, die ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes verwirklicht worden seien. Dem hier streitgegenständlichen Erwerb liege der am 25. 5. 2004 abgeschlossene Kaufvertrag zugrunde. Ein Erwerbsvorgang sei iSv § 23 GrEStG verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden sei, wenn also die Vertragsparteien im Verhältnis zueinander gebunden seien, und zwar unabhängig davon, ob dieser Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöse oder nicht (BFH BStBl II 1003,308). Der Zeitpunkt des Erwerbs sei vom Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs zu unterscheiden. Zeitpunkt des Erwerbs sei der Zeitpunkt, in dem der zugrunde liegende Erwerbsvorgang durch Änderung der Rechtszuständigkeit an dem Grundstück gewissermaßen in die Tat umgesetzt werde. Dieser Zeitpunkt sei maßgeblich für die Bestimmung, wann ein Steuertatbestand bzw. –anspruch entstehe. Er sei aber irrelevant für die Frage, wann der Erwerbsvorgang verwirklicht sei. Damit sei für die Anwendbarkeit des Landesgesetzes entscheidend, wann eine Bindung der Parteien an das im Kaufvertrag Vereinbarte eingetreten sei. Der Vertrag über den Kauf des Grundstücks zum Preis von 20.814,50 € sei in 2004 bindend abgeschlossen worden. Neben der schuldrechtlichen Einigung sei auch die Auflassung erklärt worden. Die im Vertrag angesprochene behördliche Genehmigung stelle eine bloße Rechtsbedingung dar, die nicht als aufschiebende Bedingung iSv § 14 GrEStG zu werten sei. Auch das vereinbarte Rücktrittsrecht beeinträchtige die Verwirklichung des Erwerbsvorgangs nicht. Auch durch die Vereinbarung der Zahlung des Kiesentgeltes bei Erteilung der Genehmigung sei der Erwerbsvorgang nicht insgesamt aufschiebend bedingt.

11Ebenso wenig werde mit Eintritt der Bedingung in 2012 ein weiterer, neuer Erwerbsvorgang verwirklicht. Aufschiebend bedingt sei lediglich ein abgegrenzter Teil der Gegenleistung. Das Entgelt für den im Grundstück enthaltenen Kies werde an die Möglichkeit des Erwerbers, diesen zu verwerten, geknüpft. Unabhängig davon hätten die Parteien die Wirkungen des Erwerbsvorgangs jedoch sofort und ohne Bedingung eintreten lassen. Auch nach der Rechtsprechung werde im Fall der teilweise aufschiebend bedingten Gegenleistung angenommen, dass ein einziger ursprünglicher Erwerbsvorgang mit Abschluss des Vertrages vorliege, dem abhängig von der Gestaltung der Gegenleistung zwei unterschiedliche Steuertatbestände zuzuordnen seien (BFH vom 22. 11. 1995 II R 26/92). Ein neuer Erwerbsvorgang werde mit Eintritt der Bedingung gerade nicht verwirklicht. Der Anwendungserlass der OFD Rheinland vom 16. 8. 2011 verkenne die Rechtslage, in dem er von einem neuen Erwerbsvorgang ausgehe.

12Die Klägerin beantragt,

13den Grunderwerbsteuerbescheid vom 22. 11. 2012 idF der Einspruchsentscheidung vom 22. 1. 2013 dahingehend zu ändern, dass die Steuer auf 1.611 € herabgesetzt wird.

14Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

15Der Beklagte trägt vor,

16das Kiesentgelt stelle eine aufschiebend bedingte Gegenleistung iSv § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG dar und sei wie eine nachträglich vereinbarte Gegenleistung zu behandeln. Mit Eintritt der Bedingung entstehe ein neuer Steueranspruch. Vor Eintritt der Bedingung sei die Verpflichtung zur Leistung des aufschiebend bedingten Teils der Gegenleistung nicht wirksam, so dass daraus keine Grunderwerbsteuer entstehen könne. Erst mit Bedingungseintritt werde die Teilgegenleistung für die Besteuerung maßgeblich.

17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

18Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, § 100 Abs. 1 FGO, soweit die Grunderwerbsteuer nach einem Steuersatz von 5 % festgesetzt wurde.

19Nach § 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Festsetzung des Steuersatzes für die Grunderwerbsteuer vom 25. Juli 2011 (G VRW 2011,389) beträgt der Steuersatz für Erwerbsvorgänge, die sich auf im Land NRW gelegene Grundstücke beziehen, 5 v.H.; der Steuersatz ist auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die ab dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes verwirklicht werden. Nach § 2 tritt das Gesetz am 1. Oktober 2011 in Kraft.

20Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Erwerbsvorgang verwirklicht, wenn das auf einen Erwerbsvorgang abzielende Wollen in rechtsgeschäftliche Erklärungen umgesetzt worden ist, wenn also die Beteiligten im Verhältnis zueinander gebunden sind (BFH-Urteile vom 17. September 1986 II R 136/84, BFHE 147, 538, BStBl II 1987, 35; vom 8. Februar 2000 II R 51/98, BFHE 191, 411, BStBl II 2000, 318, m.w.N.; vom 22. September 2004 II R 45/02 BFH/NV 2005,1137). Die erforderliche Bindung der Beteiligten muss einen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG betreffen. Deshalb können rechtsgeschäftliche Erklärungen nur dann zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs führen, wenn sie unmittelbar die die Steuerbarkeit eines Rechtsvorgangs i.S. von § 1 Abs. 1 bis 3 GrEStG konstituierenden Merkmale erfüllen, ohne dass bereits ein Erwerb eintritt. Zu diesen Merkmalen gehört bei § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Erwerb des Eigentumsverschaffungsanspruchs. Durch Vereinbarungen, die dem Erwerber keinen solchen Anspruch verschaffen sollen, kann deshalb ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht verwirklicht werden. Liegt eine rechtsgeschäftliche Bindung der Vertragsparteien vor, ist es für die Verwirklichung des Steuertatbestandes unerheblich, ob der Rechtsvorgang bereits die Entstehung der Steuer auslöst (Bouttau/Viskorf § 23 GrEStG Rz. 24).

21Bei aufschiebend bedingten Erwerbsvorgängen ist der Zeitpunkt der Verwirklichung nicht zwingend identisch mit dem der Steuerentstehung, die nach § 14 GrEStG hinausgeschoben ist (Pahlke/Franz § 23 GrEStG Rz. 6). Nach § 14 Abs. 1 GrEStG entsteht die Steuer, wenn die Wirksamkeit eines Erwerbsvorgangs von dem Eintritt einer Bedingung abhängig ist, mit dem Eintritt der Bedingung. Ist nur die Gegenleistung insgesamt oder zum Teil bedingt geschuldet, ist § 14 GrEStG entsprechend im Umfang der Bedingung anwendbar (Pahlke/Franz § 14 GrEStG Rz. 12).

22Der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ist von dem der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs zu unterscheiden. Für den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs ist grundsätzlich auf die bereits durch die rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen eingetretene Bindungswirkung und nicht auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts abzustellen. Das bedingte Rechtsgeschäft ist tatbestandlich bereits mit seiner Vornahme vollendet und gültig; lediglich seine Rechtswirkungen sind hinausgeschoben (Boruttau/Viskorf § 23 GrEStG Rz. 29; Pahlke/Franz § 23 GrEStG Rz. 6). Aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte sind nach dem Recht zu beurteilen, das für den Zeitpunkt des die Beteiligten bindenden Vertragsabschlusses gilt (Boruttau/Viskorf § 14 GrEStG Rz. 82).

23Im Streitfall haben die Beteiligten des Vertrages in 2004 die Veräußerung des Grundbesitzes an die Klägerin bindend vereinbart. Der Erwerbsgegenstand, die sofort fällige Gegenleistung sowie die weitere Teilgegenleistung waren in dem Vertrag festgelegt. Die Entstehung der Teilgegenleistung von weiteren 9,80 €/qm war lediglich aufschiebend bedingt durch die Erteilung der Auskiesungsgenehmigung. Der Erwerbsvorgang war damit im Jahr  2004 insgesamt verwirklicht.

24Etwas anderes ergibt sich nicht aus § 9 Abs. 2 GrEStG. § 9 Abs. 2 GrEStG erfasst  nachträgliche Leistungen, die nach Verwirklichung des Erwerbsvorgangs begründet worden sind, z.B. wenn der Kaufpreis nachträglich erhöht wird (Loose § 9 GrEStG Rz. 551 f.). Vereinbaren die Beteiligten eines Rechtsgeschäfts iSv § 1 Abs. 1 GrEStG nachträglich eine Erhöhung der Gegenleistung, ist der darin liegende Erwerbsvorgang iSv § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG in dem Zeitpunkt iSv § 23 GrEStG verwirklicht, in dem die Bindung der Vertragspartner bezüglich der zusätzlich gewährten Gegenleistung eingetreten ist (BFH vom 26. April 2006  II R 3/05 BStBl II 2006,604; Loose § 9 GrEStG  Rz. 556). Vorliegend hatte die Klägerin sich bereits im Jahr 2004 verpflichtet, die erhöhte Gegenleistung zu leisten, wenn sie die Auskiesungsgenehmigung erhielt. Die erhöhte Gegenleistung ist insofern nicht nachträglich vereinbart worden. Daher war sie dem Steuersatz von 3,5 % zu unterwerfen.

25Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Zinsen aus einem Vermächtnis mit hinausgeschobener Fälligkeit

Finanzgericht Düsseldorf, 16 K 3701/12 E

Datum: 14.02.2013
Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper: Einzelrichter des 16. Senats
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 16 K 3701/12 E
Tenor: Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

1Tatbestand

2Die Kläger sind für das Streitjahr 2006 durch Bescheid vom 25.7.2012 zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Streitig ist, ob Zinsen in Höhe von 51.250  Euro im Zusammenhang mit einem Vermächtnis des Vaters des Klägers als Einnahmen aus Kapitalvermögen des Klägers zu qualifizieren sind.

3Die Eltern des Klägers hatten am 31.1.2000 ein Testament errichtet. Nach dem Tod des Vaters des Klägers wurde am 21.8.2001 das Testament eröffnet. Unter anderem war darin bestimmt (Nr. 4 des Testaments), dass der Kläger beim Tod des Erstversterbenden Elternteils als Vermächtnis einen Geldbetrag in Höhe des beim Tod des Erstversterbenden geltenden Freibetrages bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer erhalten sollte. Der Betrag sei fünf Jahre nach dem Tod fällig und bis dahin mit 5 % p.a. zu verzinsen.

4Mit Vertrag vom 27.6.2007 verzichtete die Mutter des Klägers auf ihre Nießbrauchs-rechte an verschiedenen Immobilien. Der darin für den Kläger liegende Vermögensvorteil wurde von den Beteiligten mit 456.825,02 Euro beziffert. Im Gegenzug („Gegenleistung“) stellte der Kläger seine Mutter von einem (Rest-) Darlehen i.H.v. 20.000 Euro frei und verzichtete auf seine Ansprüche aus dem vorgenannten Vermächtnis. Letztgenannter Anspruch betrug 205.000 Euro (Freibetrag § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftssteuergesetzes –ErbStG- in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung) zzgl. der Verzinsung in Höhe von 61.640 Euro. Die Verzinsung bis zum Ablauf von fünf Jahren nach dem Tod des Vaters (21.8.2006) hatte 51.250 Euro betragen.

5Der Beklagte hatte zunächst für den Veranlagungszeitraum 2007 die Zinseinnahme von insgesamt 61.640 Euro steuerlich erfasst (Bescheid vom 13.4.2011). Hierüber kam es zum Klageverfahren unter dem Aktenzeichen 16 K 3407/11 E. Dieses Klageverfahren wurde durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendet. Die Beteiligten waren darin überein gekommen, dass der Zinsertrag jedenfalls nicht im Jahre 2007 zugeflossen sei. Daraufhin erließ der Beklagte den eingangs genannten Einkommensteuerbescheid 2006. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren haben die Kläger am 5.10.2012 Klage erhoben.

6Die Kläger sind der Meinung, dass die Zinsen Teil der Zuwendung von Todes wegen seien und deshalb nicht als einkommensteuerlicher Ertrag gewertet werden dürften. Der Vater des Klägers habe diesem einen Betrag von 256.250 Euro mit der Befristung vermacht. Hierzu werde auf die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG verwiesen. Nur mit Rücksicht auf die sich bis zum Tode möglicherweise der Höhe nach veränderten Freibeträge habe der Vater die testamentarische Bestimmung getroffen. Es habe sich lediglich um die Umschreibung des berechenbaren Umfangs des Vermächtnisses gehandelt. Der Fall sei vergleichbar mit einer Anordnung des Erblassers, einem Pflichtteilsberechtigten zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs eine monatliche Rente zu zahlen. Wegen weiterer Einzelheiten wird insbesondere auf das Vorbringen der Kläger in dem Klageverfahren Az. 16 K 3407/11 E verwiesen.

7Die Kläger beantragen,

8den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 25.7.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.9.2012 aufzuheben.

9Der Beklagte beantragt,

10die Klage abzuweisen.

11Entscheidungsgründe

12Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die Zinseinnahmen i.H.v. 51.250 Euro als Einnahmen bei der Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers erfasst und der Besteuerung zugeführt.

13Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.

14Der erbrechtlich begründete Anspruch des Klägers auf das Vermächtnis i.H.v. 205.000 Euro stellte eine mit dem Tod des Erblassers begründete sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Gemäß § 2173 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) gilt die genannte Geldsumme als vermacht, da die Forderung auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet war. Die Forderung (§ 2174 BGB: schuldrechtlicher Anspruch) kommt mit dem Erbfall zur Entstehung (Anfall des Vermächtnisses; § 2176 BGB). Die testamentarisch verfügte spätere Fälligkeit unter gleichzeitiger Bestimmung einer Verzinsung bis zum Fälligkeitszeitpunkt bewirkte nicht, dass das Vermächtnis als solches unter einer aufschiebenden Bedingung oder unter Bestimmung eines Anfangstermins angeordnet war (vgl. § 2177 BGB). Der Hinweis der Kläger auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führte daher zu keiner anderen Beurteilung. Die angeordnete Verzinsung belegt vielmehr, dass das Kapital zwar zunächst der Erbin belassen werden sollte, aber eine Zuordnung zum Vermächtnisnehmer, dem Kläger, getroffen war, mit der Folge des zu leistenden Zinsentgeltes.

15Für diese Auslegung der testamentarischen Bestimmung spricht zudem, dass der Erblasser bezüglich der Höhe des Vermächtnisses dem Vermächtnisnehmer offenbar den steuerlichen Freibetrag erhalten wollte. Dass dabei ein Überschreiten des Freibetrages durch die Zinsen gewollt oder auch nur bedacht worden war, kommt in dem Testament in keiner Weise zum Ausdruck. Die hierzu von den Klägern angestellten Überlegungen haben nur spekulativen Charakter. Der durch die Kläger darüberhinaus angestellte Vergleich mit dem rentenberechtigten Pflichtteilsnehmer betrifft einen anderen, nicht vergleichbaren Sachverhalt. Der Hinweis, dass der Erblasser, hätte er die Höhe des Freibetrages zum Todeszeitpunkt gekannt, auch den Gesamtbetrag unter einer Befristung (§ 2177 BGB) hätte benennen können, trifft zwar zu. Das Gericht entscheidet jedoch nicht über hypothetische Sachverhalte, sondern nur über das verwirklichte Geschehen.

16Mit Fälligkeit im Jahre 2006 war der Zinsbetrag auch zugeflossen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Ein Zufluss ist bereits dann gegeben, wenn der Empfänger der Leistung die wirtschaftliche Dispositionsbefugnis erlangt hat (vgl. z.B. Bundesfinanzhof –BFH- Urteil vom 21.11.1989 IX R 170/85, Bundessteuerblatt –BStBl- II 1990, 310; BFH-Urteil vom 21.10.1981 I R 230/78, BStBl II 1982, 139). Der Kläger hatte sich damit, dass er den Vermächtnisbetrag nebst Zinsen nicht einforderte, obwohl er den Leistungserfolg hätte herbeiführen können, dafür entschieden, das Kapital weiterhin verzinslich zu überlassen. Damit hat er über den Gesamtbetrag zum Zeitpunkt der Fälligkeit verfügt. Dafür, dass er es nicht in der Hand gehabt hätte, den Betrag zum Fälligkeitszeitpunkt einzufordern und zu realisieren sind keinerlei Anhaltspunkte erkennbar geworden.

17Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.

Umsatzsteuer-Umrechnungskurse; Monatlich fortgeschriebene Gesamtübersicht für das Jahr 2013

Das BMF hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für August 2013 bekannt gegeben (BMF, Schreiben v. 2.9.2013 – IV D 3 – S 7329/13/10001 (2013/0823157)).

Gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 UStG wird die monatlich fortgeschriebene Gesamtübersicht für das Jahr 2013 über die bekannt gegebenen Umsatzsteuer-Umrechnungskurse veröffentlicht.

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Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin