Mehrjährige Haftstrafe rechtfertigt regelmäßig eine Kündigung

Mehrjährige Haftstrafe rechtfertigt regelmäßig eine Kündigung

Rechtslage

Außerbetriebliches, insbesondere straferhebliches Fehlverhalten rechtfertigt nur ausnahmsweise die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses. Die Kündigungsgrenze ist allerdings dann in der Regel erreicht, wenn es zu einer nicht mehr unerheblichen Verurteilung kommt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einer jüngeren Entscheidung die Voraussetzungen, unter denen eine Kündigung wegen einer Verurteilung zulässig sein kann, näher abgesteckt.

Sachverhalt

Der Kläger war länger bei einem großen Unternehmen beschäftigt. Im November 2006 wurde er in Untersuchungshaft genommen und im Mai 2007 – bei fortdauernder Inhaftierung – zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 7 Monaten verurteilt. Der Arbeitgeber besetzte den Arbeitsplatz des Klägers neu und kündigte das Arbeitsverhältnis im Februar 2008 ordentlich. Gegen die Kündigung wandte der Kläger ein, der Arbeitgeber hätte die Zeit der haftbedingten Abwesenheit überbrücken müssen, bis er den in Aussicht gestellten Freigängerstatus erlangt habe, unterlag aber vor dem Bundesarbeitsgericht.

Entscheidung

Das Gericht sah die Kündigung aus einem personenbedingten Grund als zulässig an. Bei einer strafgerichtlichen Verurteilung wegen einer Straftat ohne Bezug zur Arbeit ist insbesondere bei einer (längeren) Haftstrafe die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt. Da der Arbeitnehmer die Störung des Arbeitsverhältnisses selbst zu vertreten habe, seien dem Arbeitgeber zur Überbrückung der Fehlzeit nur geringere Anstrengungen zuzumuten als bei einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 2 Jahren verurteilt worden ist, kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz in der Regel dauerhaft neu besetzen.

Konsequenz

Die Entscheidung wird so interpretiert werden können, dass eine rechtkräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 2 Jahren eine ordentliche Kündigung rechtfertigt; die fristlose Kündigung braucht noch stärkerer Gründe.

Bundesarbeitsgericht erklärt Spannensicherungsklauseln für unwirksam

Bundesarbeitsgericht erklärt Spannensicherungsklauseln für unwirksam

Kernaussage

Eine tarifvertragliche Klausel, in der eine Sonderleistung für Arbeitnehmer vereinbart ist, die Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaften sind (sog. einfache Differenzierungsklausel) verstößt nicht gegen höherrangiges Recht und ist wirksam. Wir die Exklusivität dieses Anspruchs für Gewerkschaftsmitglieder tariflich durch eine sog. „Spannensicherungsklausel“ oder Abstandsklausel abgesichert, wonach etwaige Kompensationsleistungen des Arbeitgebers an nicht oder anders organisierte Arbeitnehmer jeweils zwingend und unmittelbar einen entsprechenden zusätzlichen Zahlungsanspruch auch für Gewerkschaftsmitglieder begründen, so dass der Vorsprung für Gewerkschaftsmitglieder nicht ausgleichbar ist, überschreitet diese Klausel die Tarifmacht und ist unwirksam. Dies entschied jüngst das Bundesarbeitsgericht.

Sachverhalt

Im Jahr 2008 hatten die Klägerin, ein Unternehmen der Hafen-Logistik, und die beklagte Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Tarifvertrag über eine Erholungsbeihilfe von 260 EUR pro Jahr geschlossen. Diese sollte an Mitglieder von ver.di gezahlt werden. Hierbei handelte es sich um eine einfache Differenzierungsklausel. Weiterhin sollten die ver.di Mitglieder nach einer Spannensicherungsklausel im Tarifvertrag im Falle einer Zahlung von „entsprechenden oder sonstigen Leistungen“ des Arbeitgebers an Nichtgewerkschaftsmitglieder unmittelbar einen gleich hohen, zusätzlichen Anspruch erhalten. Der Arbeitgeber hatte auf Feststellung der Unwirksamkeit beider Klauseln geklagt und unterlag vor dem Arbeitsgericht. Das Bundesarbeitsgericht hielt jedenfalls die Spannensicherungsklausel für unwirksam.

Entscheidung

Anders als das Arbeitsgericht, das die Klage vollumfänglich abgewiesen hatte, gab ihr das Bundesarbeitsgericht zumindest teilweise statt. Die einfache Differenzierungsklausel des Tarifvertrages war wirksam. Der Tarifvertrag darf indes nicht dem Arbeitgeber die arbeitsvertragliche Gestaltungsmöglichkeit nehmen, die nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer mit den Gewerkschaftsmitgliedern gleichzustellen. Diese Gleichstellung wurde mit der ebenfalls verwendeten Spannensicherungsklausel verhindert, die damit unwirksam war.

Konsequenz

Ein Tarifvertrag darf nur den Inhalt von Arbeitsverhältnissen zwingend und unmittelbar regeln, die der Tarifmacht der Koalitionen unterworfen sind. Hierzu zählen nicht die Arbeitsverhältnisse der nicht oder anders organisierten Arbeitnehmer.

Ungesicherte Darlehen als Anschein für Gesellschafterdarlehen?

Ungesicherte Darlehen als Anschein für Gesellschafterdarlehen?

Kernaussage

Eine Forderung aus der Rechtshandlung eines Dritten stellt nicht schon deshalb ein Gesellschafterdarlehen dar, weil es sich bei dem Dritten um eine nahestehende Person im sinne der gesetzlichen Bestimmungen handelt (§ 138 InsO). Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun, dass auch dann kein erster Anschein für eine wirtschaftliche Gleichstellung mit einem Gesellschafterdarlehen begründet wird, wenn eine nahestehende Person dem Schuldner ein ungesichertes Darlehen gewährt.

Sachverhalt

Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem im Februar 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GmbH & Co. KG. Die Gesellschaft hat nur einen Kommanditisten, der gleichzeitig auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Komplementärin ist. Eine der Klägerinnen ist ebenfalls eine GmbH & Co. KG, deren alleiniger Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementärin der Bruder des Gesellschafters der insolventen GmbH & Co. KG ist. Diese Klägerin (GmbH & Co. KG) ist mit 58,72 % an einer dritten GmbH beteiligt, deren Geschäftsführer auch der Bruder ist. Weitere Klägerin war die nunmehr verstorbene Mutter der beiden Brüder. Sie hatte der jetzt insolventen GmbH & Co. KG im August 2005 ein ungesichertes Darlehen über 200.000 EUR gewährt. Mitte 2008 gewährte auch die dritte GmbH der insolventen GmbH & Co. KG ein ungesichertes Darlehen über 1 Mio. EUR. Ihre Forderung verkaufte die GmbH Ende 2008 an die klagende GmbH & Co. KG und trat sie ab. Die Klägerinnen meldeten die Darlehensforderungen als Insolvenzforderungen im Rang der Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) zur Tabelle an. Der Beklagte hielt die beiden für nachrangige Insolvenzgläubiger (§ 39 InsO) und bestritt die Forderungen. Die Klägerinnen obsiegten zuletzt vor dem BGH.

Entscheidung

Die Forderungen der Klägerinnen waren nicht nachrangig im Sinne der Insolvenzordnung (InsO). Aus der Tatsache, dass die weitere GmbH eine dem Gesellschafter der insolventen GmbH & Co. KG und auch dieser selbst nahestehende Person (§ 138 InsO) war, konnte nicht geschlossen werden, dass eine dem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung vorlag. Die Anwendung der insolvenzrechtlichen Definition einer nahestehenden Person (§ 138 InsO) verbietet sich des Weiteren im Regelungsbereich der nachrangigen Insolvenzgläubiger (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO), weil die Bestimmung auf einen anderen Anwendungsbereich zugeschnitten ist. Da für die infolge des MoMiG nach der neuen Gesetzeslage zu beurteilenden Fälle an die Merkmale der „Krise der Gesellschaft“ und der „fehlenden Kreditwürdigkeit“ nicht mehr angeknüpft werden kann, können diese auch keinen Beweis des ersten Anscheins dafür begründen, dass der zur Familie des Schuldners gehörende Darlehensgeber den Kredit ohne entsprechende Sicherheiten eingeräumt hat.

Konsequenz

Die Gewährung von Privatdarlehen innerhalb der Familie allein im Vertrauen auf die Person des Darlehensnehmers ist allgemein nicht ungewöhnlich. Deshalb ist für die Annahme eines feststehenden Erfahrungssatzes, der die Beweislast nur aufgrund fehlender Sicherheitengestellung zu Lasten des Darlehensgebers verschiebt, kein Raum.

Versetzung ins Ausland während Elternzeit kann missbräuchlich sein

Versetzung ins Ausland während Elternzeit kann missbräuchlich sein

Kernfrage

Grundsätzlich steht es dem Arbeitgeber, wenn dies arbeitsvertraglich vereinbart ist, im Rahmen seines Weisungsrechts frei, zu bestimmen, an welchem Ort der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Das Landesarbeitsgericht Hessen hatte nunmehr über die Reichweite dieses Weisungsrechts gegenüber einem Arbeitnehmer in Elternzeit zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Klägerin war in leitender Position bei Arbeitgeber beschäftigt und Mutter eines 13-monatigen Kindes. Vor der Elternzeit war zwischen den Parteien vereinbart worden, dass die Klägerin während der Elternzeit 30 Stunden pro Woche weiterarbeiten werde, und zwar 3 Tage von zuhause aus und 2 Tage „im Büro“, zu dem die Klägerin 30 km fahren musste. Etwas später teilte der Arbeitgeber mit, dass das bisherige Büro, in dem die Klägerin ihre Tätigkeit verrichtete, geschlossen worden sei und sie nunmehr 2 Tage pro Woche in der Konzernzentrale in London arbeiten solle. Die Kosten für Anreise und Übernachtung sollte die Klägerin im Wesentlichen selbst tragen. Gegen diese Änderung der Arbeitsbedingungen wehrte sich die Klägerin gerichtlich und gewann.

Entscheidung

Zum einen stand nach Auffassung des Gerichts nicht abschließend fest, ob die gesamte Niederlassung des Arbeitgebers, in dem das Büro der Klägerin lag, geschlossen worden war. Unabhängig davon komme die Weisung des Arbeitgebers einer unzulässigen Strafversetzung gleich, weil bereits die Reise nach London zur Arbeitsleistung an 2 Tagen deutlich mehr als einen Arbeitstag in Anspruch nehme. Damit stünden dem vereinbarten Arbeitsumfang (= 30 Wochenstunden) ein Reiseaufwand und Abwesenheitszeiten von mindestens gleicher Zeit gegenüber. Dies sei unzumutbar und sprenge das vereinbarte Modell zur Arbeit in der Elternzeit. Über den Antrag konnte im einstweiligen Verfügungsverfahren entschieden werden, weil es der Klägerin nicht – wie sonst üblich – zumutbar war, zunächst der Weisung Folge zu leisten und ein Urteil abzuwarten.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht, sie erhöht aber den Schutz von Arbeitnehmern in Elternzeit deutlich, weil sich diese schneller gegen arbeitgeberseitige Weisungen verteidigen können.

Grundsatzurteil zum Vorsteuerabzug: Kein Vorsteuerabzug für Erschließungskosten

Grundsatzurteil zum Vorsteuerabzug: Kein Vorsteuerabzug für Erschließungskosten

Kernaussage

Der Vorsteuerabzug ist nur dann gegeben, wenn der Unternehmer im Zeitpunkt des Leistungsbezuges die betreffende Eingangsleistung für Zwecke seiner besteuerten wirtschaftlichen Tätigkeit zu verwenden beabsichtigt. Dies setzt einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang voraus. Mittelbare Motive sind irrelevant.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren Alleingesellschafterin die Gemeinde ist. Ihr Unternehmensgegenstand ist der Erwerb, die Erschließung und die Veräußerung von Grundstücken. Die Klägerin hatte sich gegenüber der Gemeinde durch Abschluss eines Erschließungsvertrages zur Herstellung öffentlicher Erschließungsanlagen auf eigenen Grundstücken verpflichtet (§ 127 Abs. 2 BauGB). Die einzelnen Gewerbegrundstücke wurden während der Bauphase als öffentlich erschlossen an Dritte unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung verkauft. Das Eigentum an den Erschließungsanlagen verblieb bei der Klägerin, eine öffentliche Widmung wurde nicht vorgenommen. Die Klägerin ging davon aus, dass sie aus den von ihr bezogenen Bauleistungen zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Im Anschluss an eine Außenprüfung stellte das beklagte Finanzamt fest, dass der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Die hiergegen gerichtete Klage wurde vom Finanzgericht abgewiesen.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Das Recht auf Vorsteuerabzug besteht nur, wenn der Unternehmer die bezogene Leistung für Ausgangsumsätze verwendet, die entweder steuerpflichtig sind oder einer steuerpflichtigen Leistung gleichgestellt sind. Darüber hinaus muss ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Lediglich mittelbar verfolgte Zwecke, wie vorliegend die Grundstücksveräußerungen, sind unbeachtlich. Denn bei Bezug der Leistungen für die Herstellung der Erschließungsanlagen hat die Klägerin beabsichtigt, diese unentgeltlich auf die Gemeinde zu übertragen. Dabei bedarf es nicht zwingend einer tatsächlichen Übertragung der Grundflächen der Erschließungsanlagen. Ausreichend ist die Zuführung zur öffentlich-rechtlichen Widmung. Diese unmittelbare Verwendungsabsicht der Klägerin hat sich in den Vertragswerken manifestiert. Der Vorsteuerabzug war daher zu versagen.

Konsequenz

In Änderung seiner Rechtsprechung, stellt der BFH entscheidend auf die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges ab. Demgegenüber ist der BFH in seiner früheren Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Erschließungsträger auch bei der unentgeltlichen Übertragung zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, der erst durch eine korrespondierende Entnahmebesteuerung korrigiert wird.

Ringweise getätigte Anteilsveräußerungen zur Verlustnutzung

Ringweise getätigte Anteilsveräußerungen zur Verlustnutzung

Kernproblem

Veräußert ein Gesellschafter im Privatvermögen gehaltene Anteile an einer GmbH, an der er unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt ist, so ist ein hieraus erzielter Veräußerungsgewinn zu 60 % steuerpflichtig. Erleidet er hingegen einen Veräußerungsverlust, so kann er diesen ebenfalls nur zu 60 % mit anderen Einkünften verrechnen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nunmehr die Frage zu klären, ob die Verlustberücksichtigung einen Rechtsmissbrauch darstellt, wenn der Veräußerer in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung seiner Anteile von einen anderen Mitgesellschafter dessen in gleicher Höhe bestehenden Gesellschaftsanteil an derselben Gesellschaft erwirbt.

Sachverhalt

An einer im Jahre 2000 gegründeten GmbH, die fast ausschließlich mit Aktien am neuen Markt handelte und deren Vermögen sich aufgrund der negativen Börsenentwicklung entsprechend minderte, waren 7 Gesellschafter mit jeweils 50.000 EUR (14,29 %) beteiligt. Im Dezember 2001 veräußerten alle Gesellschafter ihre jeweilige Beteiligung reihum an einen Mitgesellschafter zum Kaufpreis von jeweils 7.500 EUR. Zeitgleich erwarben sie eine Beteiligung in gleicher Höhe von einem anderen Gesellschafter. Das Finanzamt erkannte den daraus erzielten Verlust i. H. v. 42.500 EUR wegen Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten nicht an. Sowohl Einspruch als auch Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos, erst die Revision beim BFH führte zum gewünschten Erfolg.

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH sind die Veräußerungsverluste steuerlich anzuerkennen, da es keinen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) darstellt, wenn die Veräußerung von Anteilen in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen in gleicher Höhe von einem anderen Mitgesellschafter steht. Dem Steuerpflichtigen stehe es vielmehr frei, ob, wann und an wen er seine Anteile an der GmbH veräußere. Da es keine gesetzlich ausdrücklich geregelte Vorschrift gebe, die im vorliegenden Fall eine Beschränkung des Verlustabzugs vorsehe, seien die Veräußerungsverluste entsprechend dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang auch, dass durch die Veräußerung eine Änderung der steuerlichen Ausgangslage erfolgt sei, da bei einer späteren Veräußerung der (neuen) Anteile der Gewinn oder Verlust unter Berücksichtigung der (neuen) niedrigeren Anschaffungskosten zu ermitteln ist.

Konsequenz

Zwar ist das Urteil zu § 42 AO a. F. ergangen, durch die Änderung der Vorschrift im Rahmen des JStG 2008 dürfte sich aber an der Geltung der Urteilsgrundsätze nichts geändert haben. Abschließend sei noch auf eine für den Steuerpflichtigen ähnlich positive Entscheidung aus dem Jahr 2009 hingewiesen, wonach der BFH die Anwendung des § 42 AO auch bei der Geltendmachung von Verlusten ausschließt, die auf einem Verkauf und Wiederkauf von Wertpapieren am gleichen Tag beruhen.

Haftung des GmbH-Gesellschafters nach Forderungsabtretung der Bank

Haftung des GmbH-Gesellschafters nach Forderungsabtretung der Bank

Kernaussage

Ein GmbH-Gesellschafter kann regelmäßig bei seinem Ausscheiden aus der GmbH die Befreiung von seinen Sicherungsrechten mit Ausgleichspflicht für Gesellschaftsschulden verlangen. Der Bundesgerichtshof entschied nun in 2 Parallelverfahren, dass sich dieser Freistellungsanspruch gegen die GmbH und grundsätzlich nicht auch gegen die Mitgesellschafter und Gläubiger richtet.

Sachverhalt

Die Kläger sind neben dem Beklagten in dem einen Verfahren, das eine Vollstreckungsabwehrklage betrifft, Gesellschafter einer GmbH, die die Beklagte des Parallelverfahrens ist. Für Finanzierungsdarlehen der GmbH übernahmen die Kläger, die damals mit zusammen 26,6 % an der GmbH beteiligt waren, in Höhe von 1.52 Mio. DM die persönliche Haftung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen. Eine Reduzierung ihrer Beteiligungsquote an der GmbH auf 0,06 % erfolgte infolge einer Kapitalerhöhung. An den restlichen Anteilen der GmbH ist der Beklagte seitdem unmittelbar und mittelbar beteiligt. Der Beklagte erwarb die Darlehensforderungen gegen die GmbH, nahm die Kläger mit der Behauptung, die Darlehen seien notleidend geworden, aus den Sicherheiten in Anspruch und pfändete deren Geschäftsanteile. Hiergegen haben die Kläger Vollstreckungsabwehrklage erhoben. Nachdem die Pfändung nicht innerhalb von 6 Wochen aufgehoben wurde, wurden die Kläger nach den Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags ausgeschlossen und die Einziehung ihrer Geschäftsanteile beschlossen. Hiergegen richtet sich die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage gegen die beklagte GmbH.

Entscheidung

Die Berufungsgerichte haben die Frage, ob die Kläger von der beklagten GmbH Befreiung von ihrer Haftung gegenüber dem Darlehensgläubiger verlangen und diesen Freistellungsanspruch auch gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter geltend machen können, unterschiedlich beantwortet. Während im Anfechtungs- und Nichtigkeitsprozess festgestellt wird, dass die Gleichsetzung von Gesellschafter mit der Gesellschaft nur in vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Ausnahmen angenommen werden kann und eine solche nicht einschlägig sei, wird im Verfahren über die Vollstreckungsabwehrklage das Trennungsprinzip unter Berufung auf Treu und Glauben aufgehoben. Der BGH hat einheitlich entschieden, dass ein Befreiungsanspruch der Kläger gegen den vollstreckenden Mitgesellschafter nicht besteht. Die Vollstreckungsabwehrklage war entsprechend abzuweisen. Die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage hatte jedoch aus anderen rechtlichen Aspekten Erfolg, denn bei Beschlussfassung stand bereits fest, dass die an die ausscheidenden Gesellschafter zu zahlenden Abfindungen nicht aus dem Vermögen der Gesellschaft geleistet werden konnten. Da der Ausschließungsbeschluss mit dem Einziehungsbeschluss verbunden wurde, waren beide unwirksam.

Konsequenz

In beiden Rechtsstreiten war die Frage des Freistellungsanspruches entscheidungserheblich. Denn hätte dieser bestanden, wäre die Vollstreckung unzulässig gewesen, was zur Verneinung der Voraussetzungen über die Ausschließung nach der GmbH-Satzung hätte führen können.

Zum Zufluss von Arbeitslohn bei Gehaltsverzicht

Zum Zufluss von Arbeitslohn bei Gehaltsverzicht

Kernproblem

Bei der Zahlung vom Arbeitslohn ist der Arbeitgeber grundsätzlich zum Einbehalt und zur Abführung von Lohnsteuer verpflichtet. Die Verpflichtung besteht jedoch erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließt. Ein Zufluss liegt unstreitig vor, wenn der Lohn in bar ausgezahlt oder auf ein Konto des Arbeitnehmers überwiesen wird. Besonderheiten bestehen indes beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, bei dem ein Zufluss bereits fingiert wird, wenn er im Zeitpunkt der Fälligkeit über die geschuldete Vergütung verfügen kann. Die genauen Anwendungsvoraussetzungen dieser Fiktion waren nunmehr Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesfinanzhof (BFH).

Sachverhalt

Der Kläger war Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, an der er und seine Ehefrau mit je 50 % beteiligt waren. Gemäß seinem Geschäftsführungsvertrag stand dem Kläger in den Jahren 1998-2001 jeweils Weihnachtsgeld zu, das ihm allerdings tatsächlich nicht ausgezahlt wurde und bei der GmbH auch nicht als (Lohn-)Aufwand passiviert wurde. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat das beklagte Finanzamt die Auffassung, dass dem Kläger aufgrund seiner beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer-Stellung das vertraglich zugesagte Weihnachtsgeld bei Fälligkeit als zugeflossen gelte. Folglich nahm das Finanzamt die GmbH mit Haftungsbescheid für Lohn- und Kirchensteuer in Anspruch, soweit für das Weihnachtsgeld keine Lohnsteuer einbehalten worden war. Die hiergegen gerichtete Klage war sowohl beim Finanzgericht als auch beim BFH erfolgreich.

Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH ist die Zuflussfiktion bei Fälligkeit des Weihnachtsgeldes vorliegend überhaupt nicht anwendbar, da der Kläger kein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer sei. Eine solche Stellung liege regelmäßig nur dann vor, wenn er die Mehrheit der Stimmrechte besitze und deshalb bei Gesellschafterversammlungen entscheidenden Einfluss ausüben könne. Gesellschafter mit weniger als 50 % der Gesellschaftsanteile können zwar einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, wenn er mit anderen, gleichgerichtete materielle (finanzielle) Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirke, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen. Allein der Umstand, dass die Gesellschafter Eheleute sind, könne eine entsprechende Vermutung nach gefestigter Rechtsprechung nicht begründen. Des Weiteren sei durch den Gehaltsverzicht auch keine Zufluss begründende verdeckte Einlage bewirkt, da das streitige Weihnachtsgeld zu keinem Zeitpunkt als Aufwand bei der GmbH berücksichtigt worden war und somit zu keiner Mehrung ihres Vermögens geführt hat.

Konsequenzen

Zwar ist das Urteil für den Steuerpflichtigen vorteilhaft, da die Rechtsprechung den Anschein vermittelt, dass das willentliche Unterlassen der Einbuchung einer Verbindlichkeit den Zufluss von Arbeitslohn verhindern kann. Dennoch ist in der Praxis Vorsicht vor einer solchen „Gestaltung“ zu empfehlen, da die Verbindlichkeit sowohl nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung als auch steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften zwingend hätte eingebucht werden müssen. Hierauf ist der BFH in seinem Urteil nicht eingegangen.

Finanzverwaltung verweigert rückwirkende Rechnungskorrektur

Finanzverwaltung verweigert rückwirkende Rechnungskorrektur

Einführung

Werden im Rahmen von Betriebsprüfungen Rechnungen beanstandet, so steht den Unternehmern der Vorsteuerabzug erst dann zu, wenn sie eine korrigierte Rechnung vorlegen. In der Zwischenzeit verlangt die Finanzverwaltung Zinsen nach § 233a AO, da die Korrektur der Rechnungen bisher insoweit keine Rückwirkung entfaltet.

Rechtslage

Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat nun für Aufregung gesorgt, da es einem ungarischen Unternehmer den rückwirkenden Vorsteuerabzug gestattete. In der Fachliteratur wird das Urteil unterschiedlich kommentiert. Mehrheitlich wird es als Hinweis dafür angesehen, dass eine rückwirkende Korrektur von Rechnungen möglich ist, so dass die bisher hiermit verbundene Zinsproblematik entfallen würde. Vertreter der Finanzverwaltung sehen dies natürlich anders. Jüngst ergangene Urteile der Finanzgerichte teilen die Auffassung der Finanzverwaltung. Nun wird sich der Bundesfinanzhof (BFH) hiermit auseinandersetzen.

Neue Verwaltungsanweisung

Das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg hat nun erstmals „offiziell“ zum Urteil des EuGH Stellung bezogen. Es sieht hierin keinen Hinweis für eine rückwirkende Rechnungskorrektur und lehnt diese daher ab. In einem Schreiben an den Deutschen Steuerberaterverband bestätigt das Bundesfinanzministerium (BMF) diese Auffassung.

Konsequenz

Was auch immer die Finanzverwaltung zu diesem Thema von sich gibt, eins dürfte klar sein: Eine Akzeptanz durch die Finanzverwaltung wird erst erfolgen, wenn der EuGH sich noch einmal mit dieser Thematik befasst und ein eindeutiges Urteil fällt. Bis dahin sollten Veranlagungen offen gehalten werden, denen nicht ordnungsgemäße Rechnungen zugrunde liegen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn rechtzeitig korrigierte Rechnungen vorgelegt werden können und die abgerechnete Leistung zweifelsfrei erbracht wurde. Unabhängig hiervon sollten es die Unternehmer erst gar nicht so weit kommen lassen und darauf achten ordnungsgemäße Rechnungen zu erhalten. Nur wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, sollte das Urteil des EuGH als Hilfe herangezogen werden.

Europarechtliche Auslegung der Ansässigkeit im UStG

Europarechtliche Auslegung der Ansässigkeit im UStG

Kernproblem

Nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) hat ein Unternehmer, der Leistungsempfänger für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers ist, die Steuer von der Gegenleistung einzubehalten, anzumelden und an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er u. U. für die nicht abgeführte Umsatzsteuer in Haftung genommen werden. Besondere Bedeutung kam im Streitfall dabei der Rechtsfrage zu, wie der Begriff der „Ansässigkeit“ im Umsatzsteuerrecht auszulegen ist.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine in der Baubranche tätige GmbH, die in den Streitjahren 1997 und 1998 Werklieferungen einer polnischen Firma bezog. Die polnische Firma hatte zwar Geschäftsleitung und Sitz in Polen, war in Deutschland aber durch einen Generalbevollmächtigten vertreten und verwendete bei Rechnungsstellung im Briefkopf auch eine inländische Anschrift. Nach Ansicht der Finanzverwaltung lag aufgrund des Vorliegens eines ständigen Vertreters (§ 12 AO) auch eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht vor. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die polnische Firma nahm das Finanzamt die inländische GmbH per Haftungsbescheid in Anspruch, da es sich bei der polnischen Firma um ein „im Ausland ansässiges Unternehmen“ handele. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ebenso erfolglos wie die Klage vorm Finanzgericht (FG). Dessen Entscheidung wurde aber nunmehr vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH ist das Finanzgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Prüfung der Ansässigkeit entscheidend darauf abzustellen sei, ob die Errichtung einer Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen war oder sich zumindest ernsthaft um eine Eintragung bemüht wurde. Der Begriff der Ansässigkeit sei vielmehr nach dem Unionsrecht auszulegen. Diese sei zu bejahen, wenn eine feste Niederlassung bestehe, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweise, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermögliche. So habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Bereich des Transportwesens zumindest ein Büro verlangt, in dem Verträge abgefasst und die Entscheidungen der täglichen Geschäftsführung getroffen werden können.

Konsequenzen

Das Urteil erging zwar zum UStG in der Fassung des Jahres 1993, ist aber auch für das geltende Umsatzsteuerrecht von Bedeutung, da sich insoweit an dem Haftungsrisiko des Leistungsempfängers sowie dem Tatbestandsmerkmal „Ansässigkeit“ keine Änderungen ergeben haben. Im Ergebnis ist für die Auslegung des Begriffs somit rein auf die Vorgaben des Unionsrechts abzustellen, die Eintragung einer Zweigniederlassung im Handelsregister ist nicht entscheidend. Das Finanzgericht hat nunmehr im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob eine Ansässigkeit i. S. d. Europarechts vorliegt.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin