Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer

Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer

Kernaussage

Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommene GmbH-Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und daher dem Gläubiger keine Darlegung von Einzelheiten möglich ist.

Sachverhalt

Die Klägerin schloss mit der GmbH (Schuldnerin) im Mai 2005 einen Frachtvertrag ab. Aus diesem Vertrag stand der Klägerin ein 8 Tage später fällig werdender Vergütungsanspruch in Höhe von 36.500 EUR zu. Ein Mitte Juni 2005 gestellter Insolvenzantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Die Klägerin nimmt den Geschäftsführer wegen verspäteter Insolvenzantragstellung und Eingehungsbetrug auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem das Landgericht der Klage antragsgemäß entsprochen hatte, wies das Oberlandesgericht die Klage in der Berufung ab. Schließlich obsiegte die Klägerin vor dem Bundesgerichtshof (BGH).

Entscheidung

Der Klägerin steht ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer zu. Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin im Mai 2005 aufgrund von Zahlungseinstellung zahlungsunfähig und damit insolvenzreif. Der daraus folgenden Insolvenzantragsstellungspflicht wurde nicht nachgekommen, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bei Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich sofort zu stellen. Die oft zitierte 3-Wochen-Frist bezieht sich auf die Bemühungen des Geschäftsführers, die Krise zu überwinden, bzw. die Insolvenzantragsgründe zu beseitigen, was hier ausschied. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Zahlungseinstellung hätte grundsätzlich die Klägerin diese darlegen und beweisen müssen. Weil jedoch keine Unterlagen bei der Schuldnerin aufgefunden bzw. vorgelegt wurden, bedurfte es dessen nicht. Nach der Rechtsprechung gelten die Voraussetzungen der Insolvenzreife nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.

Konsequenz

Das Urteil hilft der beweisbelasteten Klägerin bei der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen den GmbH-Geschäftsführer in der Insolvenz. Es wird deutlich, dass sich der Geschäftsführer auch nicht durch Vernichtung von Unterlagen dieser Haftung entziehen kann.

Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben

Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben

Kernaussage

Kündigt ein Geschäftsführer seinen Anstellungsvertrag, weil sein Aufgabenbereich eingeschränkt wurde, entfallen die Vergütungsansprüche. Ein Schadensersatzanspruch gegen die GmbH wegen Auflösungsverschuldens scheidet jedenfalls dann aus, wenn keine Verletzung des Anstellungsvertrages oder der Satzung durch die Kompetenzbeschneidung festzustellen ist.

Sachverhalt

Der Kläger und seiner Ehefrau waren alleinige Gesellschafter der beklagten GmbH und zugleich deren jeweils alleinvertretungsberechtigte und zur Vornahme so genannter Insichgeschäfte berechtigte Geschäftsführer. Nachdem sie sämtliche Anteile an der GmbH an eine GmbH & Co. KG veräußerten, schlossen sie mit der GmbH einen Geschäftsführeranstellungsvertrag ab. In der Folgezeit kann es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin, weil diese diverse Abteilungen der beklagten GmbH auf andere Konzernunternehmen verlagert hatte. Daraufhin bestellte die Gesellschafterin einen weiteren Geschäftsführer, widerrief die dem Kläger und seiner Ehefrau erteilte Alleinvertretungsberechtigung sowie die Erlaubnis zur Vornahme von Insichgeschäften und erließ eine Geschäftsordnung. Hiernach waren der Kläger und seine Ehefrau fortan berichtspflichtig und weisungsgebunden gegenüber dem weiteren Geschäftsführer. In der Folge erklärte der Kläger die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages. Mit der Klage machte der Kläger seine vertraglichen Vergütungsansprüche geltend und verlor.

Entscheidung

Veranlasst ein Vertragspartner einen Dienstverpflichteten durch schuldhafte Vertragsverletzung zur außerordentlichen Kündigung, so kann der Kündigende Schadensersatz verlangen. Für den Fall einer Abberufung des Geschäftsführers hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits entschieden, dass die Gesellschaft nur ihr gesetzliches Recht der jederzeitigen Abberufung wahrnimmt, so dass eine Vertragsverletzung nicht vorliegen kann. Die streitige Frage, ob diese Rechtsprechung auch im Fall der Einschränkung des Kompetenzbereichs des Geschäftsführers Anwendung findet, musste vorliegend nicht entschieden werden, da weder dem Anstellungsvertrag des Klägers noch der Satzung der beklagten GmbH zu entnehmen war, dass eine Kompetenzbeschränkung unzulässig ist.

Konsequenz

Die Frage, ob Vereinbarungen im Anstellungsvertrag, die körperschaftsrechtlichen Regelungen widersprechen, schuldrechtlich wirksam bleiben und ein Recht zur fristlosen Kündigung mit Schadensersatzansprüchen begründen, bleibt weiterhin offen.

Testamentsvollstrecker-Vermerk im Handelsregister einer KG zulässig?

Testamentsvollstrecker-Vermerk im Handelsregister einer KG zulässig?

Kernaussage

Ist über den Nachlass eines Kommanditisten Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, so ist auf Antrag des Testamentsvollstreckers ein Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister einzutragen.

Sachverhalt

Ein Erblasser, ehemals Kommanditist einer GmbH & Co. KG, wurde von 2 Personen beerbt. Über seinen Nachlass war Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker beantragte, in das Handelsregister einzutragen, dass der Kommanditist verstorben und seine Beteiligung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbengemeinschaft übergegangen sei. Ferner, dass Testamentsvollstreckung angeordnet sei. Das zuständige Registergericht verweigerte die Eintragung mit der Begründung, Erben könnten nicht als Erbengemeinschaft eingetragen werden. Zudem bestünde kein schützenswertes Interesse an der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks und im Übrigen sei ein Erbschein erforderlich, wenn das Nachlassgericht die Akte nicht auf Anforderung übersende. Der Bundesgerichtshof (BGH) sah dies anders und gab dem Testamentsvollstrecker Recht.

Entscheidung

Grundsätzlich werden in das Handelsregister nur die Tatsachen und Rechtsverhältnisse eingetragen, deren Eintragung gesetzlich vorgesehen ist. Darüber hinausgehende Eintragungen sind zulässig, wenn ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der Verlautbarung besteht. Danach kann die auf einen Kommanditanteil bezogene Testamentsvollstreckung jedenfalls im Handelsregister vermerkt werden, wenn Dauertestamentsvollstreckung angeordnet ist. Hier besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Information. Die KG wird beim Tod eines Kommanditisten mit den Erben fortgesetzt; jeder Erbe erhält eine eigenständige Beteiligung im Umfang seiner Erbquote. Ist an dem Nachlass Testamentsvollstreckung angeordnet, erfasst sie auch diese übergegangenen Anteile, sofern gesellschaftsvertraglich angeordnet. Durch die Testamentsvollstreckung sind die Erben zwar nicht vor der (gesetzlich begrenzten) persönlichen Inanspruchnahme in Bezug auf die Gesellschaftsverbindlichkeiten geschützt. Die Eigengläubiger der Erben können aber nicht auf das der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassvermögen zugreifen. Insofern entfaltet diese eine unmittelbare haftungsrechtliche Außenwirkung.

Konsequenz

Da die Rechte eines Kommanditisten bei angeordneter Testamentsvollstreckung allein der Testamentsvollstrecker ausüben kann, hat der Rechtsverkehr ein berechtigtes Interesse, darüber unterrichtet zu werden.

Arbeitgeber muss Betriebsrat bei fristloser Verdachtskündigung anhören

Arbeitgeber muss Betriebsrat bei fristloser Verdachtskündigung anhören

Kernfrage

In Unternehmen, bei denen ein Betriebsrat besteht, können Kündigung nur dann wirksam erfolgen, wenn der Betriebsrat im Vorfeld angehört wurde. Dies gilt auch bei fristlosen Kündigungen, bei denen die Anhörung während der laufenden 2-Wochen-Frist, innerhalb derer eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden muss, zu erfolgen hat. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte nunmehr darüber zu entscheiden, in welchem Umfang der Betriebsrat angehört werden muss.

Sachverhalt

Der Kläger war langjährig beim Arbeitgeber beschäftigt und wurde wegen eines Diebstahlsverdachts fristlos gekündigt. Der Arbeitgeber hörte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung zwar an, teilte diesem aber lediglich die konkreten Umstände mit, auf die die Kündigung gestützt worden war. Vorherige Abmahnungen, auf denen die fristlose Kündigung im Rahmen der Interessenabwägung auch beruhte, teilte der Arbeitgeber in der Anhörung nicht mit. Diese waren dem Betriebsrat aber – wenigstens teilweise – bekannt.

Entscheidung

Der Kläger gewann vor Gericht. Die erforderliche Betriebsratsanhörung entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben, so dass die Kündigung alleine aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen unwirksam war. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat bei einer fristlosen Kündigung über sämtliche Umstände anhören, die in die Entscheidung mit eingeflossen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer zuvor langjährig beschäftigt war. Im Falle eines bisher unbeanstandeten Arbeitsverhältnisses spricht dieser Umstand nämlich regelmäßig gegen eine fristlose Kündigung. Im Umkehrschluss ist vorheriges Fehlverhalten ebenso mitzuteilen. Dies gilt selbst dann, wenn der Betriebsrat an vorherigen Abmahnungen teilweise beteiligt war.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt die Bedeutung des Betriebsrates insbesondere in Kündigungsfragen. Denn eine Kündigung ist unwirksam – und nicht mehr heilbar – wenn das gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsverfahren nicht ordentlich durchgeführt worden ist; und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung zulässig gewesen wäre. Besteht ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber möglichst weitreichend informieren.

Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung

Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung

Rechtslage

Im Rahmen von fristlosen Kündigungen kommt es bei deren gerichtlicher Überprüfung immer zu einer Interessenabwägung zwischen der Schwere des Pflichtenverstoßes und den berechtigten Belangen des Arbeitnehmers (z. B. langjähriges unbeanstandetes Beschäftigungsverhältnis). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr darüber zu entscheiden, wie das sogenannten Nach-Tat-Verhalten, also im Zeitraum zwischen Pflichtenverstoß und Kündigung, des Arbeitnehmers in dieser Interessenabwägung zu berücksichtigen ist.

Sachverhalt

Der Arbeitnehmer war fristlos gekündigt worden, weil er tatsächlich von ihm eingelegte Pausen nicht als solche gekennzeichnet, sondern als Arbeitszeit deklariert hatte. Zwar waren die Umstände beim zur Kündigung führenden Fall zum Teil streitig, allerdings war der Arbeitnehmer einschlägig vorher abgemahnt worden. Im Zeitraum zwischen der Feststellung des Pflichtenverstoßes und dem Ausspruch der fristlosen Kündigung hatte er stets geleugnet, Pausenzeiten als Arbeitszeit deklariert zu haben. Gegen die fristlose Kündigung klagte der Arbeitnehmer.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Der dem Kläger zur Last gelegte Arbeitszeitbetrug sei für sich genommen eine so schwere Pflichtverletzung, dass eine fristlose Kündigung, insbesondere nach entsprechenden Abmahnungen, zulässig sei. Darüber hinaus sei es korrekt, das stetige Leugnen des Pflichtverstoßes bis zur Kündigung zu Lasten des Arbeitnehmers in die erforderliche Interessenabwägung mit einzubeziehen. Auch eine in Einzelfällen abweichende Rechtsprechung zu fristlosen Kündigungen, in der das Nach-Tat-Verhalten nicht in die Interessenabwägung mit einbezogen worden sei, obwohl der Arbeitnehmer auch dort den Pflichtverstoß geleugnet hatte, könne im Falle des Klägers nicht angeführt werden. Denn in der insoweit abweichenden Rechtsprechung sei deutlich gemacht worden, dass das dortige Leugnen „prozessuales Verteidigungsvorbringen“ gewesen sei.

Konsequenz

Es gilt weiterhin die Regel, dass das Nach-Tat-Verhalten des Arbeitnehmers zu seinen Lasten in die Interessenabwägung über die Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung mit einbezogen werden kann. Dies entspricht der „Regelrechtsprechung“; anders lautende Rechtsprechung bildet die Ausnahme.

Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Konzessionsabgaben

Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Konzessionsabgaben

Kernproblem

Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensverminderung oder verhinderte Vermögensvermehrung zu verstehen, die gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und keine offene Gewinnausschüttung darstellt. Von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist dabei regelmäßig auszugehen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil verschafft, den sie einem Dritten in vergleichbaren Fällen nicht gewährt hätte. Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch für das Verhältnis eines Versorgungsbetriebs zu seiner Gebietskörperschaft. Im vorliegenden Fall hatten die Gerichte dabei über die zulässige Höhe der zu zahlenden Konzessionsabgabe „Wasser“ zu entscheiden.

Sachverhalt

Die klagende GmbH war 100 %ige Anteilseignerin einer AG. Zwischen beiden bestand ertragsteuerlich ein Organschaftsverhältnis. Die AG, welche ebenso wie die GmbH ein Wasserversorgungsunternehmen war, zahlte an die Stadt eine Konzessionsabgabe „Wasser“. Die zu zahlende Konzessionsabgabe bemaß die AG im Streitjahr 1994 nach dem für Gemeinden mit 100.001 bis 500.000 Einwohner maßgeblichen Prozentsatz von 15 %. Die Einwohnerzahl basierte auf den vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz für 1994 festgestellten Werten. Das Finanzamt ging hingegen von einer Einwohnerzahl von unter 100.000 aus und berief sich dabei auf die letzte Volkszählung aus dem Jahr 1987. Die Konzessionsabgabe hätte daher nur maximal 12 % betragen dürfen. Den Differenzbetrag qualifizierte sie als vGA und somit nicht abzugsfähige Betriebsausgabe. Der hiergegen gerichteten Klage der GmbH wurde nunmehr vor dem Bundesfinanzhof (BFH) stattgegeben.

Entscheidung

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die 15 % vorliegend zulässig sind und somit keine vGA gegeben ist. Zur Bestimmung des fremdüblichen Preises sei auf preisrechtliche Verordnungen abzustellen; hierbei stelle sich nur die Frage, auf welche. Die in der Konzessionsabgabenanordnung (KAE) 1941 vorgeschriebene Bestimmung der Einwohnerzahl anhand des Ergebnisses der Volkszählung aus dem Jahr 1939 sei jedenfalls verfassungswidrig und daher nichtig. Vielmehr sei auf die Konzessionsabgabenverordnung 1992 abzustellen, die – wie vorliegend die Klägerin – auf die Daten der Statistischen Landesämter abstellt. Die in der Körperschaftsteuerrichtlinie 1990 wiedergegebene Auffassung, wonach auf die Ergebnisse der letzten durchgeführten Volkszählung abzustellen sei, wird abgelehnt.

Konsequenzen

Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass die Gemeinden und Wasserversorger auch einen niedrigeren Konzessionssatz als den jeweiligen in der KAE enthaltenen Höchstsatz vereinbaren können. Dies hat zur Folge, dass in der Praxis stets eine klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung geschlossen werden muss. Anderenfalls droht im Fall des beherrschenden Gesellschafters die Feststellung einer vGA bereits aus formellen Gründen.

Zur Ablehnung sprechbehinderter Bewerber

Zur Ablehnung sprechbehinderter Bewerber

Rechtslage

Dem wegen einer Diskriminierung abgelehnten Bewerber steht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Entschädigung zu. Wäre er darüber hinaus der beste Bewerber gewesen und hätte damit eingestellt werden müssen, ist zudem noch ein echter Schadensersatzanspruch in Form eines Schmerzensgeldes denkbar. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte zu den Voraussetzungen dieser Ansprüche zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger war wegen Stotterns mit einem Grad der Behinderung von 30 erwerbsunfähig. Er bewarb sich beim Beklagten als Arbeitsvermittler, erhielt aber eine Absage mit der Begründung, andere Bewerber seien besser informiert und kommunikationsstärker gewesen. Mit seiner Klage, die im Rahmen der Entscheidung über Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, machte er Schmerzensgeld in Höhe von rd. 30.000 EUR und eine Entschädigung in Höhe dreier Monatsgehälter geltend, weil er wegen seiner Behinderung abgelehnt worden sei. Der Beklagte wandte ein, das Argument der Kommunikationsstärke habe sich nicht auf die Behinderung, sondern auf die Gesprächsführung bezogen.

Entscheidung

Das Gericht gewährte dem Kläger Prozesskostenhilfe lediglich für den Entschädigungsanspruch. Die Verwendung des Arguments der Kommunikationsschwäche lasse durchaus den Schluss zu, dass die Sprechbehinderung in diskriminierender Weise ausschlaggebend für die Ablehnung gewesen sei. Damit griffen die Beweislastmechanismen des AGG und der Arbeitgeber müsse nachweisen, dass gerade keine Diskriminierung vorgelegen habe. Vor diesem Hintergrund sei aber lediglich eine Entschädigung möglich, weil der Beklagte im Übrigen nachgewiesen habe, dass der Kläger auch bei Nichtberücksichtigung der Behinderung nicht eingestellt worden wäre, weil andere Bewerber besser waren.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt zum einen, dass eine Diskriminierungshandlung nur bei einer „echten“ Schwerbehinderung möglich ist. Zum anderen macht sie die Gefahren deutlich, die eine unpräzise Ablehnung in sich birgt.

Muss Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unaufgefordert übersetzen?

Muss Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unaufgefordert übersetzen?

Rechtslage

(Formular)Arbeitsverträge sind nach den Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen überprüfbar. Das heißt insbesondere, dass sie keine überraschenden oder nicht verständlichen Klauseln enthalten dürfen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob ein solcher Verstoß bei einem Arbeitnehmer, der der deutschen Sprache nicht mächtig war, bereits deshalb vorlag, weil der Arbeitgeber diesem Arbeitnehmer nicht vor vorneherein eine Übersetzung des Arbeitsvertrages in dessen Muttersprache zur Verfügung gestellt hatte.

Sachverhalt

Der Kläger, ein portugiesischer Fernfahrer, hatte mit dem deutschen Arbeitgeber teilweise in portugiesisch über einen Arbeitsvertrag verhandelt. Ihm war ein deutschsprachiger Formulararbeitsvertrag übersandt worden, den er unterschrieb, ohne eine Übersetzung zu verlangen. Bestandteil des Vertrags war eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen war. Mit seiner nach Ablauf dieser Ausschlussfrist eingereichten Klage machte er Vergütungs- und Reisekostenansprüche geltend. Die Ausschlussfrist hielt er für nicht anwendbar, weil er diese nicht verstanden habe und er sie daher nicht zur Kenntnis haben nehmen können. Somit sei sie nicht wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden.

Entscheidung

Das LAG wies die Klage ab. Die in den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, nach der eine Prüfung erfolgen müsse, ob eine Regelung wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden sei, gelte für Arbeitsverträge nicht. Diese seien zwar nach den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen inhaltlich überprüfbar, eine Einbeziehungsprüfung gebe es aber nicht, weil der Arbeitgeber schon aus anderen gesetzlichen Vorschriften verpflichtet sei, die wesentlichen Vertragsbestandteile schriftlich auszuhändigen. Die Wirksamkeit der Ausschlussfrist richte sich daher alleine nach den allgemeinen Regelungen. Die Übersendung des Arbeitsvertrages stelle das Angebot des Arbeitgebers dar, das der Arbeitnehmer durch Unterschrift in unveränderter Form angenommen habe. Die sprachliche Unkenntnis falle alleine in den Risikobereich des Arbeitnehmers.

Konsequenz

Die Entscheidung überzeugt inhaltlich. Insbesondere berücksichtigt sie, dass ein Arbeitsvertrag nach Sinn und Zweck etwas Anderes ist als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Ungeachtet dessen ist die Entscheidung nicht rechtskräftig; sie ist mit Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) angegriffen worden, dessen Urteil noch aussteht.

Kündigung bei Verweigerung von Zusammenarbeit

Kündigung bei Verweigerung von Zusammenarbeit

Rechtslage

Die Kündigung von Arbeitnehmern, die wegen ihrer schlechten Arbeitsleistung gekündigt werden sollen, fällt in den Bereich der verhaltensbedingten Kündigungen. Dabei gilt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur eine seiner Qualifikation und seinen individuellen Fähigkeiten entsprechende Leistung in mittlerer Art und Güte schuldet. Das Arbeitsgericht Magdeburg hatte nunmehr in einem Fall zu entscheiden, in dem sich Kollegen weigerten, mit einem schlechten Mitarbeiter weiter zusammen zu arbeiten und dem deshalb gekündigt worden war.

Sachverhalt

Der Kläger war bei einem Bauunternehmen beschäftigt. Verschiedene Kollegen bemängelten beim Arbeitgeber die schlechte Arbeitsleistung des Klägers; 2 Kolonnenführer weigerten sich, mit dem Kläger weiterhin zusammen zu arbeiten. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis; der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht.

Entscheidung

Die Schlechtleistungen rechtfertigten angesichts der Tatsache, dass die Güte der Arbeitsleistung an den individuellen Fähigkeiten des Arbeitnehmers zu messen sei, keine Kündigung. Auch ein Fall einer zulässigen Druckkündigung, also einer Kündigung, die dadurch bedingt ist, dass Dritte dem Arbeitgeber mit erheblichen Nachteilen für den Fall drohen, dass der Arbeitnehmer nicht gekündigt werden, sei nicht gegeben. Selbst wenn die verweigerte Zusammenarbeit der übrigen Mitarbeiter geeignet sei, erhebliche wirtschaftliche Schäden beim Arbeitgeber auszulösen, habe der Arbeitgeber nicht hinreichend versucht, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und alles Zumutbare zu unternehmen, um die Dritten von der Drohung abzubringen. Insbesondere hätte der Arbeitgeber versuchen müssen, durch innerbetriebliche Maßnahmen die Schlechtleistung für die übrigen Mitarbeiter nicht spürbar werden zu lassen; z. B. durch Mehrarbeitsvergütung.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Kündigung eines schlecht arbeitenden Mitarbeiters wegen der Schlechtleistung erhebliche rechtliche Probleme birgt. Insbesondere wird man zunächst nach einer innerbetrieblichen Lösung suchen und diese dokumentieren müssen.

Neues zu „Whistleblowing“

Neues zu „Whistleblowing“

Rechtslage

Beim so genannten „Whistleblowing“ zeigt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber gegenüber Behörden, insbesondere der Staatsanwaltschaft, wegen unrechtmäßigen Verhaltens (un)berechtigt an. Regelmäßig stellt sich dann die Frage, ob in berechtigten Anzeigefällen eine Kündigung zulässig ist. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hatte kürzlich in einem solchen Fall zu entscheiden.

Sachverhalt

Der Kläger, seinerzeit in Kurzarbeit beschäftigt, hatte ein Kündigungsschutzverfahren gegen den Arbeitgeber in der ersten Instanz gewonnen. Im Berufungsverfahren stellte der Arbeitgeber einen sogenannten Auflösungsantrag gegen eine geringe Abfindung. Inhalt des Auflösungsantrages ist es, trotz unwirksamer Kündigung vom Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das Arbeitsverhältnis wird sodann gegen eine im Ermessen des Gerichts liegende Abfindung aufgelöst. Hintergrund des Arbeitgeber-Antrags war, dass der Kläger gegenüber der Bundesagentur geäußert hatte, der Arbeitgeber würde Mittel des Kurzarbeitergeldes missbrauchen. Daraufhin hatte die Bundesagentur ein Strafverfahren gegen den Arbeitgeber eingeleitet, dessen Ausgang bei der vorliegenden Entscheidung noch offen war.

Entscheidung

Das LAG gab dem Auflösungsantrag mit geringer Abfindung statt. Zwar könne es Fälle geben, in denen ein Whistleblowing trotz vertraglicher Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber zulässig sei. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber aber darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitnehmer zunächst eine interne Klärung der Kurzarbeitergeldfrage im Gesprächswege suche. Hinzu komme, dass die Anzeige erst nach der Kündigung erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund müsse der Arbeitgeber damit rechnen, dass Meinungsverschiedenheiten mit diesem Arbeitnehmer immer geeignet seien, eine Anzeige bei einer Behörde nach sich zu ziehen. Eine Forstsetzung des Arbeitsverhältnisse sei daher nicht zumutbar.

Konsequenz

Kommt es ohne vorherigen internen Klärungsversuch zum Whistleblowing gegenüber einer Behörde aufgrund von Meinungsverschiedenheiten im Arbeitsverhältnis, kann das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsantrag beendet werden. Denn dann ist nicht damit zu rechnen, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Zukunft möglich ist.

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin