Die Einführung des EU-Energiekrisenbeitrags, auch als Übergewinnsteuer bekannt, steht unter verfassungsrechtlichem Zweifel. Dies hat der 2. Senat des Finanzgerichts Köln in seinem Beschluss vom 20. Dezember 2024 (Az. 2 V 1597/24) deutlich gemacht. In dem Verfahren geht es um die Frage, ob die Festsetzung dieser Steuer, die Unternehmen im Energiesektor treffen soll, mit dem deutschen Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar ist.
Hintergrund des Verfahrens
Die Antragstellerin, ein Unternehmen aus dem Energie- und Raffineriebereich, wehrt sich gegen die Festsetzung des EU-Energiekrisenbeitrags, den sie für verfassungswidrig hält. Dieser Beitrag, eingeführt als Teil der Reaktion auf die Energiekrise infolge des Ukraine-Konflikts, soll Unternehmen heranziehen, die durch die gestiegenen Energiepreise unerwartet hohe Gewinne erzielt haben. Diese Gewinne sollen nun zu einem Solidaritätsbeitrag führen, der zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen für Endkunden beitragen soll.
Die Antragstellerin forderte die Rückerstattung des bereits gezahlten Beitrags und stellte die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes infrage. Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) wies den Antrag zunächst ab und verwies auf die EU-Verordnung, die als rechtliche Grundlage für den Beitrag dient. Daraufhin beantragte die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz, den das Finanzgericht Köln gewährte.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und der Rechtsgrundlage
Das Finanzgericht Köln stellte fest, dass bereits aus europarechtlicher Sicht Zweifel an der ausreichenden Rechtsgrundlage für die Einführung des EU-Energiekrisenbeitrags bestehen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wurde bereits durch den belgischen Verfassungsgerichtshof um eine Vorabentscheidung gebeten, um diese Frage zu klären (Aktenzeichen C-358/24).
Zusätzlich dazu äußerten die Richter Bedenken, ob der Beitrag mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. Insbesondere stellten sie infrage, ob der Bund überhaupt die Gesetzgebungskompetenz für diese Maßnahme hat und ob die Einführung der Steuer den Grundsätzen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) entspricht.
Vorläufige Rückerstattung des Beitrags
Die Richter entschieden, dass die Antragstellerin vorläufig die Rückerstattung des Energiekrisenbeitrags erhalten könne, da die Gefährdung der öffentlichen Haushaltsführung durch diese Maßnahme als gering eingestuft wurde. Es wurde argumentiert, dass die Einnahmen aus dem Energiekrisenbeitrag in Höhe von 1 bis 3 Milliarden Euro im Vergleich zum Gesamtsteueraufkommen von über 900 Milliarden Euro nicht wesentlich ins Gewicht fallen. Eine Gefährdung des Bundeshaushalts sei daher nicht zu befürchten. Außerdem wurde entschieden, dass keine Sicherheitsleistung für die vorläufig bewilligte Rückerstattung notwendig sei, da keine existenzbedrohende Lage der Antragstellerin vorlag.
Rechtsmittel und Ausblick
Das Urteil des Finanzgerichts Köln ist noch nicht rechtskräftig. Das BZSt hat bereits Beschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt, der über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Rückerstattung entscheiden wird. Die Beschwerde wird unter dem Aktenzeichen II B 5/25 (AdV) geführt.
Rechtlicher Hintergrund
Der EU-Energiekrisenbeitrag wurde durch das Jahressteuergesetz 2022 (Art. 40) eingeführt und basiert auf der EU-Verordnung 2022/1854 vom 6. Oktober 2022. Diese Verordnung wurde als Notfallmaßnahme erlassen, um Unternehmen im Energiesektor, die von den gestiegenen Energiepreisen profitiert haben, zu einem Solidaritätsbeitrag zu verpflichten. Ziel ist es, die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise abzumildern, insbesondere für die Endverbraucher.
Fazit und Ausblick
Die Frage, ob der EU-Energiekrisenbeitrag mit dem deutschen Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar ist, bleibt weiterhin offen. Das Finanzgericht Köln hat in seiner vorläufigen Entscheidung verfassungsrechtliche Bedenken geäußert und vorläufigen Rechtsschutz gewährt. Die endgültige Entscheidung des Bundesfinanzhofs wird wohl von großer Bedeutung für die Zukunft dieser Steuermaßnahme sein. Unternehmen, die vom Energiekrisenbeitrag betroffen sind, sollten die weitere Entwicklung des Verfahrens genau verfolgen und gegebenenfalls rechtliche Beratung einholen.