Thüringen baut digitale Kommunikation der Finanzämter aus

Ab Ende September 2025 können Steuerpflichtige und ihre steuerlichen Vertreter in Thüringen nicht mehr nur Steuerbescheide, sondern auch weitere Schreiben der Finanzämter digital über „Mein ELSTER“ empfangen. Damit geht die Finanzverwaltung einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung.

Welche Dokumente werden digital übermittelt?

Neben Steuerbescheiden können künftig auch folgende Schreiben elektronisch zugestellt werden:

  • Nachforderungen von Unterlagen
  • Rückfragen zu steuerlichen Sachverhalten
  • weitere Mitteilungen der Finanzämter

Für jedes neue Dokument im ELSTER-Konto wird eine gesonderte Benachrichtigungs-E-Mail verschickt.

Vorteile für Steuerpflichtige und Kanzleien

  • Zeitersparnis: Postlaufzeiten entfallen, Dokumente stehen sofort digital bereit.
  • Effizientere Abläufe: Besonders für Steuerberaterkanzleien wird die Kommunikation schneller und strukturierter.
  • Einfachere Rückmeldungen: Nachgeforderte Unterlagen können ebenfalls direkt elektronisch über ELSTER eingereicht werden.

Voraussetzung: Elektronische Einwilligung

Damit die neue digitale Zustellung genutzt werden kann, ist eine aktive Zustimmung im Online-Portal „Mein ELSTER“ erforderlich.

  • Die Einwilligung gilt steuerartenübergreifend, bis sie widerrufen oder angepasst wird.
  • Eine Änderung ist jederzeit möglich.

Fazit

Mit der erweiterten digitalen Kommunikation modernisieren die Thüringer Finanzämter ihre Abläufe und bieten Steuerpflichtigen wie auch Kanzleien einen echten Mehrwert. Wer die Vorteile nutzen möchte, sollte jetzt prüfen, ob die elektronische Einwilligung im ELSTER-Portal bereits erteilt wurde.

Einspruchsstatistik 2024: Deutlich weniger Einsprüche, Filterwirkung bestätigt

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die aktuelle Statistik zur Einspruchsbearbeitung in den Finanzämtern veröffentlicht. Die Zahlen für 2024 zeigen: Das Einspruchsverfahren nach der Abgabenordnung bleibt ein wirksames Korrektiv, bevor es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt.

Rechtsweg in Steuersachen – Einspruch als Pflichtschritt

Bevor Steuerpflichtige das Finanzgericht anrufen können, ist in den meisten Fällen ein Einspruch beim Finanzamt erforderlich. Dieses Verfahren gibt der Verwaltung die Chance, die Entscheidung noch einmal zu prüfen. In der Praxis führt das dazu, dass viele Streitigkeiten schon im Einspruchsverfahren erledigt werden – ein Effekt, den man als Filterwirkung bezeichnet.

Weniger Einsprüche im Jahr 2024

  • Rückgang um 40,4 % bei den eingelegten Einsprüchen im Vergleich zu 2023.
  • Grund: 2023 war die Zahl der Einsprüche aufgrund der Grundsteuerreform stark gestiegen.
  • Ende 2024 waren jedoch noch über 10,4 Mio. Einsprüche unerledigt – ein Rekordstand, der überwiegend auf ausgesetzte Verfahren im Zusammenhang mit Musterprozessen zurückzuführen ist.

Wie wurden die Einsprüche erledigt?

Im Jahr 2024 wurden rund 4,1 Mio. Einsprüche abgeschlossen. Die Verteilung zeigt, dass die meisten Verfahren ohne formelle Entscheidung geklärt werden:

  • 68,0 % Abhilfe (z. B. weil Steuererklärungen nachgereicht oder Aufwendungen belegt wurden)
  • 17,6 % Rücknahme durch Steuerpflichtige
  • 12,7 % förmliche Einspruchsentscheidung
  • 0,4 % Teil-Einspruchsentscheidungen
  • 1,3 % auf andere Weise (z. B. Erledigung durch Änderungsbescheid oder Ablauf einer Außenprüfung)

Klagen weiterhin selten

Nur 1,1 % der erledigten Einsprüche führten im Jahr 2024 zu einer Klage beim Finanzgericht. Die Zahl der Klagen ging weiter zurück:

  • 2020: 59.774 Klagen
  • 2024: 46.120 Klagen (–2,5 % gegenüber 2023)

Das zeigt, dass der überwiegende Teil der Streitigkeiten bereits außergerichtlich gelöst werden kann.

Fazit

Die Statistik belegt:

  • Der Einspruch bleibt ein effektives und schnelles Mittel, um fehlerhafte Bescheide zu korrigieren.
  • Nur ein kleiner Bruchteil der Fälle muss vor Gericht geklärt werden.
  • Die weiterhin hohe Zahl unerledigter Einsprüche ist vor allem ein Nachhall der Grundsteuerreform.

👉 Tipp für Steuerpflichtige: Wer Zweifel an seinem Steuerbescheid hat, sollte die Einspruchsfrist von einem Monat ernst nehmen und rechtzeitig handeln. Oft lassen sich Fehler im außergerichtlichen Verfahren schnell und ohne Klage beheben.

Steuerliche Gestaltungsideen aus Social Media – Chancen und Risiken im Faktencheck

Immer mehr Mandanten kommen heute mit vermeintlich „fixen“ Steuertricks aus sozialen Medien in die Kanzlei. Die Darstellungen dort sind selten komplett falsch – sie blenden jedoch entscheidende Aspekte, Risiken und Rahmenbedingungen aus. Genau hier setzt unsere Beratung an: Wir prüfen, was wirklich funktioniert, welche Gestaltungsspielräume bestehen und wo Vorsicht geboten ist.

Nachfolgend beleuchten wir einige der derzeit am häufigsten diskutierten Steuerideen und geben Ihnen einen realistischen Überblick.

Private Pkw-Nutzung: Ohne 1 %-Regelung und ohne Fahrtenbuch?

Auf Plattformen kursieren Tipps, wie sich die private Pkw-Nutzung steuerfrei gestalten lässt. Vorgeschlagen werden Modelle ohne 1 %-Regelung, ohne Fahrtenbuch oder sogar durch ein „Nutzungsverbot“.
Fakt ist: Finanzämter prüfen diese Themen sehr genau. Schon kleinste Nachlässigkeiten können zu erheblichen Steuernachzahlungen führen. Es braucht daher klare Nachweise und eine rechtssichere Gestaltung.

„Doppelstock“-Holding

Die sogenannte Doppelstock-Holding gilt in Social Media fast schon als Wundermittel zur Steuerersparnis. Tatsächlich kann die Struktur Vorteile bei der Thesaurierung und beim Exit bieten. Allerdings entstehen zusätzliche Kosten, laufender Verwaltungsaufwand und rechtliche Risiken. Nur wenn die wirtschaftliche Situation passt, ist dieses Modell sinnvoll.

Steuern sparen bei Investments – GmbH als „Sparbüchse“

Immer beliebter ist die Idee, eine GmbH als Investmentvehikel zu nutzen, um Kapitalerträge günstiger zu versteuern. Das klingt attraktiv – doch es gibt erhebliche Unterschiede zwischen privater Kapitalanlage und GmbH-Investments. Themen wie Verlustverrechnung, Ausschüttungen, Doppelbesteuerung und Verwaltungskosten dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden.

Gestaltungen mit Versicherungen

Auch Versicherungen werden gerne als steueroptimierende Instrumente dargestellt:

  • Kranken-/Pflegeversicherung: Absetzbarkeit ist nur im Rahmen der Basisabsicherung voll gegeben.
  • Rentenversicherungen: Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, aber Steuerfreiheit oder vollumfängliche Abziehbarkeit sind längst nicht immer realistisch.
  • Sterbegeldversicherung: Oft werden hier steuerliche Effekte überbetont – in Wahrheit sind die Vorteile sehr begrenzt.

Fazit

Steuern lassen sich optimieren – aber nicht mit pauschalen „Wundermitteln“ aus Social Media. Jede Gestaltung braucht eine fundierte Prüfung, die Ihre persönliche Situation berücksichtigt.

Unser Tipp: Fragen Sie einen Steuerberater, um sich seriös und praxisnah über Chancen und Risiken zu informieren. Denn was auf TikTok oder YouTube nach einer simplen Lösung aussieht, kann in der Realität schnell zum Steuerproblem werden.

BFH zur Tarifierung von Fischöl – Mindestgehalt an Triglyceriden

BFH, Beschluss vom 19.05.2025 – VII R 18/22 (EuGH-Vorlage)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Frage zur zolltariflichen Einreihung von Fischöl vorgelegt. Im Mittelpunkt steht die Abgrenzung der Ware in der Kombinierten Nomenklatur (KN).


Vorlagefrage des BFH

Der BFH möchte vom EuGH geklärt wissen:

  • Welcher Mindestgehalt an Triglyceriden ist erforderlich, damit eine Ware als „Fette und Öle“ im Sinne der KN-Position 1516 einzustufen ist,
  • wenn sie im Übrigen überwiegend aus Mono- und Diglyceriden besteht, die als Nebenprodukte einer Wiederveresterung entstanden sind.

Hintergrund

  • Die Kombinierte Nomenklatur (KN) ist die Grundlage für die zolltarifliche Einreihung von Waren in der EU.
  • Fischöle können sowohl in Lebensmittel- und Futtermittelindustrien als auch in der chemischen Industrie Verwendung finden.
  • Für die zollrechtliche Behandlung ist entscheidend, ob ein Erzeugnis als „Fette und Öle“ (Kapitel 15 KN) oder unter einer anderen Position einzureihen ist.
  • Der Anteil an Triglyceriden spielt dabei eine zentrale Rolle, da diese den Hauptbestandteil natürlicher Fette und Öle ausmachen.

Bedeutung der Vorlage

  • Die Antwort des EuGH wird Klarheit darüber schaffen, welcher Mindestgehalt an Triglyceriden für die Einreihung maßgeblich ist.
  • Dies hat direkte Auswirkungen auf die Zolltarifierung und Zollhöhe bei der Einfuhr entsprechender Produkte.
  • Betroffen sind insbesondere Unternehmen, die mit Fischölprodukten oder ähnlichen Erzeugnissen handeln, die im Herstellungsprozess durch Wiederveresterung verändert wurden.

Praxis-Hinweis

  • Unternehmen im Import/Export sollten die weitere Entwicklung genau beobachten, da eine abweichende Tarifierung zu Nachforderungen oder Erstattungen von Zöllen führen kann.
  • Bis zur Entscheidung des EuGH bleibt eine Rechtsunsicherheit bestehen. Unternehmen sollten daher ihre Zollanmeldungen dokumentieren und mögliche Risiken einkalkulieren.
  • Steuerberater und Zolldeklaranten sollten prüfen, ob in laufenden Verfahren ein Ruhen des Verfahrens bis zur EuGH-Entscheidung sinnvoll ist.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH zur Nacherhebung einer Zollschuld im Nachgang einer Erstattung

BFH, Urteil vom 24.06.2025 – VII R 22/22

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat zur Nacherhebung von Zöllen nach einer zuvor gewährten Erstattung entschieden und dabei die unionsrechtlichen Vorgaben des Zollkodex der Union (UZK) präzisiert.


Leitsatz des BFH

  • Ein Einfuhrabgabenbescheid, mit dem Zoll erstattet wird, ist eine begünstigende Entscheidung i. S. d. Art. 27 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 UZK.
  • Will die Zollbehörde nach einer solchen Erstattung eine Nacherhebung derselben Zollschuld gemäß Art. 105 Abs. 4 UZK vornehmen, muss sie die begünstigende Entscheidung zuvor zurücknehmen (Art. 27 UZK) oder widerrufen (Art. 28 UZK).
  • Art. 116 Abs. 7 Unterabs. 1 UZK, der unter bestimmten Voraussetzungen ein Wiederaufleben der Zollschuld vorsieht, verdrängt die Art. 27 und 28 UZK nicht.

Hintergrund

  • Unternehmen beantragen häufig die Erstattung von Zöllen, wenn diese nachträglich als zu hoch oder unrechtmäßig erhoben erscheinen.
  • Kommt die Zollbehörde dem Antrag nach, ergeht ein begünstigender Bescheid.
  • Später kann die Behörde zu der Auffassung gelangen, dass die Erstattung zu Unrecht erfolgte und eine Nacherhebung notwendig ist.
  • Streitpunkt: Darf die Behörde die Zollschuld ohne Rücknahme oder Widerruf des Erstattungsbescheids erneut geltend machen?

Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar:

  • Die Rechtswirkungen eines begünstigenden Bescheids bleiben bestehen, solange er nicht wirksam aufgehoben wird.
  • Eine Nacherhebung nach Art. 105 Abs. 4 UZK ist nur möglich, wenn die Zollbehörde zuvor den Erstattungsbescheid nach den Vorschriften des UZK aufhebt oder widerruft.
  • Art. 116 Abs. 7 UZK, der ein Wiederaufleben von Zollschulden kennt, ist kein Ersatz für die erforderliche Entscheidung nach Art. 27 oder 28 UZK.

Bedeutung für die Praxis

  • Rechtssicherheit für Unternehmen: Erstattungsbescheide genießen Vertrauensschutz. Eine nachträgliche Nacherhebung setzt ein ordnungsgemäßes Verfahren zur Aufhebung des Bescheids voraus.
  • Vorgehen der Zollbehörden: Diese müssen künftig strikt prüfen, ob eine Rücknahme oder ein Widerruf erforderlich ist, bevor sie eine Nacherhebung vornehmen.
  • Compliance-Pflicht der Unternehmen: Für Importeure und Exporteure bedeutet das Urteil, dass sie sich auf die Bestandskraft von Erstattungen berufen können – es sei denn, die Behörde hebt diese ausdrücklich auf.

Praxis-Hinweis

Unternehmen sollten:

  • Erstattungsbescheide sorgfältig aufbewahren und prüfen, ob die Behörde im Nachgang eine formgerechte Aufhebung vorgenommen hat.
  • Bei Nacherhebungen ohne Widerruf oder Rücknahme sofort rechtliche Schritte prüfen, da solche Forderungen nach der BFH-Rechtsprechung angreifbar sind.
  • Das Urteil stärkt den Rechtsschutz gegenüber Zollbehörden und sorgt für mehr Planungssicherheit im internationalen Handel.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG bei fehlender Steuerbarkeit des vorausgegangenen Erwerbs

BFH, Urteil vom 07.05.2025 – II R 16/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass die Steuerbefreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch dann Anwendung findet, wenn der vorausgegangene Erwerb der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft nicht steuerbar war.


Leitsatz des BFH

  • Auf eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG steuerbare Anteilsvereinigung kann die Rückgängigmachungsvorschrift des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG angewendet werden.
  • Es ist unschädlich, dass der vorausgegangene Erwerb der Anteile nicht der Grunderwerbsteuer unterlag.

Hintergrund

  • Nach § 1 Abs. 3 GrEStG unterliegt die Vereinigung von Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften der Grunderwerbsteuer, sobald mindestens 95 % (seit 2021: 90 %) der Anteile in einer Hand zusammengeführt werden.
  • § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG eröffnet die Möglichkeit, eine Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, wenn ein steuerbarer Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird.
  • Streitpunkt war, ob diese Begünstigung auch dann greift, wenn der ursprüngliche Erwerb nicht steuerbar war.

Entscheidung des BFH

Der BFH bejaht die Anwendbarkeit:

  • Maßgeblich ist allein, dass der aktuelle Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbar ist.
  • Dass ein vorheriger Anteilserwerb nicht steuerbar war, steht der Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht entgegen.
  • Damit wird die Steuerbefreiung in der Praxis erleichtert und erweitert.

Bedeutung für die Praxis

  • Rechtssicherheit: Die Entscheidung schafft Klarheit für Fälle, in denen Beteiligungen in der Vergangenheit außerhalb der Steuerpflicht erworben wurden.
  • Entlastung für Unternehmen: Bei konzerninternen Umstrukturierungen oder Anteilstransaktionen kann die Befreiung nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auch dann greifen, wenn einzelne Vorvorgänge nicht steuerbar waren.
  • Gestaltungsspielraum: Unternehmen erhalten mehr Flexibilität, steuerliche Risiken zu reduzieren, wenn Anteilsvereinigungen rückgängig gemacht werden.

Praxis-Hinweis

  • Gesellschaften mit grundbesitzenden Beteiligungen sollten prüfen, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG erfüllt sind, wenn eine steuerbare Anteilsvereinigung rückgängig gemacht wird.
  • Die BFH-Rechtsprechung erleichtert die Argumentation gegenüber der Finanzverwaltung, insbesondere bei komplexen Beteiligungsstrukturen.
  • Wichtig bleibt eine saubere Dokumentation aller Erwerbsvorgänge, um die Anwendung der Steuerbefreiung nachweisen zu können.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Amtliche Richtsatzsammlung des BMF auf dem Prüfstand

BFH, Urteil vom 18.06.2025 – X R 19/21
(Pressemitteilung Nr. 60/25 vom 25.09.2025)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt: Eine Diskothek ist kein Restaurant. Bei der Schätzung der Getränkeumsätze einer Diskothek darf das Finanzamt daher nicht auf die Rohgewinnaufschlagsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des BMF für Gastronomiebetriebe zurückgreifen.


Der Streitfall

  • Eine Diskothek führte ihre Kassen für Getränkeumsätze nicht ordnungsgemäß.
  • Das Finanzamt griff auf die Richtsatzsammlung des BMF für Gastronomiebetriebe zurück, um die Umsätze zu schätzen.
  • Der BFH lehnte dies ab: Die Schätzung anhand von Vergleichswerten müsse die branchenspezifischen Besonderheiten berücksichtigen.

Wichtige Aussagen des BFH

  1. Innere vs. äußere Schätzung:
    • Der innere Betriebsvergleich, also die Anknüpfung an die eigenen Daten und Verhältnisse des geprüften Betriebs, ist im Regelfall zuverlässiger als der Rückgriff auf branchentypische Durchschnittswerte (äußerer Betriebsvergleich).
    • Finanzamt und Finanzgerichte sind zwar in der Wahl der Schätzungsmethode frei, müssen dieses Prinzip aber berücksichtigen.
  2. Kritik an der Richtsatzsammlung:
    • Der BFH äußert erhebliche Zweifel, ob die Richtsatzsammlung in ihrer derzeitigen Form eine geeignete Schätzungsgrundlage ist.
    • Begründung:
      • fehlende statistische Repräsentativität der Datengrundlagen,
      • Ausschluss bestimmter Gruppen von Betrieben bei der Ermittlung der Richtsätze.
    • Damit steht die amtliche Richtsatzsammlung des BMF insgesamt auf dem Prüfstand.

Bedeutung für die Praxis

  • Für Unternehmer:innen: Wer sich mit Schätzungen konfrontiert sieht, sollte prüfen, ob ein innerer Betriebsvergleich vorrangig in Betracht kommt.
  • Für Berater:innen: Das Urteil bietet Ansatzpunkte, Schätzungen auf Basis der Richtsatzsammlung kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls anzufechten.
  • Für die Finanzverwaltung: Die Anforderungen an die Qualität und Repräsentativität von Datensammlungen steigen. Gerichte verlangen nachvollziehbare und methodisch belastbare Grundlagen.

Praxis-Hinweis

  • Die Richtsatzsammlung ist für die Finanzverwaltung seit Jahren ein beliebtes Schätzungsinstrument. Mit der aktuellen BFH-Entscheidung wird jedoch deutlich, dass ihre Anwendbarkeit eingeschränkt ist.
  • Unternehmen, insbesondere in branchenfremden Konstellationen (z. B. Diskotheken vs. Restaurants), sollten Schätzungen anhand der Richtsatzsammlung nicht ungeprüft akzeptieren.
  • Es empfiehlt sich, frühzeitig eigene betriebsinterne Datenanalysen vorzulegen, um die Anwendung pauschaler Vergleichswerte zu vermeiden.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung eines Beamten im Ausland

BFH, Urteil vom 17.06.2025 – VI R 21/23

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Kosten für eine Dienstwohnung im Ausland, die der Dienstherr für Zwecke des Mietzuschusses nach § 54 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) als notwendig anerkennt, in voller tatsächlicher Höhe als Unterkunftskosten einer doppelten Haushaltsführung steuerlich abziehbar sind.


Kernaussage des BFH

  • Wird eine Dienstwohnung im Ausland vom Dienstherrn als notwendig eingestuft, kommt es für den steuerlichen Abzug nicht auf Pauschalgrenzen oder Vergleichswerte an.
  • Entscheidend ist die tatsächliche Höhe der Unterkunftskosten.
  • Damit stärkt der BFH die steuerliche Abzugsfähigkeit gerade in Fällen, in denen Beamte aus dienstlichen Gründen ins Ausland versetzt werden.

Bedeutung für die Praxis

  • Beamte im Ausland: Wer im Ausland eingesetzt ist und eine Dienstwohnung bewohnt, kann die vollen Kosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung geltend machen – sofern der Dienstherr die Notwendigkeit der Wohnung nach § 54 BBesG bestätigt.
  • Abgrenzung zu Inlandssachverhalten: Im Inland gilt weiterhin die Kappungsgrenze von 1.000 Euro monatlich (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 EStG). Diese Begrenzung greift nach dem Urteil nicht automatisch bei Auslandsfällen, wenn der Dienstherr die Unterkunftskosten als notwendig anerkennt.
  • Dokumentation wichtig: Beamte sollten die Anerkennung des Dienstherrn dokumentieren und entsprechende Nachweise den Steuerunterlagen beifügen.

Praxis-Hinweis

Für betroffene Beamte eröffnet das Urteil steuerliche Entlastungen:

  • Unterkunftskosten im Ausland, die über den inländischen Höchstbetrag hinausgehen, können in voller Höhe berücksichtigt werden.
  • Die Entscheidung schafft zudem Rechtssicherheit, da die Anerkennung des Dienstherrn als starkes Indiz für die steuerliche Notwendigkeit gilt.
  • Auch für andere Auslandsentsendungen (z. B. in der Diplomatie, beim Militär oder bei internationalen Organisationen) ist die Entscheidung von Relevanz.

Quelle: Bundesfinanzhof

BFH: Finanzamt muss Inhalte anonymer Anzeigen grundsätzlich nicht offenlegen

BFH, Urteil vom 15.07.2025 – IX R 25/24
(Pressemitteilung Nr. 58/25 vom 25.09.2025)

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Steuerpflichtige grundsätzlich keinen Anspruch auf Einsicht in anonyme Anzeigen haben, die beim Finanzamt eingehen und steuerliches Fehlverhalten zum Gegenstand haben. Auch ein Auskunftsanspruch nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vermittelt insoweit keine weitergehenden Rechte.


Der Streitfall

  • Die Klägerin betrieb einen Gastronomiebetrieb.
  • Nach einer anonymen Anzeige führte das Finanzamt eine Kassen-Nachschau (§ 146b AO) durch – ohne Feststellung steuerstrafrechtlicher Verstöße.
  • Im Anschluss verlangte die Klägerin:
    • Einsicht in ihre Steuerakten sowie
    • Auskunft nach Art. 15 DSGVO über die Verarbeitung personenbezogener Daten.
  • Ziel: Kenntnis des Anzeigeninhalts, um Rückschlüsse auf den Hinweisgeber ziehen zu können.
  • Finanzamt und Finanzgericht lehnten die Anträge ab.

Entscheidung des BFH

Der IX. Senat wies die Revision zurück:

  • Keine Akteneinsicht:
    Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf Offenlegung, wenn das Geheimhaltungsinteresse des Anzeigeerstatters und der Behörde schwerer wiegt. Im Regelfall ist davon auszugehen.
    Eine Ausnahme wäre nur denkbar, wenn die Anzeige zu einer unberechtigten strafrechtlichen Verfolgung führen würde.
  • Kein weitergehender DSGVO-Anspruch:
    Zwar enthalte eine anonyme Anzeige personenbezogene Daten, über die grundsätzlich Auskunft zu erteilen wäre.
    • Der Anspruch wird jedoch durch § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO eingeschränkt, wenn die Aufgabenerfüllung der Finanzverwaltung gefährdet würde.
    • Der Identitätsschutz des Hinweisgebers steht einer Offenlegung ebenfalls entgegen.

Praxis-Hinweis

  • Schutz der Hinweisgeber: Das Urteil stärkt die Anonymität von Steuerhinweisen und schützt die Arbeit der Finanzverwaltung.
  • Grenze des Informationsrechts: Steuerpflichtige können den Inhalt anonymer Anzeigen nicht nutzen, um den Hinweisgeber zu identifizieren.
  • Ausnahmefälle: Nur wenn durch eine anonyme Anzeige eine unberechtigte strafrechtliche Verfolgung ausgelöst wird, könnte ein Auskunftsanspruch bestehen.
  • Empfehlung: Betroffene sollten sich im Falle einer anonymen Anzeige auf eine sachliche Verteidigung im Prüfungsverfahren konzentrieren, anstatt Einsicht in die Anzeige selbst zu verlangen.

Quelle: Bundesfinanzhof

Grundsteuermessbetrag für einen Golfplatz im Außenbereich

FG Hessen, Beschluss vom 10.09.2025 – 3 V 697/25
(Pressemitteilung vom 25.09.2025)

Das Hessische Finanzgericht (FG) hat entschieden, dass die Finanzbehörde den Faktor zur Bestimmung des Grundsteuermessbetrags für ein unbebautes, als Golfplatz genutztes Grundstück im Außenbereich nicht (mehr) allein anhand des gesetzlichen Auffangwerts festsetzen darf, wenn parallel bereits ein Verfahren zur Ermittlung eines speziellen Bodenrichtwerts läuft.

Der darauf gestützte Grundsteuermessbetrag ist daher von der Vollziehung auszusetzen.


Der Streitfall im Überblick

  • Das Grundstück der Antragstellerin liegt im Außenbereich und wird als Golfplatz genutzt.
  • Die Finanzbehörde setzte den Faktor nach dem hessischen Grundsteuerrecht zunächst anhand des Auffangwerts fest: 10 % des durchschnittlichen Bodenrichtwerts der Gemeinde.
  • Begründung: Es lag bislang nur ein Bodenrichtwert für landwirtschaftliche Nutzung vor.
  • Während des Verfahrens beantragte die Finanzbehörde beim Gutachterausschuss die Ermittlung eines Bodenrichtwerts für sonstige Flächen – das Verfahren war zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung aber noch nicht abgeschlossen.

Die Antragstellerin rügte, dass die Anwendung der Auffangregelung zu einer unverhältnismäßigen Steuerbelastung führe, die die Pachterträge um ein Vielfaches übersteige.


Entscheidung des FG Hessen

Der 3. Senat ordnete die Aussetzung der Vollziehung an. Begründung:

  • Mit der beantragten Ermittlung eines speziellen Bodenrichtwerts bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide.
  • Der zum Hauptveranlagungszeitpunkt ermittelte Bodenrichtwert sei bindend – und habe Vorrang vor dem Auffangwert.
  • Der Auffangwert habe Ausnahmecharakter und dürfe nur dann herangezogen werden, wenn tatsächlich kein geeigneter Bodenrichtwert vorliegt.

Damit musste das Gericht nicht mehr entscheiden, ob bei sehr großen Grundstücken eine Korrektur zur Wahrung des Äquivalenzprinzips geboten sein könnte.


Hintergrund

  • Das Bundesverfassungsgericht verpflichtete den Gesetzgeber 2018, die Grundsteuer neu zu regeln.
  • Hessen hat hierzu mit dem Landesgrundsteuergesetz (vom 15.12.2021) eigene Vorgaben geschaffen.
  • Der Grundsteuermessbetrag ergibt sich dort aus:
    • Flächenbetrag × Steuermesszahl × Faktorwert.
  • Der Faktorwert berücksichtigt lagebedingte Unterschiede durch das Verhältnis von Bodenrichtwert zur Durchschnittslage der Gemeinde.
  • Fehlt ein spezifischer Bodenrichtwert, kann ausnahmsweise der Auffangwert angewandt werden – allerdings nur mit enger Begrenzung.

Praxis-Hinweis

Grundstückseigentümer:innen, deren Flächen einer besonderen Nutzung unterliegen (z. B. Golfplätze, Sportanlagen, Freizeitflächen oder große Außenbereichsgrundstücke), sollten ihre Grundsteuermessbescheide genau prüfen.

  • Einspruch prüfen: Wird der Auffangwert angewandt, obwohl die Ermittlung eines speziellen Bodenrichtwerts läuft oder möglich wäre, kann sich ein Einspruch lohnen.
  • Bindungswirkung beachten: Sobald der Gutachterausschuss einen konkreten Wert feststellt, ist dieser maßgeblich – der Auffangwert darf nicht dauerhaft herangezogen werden.
  • Verhältnismäßigkeit im Blick behalten: Gerade bei sehr großen Grundstücken können auffällig hohe Grundsteuerbelastungen angreifbar sein.

Tipp: Wer aktuell von hohen Grundsteuern aufgrund eines Auffangwerts betroffen ist, sollte die Bescheide offenhalten (z. B. durch Einspruch oder Antrag auf Aussetzung der Vollziehung), bis die endgültigen Bodenrichtwerte feststehen.


Ausblick

Das FG Hessen hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Verfahren könnte damit weitreichende Folgen für die Bewertung besonderer Flächen im Rahmen der Grundsteuer haben.


Quelle: Hessisches Finanzgericht Kassel

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin