Kindergeld kann ausnahmsweise vorrangig den Großeltern und nicht den Eltern zustehen

Mit Urteil vom 29. August 2017 (Az. 4 K 2296/15) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass Großeltern für ihr Enkelkind auch dann Kindergeld erhalten können, wenn Mutter und Kind zwar aus dem gemeinsamen Haushalt mit den Großeltern ausziehen, das Kind aber tatsächlich überwiegend nach wie vor im Haushalt der Großeltern betreut und versorgt wird.

Der Kläger erhielt bis Mai 2015 für seine drei Kinder C., L. und N. und für seine Enkeltochter M. Kindergeld. Als Teil seiner Beamtenbesoldung erhielt er außerdem einen sog. „Familienzuschlag“, dessen Höhe von der Anzahl der Kinder abhängig ist, für die ein Beamter Anspruch auf Kindergeld hat. Die drei Kinder des Klägers und auch sein Enkelkind M. (die Tochter von C.) lebten in seinem Haushalt. Sowohl seine Ehefrau als auch seine Tochter C. waren mit der Zahlung an ihn einverstanden.

Im Mai 2015 zog C. mit ihrer Tochter M. in eine eigene Wohnung. Da C. noch studierte, wurde sie vom Kläger und seiner Ehefrau in der Betreuung und Erziehung von M. unterstützt. Befand sich M. nicht im Kindergarten, wurde sie von C. und/oder dem Kläger bzw. seiner Ehefrau betreut und versorgt. Außerdem übernachtete M. an mehreren Tagen pro Woche in der Wohnung des Klägers in einem eigenen Zimmer.

Die (für Kindergeld zuständige) Familienkasse zahlte dem Kläger ab Mai 2015 kein Kindergeld mehr mit der Begründung, dass M. seit dem Auszug von C. zu dem Haushalt der Mutter (C.) und nicht mehr zum Haushalt des Klägers gehöre.

Der Kläger legte erfolglos Einspruch ein und erhob dann beim FG Klage.

Das Gericht gab der Klage statt und lies die Revision nicht zu, weil es nach der Befragung der Ehefrau des Klägers und der Kindesmutter (C.) als Zeugen die Überzeugung gewonnen hatte, dass M. mit deutlich überwiegendem Gewicht weiterhin in den Haushalt des Klägers aufgenommen sei und dort ihren Lebensmittelpunkt habe. Dabei seien – so das Gericht – insbesondere folgende Umstände entscheidend:

M. habe seit ihrer Geburt (März 2013) im gemeinsamen Haushalt des Klägers mit seiner Ehefrau und der jungen alleinstehenden Kindesmutter C. sowie deren Geschwistern L. und N. gelebt. Dabei sei zwischen den Großeltern (dem Kläger und seiner Ehefrau) und M. durch die Betreuung, Erziehung und Versorgung eine elternähnliche Beziehung entstanden, die mit dem Auszug von C. und M. im Mai 2015 nicht geendet habe. Da M. in der Wohnung des Klägers weiterhin häufig übernachtet und ihr eigenes Zimmer behalten habe, dort auch in deutlich überwiegendem Umfang vom Kläger und seiner Ehefrau versorgt, betreut und erzogen worden sei, habe nicht nur das besondere familiäre Band zwischen Großeltern und Enkelin, sondern auch die Haushaltsaufnahme fortbestanden. Der Kläger und seine Ehefrau hätten sich auch auf eine dauerhafte Betreuung eingerichtet und ihre berufliche Situation darauf ausgerichtet: Die Ehefrau des Klägers habe auf eine Erhöhung ihrer gleitenden Arbeitszeit verzichtet und der Kläger arbeite an mehreren Wochentagen am häuslichen Telearbeitsplatz. Die Betreuungsleistungen des Klägers und seiner Ehefrau seien wohl auch aus Sicht der Kindesmutter C. von hohem Gewicht, da sie auf ihren Kindergeldanspruch zu Gunsten des Klägers verzichtet habe. Aber auch ohne diesen Verzicht stünde hier dem Kläger das Kindergeld zu, da es bei mehrfachen Haushaltsaufnahmen keinen vorrangigen Kindergeldanspruch der leiblichen Eltern gebe. Maßgeblich sei allein, in welchem der Haushalte das Kind überwiegend versorgt und betreut werde.

Kontext der Entscheidung

Im vorliegenden Fall war die Frage, ob der Kläger oder seiner Tochter C. (vorrangig) kindergeldberechtigt ist, deshalb von entscheidender Bedeutung, weil der Kläger als Teil seiner Beamtenbesoldung einen sog. „Familienzuschlag“ erhielt, dessen Höhe von der Anzahl der Kinder abhängig ist, für die ein Beamter Anspruch auf Kindergeld hat. Hätte das Kindergeld für das Enkelkind also nicht ihm, sondern seiner Tochter zugestanden, hätte er einen niedrigeren Familienzuschlag erhalten (aktuell würde die Kürzung 367,58 Euro/Monat betragen). Dabei hat die Besoldungsstelle kein eigenes Prüfungsrecht, sie ist vielmehr an die Entscheidung der Familienkasse gebunden. Daher wird über die Höhe des Familienzuschlags „faktisch“ in dem Verfahren wegen Kindergeld gestritten.

Dies erklärt, weshalb der Kläger geklagt hat bzw. hat klagen müssen, obwohl er sich mit seiner Tochter (im Innenverhältnis) wohl einig war. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall allerdings von dem weit häufigeren Fall, dass sich die potenziell Berechtigten nämlich nicht einig sind, wem der Anspruch auf Kindergeld zusteht.

Nach den Vorschriften des Kindergeldrechts (§§ 62 ff. Einkommensteuergesetz – EStG) ist grundsätzlich jeder Elternteil für das leibliche Kind kindergeldberechtigt. Auch Großeltern sind kindergeldberechtigt, wenn sie ein Enkelkind in ihren Haushalt aufgenommen haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ansprüche wird allerdings nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt, und zwar demjenigen, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Eine Aufteilung des Kindergeldes auf mehrere Berechtigte ist nicht zulässig. Das hat folgende Konsequenzen:

  • Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt seiner Eltern, müssen sie sich einigen und bestimmen, wer von ihnen das Kindergeld erhalten soll. Können sie sich nicht einigen, bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 3 EStG). Entsprechendes gilt, wenn ein Kind in den gemeinsamen Haushalt seiner Großeltern aufgenommen ist. Dann müssen sich entweder die Großeltern einigen oder es entscheidet das Familiengericht.
  • Bei getrennt lebenden Eltern steht der Anspruch auf Kindergeld nur demjenigen Elternteil zu, der das Kind in seinen Haushalt aufnimmt und es überwiegend betreut und versorgt.
  • Gibt es einen gemeinsamen Haushalt von Eltern/Elternteil und Großeltern ist kaum oder nur mit unzumutbarem Aufwand feststellbar, wer für das in diesem gemeinsamen Haushalt lebende Kind bzw. Enkelkind den größeren Betreuungs- und Versorgungsbeitrag materieller und/oder immaterieller Art leistet. Der Gesetzgeber hat daher für diesen (speziellen) Fall die Regelung getroffen, dass der Kindergeldanspruch vorrangig den Eltern bzw. dem Elternteil (vor den Großeltern) zusteht. Auf diesen Kindergeldanspruch kann aber zu Gunsten eines Großelternteils verzichtet werden. Diese Situation lag im vorliegenden Fall bis Mai 2015 vor.
  • Liegt dagegen – wie hier ab Mai 2015 (Auszug der Kindesmutter) – kein gemeinsamer Haushalt von Eltern/Elternteil und Großeltern vor und hält sich das Kind sowohl im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils als auch im Haushalt der Großeltern auf, ist fraglich, wem das Kindergeld (vorrangig) zusteht, weil dieser Fall nicht (ausdrücklich) gesetzlich geregelt ist. Das Finanzgericht vertrat in seiner o. a. Entscheidung die Auffassung, dass es in Fällen dieser Art keinen vorrangigen Anspruch der Eltern gebe und daher festgestellt bzw. entschieden werden müsse, in wessen Haushalt sich das Kind überwiegend aufhalte und seinen Lebensmittelpunkt habe. Ein Verzicht der Eltern auf den Kindergeldanspruch reiche in diesen Fällen daher nicht aus.

Die Entscheidung, in wessen Haushalt sich das Kind überwiegend aufhält und seinen Lebensmittelpunkt hat, muss die dafür kraft Gesetzes zuständige Familienkasse (nicht das Familiengericht) treffen. Im Streitfall entscheidet daher das Finanzgericht.

Die Frist zur (beim BFH) einzulegenden Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision endet am 23. Oktober 2017.

 Quelle: FG Rheinland-Pfalz, Pressemitteilung vom 25.10.2017 zum Urteil 4 K 2296/15 vom 29.08.2017

 

Bundeskabinett beschließt E-Rechnungs-Verordnung

Zukünftig sollen private Unternehmen Rechnungen an Behörden und Einrichtungen der Bundesverwaltung weit überwiegend elektronisch stellen können. So sieht es die E-Rechnungs-Verordnung des Bundes vor, die am 06.09.2017 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Rechnungen sollen künftig nicht mehr ausgedruckt, kuvertiert und frankiert, sondern mit nur wenigen Klicks über ein webbasiertes Rechnungsportal des Bundes in dem einheitlichen Format XRechnung digital hochgeladen und an den Empfänger gesendet werden können.

„Wir haben in den letzten Jahren einiges auf dem Weg zur Digitalisierung der Verwaltung erreicht. So heißt die Devise bei der E-Rechnung‚ Papierkram einsparen, Ressourcen schonen, Abläufe effektiv gestalten. Aber da werden wir nicht Halt machen. Gemeinsam mit Ländern und Kommunen wollen wir in den nächsten fünf Jahren Staat und Verwaltung grundlegend transformieren und digitalisieren. Wir sind im Entstehungsprozess der größten E-Government-Initiative Europas – und wir werden diesen Prozess mit aller Kraft vorantreiben“, so Bundesinnenminister de Maizière.

Die Bundesregierung treibt mit diesem Schritt den Entwicklungsprozess der Digitalisierung in der Bundesverwaltung und im öffentlichen Auftragswesen des Bundes konsequent weiter voran.

Rechnungen sollen künftig nicht mehr ausgedruckt, kuvertiert und frankiert, sondern mit nur wenigen Klicks über ein webbasiertes Rechnungsportal des Bundes in dem einheitlichen Format XRechnung digital hochgeladen und an den Empfänger gesendet werden können. Dadurch fallen nicht nur Portokosten weg, auch der Arbeitsaufwand bei den Privaten wird erheblich reduziert werden können: eine jährlich Einsparung von insgesamt bis zu 11 Millionen Euro dank digitaler Rechnungsstellung.

Gleichzeitig werden die natürlichen Ressourcen geschont: digital statt Papier. Die Bundesregierung rechnet pro Rechnung mit einem um ca. 50 % verringerten CO2-Ausstoß. In der Summe werden damit jährlich etwa 5850 Tonnen CO2 eingespart werden können. Und auch im grenzüberschreitenden Warenverkehr dürfte sich der digitale Paradigmenwechsel bemerkbar machen: Elektronische Rechnungen aus dem europäischen Ausland können zukünftig problemlos und ohne Datenverlust schnell und einfach empfangen werden.

Die Verordnung tritt am 27. November 2018 für Bundesministerien und Verfassungsorgane in Kraft. Für alle übrigen Bundesstellen gelten die Regelungen ab dem 27. November 2019.

(Pressemitteilung des Bundesministeriums des Innern vom 06.09.2017)

Körperschaftsteuer: Steuerliche Folgen der Löschung einer britischen Limited aus dem britischen Handelsregister

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird das BMF-Schreiben vom 6. Januar 2014 (BStBl I S. 111) wie folgt geändert:

Tz. 06 wird wie folgt gefasst:

„Zur Vertretung der im Inland entstandenen Restgesellschaft im Rechtsverkehr sind die Organe der im Ausland untergegangenen Gesellschaft nicht mehr befugt, weil mit dem Erlöschen der Gesellschaft die Funktion der Organe und infolgedessen auch deren Vertretungsmacht endete (BGH, Beschluss vom 22. November 2016 – II ZB 19/15 -). Das Finanzamt kann jedoch gegenüber der im Ausland gelöschten Limited, deren Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister angemeldet und eingetragen ist, wirksam Steuerbescheide erlassen und diese auch an eine weiterhin im Handelsregister eingetragene Person, die aufgrund der Eintragung als für Willenserklärungen und Zustellungen an die Limited empfangsberechtigt gilt, bekannt geben, es sei denn, dem Finanzamt ist bekannt, dass die Empfangsberechtigung bereits erloschen ist (§ 15 i. V. mit § 13e Absatz 2 Sätze 4 und 5 HGB). Liegt diese Voraussetzung nicht vor, ist in geeigneten Fällen für die Bekanntgabe von Steuerbescheiden entsprechend § 273 Absatz 4 Satz 1 AktG ein Nachtragsliquidator zu bestellen.“

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 2 – S-2701 / 10 / 10002 vom 19.10.2017

 

Studie „Reformoptionen für die Grunderwerbsteuer“ – Grunderwerbsteuer: Teuer und sperrig

In vielen Bundesländern steigt die Grunderwerbsteuer immer weiter. Das belastet private Hauskäufer, denn Vermögensaufbau und Neubauten werden verteuert. Ein Blick zu den europäischen Nachbarn offenbart mögliche Reformen, zeigt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Im vergangenen Jahr spülte die Grunderwerbsteuer rund 13 Milliarden Euro in die Länderkassen, ein Plus von 270 Prozent gegenüber 2009. Allein NRW nahm rund 3 Milliarden Euro ein, Käufer zahlen hier – wie in Brandenburg und Thüringen auch – den Spitzenwert von 6,5 Prozent. In Bayern und Sachsen liegt der Satz bei 3,5 Prozent.

Die steigende Steuerlast schreckt viele Käufer ab, auch Neubauten werden verhindert. „Gerade Haushalte mit kleinen Einkommen kommen daher immer schwerer an Immobilien“, sagt IW-Wissenschaftler Michael Voigtländer. „Ziel muss es sein, Käufer zu entlasten und so die Vermögensbildung und den Neubau anzufachen“, sagt Voigtländer. Damit den Ländern dennoch ihre wichtigen Einnahmen nicht wegbrechen, sollte die Grunderwerbsteuer gezielt reformiert werden. Als Vorbild können die europäischen Nachbarn dienen, zeigt die IW-Studie:

Für private Neubauten könnte die Steuer entweder ganz entfallen – wie in den Niederlanden – oder pauschal auf zum Beispiel 1 Prozent sinken. Bislang werden Bauherren steuerlich doppelt belastet, da für die Bauarbeiten zudem Mehrwertsteuern anfallen – die Steuerlast kann so auf mehr als 20 Prozent steigen. Um private Haushalte auch beim Wohneigentumskauf zu entlasten, könnte die Politik zudem ein Stufenmodel nach britischem Vorbild einführen. In Großbritannien steigt mit zunehmendem Preis der Immobilien auch die Steuer, bis 125.000 Euro ist allerdings keine Grunderwerbsteuer fällig. „Menschen mit weniger Geld könnten so leichter Wohneigentum kaufen“, erklärt Voigtländer.

Auch für den Kauf mehrerer Wohnungen sehen die IW-Ökonomen Reformbedarf. Hier sollte sich der Steuersatz nach dem Durchschnittspreis der Wohnungen richten – statt nach dem Gesamtwert des Portfolios. Dies würde Anreize setzen, Wohnungen direkt zu verkaufen, anstatt diese über Unternehmensbeteiligungen – die sog. Share Deals – anzubieten.

Quelle: IW Köln, Pressemitteilung vom 19.10.2017

 

Digitalisierung: Künstliche Intelligenz im Steuerbereich

Künstliche Intelligenz (KI) wird die Arbeit in den Steuerabteilungen großer Konzerne revolutionieren. Zu diesem Schluss kamen am 13.10.2017 das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und die internationale Steuerberatungsgesellschaft WTS bei der Vorstellung einer gemeinsamen Studie im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin.

Schon die Begrüßung war auf den Anlass abgestimmt: Nachdem die Star Wars-Melodie erklungen war und der Roboter Pepper die rund 200 Teilnehmer mit blecherner Stimme willkommen geheißen hatte, richtete der Präsident des Bundesverbandes der Industrie (BDI) Prof. Dieter Kempf das Wort an die erschienenen Gäste, darunter der Präsident des Bundesfinanzhofs Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff und Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön vom Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, zugleich Vizepräsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Im Mittelpunkt der Ansprache Kempfs standen die mit der Digitalisierung verbundenen Chancen. So könne die Digitalisierung zu erheblichen Effizienzsteigerungen bei der Erfassung, der Dokumentation und der Bewertung steuerlicher Massendaten führen, darüber hinaus die Vertretung rechtlicher Interessen unterstützen. Zu überwindende Hindernisse lägen bei der notwendigen Mitarbeiterqualifikation, bei der Finanzierung der IT-Struktur sowie auch im Bereich der IT-Sicherheit.

In einem einführenden Vortrag schilderte sodann Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. mult. Wolfgang Wahlster, Lehrstuhlinhaber für Informatik an der Universität des Saarlandes und Vorsitzender der Geschäftsführung des DFKI, Grundlagen der KI und Einsatzmöglichkeiten der KI im Steuerbereich. Bei der Digitalisierung sei es lange Zeit darum gegangen, Daten maschinenlesbar zu machen, während man beim Thema KI daran arbeite, Daten maschinenverstehbar werden zu lassen. Schon heute gebe es Bots, d.h. Computerprogramme, die weitgehend automatisch sich wiederholende Aufgaben abarbeiten, ohne dabei auf eine Interaktion mit dem menschlichen Benutzer angewiesen zu sein. Der Weg führe aber darüber hinaus zu immer komplexeren Hilfen, zu maschinellen Tax Assistants und Tax Clerks. Letztlich führe der Weg von der Suchmaschine zur Antwortmaschine.

Fritz Esterer, CEO der WTS, sprach sodann über die Zielsetzung und die Inhalte der mit dem DFKI durchgeführten Innovationsstudie und demonstrierte dabei auch die Funktionsweise eines steuerlichen Chatbots, eines textbasierten Dialogsystems, bei dem sich der Fragesteller z. B. nach der aktuellen Steuerquote in Deutschland erkundigt und der Chatbot ihm die Antwort „mündlich“ mitteilt. Ebenso kann nach der Steuerquote vergangener Jahre oder nach der Steuerquote in anderen Ländern gefragt werden, und der Chatbot wird hierauf Antworten geben.

In seinem Vortrag ging Esterer auf die Frage ein, warum sich seine Gesellschaft mit KI beschäftigt habe. Er verwies darauf, dass im Industriebereich, insbesondere bei internationalen Konzernen, riesige Datenmengen zu bewältigen seien. Außerdem müssten sich die Steuerabteilungen mit ständig steigenden Compliance-Anforderungen der Finanzverwaltungen auseinandersetzen und ihre steuerlichen IKS entsprechend aufrüsten. Des Weiteren sei im industriellen Bereich festzustellen, dass die Unternehmen dem Thema KI eine hohe Priorität einräumen; diesen Trend dürfe man nicht verpassen. Schließlich seien die KI-Basistechnologien inzwischen so ausgereift, dass ein Arbeiten mit ihnen auch im Steuerbereich praktisch realisierbar sei. Tests hätten ergeben, dass sich mithilfe von KI-Technologien sogar Gerichtsurteile vorhersehen ließen.

Esterer schilderte sodann das Forschungskonzept der Studie, mit der konkrete Einsatzmöglichkeiten von KI-Technologien im Steuerbereich erforscht worden seien. In enger Zusammenarbeit mit den Industriepartnern Audi, Bosch, E.ON und Henkel sei untersucht worden, welche KI-Schlüsseltechnologien Standardaufgaben und auch anspruchsvollere Tätigkeiten im Steuerbereich unterstützen und automatisieren können. Hierbei seien verschiedene Steuerarten betrachtet, konkrete Anwendungsszenarien für KI-Technologien ausgemacht und erste Softwareprototypen entwickelt worden. Die Ergebnisse hätten gezeigt, dass sich Lohn- und Umsatzsteuer, Zölle und auch Verrechnungspreise sehr gut für den Einsatz von KI-Technologien eignen, wenn komplexe Routineaufgaben ausgeführt und große Informationsmengen ausgewertet werden müssen. Beispiele für solche KI-Einsatzbereiche seien die korrekte steuerliche Beurteilung von Sachzuwendungen oder die umsatzsteuerliche Rechnungsprüfung.

KI-Technologien hätten ein erhebliches Hilfspotenzial für die Steuerabteilungen. Routinetätigkeiten könnten weitgehend automatisiert werden, was zu Kosteneinsparungen und Qualitätsverbesserungen führe. Anwendungsszenarien seien das Erkennen von Zusammenhängen und Ausnahmen (Prozessdiagnose und Anomalie-Erkennung), Dokumentenanalyse, Informationsextraktion sowie die Klassifikation unstrukturierter transaktionaler Daten. Weniger geeignet sei der Einsatz von KI in Bereichen, in denen eine hohe soziale Kompetenz, eine hohe Kreativität oder eine hohe Umgebungsinteraktion erforderlich seien. In der steuerlichen Gestaltungs- und Durchsetzungsberatung sei es aktuell nicht vorstellbar, dass die Steuerberatung vollständig durch intelligente Steuerlösungen ersetzt werde. Mittelfristig führe der Einsatz von KI-Technologien aber dazu, dass Steuerberater höherwertige Beratungsleistungen werden erbringen müssen.

In einer anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert vom Leiter der Innovationsstudie Prof. Dr. Peter Fettke, Wirtschaftsinformatiker an der Universität des Saarlands, setzten sich sodann Dr. Hans Maier, Senior Vice President Tax der Robert Bosch GmbH, Axel Dewitz, Leiter Steuern, Zölle, M&A der Audi AG, Heinrich Montag, Bereichsleiter Steuern der E.ON und Prof. Dr. Robert Risse, Global Head of Tax & Trade der Henkel AG & Co. KGaA, mit den Einsatzmöglichkeiten der KI im Steuerbereich auseinander. Maier betonte, dass es ihm vor allem um die Bewältigung von Massendaten und um ein entsprechendes Risikomanagement, z. B. im Bereich der Umsatzsteuer oder der Lohnsteuer, gehe. Dewitz verwies darauf, dass es wichtig sei, zunächst die Prozesse zu strukturieren und zu dokumentieren, weil ein unmittelbarer Einsatz der modernen Technologien sonst zu „automatisiertem Unsinn“ führe. Montag sah die Unterscheidung zwischen tendenziell automatisierbarem Accounting und tendenziell nicht automatisierbarem Tax Advice als wichtig an. Er glaube nicht daran, dass die zukünftige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mit KI-Technologien sicher vorhergesehen werden könne. Risse wies darauf hin, dass die Steuerabteilungen internationaler Konzerne Teile der Wertschöpfungsketten seien. Sie müssten sich deshalb in die Geschäftsmodell-Optimierung einbringen, was z. B. auch den unter steuerlichen Aspekten kostengünstigen Einkauf von Rohmaterialien, die kostengünstige Produktion, die kostengünstige Logistik und den Abgabenbereich allgemein betreffe. Hierbei könne die KI gute Dienste leisten. Maier betonte, dass er es für erforderlich halte, Steuerabteilungen heute, außer mit Steuerrechtlern, auch mit IT-Experten zu besetzen. Deutschland könne hier viel vom Ausland lernen. Informationstechnologien müssten verstärkt auch in die steuerlichen Curricula integriert werden. Prof. Dr. Fettke stellte zusammenfassend fest, dass KI-Basistechniken in vielen Einsatzgebieten bereits heute einen hohen technischen Reifegrad erreicht haben und so zu einem Innovationsvorsprung auch im Steuerbereich führen können, vorausgesetzt man setze sich gezielt mit den neuen Technologien auseinander.

Am Nachmittag wurden dann noch verschiedene Prototypen von Softwarelösungen vorgestellt, die die Arbeit der Steuerabteilungen und entsprechend ausgerichteter Beratungsgesellschaften heute bereits unterstützen, darunter die Erkennung von Anomalien in Massendaten, die inhaltliche Analyse von Steuerproblemen, die dialogbasierte Beantwortung steuerlicher Fragen, die Identifikation steuerlicher Argumentationsmuster und ein neuronales Übersetzungssystem für Steuerfachtexte.

Für den DStV nahm dessen Hauptgeschäftsführer RA/FAStR Prof. Dr. Axel Pestke an der interessanten Veranstaltung teil.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 16.10.2017

 

Abgabenordnung Rund um die Kasse: DStV bei Herbst-Fachtagung des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg

In der Universität Potsdam fand am 22.09.2017 die Herbst-Fachtagung des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg zum Thema „Rund um die Kasse“ statt. Angesichts der vielen Fragen zur Kassenführung war die Veranstaltung mit 210 Teilnehmern ausgebucht und der „Historische Hörsaal“ proppenvoll. Die Teilnehmer bekamen einen umfassenden Überblick über die Sichtweisen der Finanzverwaltung, der Beratung und der Finanzgerichtsbarkeit.

Mit Blick auf die seinerzeit kurz bevorstehende Bundestagswahl betonte der Präsident des Steuerberaterverbands Berlin-Brandenburg e.V. StB Carsten Butenschön in seiner Eröffnungsrede das Privileg freier Wahlen. Zudem erinnerte er eindringlich an die steuerpolitischen Forderungen des Deutschen Steuerberaterverbands e.V. (DStV) für die neue Legislaturperiode. Die erfreuliche Resonanz zur Fachtagung lag aus Sicht von Butenschön daran, dass das Thema „Kasse“ zwar nicht sexy, aber hochaktuell sei.

Für das Finanzministerium Brandenburg sprach Staatssekretärin Daniela Trochowski ein Grußwort. Sie betonte das grundsätzlich gute Miteinander von Finanzverwaltung und Steuerberatern. Auf das Thema der Tagung eingehend stellte sie das Ziel des neuen „Kassengesetzes“ heraus. Es solle helfen, den Kassenbetrug einzudämmen, damit der Ehrliche am Ende nicht der Dumme sei. In diesem Sinne müsse der Anwendungsbereich des Gesetzes in der neuen Legislaturperiode zeitnah beispielsweise auf Taxameter oder Wegstreckenzähler ausgeweitet werden. Zusätzlich warb Trochowski im Interesse der Steuergerechtigkeit für die Einführung einer Anzeigepflicht für Steuergestaltungen.

In seinem Vortag stellte Edo Diekmann, Regierungsrat im Betriebsprüfungsreferat der OFD Niedersachsen, die Entwicklung der Kassenvorgaben von der sog. Kassenrichtlinie 2010 bis zum „Kassengesetz“ vom 22.12.2016 vor. Er brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sobald flächendeckend „sichere“ Kassensysteme im Einsatz sind, sich die Betriebsprüfung anderen Schwerpunkten zuwenden könne. Diekmann räumte auch Versäumnisse der Finanzverwaltung ein. Sein Satz „wenn man 20 Jahre eher lasch geprüft hat, kann man nicht von 0 auf 150 gehen“ brachte ihm den Applaus der anwesenden Steuerberater ein. Mit Sorge äußerte er, dass die Entwicklung der technischen Anforderungen nach der neuen Kassensicherungsverordnung eine Mammutaufgabe darstelle und deren Realisierung bis zum 01.01.2020 womöglich nicht leistbar sei.

Mit der Sicht der (Abwehr-)Beratung ging es durch den Vortrag von RA/FAfStR Dr. Martin Wulf, Streck Mack Schwedhelm Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, weiter. Wulf empfahl unter anderem, das Bollwerk der formell ordnungsgemäßen Buchführung i. S. v. § 158 AO zu halten. Denn ginge der Streit um die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung verloren, könne der Mandant vor Steuernachforderungen kaum mehr geschützt werden. Mit kenntnisreichem Blick auf die Rechtsprechung und genauer Analyse des neuen Kassengesetzes zeigte Wulf gute Argumentationsmöglichkeiten in Kassenprüfungen auf. Dabei wies er unter anderem auf einen seit 01.01.2017 neuralgischen Punkt hin: die Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht aus Zumutbarkeitsgründen, welche nach dem Gesetzeswortlaut nur für den Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung gilt – nicht hingegen für Dienstleistungen. Wulf betonte, dass Dienstleistungen auf Basis des BFH-Urteils vom 12.05.1966 und nach einer verfassungskonformen Auslegung der Norm gleichfalls von der Ausnahme umfasst sein müssen.

Katja Lebelt, Richterin am Finanzgericht Berlin-Brandenburg, vervollständigte mit ihrem Vortrag die Sichtweisen zum Thema um die Perspektive der Gerichtsbarkeit. Sie zeigte nicht nur anhand zahlreicher Urteile auf, was zur Kassenführung zu beachten ist bzw. welche Mängel typischerweise vor Gericht landen. Lebelt ermunterte die Kollegen auch, häufiger den Rechtsweg zu beschreiten. Sie verwies unter anderem darauf, dass selbst für ein Finanzgericht die Datenmengen, mit denen Betriebsprüfer zunehmend argumentieren, kaum noch handhabbar sind. Lebelt erinnerte insofern daran, dass Mandanten einen Anspruch auf eine nachvollziehbare Schätzungsberechnung haben (BFH vom 25.03.2015, X R 20/13), da sie nur so sachgerecht reagieren können. Zudem knüpfte sie an den Vortrag von Wulf in puncto Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht an. Dienstleister von der Ausnahme auszuschließen, sei nicht überzeugend. Die Zumutbarkeitsgrenze könne nicht vom Produkt abhängen. Es dürfe nicht aus dem Blick geraten, dass Steuerrecht Eingriffsverwaltung ist. Daher müsse auch bei Dienstleistern aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, ob die Pflicht zur Aufzeichnung von beispielsweise dem Namen des Kunden unzumutbar ist.

Der DStV sah sich durch Wulf und Lebelt in seiner Auffassung, dass die Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht aus Zumutbarkeitsgründen auch für Dienstleistungen gelten müsse, bestätigt. Er wird die Forderung nach einer gesetzlichen Lösung, wie er sie in der Stellungnahme S 05/17 zum Referentenentwurf der Kassensicherungsverordnung an das BMF adressierte, weiterhin nachdrücklich vorbringen.

An der gelungenen Veranstaltung nahm für den DStV die Leiterin der Steuerabteilung RAin/StBin Sylvia Mein teil.

Quelle: DStV, Mitteilung vom 19.10.2017

 

StVO: Straßenverkehrs-Ordnung: Neue Bußgelder sind in Kraft

1. Höhere Bußgelder bei Blockade der Rettungsgasse und Nichtbeachten von blauem Blinklicht und Einsatzhorn

  • Die Bußgelder sind von bisher 20 Euro auf mindestens 200 Euro Regelgeldbuße angehoben worden. Zusätzlich drohen zwei Punkte in Flensburg.
  • Für die Blockierung der Rettungsgasse mit Behinderung, Gefährdung oder Sachbeschädigung wurden neue Tatbestände geschaffen, zusätzlich können Fahrverbote und Geldbußen bis zu 320 Euro verhängt werden.

Neue Regelung:

  • Keine Rettungsgasse gebildet: Regelsatz 200 Euro plus 2 Punkte im Fahreignungsregister.
  • Nicht freie Bahn geschaffen bei Blaulicht und Martinshorn: Regelsatz 240 Euro plus 1 Monat Fahrverbot und 2 Punkte im Fahreignungsregister.

Bisherige Regelung:

  • Keine Rettungsgasse gebildet: Regelsatz 20 Euro.
  • Nicht freie Bahn geschaffen trotz Blaulicht und Martinshorn: Regelsatz 20 Euro.

Neue Tatbestände:

  • Keine Rettungsgasse gebildet – mit Behinderung (z. B. eines Rettungsfahrzeugs): 240 Euro plus 2 Punkte im Fahreignungsregister plus 1 Monat Fahrverbot.
  • Keine Rettungsgasse gebildet – mit Gefährdung (z. B. eines Feuerwehrmanns oder Verletzten): 280 Euro plus 2 Punkte im Fahreignungsregister plus 1 Monat Fahrverbot.
  • Keine Rettungsgasse gebildet – mit Sachbeschädigung (z. B. Sachbeschädigung beim Ausscheren, um einem Einsatzfahrzeug durch die Rettungsgasse zu folgen): 320 Euro plus 2 Punkte im Fahreignungsregister plus 1 Monat Fahrverbot.
  • Blaulicht und Martinshorn nicht beachtet und keine freie Bahn geschaffen mit Gefährdung: 280 Euro und 1 Monat Fahrverbot plus 2 Punkte im Fahreignungsregister.
  • Blaulicht und Martinshorn nicht beachtet und keine freie Bahn geschaffen mit Sachbeschädigung: 320 Euro und 1 Monat Fahrverbot plus 2 Punkte im Fahreignungsregister.

Davon unberührt bleiben mögliche strafrechtliche Konsequenzen bis hin zur Freiheitsstrafe z. B. für das absichtliche Blockieren einer Rettungsgasse oder das absichtliche nicht beiseite Fahren bei Blaulicht und Martinshorn oder das Behindern von Personen, die bei Unglücksfällen Hilfe leisten wollen (§ 323c StGB). Hiermit soll unter anderem auch das Blockieren einer Notfallgasse im Unglücksfall erfasst sein.

2. Höhere Strafen für Smartphone- und Tablet-Nutzung im Auto

  • Die Geldbuße für unerlaubte Nutzung von Handys während der Fahrt wurde von 60 auf 100 Euro erhöht. Bei schweren Verstößen drohen künftig auch Fahrverbote und Geldbußen von 150 bzw. 200 Euro.
  • Das Handyverbot wurde verschärft, sodass Tablets, E-Book-Reader etc. und Tätigkeiten wie Mails- und SMS-Tippen, Surfen im Internet im sog. hand-held-Betrieb eindeutig darunter fallen. Videobrillen werden explizit verboten.‎
  • Die Nutzung der Sprachsteuerung, Vorlesefunktionen und sog. Head-Up-Displays für Fahrzeug- oder Verkehrszeichen-Informationen wurden dagegen ausdrücklich erlaubt.

Sachinformation

Bislang hat die Straßenverkehrs-Ordnung § 23 Abs. 1a (StVO) ausdrücklich nur Mobiltelefone und Autotelefone benannt, die während der Fahrt nicht aufgenommen oder gehalten werden dürfen, um sie zu benutzen. Tablets oder Notebooks waren nicht ausdrücklich genannt. Dies führte zu Rechtsunsicherheiten. Kurznachrichten schreiben via Smartphone war nicht ausdrücklich genannt.

Der § 23 StVO wurde nun an die technische Entwicklung der Unterhaltungselektronik und Informationstechnologie angepasst. Die Neuregelung ist technikoffen formuliert, sodass künftige Entwicklungen auf dem Markt ebenfalls erfasst werden. Ziel ist, gefährliche Blickabwendungen vom Verkehrsgeschehen und Unfälle zu vermeiden.

Wo neueste Technik die Nutzung verkehrssicher zulässt oder sogar die Verkehrssicherheit erhöht, wird sie zugelassen: Die Nutzung von Sprachsteuerung und Vorlesefunktion wird ausdrücklich erlaubt. Ebenso Head-Up-Displays, wenn sie fahrzeug-, verkehrszeichen- oder fahrtbezogene oder fahrtbegleitende Informationen auf die Windschutzscheibe projizieren.

Um die abschreckende Wirkung zu stärken, wurden die Bußgelder erhöht.

Ab sofort gilt:

Regelgeldbuße (Aufnehmen eines elektronischen Gerätes während der Fahrt)

  • beim Führen eines Kfz 100 Euro und ein Punkt im Fahreignungsregister (mit Gefährdung 150 Euro und ein Monat Fahrverbot sowie 2 Punkte, mit Sachbeschädigung 200 Euro und ein Monat Fahrverbot sowie 2 Punkte);
  • beim Radfahren 55 Euro.

Bislang galt:

Regelgeldbuße (Mobil- oder Autotelefon verbotswidrig benutzt)

  • beim Führen eines Kfz 60 Euro und zusätzlich ein Punkt im Fahreignungsregister;
  • beim Radfahren 25 Euro;
  • kein Regelfahrverbot.

3. Verhüllungsverbot

  • Das Tragen von Masken, Schleiern und Hauben, die das ganze Gesicht oder wesentliche Teile des Gesichts verdecken, ist ab sofort verboten.
  • Ein Verstoß gegen die Vorschrift wird vorsätzlich begangen und mit 60 Euro bestraft.

Ziel der Neuregelung in der StVO ist die Gewährleistung einer effektiven – heute vermehrt automatisierten – Verkehrsüberwachung durch Feststellbarkeit der Identität des Kraftfahrzeugführers. Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass nur der Fahrer zur Verantwortung gezogen werden kann. Dies setzt voraus, dass er auch identifiziert werden kann, was erschwert wird, wenn ausschlaggebende Gesichtszüge nicht mehr erkennbar sind.

Ein Verstoß gegen die Vorschrift wird vorsätzlich begangen. Die angemessene Sanktion für die Zuwiderhandlung liegt daher bei 60 Euro.

Verboten ist das Tragen von Masken, Schleiern und Hauben, die das ganze Gesicht oder wesentliche Teile des Gesichts verdecken. Nicht verboten sind reine Kopfbedeckungen, die das Gesicht freilassen (z. B. Hut, Kappe, Kopftuch), Gesichtsbemalung, -behaarung oder Gesichtsschmuck (z. B. Tätowierung, Piercing, Karnevals- oder Faschingsschminke), die Sicht erhaltende oder unterstützende Brillen (z. B. Sonnenbrille), die nur geringfügige Teile des Gesichts umfassen. Ebenfalls nicht verboten ist das Tragen von Schutzhelmen für Kraftradfahrer. Ihr Schutzbedürfnis ist vorrangig.

Quelle: BMVI, Pressemitteilung vom 18.10.2017

Abgabenordnung: Schluss mit hohen Steuerzinsen! – Musterverfahren beim BFH

Das BdSt-Musterverfahren gegen die hohen Steuerzinsen geht in die zweite Runde: Mit Unterstützung des Verbandes wurde gegen ein Urteil des Finanzgerichts Münster (Az. 10 K 2472/16) Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Dort muss nun geklärt werden, ob der Zinssatz von 6 Prozent pro Jahr für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen noch zeitgemäß ist. Das Verfahren wird unter dem Az. III R 25/17 geführt. Der Vorteil des Musterverfahrens für ebenfalls betroffene Steuerzahler: Sie brauchen nicht selbst klagen.

Ausgangspunkt ist der Fall eines Ehepaares aus Nordrhein-Westfalen. Das Finanzamt benötigte bei diesem für die Bearbeitung der Steuererklärung 2011 mehr als zehn Monate und setzte dann neben den Steuern auch Zinsen in Höhe von sechs Prozent pro Jahr fest. Noch mehr Zinsen fielen für das Jahr 2010 an. Hier setzte das Amt die endgültige Steuer erst im Januar 2016 fest. In beiden Fällen hatten die Kläger die lange Bearbeitungszeit nicht verschuldet. Mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler (BdSt) reichte das Ehepaar Klage beim Finanzgericht Münster ein. Das Finanzgericht wies die Klage im Sommer 2017 ab, ließ aber ausdrücklich die Revision zum Bundesfinanzhof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu.

Wer profitiert von dem Musterverfahren?

Von dem Verfahren profitieren nicht nur die Kläger selbst, sondern auch Steuerzahler, die die hohen Steuerzinsen nicht akzeptieren wollen. Auch sie können gegen ihren Steuerbescheid Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens beantragen. Zur Begründung sollte auf das Musterverfahren beim Bundesfinanzhof (Az. III R 25/17) verwiesen werden. Bei einem Erfolg der Klageverfahren erhalten die Einspruchsteller ggf. später die zu viel gezahlten Zinsen zurück.

Zum Hintergrund

Gemäß § 233 ff. Abgabenordnung werden Steuernachforderungen und Steuererstattungen verzinst. Dabei gilt ein Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat, also 6 Prozent pro Jahr. Die Verzinsung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahres, beispielsweise für das Steuerjahr 2015 am 1. April 2017. Der hohe Zinssatz besteht bereits seit mehr als 50 Jahren. Da die Zinsen in den vergangenen Jahren stark gesunken sind, setzt sich der Bund der Steuerzahler für eine Anpassung des Zinssatzes auf 0,25 Prozent pro Monat bzw. 3 Prozent pro Jahr ein.

Steuerzahler können sich auf BdSt-Musterverfahren berufen – Aktenzeichen bekanntgegeben

Quelle: Bund der Steuerzahler, Pressemitteilung vom 17.10.2017

Betriebsprüfungsordnung: DStV fordert die Erhöhung der Größenklassengrenzen in der Betriebsprüfungsordnung

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) überprüft in der Regel alle 3 Jahre die Einordnung der Größenklassengrenzen in der Betriebsprüfungsordnung (BpO). So hatte die Praxis jüngst wieder die Gelegenheit, ihre Vorstellungen zur Festlegung der neuen Größenmerkmale, die ab dem 01.01.2019 gelten sollen, zu äußern. Der Deutsche Steuerberaterverband e.V. (DStV) spricht sich in seiner Stellungnahme S 09/17 dafür aus, dass die Größenklassengrenzen insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe überdurchschnittlich gegenüber den vorigen Prüfungszyklen erhöht werden.

Seit dem am 01.01.2004 beginnenden 18. Prüfungsturnus hat es vier Anpassungen bei den Größenklassen gegeben. Die Anhebungen im Bereich der Umsatzerlöse lagen für die Groß-, Mittel- und Kleinbetriebe bei den Freien Berufen dabei jeweils zwischen 5 und ca. 10 %, im Bereich des steuerlichen Gewinns zwischen 2 und 8 %. Ein ähnlicher Anstieg war bei den Handels- und Fertigungsbetrieben für die verschiedenen Größenmerkmale zu verzeichnen.

Die konstante gleichmäßige Erhöhung der Größenklassengrenzen erscheint aber gerade vor dem Hintergrund der vom BMF veröffentlichten Daten volkswirtschaftlich nicht optimal zu sein. Gemäß dem Monatsbericht des BMF vom 21.10.2016 über die Betriebsprüfungen 2015 wurde im Rahmen von Betriebsprüfungen ein Mehrergebnis von 16,8 Mrd. Euro erzielt (BMF-Monatsbericht Oktober 2016: Abschnitt „Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung 2015“, S. 8, Tz. 4). Hiervon entfielen 12,8 Mrd. Euro auf die Prüfung von Großbetrieben und lediglich 1 Mrd. Euro auf die Prüfung von Kleinstbetrieben. Dieses Ergebnis lag in etwa auf dem Niveau der Vorjahre (vgl. u. a. BMF-Monatsbericht September 2014: Abschnitt „Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfungen 2013“, S. 35, Tz. 4; BMF-Monatsbericht Oktober 2015: Abschnitt „Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfungen 2014“, S. 8/9, Tz. 4). Die Prüfungszeiträume beliefen sich über alle Größenklassen hinweg auf knapp drei Wirtschaftsjahre. Signifikante Unterschiede gibt es jedoch bei der Prüfungsdichte, die exponentiell pro Größenklasse zunimmt. So wurden lediglich knapp 1 % der Kleinst- und 3,2 % der Kleinbetriebe in 2015 geprüft. Der Prüfungsanteil lag bei den Mittelbetrieben schon bei 6,4 %, während 21,4 % der Großbetriebe geprüft wurden.

Auf Grundlage der vorgenannten statistisch gewonnenen Daten plädiert der DStV dafür, dass der Prüfungsfokus zugunsten der oberen Größenklassen verschoben wird. Die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, die § 2 BpO fordert, wird gerade durch die Daten aus der E-Bilanz gewährleistet, die eine risikooptimierte Prüfung zulassen. Konkret fordert der DStV, dass die Größenklassengrenzen für kleine und mittlere Betriebe um knapp 50 % angehoben werden, sodass sich folgende Werte ergeben würden: siehe Tabelle

Aus Sicht des DStV sollten die durch die Erhöhung der Größengrenzen eingesparten Prüfungskapazitäten der Finanzverwaltung gezielt für die zeitnahe Betriebsprüfung nach § 4a BpO genutzt werden. So könnten auch diesbezügliche Anträge des Steuerpflichtigen häufiger positiv beschieden werden (§ 2 Abs. 3 BpO i. V. m. § 4a BpO). Das Resultat wäre, zumindest in diesen Fällen, die vom DStV angestrebte größere Rechtssicherheit und Reduzierung der Zinslast für die Praxis.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V.

Vermieter muss in gewissem Umfang Bescheinigung über haushaltsnahe Dienstleistungen erteilen

Die Zivilkammer 18 des Landgerichts hat mit einem am 18.10.2017 verkündeten Urteil in zweiter Instanz entschieden, dass ein Mieter von seinem Vermieter beanspruchen kann, in einer Betriebskostenabrechnung bestimmte Kosten so aufzuschlüsseln, dass der Mieter zum Zwecke der Steuerersparnis gegenüber dem Finanzamt haushaltsnahe Dienstleistungen in Abzug bringen kann. In dem entschiedenen Fall muss der Vermieter die Betriebskostenabrechnung so erstellen, dass bestimmte Nebenkosten sowie Kosten für Frisch- und Schmutzwasser nach einzelnen Beträgen und zugrunde liegenden Leistungen aufgeschlüsselt werden.

Die Parteien des Rechtsstreits hatten im Jahr 2014 einen Mietvertrag über eine Wohnung in Berlin-Charlottenburg geschlossen. Wie häufig war der Mieter auch hier verpflichtet, auf die Kosten für Heiz- und Betriebskosten Vorauszahlungen zu leisten, über die dann periodengerecht abzurechnen war. In der Klausel § 3 Nr. 4 des Mietvertrages war vereinbart, dass der Vermieter nicht verpflichtet sei, dem Mieter eine Bescheinigung über haushaltsnahe Dienstleistungen auszustellen.

Mit seiner Klage nahm der Mieter den Vermieter dennoch darauf in Anspruch, ihm für das Jahr 2014 eine solche Bescheinigung auszustellen, hilfsweise zumindest verschiedene Positionen, die Frisch- und Schmutzwasser und sonstige Nebenkosten betrafen, nach einzelnen Leistungen und Beträgen aufzuschlüsseln.

Das Landgericht Berlin gab dem Mieter hinsichtlich des eingeschränkten Hilfsklageantrages Recht, nachdem das Amtsgericht Charlottenburg in erster Instanz noch die Klage insgesamt abgewiesen hatte. Der Mieter habe das Recht, zumindest eine Betriebskostenabrechnung von dem Vermieter zu verlangen, anhand derer sich die Beträge ermitteln ließen, die für haushaltsnahe Dienstleistungen erbracht worden seien.

Der Vermieter müsse zwar weder eine “Steuerbescheinigung nach § 35a EStG” erteilen noch gewissermaßen steuerberatend tätig werden und einzelne Betriebskostenarten ausdrücklich als Aufwendungen „für haushaltsnahe Dienstleistungen” einordnen und bezeichnen. Der Mieter müsse jedoch die Möglichkeit erhalten, selbst anhand der Betriebskostenabrechnung zu ermitteln, welche Dienstleistungen erbracht und welche Beträge dafür aufgewendet worden sind. Dafür sei erforderlich, dass Pauschalrechnungen aufgeschlüsselt und der Anteil der Dienstleistungen ausgewiesen würden.

Dem Mieter sei nicht zuzumuten, selbst anhand der Geschäftsunterlagen bei der Hausverwaltung die Einzelrechnungen zusammenzustellen und zuzuordnen. Dies obliege vielmehr dem Vermieter. Für ihn falle kaum messbarer zusätzlicher Aufwand an, wenn er die Betriebskostenabrechnung erstelle bzw. erstellen lasse und in diesem Rahmen die zuvor beschriebenen Erläuterungen in die Abrechnung mit aufgenommen würden.

Dieser Verpflichtung könne sich der Vermieter nicht durch die Klausel in § 3 Nr. 4 des Mietvertrages entziehen. Eine solche Klausel benachteilige den Mieter unangemessen und sei zudem als überraschend Regelung unwirksam.

Die Entscheidungsgründe des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen 18 S 339/16 liegen vor und sind nachstehend verfügbar.

Quelle: Landgericht Berlin, Pressemitteilung vom 18.10.2017 zum Urteil 18 S 339/16 vom 18.10.2017

 

Steuern & Recht vom Steuerberater M. Schröder Berlin