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Steuerberater

Grauer Kapitalmarkt: Anlegerinnen und Anleger erhalten mehr Rechte

Am 1. Juni 2012 trat das so genannte „Graumarktgesetz“ (Vermögensanlagengesetz) in Kraft, das Rechte von Verbrauchern gegenüber Anbietern und Vertriebstellen so genannter „Graumarktprodukte“ erheblich stärkt. Bei Graumarktprodukten handelt es sich um bislang kaum beaufsichtigte Vermögensanlagen wie Beteiligungen in geschlossenen Immobilienfonds oder Schiffsfonds, oftmals in Rechtsform einer Kommanditgesellschaft.

Anleger können von den Anbietern nunmehr einen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf Vollständigkeit, Kohärenz und Widerspruchsfreiheit geprüften Verkaufsprospekt verlangen. Der Prospekt muss alle Angaben enthalten, die für eine Beurteilung des Emittenten und der Vermögensanlage erforderlich sind. Dazu gehören auch Informationen zur Zuverlässigkeit des Emittenten. Ebenso müssen die Anbieter von „Graumarktprodukten“ künftig ein Kurzinformationsblatt (sog. „Beipackzettel“) erstellen, das auf bis zu drei DIN-A4-Seiten kompakt Chancen und Risiken einer Vermögensanlage erläutert. Eine vergleichbare Regelung gibt es bei den schon regulierten offenen Investmentfonds. Unabhängig von ihrer Größe sind Emittenten von Vermögensanlagen zukünftig auch verpflichtet, einen Jahresabschluss zu erstellen und prüfen zu lassen.

Ferner wird durch das Gesetz die Verjährungsfrist bei der Prospekthaftung verlängert. Bislang konnten Haftungsansprüche wegen fehlerhafter oder fehlender Prospekte eines Anlegers bereits nach einem Jahr verjähren. Künftig gilt hier eine einheitliche Verjährungsfrist von drei Jahren. Außerdem werden die Voraussetzungen für eine Haftung für fehlerhafte oder fehlende Verkaufsprospekte für Vermögensanlagen erleichtert.

Die im selben Gesetz geregelten Neuerungen für Finanzanlagenvermittler hinsichtlich Zulassungserfordernis, Sachkundeprüfung, Pflicht zur Berufshaftpflichtversicherung und Registrierung in einem öffentlichen Register treten am 1. Januar 2013 in Kraft.

Umgang mit unleserlichen Steuererklärungen

Steuererklärungen sind grundsätzlich nach amtlich vorgeschriebenen Vordruck abzugeben (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO ). Die näheren Vorgaben zur Druckqualität bei von Steuerpflichtigen selbst ausgedruckten Erklärungen sind geregelt im  BMF-Schreiben vom 11.03.2011 ( BStBl 2011 I, 247 )

Die OFD Koblenz hat mit Verfügung vom 22.02.2012, S 0321 A – St 35 2, darauf hingewiesen, dass sämtliche Steuererklärungen grundsätzlich gemäß den amtlich vorgeschriebenen Vordrucken abzugeben sind, und verweist diesbezüglich auf § 150 Abs. 1 Satz 1 AO.


In der Praxis werden zunehmend Erklärungen eingereicht, bei denen an der Druckqualität gespart wird, worunter deren Lesbarkeit deutlich leidet. Da die Verarbeitung von Steuererklärungen in einem Massenverfahren zu bewältigen ist, das einen geordneten Geschäftsgang erfordert, ist es den Finanzämtern nicht zuzumuten, derartige Erklärungen anzunehmen. Entsprechende Erklärungen sind daher nach Würdigung der Umstände im Einzelfall und unter Berufung auf o. g. BMF-Schreiben zurück zu weisen. Sie gelten damit als nicht abgegeben.

 

Grundsätze für die Verwendung von Steuererklärungsvordrucken; Amtlich vorgeschriebene Vordrucke

 Bezug: BMF v. 3.4.2012 IV A 5 – O 1000/07/10086-07 IV A 3 – S 0321/07/10004

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

Soweit Steuererklärungen nicht nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung ausschließlich elektronisch übermittelt werden, sind sie nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben (§ 150 Abs. 1 AO ). Mehrseitige Vordrucke sind vollständig abzugeben.

 1. Amtlich vorgeschriebene Vordrucke

Amtlich vorgeschriebene Vordrucke sind:

1.1        Vordrucke, die mit den von den zuständigen Finanzbehörden freigegebenen Druckvorlagen hergestellt worden sind (amtliche Vordrucke), einschließlich der Formulare, die auf den Internetseiten der Steuerverwaltungen angeboten werden (Internetformulare);

1.2        Vordrucke, die im Rahmen einer elektronischen Übermittlung von Steuererklärungsdaten nach Nummer 5 des BMF-Schreibens vom 15. Januar 2007 (BStBl 2007 I S. 95 ) erstellt und ausgefüllt worden sind (komprimierte Vordrucke).

1.3.       Vordrucke, die nach dem Muster einer amtlichen Druckvorlage durch Druck, Ablichtung oder mit Hilfe von Datenverarbeitungsanlagen hergestellt worden sind (nichtamtliche Vordrucke).

 2. Verwendung nichtamtlicher Vordrucke

Die Verwendung nichtamtlicher Vordrucke (Tz. 1.3) ist zulässig, wenn diese in der drucktechnischen Ausgestaltung (Layout), in der Papierqualität und in den Abmessungen den amtlichen Vordrucken entsprechen.

Die Vordrucke müssen danach insbesondere

  • im Wortlaut, im Format und in der Seitenzahl sowie Seitenfolge mit den amtlichen Vordrucken übereinstimmen und
  • über einen Zeitraum von mindestens 15 Jahren haltbar und gut lesbar sein.

Geringfügige Veränderungen der Zeilen- und Schreibabstände sowie des Papierformats sind zugelassen; sofern diese gleichmäßig über die ganze Seite erfolgen und das Seitenverhältnis in Längs- und in Querrichtung beibehalten wird. Der Gründruck muss durch entsprechende Graustufen ersetzt werden.

Ein doppelseitiger Druck ist nicht erforderlich und die Verbindung der Seiten mehrseitiger Vordrucke ist zu vermeiden.

Sofern der amtliche Vordruck einen Barcode enthält, ist dieser in den nichtamtlichen Vordruck nicht aufzunehmen; die Eintragung des entsprechenden Formularschlüssels ist vorzunehmen. Weitere aufzunehmende Unterscheidungsmerkmale (z. B. Kennzahl und Wert) ergeben sich aus dem jeweiligen Vordruck.

Weitere Anforderungen an Vordrucke, die mit Hilfe von Datenverarbeitungsanlagen hergestellt wurden, ergeben sich aus dem als Anlage beigefügten Merkblatt.

 3. Verwendung von Internetformularen und komprimierten Vordrucken

Bei der Verwendung von Internetformularen und komprimierten Vordrucken sind die Anforderungen an die Papierqualität nichtamtlicher Vordrucke (Tz. 2) einzuhalten.

 4. Grundsätze für das maschinelle Ausfüllen von Vordrucken

4.1        Die für die Bearbeitung im Finanzamt erforderlichen Ordnungsangaben sind in dem dafür vorgesehenen Bereich (Vordruckfeld) im Kopf des Vordrucks anzugeben. Die Steuernummern sind nach dem Format aufzubereiten, das für das Land vorgesehen ist, in dem die Steuererklärung abzugeben ist.

4.2        Bei negativen Beträgen ist das Minuszeichen vor den Betrag zu setzen.

4.3.       Feldeinteilungen sind einzuhalten. Es ist zu gewährleisten, dass die maschinell vorgenommenen Eintragungen deutlich erkennbar sind (z. B. Fettdruck), die Zuordnung von Beträgen zu den Kennzahlen eindeutig ist und die Kennzahlen nicht überschrieben werden.

4.4        In der Fußzeile des Vordrucks ist zusätzlich der Name des Herstellers des verwendeten Computerprogramms anzugeben.

 5. Schlussbestimmungen

Dieses Schreiben tritt mit Veröffentlichung im Bundessteuerblatt I an die Stelle des BMF-Schreibens vom 27. Dezember 1999, BStBl 1999 I S. 1049 .

Das BMF-Schreiben vom 11. Mai 2004 (BStBl 2004 I S. 475 ) zur Zulassung von Vordrucken, die von den amtlich vorgeschriebenen Vordrucken im Umsatzsteuer-Voranmeldungs- und Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren abweichen, wird aufgehoben.

Anlage:  Technisches Merkblatt für Vordrucke, die mit Hilfe von Datenverarbeitungsanlagen hergestellt werden  

Das technische Merkblatt richtet sich an Hersteller von Steuersoftware und Betreiber von Portalen zum Download von Steuerformularen aus dem Internet. Die nachfolgend aufgeführten Anforderungen sollen eine reibungslose maschinelle Bearbeitung von Steuererklärungen auf nichtamtlichen Vordrucken ermöglichen. Die Anbieter der Softwarepakete bzw. Portaldienste haben diese Vorgaben einzuhalten.

Ausdruck muss im Grauraster erfolgen

Bei der maschinellen Beleglesung im Finanzamt dient die grüne Farbe in den amtlichen Vordrucken als Blindfarbe. Gründruck in nichtamtlichen Vordrucken, insbesondere bei Ausdrucken aus gängigen Bürodruckern, kann diese Anforderung nicht erfüllen.

Die mit einer Steuersoftware oder mit Formularen aus dem Internet erstellten Steuererklärungen müssen daher im Grauraster ausgedruckt werden.

Technische Vorgaben:

Grüner Hintergrund: Graurasterung 15 % Deckung, 40er Auflösung.

Grüne Schrift und grüne Linien sind schwarz zu drucken.

Auf den Ausdrucken benötigte Merkmale

Keinen Barcode aufdrucken

Das für die steuerliche Beleglesung relevante Unterscheidungsmerkmal zwischen amtlichen und nichtamtlichen Vordrucken ist der Barcode, der als Erkennungsmerkmal für amtliche Vordrucke dient. Der Barcode darf nur bei amtlichen Vordrucken, nicht aber bei nichtamtlichen Vordrucken aufgebracht sein.

Formularschlüssel

Bei nichtamtlichen Vordrucken erfolgt die Identifizierung der einzelnen Anlagen über den Formularschlüssel. Bei fehlenden Formularschlüsseln kann der Vordruck nicht maschinell zugeordnet werden und muss personell bearbeitet werden.

Der Zusatz ‚NET‘ im Formularschlüssel ist für die Internetformulare der Steuerverwaltung reserviert und darf nicht von Softwareherstellern und anderen Portalen verwendet werden.

Bei nichtamtlichen Vordrucken ist derselbe Schlüssel zu verwenden wie bei den amtlichen (grünen) Vordrucken. Der Schlüssel muss exakt an der gleichen Position erscheinen wie bei einem amtlichen Formular. Die Schlüssel müssen freistehen. Dies bedeutet, dass die Formularschlüssel keine anderen Objekte berühren dürfen. Der Abstand zur Formular-Begrenzungslinie und allen anderen Objekten muss mindestens 2 mm betragen. Die Vermaßung ist der untenstehenden Skizze „Ankerwinkel” zu entnehmen.

Name des Herstellers bzw. Formularquelle

Die Herstellerbezeichnung in der Fußzeile muss einen hinreichenden Abstand zum Formularschlüssel einhalten. Aufgrund des begrenzten Platzes ist die zusätzliche Angabe der vollständigen Herstelleranschrift nicht erforderlich.

Allgemeine Layout Vorgaben

4 Ankerwinkel auf jeder Formularseite

Die vier Ankerwinkel je Seite müssen vollständig und an der in den amtlichen Vordrucken vorgegebenen Position ausgegeben werden. Die Ankerwinkel müssen freistehen. Dies bedeutet, dass die Winkel keine anderen Objekte berühren dürfen. Der Abstand zur Formular-Begrenzungslinie und allen anderen Objekten muss mindestens 2 mm betragen.

Die Grafik nennt die genauen Maße bei 100 % Skalierung einer ungeraden Seite; sofern das Formular leicht skaliert werden muss, müssen sich die Winkelpositionen entsprechend maßstabsgerecht anpassen. Alle Maßangaben sind in mm und beziehen sich auf den X0/Y0-Punkt.

Bei den Ankerwinkeln handelt es sich um eines der wichtigsten Orientierungsmerkmale für die Beleglesung. Ausdrucke aus Steuersoftware mit fehlerhaften Winkeln können maschinell nicht verarbeitet werden und müssen personell bearbeitet werden.

Verzicht auf doppelseitigen Druck

Ein doppelseitiger Druck ist zu vermeiden. Je nach verwendeter Papierqualität können sonst die Daten der Rückseite auf der Vorderseite sichtbar sein, würden in der Folge von der Beleglesung erkannt und bei der Korrektur erhöhten Arbeits- und Zeitaufwand verursachen.

Skalierung der Ausdrucke

Skalierungsabweichungen gegenüber dem Originallayout dürfen nur geringfügig (Richtwert: unter 5 %) ausfallen. Die Vergrößerung oder Verkleinerung muss gleichmäßig in Längs- und Querrichtung erfolgen. Abweichende Zeilenabstände und abweichende Positionierung von Eintragungsfeldern sind zu vermeiden, da diese zu manueller Nacharbeit führen.

Zeilennummern und Kennzahlenbeschriftung

Fehlende Zeilennummerierung und fehlende Kennzahlenbeschriftung auf nichtamtlichen Formularen verursachen eine fehlerhafte Erkennung der entsprechenden Zeilen bzw. Werte zu Kennzahlen.

Zeilennummerierung und Kennzahlenbeschriftung müssen in vollem Umfang den Vorgaben der amtlichen Vordrucke entsprechen.

Vollständigkeit der Formulare

Die einzelnen Formulare sind vollständig (d. h. einschließlich der Seiten, auf denen keine Eintragungen erfolgt sind) abzugeben. Um zu vermeiden, dass die Steuerbürger insofern unvollständige Erklärungen abgeben, wäre ein Hinweis in der Benutzeranleitung sehr nützlich.

Layout für Feldinhalte

Zur Vermeidung von mangelhafter Datenerkennung und der damit verbundenen aufwändigen personellen Korrektur sind folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • Die  Feldeinteilungen  sind einzuhalten. Die Eintragung mehrerer Werte in ein Eintragungsfeld ist zu vermeiden.
  •   Kammboxen, Feldseparatoren oder Erläuterungstexte  dürfen nicht in Datenfeldern eingedruckt werden. Die Separatorkästchen der amtlichen Vordrucke dürfen auf Ausdrucken nicht erscheinen; vielmehr sind durchgehende weiße Eintragungsfelder zu verwenden. Vorlage sind insofern die Internetvordrucke der Steuerverwaltung.
  • Es soll mindestens eine 10 Punkt große  Schrift  und keine Serifenschrift verwendet werden.
  • Zu verwenden sind ausschließlich die in den amtlichen Papiervordrucken vorgegebenen  Datumsformate ; diese sind ggf. um Punktion innerhalb der Datumsangabe zu ergänzen, z. B. 31.05.2008.

Formatierung von Zahlen

  • Für eine optimale maschinelle Verarbeitung ist das Komma direkt in der Zahlenfolge zu drucken (Beispiel: 123,45). Ein Tausenderpunkt bringt für die maschinelle Verarbeitung keine Vorteile.
  • Bei vorgedrucktem Komma wird die maschinelle Verarbeitung erschwert, da das Komma u.U. nicht dem Wert zugeordnet werden kann.
  • Keinesfalls darf auf das Komma verzichtet werden. Eine solche Eintragung wird bei der maschinellen Verarbeitung als Ganzzahl ohne Nachkommastellen berücksichtigt

Besteuerung eines Lebensmittels

Zur umsatzsteuerlichen Einordnung eines diätetischen Lebensmittels.

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH-Az. VII B 176/12

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Urteil vom 10.05.2012, 16 K 281/11
Pos 2106 KN, Pos 3004 KN, § 12 Abs 2 Nr 1 UStG 2005, Kap 21 KN, § 12 Anl 2 Nr 33 UStG 2005, UStG VZ 2005
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Organträgerin zur Organgesellschaft L GmbH (nachfolgend: GmbH). Die GmbH stellt Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel her und veräußert diese. Zu den Produkten, die hergestellt und vertrieben werden, gehört das Produkt „v00“. Streitig ist, ob die Lieferung dieses Produkts dem Regelsteuersatz oder dem begünstigten Steuersatz unterliegt.
2
V00 wird in einer Faltschachtel angeboten, in der entweder 30 oder 90 Dragees des Produkts enthalten sind. Der Faltschachtel wird jeweils eine schriftlich verfasste Verbraucherinformation beigegeben. Wegen des äußeren Erscheinungsbildes der Verpackung und der Verbraucherinformation wird auf die Seiten 45, 46 der Gerichtsakte verwiesen. Nach den Aufdrucken auf der Verpackung wird v00 als ergänzende bilanzierte Diät beschrieben, die zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen infolge eines erhöhten Homocysteinspiegels dient. Die Inhaltsstoffe werden angegeben. Es wird die Verzehrempfehlung gegeben 1 Dragee pro Tag zu verzehren. Die Verpackung erhält die weiteren Hinweise: „Aufgrund der besonderen Ernährungserfordernisse bei der diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen infolge eines erhöhten Homocysteinspiegels ist der Gehalt an Vitamin B12 erhöht. V00 ist kein vollständiges Lebensmittel. … Mit einer gezielten diätetischen Versorgung mit den Vitaminen Folsäure, B6 und B12 können Patienten mit einem erhöhten Homocysteinspiegel sinnvoll ihre Ernährung ergänzen. V00 enthält diese wertvollen Vitamine in bilanzierter und sinnvoller Kombination, wie sie durch eine Ernährungsumstellung nicht zu erreichen wären. Mit der diätetischen Zufuhr dieser Vitamine können erhöhte Homocysteinspiegel günstig diätetisch Beeinfluss werden.“
3
Aus der beigefügten Verbraucherinformation ergibt sich, dass pro Dragee in dem Produkt v00 8 mg an Vitamin B6, 100 µg an Vitamin B12 und 800 µg an Folsäure enthalten ist.
4
Die Klägerin erklärte die mit dem Produkt v00 erzielten Umsätze als solche mit dem begünstigten Steuersatz von 7 v.H. Dabei stufte sie das Produkt als Lebensmittelzubereitung, die unter Zollnomenklatur 2106 einzuordnen sei, ein.
5
Nach einer in 2009 stattgefundenen Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass die Umsätze dem Regelsteuersatz unterlägen. Entsprechend erhöhte der Beklagte diesbezüglich die Umsatzsteuer um 32.814,98 €. Das Erzeugnis sei in Position 3004 der kombinierten Nomenklatur (KN) einzuordnen.
6
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.
7
Das Präparat v00 sei keine Arzneiware. Arzneiwaren seien Arzneimittel im Sinne des § 2 AMG bzw. des Artikel 1 Ziffer 2 der Richtlinie 2001/83/EG. Es handele sich vielmehr um ein diätetischen Lebensmittel gemäß § 1 Abs. 4 a i.V.m. § 21 DiätVO. Es handele sich hierbei um ein Erzeugnis das für die diätetische Behandlung von Patienten bestimmt sei. Es diene der Ernährung von Patienten mit einem sonstigen medizinisch bedingten Nährstoffbedarf, für deren diätetische Behandlung Modifikationen der normalen Ernährung, andere Lebensmittel zur besonderen Ernährung bzw. Kombinationen aus beiden nicht ausreichend seien. Der Hinweis auf der Verpackung, wonach das Produkt zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen bestimmt sei, stelle keine Formulierung her, die die Klägerin selbst bestimmt gewählt habe. Vielmehr sei dies eine Vorgabe durch § 21 Abs. 2 Ziffer 1 DiätVO. Diese beruhe auf den entsprechenden Vorgaben der europäischen Richtlinie 1999/21/EG. Es bleibe dennoch dabei, dass es sich bei dem Produkt um ein Lebensmittel handele und nicht um Arzneimittel. Der juristisch relevante Unterschied bestehe darin, dass Arzneimittel/Arzneiwaren eine pharmakologische Wirkung gemäß Artikel 1 Ziffer 2 b der Richtlinie 2001/89/EG aufwiesen, die diätetischen Lebensmittel hingegen ernährungsphysiologisch bzw. diätetisch ihre Wirkung entfalteten. Es könne das streitige Produkt deshalb nicht als Arzneiware im Sinne der Position 3004 der KN eingereiht werden. Es werde auch auf die EG-Verordnung 17177/2001 verwiesen, die in ihren Erwägungsgründen besonders hervorhebe, dass Zubereitungen für besondere diätetische Zwecke, die speziell hergestellt oder zubereitet wurden, um den bei bestimmten physischen oder physiologischen Umständen bestehenden Bedürfnissen zu entsprechen, vom Anwendungsbereich der Arzneiware auszunehmen sind. Hinzu trete, dass die vom deutschen Gesetzgeber in § 21 Abs. 2 Ziffer 1 DiätVO verwendete Formulierung (zur diätetischen Behandlung von …) „eine Übersetzung darstelle, die den ernährungsbezogenen Charakter dieser diätetischen Ernährung nicht vollständig gerecht werde. Zutreffender sei sicherlich der Wortlaut in der englischen Version der Richtlinie 1999/21/10; darin heiße es: „The labelling shall also include: The statement for the dietary management of …“. Aus der Formulierung ergebe sich weit aus eindeutiger als in der deutschen Übersetzung, dass es sich um eine diätetischen Ernährungsmaßnahme im Sinne eines Ernährungsmanagements handele und nicht um eine therapeutische Behandlung einer Krankheit.
8
Die Klägerin beantragt,
9
die Umsatzsteuer 2005 auf XX € herabzusetzen.
10
Der Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Es werde weiter daran festgehalten, dass das im Streit stehende Produkt eine zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken hergestellte Arzneiware sei und demgemäß in Position 3004 der KN einzureihen sei. In der kombinierten Nomenklatur werde durch die zusätzliche Anmerkung 1 zum Kapitel 30 die Abgrenzung von Arzneiwaren zu Lebensmittel und damit auch zu diätetischen Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln geregelt. Danach seien pflanzliche Arzneizubereitungen und Zubereitung auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren, in Aufmachungen für den Einzelverkauf, dann in die Position 3004 der KN einzureihen, wenn auf dem Etikett, der Verpackung oder dem Beipackzettel folgende Angaben enthalten sind:
13
a. die spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptome, bei dem das Erzeugnis verwendet werden soll;
14
b. die Konzentration des enthaltenen Wirkstoffs oder der darin enthaltenen Stoffe;
15
c. die zu verabreichende Menge und
16
d. die Art der Anwendung.
17
Bei Zubereitungen auf der Grundlage von Vitaminen, Mineralstoffen, essentiellen Aminosäuren oder Fettsäuren müsse die Menge eines dieser Stoffe pro auf dem Etikett angegebener empfohlener Tagesdosis deutlich höher sein, als die für den Erhalt der allgemeinen Gesundheit oder des allgemeinen Wohlbefindens empfohlene Tagesdosis. Nach den Erläuterungen zur KN des Kapitels 30 Rz. 06.1 und 07.2 müssten Zubereitungen auf der Grundlage von Vitaminen im Allgemeinen eine mindestens dreimal höhere Tagesdosis als die normalerweise empfohlene Tagesdosis enthalten. Der Nachweis einer Wirksamkeit entsprechender Waren sei nicht erforderlich. Die Rechtsvorschrift ziele allein auf die Aufmachung der Ware ab. Das streitbefangene Erzeugnis erfülle alle genannten Voraussetzungen.
18
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte. Dem Gericht haben die für die Klägerin beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
19
Die Klage ist begründet.
20
Für das streitige Produkt ist der Steuersatz mit 7 v.H. zu bestimmen.
21
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer auf 7 v.H. für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in Anlage 2 zum Umsatzsteuergesetz bezeichneten Gegenstände. In laufender Nummer 33 der Anlage 2 sind verschiedene Lebensmittelzubereitungen aus dem Zolltarif Kapitel 21 genannt. In die Position 2106 der KN gehören Lebensmittelzubereitungen, die anderweit weder genannt noch inbegriffen sind. Das streitige Produkt ist in diese Position 2106 der KN einzuordnen. Denn es gehört nicht in die Position 3004 der KN.
22
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Arzneiwaren im Sinne der Position 3004 der KN Erzeugnisse sind, die genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaften aufweisen und deren Wirkungen auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus konzentriert sind (vgl. Urteil vom 9. Januar 2007 C-40/06 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
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Im Streitfall mangelt es dem streitigen Produkt an genau umschriebenen therapeutischen oder prophylaktischen Eigenschaften. Der einzige Hinweis auf der Verpackung der diesbezüglich in Betracht käme, ist derjenige, dass das Produkt zur diätetischen Behandlung von Gefäßerkrankungen in Folge eines erhöhten Homocysteinspiegels verwendet werden kann. Abgesehen von dem insoweit zutreffenden Hinweis der Klägerin, dass ihr die Wortwahl für diesen Text durch die nationale Vorschrift in § 21 Abs. 2 Ziffer 1 DiätVO vorgegeben ist, ergibt sich hieraus keine genau umschriebene therapeutische oder prophylaktische Eigenschaft. Auch die europarechtlich geforderte konzentrierte Wirkung auf ganz bestimmte Funktionen des menschlichen Organismus lässt sich aus der Umschreibung auf dem Verpackungsinhalt nicht erkennen.
24
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass nach den Erläuterungen zu Kapitel 30 der KN, speziell dort unter 06.1 und 07.2 das streitige Produkt als pharmazeutisches Erzeugnis einzustufen sei, weil es die vier Voraussetzungen, nämlich die Verwendung bei spezifischen Krankheiten, Leiden oder deren Symptomen, die Konzentration der enthaltenen Wirkstoffe, die zu verabreichende Menge und die Art der Anwendung umschreibe, ist dem entgegenzuhalten, dass in den Erläuterungen zu Kapitel 30 unter 08.0 ausdrücklich ausgeführt ist, dass zu Position 3004 u. a. nicht Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Zubereitungen gehören.
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Das Gericht musste den vom Beklagten gestellten Beweisantrag nicht folgen. Denn es ist letztlich nicht entscheidungserheblich, ob durch Sachverständigengutachten bewiesen werden könnte, ob das in Rede stehende Produkt ein Mittel ist, welches geeignet wäre, Gefäßerkrankungen vorzubeugen oder/und zu behandeln. Entscheidend für die Einreihung in die KN ist nicht eine möglicherweise objektive Eigenschaft des Produkts. Vielmehr ist entscheidend, ob in einer Aufmachung des Erzeugnisses für den Einzelverkauf verdeutlicht wird, dass dieses zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken dient. Hierfür sind allein die Angaben auf der inneren oder äußeren Umschließung der Ware entscheidend (vgl. Erläuterungen 04.0 und 05.0 zu Position 3004 der KN).
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Im Ergebnis war die Umsatzsteuer antragsgemäß zu vermindern. Wegen der Berechnung verweist das Gericht auf die Anlage 4 des Außenprüfungsberichts vom 21. Januar 2010.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.

Einkünftequalifikation bei Verpachtung von landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzten Flächen

Der Erwerber von land- und forstwirtschaftlich genutzten einzelnen Wirtschaftsgütern (im Streitfall: Acker- und Wiesenflächen), der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, erzielt im Falle der sofortigen Verpachtung dieser Wirtschaftsgüter grundsätzlich nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 23.01.2013, 9 K 293/11
§ 13 Abs 1 EStG 2002, § 4 Abs 1 EStG 2002, § 21 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, EStG VZ 2005
Tatbestand
1
Streitig ist die steuerliche Qualifizierung von Einkünften aus der Verpachtung von Acker- und Wiesenflächen.
2
Die Klägerin ist eine Erbengemeinschaft nach dem am 13. September 2005 verstorbenen E (Erblasser), die aus dessen beiden Töchtern besteht. Die Erbengemeinschaft erzielte Einkünfte aus verpachteten Ackerflächen sowie aus der Nutzung von Waldflächen von jeweils ca. 3 ha Größe.
3
Der Erblasser war der älteste Sohn der Großeltern der an der Erbengemeinschaft Beteiligten. Er verzichtete auf sein Hoferbrecht und wurde promovierter landwirtschaftlicher Oberrat an diversen Landwirtschaftsschulen. Er baute sich auf dem Grundstück seines Onkels ein Einfamilienhaus.
4
Der gesamte Hof der Großeltern wurde auf den Bruder des Erblassers übertragen, der nach der Übernahme des Hofes der Großeltern und Selbstbewirtschaftung in solche wirtschaftlichen Schwierigkeiten geriet, dass er Grundstücke des Hofes verkaufen musste. Zumindest zum Teil erwarb nun der Erblasser diese Grundstücke. So erwarb er zum 1. April 1975 Forstflächen in einer Größe von 3,14 ha in der Gemarkung N von seinem Bruder. Mit notariellem Vertrag vom 6. Januar 1976 (UR 3/1976 Notar B) erwarb er von seinem Bruder weiterhin den 61.463 qm großen Acker Flurstück 48, der Flur 6, in N (sog. B, früher W) zum Preis von 98.340,80 DM. Sollte das Grundstück oder Teile davon zu Lebzeiten des Erblassers als Bauland verkauft werden, so sollte nach § 1 Abs. 2 des Grundstückkaufvertrages die Differenz zwischen dem bisherigen Kaufpreis für Ackerland und dem Baulandpreis an den Verkäufer nachgezahlt werden. Nach § 8 des Vertrags beantragte der Erblasser die Befreiung von Grunderwerbsteuern und Gerichtskosten mit der Begründung, das Kaufgrundstück diene zur Aufstockung seines landwirtschaftlichen Grundbesitzes. Ob eine Befreiung von Grunderwerbsteuer tatsächlich gewährt wurde, konnte nicht mehr ermittelt werden.
5
Mit UR 4/1976 schloss der Erblasser am selben Tag mit seinem Bruder vor demselben Notar einen Vertrag über die kostenlose Nutzung des Grundstücks im landwirtschaftlichen Betrieb des Bruders als Ackerland. U.a. wurde ein einjähriges Kündigungsrecht beider Parteien und ein Erlöschen des Vertrages bei Aufgabe der Landwirtschaft durch den Nut-zungsberechtigten vereinbart. Über die Art der Bewirtschaftung sollten beide Parteien im gegenseitigen Einvernehmen entscheiden.
6
Nach einer Pachtbestätigung wurde das Flurstück ab dem 1. Juli 1977 an den Landwirt S verpachtet. Im Jahr 1987 erfolgte ein weiterer Grundstückszukauf durch den Erblasser. Auch hierbei handelte es sich um einen Teil des großelterlichen Hofes.
7
Im August 1987 wandte sich der Vater gegen die Bewertung einer Teilfläche von 21.168 qm aus dem Grundstück B als Bauland. In seiner schriftlichen Aussage an Amtsstelle teilte er mit, dass die Fläche von ihm noch landwirtschaftlich genutzt werde. In voraussehbarer Zeit sei mit einer Bebauung dieser Fläche nicht zu rechnen. Falls die Bebauung beginne, werde er dem Finanzamt Nachricht geben.
8
Der für die Einkommensteuerveranlagung des Erblassers zuständige Arbeitnehmerbereich des beklagten Finanzamtes erlangte von dem Grundbesitz erst Kenntnis bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 1990. Die auf Rückfrage zu den Pachteinnahmen vorgelegte Anlage L enthielt sowohl die Forstflächen als selbstbewirtschaftete Flächen als auch die verpachtete Ackerfläche Bäckermorgen, die in die vorgegebene Zeile für verpachtetes Betriebsvermögen vom Erblasser selbst eingetragen wurde und nicht in die Zeile für Privatvermögen. In seinem notariellen Testament vom 1. April 1997 sprach der Erblasser von einem Zusammenhalt „der übrigen zum Hof gehörenden Grundstücke“.
9
Die Erbengemeinschaft verkaufte mit Vertrag vom 28. Januar 2006 rd. 17.900 qm des Grundstücks B für ca. 800.000 € als Bauland. Die Kaufpreiszahlungen erfolgten erst ab dem 2. Halbjahr 2006.
10
Während der Erblasser (auch) die Einnahmen aus der Verpachtung der landwirtschaftlichen Nutzflächen als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärt hatte, ging die Klägerin davon aus, dass diese Grundstücke seit ihrem Erwerb durch den Erblasser dem Privatvermögen zuzuordnen seien, und erklärte für das Streitjahr 2005 insoweit entsprechend dem tatsächlichen Zufluss Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 902 € (Pächter S: insges. 749,56 €; Pächter P: 153,39 €).
11
Die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte in Höhe von 1.886 € (Jagdpacht: 58,80 €; Holzverkauf: 1.182,61 € bzw. 664,60 €) ordnete die Klägerin dagegen im Rahmen der Feststellungserklärung 2005 zu 4/10 (= 754 €) dem Streitjahr zu.
12
Dem folgte das beklagte Finanzamt (FA) nicht und stellte die nach Angaben der Klägerin im (Rumpf-)Wirtschaftsjahr zugeflossenen Einnahmen in der Zeit anteilig auf das Streitjahr entfallender Höhe von 1.405 € mit Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft fest. Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und beantragte, die Einkünfte i.H.v. insgesamt 1.656 € festzustellen, davon 902 €, die im Streitjahr aus der Verpachtung der Ackerflächen zugeflossen waren, als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie (zeitanteilig auf das Streitjahr entfallend) 754 € aus Land- und Forstwirtschaft. Der Einspruch hatte keinen Erfolg (vgl. Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008).
13
Im Klageverfahren des ersten Rechtsganges stellte die Klägerin den Antrag, „den Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008 zu ändern und die Einkünfte aus den Acker- und Wiesenflächen N Flur 3 (gemeint offenbar Flur 6) Flurstück 48 als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen“.
14
Der 11. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts wies die Klage mit Urteil vom 6. Mai 2010 (11 K 12404/08) als unzulässig ab, soweit die Klägerin die Feststellung höhere Einkünfte beantragt hatte, als im Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 aufgeführt. Soweit die Klägerin begehrt hatte, dass statt der Einkünfte aus Landwirtschaft nunmehr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt werden sollten, hielt der 11. Senat die Klage für zulässig und begründet. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das vorgenannte Urteil Bezug genommen. Die Revision ließ das FG nicht zu.
15
Auf die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 25. Oktober 2011 (IV B 59/10) das vorgenannte Urteil des 11. Senates des Niedersächsischen Finanzgerichts auf und wies die Sache zurück an das FG. Das FG habe gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen, indem es dem angefochtenen Urteil ein Klagebegehren zugrunde gelegt hat, das mit dem tatsächlichen Begehren der Klägerin nicht übereinstimme. Im Streitfall sei das FG in zwei Punkten vom Klagebegehren abgewichen. Zum einen habe das FG die im angefochtenen Bescheid festgestellten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft dem Tenor des angefochtenen Urteils zufolge insgesamt als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festgestellt, obwohl die Klägerin ausweislich des im Tatbestand wiedergegebenen Klageantrags lediglich die Umqualifizierung der Einkünfte aus den in N, Flur 3 (gemeint offenbar Flur 6) Flurstück 48, belegenen Acker- und Wiesenflächen beantragt hatte. Den Feststellungen im angefochtenen Urteil lasse sich nicht entnehmen, ob in den zugeflossenen Pachteinnahmen aus den landwirtschaftlichen Grundstücken i.H.v. 902 € auch Pachteinnahmen für andere landwirtschaftliche Grundstücke enthalten gewesen waren. Daneben habe die Klägerin Einkünfte aus ihren selbstbewirtschafteten Forstflächen erzielt, die sie nach den Angaben im Tatbestand des angefochtenen Urteils im Einspruchsverfahren mit 754 € beziffert habe. Diese Einkünfte seien in den Klageantrag nicht einbezogen gewesen.
16
Zum anderen rügte der Bundesfinanzhof, dass das FG die Klage als unzulässig verworfen habe, soweit die Klägerin den Ansatz höherer Einkünfte begehrt habe, als im angefochtenen Bescheid festgestellt worden seien. Auch insoweit weiche das angefochtene Urteil von dem darin wiedergegebenen Klageantrag ab. Denn dieser beziehe sich nur auf die Einkünfte aus den Acker- und Wiesenflächen in N, die (max.) 902 € betragen hätten. Zu Unrecht habe das FG angenommen, dass die Feststellung einer unzutreffenden Einkunftsart nicht zu einer Rechtsverletzung i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO führe. Im Streitfall habe die Umqualifizierung der Einkünfte in solche aus Vermietung und Verpachtung anstelle solcher aus Land- und Forstwirtschaft – wegen der nur für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft geltenden zeitanteiligen Aufteilung der Einkünfte nach § 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG – Auswirkungen auf deren Höhe.
17
Auf Grundlage des im Zeitpunkt der Zurückverweisung geltenden Geschäftsverteilungsplanes des Niedersächsischen Finanzgerichts ist der 9. Senat für den Streitfall zuständig geworden.
18
Zur Begründung verbleibt die Klägerin bei ihrem bisherigen Vorbringen und stützt sich auf das vorgenannte Urteil des 11. Senates des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. Mai 2010 (11 K 12404/08). Das zwischenzeitlich ergangene BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 (IV R 48/08) führe zu keiner anderen Beurteilung. Im Übrigen hält es die Klägerin für unerheblich, ob auch die unentgeltliche Überlassung zur Fruchtziehung als Pachtverhältnis zu beurteilen sei, da eine Einlage daraus jedenfalls nicht hergeleitet werden könne. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 22. März 2012 Bezug genommen.
19
Die Klägerin beantragt,
20
den Feststellungsbescheid 2005 vom 23. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008 dahingehend zu ändern, dass von den festgestellten Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft ein Betrag von 902 € in Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung umqualifiziert wird.
21
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
23
Zunächst verweist der Beklagte erneut auf sein Vorbringen in der Einspruchsentscheidung. Des Weiteren trägt der Beklagte Folgendes vor: Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei im vorliegenden Fall Betriebsvermögen anzunehmen, so dass nicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern solche aus Land- und Forstwirtschaft aus der Verpachtung der Ackerflächen erzielt worden seien. In jeder noch vorliegenden Einkommensteuererklärung ab 1998 sei das strittige Grundstück in den Anlagen L als Betriebsvermögen erklärt sowie eine parzellenweise Verpachtung ab 1. Oktober 1988 angegeben worden. Seit 1999 seien die Angaben in der Anlage L, die für jeden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in einer eigenen Anlage L zu machen seien, erfolgt. Die aus den erklärungsgemäßen Veranlagungen resultierenden steuerlichen Vorteile (Freibeträge aus Land- und Forstwirtschaft) seien jahrelang vom Erblasser in Anspruch genommen worden. Zwar sei eine objektiv unrichtige Eintragung in der Steuererklärung in der Regel nicht ausreichend. Die Besonderheit des Streitfalles liege jedoch darin, dass keinerlei Zweifel an der jahrzehntelangen Erklärung und den entsprechenden Veranlagungen bestanden hätten.
24
Unstreitig liege hier im vorliegenden Fall zwar keine ausdrückliche Einlageerklärung des Erblassers vor. Im Gegensatz zu buchführenden Steuerpflichtigen, die entsprechende Inventarverzeichnisse vorlegten, erfolgten bei den übrigen Land- und Forstwirten Angaben zu den betrieblichen Flächen und deren Nutzung jeweils in den Innenseiten der Anlage L. Diese seien vom Erblasser entsprechend ausgefüllt worden. Im Urteil des BFH vom 7. Februar 2002 (IV R 32/01) werde gerade auf die Angaben in dieser Anlage abgestellt zur Beurteilung, ob eine Entnahme erklärt worden sei. Im Übrigen sei das FG im ersten Rechtsgang zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine unentgeltliche Bewirtschaftung durch einen Fremden einen Pachtvertrag darstelle. In dieser Konstellation sei vielmehr eine Selbstbewirtschaftung anzunehmen.
25
Dem Erblasser habe im Übrigen das Verpächterwahlrecht zugestanden. Er habe eine Erklärung abgeben müssen, wenn durch die Verpachtung eine Betriebsaufgabe bewirkt werden sollte, nicht jedoch, wenn weiterhin ein Betrieb bestehe.
26
Zusammen mit den Erklärungen des Erblassers vom August 1987 der Bewertungsstelle des FA gegenüber und in seinem Testament vom 1. April 1997 sei nach dem Gesamtbild von einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auszugehen, so dass die strittigen Grundstücke noch Betriebsvermögen gewesen seien und die Einkünfte daraus als solche aus Land- und Forstwirtschaft festzustellen seien.
27
Bezüglich des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftsatz vom 30. Januar 2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Die Klage ist begründet.
29
Der Feststellungsbescheid vom 23. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. September 2008 ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die streitigen Ackerflächen gehören nicht zum Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes der Klägerin mit der weiteren Folge, dass die aus der Verpachtung erzielten Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung festzustellen sind.
30
a) Hat ein Steuerpflichtiger ein Wirtschaftsgut zulässigerweise seiner betrieblichen Betäti-gung und damit seinem Betriebsvermögen i.S. von § 4 Abs. 1 EStG zugeordnet (z.B. dadurch, dass er das Wirtschaftsgut unmittelbar für betriebliche Zwecke nutzt – notwendiges Betriebsvermögen – oder dadurch, dass er das Wirtschaftsgut dazu bestimmt, den Betrieb mittelbar durch Einnahmen in Form von Vermögenserträgen zu fördern – gewillkürtes Betriebsvermögen -), so verliert das Wirtschaftsgut seine Eigenschaft als (notwendiges oder gewillkürtes) Betriebsvermögen nur durch eine Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb. Der sachliche betriebliche Zusammen-hang wird (bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts) durch Entnahme gelöst; der persönliche betriebliche Zusammenhang geht verloren durch eine entgeltliche Veräußerung des Wirtschaftsguts oder durch dessen schenkweise Übertragung auf einen Betriebsfremden, die wiederum – ebenso wie die Lösung des sachlichen Zusammenhangs bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts – eine Entnahme voraussetzt oder mit umfasst (BFH-Urt. v. 31. Januar 1985 IV R 130/82, BStBl II 1985, 395, unter 2.a der Gründe; Urt . v. 14. Mai 2009 IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811; Urt. v. 5. Mai 2011 IV R 48/08, BStBl. II 2011, 792 unter 4c. der Gründe).
31
An einer solchen Zuordnung zum Betriebsvermögen fehlt es aber bei einem Erwerb eines landwirtschaftlichen Betriebes, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs den erwor-benen Betrieb zu keinem Zeitpunkt selbst bewirtschaftet, sondern in unmittelbarem An-schluss an den entgeltlichen Erwerb verpachtet (vgl. FG München, Urteil vom 13. September 2006 10 K 2650/03). Ein sogenanntes Verpächterwahlrecht steht dem Erwerber nicht zu. Ein solcher Erwerber hat keine Land- und Forstwirtschaft, die er bei Verpachtung entweder aufgeben oder dessen Betriebsvermögen er als aussetzenden Betrieb ohne Auflösung der stillen Reserven fortführen könnte. Er besitzt grundsätzlich überhaupt kein Betriebsvermögen mit im Lauf der Jahre angewachsenen stillen Reserven, deren Auflösung er vermeiden könnte. Er erwirbt käuflich nur Vermögen, das er weiter verpachtet, ohne mit diesem Vermögen durch eigene betriebliche Tätigkeit als Land- und Forstwirt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt zu haben, bzw. erzielen zu wollen. Eine vielleicht ursprünglich vorhandene, aber nicht verwirklichte dahingehende Absicht ist nicht beachtlich. Nur sein Pächter erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Erwerber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, kann daher im Falle der sofortigen Verpachtung des erworbenen Betriebes nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehen (BFH-Urt. v. 20. April 1989 IV R 95/87, BStBl. II 1989, 863; Urt. v. 29. März 2001 IV R 88/99, BStBl. II 2002, 791; BMF v. 23. November 1990 IV B 2 – S 2242 – 57/90, BStBl. I 1990, 770; ebenso Kanzler in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte – Loseblatt -, Kap. 24 Rz. 38).
32
Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen ist aber dann zu machen, wenn der Erwerber – sei er Landwirt oder kein Landwirt – beabsichtigt, eine Eigenbewirtschaftung des erworbenen Betriebes alsbald vorzunehmen (BFH-Urt. v. 19. Juli 2011 IV R 10/09, BStBl. II 2012, 93: innerhalb von 12 Monaten; Urt. v. 12. September 1991 IV R 14/89, BStBl. II 1992, 134; Urt. v. 17. Juni 1993 IV R 110/91, BStBl. II 1993, 752). Hierzu bedarf es einer objektiv erkennbaren Absicht (Kulosa in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 13 Rz. 84).
33
Die genannten Grundsätze gelten auch – wie im Streitfall – für den Erwerb einzelner Wirt-schaftsgüter der Land- und Forstwirtschaft, die selbst noch keinen land- oder forstwirt-schaftlichen Betrieb darstellen, es sei denn es handelt sich um den Erwerb von sogenann-tem Vorratsgelände, das unter Umständen Betriebsvermögen sein kann. Voraussetzung ist jedoch u.a. auch hier, dass die Grundstücke mit dem erklärten Willen erworben werden, diese zukünftig betrieblich nutzen zu wollen (Kanzler in Leingärtner, Besteuerung der Landwirte – Loseblatt -, Kap. 24 Rz. 40).
34
b) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ist indes eine Zuordnung der vom Erblasser erworbenen Ackergrundstücke zum Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nicht zu erkennen. Durch die nach dem Erwerb vorge-nommene sofortige Überlassung dieser Grundstücke an den Bruder und der anschließen-den Verpachtung der Ackerflächen ab 1977 an den Landwirt S wurden die Grundstücke nicht dem Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zugeordnet. Zwar hätte eine beabsichtigte Selbstbewirtschaftung eine andere Zuordnung rechtfertigen können; jedoch fehlt es im Streitfall an einer solchen Absicht. Weder ergibt sich eine solche Absicht aus den Akten noch aus anderen Umständen. Das Alter des Vaters spricht im Gegenteil gerade gegen das Vorhandensein einer Selbstbewirtschaftungsabsicht. Im Zeitpunkt des Erwerbs war der Vater bereits pensioniert und 65 Jahre alt (zur Bedeutung des Alters für die Annahme einer Selbstbewirtschaftungsabsicht s. BFH-Urt. v. 28. Juni 2001 IV R 23/00, BStBl. II 2003, 124, 126).
35
Entgegen der Auffassung des beklagten FA ist die zunächst vom Erblasser erfolgte unentgeltliche Überlassung an den Bruder, der damit – wie vor der Veräußerung – landwirtschaftliche Einkünfte erzielte, auch nicht als Selbstbewirtschaftung zu werten. Solches ist nach Überzeugung des Senats auch nicht aus der Entscheidung des Hessischen FG vom 16. Februar 2010 (13 K 2820/08, EFG 2011, 618, Rev. eingelegt, Az. des BFH: IV R 16/10) herzuleiten. Dieses Urteil betrifft zwar die Frage der Selbstbewirtschaftung im Sinne des § 13 EStG bei unentgeltlicher Überlassung an Dritte. Das Hessische FG ist zu Recht aber zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Selbstbewirtschaftung dann nicht gegeben ist, wenn – wie im Streitfall – das Bewirtschaftungsrisiko beim tatsächlich Nutzenden liegt. Für eine nach außen erkennbare Zuordnung der erworbenen Ackerflächen zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen hat die unentgeltliche Überlassung daher keine Bedeutung.
36
Damit waren die Ackerflächen im Zeitpunkt des Erwerbs dem Privatvermögen zuzuordnen. Die Einkünfte aus der Verpachtung dieser Flächen waren somit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
37
Dem steht nicht das BMF-Schreiben v. 23. November 1990 entgegen, soweit darin für vor dem 1. Januar 1990 erworbene Betriebe das Verpächterwahlrecht dem Erwerber einge-räumt wird, der den Betrieb unmittelbar nach dem Erwerb verpachtet. Weder ist die Rechtsprechung an diese Verwaltungsanweisung gebunden, noch liegen die Vorausset-zungen der Verfügung des BMF vor. Der Erblasser hat mit keinem Schriftsatz dieses Verpächterwahlrecht ausgeübt. Überdies widerspricht das Schreiben den Aussagen des BFH-Urteils vom 20. April 1989 (IV R 95/87, BStBl. II 1989, 863).
38
c) Ebenso ist aus den Erklärungen des Erblassers im Kaufvertrag vom 6. Januar 1976 nichts anderes herzuleiten. Zwar „beantragte“ er im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer- und Gerichtskostenbefreiung; jedoch ist nicht zu ermitteln, ob ein solcher Antrag mit welchem Ergebnis beim Beklagten gestellt worden ist. Weiterhin handelt es sich um eine Erklärung, die nicht unmissverständlich auf eine Einlage in ein Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs schließen lässt (vgl. zu Angaben in der Steuererklärung BFH-Urt. v. 14. Mai 2009 IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811 m.w.Nachw.).
39
d) Auch in den Jahren nach dem Erwerb der streitigen Flächen fand keine Einlage dieser Grundstücke in ein land- und forstwirtschaftliches Betriebsvermögen statt. Insbesondere kam der Erklärung des Erblassers in der Anlage L des Jahres 1990 diese Bedeutung nicht zu. Zwar hat der Erblasser in der Anlage L die streitigen Grundstücke in der vorgegebenen Zeile für verpachtetes Betriebsvermögen eingetragen; eine solche Erklärung kann aber nicht als Einlage der Ackerflächen in ein Betriebsvermögen gewertet werden. Wie der BFH zum umgekehrten Fall der Entnahme in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, kommt der Steuererklärung eine solche Reichweite nicht zu. Danach genügt eine Erklärung der Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung in der Regel nicht, weil es sich dabei nicht um eine unmissverständliche Kundgabe eines Entnahmewillens, sondern ggf. um eine objektiv unrichtige Einkommensteuererklärung handelt (BFH-Urt. v. 14. Mai 2009 IV R 44/06, BStBl. II 2009, 811 m.w.Nachw.).
40
e) Des Weiteren ist auch aus dem Besitz der Zuckerrübenaktien durch den Erblasser nicht eine Einlagehandlung zu entnehmen. Bei den Zuckerrübenlieferrechten handelt es sich um selbständige immaterielle Wirtschaftsgüter (s. BFH Urt. v. 24. Juni 1999 IV R 33/98, BStBl. II 2003, 58), welche dem Inhaber erlauben, bestimmte Mengen an Zuckerrüben an die Zuckerfabriken zu liefern. Mit der Erlangung dieses Rechtes ist keine Erklärung verbunden, es handele sich bei den zugrundeliegenden Grundstücken um landwirtschaftliches Betriebsvermögen des Inhabers der Rechte. Der betriebliche Zusammenhang entsteht allein über die Qualifizierung der mit den Rechten ggf. verbundenen landwirtschaftlichen Flächen. So werden die Lieferrechte nur dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie die geschäftlichen Beziehungen eines Unternehmens zur Beteiligungsgesellschaft fördern und sichern (BFH-Urt. v. 11. Dezember 2003 IV R 19/02, BStBl. II 2004, 280). Die Inhaberschaft von Zuckerrübenaktien führt aber nicht umgekehrt zu einer notwendigen Einstufung der daran ggf. gebundenen landwirtschaftlichen Flächen als Betriebsvermögen eines landwirtschaftlichen Betriebs (dies zeigt auch der Hinweis zum Streubesitz in der Hand Branchenfremder in BFH-Urt. v. 11. Dezember 2003 IV R 19/02, BStBl. II 2004, 280, 281, der durch Abfindung weichender Erben bei Hofübergabe entstehen kann).
41
f) Weiterhin kann sich aus der Formulierung des Erblassers im notariellen Testament von 1997, in der schriftlichen Erklärung an Amtsstelle im Jahr 1987 und im Kaufvertrag über die streitigen Grundstücke nichts anderes ergeben. Der Erblasser hatte dort die Flächen als landwirtschaftlichen Grundbesitz, als landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und Grundstücke, die zum Hof gehören, bezeichnet. Diese Erklärungen stellen keine Einlagehandlung dar. Entweder bezeichnen sie zutreffend nur die Nutzungsart der Grundstücksflächen oder betreffen einen vom Erblasser getroffenen Oberbegriff für sein gesamtes Grundvermögen. In jedem Fall handelt es sich jeweils bei den Erklärungen nicht um eine unmissverständliche Kundgabe des Einlagewillens, sondern auch um jeweils objektiv unrichtige Erklärungen. Da in der Folgezeit weder durch den Erblasser noch durch die Erbinnen eine solche Einlage erfolgt ist, bleibt es bei der Beurteilung der streitigen Flächen als Privatvermögen.
42
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens waren in die Kostengrundentscheidung einzubeziehen. Die Kostentragung diesbezüglicher Kosten richtet sich dabei ebenfalls nach dem endgültigen Maß des Obsiegens und Unterliegens (vgl. Stapperfend/Gräber, FGO-Kommentar, 7. Aufl., § 143 Rz. 23).
43
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Antragserfordernis für die Fortzahlung von Kindergeld bei befristeter Kindergeldzahlung

Antragserfordernis für die Fortzahlung von Kindergeld bei befristeter Kindergeldzahlung – Erfüllung des Kindergeldanspruchs bei Berechtigtenbestimmung

Ist die Kindergeldzahlung befristet, setzt die Fortzahlung des Kindergeldes einen Antrag des Kindergeldberechtigten voraus.

Stimmt die Kindesmutter dem Antrag des Kindesvaters auf Zahlung des Kindesgeldes an diesen zu, hat sie selbst keinen Kindergeldanspruch mehr.

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt – BFH-Az.: III B 117/12

Niedersächsisches Finanzgericht 8. Senat, Urteil vom 03.07.2012, 8 K 121/11
§ 170 Abs 2 Nr 1 AO, § 64 Abs 2 S 2 EStG 2002
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Klägerin für ihren Sohn A., geb. am 10.3.1980, für die Zeit vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für ihren Sohn B. geb. am 23.6.1982, für die Zeit vom 1.8.2003 bis Mai 2011 Kindergeld beanspruchen kann.
2
Die Klägerin war bis zum 31.7.2003 als Lehrerin im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen beschäftigt. Auf einen Kindergeldantrag der Klägerin setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 19.4.2000 das Kindergeld für B. weiterhin bis zum 30.6.2003 und mit Bescheid vom 4.4.2001 für A. vom 1.7.2000 bis zum 30.9.2004 fest.
3
Am 22.12.2010 ging bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen ein Schreiben der Steuerberater der Klägerin vom 21.12.2010 ein, mit der die Klägerin Kindergeld für die Zeit ab August 2003 für ihre Söhne B. und A. nebst 1.727,88 € Zinsen forderte. Sie trug vor, dass bei ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst die Kindergeldakte an sich an die Agentur für Arbeit hätte weitergeleitet werden müssen. Die Agentur für Arbeit hätte das Kindergeld weiter zu zahlen gehabt. Ein neuer Kindergeldantrag habe von ihr nicht gestellt werden müssen, denn der ursprüngliche Kindergeldantrag, mit dem auch die Berechtigtenbestimmung getroffen worden sei, gelte fort. Soweit die Klägerin bei dem Kindergeldantrag des Ehemannes zugestimmt habe, dass das Kindergeld an den Ehemann ausgezahlt werde, handele es sich um keine wirksame Berechtigtenbestimmung, da dazu erforderlich gewesen wäre, dass die Familienkasse die an sie gerichteten Bescheide aufgehoben hätte. Eine Verjährung der Kindergeldansprüche sei nicht eingetreten, da nicht rückwirkend erstmals Kindergeld festgesetzt werde. Dies wäre nur der Fall, wenn von einem Neuantrag ausgegangen werde. Falls Zahlungsverjährung eingetreten sein sollte, werde Schadensersatz geltend gemacht.
4
Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die die Kindergeldakte der Klägerin vernichtet hat, leitete das Schreiben vom 21.12.2010 an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 10.1.2011 lehnte die Beklagte die rückwirkende Gewährung von Kindergeld ab, weil Kindergeldansprüche vor 2007 verjährt seien. Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie trug vor, dass die Familienkasse nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst für die Zahlung des Kindergeldes zuständig geworden sei. Da das Kindergeld nicht an sie ausgezahlt worden sei, sei ihr Antrag begründet. Die zwischenzeitliche Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann ändere daran nichts, denn allenfalls könne die Zahlung des Kindergeldes an den Ehemann rechtswidrig sein.
5
Mit Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte wies darauf hin, dass für Zeiträume bis 2004 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Ab Januar 2005 sei das Kindergeld für den Ehemann der Klägerin festgesetzt und gezahlt worden.
6
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin hält im Wesentlichen an dem Vorbringen des Vorverfahrens fest und weist nochmals darauf hin, dass ihrer Auffassung nach kein neuer Kindergeldantrag erforderlich gewesen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie einen befristeten Kindergeldantrag gestellt habe. Für die Zeit nach dem 30.6.2003 für B. und nach dem 30.9.2004 für A. sei ihr Kindergeldantrag noch nicht von der Beklagten beschieden worden.
7
Die Klägerin beantragt,
8
den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10.1.2011 und den Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten Kindergeld für A. vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für B. vom 1.8.2003 bis laufend zu zahlen.
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte weist darauf hin, dass für beide Kinder das Kindergeld befristet für die Klägerin festgesetzt worden sei. Sie trägt vor, dass Kindergeldansprüche vor 2006 verjährt seien. Im Übrigen sei das Kindergeld für A. von Januar bis April 2005 und für B. ab Januar 2005 bis laufend an den Ehemann der Klägerin gezahlt worden.
12
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die Kindergeldakten der Klägerin und ihres Ehemannes.
Entscheidungsgründe
13
Die Klage ist nicht begründet.
14
Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzungen für die Söhne A. und B. für die Klägerin für die Zeit ab August 2003 für A. und für die Zeit ab Juli 2004 für B. und die Auszahlung für die geltend gemachten Zeiträume abgelehnt, denn die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 70 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Festsetzung von Kindergeld für ihre Söhne A. und B. für diesen Zeitraum.
15
Aus den Bescheiden der Familienkasse vom 19.4.2000 für B. und vom 4.4.2001 für A. ergibt sich in aller Deutlichkeit, dass die Familienkasse das Kindergeld für B. befristet bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres von B. und für A. bis über dessen 24. Lebensjahr hinaus befristet festgesetzt hat. In beiden Bescheiden ist festgelegt, dass Schul- und Studienbescheinigungen vorzulegen sind. Damit waren die ursprünglichen Kindergeldanträge der Klägerin beschieden. Wenn die Klägerin mit diesen Bescheiden nicht einverstanden gewesen wäre, hätte sie dagegen ggf. Einspruch einlegen müssen. Durch die Befristung der Kindergeldfestsetzungen waren die Kindergeldansprüche für die Zeit nach Ablauf der Befristung nicht abgelehnt. Die Klägerin hätte innerhalb der Festsetzungsfrist neue Kindergeldanträge stellen müssen. Dass die Klägerin innerhalb der Festsetzungsfrist Kindergeldanträge gestellt hat, die für B. die Zeit nach dem 30.6.2003 und für A. die Zeit nach dem 30.9.2004 betrafen, hat die Klägerin selbst nicht einmal behauptet und weder Abschriften von Kindergeldanträgen noch etwaigen weiteren Bescheiden vorgelegt. Da infolge des Ausscheidens der Klägerin aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 die Kindergeldakten vernichtet worden sind, kann der Senat auch nicht auf andere Weise feststellen, dass die Klägerin weitere Anträge gestellt bzw. weitere Bescheide erhalten hat. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin insoweit bis Dezember 2010 nichts unternommen, insbesondere die Nichtzahlung des Kindergeldes an sie nicht gerügt hat, geht der Senat vielmehr davon aus, dass die Klägerin sich nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 nicht mehr an die Familienkasse gewandt hat.
16
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 Kindergeld beantragt hat, ist dieser Antrag unbegründet. Bei den Kindergeldfestsetzungen handelt es sich um Steuervergütungen, die nach § 169 Abs. Nr. 2 Abgabenordnung (AO) nach 4 Jahren verjähren. Die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem der jeweilige Vergütungsanspruch entstanden ist. Danach hat die Beklagte mit Recht darauf hingewiesen, dass für Kindergeldansprüche vor 2006 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
17
Auch für die Zeit ab 2006 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für B., denn sie hat der Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann zugestimmt. Nach § 64 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wird das Kindergeld nur einem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld, wenn das Kind in den Haushalt aufgenommen ist, gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG demjenigen gezahlt, den die Berechtigten untereinander bestimmt haben. Dies war, wie aus der Kindergeldakte des Ehemannes der Klägerin folgt, der Ehemann der Klägerin, denn am 11.9.2009 hat die Klägerin sich gegenüber der Familienkasse damit einverstanden erklärt, dass das Kindergeld an den Antragsteller, vorliegend also ihren Ehemann und Kindesvater, ausgezahlt wird. Tatsächlich hat die Familienkasse das Kindergeld ab Januar 2005 bis April 2005 für A. mit Bescheid vom 22.10.2010 an den Ehemann der Klägerin und ab Januar 2005 bis laufend für B. mit Bescheid vom 28.9.2009 an den Ehemann Kläger festgesetzt. Danach steht der Klägerin aber das Kindergeld für die Kinder A. und B. weder für die sich aus dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 ergebenden Zeiträume noch für B. für die Zeit ab Januar 2011 zu, denn mit dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 hat die Klägerin nicht etwa die Berechtigtenbestimmung widerrufen, sondern lediglich geltend gemacht, dass ihr das Kindergeld aufgrund der Bewilligungen vor 2005 weiter zu gewähren ist. Dies hat auch der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht.
18
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass ihr das Kindergeld nur bis Juli 2003 für A. gezahlt worden sei, ist dieser Vortrag im vorliegenden Verfahren wegen Kindergeldfestsetzung unerheblich. Unstimmigkeiten der Kindergeldauszahlung wären ggf. im Wege eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) zu klären. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass allerdings Zahlungsverjährung (§ 228 AO) eingetreten sein dürfte.
19
Danach konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
21
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

 

Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung

Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung – Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Redakteurstätigkeit

1. Bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO dürfen grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-)Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden, soweit die Änderung reicht.
2. Die Honorar-Tätigkeit einer Redakteurin in einem Übergangszeitraum von 2 Monaten zwischen einer angestellten Redakteurstätigkeit (Schwangerschaftsvertretung) und dem geplanten Antritt einer Planstelle als Angestellte bei dem gleichen Verlag kann als nichtselbständige Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG zu qualifizieren sein, auch wenn bei Krankheit und Urlaub in diesem Zeitraum kein Anspruch auf Entgeltsfortzahlung bestanden hat.

Niedersächsisches Finanzgericht 9. Senat, Urteil vom 23.01.2013, 9 K 43/12
§ 165 Abs 2 AO, § 177 Abs 4 AO, § 18 Abs 1 EStG 2002, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 7g Abs 7 EStG 2002
Tatbestand
1
Streitig ist die Zulässigkeit und inhaltliche Richtigkeit einer Rechtsfehlerkompensation im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO.
2
Die Klägerin erwarb zum 1. Juli 2000 den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Forsthof G. Die Gewinnfeststellungsbescheide für die Streitjahre 2000 – 2002 waren hinsichtlich der Aufteilung des Kaufpreises für den bezeichneten Betrieb und der hieraus resultierenden Absetzungen für Abnutzung nach § 165 Abgabenordnung (AO) vorläufig ergangen (vgl. Tz. 19 des Bp-Berichts vom 15. Juni 2005).
3
Der Vorläufigkeitsvermerk in den geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden für die Jahre 2000 – 2002 vom 13. Dezember 2006 lautet wie folgt:
4
„Der Bescheid ergeht vorläufig gem. § 165 Abgabenordnung hinsichtlich der Kaufpreisaufteilung des Grundstückskaufs von Herrn W O (vgl. Tz. 18 des Bp-Berichts vom 15. Juni 2005). Die Vorläufigkeit umfasst die Bewertung der erworbenen Wirtschaftsgüter sowie die daraus resultierende Absetzung für Abnutzung.“
5
Nach Vorlage eines von den Sachverständigen der Oberfinanzdirektion erstellten Gutachtens zur Kaufpreisaufteilung waren die sich hieraus ergebenden Abschreibungsgrundlagen und Abschreibungen zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Mehrabschreibungen sind unter Tz. 15.1 des Bp-Berichts vom 12. April 2010 (Anschlussbetriebsprüfung für die Folgejahre) für die einzelnen Streitjahre wie folgt dargestellt:
6
Kalenderjahr 2000:
22.870,00 €
Kalenderjahr 2001:
45.758,00 €
Kalenderjahr 2002:
28.984,00 €
7
Von der vorausgehenden Betriebsprüfung für die Streitjahre 2000 – 2002 (Bp-Bericht vom 15. Juni 2005) war die seinerzeit gebildete Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. anerkannt worden. Durch die Anschlussbetriebsprüfung für die Folgejahre 2003 – 2006 (Bp-Bericht vom 12. April 2010) wurde gleichwohl die Existenzgründerrücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. aus der Vorprüfung erneut überprüft (vgl. Tz. 14 des Bp-Berichts vom 12. April 2010). Die Betriebsprüfung vertrat danach die Auffassung, dass mangels Existenzgründereigenschaft der Klägerin die Voraussetzungen für die Bildung einer Rücklage nach § 7g Abs. 7 EStG a.F. nicht vorliegend waren. Die Klägerin habe im Vorgründungszeitraum Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erzielt, und zwar in den Monaten Mai und Juni 1997 im Rahmen einer journalistischen Tätigkeit. Diese Einkünfte stünden einer Anerkennung der Eigenschaft als Existenzgründer entgegen.
8
Nach den Feststellungen des Senats liegt der Tätigkeit der Klägerin in den Monaten Mai und Juni 1997 folgender Sachverhalt zugrunde:
9
Die Klägerin war nach Ableistung ihres Volontariats für die L Rundschau C zunächst im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages (Schwangerschaftsvertretung) bis zum 31. März 1997 tätig. Dieser Arbeitsvertrag wurde um einen Monat bis zum 30. April 1997 verlängert. Im Rahmen dieses befristeten Arbeitsverhältnisses war die Klägerin als Redakteurin in einer Lokalredaktion tätig. Im Anschluss daran sollte die Klägerin in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden. Eine für sie vorgesehene Planstelle stand jedoch erst zum 1. Juli 1997 zur Verfügung. Aufgrund dessen kam sie mit dem in der damaligen Zeit verantwortlichen stellvertretenen Chefredakteur, Herrn Dr. R W, überein, in den dazwischen liegenden Monaten wie zuvor am gleichen Arbeitsplatz mit der gleichen festgelegten Arbeitszeit und dem gleichen redaktionellen Aufgabengebiet tätig zu sein. Auf Vorschlag ihres Vorgesetzten sollte sie für die abgeleisteten Arbeitstage Pauschalhonorare in Rechnung stellen, und zwar in Höhe von 230,00 DM pro Tag. Der sich so ergebende Monatsbetrag entsprach in etwa ihrem vorherigen Gehalt. Entsprechend dieser mündlichen Absprache war die Klägerin in den Monaten Mai und Juni 1997 für den LR – Medienverlag GmbH, C, tätig und stellte am 3. Juni bzw. 4. August 1997 entsprechende Rechnungen aus, auf die bezüglich der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit Datum des 27. April 2010 bestätigte der damalige stellvertretende Chefredakteur, Dr. R W, diesen vorstehenden Sachverhalt schriftlich. Er wies darauf hin, dass die Klägerin in den Monaten Mai/Juni 1997 mit den gleichen redaktionellen Aufgaben betraut war, wie in der Zeit davor und danach. Sie sei ihm gegenüber weisungsgebunden und in der Redaktion H unverändert am gleichen Arbeitsplatz tätig gewesen. Sie sei dem Verlag gegenüber in keinerlei Weise unternehmerisch tätig gewesen. In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Klägerin darüber hinaus, dass es in der Lokalredaktion auch so genannte freie Mitarbeiter gegeben habe. Diese hätten in einem anderen, abgegrenzten Arbeitsgebiet bestimmte Aufgaben bei Bedarf (nach Anruf der Sekretärin) übernommen und seien – anders als die Klägerin – nicht in den zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf eingebunden gewesen.
10
Bei der Einkommensteuererklärung 1997 unterließ es die Klägerin zunächst, die in Rechnung gestellten Beträge dem Finanzamt gegenüber zu erklären. Auf Nachfrage des Finanzamts holte sie dies nach und erklärte schriftlich, dass sie in den Monaten Mai/Juni 1997 „als freier Mitarbeiter gearbeitet und 2 Rechnungen über 9.220,00 DM geschrieben habe“. Gleichzeitig machte sie 54 Fahrten zur Arbeitsstelle nach H (einfache Entfernung: 30 km) geltend. Das Finanzamt beurteilte diese Fahrten – in geminderter Anzahl (20 Fahrten wurden anerkannt) – als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 0,70 DM pro Entfernungskilometer. Die weiteren geltend gemachten Dienstfahrten wurden nach Dienstreisegrundsätzen anerkannt. Im Einkommensteuerbescheid von 1997 berücksichtigte das Finanzamt den erzielten Überschuss als Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 7.760,00 DM.
11
Soweit ersichtlich ist dieser vorgenannte Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig. Im Rahmen der vorgenannten Anschlussbetriebsprüfung war jedoch die Bewertung dieses Sachverhaltes im Hinblick auf die Einordnung der Einkünfte streitig. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass sie in dem Zeitraum zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ebenfalls nichtselbstständig tätig gewesen und damit zu Recht als Existenzgründerin beurteilt worden sei. Die Betriebsprüfung kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Journalistin erzielt habe. Das gesamte Unternehmerrisiko während der 2 Monate ohne Vertrag habe auf Seiten der Klägerin gelegen. Bei Erkrankung hätte der Auftraggeber keinen Lohn/kein Honorar gezahlt. Im Krankheitsfall hätte die Klägerin ihren Lebensunterhalt aus Eigenmitteln bestreiten müssen. Eine behauptete Scheinselbstständigkeit sei nicht nachgewiesen. Der Auftraggeber habe sie tatsächlich nicht als Arbeitnehmerin geführt. Das Entgelt sei nicht über eine Lohnsteuerkarte abgerechnet worden. Das Schreiben von Honorarrechnungen sei in nichtselbstständigen Arbeitsverhältnissen unüblich. Üblich sei jedoch, dass selbstständige Auftragnehmer ihrem Auftraggeber gegenüber durchaus projektbezogen weisungsgebunden seien. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Tz. 14 des Bp-Berichts vom 12. April 2010 Bezug genommen.
12
Ausgehend von dieser Beurteilung ging die Betriebsprüfung davon aus, dass die gesamte gebildete Rücklage nur als eine § 7g Abs. 3 EStG a.F. anzusehen sei mit der Folge, dass eine Neubildung in den Jahren 2000/2001 und 2001/2002 nur bis zur Höhe von 310.000,00 DM/154.000,00 € möglich gewesen sei und das bei der gewinnerhöhenden Auflösung ein außerbilanzieller Gewinnzuschlag/eine Verzinsung zu erfolgen habe. Insoweit ging die Betriebsprüfung von einem Rechtsfehler aus, der im Rahmen der vorzunehmenden Änderung der Feststellungsbescheide 2000 – 2002 gemäß § 165 Abs. 2 AO saldiert werden könne. Aufgrund dieser Rechtsfehlersaldierung kam es nur zu geringfügigen Gewinnminderungen.
13
Gegen die entsprechenden Änderungsbescheide vom 21. Juni 2010 legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren wendete sie sich alleine gegen die vorgenommene Rechtsfehlersaldierung. Die Einsprüche hatten jedoch keinen Erfolg.
14
Mit der vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren aus den Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes vor: Die vorgenommene Rechtsfehlersaldierung bei einer Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO verstoße gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Teilbestandskraft). Die Reichweite der Vorläufigkeit sei dem im Bescheid dafür angeführten Grund zu entnehmen oder aus sonstigen Umständen im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei sei entscheidend, wie der Adressat des Vorläufigkeitsvermerks nach den ihm bekannten Umständen – seinem objektiven Verständnishorizont – unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Die Klägerin verweist zudem auf die verstärkte Bestandskraft nach Abschluss einer Außenprüfung. Die Änderungssperre nach einer Außenprüfung diene damit in besonderem Maße dem Rechtsfrieden. Der Gesetzgeber gebe damit dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit Vorrang vor der materiellen Richtigkeit der Besteuerung. Die Berichtigung von materiellen Fehlern gemäß § 177 AO im Rahmen der Bescheidänderung aufgrund anders gelagerte Sachverhalte, derentwegen die Feststellungsbescheide punktuell vorläufig gemäß § 165 AO ergangen sind, sei gemäß § 177 Abs. 4 AO nicht zulässig. Diese Vorschrift bestimme ausdrücklich, dass unter anderem § 165 Abs. 2 AO unberührt bleibe, so dass Änderungen nach § 165 Abs. 2 AO nicht kompensiert werden könnten mit einer Berichtigung materieller Fehler nach § 177 AO. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO, dessen Gesetzesbegründung, der systematischen Stellung des § 177 AO und dem Sinn und Zweck des § 177 Abs. 4 AO. Die Klägerin verweist hierzu auf die Ausführungen in dem Aufsatz von Bergan, Martin (in DStR 2007, 658) und auf die Kommentierung von Tipke/Kruse (AO/FGO-Kommentar, § 177 AO Rz. 2).
15
Die Klägerin beantragt,
16
die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für 2000 – 2002 vom 21. Juni 2010 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 12. Januar 2012 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf 58.037 € für das Jahr 2000, 67.344 € für das Jahr 2001 und 15.226 € für das Jahr 2002 festgestellt werden.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid vom 12. Januar 2012 und das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 2. März 2000 (VI R 48/97). Die Bestimmung der zutreffenden Höhe der Besteuerungsgrundlagen sei Ziel der Festsetzungen. Dieses sei in den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden erfolgt. Eine Änderungssperre aufgrund erhöhter Bestandskraft nach der Vor-Betriebsprüfung komme im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, da kein Fall einer Änderung nach §§ 172 ff. AO vorliege. Auf einen Vertrauensschutz gemäß § 176 AO könne sich die Klägerin nicht berufen, da keine Änderungen der Rechtsprechung oder von Verwaltungsanweisungen maßgeblich gewesen seien.
20
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Klägerin ausführlich zu ihrer Tätigkeit in den Monaten Mai/Juni 1997 befragt. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23. Januar 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
21
1. Die Klage ist begründet.
22
Der Beklagte ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-) Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden dürfen, soweit die Änderung reicht. Der Änderung der angefochtenen geänderten Gewinnfeststellungs-bescheide 2000 bis 2002 in dem von der Klägerin begehrten Umfang stand jedoch eine Rechtsfehlerkompensation in Höhe der Einkommensteuer, die durch Umwandlung der zuvor gewährten Existenzgründerrücklage (§ 7g Abs. 7 EStG a.F.) in eine Ansparrücklage (§ 7g Abs. 3 EStG a.F.) entsteht, nicht entgegen, da der Beklagte die Existenzgründereigenschaft der Klägerin zu Unrecht verneint hat.
23
a. Aus verfahrensrechtlicher Sicht war der Beklagte – entgegen der Auffassung der Klägerin – grundsätzlich nicht gehindert, Rechtsfehler, die mit dem Grund der vorläufigen Steuerfestsetzung der angefochtenen Steuerbescheide nicht im Zusammenhang stehen, im Rahmen einer gegenläufigen Kompensation zu korrigieren.
24
aa. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der herrschenden Meinung im steuerrechtlichen Schrifttum sind bei einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO im Rahmen des Änderungsbetrages auch solche Fehler zu berücksichtigen, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen. Die materielle Bestandskraft des Steuerbescheides bleibt danach lediglich in dem Umfang offen, in dem die Steuer auf der im Bescheid als vorläufig gekennzeichneten Besteuerungsgrundlage beruht (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 2000 VI R 48/97, BStBl. II 2003, 332; BFH-Beschluss vom 6. März 2003 IX B 197/02, BFH/NV 2003, 742; BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2000 IV A 4-S0130a-9/00, BStBl. I 2000, 1549; u.a. Cöster in: Pahlke/Koenig, AO-Kommentar, 2. Aufl. München 2009, § 165 AO Rz. 46 bzw. Koenig in Pahlke/Koenig, § 177 AO Rz. 25; Rüsken in Klein, AO, § 165 Rz. 47 und § 177 Rz. 16, Kühn, AO/FGO, 20. Auflage 2011, § 177 Rz. 36; von Groll, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 177 AO Rz. 202; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO § 177 AO Tz. 2).
25
bb. Dieser Rechtsauslegung schließt sich der Senat an. Die hiergegen von der Klägerin auf der Grundlage des Aufsatzes von Bergan/Martin (DStR 2007, 658) vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. So steht der Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO einer Kompensation im Rahmen einer Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO nicht entgegen. Nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 FGO bleibt die Vorschrift des § 165 Abs. 2 AO lediglich unberührt. Nach dem Verständnis des Senats soll damit aber nicht die Saldierungsmöglichkeit, die § 177 Abs. 1 und Abs. 2 AO vorsieht, ausgeschlossen sein. Nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 4 AO soll lediglich klargestellt werden, dass die Möglichkeit der Änderung nach § 165 Abs. 2 AO nicht ausgeschlossen sein soll. Damit läuft im Ergebnis die Vorschrift des § 177 Abs. 4 AO genau genommen ins Leere. In dem Umfang der vorläufig festgesetzten Steuer – nicht Bemessungsgrundlage – tritt eine materiell-rechtliche Bestandskraft nicht ein (aA Eschenbach, DStZ 1997, 624). Eine Fehlerberichtigung ist in diesem Rahmen damit uneingeschränkt möglich, ohne dass es der Anwendung des § 177 AO überhaupt bedarf (vgl. Kühn, AO/FGO, 20. Auflage 2011, § 177 AO, Rz. 36). Im Ergebnis dürfen also auch Fehler uneingeschränkt berücksichtigt werden, die nicht mit dem Grund der Vorläufigkeit zusammenhängen.
26
Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzesbegründung des historischen Gesetzgebers zu § 177 Abs. 4 AO. In der Begründung zu § 158 des Entwurfs zur AO (BT-Drucks. VI/1982, S. 155) ist lediglich ausgeführt, dass „die Vorschrift nicht gilt, soweit es sich um eine Änderung eines Steuerbescheides nach …§ 146 Satz 3 (entspricht § 165 Abs. 2 Satz 1 AO) handelt.“ Hier wird aus Sicht des Senats besonders deutlich, dass es einer Anwendung des § 177 AO im Rahmen einer Änderung nach § 165 Abs. 2 AO – wie im Übrigen auch bei einer Änderung nach § 164 Abs. 2 AO – nicht bedarf.
27
Nach diesem vorgenannten Verständnis des Senates von der Vorschrift des § 177 Abs. 4 AO verbietet auch die Systematik der AO nicht eine entsprechende Fehlerberichtigung im Rahmen des § 165 Abs. 2 AO. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift des § 177 AO grundsätzlich aufgrund der systematischen Stellung nur zur Anwendung kommt, wenn eine Berichtigungsvorschrift der §§ 172 ff. AO einschlägig ist. Wie zuvor erläutert bedarf es im Streitfall für die Rechtsfehlersaldierung nicht der Vorschrift des § 177 AO. Die Saldierungsmöglichkeit ergibt sich aus der Vorläufigkeit der Steuer und der damit im Zusammenhang stehenden fehlenden materiellen Bestandskraft selbst. Aufgrund dessen bedarf es auch entgegen der Auffassung der Klägerin keiner Vorschrift zur Durchbrechung einer Bestandkraft.
28
Dies führt im Ergebnis auch dazu, dass das Argument einer erhöhten Bestandskraft nach einer Außenprüfung (§ 173 Abs. 2 AO) ins Leere läuft, weil im Rahmen einer Rechtsfehlersaldierung im Umfang der Vorläufigkeit gerade keine Bestandskraft durchbrochen wird.
29
b. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegen jedoch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Rechtsfehlerberichtigung nicht vor, denn die streitbefangene Existenzgründerrücklage ist von der Klägerin zu Recht gebildet worden. Die Tätigkeit der Klägerin in dem Zeitraum Mai/Juni 1997, also im sog. Vorgründungszeitraum, steht der Existenzgründereigenschaft der Klägerin nicht entgegen. Zwar sind die in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid 1997 als solche aus selbständiger Arbeit – und damit „schädlich“ im Sinne des § 7 g Abs. 7 EStG a.F. – aufgeführt. Diese steuerrechtliche Einordnung im Einkommensteuerbescheid entfaltet aber keine Bindungswirkung für die Beurteilung der Existenzgründereigenschaft im Zeitpunkt der Bildung der Rücklage.
30
Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem grundsätzlich auch im Steuerrecht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben. Insbesondere kann der Senat ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin zur Erlangung von Steuervorteilen in Bezug auf die Zuordnung der im Zeitraum Mai/Juni 1997 zu einer Einkunftsart nicht feststellen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, BFH/NV 2009, 1105; FG München, Beschluss vom 28. September 2009 7 V 2320/09 betr. Existenzgründereigenschaft). Im Schriftsatz vom 13. Dezember 1999 hat die Klägerin gegenüber dem Finanzamt lediglich die Einnahmen aus der Arbeit als „freie Mitarbeiterin“ nacherklärt und schließlich die Zuordnung der Einkünfte als solche aus § 18 EStG widerspruchlos hingenommen, ohne eine eigene Wertung abzugeben.
31
Entgegen der Beurteilung der Betriebsprüfung erfüllt die Tätigkeit der Klägerin als Redakteurin für den L-Verlag, C, im Zeitraum Mai/Juni 1997 nicht die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit in Sinne des § 18 EStG. Die diesbezüglichen Einkünfte der Klägerin sind vielmehr den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) zuzuordnen. Damit hat die Klägerin im maßgeblichen Vorgründungszeitraum keine schädlichen Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 3 EStG erzielt (§ 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung).
32
aa. Für die im Streitfall entscheidende Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer nichtselbständigen Betätigung sieht § 1 Abs. 1 LStDV solche Personen als „Arbeitnehmer“ an, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein „Dienstverhältnis“ in diesem Sinne liegt vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs. 2 LStDV). Demgegenüber ist nicht Arbeitnehmer, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt (§ 1 Abs. 3 LStDV).
33
Unter Beachtung dieser Begriffsbestimmungen ist die Frage, ob ein Steuerpflichtiger mit einer bestimmten Betätigung Arbeitnehmer ist, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Denn es handelt sich um einen offenen Typusbegriff, der nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden kann (BFH-Urteil vom 14. Juni 2007 VI R 5/06, BStBl II 2009, 931, unter II.1.). Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere die folgenden Merkmale von Bedeutung, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen können (vgl. BFH-Urteil vom 22. Februar 2012 X R 14/10, BStBl II 2012, 511 m.w.N.): – persönliche Abhängigkeit, – Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, – feste Arbeitszeiten, – Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, – feste Bezüge, – Urlaubsanspruch, – Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, – Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, – Überstundenvergütung, – zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, – Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, – fehlendes Unternehmerrisiko, – fehlende Unternehmerinitiative, – kein Kapitaleinsatz, – keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, – Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, – Eingliederung in den Betrieb, – geschuldet wird die Arbeitskraft, nicht aber ein Arbeitserfolg, – Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist.
34
Alle diese Einzelmerkmale lassen sich zum Zwecke der Systematisierung letztlich den beiden Oberbegriffen der „Unternehmerinitiative“ und des „Unternehmerrisikos“ zuordnen. An der Unternehmerinitiative fehlt es – in Aufnahme der Kernmerkmale des § 1 Abs. 2 Satz 2 LStDV -, wenn der Beschäftigte vom Auftraggeber persönlich abhängig, also hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt seiner Tätigkeit weisungsgebunden ist. Ferner muss er in den Betrieb des Auftraggebers und in die dortigen Organisationsabläufe eingegliedert sein. Für eine solche Eingliederung spricht wiederum die Notwendigkeit einer ständigen engen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, die Ausübung der Tätigkeit zu festen Arbeitszeiten sowie gleichbleibend an einem bestimmten Ort und der zeitliche Umfang der Dienstleistungen. Denn je kürzer die zeitliche Berührung des Auftragnehmers mit dem Betrieb des Auftraggebers ist, desto geringer wird der Grad von dessen Eingliederung und Weisungsgebundenheit sein.
35
Anzeichen für das Fehlen eines Unternehmerrisikos sind der Erhalt fester Bezüge, die gesonderte Vergütung anfallender Überstunden und die Fortzahlung der Bezüge auch in Fällen, in denen der Auftragnehmer aus persönlichen Gründen an der Erbringung seiner Leistungen gehindert ist (z.B. Urlaubsanspruch, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall). Gegen das Vorhandensein eines Unternehmerrisikos spricht auch, wenn der Auftragnehmer lediglich seine Arbeitskraft, nicht aber einen bestimmten Arbeitserfolg schuldet, und wenn der Arbeitsplatz vom Auftraggeber gestellt wird, der Auftragnehmer also weder zum Kapitaleinsatz noch zur Beschaffung von Arbeitsmitteln verpflichtet ist.
36
Dagegen ist die sozial- und arbeitsrechtliche Einordnung einer Tätigkeit als selbständig oder unselbständig für die steuerrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend (BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BStBl II 2009, 873 m.w.N.).
37
bb. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsgrundsätze, denen der Senat folgt, erfüllt die Klägerin in dem Zeitraum Mai/Juni 1997 die für die Annahme der Einkünfte aus selbständiger Arbeit erforderlichen Merkmale der Selbständigkeit nicht. Insbesondere fehlen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Unternehmerinitiative und das Unternehmerrisiko.
38
Nach der von dem damaligen Vorgesetzten, Dr. W, abgegebenen schriftlichen Erklärung und den Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geht der Senat davon aus, dass die Klägerin im Zeitraum Mai/Juni 1997 wie zuvor und im Anschluss an diesen Zeitraum weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt ihrer Redakteurstätigkeit war. Die Weisungsgebundenheit bezog sich dabei nicht auf einzelne Projekte, sondern umfasste die gesamte Tätigkeit. Die Klägerin war in den Betrieb des Verlags und in die dortigen Organisationsabläufe der Lokalredaktion eingegliedert. Nach der Schilderung der Klägerin begann sie wie zuvor und danach jeden Arbeitstag mit der Teilnahme an der Redaktionsbesprechung und der Verteilung der Aufgaben. Sie war für die Erstellung eines Teils der Zeitung im Bereich des Lokalteils zuständig und verantwortlich, arbeitete am gleichen Arbeitsplatz mit den gleichen Arbeitskollegen zusammen und hatte sich an die festen Arbeitszeiten und den gleichbleibenden zeitlichen Umfang der Tätigkeit wie zuvor zu richten. Damit fehlten ihr in jeder Hinsicht die Merkmale, die die Rechtsprechung für die Unternehmerinitiative herausgearbeitet hat. Insoweit konnte der Senat keine Unterschiede zu der unstreitig als nichtselbständig einzustufenden Arbeitnehmertätigkeit in den Zeiträumen vor Mai 1997 und nach Juni 1997 feststellen. Die Arbeitnehmertätigkeit wurde nach der schriftlichen Bestätigung des Vorgesetzten vom 27. April 2010 insoweit vielmehr unverändert fortgesetzt. Soweit ersichtlich hat der Beklagte hiergegen weder Einwendungen erhoben noch die aus Sicht des Senats glaubhafte Schilderung der Klägerin in der mündliche Verhandlung bzw. des Vorgesetzen in Zweifel gezogen.
39
Dem Beklagten ist zuzugeben, dass die Klägerin im Zeitraum Mai/Juni 1997 bei Krankheit und Urlaub keinen Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge gehabt hätte. Dieser Umstand spricht für sich betrachtet für ein von ihr getragenes Unternehmerrisiko. Dagegen spricht jedoch, dass die Klägerin allein ihre Arbeitskraft schuldete, und keinen speziellen Arbeitserfolg. Im Unterschied zu anderen in der gleichen Lokalredaktion tätigen freien Mitarbeitern wurde sie nicht nur bei Bedarf für spezielle Aufträge beauftragt, sondern arbeitete wie zuvor im Rahmen einer regelmäßigen, für Arbeitnehmer festgesetzten Arbeitszeit. Eine Verpflichtung zum Kapitaleinsatz und zur Gestellung von Arbeitsmitteln bestanden nicht. Vielmehr erhielt sie eine vorher festgelegte Vergütung in gleichbleibender Höhe in Abhängigkeit von der Ableistung einer vereinbarten Arbeitszeit. Sie erhielt insoweit 230,00 DM pro Arbeitstag, ein Betrag, der auf den Monat addiert in etwa ihrem vorherigen monatlichen Arbeitslohn entsprechen sollte. Hinsichtlich der Abrechnung von Fotos ergab sich gegenüber der Arbeitnehmertätigkeit ebenfalls keine Änderung, da diese auch im Rahmen der Arbeitnehmertätigkeit üblicherweise gesondert abgerechnet werden können.
40
Im Rahmen der Gesamtwürdigung misst der Senat den Umständen der fehlenden Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub bzw. der fehlenden Absicherung im Krankheitsfall bei der Beurteilung des Unternehmerrisikos keine durchschlagende Bedeutung bei. Dabei ist nach Überzeugung des Senats entscheidend, dass der Zeitraum des Tragens dieses speziellen Risikos nur auf 2 Monate beschränkt war und daher aus Sicht der Klägerin keine große Bedeutung hatte. Weitaus wichtiger war für die Klägerin, dass sie in dem Zwischenzeitraum zu in etwa gleichen Bedingungen auch ohne einen formellen Arbeitsvertrag weiterarbeiten konnte, bis ihre Planstelle zu Verfügung stand. Gegenüber den übrigen, gegen das Unternehmerrisiko sprechenden Umstände treten daher dieser Punkte in den Hintergrund.
41
Abgesehen von der Art der Abrechnung hat sich für die Klägerin auch nichts Wesentliches im Vergleich zu der Tätigkeit im Zeitraum vor und nach Mai/Juni 1997 verändert. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang angeführten Punkte (nicht als Arbeitnehmerin geführt, keine Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt, kein Arbeitsvertrag, sondern Honorarrechnungen) betreffen dagegen die arbeits- und sozialversicherungstechnische Seite, also die äußere Hülle der Tätigkeit, die für die steuerliche Gesamtbeurteilung maximal indizielle Bedeutung hat, im Übrigen aber nicht ausschlaggebend ist (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 V R 37/08, BStBl II 2009, 873 m.w.N.).
42
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse geht der Senat deshalb davon aus, dass die Klägerin die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit im Zeitraum Mai/Juni 1997 nicht erfüllt hat.
43
Mangels Rechtsfehlers bei der Bildung der Existenzgründerrücklage scheidet damit eine Kompensation aus. Der Beklagte war im Ergebnis verpflichtet, die begehrte Änderung gemäß § 165 Abs. 2 AO im beantragten Umfang durchzuführen.
44
Die Klage hat damit im vollen Umfang Erfolg.
45
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
46
3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Zurechnung von Umsätzen bei einem Bordellbetrieb

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Steuerpflichtiger als Betreiber (Unternehmer) eines Bordellbetriebs angesehen werden kann.

Niedersächsisches Finanzgericht 5. Senat, Urteil vom 14.02.2013, 5 K 318/10

§ 2 Abs 1 UStG 2005, UStG VZ 2007, UStG VZ 2008, UStG VZ 2009
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten über die Frage der Zurechnung von Umsätzen.
2
Streitig ist, ob die Klägerin … einen Bordellbetrieb in der A als Unternehmerin betrieben hat, mit der Folge, dass ihr die Umsätze der in dem Objekt tätigen Prostituierten zuzurechnen sind.
3
Die Klägerin hat in ihren Umsatzsteuererklärungen 2007 bis 2009 Umsätze aus der Vermietung der in Objekt X vorhandenen Zimmer an die Prostituierten erklärt. Die erklärten Umsätze beliefen sich
4
2007 auf

2008 auf

2009 auf
….
5
Im Zuge einer Steuerfahndungsprüfung kam der Beklagte (das Finanzamt – FA -) zu abweichenden Umsätzen. Das FA kam zu der Feststellung, dass in dem Objekt X täglich ca. 7 – 8 Prostituierte arbeiteten.
6
Im Anschluss an die Fahndungsprüfung kam das FA zu der Überzeugung, dass auch die Einnahmen der Prostituierten der Klägerin zuzurechnen seien. Aufgrund zum Prüfungszeitpunkt vorgefundener Unterlagen ergab sich, dass 7 Prostituierte am … (Sonntag) und … (Montag) tätig waren. Die Steuerfahndung hatte zum Prüfungszeitpunkt handschriftliche Aufzeichnungen der Prostituierten vorgefunden, aus denen zu ersehen war, welche Umsätze die Prostituierten im Verlauf eines Tages getätigt hatten. Aus den Aufzeichnungen ergibt sich auch, dass die Prostituierten jeweils einen Betrag im Umfang von ca. 50% von ihren Tageseinnahmen abgezogen hatten. In der Küche … hatte die Steuerfahndung im Übrigen einen Karton mit Bargeld vorgefunden. Nach Aussagen der Prostituierten hatten diese ihre Einnahmen in den Karton gelegt und abends aufgeteilt. Weiterhin stellte die Steuerfahndung fest, dass das Objekt X in den Streitjahren über einen einheitlichen Internetauftritt verfügte, in dem ein Direktkontakt zu einzelnen Prostituierten nicht beworben wurde. Angegeben war auf der Homepage, dass täglich 8 Damen anwesend seien. Neben Dienstleistungen … wurden auch Haus- und Hotelbesuche, Übernachtungen und ein Escortservice angeboten. In den Streitjahren waren die Preise aller Prostituierten ausweislich der Internetseite … einheitlich. Der Betrieb war von Sonntag bis Donnerstag von 10 Uhr bis = 0 Uhr und Freitag und Samstag von 10 Uhr bis 3 Uhr geöffnet. nach den Feststellungen der Steuerfahndung war die Klägerin am …. und … im Betrieb anwesend.
7
Aus den vorliegenden Aufzeichnungen der Prostituierten errechnete das FA Umsätze in der Summe von … und …. Es ging aufgrund der vorgefundenen Unterlagen davon aus, dass der Klägerin durchschnittlich 3.000 € pro Tag als Umsatz zuzurechnen seien. und schätzte die Umsätze einschließlich Umsatzsteuer für das Streitjahr 2007 zunächst auf 540.000 € (180 Tage x 3.000 €).
8
Die Klägerin erklärte demgegenüber, sie erhalte von den Prostituierten lediglich 50 € täglich; weitere Umsätze erziele sie nicht. Weiterhin legte die Klägerin dar, dass die Vermietung ab 01.10.2009 nicht mehr durch sie, sondern durch B vorgenommen werde. Den unbestritten gebliebenen Feststellungen des FA zufolge liefen die Telefonanschlüsse und die Internetdomain zumindest bis Januar 2011 weiter auf den Namen der Klägerin.
9
Gegen den entsprechenden Änderungsbescheid des FA hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den das FA mit Einspruchsbescheid vom 06.07.2010 als unbegründet zurückgewiesen hat.
10
In der Einspruchsentscheidung hat das FA im Wesentlichen darauf verwiesen, dass die Klägerin diejenige gewesen sei, die nach außen mit den Kunden in Kontakt getreten sei. Außerdem sei die gesamte Werbung von der Klägerin (und ihrem Ehemann) in Auftrag gegeben worden; auch der Internetauftritt … und die gesamte Geschäftsabwicklung seien über die Klägerin erfolgt, sie habe die Kunden in Empfang genommen, die Prostituierten präsentiert und die Buchungen entgegen genommen. Die Preise aller Prostituierten seien einheitlich gewesen, Nachlässe hätten die Kunden mit der Klägerin vereinbaren müssen. Dies alles spreche für einen einheitlichen Geschäftsbetrieb. Auch wenn die Prostituierten das Geld vereinnahmt hätten, sei es letztlich die Klägerin gewesen, die die Kunden in Empfang genommen habe, die Prostituierten präsentiert und die Buchungen vorgenommen habe.
11
Hiergegen richtet sich die Klage.
12
Im Verlauf des Klageverfahrens hat das FA die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre geändert und den Tagesumsatz aus Prostitutionsumsätzen nur noch mit 2.500 EUR angesetzt.
13
Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie könne nicht als Unternehmerin i. S. d. § 2 Abs.1 UStG angesehen werden. An den Tageseinnahmen der Prostituierten sei die Klägerin nicht beteiligt. Die Präsenz der Klägerin während der Fahndungsprüfung an drei Tagen innerhalb von drei Jahren sei kein hinreichendes Indiz für eine Zurechnung der Umsätze. Grund für die gelegentliche Anwesenheit der Klägerin sei der Umstand, dass sie die einzige Person sei, die polnisch und deutsch spreche. Sie habe sich deshalb als „Ansprechpartnerin“ bereit erklärt, den Kundenkontakt zu moderieren. Soweit sie in Internetforen von Stammkunden als Empfangsdame oder „Chefin“ bezeichnet worden sei, rechtfertige dies ebenfalls keine juristische Beurteilung. Im Übrigen seien die Tagesaufzeichnungen der Prostituierten kein Nachweis für eine Zurechnung der Umsätze bei der Klägerin. Die Argumentation des FA sei widersinnig, denn ein „Betreiber“ eines Unternehmens werde es nicht zulassen Aufzeichnungen durch die Beschäftigten selbst vornehmen zu lassen. Vielmehr würde er selbst diese Aufzeichnungen vornehmen. Seitens der Klägerin sei dies jedoch nicht erfolgt.
14
Auch der in der Küche vorgefundene Geldkarton rechtfertige keine Zurechnung auf die Klägerin. Die bloße Existenz eines solchen Kartons sei kein Hinweis oder Beweis für eine Verbindung zur Klägerin. Die Prostituierten hätten vielmehr den Karton in der Küche als Sammelstelle verwendet, um es diebstahlsicher zu lagern. Am Ende des Tages seien dann die Einnahmen aufgeteilt worden. Entsprechendes gelte auch für die „einheitliche Preisgestaltung“. Die Prostituierten hätten ein Agreement getroffen und einheitliche Preise vereinbart, um gemeinsam zum Geschäftserfolg zu gelangen und nicht einen „Dumpingkampf“ führen zu müssen.
15
Die Klägerin bringt weiter vor, dass die vorgefundenen Aufzeichnungen es nicht rechtfertigten, von einer Tageseinnahme i. H. v. 2.500 € auszugehen. Das FA habe der Klägerin zu Unrecht die von den Prostituierten vereinnahmten Beträge zugerechnet. Es sei vielmehr so, dass die Antragstellerin den Prostituierten gegen Zahlung eines Betrages von 50 € täglich Räumlichkeiten zur Verfügung stelle. Hierüber seien mündliche Mietverträge geschlossen worden. Die im Betrieb der Klägerin beschäftigten Prostituierten zahlten keine weiteren Beträge an die Klägerin. Die vom FA vorgenommene Schätzung sei rechtsfehlerhaft. Die angenommenen Umsätze ergäben sich lediglich aus 3 Zetteln, die intern von Prostituierten erstellt worden seien. Im Übrigen sei es völlig lebensfremd, davon auszugehen, dass ein Bordell in der vorhandenen Größe einen Jahresumsatz von ca. 900.000 € erzielen könne.
16
Auch die Art und Weise der Werbung lasse keinen Rückschluss auf eine Unternehmereigenschaft der Klägerin zu. Die Klägerin sei zu keiner Zeit im Internet oder an anderer Stelle „nach außen“ aufgetreten. Daran ändere auch die Rechnungsadresse der Klägerin für den Telefonanschluss nichts. Im Übrigen habe die Klägerin – wie sich aus der in der mündlichen Verhandlung vorlegten Telefonrechnung der Deutschen Telekom vom 30.06.2008 ergebe – gerade inversen Rufnummernsuche und der Aufnahme in Kommunikationsverzeichnisse widersprochen.
17
Die Klägerin beantragt,
18

19
Der Beklagte beantragt,
20
die Klage abzuweisen.
21
Das FA verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass für die Streitjahre zutreffend die Umsätze unter Berücksichtigung einer Tageseinnahme von geschätzten 2.500 € angesetzt worden seien. Die Aufzeichnungen der Klägerin seien nicht geeignet, hinreichende Auskunft über ihre steuerlichen Angelegenheiten zu geben. Es könne deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass die im Betrieb der Klägerin tätigen Prostituierten lediglich 50 € am Tag an sie hätten abführen müssen.
22
Im Übrigen seien auch dann die erklärten Umsätze zu niedrig. Gehe man davon aus, dass täglich durchschnittlich 6 Prostituierte in dem Objekt X anwesend seien, so müsse sich daraus ein Umsatz von ca. 300 € pro Tag x 360 Tage/Jahr = 108.000 €/Jahr ergeben. Allerdings sei dieser von der Klägerin geschilderte Betriebsablauf nicht glaubhaft. Vielmehr müssten auch die Umsätze der Prostituierten der Klägerin als eigene Umsätze zugerechnet werden. Entscheidend sei, wer im Außenverhältnis zu den Gästen als Leistender in Erscheinung trete. Treten Bordelle oder bordellartige Betriebe gegenüber den Gästen in Erscheinung, seien die Betreiber als Unternehmer anzusehen. Die Prostituierten seien dann unabhängig von den Umständen des Einzelfalles entweder als Arbeitnehmer oder selbständige Subunternehmer anzusehen. Die Betreiber eines Bordells hätten in diesen Fällen neben den Mieten, den Entgelten für Eintritt, Getränke, Speisen und Hilfsmittel auch die gesamten Dirnenlöhne der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
23
Im Streitfall sei die gesamte Werbung von der Klägerin und ihrem Ehemann in Auftrag gegeben worden. Außerdem existiere zu Werbezwecken ein einheitlicher Internetauftritt. Darin würden nicht die einzelnen Prostituierten als solche werben. Als Kontaktmöglichkeiten seien eine einheitliche E-Mail-Adresse und eine einheitliche Telefonnummer …angegeben. Ein Direktkontakt zu einzelnen Prostituierten werde nicht beworben.
24
Für einen einheitlichen Geschäftsbetrieb spreche auch, dass die Preise aller Prostituierten einheitlich seien (50 € für 15 Minuten, 80 € für 30 Minuten, 150 € für eine Stunde etc.). Im Übrigen sei in der Küche … ein Karton gefunden worden, in dem sich Bargeld befunden habe. Nach Aussagen der Prostituierten vor den Beamten der Steuerfahndung hätten sie ihre Einnahmen in diesen Karton gelegt und dessen Inhalt am Abend wieder unter den einzelnen Prostituierten nach den von ihnen erwirtschafteten Einnahmen aufgeteilt. Diese Aussagen seien jedoch nicht glaubhaft. Wenn die Prostituierten tatsächlich selbst die gesamten Einnahmen für ihre Dienste erhalten würden, sei dieser Zwischenschritt nicht notwendig und bei dem dann zu erwartenden Konkurrenzkampf unter den einzelnen Prostituierten auch widersinnig. Sie würden dann die Einnahmen sofort behalten und lediglich ihre Zimmermiete an die Klägerin abführen. Es bestünde demgemäß überhaupt keine Notwendigkeit, die Einnahmen mit den Einnahmen der anderen Prostituierten zunächst zusammenzuführen, um sie dann am Abend wieder zu teilen. Bei den geschätzten Tageseinnahmen seien nur die Einnahmen aus der Tätigkeit der Prostituierten zugrunde gelegt worden.
25
Zu berücksichtigen sei zudem, dass Einnahmen aus dem Verkauf von Getränken, dem von der Klägerin angebotenen Escortservice und Hausbesuchen vom FA bei seiner Schätzung nicht berücksichtigt seien, die tatsächlichen Umsätze also tatsächlich eher noch höher ausgefallen seien. Des Weiteren seien die beiden Tage … solche, an denen das Objekt X von 10:00 Uhr – 0:00 Uhr geöffnet habe. Freitags und samstags sei dagegen 3 Stunden länger – bis 3:00 Uhr – geöffnet. Typischerweise dürften am Wochenende auch mehr Kunden die angebotenen Leistungen in Anspruch nehmen und daher die Tageseinnahmen deutlich höher ausfallen. Nach alldem sei eine Schätzung der täglichen Umsätze in Höhe von durchschnittlich 2.500 € noch im unteren Bereich des Schätzungsrahmens.
26
Wenn die Klägerin im Übrigen in Internetforen als „Chefin“ bezeichnet werde, belege dies gerade ihre Wirkung nach außen, mithin ihre Unternehmerstellung.
Entscheidungsgründe
27
Die Klage ist teilweise begründet.
28
Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2007 bis 2009 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
29
Zutreffend hat das FA zwar die Umsätze der Prostituierten der Klägerin als Unternehmerin (§ 2 Abs. 1 UStG) zugerechnet; allerdings erachtet der erkennende Senat die vom FA vorgenommene Schätzung als zu hoch.
30
1. Zurechnung der Umsätze
31
Nach Auffassung des Senats ist das FA zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin die gesamten Tageseinnahmen (einschließlich der Einnahmen der Prostituierten) zuzurechnen sind. Die Klägerin muss deshalb hinsichtlich der Gesamtumsätze als Unternehmerin i. S. d. § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz – UStG – angesehen werden.
32
Nach § 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Steuerschuldner ist grundsätzlich der Unternehmer (§ 13 a Abs. 1 UStG), der die Leistung erbracht hat. Leistender ist grundsätzlich derjenige, der im eigenen Namen Lieferungen oder sonstige Leistungen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde im Außenverhältnis gegenüber Dritten im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen des anderen aufgetreten ist. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Dabei kommt es grundsätzlich darauf an, wer als Unternehmer nach außen hin auftritt (BFH-Urteil vom 11.10.1990 – V R 75/85, BStBl II 1991, 191; BFH-Urteil vom 09.09.1993 – V R 63/89, BFH/NV 1994, 589; BFH-Beschluss vom 20.02.2001 – V B 191/00, BFH/NV 2001, 1152).
33
Im Streitfall ist die Klägerin nach außen als Unternehmerin aufgetreten. Das ergibt sich zur Überzeugung des erkennenden Senats bereits daraus, dass in den Streitjahren zu Werbezwecken ein (einheitlicher) Internetauftritt … existierte. Als Kontaktmöglichkeiten wurde hierbei nicht nur eine einheitliche Adresse und eine einheitliche Telefonnummer des Objekts X angegeben. Hinzu kommt auch, dass ein Kontakt zu den einzelnen Prostituierten im Internetauftritt …nicht beworben wird. Auch die im Zusammenhang mit der Steuerfahndungsprüfung vernommenen Kunden … haben angegeben, dass die Klägerin die Verhandlungen geführt hat. Unerheblich ist nach Meinung des Senats, dass die Klägerin bei ihrem Telefonanschluss eine inverse Suche (sog. „Rückwärtssuche“) untersagt und einer Veröffentlichung in Kontaktmedien (z. B. Telefonbücher, Internetdatenbanken) widersprochen habe. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass die Klägerin sowohl eine Festnetznummer als auch eine unter ihrem Namen geführte Mobilfunknummer auf der Internetseite zu Werbezwecken ausgewiesen hatte und immer noch hat.
34
Für eine Zurechnung auf die Klägerin spricht auch, dass ausweislich des damaligen Internetauftritts und der vorgefundenen Aufzeichnungen eine einheitliche Preisgestaltung für alle Prostituierten vorgenommen wurde. Derartige Aufzeichnungen ergeben nur dann einen wirtschaftlichen Sinn, wenn sie einer Kontrolle durch den Betreiber des Unternehmens – in diesem Fall also der Klägerin – dienen sollen.
35
Ein weiteres Indiz für die Zurechnung der Umsätze auf die Klägerin ist auch ihre Präsenz vor Ort. Es mag zwar sein, dass diese Anwesenheit auch dazu diente, einen besseren Kontakt zwischen den Kunden und den vorwiegend polnisch sprechenden Prostituierten herzustellen; gleichwohl spricht dieses jedoch in erster Linie dafür, dass die Klägerin die Organisation und Zuteilung der Kunden zu einzelnen Prostituierten in den eigenen Händen halten wollte. Jedenfalls hat sich daraus eine Außenwirkung dergestalt ergeben, dass die Klägerin ausweislich der Beiträge in Internetforen regelmäßig als „Chefin“ bezeichnet wurde. Sie war danach diejenige, die die Fäden in der Hand hielt.
36
Für die Zurechnung der Gesamtumsätze an die Antragstellerin spricht entgegen der Auffassung der Klägerin, dass die Prostituierten die Einnahmen in einen Karton in der Küche sammelten. Es mag zwar sein, dass ein solcher Geldkarton einen „billigen Stilbruch“ der „erlesenen Geschäftsführung“ darstellt (so die Klägerin im Schriftsatz vom 14.01.2013, S. 4 oben). Die Einlassung der Prostituierten, sie würden diese Einnahmen am Ende des Arbeitstages wieder untereinander aufteilen, ist allerdings nicht schlüssig und ergibt keinen wirtschaftlichen Sinn. Würden die Prostituierten als selbständige Unternehmerinnen behandelt, wäre es widersinnig, wenn sie die Tageseinnahmen zunächst zusammenführten, um sie am Ende des Tages wieder untereinander aufzuteilen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass hier die Tageseinnahmen für die Klägerin gesammelt werden sollten.
37
Insgesamt ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin als Unternehmerin für die Gesamtumsätze anzusehen ist. Dies gilt auch für das gesamte Jahr 2009. Soweit die Klägerin vorbringt, ab 01.10.2009 habe ggfs. eine Zurechnung auf Frau B zu erfolgen, folgt der Senat dem nicht. Dagegen spricht, dass nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des FA zumindest die Internetdomain und die Telefonanschlüsse noch bis Januar 2011 auf den Namen der Klägerin lauteten. Es ist nicht ersichtlich, dass sich für Außenstehende ab Oktober 2009 etwas verändert hatte.
38
2. Höhe der zugerechneten Umsätze
39
Die vom FA vorgenommene Schätzung unter Zugrundelegung von 2.500 € pro Tag ist allerdings überhöht.
40
Im Grundsatz war das FA jedoch berechtigt, eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO vorzunehmen. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO ist das FA u. a. dann zur Schätzung befugt, wenn der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, dem FA nicht vorlegen kann. Im Streitfall hat die Klägerin keine Einzelaufzeichnungen über die Prostitutionsumsätze geführt. Sie hat damit gegen ihre Verpflichtung zur Aufzeichnungspflicht aus § 22 Abs. 1 UStG verstoßen. Unerheblich ist dabei, dass die Klägerin die Auffassung vertritt, die Umsätze der Prostituierten seien ihr nicht zuzurechnen, mit der Folge, dass sie entsprechende Aufzeichnungen nicht führen müsse. Der Grund, warum der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen nicht vorlegen kann, ist unerheblich. Ein Verschulden des Steuerpflichtigen ist keine Voraussetzung für eine Schätzung nach § 162 Abs.2 Satz 2 AO (Cöster, in Pahlke/Koenig, Kommentar zur AO, 2. Aufl., § 162 Rz. 61 m. w. N. auf die ständige Rechtsprechung des BFH).
41
In der Sache ist die vom FA vorgenommene Schätzung allerdings zu hoch angesetzt worden. Der Senat legt deshalb gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 AO seine eigene Schätzung zugrunde.
42
Im Streitfall ist die Schätzung des FA schon deshalb unzutreffend, weil es der Klägerin nicht nur die mit 2.500 € pro Tag angesetzten Umsätze der Prostituierten zurechnet, sondern darüber hinaus noch zusätzlich die von der Klägerin erklärten Vermietungsumsätze in Ansatz bringt. Diese Handhabung ist – auch nach dem Vorbringen des FA – unschlüssig, da man der Klägerin die Gesamtumsätze der Prostituierten zurechnen wollte. Darin enthalten waren aber nach allen Feststellungen der Steuerfahndung auch die Vermietungsumsätze (das „Eintrittsgeld“).
43
Im Einzelnen waren danach vorab aus den Schätzungen folgende Beträge auszuscheiden:
44
2007

2008

2009

45
Im Übrigen ist der Tagesumsatz mit 2.500 € pro Tag zu hoch angesetzt. Der Senat schätzt insofern den Umsatz mit täglich lediglich 1.800 €. Dabei muss berücksichtigt werden, dass das FA lediglich (angenommene) Umsätze von 2 Tagen im Jahr 2009 der Schätzung zugrunde gelegt hat. Es existieren keinerlei Feststellungen darüber, dass tatsächlich – wie vom FA angenommen – täglich bis zu 8 Prostituierte vor Ort … tätig waren. Möglich ist vielmehr auch, dass es zu bestimmten Tages- oder Jahreszeiten weniger Personen waren. Ein (Prüfungs-)Zeitraum von zwei Tagen im Juni 2009 kann jedenfalls nicht als repräsentativ angesehen werden. Das FA selbst hat im Übrigen vorgetragen, dass der „tatsächliche Bruttoumsatz“ zwischen 1.300 € und 3.405 € pro Tag liegen dürfte.
46
Gegen den Ansatz des unteren Rahmens spricht nach Auffassung des Senats, dass in der vom FA vorgenommenen Schätzung weitere Leistungen – wie z. B. Haus- und Hotelbesuche, Escortservice und Getränke – nicht enthalten waren.
47
Angesichts der geschilderten Unsicherheiten schätzt der Senat die täglichen Umsätze deshalb auf 1.800 €. Die Vorsteuerbeträge lässt der Senat unverändert, weil insoweit keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, dass die Beträge zu hoch oder zu niedrig angesetzt sind. Hinsichtlich der Jahre 2007 und 2009 folgt das Gericht insofern den Umsatzsteuererklärungen der Klägerin. Hinsichtlich des Jahres 2008 hat das FA abweichend höhere Vorsteuerbeträge angesetzt. Erkenntnisse über eine fehlerhafte Handhabung liegen insoweit nicht vor.
48
Hinsichtlich des Schätzungsumfangs hat die Klage mithin teilweise Erfolg. Im Übrigen war sie aus den genannten Gründen abzuweisen.
49
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

Umsätze aus Pensionspferdehaltung

Umsätze aus Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken unterliegen nur insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung, als der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist.

Niedersächsisches Finanzgericht 5. Senat, Urteil vom 14.02.2013, 5 K 281/11
Art 25 Abs 2 EWGRL 388/77, § 24 Abs 2 S 1 UStG, UStG VZ 2005
Tatbestand
1
Streitig ist, ob Zuchtleistungen eines Landwirts für Nichtlandwirte der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegen.
2
Der Kläger betreibt eine Pferdezucht mit 30 eigenen Pferden. Zusätzlich unterhält er eine Pferdepension für ca. 70 Pferde. Im Rahmen dieser Pension bietet er folgende Dienstleistungen an:
3
– Belegung der Stuten durch künstliche Besamung
4
– Abfohlung
5
– Aufzucht und Ausbildung der Fohlen
6
– Präsentation und Ausbildung für Pferdeschauen und Leistungsprüfungen
7
– Beratung über die Zuchtmöglichkeiten
8
– Betreuung (Futter, Stall, Auslauf, Tierarzt während der Trächtigkeit und bei und nach der Geburt)
9
– Hilfe beim Kauf oder Verkauf von Pferden.
10
Der gesamte Zuchtprozess gliedert sich im Wesentlichen wie folgt:
11
1. Abschnitt
12
Die Stuten werden künstlich belegt. Sie sind dann 11 Monate trächtig und werden während dieser Zeit umfangreich betreut. Neben der täglichen Bewegung, Fütterung und Pflege der Pferde findet insbesondere eine regelmäßige Trächtigkeitskontrolle statt.
13
2. Abschnitt
14
Während der Geburt findet eine Geburtshilfe statt. Die Geburt wird auch elektronisch überwacht und begleitet. Auch eine Intensiv- und Frühchenversorgung wird durchgeführt.
15
3. Abschnitt
16
In den ersten sechs Monaten nach der Geburt verbleibt das Fohlen bei der Stute. In dieser Zeit wird die Stute wieder neu belegt. Das Fohlen wird versorgt, erhält ein Pflichtkennzeichen (sog. Fohlenbrennen) und wird zur ersten Klassifizierung einer Prämierungsvorführung unterzogen.
17
4. Abschnitt
18
Im siebten Lebensmonat wird das Fohlen von der Mutter getrennt. Die Fohlen werden nach Geschlecht getrennt und in Gruppenhaltung aufgezogen. Die Aufzucht dauert bis zum 2. Lebensjahr des Fohlens.
19
5. Abschnitt
20
In diesem Abschnitt beginnt die Auslese. Die Hengste werden zwecks Körung nach Qualität sortiert. Soll ein Hengst zur Zucht eingesetzt werden, so ist der erste Schritt die Körung, die eine Vorauswahl zur Hengstleistungsprüfung darstellt. Die zur Körung vorgesehenen Hengste werden zur Ausbildung und Vorbereitung auf die Körung an ein eigens dafür geeignetes Unternehmen abgegeben. Nach etwa vier Monaten entscheidet sich, welches Pferd zur Körung zugelassen ist (ca. 25 v. H.). Von den nicht zur Körung zugelassenen Hengsten kommt erfahrungsgemäß jedes zweite Pferd zurück auf den Hof des Klägers. Diese und die nicht zur Körung abgegebenen Hengste werden im Alter von 2 1/2 Jahren kastriert.
21
6. Abschnitt
22
Im Alter von ca. 3 Jahren beginnt die Grundausbildung der Stuten und Wallache. Die Stuten werden für die Stutenleistungsprüfung (vier- bis fünfmonatigen Grundausbildung) vorbereitet. Nach der abgelegten Stutenleistungsprüfung endet die Ausbildung. Die Stutenleistungsprüfung ist Grundlage für die Zucht und die Prämierung der Stute durch die Zuchtverbände. Die belegten Stuten gehen anschließend in die Herde (siehe Abschnitt 1) und die nicht belegten Stuten an den Eigentümer zurück. Die Wallache gehen nach einer vier bis fünfmonatigen Grundausbildung ebenfalls zurück an den Eigentümer.
23
Der Kläger hat mit den jeweiligen Pferdeeinstellern Pensionsverträge abgeschlossen. Der monatliche Pensionspreis betrug ausweislich der vom Kläger unter dem 11.02.2013 vorgelegten Abrechnungen durchschnittlich 185,– € pro Stute. Sofern – wie regelmäßig – zusätzliche Leitungen vom Kläger oder von Dritten (z. B. Hufschmied) erbracht wurden, sind diese jeweils monatlich vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt worden. Die Tierarztleistungen sind den Pferdeeinstellern regelmäßig direkt in Rechnung gestellt worden.
24
Zu den Kunden des Klägers zählen Landwirte, gewerbliche Pferdezüchter, Privatpersonen und ausländische Bürger aus EU-Staaten.
25
In der Zeit vom 7. April 2008 bis zum 19. November 2009 fand beim Kläger eine landwirtschaftliche Betriebsprüfung statt. Der Prüfer beurteilte die vom Kläger erbrachten Dienstleistungen an Nichtlandwirte als einheitliche Pensionsleistung, die außerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes erbracht und damit nicht der Durchschnittsbesteuerung unterliege. Die darauf entfallenden Umsätze in Höhe von 193.013,61 € unterwarf er der Regelbesteuerung. Die Umsätze aus der Unterbringung von Pferden, deren Eigentümer Land- und Forstwirte sind, wurden vom Prüfer unverändert der Durchschnittssatzbesteuerung unterworfen.
26
Bei der Ermittlung der Vorsteuern wurde im Vorfeld geklärt, dass 30 v. H. der gesamten Vorsteuern auf die eigene Pferdezucht und -haltung entfallen. Auf den Gesamtbereich der untergestellten Fremdpferde entfallen damit 70 v. H. Da der Kläger aus dem Ankauf von Heu, Hafer und Grundfutter zu Unrecht 16 v. H. (statt 7 v. H.) herausgerechnet hatte. nahm der Prüfer eine entsprechende Korrektur der Vorsteuern vor. Außerdem wurde bei den Vorsteuern ein Abzug von 10,91 v. H. vorgenommen. Diese Quote entsprach dem Verhältnis der Pensionsumsätze (brutto) der landwirtschaftlichen zu den nichtlandwirtschaftlichen Pferdeeinstellern (24.448,– € zu 223.895,79 €).
27
Gegen den aufgrund der Prüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 18. März 2010 wendet sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage.
28
Er trägt vor, dass die hier streitigen Umsätze nach der Durchschnittsbesteuerung gemäß § 24 UStG zu besteuern seien. Nach § 24 UStG seien Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe als landwirtschaftliche Betriebe anzusehen, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51 a BewG zur landwirtschaftlichen Nutzung gehörten. Das Gesetz stelle insoweit allein darauf ab, ob der jeweilige Betrieb für die gehaltenen Tiere eine ausreichende Futtergrundlage biete. Da der Betrieb des Klägers mit seinen 30 ha eine ausreichende Futtergrundlage für die Pferde und Fohlen biete, liege ein landwirtschaftlicher Betrieb vor. Die Eigentumsfrage der Pferde spiele bei der Tierzucht und -haltung keine Rolle.
29
Die von ihm geschuldete Hauptleistung bestehe darin, Pferde zu züchten. Damit in Zusammenhang erbringe er als Nebenleistung die Versorgung der Pferde durch Unterkunft, Füttern, Pflege und Auslauf. Nach Ansicht des BFH fielen Leistungen wie das Einstellen und Betreuen von Reitpferden nicht unter den Begriff „Halten von Vieh“ i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG und auch nicht unter die Durchschnittsbesteuerung, wenn die Reitpferde zur Ausübung des Freizeitsports genutzt würden. Anders als in den vom BFH entschiedenen Fällen stünden die Reitanlagen des Klägers den Pferdebesitzern gerade nicht zur Ausübung ihrer Reit- und Freizeitaktivitäten zur Verfügung. Vielmehr dienten die Reitanlagen des Klägers ausschließlich der Betreuung und Ausbildung der Pferde im Rahmen der oben dargestellten Zucht.
30
Die erbrachten Zuchtleistungen unterfielen auch der Pauschalbesteuerung nach Art. 25 der 6. EG-Richtlinie, die bei der Auslegung des § 24 UStG zu berücksichtigen sei. Nach Art. 25 Abs. 2 1. Spiegelstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelte als landwirtschaftlicher Erzeuger ein Steuerpflichtiger, der seine Tätigkeit im Rahmen eines der in Art. 25 angeführten Betriebe ausübe. Nach Art 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich i. V. m. Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG stelle auch ein Betrieb, der die dort aufgezählten Dienstleistungen erbringe, einen landwirtschaftlichen Betrieb dar. Als Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, seien gerade das Hüten, die Zucht und das Mästen von Vieh im Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG genannt. Damit stelle ein Zuchtbetrieb einen eigenständigen landwirtschaftlichen Betrieb dar, dessen landwirtschaftliches Produkt eben die Fohlen seien.
31
Da die landwirtschaftlichen Dienstleistungen auf die eigene landwirtschaftliche Produktion des Klägers gerichtet seien, komme es nicht darauf an, wer letztlich der jeweilige Leistungsempfänger sei. Vielmehr sei dem Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil vom 05.11.2009, 16 K 10340/07 – Rz. 36) darin zuzustimmen, dass auch eine landwirtschaftliche Dienstleistung an einen Nichtlandwirt zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen und damit landwirtschaftlichen Zwecken dienen könne.
32
Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Bundesfinanzhof (Urteil vom 13.01.2011 – V R 65/09) die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts aufgehoben habe. Zum einen habe der BFH nicht zu der Frage Stellung genommen, ob landwirtschaftliche Dienstleistungen nur dann unter die Durchschnittssatzbesteuerung fielen, wenn sie an Landwirte erbracht würden. Zum anderen habe der BFH klargestellt, dass § 24 UStG anwendbar sei, wenn es sich – wie hier – um Zucht- oder Arbeitspferde handele.
33
Der Kläger beantragt,
34
den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 18. März 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2011 dahingehend zu ändern, dass Umsätze in Höhe von 193.013,61 € des klägerischen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nach der Durchschnittsbesteuerung des § 24 UStG besteuert werden.
35
Der Beklagte beantragt,
36
die Klage abzuweisen.
37
Landwirtschaftliche Zuchtleistungen erbringe der Kläger nur gegenüber seinen eigenen Pferden bzw. Pferden anderer Landwirte. Nur insoweit handele es sich um landwirtschaftlich Tierzucht und -haltung. Bei den züchterischen Dienstleistungen, die er gegenüber den Pferden der „privaten Pferdebesitzer“ (Nichtlandwirte) erbringe, handele es sich nicht um Dienstleistungen, die für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt seien, sondern um Pferdepensionsleistungen. Hierzu habe der BFH (Urteil vom 22.01.2004 V R 41/02) ausgeführt:
38
„Eine Dienstleistung, die in der Regel für den Einsatz in der landwirtschaftlichen Erzeugung bestimmt ist, könnte beispielsweise vorliegen, wenn Zuchtpferde eines Gestüts oder land- oder forstwirtschaftliche Arbeitspferde untergestellt werden“
39
Bei den eingestellten Pferden der „privaten Pferdebesitzer“ handele es nicht um Zuchtpferde eines (landwirtschaftlichen) Gestüts oder um land- oder forstwirtschaftliche Arbeitspferde. Diese ergebe sich bereits daraus, dass die „privaten Pferdebesitzer“ als Empfänger der Dienstleistungen des Klägers mangels einer eigenen landwirtschaftlich genutzten Fläche keine Landwirtschaft betrieben.
40
Das „Hüten und die Zucht von Vieh“ gehöre zwar zu den landwirtschaftlichen Dienstleistungen nach Art 25 Abs. 2 5. Spiegelstrich i. V. m. Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG. Befreit seien danach aber nur solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen würden landwirtschaftliche Erzeuger, also Personen, die ihre Tätigkeiten im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausübten. Nichtlandwirte übten keine entsprechende Tätigkeit aus mit der Folge, dass die an diese Personen erbrachten Dienstleistungen nicht unter § 24 UStG fielen.
Entscheidungsgründe
41
Die Klage ist unbegründet.
42
Der Beklagte hat zu Recht die streitbefangenen Umsätze als der Regelbesteuerung und dem allgemeinen Steuersatz unterliegende Umsätze behandelt. Die Voraussetzungen des § 24 UStG liegen bezüglich der Umsätze aus der „Pensionspferdehaltung“ nicht vor.
43
1. Die Durchschnittssatzbesteuerung gilt gemäß § 24 UStG grundsätzlich für alle „im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze“. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG
44
„1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die Wanderschäferei sowie die Saatzucht;
45
2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören“.
46
§ 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH richtlinienkonform entsprechend Art. 25 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) auszulegen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 13. Januar 2011 V R 65/09, BStBl II 2011, 465, vom 19. November 2009 V R 16/08, BStBl II 2010, 319; vom 13. August 2008 XI R 8/08, BStBl II 2009, 216).
47
2. Nach Art. 25 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der Richtlinie 77/388/EWG auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den Pauschallandwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere nach dem vierten Gedankenstrich dieser Bestimmung „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“.
48
Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung (EuGH-Urteile vom 15. Juli 2004 C-321/02, Harbs, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnrn. 31 und 36, sowie vom 26. Mai 2005 C-43/04, Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 21). Weiter sind die von Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG verwendeten Begriffe in der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen (EuGH-Urteil Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 24). Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist (EuGH-Urteile Harbs, BFH/NV Beilage 2004, 371 Rdnr. 27, und Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 27). Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen. Als „landwirtschaftliche Dienstleistungen“ sind daher nicht Leistungen anzusehen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen (EuGH-Urteile Harbs, BFH/NV 2004, 371 Rdnr. 31, und Stadt Sundern, BFH/NV Beilage 2005, 320 Rdnr. 29).
49
3. Der Kläger hat gegenüber den Einstellern der Pensionspferde zu Zuchtzwecken keine Lieferungen, sondern jeweils einheitliche sonstige Leistungen gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG (Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG) erbracht.
50
a) Nach § 3 Abs. 1 UStG, der Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG umsetzt, sind Lieferungen eines Unternehmens Leistungen, durch die dieser den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen oder Dienstleistungen im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Werden mehrere unterschiedliche Leistungen zusammenhängend erbracht, so liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen als Nebenleistungen zu beurteilen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für den Verbraucher zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Diese Grundsätze gelten auch im Verhältnis zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen/Dienstleistungen (vgl. u. a. BFH-Urteile vom 15. Januar 2009 V R 91/07, BFH/NV 2009, 865 und vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH-NV 2008, 1712 mit weiteren Nachweisen).
51
b) Im Streitfall hat der Kläger gegenüber den Einstellern zum einen die für Pensionspferdehaltung üblichen Leistungen wie Unterbringung und Versorgung der Tiere in Form der Fütterung, des Tränkens, der Fell- und Hufpflege und der Bewegung der Tiere erbracht. Zum anderen hat er – und dadurch unterscheidet sich der Streitfall von der üblichen Pferdepension zu Reitsportzwecken – die im Sachverhalt dargestellten züchterischen Leistungen erbracht. Beide Leistungen (Pensions- und Zuchtleistungen) stellen unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsverbrauchers einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang dar, dessen einzelne Leistungsbestandteile derart eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare Leistung bilden. So konnte der Kläger die Zuchtleistungen an den Fremdpferden der Einsteller nur erbringen, wenn er deren Tiere in Pension nimmt. Pension und Zuchtleistungen sind besonders aufeinander abgestimmt (spezielles Futter für Stuten und Fohlen, Bewegung und Kontrolle der Stuten während der Trächtigkeit, Geburtsbegleitung durch fachliche und elektronische Überwachung, Aufzucht der Fohlen in Gruppenhaltung, Ausbildung auf den hofeigenen Reitanlagen, etc.) und untrennbar miteinander verbunden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass für die Pension ein fester monatlicher Betrag (185,– € pro Stute) geschuldet und zusätzliche Zuchtleistungen vom Kläger gesondert in Rechnung gestellt wurden.
52
c) In diese vom Kläger erbrachte einheitliche „Pensionsleistung“ zu Zuchtzwecken geht sowohl die von ihm erfolgte Lieferung von selbst erzeugtem oder zugekauftem Futter, als auch die evtl. Lieferung auf dem Hof produziertem Heu und Stroh unter. Die Lieferungen sind lediglich Teil der Gesamtleistung „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken und versetzen den Kläger (lediglich) in die Lage, seinen Pflichten aus den „Pensionsverträgen“ unter optimalen Bedingungen nachzukommen. Sie stellen damit unselbständige Nebenleistungen zur Hauptleistung dar und teilen deren Schicksal.
53
4. Der Kläger hat mit den „Pensionsleistungen“ zu Zuchtzwecken keine landwirtschaftlichen Dienstleistungen im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG erbracht. Nach Art. 25 Abs. 2 5. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG sind landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Nach Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG („Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen“) gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, insbesondere:
54
– Arbeiten des Anbaus, der Ernte, des Dreschens, des Pressens, des Lesens und Einsammelns, einschließlich des Säens und Pflanzens;
55
– Verpackung und Zubereitung, wie beispielsweise Trocknung, Reinigung, Zerkleinerung, Desinfektion und Einsilierung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
56
– Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse;
57
– Hüten, Zucht und Mästen von Vieh;
58
– Vermietung normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeter Mittel zu landwirtschaftlichen Zwecken;
59
– technische Hilfe;
60
– Vernichtung schädlicher Pflanzen und Tiere, Behandlung von Pflanzen und Böden durch Besprühen;
61
– Betrieb von Be- und Entwässerungsanlagen;
62
– Beschneiden und Fällen von Bäumen und andere forstwirtschaftliche Dienstleistungen.
63
a) Die vom Kläger gegenüber den Einstellern jeweils erbrachte (einheitliche) sonstige Leistung/Dienstleistung gehört nicht zu den in dem Katalog aufgeführten Dienstleistungen. Auch die unter Spiegelstrich 4 aufgeführten Leistungen „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ sind nicht einschlägig, denn nach dem Einleitungssatz zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen (nur) solche Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen. Zudem ist zu beachten, dass – wie bereits ausgeführt – die Vorschrift restriktiv auszulegen ist. Der EuGH hat in dem Urteil vom 26. Mai 2005 (Rs. C-43/04 -Stadt Sundern-, BFH/NV 2005 Beilage 4, 320) ausgeführt, dass eine Dienstleistung, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dient und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel bezieht, weder der Art noch dem Ziel der Regelung entspricht.
64
Nach Ansicht des Senats setzt das Tatbestandsmerkmal „Hüten, Zucht und Mästen von Vieh“ unter Berücksichtigung des Einleitungssatzes zu Anhang B der Richtlinie 77/388/EWG voraus, dass der jeweilige Leistungsempfänger der „Pensionsleistung“, mithin im Streitfall der jeweilige Einsteller der Pferde, selbst ein landwirtschaftlicher Erzeuger im Sinne des Art. 25 der Richtlinie 77/388/EWG ist, denn eine „Pensionsleistung“ an einen Nichtlandwirt trägt nicht zur landwirtschaftlichen Produktion bei, dient keinen landwirtschaftlichen Zwecken (so ausdrücklich FG Münster, Urteil vom 18. August 2009 15 K 3176/05 U, EFG 2009, 1979; so wohl auch FG Düsseldorf, Urteil vom 13. Februar 2009 1 K 107/08, EFG 2009, 877 und die Finanzverwaltung in Abschnitt 24.3 Abs. 5 Satz 6 und Abs. 11 Satz 2 UStAE sowie Windecker in Plückebaum/Widmann, UStG, § 24 Rz 148f; anderer Auffassung: Niedersächsisches FG, Urteil vom 5. November 2009 16 K 10340/07, juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 14.06.2011 6 K 2287/09, EFG 2011, 2025, Revision: XI R 27/11 – Klärschlammtransporte für Samtgemeinde).
65
Als landwirtschaftliche Erzeuger gelten solche Betriebe, die eine der in Art. 25 Abs. 2 Spiegelstrich 1 und 2 i. V. m. Anhang A der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten ausüben, d. h. die unter anderem Tierzucht und Tierhaltung in Verbindung mit der Bodenbewirtschaftung betreiben. Eine private bzw. gewerbliche Tierzucht der Einsteller ohne Bodenbewirtschaftung fällt hingegen nicht unter die Tätigkeiten der landwirtschaftlichen Erzeugung. Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu Recht die Einstellumsätze, die an Nichtlandwirte erbracht wurden, der Regelbesteuerung unterworfen.
66
b) Die „Pensionsleistungen“ des Klägers sind nicht „Teil seiner eigenen Pferdezucht“ und stehen mit dieser auch nicht unmittelbar in Verbindung.
67
Zwar betreibt der Kläger mit seinen eigenen Pferden eine landwirtschaftliche Pferdezucht. Unstreitig ist auch, dass der eigene Tierbestand zusammen mit den eingestellten Fremdpferden die nach der Größe der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Betriebs (ca. 30 ha) mögliche Zahl der Vieheinheiten (276 VE) nicht übersteigt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die vom Kläger durchgeführte Zucht von fremdem Vieh nicht als eigene landwirtschaftliche Erzeugung sondern als landwirtschaftliche Dienstleistung zu beurteilen ist. Anders als bei der eigenen Zucht stehen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Fohlen) aus dem „Pensionszuchtbetrieb“ auch nicht dem Kläger sondern dem jeweiligen Einsteller zu.
68
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
69
6. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Prozesskostenhilfeverfahren: Kindergeldbezug für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind

Eine Drogentherapie im Jugendstrafvollzug führt per se nicht zur Kindergeldberechtigung.

Klage nach diesem Beschluss zurückgenommen.

Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Beschluss vom 28.11.2012, 2 K 240/12

§ 32 Abs 4 EStG, § 62 Abs 1 EStG

Gründe

I.

1
Die Klägerin begehrt die Fortzahlung von Kindergeld für ihren Sohn über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. Dieser ist durch Urteil des Jugendschöffengerichts wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes zu einer Einheitsjugendstrafe verurteilt worden. Er ist im geschlossenen Jugendstrafvollzug inhaftiert. Aufgrund seiner Drogensucht nimmt er dort an der anstaltsinternen Suchttherapie teil und wird arbeitstherapeutisch beschäftigt. Das Behandlungsende ist noch nicht absehbar; nach der Entlassung plant er die Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen zu erwerben und eine Beschäftigung im Güterverkehr zu finden.

2
Die Klägerin ist entgegen der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung der Meinung, dass die Suchttherapie ihres Sohnes als ausbildungsvorbereitende Maßnahme zur Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG führe. Ohne die Therapie könne ihr Sohn keine Ausbildung beginnen.

3
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

II.

4
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen.

5
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

6
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe kommt es wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991, II S 15/90, BStBl. II 1991, 366 m.w.N.).

7
2. Nach dieser Prämisse hat die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg. Der Beklagte ist in dem angefochtenen Aufhebungsbescheid zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für ihren Sohn kein Kindergeld mehr zusteht.

8
a) Eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG (arbeitssuchende Kinder unter 21 Jahren) kommt wegen der Inhaftierung und der ersichtlich fehlenden entsprechenden Meldung bei der Agentur für Arbeit nicht in Betracht (vgl. Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 12. Februar 2008, 4 K 435/06, EFG 2008, 1393f.).

9
b) Eine Suchterkrankung eines volljährigen Kindes als solche ist kein Tatbestand, der zu einer Kindergeldberechtigung führt. Die Behandlung dieser Sucht dient ersichtlich der Verbesserung der Gesundheit und auch der Verhinderung weiterer Delinquenz.

10
aa) Die Suchtbehandlung ist keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG. Dies ist nur eine ernstlich betriebene, konkrete Vorbereitung auf einen künftigen Beruf im Sinne des Erwerbs von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs oder diesbezügliche (Weiter-)Qualifizierungen, nicht aber allgemeine Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes oder der sozialen Kompetenz (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, Rz. 26 m.w.N., DA-FamEStG 63.3.2.1.1). Mithin dürfte (erst) der nach der Haftentlassung angestrebte Erwerb der Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG anzusehen sein.

11
Schon wegen der insgesamt nur zweijährigen Haftzeit ist – auch unter Würdigung des vorgelegten Erziehungs- und Förderplans – nicht ersichtlich, dass die Drogentherapie integraler Bestandteil einer konkreten, zur Kindergeldberechtigung führenden, Berufsausbildung im Jugendstrafvollzug sein könnte.

12
bb) Aus der Teilnahme an der Suchtbehandlung lässt sich auch keine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG (keine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes) ableiten.

13
Eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG kommt nur in Betracht, wenn ein ausbildungsfähiges Kind nur wegen Fehlens eines Ausbildungsplatzes keine Ausbildung beginnen oder fortsetzen kann. Fehlt dem Kind die objektive Fähigkeit zu der angestrebten Ausbildung, besteht kein Kindergeldanspruch (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2003, VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473; FG Sachsen-Anhalt, a.a.O.; Loschelder, a.a.O., Rz. 33 m.w.N., DA-FamEStG 63.3.4). Genau dies ist der Fall. Wohl auch wegen seiner Drogensucht, aber vor allem wegen seiner Inhaftierung kann der Sohn der Klägerin gegenwärtig keine Ausbildung beginnen; insbesondere der von ihm angestrebte Erwerb der Fahrerlaubnis wird erst möglich sein, wenn er die Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat.

14
c) Eine Drogensucht des Kindes kann als Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG allerdings zu einem Kindergeldanspruch, sogar über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus, führen.

15
Dass die gegenwärtige Drogensucht hierfür ausreichen könnte (vgl. zu den diesbezüglichen Erfordernissen BFH-Beschluss vom 30. November 2005, III B 117/05, BFH/NV 2006, 540ff.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 2004, 5 K 2618/03, EFG 2004, 1627f.; FG Hamburg, Urteil vom 5. August 2008, 3 K 117/07, EFG 2010, 1052ff.), ist aus der beigezogenen Kindergeldakte und den bisher vorgelegten weiteren Unterlagen, die allesamt nicht von einem Arzt stammen oder die Anerkennung als Schwerbehinderten umfassen (vgl. zu diesen Nachweiskriterien Loschelder, a.a.O., Rz. 39, DA-FamEStG 63.3.6.2 Abs. 1), nicht ersichtlich.

16
Zudem würde ein entsprechender Kindergeldanspruch auch daran scheitern, dass hierfür erforderlich ist, dass das (volljährige) behinderte Kind sich wegen seiner Behinderung nicht selbst unterhalten kann. Dies ist bei inhaftierten Kindern nicht der Fall; bei einer Inhaftierung ist diese und nicht eine etwaige Behinderung ursächlich für die fehlende Möglichkeit zur Deckung des eigenen Existenzminimums (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2009, III B 47/08; BFH/NV 2009, 929f.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Januar 2010, 6 K 2465/08, EFG 2010, 658f.; Loschelder, a.a.O., Rn. 47).

Kapitalgesellschaften – Verdeckte Gewinnausschüttung: Überweisung auf Privatkonto des Gesellschafter-Geschäftsführers

Bei einer Kapitalgesellschaft ist der betriebliche Bereich vom privaten Bereich des Gesellschafter-Geschäftsführers strikt zu trennen. Überweisen Schuldner einer GmbH zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten nämlich Geld auf das private Konto desGesellschafter-Geschäftsführers, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, die zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führt. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer in der Folge von seinem privaten Konto an die GmbH gerichtete Rechnungen begleicht und die Zahlungsvorgänge in der Buchhaltung der GmbH erfasst werden (FG Baden-Württemberg 8.2.12, 4 K 3064/10, Rev. BFH VIII R 11/12).

Überweisung eines Schuldners einer GmbH auf das private Konto des Gesellschafters istTrotz anschließender Weiterleitung der Beträge (ohne vertragliche Vereinbarung) an die GmbHeine vGA

 Leitsatz

1. Überweisen Schuldner der GmbH zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten Geld auf das private Konto des Gesellschafters der GmbH, liegt eine vGA auch dann vor, wenn der Gesellschafter in der Folge von seinem privaten Konto an die GmbH gerichtete Rechnungen begleicht und die Zahlungsvorgänge in der Buchhaltung der GmbH erfasst werden.

2. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung zwischen der GmbH und dem Gesellschafter in Bezug auf die dem privaten Bankkonto gutgeschriebenen Beträge fehlt, so dass die Verwendung der Gelder im Belieben des Gesellschafters steht.

 Gesetze

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2

 Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte (Bekl) zu Recht eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) an den Kläger (Kl) angenommen hat.

Die Kl sind Eheleute, die für das Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt wurden. Der Kl war im Streitjahr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH. Die Klägerin (Klin) war im Streitjahr als Altenpflegerin nichtselbständig tätig und erzielte einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 23.842 EUR.

Im April 2007 wurde bei der X GmbH mit einer Betriebsprüfung begonnen, die u.a. die Körperschaftsteuer (KSt) für die Jahre 2003 bis 2005 zum Gegenstand hatte. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die spanische Firma Y in den Monaten November und Dezember 2005 mehrere ihr von der X GmbH in Rechnung gestellte Beträge in Höhe von insgesamt 64.986 EUR nicht auf das in den Rechnungen angegebene Konto der X GmbH bei der A-Bank, sondern auf das gemeinsame Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank überwiesen hatte. Im geänderten Prüfungsbericht vom 24. November 2009 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die genannten Zahlungseingänge auf dem Privatkonto der Kl als vGA in Höhe von 64.986 EUR an den Kl zu bewerten seien. In Tz. 30, Buchst. b) des genannten Prüfungsberichts begründete er die Annahme einer vGA wie folgt:

„  Zahlungen Y

Im November und Dezember 2005 erfolgten Zahlungseingänge auf dem privaten Bankkonto von Herrn O (Kl). Diese Zahlungseingänge wurden als Bareinzahlungen in der Kasse verbucht, obwohl die Einzahlungen in die Kasse nicht erfolgten. Da die Zahlungseingänge ohne rechtlichen Grund auf dem privaten Bankkonto verblieben, waren diese Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen i.S.d. § 8 Abs. 3 KStG anzusetzen.”

Ferner stellte der Prüfer fest, dass von dem genannten Konto der Kl bei der B-Bank umgekehrt auch an die X GmbH gerichtete Rechnungen von Lieferanten usw. bezahlt worden waren. Diese Zahlungen vom Konto der Kl zugunsten der GmbH bewertete der Prüfer als verdeckte Einlagen des Kl. In Tz. 31 des Prüfungsberichts vom 24. November 2009 führte er diesbezüglich Folgendes aus:

Einlagen, die das Nennkapital nicht erhöht haben

 

   2005

 Wert vor Prüfung

 0.00 Euro

 Wert lt. Prüfung

 37.604,00 Euro

 Differenz

 37.604,00 Euro

 

Ab dem 04.11.2005 (erster Zahlungseingang von betrieblichen Erträgen auf dem privaten Bankkonto) wurden Barauszahlungen aus der Kasse verbucht, obwohl auf Grund des tatsächlichen Kassenbestands diese nicht möglich waren. Die gebuchten Auszahlungen erfolgten somit vom privaten Bankkonto (Hinweis auf Tz. 19). Es handelt sich somit um verdeckte Einlagen, die den Gewinn mindern. Diese verdeckten Einlagen erhöhen die Anschaffungskosten der Beteiligung des Gesellschafters.”

In der in Bezug genommenen Tz. 19 führte der Prüfer Folgendes aus:

 

 „  Kasse

   31.12.2005

 Wert vor Prüfung

 27.381,59 Euro

 Wert lt. Prüfung

 0,00 Euro

 Differenz

 -27.381,59 Euro

 

Im November und Dezember 2005 erfolgten Zahlungseingänge auf dem privaten Bankkonto von Herrn O (Kl). Diese Zahlungseingänge wurden als Bareinzahlungen in der Kasse verbucht, obwohl die Einzahlungen in die Kasse nicht erfolgten. Ebenso wurden ab dem 04.11.2005 (erster Zahlungseingang auf privatem Bankkonto) Barauszahlungen aus der Kasse verbucht, obwohl auf Grund des tatsächlichen Kassenbestands diese nicht möglich waren. Die gebuchten Auszahlungen erfolgten somit vom privaten Bankkonto.

Der Kassenbestand zum 31.12.2005 war deshalb mit 0,00 EUR anzusetzen. Weitere Ausführungen vgl. Tz. 30 und 31).”

Schon vor Erstellung des vorstehend erwähnten geänderten Prüfungsberichts vom 24. November 2009 teilte der Prüfer der Veranlagungsstelle des Bekl mit Kontrollmitteilung vom 25. März 2008 (Bl. 8 der ESt-Akten 2005) mit, dass seiner Auffassung nach für das Jahr 2005 eine vGA in Höhe von 64.986 EUR als Einnahme bei den Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sei und dass die Anschaffungskosten der Beteiligung an der X GmbH um 37.604,00 EUR zu erhöhen seien. Der Kontrollmitteilung war ein Auszug aus einer früheren Fassung des Prüfungsberichts beigefügt, die unter den Tz. 34 und 35 bereits die Texte der späteren Tz. 30 und 31 des Prüfungsberichts vom 24. November 2009 enthielt.

Der Bekl schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und setzte in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 10. April 2008 bei der Ermittlung der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen Einnahmen in Höhe von 32.493 EUR (= 64.986 EUR × 1/2) an. Den Bruttoarbeitslohn der Klin setzte der Bekl mit 23.842 EUR an. Im Übrigen schätze er die Besteuerungsgrundlagen, da die Kl bis dahin keine ESt-Erklärung für das Streitjahr abgegeben hatten. Den Ansatz einer vGA begründete der Bekl in den Erläuterungen zum Bescheid wie folgt:

„Die Dividende stellt eine vGA der X GmbH dar. Dies ergibt sich aufgrund der Betriebsprüfung bei der X GmbH.”

Gegen den ESt-Bescheid für das Streitjahr vom 10. April 2008 legte die damalige Vertreterin der Kl mit Schreiben vom 19. April 2008 (Bl. 1 der Rechtsbehelfsakten) Einspruch ein und kündigte die Nachreichung einer Begründung an. Der Einspruch wurde in der Folge jedoch nicht begründet. Vielmehr stellten die Kl, nachdem sie von der Rechtsbehelfsstelle des Bekl mit Schreiben vom 08. Juni 2010 (Bl. 14 der Rechtsbehelfsakten) aufgefordert worden waren, den Einspruch bis zum 30. Juni 2010 unter Vorlage der ausstehenden ESt-Erklärung zu begründen, mit Schreiben vom 22. Juni 2010 (Bl. 15 der Rechtsbehelfsakten) den Antrag, die Frist für die Einspruchsbegründung bis zum 30. September 2010 zu verlängern. Der Bekl entsprach diesem Antrag jedoch nicht, sondern wies den Einspruch der Kl mit Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 (Bl. 25 ff. der Rechtsbehelfsakten) als unbegründet zurück. Gleichzeitig hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Mit Schriftsatz vom 12. August 2010, der am 16. August 2010 beim Finanzgericht (FG) einging, erhoben die Kl Klage und machten zunächst geltend, dass sie zur Abgabe einer ESt-Erklärung für das Streitjahr nicht verpflichtet seien. Auf Anraten des Berichterstatters reichten die Kl jedoch am 29. Dezember 2011 eine ESt-Erklärung für das Streitjahr beim Bekl ein (vgl. die mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2011 vorgelegte Kopie der Erklärung, Bl. 100 ff. der FG-Akten). Darin erklärten sie für das Objekt W-Straße 1 Mieteinnahmen in Höhe von insgesamt 1.164,80 EUR (150 EUR für das EG und 1.014,80 EUR für das 2. OG = Dachgeschoss) sowie Werbungskosten in Höhe von insgesamt 1.162,57 EUR. Eine vGA erklärten die Kl in der genannten ESt-Erklärung nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannte Steuererklärung Bezug genommen.

Nachdem die Kl vom Berichterstatter gebeten worden waren, ihre – zu vermutende -Rechtsauffassung, dass die vom Bekl angenommene vGA nicht anzusetzen sei, näher zu begründen und dabei insbesondere auf die Frage einzugehen, ob der Sachverhalt in Tz. 30, Buchst. b) des geänderten Prüfungsberichts vom 24. November 2009 zutreffend dargestellt sei, reichten sie mit Schriftsatz vom 15. Januar 2012 (Bl. 143 ff. der FG-Akten) die folgenden Unterlagen (s. Anlagenband) beim FG ein:

  • • 3 Rechnungen der X GmbH an die Fa. Y –  Anlagen 1-3
  • • Kontoauszüge zum Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank für die Monate November 2005 bis Januar 2006 –  Anlagen 4-6
  • • einen Teilausdruck des Kontos 1000 für den Monat September 2004 mit einer Gutschrift über 6.366,16 EUR mit dem Buchungstext „USt FA A über E. O.” –  Anlage 7
  • • einen Kontoauszug vom 22. September 2004 zum Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank mit einer Gutschrift in Höhe von 6.366,16 EUR und der zugehörigen Buchungsinformation „USt 0804 STNR. 88… X GmbH” –  Anlage 8
  • • einen Ausdruck des Kontos 1000 („Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”) für den Monat November 2005 incl. 32 Seiten Lieferantenrechnungen November 2005 –  Anlage 9
  • • einen Ausdruck des Kontos 1000 („Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”) für den Monat Dezember 2005 incl. 28 Seiten Lieferantenrechnungen Dezember 2005 –  Anlage 10
  • • einen Ausdruck des Kontos 1000 („Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”) für den Monat Januar 2006 incl. 2 Seiten Lieferantenrechnungen –  Anlage 11

 

und trugen unter Bezugnahme auf die genannten Unterlagen Folgendes vor:

Sie hätten schon seit Jahren ordnungsgemäß über ein intern als „Kasse” bezeichnetes Verrechnungskonto verbucht. Dies sei „dokumentiert und belegt für jede Buchung in den vielen Jahren”. „Das Abwickeln über das Gesellschafterverrechnungskonto” sei einfach aus Zeitgründen erfolgt. Überweisungen von B-Bank an B-Bank seien binnen Minuten/Stunden beim Empfänger sichtbar. Bei herkömmlichen Konten sei dies zum damaligen Zeitpunkt nicht so schnell machbar gewesen, da oft sogar noch per Papierüberweisung gearbeitet worden sei. Bei der B-Bank habe es eben schon Onlinebanking gegeben – und zwar 24 Stunden, sieben Tage in der Woche. Das Buchungsverhalten der Banken habe „sein Übriges dazu beigetragen”. Trotz gesetzlicher Vorgaben hätten Banken sogar noch bis zum Dezember 2011 bis zu 3 Werktage für eine Onlinebuchung veranschlagt. Das habe „nicht oft” (gemeint ist vermutlich: „nicht selten”) zum Zahlungsverzug bei Überweisungen geführt. Auch hätten viele Geschäfte einen schnellen Geldtransfer erfordert, den erfahrungsgemäß allein die B-Bank zuverlässig ausgeführt habe. Es sei nicht selten vorgekommen, dass Überweisungen sogar bis zu sieben Zeittage gedauert hätten. Erst seit Januar 2012 sei die Frist für Überweisungen durch den Gesetzgeber auf 24 Stunden (Zeitstunden) vorgeschrieben. Wann es dazu die ersten Abmahnungen geben werde, werde sich nun zeigen!

Unter dem Datum vom 22.09.2004 sei ein Zahlungseingang des Finanzamts (FA) A zur Erstattung der Umsatzsteuer (USt) „X GmbH” für den Monat 08/2004 explizit „auf dem Gesellschafterverrechnungskonto”, Kontoinhaber „I. & E. O”, zu verzeichnen. Die vorgelegten Unterlagen würden aufzeigen, dass auch das FA A „auf das Gesellschafterverrechnungskonto” Zahlungen geleistet habe. Somit sei das Konto dem FA sehr wohl „als Verrechnungskonto bekannt” gewesen! Allein diese wenigen Unterlagen würden bereits zeigen, dass die Betriebsprüfung ergebnisorientiert durchgeführt worden sei mit dem Ziel, zu Lasten des Unternehmens und der Kl (Eheleute) Steuerlasten zu erzeugen. Von einer ordnungsgemäß abgelaufenen Betriebsprüfung und ordentlichen Ermittlungen im Rahmen der geltenden Gesetzeslage könne keine Rede sein. Dass kein rechtliches Gehör habe gewährt werden sollen, ergebe sich sowohl „aus diesem Tun” als auch aus dem Prüfungsbericht und der Abschlussbesprechung. Bereits Monate vor dem ersten Treffen zur Besprechung über die Ergebnisse der Betriebsprüfung habe der Betriebsprüfer durch seine Meldung (Kontrollmitteilung) vom März 2008 die Gewährung rechtlichen Gehörs verweigert. Durch Schaffung von Fakten in Form von Steuerbescheiden habe er wohl Druck erzeugen wollen, um damit Gefügigkeit in der anstehenden Abschlussbesprechung zur Betriebsprüfung herbeiführen zu können. Dazu passe auch die Weigerung der Rechtsbehelfsstelle, der berechtigten Forderung nach einer Verlängerung der Frist für die Abgabe der ESt-Erklärung 2005 bis nach dem Abschluss der Betriebsprüfung nachzukommen. Dies zeige auf, dass den Sachbearbeitern insgesamt auch rechtsbeugende Mittel nicht fremd seien, wenn sie widerrechtlich Druck erzeugen wollten, der zur Gefügigkeit führen solle. Eigenartigerweise sei ihrem Rechtsanwalt (Herrn C) in den Verfahren der Jahre 2001/2003, denen im Kern derselbe Sachverhalt zugrunde liege, auf dessen Antrag hin großzügig und ohne Probleme Fristverlängerung gewährt worden. Faires Verhalten sehe anders aus.

Bezüglich der Nachfragen zum Vorgang Y werde hier aufgezeigt, dass über das Gesellschafterverrechnungskonto ordnungsgemäß gebucht worden sei. Die Existenz des Kontos sei dem FA bereits vor der Betriebsprüfung bekannt gewesen und sei dokumentiert. Dies sei zweifelsfrei für den Zeitraum von Januar 2003 bis Dezember 2005 durch den Außenprüfer selbst überprüft worden. Dieser habe bestätigt, dass die „Lieferantenrechnungen als „Zahlung an Lieferanten” durch ihn bei der hier zugrunde liegenden Betriebsprüfung bestätigt” worden seien. Somit dürfte es also zweifelsfrei als erwiesen gelten, dass die Lieferantenrechnungen auch aus dem Gesellschafterverrechnungskonto bezahlt worden seien.

Sie hätten neben den geforderten Rechnungskopien (Y) auch das Konto 1000 (Gesellschafterverrechnungskonto) für die Monate November 2005, Dezember 2005 und Januar 2006 beigefügt. Ferner die Kontoauszüge der B-Bank für die Monate November 2005, Dezember 2005 und Januar 2006 sowie in Kopie jeweils „die bezahlten Lieferantenrechnungen aus dem Gesellschafterverrechnungskonto für die benannten Monate”. Der Betriebsprüfer habe während und nach seiner Prüfung zu keiner Zeit Bedenken geäußert, „dass Lieferantenrechnungen, Kosten und Kontenausgleiche in Form von Zahlungen aus dem Gesellschafterverrechnungskonto stattgefunden hätten”. Abschließend bleibe festzustellen, dass es nicht nachvollziehbar sei, wieso eine – zur Lieferantenbefriedigung genutzte – Zahlung des FA keine vGA sein solle, eine – ebenfalls zur Zahlung von Firmenrechnungen verwandte – Zahlung eines Kunden auf das gleiche Konto, nämlich das Gesellschafterverrechnungskonto, hingegen eine solche darstellen solle.

Dem Bekl sei genau bekannt, dass der vorliegende einkommensteuerrechtliche Rechtsstreit in der Hauptsache seine Ursache im körperschaftsteuerrechtlichen Rechtsstreit der X GmbH gegen den Bekl habe. Er wisse auch genau, dass der Kl als Geschäftsführer der X GmbH die Feststellungen der Betriebsprüfungsstelle des Bekl bei dieser als „unrichtig” gerügt habe. Und er wisse ebenfalls, dass die aufgrund der Prüfungsfeststellungen des Bekl erlassenen KSt-Bescheide mit Einsprüchen und mit Klagen vor dem FG angefochten worden seien. Wenn der Bekl also wisse, dass die Gefahr divergierender Steuerfestsetzungen bestehe, dann habe er alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Vermeidung einer solchen Situation zwingend auszuschöpfen.

Die Einspruchsentscheidung des Bekl rechtfertige die Besteuerung von Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen mit dem Hinweis auf den geänderten Betriebsprüfungsbericht vom 24. November 2009. In den dortigen Ausführungen zu Tz. 30 habe der Betriebsprüfer vGA zu Lasten der Kl angenommen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen von vGA trage nach ständiger Rechtsprechung der Bekl die Feststellungslast.

Bei der im Einkommensteuerverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheides bestünden, ergebe sich, dass die Berichterstattung des Betriebsprüfers materiellrechtlich fehlerhaft sei, weil der Betriebsprüfer überhaupt keine Tatsachen festgestellt habe, die eine höhere Besteuerung der Kl rechtfertigen könnten. Der Betriebsprüfer habe in seinem Bericht lediglich seine persönlichen Rechtsauffassungen dargestellt. Deshalb seien die vom Betriebsprüfer übernommenen Ausführungen des Bekl in seiner Einspruchsentscheidung auch fehlerhaft und damit rechtswidrig. In Tz. 30 b) seines Betriebsprüfungsberichtes habe der Betriebsprüfer hinsichtlich der Zahlungen von Kundenrechnungen vorgetragen, dass es Zahlungseingänge auf dem „Bankkonto von Herrn O”, also dem Gesellschafterverrechnungskonto, gegeben habe. Er verschweige jedoch die umgehende Zahlung von an die X GmbH gerichteten Lieferantenrechnungen eben aus diesem Konto. Das Verschweigen seiner eigenen Überprüfungen sei sicherlich erklärungsbedürftig. Der Betriebsprüfer selbst habe die Rechnungen ja geprüft und akzeptiert. Wie bereits vorgetragen, sei dieses Konto der X GmbH schon viele Jahre existent und der Finanzbehörde bekannt, was aus anderen Prüfungsberichten und Zahlungen nachgewiesen gewesen sei und somit zum Zeitpunkt dieser Betriebsprüfung nichts Neues dargestellt habe. Die Feststellung, dass diese Zahlungseingänge als vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 KStG anzusetzen seien, sei „absurd und reine Spekulation”. Dieser Vortrag des Betriebsprüfers und des Bekl in der Einspruchsentscheidung sei materiell-rechtlich falsch.

Im Streitfall sei eine vGA deshalb nicht gegeben, weil die X GmbH dem Kl keinen Vermögensvorteil zugewandt habe. An der erforderlichen Vorteilszuwendung fehle es, wenn die X GmbH an ihren Gesellschafter etwas leiste und dabei von vornherein feststehe, dass es sich um eine Verrechnung seitens der X GmbH handele. Da keine Vermögensminderung zulasten der X GmbH eingetreten sei, würden bereits die Voraussetzungen für die Annahme einer vGA fehlen.

Die Frage, ob es sich um eine vGA handle, sei nach denselben Grundsätzen zu beurteilen, die bereits im Verfahren wegen ESt 2003 (Aktenzeichen 4 K 3298/10) für die Darlehensgewährung an den Kl dargestellt worden seien. Somit sei auch in diesem Fall zu prüfen, ob hier vGA deshalb ausscheiden müssten, weil die X GmbH dem Kl keinen Vermögensvorteil zugewandt habe, sondern „lediglich einige Zahlungen zu Gunsten der X GmbH erfolgt” seien, um Rechnungen schneller und bequemer bezahlen zu können, und bei der X GmbH keine Vermögensminderung eingetreten sei. Eine substantiierte Prüfung zu dieser Frage finde sich weder im Betriebsprüfungsbericht noch in der Einspruchsentscheidung des Bekl.

Im Ergebnis ließen die hier vorgetragenen Argumente erkennen, dass der angefochtene ESt-Bescheid 2005 „mit erheblichen ernstlichen Zweifeln an seiner Rechtmäßigkeit belastet” sei. Die hier dargestellten Argumente der Kl würden offenbaren, dass der angefochtene ESt-Bescheid sogar mit schwerwiegenden Mängeln behaftet sei. Diese Mängel würden einerseits darauf beruhen, dass weder der Betriebsprüfer noch der Bekl einen verbindlichen Sachverhalt festgestellt hätten und andererseits abwegige Rechtsauffassungen zu vGA vertreten hätten. Es werde nach der willkürlichen Arbeitsmethode gehandelt: „Wir können und dürfen alles machen, was wir wollen. Der Kl kann sich ja dagegen wehren, wenn er will!”

Es erscheine fast unerträglich, dass der Bekl sein Vorgehen noch zusätzlich mit der Schaffung von Fakten durch Vereinnahmung von Zahlungen erreichen wolle, die er sich sogar selbst verschaffen dürfe, um so die Kl unter Druck zu setzen. Hinzu komme, dass sich der Bekl nicht die geringste Mühe gemacht habe, sich mit den Argumenten der Kl auseinander zu setzen. Lapidar, ja geradezu abwertend, weise er die geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner angefochtenen Bescheide als „nicht so bedeutsam” zurück und erkläre das Zahlungsbegehren – wie selbstverständlich – als „zumutbar”. Würden die Kl so argumentieren, müssten sie damit rechnen, dass ihr Vortrag als unsubstantiiert und unschlüssig zurückgewiesen würde. Die Arbeitsweise der beteiligten Personen und des Bekl kennzeichne obrigkeitsstaatliches Verhalten. Es sei rechtsstaatswidrig.

Da sowohl in den Einkommensteuerverfahren als auch in den noch zur Klärung anstehenden Verfahren der X GmbH u.a. für die Jahre 2001, 2003, 2004 und 2005 frühzeitig Einspruch eingelegt und um Begründung gebeten worden sei, würden sie um Hinzuziehung der Verfahrensakten zu diesen Verfahren bitten.

Eine Begründung hätten bis heute weder der Außenprüfer, noch die Sachbearbeiterin der Veranlagungsstelle, noch – am Ende – der Sachbearbeiter der Rechtsbehelfsstelle geliefert. Zur ordnungsgemäßen Begründung aufgefordert, werde stets nur auf die Tz. 30 im Prüfungsbericht vom 24. November 2009 verwiesen. Dieses stelle jedoch keine Tatsachenermittlung dar. Damit hätten weder der Außenprüfer noch die Veranlagungsstelle oder die Rechtsbehelfsstelle des Bekl eine hinreichende Begründung erbracht „zu den Ermittlungen oder tatsächlichen Fakten, die zur Steuerfestsetzung führten”. Es werde mit Mutmaßungen, Spekulationen bis hin zu wilden Beschuldigungen geantwortet. Spätestens die Rechtsbehelfsstelle hätte ordnungsgemäß begründen müssen, was jedoch zu keinem Zeitpunkt bis heute geschehen sei. Ein Hinweis auf die Tz. 30 im Prüfungsbericht, „Mutmaßungen über Bonität bis hin zur Nötigung” würden vor dem Gesetz nicht ausreichen. Es sei seitens des Bekl in den vergangenen Jahren auch nicht mit Strafanzeigen bei der Straf- und Bußgeldsachenstelle in T gespart worden. Selbstverständlich sei die Zahllast für die involvierten Anwälte zu Lasten der Kl gegangen. Daher würden sie erneut darum bitten, die beteiligten Personen als Zeugen über das Gericht zu laden, „um ausführlich, wie vom Gesetz vorgesehen, die Ermittlungen darzulegen aus der Betriebsprüfung und somit zu begründen!” Zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung würden sie ferner die Hinzuziehung der Akten aus den Verfahren wegen ESt 2001 und 2003 (Aktenzeichen 4 K 4769/10 und 4 K 3298/10) beantragen. Dort sei der Sachverhalt mehrfach ausführlich dargestellt worden, vor allem in Hinblick auf die Pflichten der ermittelnden Beamten.

Mit Schriftsatz vom 07. Februar 2012 (Bl. 292 f. der FG-Akten) trug der zwischenzeitlich bestellte Vertreter der Kl zu den bei der X GmbH geführten Konten 750, 751, 1000 und 1508 Folgendes vor:

Verrechnungskonten

Die X GmbH – vom Klägervertreter im nachfolgenden Text als „Firma” bezeichnet – führe schon seit Mitte der 90er Jahre „zwei Arten von Verrechnungskonten”. Dies seien „ein Darlehensverrechnungskonto und auch ein Verrechnungskonto für laufende Vorgänge”. Diese Konten seien „in ihrer Führung wie rechtlichen Beurteilung von den Betriebsprüfungen durch das FA S nie beanstandet” worden. Von je her gebe es die Konten 1000 und 1508 wie auch das Konto 750; das Konto 751 sei „irrtümlich entstanden”. In der Vergangenheit sei „in den Konten 750, 751 und 1508 falsch gebucht” worden, worauf nachfolgend eingegangen werde.

Darlehensverrechnungskonto

Anlässlich der Erarbeitung der Jahresabschlüsse für 2007 und 2008 sei dem bearbeitenden Steuerberater im Jahr 2010 aufgefallen, dass „einige Konten nicht korrekt gebucht” gewesen seien, weshalb alle Konten zu prüfen und aufeinander abzustimmen gewesen seien. Dieser Anlass habe zu einer Änderung der Konten 750, 751 und 1508 geführt, ohne dass das Zahlenwerk als solches angetastet worden sei. Die Änderungen würden nichts daran ändern, dass die Firma die für den Kl getätigte Leistungen als Forderungen gegen den Kl gebucht habe.

Das  Konto 750  habe von Anfang an die Einlage des stillen Gesellschafters betroffen und sei auf den Ursprungsbetrag von 51.129,19 EUR = 100.000,00 DM zurückgesetzt worden. Die dort irrtümlich aufgelaufenen Buchungen seien per 31.12. eines jeden Jahres auf das Konto 1508 gebucht worden, und zwar vom Jahr 2001 an, also auch für das Streitjahr.

Das  Konto 751  sei infolge der Falschbuchungen „im Konto 750 eröffnet” worden und habe Buchungen enthalten, die „mit dem Darlehen zu tun” gehabt hätten, weswegen „diese Buchungen nun im Konto 1508 (Darlehensverrechnungskonto) zu erkennen” seien; das Konto 751 sei 2004 aufgelöst worden.

Es gebe jetzt nur noch das Konto 750 für den stillen Gesellschafter und „das Konto 1508 für wechselseitige Darlehen zwischen der Firma und dem Kl”.

Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)

Das Konto 1000 sei ausweislich der Bilanz „Kasse” genannt worden. Eine Kasse im Sinne einer Barkasse habe die Firma indes nie gehabt, weil hierfür keine Notwendigkeit bestanden habe. Die Firma habe nie bare Einnahmen oder Ausgaben gehabt. Der gesamte Geldverkehr sei stets unbar erfolgt. Dieser Umstand sei dem Bekl nicht neu. Diesem sei auch bekannt, dass das Konto 1000 „als Gesellschafterverrechnungskonto geführt” werde. Der Bekl habe sich „den Umfang und die Sichtweise der Betriebsprüfung aus den Jahren 2003 bis 2005 zu Eigen gemacht”.

Im Jahr 2005 seien über das Konto 1000 betriebliche Vorgänge erfasst worden. Es sei „ein Spiegel dessen, was auf dem ehelichen B-Bankkonto an betrieblichen Vorgängen geschehen” sei. Rechnungen der Firma an Kunden seien „dorthin bezahlt und im Konto 1000 wie in den für den jeweiligen Kunden angelegten Sachkonten erfasst” worden, wodurch die Forderung gegen den Kunden erloschen sei (Erfüllung). Selbiges sei mit den Verbindlichkeiten der Firma geschehen, die der Kl vom ehelichen B-Bankkonto beglichen habe. Folge sei gewesen, dass in der Buchhaltung der Firma Debitoren und Kreditoren stets ausgeglichen gewesen seien. Zu einer persönlichen Bereicherung der Kl – insbesondere des Kl – sei es nicht gekommen, zumal „die Befriedigung von Verbindlichkeiten” höher ausfalle als der Eingang von Zahlungen der Kunden. Eine „Vermögensminderung aus Sicht der Firma” habe nicht stattgefunden und werde „nicht durch den reinen Geldfluss indiziert”.

Weder die Betriebsprüfung noch der Bekl würden erwähnen, dass die Kl im Jahr 2005 bis zum 04. November 2005, dem Tag der Zahlung seitens der Firma Y, 13.063,40 EUR (zugunsten der X GmbH) gezahlt hätten. Erwähnt werde auch nicht, dass am Jahresende 2005 die Firma Y zwar Zahlungen von 64.985,75 EUR erbracht, die Kl jedoch Verbindlichkeiten der Firma in Höhe von 73.669,78 EUR getilgt hätten. Die Firma habe „die Fa. Y nicht angewiesen, aufs B-Bankkonto zu zahlen”.

Mit seinem Schriftsatz vom 07. Februar 2012 (Bl. 292 f. der FG-Akten) legte der Vertreter der Kl folgende Unterlagen vor:

1.) Auszüge aus den Konten 1000 „Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”), 1508 „Ford. gg. Ges.”) und 750 „Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter Restlaufzeit ab 5 Jahre”) (Bl. 294 ff. der FG-Akten), aus denen insbesondere die im Jahr 2010 erfolgten Ein-/Umbuchungen auf das Konto 1508 ersichtlich sind;

2.) eine von ihm als „tabellarische Zusammenstellung in Bezug auf Zahlungen der Fa. Y” bezeichnete „Tabelle 1” (Bl. 303 ff. der FG-Akten), in der die mit der X GmbH im Zusammenhang stehenden „Einnahmen und Ausgaben” auf dem Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank einander gegenübergestellt sind.

Auf die genannten Unterlagen wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 07. Februar 2012 legte der Vertreter der Kl zur näheren Erläuterung seines Vortrags schließlich noch einen „Vermerk der Buchhaltung zu den Konten 750 und 1508” (Bl. 310 der FG-Akten) mit folgendem Wortlaut vor:

 

 „Betr. Umbuchung Konto 0750 / 1508  U, 06.02.2012

 

Im Rahmen der Jahresabschlüsse 2007 und 2008 wurden mit dem damaligen Steuerberater alle Konten abgestimmt. Bei dieser Abstimmung wurde festgestellt,

dass in den Vorjahren 2001 – 2006 die Konten 0750 und 1508 falsch bebucht wurden.

Da das Konto 0750 eine Verbindlichkeit ist, die aus einer stillen Einlage für die GmbH resultiert, hätte dieses Konto jedoch nicht bebucht werden dürfen.

In den Jahren 2001 – 2006 / Anf. 09 wurden sowohl Ein- als auch Auszahlungen versehentlich auf das Konto 0750 statt 1508 gebucht. Dadurch wurde obendrein auch noch seitenverkehrt gebucht, da das Konto 0750 ein Haben-Konto und das 1508 ein Soll-Konto ist.

Somit wurden – in Absprache mit dem Steuerberater – beide Konten berichtigt. Im Rahmen dieser Umbuchungen wurde das Konto 0750 wieder auf seinen Ursprungsbetrag gesetzt und dem Konto 1508 wurden die Ein- und Auszahlungen zugeordnet.

Dadurch wurde auch die Übersichtlichkeit der Entwicklung der gewährten Darlehen für das Gericht erleichtert.”

Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellten die Kl den Antrag,

die Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2010 dahingehend zu ändern, dass beim Kl keine Einkünfte aus Kapitalvermögen angesetzt und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 2 Euro berücksichtigt werden,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Vertreter des Bekl erklärten im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass die Einkünfte (des Kl) aus Vermietung und Verpachtung mit 2 Euro der Höhe nach unstreitig gestellt würden. Alle übrigen in der Steuererklärung angegebenen Besteuerungsgrundlagen mit Ausnahme der von ihnen angenommenen vGA stellten die Vertreter des Bekl ebenfalls unstreitig. Im Übrigen (bezüglich der angenommenen vGA) beantragten sie,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Mit Schriftsatz vom 01. Februar 2012 (Bl. 229 ff. der FG-Akten) nahm der Bekl zum Schriftsatz der Kl vom 15. Januar 2012 wie folgt Stellung:

Der Kl erkläre eingangs, dass in der GmbH seit Jahren über ein intern als „Kasse” bezeichnetes „Verrechnungsskonto” gebucht worden sei. „Bis heute” sei dem beklagten FA nicht bekannt gewesen, dass die Gesellschaft das Konto „Kasse” als „Gesellschafterverrechnungskonto” führe. Als Nachweis würden Kontenblätter des Kontos 1000 „Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)” gereicht. Dieses sei jedoch „in den Bilanzen eindeutig als „Kasse” bezeichnet und auch entsprechend der Gliederung des § 266 HGB in den Bilanzen so dargestellt” worden. Auch in den der Betriebsprüfung zur Verfügung gestellten digitalen Buchführungsdaten laute die Kontenbezeichnung des Kontos 1000 sowohl in der laufenden als auch in der Abschlussbuchhaltung ausschließlich „Kasse” und nicht – wie in den jetzt vorgelegten Sachkontenausdrucken – „Gesellschafterverrechnungskonto (Kasse)”. Sollte die GmbH zusätzlich zum „Gesellschafterverrechnungskonto 1508” das Konto 1000 „Kasse” als ein weiteres „Gesellschafterverrechnungskonto” geführt haben, wären die bisher zur Verfügung gestellten Unterlagen und auch der Ausweis in der Bilanz falsch. Weiter übersehe der Kl, dass ein „GeseIlschafterverrechnungskonto” nie ein Geldkonto (Bank, Kasse) sein könne und „keine eigentliche Abrechnungsstelle eines Bilanzpostens” sei, sondern lediglich ein Hilfskonto aus buchungstechnischen Gründen darstelle.

Selbst der Kl sei – wie auch die damalige Steuerberaterin R – im Zeitpunkt der Abschlussarbeiten für das Jahr 2005 davon ausgegangen, dass es sich hierbei um die „Kasse” handele. So sei der Kl am 11.10.2006 von der Steuerberaterin der GmbH auf den hohen Kassenbestand von rund 30.000,– EUR hingewiesen worden:

„Dies liegt daran, dass Sie Geldeingänge von Kunden über Kassenkonto verbucht haben, die auf Ihr privates Postscheckkonto eingegangen sind. Diese Vorgehensweise ist m.E. nicht gut, denn das FA kann dann auch Ihr Privatkonto durchsehen, da es ja sein kann, dass noch andere Beträge….” (Anl. 1, Bl. 251 der FG-Akten)

Darauf habe der Kl am 18.10.2006 geantwortet:

„Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das FA ja ‚so gut’ zu mir ist, bin ich gezwungen, diesen hohen Kassenbestand zu führen. Da ja es an der Tagesordnung zeitweilig war, willkürlich Pfändungen auf unserem Konto durchzuführen. Um meine Geschäfte in Ruhe führen zu können, halte ich diesen Kassenbestand für notwendig. Aus diesem Kassenbestand heraus zahlen wir auch heute noch Lieferantenrechnungen.” (Anl. 2, Bl. 252 der FG-Akten).

Es sei darin keine Rede davon, dass es sich, wie jetzt behauptet werde, um ein „Gesellschafterverrechnungskonto” handeln solle.

Bei der Betriebsprüfung sei allerdings der bei einem derartigen Unternehmen unüblich hohe Kassenbestand zum 31.12.2005 thematisiert worden. Auf Befragen sei mitgeteilt worden, dass keine „Kasse” im klassischen Sinn vorhanden sei. Somit hätten auf diesem Konto weder Einzahlungen noch Auszahlungen erfolgt sein können. Daher sei der Kassenbestand zum 31.12.2005 mit 0,00 EUR anzusetzen gewesen (s. BP-Bericht vom 24. November 2009, Tz. 19). Einwendungen dagegen würden – soweit ersichtlich – keine vorgebracht.

Aus der vom Kl dargestellten Abwicklung von Überweisungen werde deutlich, dass dieser – außer dem Konto „Kasse” – auch das  private  B-Girokonto, dessen Inhaber unstreitig Herr und Frau O (die Kl) seien, als (weiteres) „Gesellschafterverrechnungskonto” bezeichne. Eine derartige Behandlung eines privaten Bankkontos sei „buchhaltungstechnisch nicht vorgesehen”.

Unrichtig sei die Behauptung des Kl, dem beklagten FA sei dieses Konto „als Verrechnungskonto sehr wohl bekannt gewesen”, da es „auf dieses Gesellschafterverrechnungskonto” Zahlungen geleistet habe. Richtigerweise sei der Erstattungsbetrag aus der USt-Voranmeldung August 2004 vom FA auf das private Postgirokonto der Kl überwiesen worden. Dies sei auf ausdrücklichen Wunsch des Kl geschehen (vgl. das Schreiben vom 15.09.2004, Anl. 3, Bl. 253 der FG-Akten: „fordere ich Sie daher auf, auf das gemeinsame Privatkonto meiner Gemahlin und mir zu überweisen…”). Damit sei das private Bankkonto der Kl keineswegs zu einem „Gesellschafterverrechnungskonto” der GmbH geworden.

Auf den Grund der Verbuchungen auf seinem privaten Konto angesprochen, habe der Kl anlässlich der Betriebsprüfung erklärt, dass vom FA Konten der GmbH gepfändet worden seien. Deshalb habe er keine Geldgeschäfte mehr über die GmbH-Konten abgewickelt. Auf seine Anweisung hin hätten die Kunden die Beträge auf sein Privatkonto überwiesen. Das FA habe den Kl umgehend darauf hingewiesen, dass damit der Straftatbestand einer „Vollstreckungsvereitelung” erfüllt sein könnte, und habe sich eine Meldung an die Straf- und Bußgeldsachenstelle vorbehalten. Dies gehe aus dem Protokoll des Rechtsanwalts M über die Besprechung vom 03.07.2008 unter Tz. 20 [Kasse] eindeutig hervor (s. Anl. 4, Seite 2; Bl. 254 f. der FG-Akten).

Der Vorwurf des Kl, ihm sei kein rechtliches Gehör gewährt worden, könne durch den Ablauf der Betriebsprüfung leicht entkräftet werden. Außerdem sei der von den Kl erhobene Rechtsbehelf erstmals durch die Einreichung der ESt-Erklärung für das Streitjahr am 29.12.2011 begründet worden.

Entgegen der Auffassung des Kl habe der Betriebsprüfer nicht sämtliche Buchungen des Kontos 1000 „Gesellschafterverrechnungskonto” geprüft. Aufgrund des hohen Kassenbestands zum 31.12.2005 sei lediglich eine Prüfung der Buchungen ab November 2005 erfolgt. Hierbei habe sich ergeben, dass die  in diesem Zeitraum  auf dem Konto 1000 gebuchten Zugänge Zahlungen betroffen hätten, die der Kunde „Y” auf das private Bankkonto der Eheleute O geleistet gehabt habe. Da keinerlei schriftliche Vereinbarungen über die Handhabung dieser Zahlungseingänge zwischen der Gesellschaft und den Eheleuten O habe vorgelegt werden können, seien diese Geldeingänge als vGA behandelt und als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 64.986,– EUR im Wege des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40d EStG ) mit 50% angesetzt worden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) habe die vGA in seiner Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 09. November 2005 I R 89/04, Bundessteuerblatt (BStBI) II 2008, 523) wie folgt definiert (vgl. R 36 Abs. 1 S. 1 KStR ):

„Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensvermehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 04.09.2002 I R 48/01 . BFH/NV 2003, 347 ; vom 22.10.2003 l R 37/02, BStBI II 2004, 121. jeweils m.w.N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. BFH-Urteil vom 16.03.1967 I R 261/63 , BStBI III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 17.12.1997 I R 70/97 , BStBI II 1998, 545, m.w.N.).”

Im hier zu entscheidenden Rechtsstreit handle es sich um einen beherrschenden (Allein-)Gesellschafter. Damit sei eine vGA bereits dann anzunehmen, wenn die Leistung der GmbH nicht klar und eindeutig vereinbart worden sei. In diesen Fällen bestehe nach dem BFH-Urteil vom 18. November 2001 I R 44/00 (BFH/NV 2002, 543 , m.w.N.) „eine Vermutung dafür, dass die Zuwendung im Gesellschaftsverhältnis begründet ist und ernsthafte schuldrechtliche Leistungsverpflichtungen nicht begründet werden sollten”. Um Gewinnmanipulationen zu vermeiden, verlange die Rechtsprechung hier eindeutige Vereinbarungen, die im Streitfall  nicht  getroffen worden seien.

Anlässlich der Prüfung der Buchungen des Kontos 1000 ab November 2005 sei auch festgestellt worden, dass Betriebsausgaben der GmbH von demselben privaten Bankkonto der Eheleute O bezahlt worden seien. Diese in Höhe von 37.604,– EUR für die GmbH geleisteten Zahlungen seien im Gegenzug als verdeckte Einlagen behandelt worden (s. BP-Bericht v. 24.11,2009, Tz. 31).

Sobald die Voraussetzungen für die Annahme eine vGA erfüllt seien, erfolge die Behandlung im Rahmen der ESt-Veranlagung des Gesellschafters grundsätzlich unabhängig von einem erfolgten Ansatz bei der KSt der Gesellschaft. Im Einzelfall seien sogar divergierende Festsetzungen möglich, sollte beispielsweise eine Änderung der KSt aus formalrechtlichen Gründen verwehrt sein, die ESt dagegen noch geändert werden können.

Die Ausführungen des Kl (auf Seite 4 seines Schriftsatzes) zur Aussetzung der Vollziehung beträfen nicht das hier anhängige Klageverfahren und würden daher vom beklagten FA nicht aufgegriffen.

In seinem abschließenden Vorbringen moniere der Kl die seiner Meinung nach bis heute fehlende Begründung des Verwaltungsaktes. Er übersehe dabei die Tatsache, dass er und seine Ehefrau selbst durch die Nichtabgabe der ESt-Erklärung für das Streitjahr die Fakten geschaffen hätten, die zu einer Schätzung der Steuerfestsetzung geführt hätten. Die Kl seien auch nicht willens gewesen, im darauf folgenden Rechtsbehelfsverfahren ihrer Erklärungspflicht baldmöglichst nachzukommen. Erst vor wenigen Tagen sei die Steuererklärung eingereicht worden. Jetzt bestehe für das beklagte FA die Möglichkeit, sich mit den bestrittenen Besteuerungsgrundlagen definitiv auseinanderzusetzen. Dies sei hinsichtlich der Einkünfte aus Kapitalvermögen in dieser Stellungnahme erfolgt.

Der Senat hat antragsgemäß die Akten zu den Verfahren der Kl wegen ESt 2001 und 2003 (Aktenzeichen: 4 K 4769/10 und 4 K 3298/10) sowie die Akten zu den Verfahren der X GmbH wegen KSt 2001, 2003, 2004 und 2005 (Aktenzeichen: 6 K 2947/10, 6 K 422/11, 6 K 427/11 und 6 K 2643/10) beigezogen. Auf die genannten Akten wird vollinhaltlich Bezug genommen.

 Entscheidungsgründe

Die Klage ist nur insoweit begründet, als die Kl mit dieser neben einer Änderung des Ansatzes der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen auch einen (entsprechend der im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens beim Bekl eingereichten ESt-Erklärung) geänderten Ansatz der Einkünfte des Kl aus Vermietung und Verpachtung und der übrigen Besteuerungsgrundlagen (mit Ausnahme der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen) begehrt haben. Im Übrigen (soweit die Kl zusätzlich eine Änderung des Ansatzes der Einkünfte des Kl aus Kapitalvermögen begehrt haben) ist die Klage jedoch unbegründet, da der Bekl zu Recht eine vGA als Einnahme bei den Einkünften des Kl aus Kapitalvermögen angesetzt hat.

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG ) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. auch Gewinnanteile, Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Zu den „sonstigen Bezügen” im Sinne der genannten Vorschrift gehören nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG auch vGA.

Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist die vGA beim Gesellschafter zu erfassen, wenn ihm der Vermögensvorteil zufließt (Urteile des BFH vom 09. Dezember 2009 X R 52/06 , BFH/NV 2010, 1246 , und vom 19. Juni 2007 VIII R 34/06, BFH/NV 2007, 2291 ).

Eine gesellschaftliche Veranlassung ist gegeben, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (Urteile des BFH vom 09. Dezember 2009 X R 52/06 , a.a.O., vom 25. Mai 2004 VIII R 4/01, BFHE 207, 103 ; vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BStBl II 2007, 393; Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 240; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 75; Schmidt/ Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 60 f.).

2. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt – und zwar auch dann, wenn die streitbefangenen Überweisungen der Firma Y auf das private Konto Nr. 111… der Kl bei der B-Bank – wie von den Kl zuletzt behauptet – ohne eine entsprechende Anweisung der X GmbH erfolgt sein sollten. Sollten die genannten Überweisungen auf das private Konto der Kl tatsächlich ohne eine entsprechende Anweisung der X GmbH erfolgt sein, so wären zwar nicht bereits die erfolgten Gutschriften der überwiesenen Beträge auf dem privaten Konto der Kl als vGA an den Kl zu werten, wohl aber der Umstand, dass die X GmbH vom Kl nicht die unverzügliche Weiterleitung der gutgeschriebenen Beträge auf ihr eigenes Konto bei der A-Bank verlangt hat. Denn das Unterbleiben eines solchen Verlangens wäre zweifellos als gesellschaftlich veranlasst anzusehen, da bei einem Nichtgesellschafter eine solche Behandlung eines fälschlicherweise auf sein privates Konto überwiesenen Rechnungsbetrages nicht denkbar gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, als es sich bei diesem Konto nicht um ein Konto des Kl allein, sondern um ein gemeinsames Konto beider Kl (Ehegatten) gehandelt hat. Dass der Kl in der Folge von dem privaten Konto bei der B-Bank auch an die X GmbH gerichtete Rechnungen beglichen hat und dass die verschiedenen Zahlungsvorgänge (sowohl die Zuflüsse auf dem privaten Konto als auch die Abflüsse von diesem Konto) in der Buchhaltung der GmbH (auf dem Konto 1000) erfasst wurden, vermag an der Beurteilung der streitbefangenen Vorgänge als vGA nichts zu ändern, da es an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung zwischen der GmbH und dem Kl in Bezug auf die auf dem privaten B-Bankkonto gutgeschriebenen Beträge fehlt mit der Folge, dass deren Verwendung letztlich im Belieben des Kl stand.

Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Bekl beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) .

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 135 Abs. 1 und 137 Satz 1 FGO. Die Kosten des Verfahrens waren in voller Höhe den Kl aufzuerlegen, obwohl die Klage teilweise Erfolg hatte, da dies allein darauf zurückzuführen ist, dass die Kl die ESt-Erklärung für das Streitjahr erst im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens – nach Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung – beim Bekl eingereicht haben.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ) zuzulassen.