Alle Beiträge von steuerschroeder.de

Steuerberater

Ehrenamtliche Tätigkeit im Museum nicht beitragspflichtig

Hintergrund

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 25. Februar 2025 (Az. L 1 BA 64/23) entschieden, dass eine ehrenamtliche Tätigkeit in einem gemeinnützigen Museum nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, auch wenn eine geringe Aufwandsentschädigung gezahlt wird.

Kernaussagen des Urteils

  • Eine Vergütung von 5 Euro pro Stunde stellt keine sozialversicherungspflichtige Entlohnung dar, sondern eine pauschale Aufwandsentschädigung.
  • Die Tätigkeit wurde aus ideellen Gründen und nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeübt.
  • Die Zahlung dient der Deckung von Fahrtkosten und Verpflegung und bleibt deutlich hinter dem Mindestlohn zurück.
  • Eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den gemeinnützigen Verein wurde daher abgelehnt.

Hintergrund des Falles

Ein gemeinnütziger Verein betrieb in Gießen ein Museum und zahlte vier ehrenamtlich tätigen Personen eine Aufwandsentschädigung von 5 Euro pro Stunde. Die Deutsche Rentenversicherung forderte daraufhin eine Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen, da die jährliche Ehrenamtspauschale von 720 Euro überschritten worden sei.

Das LSG sah das jedoch anders: Die Tätigkeit sei nicht als abhängige Beschäftigung zu werten, da sie freiwillig und ohne wirtschaftlichen Gewinnzweck erfolgte. Zudem verfügten die Betroffenen über weitere Einkünfte (z. B. Renten), wodurch ein Missbrauch ausgeschlossen wurde.

Relevante Rechtsgrundlagen

  • § 7 SGB IV: Beschäftigung setzt nichtselbständige Arbeit voraus.
  • § 14 SGB IV: Arbeitsentgelt umfasst laufende oder einmalige Einnahmen aus einer Beschäftigung.
  • § 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV): Steuerfreie Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 26 und 26a EStG sind nicht als Arbeitsentgelt zu bewerten.

Bedeutung für gemeinnützige Vereine

Dieses Urteil bestätigt, dass geringfügige Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten nicht automatisch zur Sozialversicherungspflicht führen. Gemeinnützige Organisationen sollten dennoch darauf achten, dass die Zahlungen:

  • klar als Aufwandsentschädigungen gekennzeichnet sind,
  • unterhalb einer angemessenen Vergütung für die geleistete Tätigkeit bleiben,
  • nicht als Gegenleistung für eine arbeitsvertragliche Verpflichtung verstanden werden können.

Da die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, ob eine höchstrichterliche Klärung folgt.

FG Berlin-Brandenburg bestätigt Erfordernis des besonderen Aussetzungsinteresses

Aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat mit Beschluss vom 14. Februar 2025 (Az. 3 V 3006/25) seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt, wonach die Aussetzung der Vollziehung (AdV) eines Verwaltungsakts mit verfassungsrechtlichen Zweifeln nur gewährt wird, wenn ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers nachgewiesen werden kann. Diese Entscheidung steht im Einklang mit dem Beschluss des FG vom 1. September 2023 (Az. 3 V 3080/23, EFG 2023, 1642).

Kernaussagen des Beschlusses

  • Trotz verfassungsrechtlicher Zweifel an einer Norm setzt die AdV zusätzlich ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus.
  • Dieses Interesse muss das öffentliche Interesse am Vollzug des Gesetzes überwiegen.
  • Der Antrag auf AdV eines Grundsteuerwertbescheids wurde abgewiesen.
  • Die Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) wurde jedoch zugelassen, da unklar ist, ob der BFH an dieser Anforderung festhalten wird.

Streitstand in der Rechtsprechung

Die Frage, ob das besondere Aussetzungsinteresse weiterhin erforderlich ist, wird kontrovers diskutiert:

  • Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in der Vergangenheit mit dieser Frage befasst, jedoch keine abschließende Entscheidung getroffen (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Mai 2022, Az. V B 4/22, BFH/NV 2022, 1030).
  • Zuletzt wurde diese Frage auch in den BFH-Beschlüssen vom 27. Mai 2024 (Az. II B 79/23 (AdV), BStBl II 2024, S. 546, Rn. 40 und II B 78/23 (AdV), BStBl II 2024, S. 543, Rn. 41) offengelassen.
  • Das Finanzgericht Münster hat in seinem Beschluss vom 29. Oktober 2024 (Az. 3 V 1270/24 Ew, F, EFG 2025, 156) ebenfalls das Erfordernis eines besonderen Aussetzungsinteresses bejaht.

Bedeutung für Steuerpflichtige

Für Steuerpflichtige bedeutet diese Rechtsprechung, dass die bloße Berufung auf verfassungsrechtliche Zweifel nicht ausreicht, um eine AdV zu erreichen. Vielmehr muss ein besonderes individuelles Interesse an der Aussetzung nachgewiesen werden. Die weitere Entwicklung durch den BFH bleibt abzuwarten und könnte künftig Klarheit in dieser Frage bringen.

Grundsteuer: FG Berlin-Brandenburg klärt wichtige Auslegungsfragen

Hintergrund

Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg hat in zwei aktuellen Urteilen vom 12. Februar 2025 (Az. 3 K 3090/24 und 3 K 3107/24) zentrale Fragen zur Auslegung des neuen Grundsteuerrechts entschieden. Dabei stand die verfassungsrechtliche Überprüfung der Neuregelungen nicht im Fokus, sondern vielmehr deren Anwendung im Einzelfall.

Urteil 3 K 3090/24: Einbeziehung von Lärmschutzwandgrundstücken

In diesem Verfahren ging es um ein Einfamilienhausgrundstück, das zusätzlich einen Miteigentumsanteil an einem angrenzenden Grundstück mit einer Lärmschutzwand umfasste. Das Gericht entschied:

  • Das Lärmschutzwandgrundstück ist nach § 244 Abs. 2 BewG in die wirtschaftliche Einheit des Einfamilienhausgrundstücks einzubeziehen.
  • Der Bodenrichtwert ist auch für das Lärmschutzwandgrundstück anzuwenden.
  • Eine atypische Nutzung im Sinne des § 15 Abs. 2 ImmoWertV lag nicht vor, da viele Grundstücke dieser Richtwertzone an die Lärmschutzwand angrenzen.

Urteil 3 K 3107/24: Steuerbefreiung für Wege innerhalb einer Wohnsiedlung

In diesem Fall war die Frage zu klären, ob Fußwege innerhalb einer Wohnsiedlung, die sich im Miteigentum mehrerer Einfamilienhauseigentümer befanden, als dem öffentlichen Verkehr dienende Wege nach § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG steuerfrei sind. Das FG entschied:

  • Die Fußwege sind Teil der wirtschaftlichen Einheit nach § 244 Abs. 2 BewG.
  • Die Steuerbefreiung konnte bereits im Rahmen der Feststellung des Grundsteuerwerts geltend gemacht werden. Eine gesonderte Anfechtung des Grundsteuermessbetrags war nicht erforderlich.
  • Maßgeblich für die Steuerbefreiung war nicht die straßenrechtliche Widmung, sondern das im Grundbuch eingetragene Wegerecht zugunsten des Landes, das die Nutzung der Wege durch die Allgemeinheit sicherstellte.
  • Die Nutzung der Wege als einzige Zugangsmöglichkeit für das Grundstück war für die Steuerbefreiung unschädlich.

Fazit

Die Urteile des FG Berlin-Brandenburg bringen mehr Klarheit in die Anwendung der neuen Grundsteuerregelungen. Besonders wichtig sind die bestätigte Einbeziehung von Grundstücksteilen in wirtschaftliche Einheiten sowie die steuerliche Behandlung von gemeinschaftlich genutzten Wegen in Wohnsiedlungen. Steuerpflichtige sollten sich frühzeitig über ihre Rechte informieren, insbesondere im Hinblick auf die Steuerbefreiungsvoraussetzungen.

Neues Übereinkommen zur Beilegung internationaler Steuerstreitigkeiten

Multilaterales Übereinkommen in Verhandlung

Am 25. Februar 2025 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine gemeinsame Presseerklärung veröffentlicht, die sich mit einem neuen multilateralen Übereinkommen zur Beilegung internationaler Steuerstreitigkeiten befasst. Derzeit verhandeln zehn EU-Mitgliedstaaten über die Errichtung eines ständigen Streitbeilegungsausschusses.

Beteiligte Staaten

Die folgenden EU-Mitgliedstaaten sind an den Verhandlungen beteiligt:

  • Österreich
  • Bulgarien
  • Dänemark
  • Frankreich
  • Deutschland
  • Irland
  • Niederlande
  • Polen
  • Spanien
  • Schweden

Ziel des Streitbeilegungsausschusses

Das neue Gremium soll eine zentrale Plattform für die effiziente und schnelle Schlichtung von steuerlichen Streitigkeiten zwischen Staaten schaffen. Dabei sind folgende Punkte besonders hervorzuheben:

  • Bereitstellung ständig verfügbarer Panels zur Durchführung der Schiedsphase von Streitbeilegungsverfahren
  • Unterstützung durch ein spezialisiertes Sekretariat
  • Effizientere und schnellere Beilegung von Steuerstreitigkeiten auf internationaler Ebene

Grundlage des Projekts

Das Vorhaben basiert auf den Arbeiten der FISCALIS-Arbeitsgruppen, die verschiedene Optionen zur Errichtung eines Ständigen Ausschusses für alternative Streitbeilegung erarbeitet haben. Maßgeblich ist hierbei Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2017/1852 des Rates vom 10. Oktober 2017, die Verfahren zur Beilegung von Steuerstreitigkeiten innerhalb der Europäischen Union regelt.

Ausblick und nächste Schritte

Die Verhandlungsgruppe strebt an, das Übereinkommen bis Ende 2025 abzuschließen. Sollte eine Einigung erzielt werden, könnte dies eine bedeutende Verbesserung der Streitbeilegungsverfahren im internationalen Steuerrecht darstellen.

Die Entwicklungen in diesem Bereich bleiben weiterhin spannend. Unternehmen und Steuerpflichtige, die von internationalen Steuerkonflikten betroffen sind, sollten die Verhandlungen aufmerksam verfolgen.

Kinderbetreuungskosten steuerlich optimal nutzen

Kinderbetreuungskosten können in der Einkommensteuererklärung als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Doch es gibt einige Besonderheiten zu beachten, insbesondere im Hinblick auf steuerfreie Arbeitgeberleistungen und die Berechnung bei Erreichen der Altersgrenze des Kindes.

1. Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten

Eltern können zwei Drittel der nachgewiesenen Kinderbetreuungskosten, maximal jedoch 4.000 EUR pro Jahr und Kind, als Sonderausgaben geltend machen. Steuerfreie Arbeitgeberleistungen mindern diesen Betrag jedoch.

Beispiel (Veranlagungszeitraum 2025):

  • Kinderbetreuungskosten: 3.000 EUR
  • Steuerfreie Arbeitgebererstattung: -1.000 EUR
  • Verbleibende Kosten: 2.000 EUR
  • Abziehbarer Betrag (80 % von 2.000 EUR): 1.600 EUR

2. Steuerfreie Arbeitgebererstattung – Minderung des Sonderausgabenabzugs

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 1. September 2021 (Az. III R 54/20) klargestellt, dass weiterhin unklar ist, ob auch steuerfrei gewährte Verpflegungskosten die abziehbaren Kinderbetreuungskosten mindern. Bis weitere höchstrichterliche Urteile folgen, sollten Arbeitnehmer vorsichtshalber nur die steuerfreie Arbeitgebererstattung nach § 3 Nr. 33 EStG berücksichtigen, die explizit auf Unterbringungskosten entfällt.

Praxishinweis:

  • Arbeitgeber sollten ihren Mitarbeitern eine Bescheinigung über die Aufteilung der steuerfreien Leistungen ausstellen.
  • Die Finanzverwaltung vertritt eine restriktivere Auffassung und zieht sämtliche steuerfreien Arbeitgeberleistungen nach § 3 Nr. 33 EStG von den abziehbaren Sonderausgaben ab.

3. Altersgrenze und monatsweise Berechnung

Kinderbetreuungskosten sind nur bis zum 14. Geburtstag des Kindes abzugsfähig. Es stellt sich die Frage, ob der Monat des Geburtstags noch vollständig berücksichtigt werden kann.

Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben entschieden, dass ein Monat vollständig zählt, wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG an mindestens einem Tag erfüllt waren.

Beispiel:

  • Ein Kind vollendet am 15. Juni 2024 das 14. Lebensjahr.
  • Die Eltern zahlen monatlich 300 EUR für die Betreuung (auch im Juni 2024).
  • Die Aufwendungen des Monats Juni werden in voller Höhe berücksichtigt.
  • Berechnung der abzugsfähigen Kinderbetreuungskosten im Jahr 2024:
    • 6 Monate x 300 EUR = 1.800 EUR
    • 1.800 EUR x 2/3 = 1.200 EUR (max. 4.000 EUR pro Kind)

Fazit

Eltern sollten genau prüfen, welche Kinderbetreuungskosten steuerlich geltend gemacht werden können und wie sich steuerfreie Arbeitgeberleistungen auswirken. Ebenso ist es ratsam, bei Erreichen der Altersgrenze des Kindes auf eine korrekte monatsweise Berechnung zu achten. Da die Finanzverwaltung eine restriktive Ansicht zur Anrechnung steuerfreier Arbeitgeberleistungen vertritt, bleibt die weitere Rechtsprechung in diesem Bereich abzuwarten.

Fünftelungsregelung: Keine Anwendung mehr im Lohnsteuerabzugsverfahren ab 2025

Die Fünftelungsregelung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG ist eine Steuervergünstigung für außerordentliche Einkünfte, die die Belastung durch den progressiven Einkommensteuertarif abmildern soll. Ab dem Jahr 2025 wird diese Regelung jedoch nicht mehr direkt im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt. Was bedeutet das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Grundsätzliches zur Fünftelungsregelung

Die Fünftelungsregelung kann für folgende Einkünfte angewendet werden:

  • Entschädigungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen,
  • Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten, wie zum Beispiel Jubiläumszahlungen oder Abfindungen.

Wichtig: Die Regelung kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Einkünfte „zusammengeballt“ zufließen, d. h., wenn sie in einem einzigen Steuerjahr anfallen und nicht kontinuierlich über mehrere Jahre verteilt sind.

Wie funktioniert die Fünftelungsregelung?

Die Steuer auf die außerordentlichen Einkünfte wird nicht direkt auf die gesamte Summe berechnet, sondern zunächst auf ein Fünftel des Betrags. Die daraus resultierende Steuer wird mit fünf multipliziert. Dadurch kann in vielen Fällen die Steuerprogression abgemildert werden. Allerdings bleibt die Regelung ohne Wirkung, wenn der Arbeitnehmer bereits ohne die begünstigten Einkünfte den Spitzensteuersatz erreicht hat.

Abschaffung der Fünftelungsregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren ab 2025

Bis zum Jahr 2024 konnten Arbeitgeber die Fünftelungsregelung bereits im Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigen. Diese Regelung wurde jedoch mit dem Wachstumschancengesetz aufgehoben, sodass ab 2025 keine Tarifermäßigung mehr direkt beim Lohnsteuerabzug erfolgt.

Was bedeutet das für Arbeitnehmer?

  • Die Steuerermäßigung nach der Fünftelungsregelung bleibt grundsätzlich bestehen, kann jedoch erst im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung geltend gemacht werden.
  • Arbeitnehmer müssen also bis zur Steuererklärung auf eine mögliche Steuerrückerstattung warten.
  • Es kann zu einem Liquiditätsnachteil kommen, da zunächst mehr Lohnsteuer einbehalten wird.

Blick in die Lohnsteuerbescheinigung 2025

Durch die Gesetzesänderung wird die Lohnsteuerbescheinigung ab 2025 angepasst:

  • Einkünfte für mehrere Jahre sowie Entschädigungen werden weiterhin separat ausgewiesen.
  • Der Arbeitgeber ist jedoch nicht mehr verpflichtet, die mögliche Begünstigung nach § 34 EStG im Rahmen der Lohnsteuerberechnung zu berücksichtigen.
  • Die Entscheidung über die Anwendung der Fünftelungsregelung erfolgt ausschließlich durch das Finanzamt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung.

Fazit

Die Abschaffung der Fünftelungsregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren stellt eine bedeutende Änderung dar. Arbeitnehmer müssen künftig ihre Steuererklärung abwarten, um von der Steuerbegünstigung zu profitieren. Arbeitgeber wiederum werden entlastet, da sie nicht mehr prüfen müssen, ob eine ermäßigte Besteuerung für bestimmte Einkünfte anzuwenden ist. Arbeitnehmer, die hohe außerordentliche Einkünfte erhalten, sollten dies in ihrer Finanzplanung berücksichtigen und sich gegebenenfalls beraten lassen.

Steuerermäßigung bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 35 EStG – Grundlagen, Anwendung und Beispiele

Einleitung

Die Steuerermäßigung nach § 35 EStG dient dazu, die steuerliche Belastung für Unternehmer und Mitunternehmer zu reduzieren, indem die Einkommensteuer um einen Anteil der gezahlten Gewerbesteuer gemindert wird. Im Folgenden werden die gesetzlichen Grundlagen, die praktische Anwendung und Beispiele zur Berechnung vorgestellt.

1. Anwendungsbereich

Die Steuerermäßigung nach § 35 EStG ist für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen anwendbar, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen. Dazu zählen Einzelunternehmer, Mitunternehmer von Personengesellschaften sowie persönlich haftende Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Die Regelung gilt erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 und in der geänderten Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 für den Veranlagungszeitraum 2008.

2. Steuerermäßigung und Berechnung

Die Steuerermäßigung beträgt das 3,8-fache des festgesetzten Gewerbesteuermessbetrags und ist auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer begrenzt. Die tarifliche Einkommensteuer wird nach Abzug von ausländischen Steuern und weiteren Steuerermäßigungen als Bemessungsgrundlage herangezogen. Die Berechnung erfolgt wie folgt:

Formel zur Berechnung des Ermäßigungshöchstbetrags:

3. Beispiele zur Berechnung

Beispiel 1: Einzelunternehmer

Ein Unternehmer erzielt folgende Einkünfte:

  • Gewerbliche Einkünfte aus Betrieb A: 120.000 €
  • Verlust aus Betrieb B: –50.000 €
  • Einkünfte aus Vermietung: 30.000 €
  • Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: 20.000 €

Der Gewerbesteuermessbetrag beträgt 3.000 €, die gezahlte Gewerbesteuer 10.000 €. Der Erhöhungsfaktor von 3,8 ergibt einen Anrechnungsbetrag von 11.400 €, begrenzt auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer von 10.000 €.

Ergebnis: Die Steuerermäßigung beträgt 10.000 €.

Beispiel 2: Zusammenveranlagung eines Ehepaars

  • Einkünfte des Ehemanns aus Gewerbebetrieb: 50.000 €
  • Einkünfte der Ehefrau aus Gewerbebetrieb: –25.000 €
  • Einkünfte der Ehefrau aus nichtselbständiger Arbeit: 10.000 €

Hier wird nur der positive gewerbliche Gewinn des Ehemanns von 50.000 € berücksichtigt. Bei einem Gewerbesteuermessbetrag von 2.000 € beträgt die mögliche Steuerermäßigung 7.600 € (2.000 € × 3,8), begrenzt auf die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer.

Ergebnis: Steuerermäßigung von 7.600 €.

Siehe auch Rechner Gewerbesteueranrechnung

4. Auswirkungen von Billigkeitsmaßnahmen

Falls das Finanzamt eine Billigkeitsmaßnahme gemäß § 227 AO oder eine Verjährung im Erhebungsverfahren gemäß § 228 AO gewährt, bleibt dies ohne Einfluss auf die Berechnung der Steuerermäßigung. Die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer wird weiterhin zur Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags herangezogen.

5. Besonderheiten bei Mitunternehmerschaften

  • Der anteilige Gewerbesteuermessbetrag eines Mitunternehmers wird nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel aufgeteilt.
  • Vorabgewinne und Sondervergütungen bleiben dabei unberücksichtigt.
  • Bei mehrstufigen Gesellschaften ist der anteilige Gewerbesteuermessbetrag durchzureichen.

Fazit

Die Steuerermäßigung nach § 35 EStG bietet Unternehmern eine erhebliche Entlastung. Eine korrekte Berechnung und Dokumentation sind essenziell, um die Ersparnis voll auszuschöpfen. Insbesondere bei Mitunternehmerschaften oder komplexen Einkunftssituationen lohnt sich eine detaillierte Prüfung.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen, BMF-Schreiben vom 24. Februar 2009 (BStBl I S. 440), BMF-Schreiben vom 3. November 2016 (BStBl I S. 1187)

Steuerermäßigung bei Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 35 EStG) – Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren

BMF, Schreiben IV C 6 – S 2296-a/00031/001/005 vom 24.02.2025

Hintergrund

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat eine Änderung des BMF-Schreibens vom 3. November 2016 (BStBl I S. 1187) vorgenommen, die sich auf Billigkeitsmaßnahmen im Erhebungsverfahren im Zusammenhang mit der Steuerermäßigung nach § 35 EStG bezieht.

Wesentliche Änderung

In Randnummer 6 des BMF-Schreibens vom 3. November 2016 wird folgender Satz:

„Bei einer Billigkeitsmaßnahme im Erhebungsverfahren gemäß § 227 AO besteht die Möglichkeit einer Änderung des Einkommensteuerbescheides gemäß § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO.“

durch den Satz:

„Eine Billigkeitsmaßnahme im Erhebungsverfahren gemäß § 227 AO oder eine Verjährung im Erhebungsverfahren gemäß § 228 AO sind für die Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags im Rahmen von § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG nicht zu berücksichtigen.“

ersetzt.

Bedeutung der Änderung

Die Neufassung der Regelung stellt klar, dass Billigkeitsmaßnahmen und Verjährungen im Erhebungsverfahren keinen Einfluss auf die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags gemäß § 35 Absatz 1 Satz 5 EStG haben. Damit wird eine einheitliche steuerliche Behandlung gewährleistet und die Rechtslage in diesem Bereich präzisiert.

Veröffentlichung

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt veröffentlicht.

Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Steuerrecht: Anwälte dürfen Fahrtenbuch nur teilweise schwärzen

BRAK, Mitteilung vom 25.02.2025 zum Urteil 3 K 111/21 des FG Hamburg vom 13.11.2024

Rechtsanwältinnen und -anwälte dürfen als Berufsgeheimnisträger ihr Fahrtenbuch nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 Einkommensteuergesetz teilweise schwärzen, um die Identitäten von Mandanten zu schützen. Jedoch ist es nicht zulässig, alle beruflichen Einträge zu schwärzen, etwa Fahrten zur Kanzlei, zum Gericht oder zu Steuerbehörden. Dies entschied das Finanzgericht Hamburg im Urteil vom 13.11.2024 (Az. 3 K 111/21).

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt wollte anhand eines Fahrtenbuchs nachweisen, dass er seinen Dienstwagen nur zu einem geringen Anteil privat nutzte. Er reichte jedoch ein Fahrtenbuch ein, in dem fast alle Angaben zur Fahrtstrecke sowie zum Grund der Fahrt und besuchten Personen geschwärzt waren. Er argumentierte, dass er nach § 43a Abs. 2 BRAO und § 203 StGB verpflichtet sei, die Identitäten seiner Mandanten zu schützen.

Das Finanzamt erkannte das Fahrtenbuch nicht als ordnungsgemäß an und berechnete den privaten Nutzungsanteil des Fahrzeugs stattdessen nach der 1%-Methode. Der Einspruch und die anschließende Klage des Anwalts blieben erfolglos.

Entscheidung des FG Hamburg

Das Gericht entschied, dass ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch detaillierte Angaben zu geschäftlichen Reisen enthalten muss, darunter das Datum, die Fahrtziele sowie die jeweils aufgesuchten Geschäftspartner oder den konkreten beruflichen Anlass. Die Verschwiegenheitspflicht von Anwälten rechtfertige zwar eine teilweise Schwärzung, jedoch nur in dem Maße, das notwendig ist, um Rückschlüsse auf Mandanten zu vermeiden.

Die Schwärzung dürfe sich nicht auf Ortsnamen oder Fahrten in die eigene Kanzlei erstrecken. Auch Fahrten zu Gerichten oder Behörden seien nicht durch die Verschwiegenheitspflicht geschützt, sofern dort kein Mandatsverhältnis bestehe.

Der betroffene Anwalt hatte jedoch fast alle relevanten beruflichen Einträge geschwärzt, sodass das Gericht das Fahrtenbuch als unbrauchbar ansah. Es fehle die notwendige materielle Nachprüfbarkeit der Angaben.

Fazit

Rechtsanwälte dürfen Fahrtenbücher zwar teilweise schwärzen, um die Identitäten ihrer Mandanten zu schützen. Jedoch müssen sie dabei sorgsam vorgehen, sodass das Finanzamt weiterhin die materielle Richtigkeit des Fahrtenbuchs prüfen kann. Zu umfassende Schwärzungen können dazu führen, dass das Fahrtenbuch als nicht ordnungsgemäß eingestuft wird und die 1%-Methode zur Anwendung kommt.

Das FG Hamburg hat die Revision zugelassen, da die Frage grundsätzliche Bedeutung hat.

Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer

BFH: Noch kein Steuerabzug für Hausgeldzahlungen in die Erhaltungsrücklage

BFH, Pressemitteilung Nr. 10/25 vom 25.02.2025 zum Urteil IX R 19/24 vom 14.01.2025

Leistungen eines Wohnungseigentümer in die Erhaltungsrücklage einer Wohnungseigentümergemeinschaft – beispielsweise im Rahmen der monatlichen Hausgeldzahlungen – sind steuerlich im Zeitpunkt der Einzahlung noch nicht abziehbar. Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung liegen erst vor, wenn aus der Rücklage Mittel zur Zahlung von Erhaltungsaufwendungen entnommen werden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14.01.2025 – IX R 19/24 – entschieden.

Sachverhalt

Die Kläger vermieteten mehrere Eigentumswohnungen. Das von ihnen an die jeweilige Wohnungseigentümergemeinschaft gezahlte Hausgeld wurde zum Teil der gesetzlich vorgesehenen Erhaltungsrücklage (vormals Instandhaltungsrückstellung) zugeführt. Insoweit erkannte das Finanzamt keine Werbungskosten bei den Vermietungseinkünften an. Es meinte, der Abzug könne erst in dem Jahr erfolgen, in dem die zurückgelegten Mittel für die tatsächlich angefallenen Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum verbraucht würden. Das Finanzgericht wies die Klage ab.

Entscheidung des BFH

Die Revision der Kläger beim BFH hatte keinen Erfolg. Der Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes fordert einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Vermietungstätigkeit und den Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Die Kläger hatten den der Erhaltungsrücklage zugeführten Teil des Hausgeldes zwar erbracht und konnten hierauf nicht mehr zurückgreifen, da das Geld ausschließlich der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört. Auslösender Moment für die Zahlung war aber nicht die Vermietung, sondern die rechtliche Pflicht jedes Wohnungseigentümer, am Aufbau und an der Aufrechterhaltung einer angemessenen Rücklage für die Erhaltung des Gemeinschaftseigentums mitzuwirken.

Ein Zusammenhang zur Vermietung entsteht erst, wenn die Gemeinschaft die angesammelten Mittel für Erhaltungsmaßnahmen verausgabt. Erst dann kommen die Mittel der Immobilie zugute. Der BFH hob schließlich hervor, dass entgegen der Auffassung der Kläger auch die Reform des Wohnungseigentumsgesetzes im Jahr 2020, durch die der Wohnungseigentümergemeinschaft die volle Rechtsfähigkeit zuerkannt wurde, die steuerrechtliche Beurteilung des Zeitpunkts des Werbungskostenabzugs für Zahlungen in die Erhaltungsrücklage nicht verändert.

Fazit

Diese Entscheidung des BFH verdeutlicht, dass Einzahlungen in die Erhaltungsrücklage erst steuerlich geltend gemacht werden können, wenn die Mittel tatsächlich für Erhaltungsmaßnahmen verwendet werden. Wohnungseigentümer, die ihre Immobilien vermieten, sollten dies bei ihrer steuerlichen Planung berücksichtigen.

Quelle: Bundesfinanzhof