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Zuordnung nachträglicher gewerblicher Einkünfte nach Betriebsaufgabe

§ 4 EStG – Zuordnung nachträglicher gewerblicher Einkünfte nach Betriebsaufgabe

Einkünfte nach einer Betriebsaufgabe sind unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips zwingend nach den Grundsätzen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Nunmehr vertritt der BFH diese Auffassung, nachdem er den Unternehmern zuvor ein Wahlrecht eingeräumt hatte. Es ist auch unerheblich, ob zuvor eine Buchführungspflicht bestanden hat, freiwillig Bücher geführt worden sind oder ohnehin bereits die Einnahme-Überschuss-Rechnung erstellt wurde.

Im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe wird der Gewinn letztmalig durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, wobei die Bilanzpositionen unter Aufdeckung der stillen Reserven in der Schlussbilanz erfasst werden. Danach ist eine Bilanzierung durch Gegenüberstellung des Aktiv- und des Passivvermögens nicht mehr möglich.

Die Anwendung der Grundsätze der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG auf nachträgliche Einnahmen und Ausgaben hat zur Folge, dass z.B. nachträgliche Entschädigungen erst bei tatsächlichem Zufluss und nicht bereits bei Vereinbarung oder sogar rückwirkend als Betriebseinnahmen gelten. Das ist i.d.R. positiv, da in den Jahren nach der Betriebsaufgabe meist eine geringere Steuer anfällt.

 

Teilanfechtung eines Gewinnfeststellungsbescheids; Ermittlung nachträglicher Einkünfte nach einer Betriebsaufgabe nach § 4 Abs. 3 EStG

Leitsatz

1. Eine Aufgabebilanz ist auf den Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Aufgabehandlung aufzustellen.
2. Soweit nach einer Betriebsaufgabe noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG führen. Die nachträglichen Einkünfte sind nicht mehr nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1, § 5 EStG ) sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln.
3. Ein nachträglich geänderter Gewinnfeststellungsbescheid wird nach § 68 FGO nur hinsichtlich der in zulässiger Weise mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlagen (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Wird eine in einem nachträglichen Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlage nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens, kann der Steuerpflichtige innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei der Finanzbehörde Einspruch einlegen.

Gesetze

FGO § 68
,
FGO § 96
,
AO § 162
,
AO § 181
,
EStG § 4 Abs. 1
,
EStG § 4 Abs. 3
, EStG § 5, EStG § 24 Nr. 2, EStG § 11, EStG § 15
Instanzenzug

FG Köln Urteil vom 24.04.2008 6 K 2496/06 BFH IV R 31/09

Gründe

1  I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) —eine GbR— betrieb auf einem eigenen Grundstück ein Tagungshotel und führte gegen Entgelt verschiedene Aus- und Fortbildungsveranstaltungen durch. Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellte die Klägerin den Tagungsbetrieb 1995 ein und verpachtete das gesamte Objekt zunächst an die B GmbH. Ab Herbst 1998 stand das Objekt leer. Am 21. Oktober 1999 wurde das gesamte Grundstück für 1,4 Mio. DM versteigert.

2  Die Klägerin ermittelte für 1999 (Streitjahr) durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) einen laufenden Verlust von 325.090,94 DM und in einer „Aufgabeschlussbilanz” zum 31. Dezember 1999 einen Veräußerungsverlust von 497.901,43 DM.

3  Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) veranlagte die Klägerin weitgehend erklärungsgemäß. Auf Grund weiterer aktenkundiger Aufwendungen berücksichtigte es in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr vom 26. Oktober 2001 bei den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und daneben einen Veräußerungsverlust in Höhe von 497.482,34 DM. Der Bescheid erging gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

4  Da die Verbindlichkeiten durch den Versteigerungserlös nur zum Teil befriedigt werden konnten, kam es in der Folgezeit zu Verhandlungen der Klägerin mit den Gläubigern, die schließlich zu einem Teilerlass der Restverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 1.776.279 DM führten.

5  Nach Kenntnisnahme von diesem Umstand vertrat das FA die Auffassung, dass der Erlass der Verbindlichkeiten durch die Gläubiger rückwirkend zu einem Veräußerungsgewinn geführt habe.

6  Mit Änderungsbescheid vom 15. März 2004 stellte das FA die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1999 nunmehr in Höhe von 869.166,32 DM fest, die sich —insoweit unverändert— aus einem laufenden Verlust in Höhe von 330.412,94 DM und einem Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.199.579,26 DM zusammensetzten. Gleichzeitig wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

7  Gegen den Änderungsbescheid erhob die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage, die unter dem Aktenzeichen 6 K 1864/04 beim Finanzgericht Köln (FG) anhängig war. Mit dieser Klage begehrte sie die Änderung des Feststellungsbescheides dahin, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu berücksichtigen sei und hilfsweise, dass der Veräußerungsgewinn im Wege einer Billigkeitsmaßnahme gemäß § 163 Satz 1 AO nur in Höhe von 159.549,46 DM festgestellt werde. Zur Begründung des Hauptantrags machte die Klägerin insbesondere geltend, dass ein Veräußerungsgewinn (nunmehr als Aufgabegewinn) bereits im Veranlagungszeitraum 1998 und nicht im Streitjahr zu erfassen sei.

8  Das FA schloss sich während des Klageverfahrens 6 K 1864/04 der Ansicht der Klägerin an, dass der Betrieb bereits in 1998 aufgegeben worden und deshalb der Aufgabegewinn in 1998 zu berücksichtigen sei. Im Hinblick auf die bisher im Streitjahr berücksichtigten laufenden Einkünfte vertrat es allerdings die Auffassung, dass diese ebenfalls einer neuen rechtlichen Beurteilung zu unterziehen seien. Sie seien nunmehr als nachträgliche Einkünfte zu berücksichtigen, sofern die Klägerin den Abfluss der geltend gemachten Aufwendungen nachweise.

9  Vor Abschluss des Klageverfahrens 6 K 1864/04 erließ das FA am 4. April 2005 einen weiteren geänderten Feststellungsbescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr (im Weiteren Änderungsbescheid) und stellte darin den Veräußerungsgewinn, gestützt auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO , sowie die laufenden Einkünfte, gestützt auf § 174 AO , jeweils mit 0 DM fest. In den Erläuterungen zum Bescheid ist u.a. der Hinweis enthalten, dass die laufenden Einkünfte mit 0 DM geschätzt worden seien, weil die Klägerin den tatsächlichen Abfluss der Betriebsausgaben in 1999 nicht durch Belege nachgewiesen habe.

10  Die Klägerin ging davon aus, dass sich durch die Herabsetzung des Veräußerungsgewinns auf 0 DM ihr Klagebegehren in dem Verfahren 6 K 1864/04 erledigt habe, da die Klage nur gegen die Feststellung des Veräußerungsgewinns gerichtet gewesen sei. Der Feststellungsbescheid im Übrigen, also insbesondere die Feststellung der laufenden Einkünfte, sei deshalb in Bestandskraft erwachsen. Der Änderungsbescheid vom 4. April 2005 sei hinsichtlich der laufenden Einkünfte auch nicht gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.

11  Da das FA einer Erledigung des Verfahren 6 K 1864/04 widersprach, beantragte die Klägerin in diesem Verfahren, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen, hilfsweise, die laufenden Einkünfte wie erklärt in Höhe eines Verlustes von 330.412,94 DM festzustellen und weiter hilfsweise, das FA zu verpflichten, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen.

12  Das FG hat die Klage 6 K 1864/04 in vollem Umfang abgewiesen. Über die dagegen unter dem Aktenzeichen IV R 32/09 anhängige Revision hat der erkennende Senat mit Urteil vom 23. Februar 2012 ebenfalls entschieden.

13  Entsprechend ihrer in dem Klageverfahren 6 K 1864/04 vertretenen Rechtsansicht legte die Klägerin am 15. April 2005 Einspruch gegen den Änderungsbescheid ein, soweit darin die laufenden Einkünfte unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 15. März 2004 mit 0 DM festgestellt worden sind.

14  Das FA verwarf diesen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 als unzulässig.

15  Die dagegen gerichtete Klage, mit der die Klägerin begehrte, den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 in Gestalt der Ein-spruchsentscheidung insoweit zu ändern, als laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit einem Verlust von 330.412,94 DM berücksichtigt werden und hilfsweise, einen negativen Feststellungsbescheid für 1999 zu erlassen, hatte keinen Erfolg. Das FG ging davon aus, dass der Einspruch gegen den Änderungsbescheid gemäß § 68 Satz 2 FGO unzulässig gewesen und deshalb auch die dagegen erhobene Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen sei.

16  Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Der Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005, der sich nur gegen den Ansatz des laufenden Gewinns gerichtet habe, sei nicht gemäß § 68 Satz 2 FGO unzulässig, da sie, die Klägerin, in dem Verfahren 6 K 1864/04 nur die Feststellung des Veräußerungsgewinns angefochten habe. Für eine Änderung des Feststellungsbescheides vom 15. März 2004 hinsichtlich des laufenden Gewinns fehle es an einer verfahrensrechtlichen Grundlage. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO lägen im Streitfall hinsichtlich des laufenden Gewinns nicht vor. Ungeachtet dessen wäre der Klage aber auch deshalb stattzugeben, weil sie, die Klägerin, unter Ausübung des ihr zustehenden Wahlrechts den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG habe ermitteln dürfen. Dieses Wahlrecht habe der Klägerin auch dann zugestanden, wenn im Streitfall nachträgliche Einkünfte nach Beendigung der gewerblichen Tätigkeit anzunehmen wären.

17  Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und den Änderungsbescheid vom 4. April 2005, soweit er die laufenden Einkünfte aus Gewerbetrieb betrifft, sowie die Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 aufzuheben.

18  Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

19  Das FG habe den Einspruch zu Recht als unzulässig angesehen, weil die geänderte Feststellung des laufenden Gewinns Gegen-stand des anhängigen Klageverfahrens 6 K 1864/04 geworden sei. Die Feststellung des laufenden Gewinns und des Aufgabegewinns hätten nur gemeinsam angefochten werden können. Zu Recht habe das FG den Klageantrag in dem Verfahren 6 K 1864/04 entsprechend ausgelegt. Die Frage, ob die Betriebsaufgabe im Streitjahr oder in einem früheren Jahr stattgefunden habe, sei untrennbar damit verbunden, ob überhaupt noch gemeinschaftlich gewerbliche Einkünfte erzielt worden seien und damit die Voraussetzungen für ein Feststellungsverfahren gegeben seien.

20  Der Änderungsbescheid sei auch materiell rechtmäßig. Nach Betriebsaufgabe oder Veräußerung sei eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG nicht mehr möglich. Denn ab diesem Zeitpunkt sei kein Betriebsvermögen mehr vorhanden.

21  II. 1. Der Senat geht auf Grund der Feststellungen des FG in dem Verfahren 6 K 1864/04 davon aus, dass die Klägerin gegenwärtig noch nicht vollbeendet ist. Demzufolge war die Klägerin gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt. Die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen kann daher im Streitfall nur von den gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigten Gesellschaftern namens der Klägerin erhoben werden (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 29. Juni 2004 IX R 39/03 , BFH/NV 2004, 1371 ). Es ist nicht ersichtlich, dass die Gesellschafter daneben auch persönlich gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 FGO klagebefugt sind. Der Senat hat das Rubrum daher entsprechend geändert.

22  2. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO ). Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da das FG die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Mai 2006 zu Unrecht ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abgewiesen hat. Der von der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 4. April 2005 eingelegte Einspruch, soweit er die Feststellung der laufenden Einkünfte betrifft, war nicht nach § 68 Satz 2 FGO unzulässig.

23  a) Gemäß § 68 Satz 2 FGO ist ein Einspruch gegen einen neuen Verwaltungsakt insoweit ausgeschlossen, als dieser gemäß § 68 Satz 1 FGO einen angefochtenen Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung ändert und deshalb Gegenstand des laufenden Klageverfahrens wird. Nach § 68 Satz 1 FGO wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt wird. Die Vorschrift setzt voraus, dass beide Bescheide dieselbe Steuersache betreffen. Der Anwendungsbereich des § 68 FGO ist nicht eröffnet, wenn ein teilbarer Verwaltungsakt nur teilweise angefochten wird und sich der Änderungsbescheid nur auf den nicht angefochtenen Teil bezieht (BFH-Urteile vom 9. Februar 2011 IV R 15/08 , BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764, und vom 14. April 2011 IV R 36/08, BFH/NV 2011, 1361 ). Auch der Gewinnfeststellungsbescheid ist wegen der in ihm enthaltenen selbständigen Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen ein teilbarer Verwaltungsakt (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 2003 VIII R 38/01 , BFH/NV 2004, 1372 ). Ein nachträglich geänderter Gewinnfeststellungsbescheid wird daher nach § 68 FGO nur hinsichtlich der in zulässiger Weise mit der Klage angefochtenen Besteuerungsgrundlagen (partiell) Gegenstand des anhängigen Verfahrens (BFH-Urteil in BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764). Wird eine in einem nachträglichen Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlage nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens, kann der Steuerpflichtige innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei der Finanzbehörde Einspruch einlegen (BFH-Urteil in BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764).

24  b) Wie der Senat in dem Revisionsverfahren IV R 32/09 mit Urteil vom 23. Februar 2012 entschieden hat, hat die Klägerin den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1999 vom 15. März 2004 in dem vor dem FG Köln unter dem Aktenzeichen 6 K 1864/04 anhängigen Klageverfahren nur hinsichtlich des Veräußerungsgewinns angefochten. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen in dem Urteil IV R 32/09 vom 23. Februar 2012 Bezug. Der Änderungsbescheid vom 4. April 2005, mit dem sowohl die Feststellung des Veräußerungsgewinns als auch die des laufenden Gewinns geändert worden sind, ist daher gemäß § 68 Satz 1 FGO nur bezüglich der Feststellungen des Veräußerungsgewinns zum Gegenstand des Verfahrens 6 K 1864/04 geworden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 290 , BStBl II 2011, 764). Da die in dem Änderungsbescheid vom 4. April 2005 festgestellten laufenden Einkünfte nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens 6 K 1864/04 geworden sind, konnte die Klägerin, wie geschehen, innerhalb der einmonatigen Einspruchsfrist bei dem FA Einspruch einlegen.

25  3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat ausgehend von seiner Rechtsansicht keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Voraussetzungen für den Erlass des Änderungsbescheides vorlagen, soweit darin die laufenden Einkünfte mit 0 DM festgestellt worden sind. Der Senat kann deshalb nicht in der Sache selbst entscheiden. Er verweist die Sache daher an das FG zurück.

26  Hinsichtlich der weiteren Sachbehandlung weist der Senat ohne Bindungswirkung auf Folgendes hin:

27  a) Das FG wird zunächst zu klären haben, ob der Änderungsbescheid vom 4. April 2005, soweit er die hier alleine streitige Feststellung der laufenden Einkünfte 1999 betrifft, auf eine die Bestandskraft durchbrechende Änderungsnorm gestützt werden konnte. In Betracht kommen insoweit insbesondere die Regelungen des § 174 Abs. 4 AO und des § 173 AO . Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 173 AO wäre insbesondere dann im Einzelnen zu prüfen, wenn die Tatsachen, die das FA veranlasst haben, die Betriebsaufgabe in 1998 anzunehmen, diesem erst nachträglich —etwa im Klageverfahren— bekannt geworden sind.

28  Im Hinblick auf die Regelung des § 174 Abs. 4 AO ist anzumerken, dass eine Änderung oder Aufhebung eines Steuerbescheides zugunsten des Steuerpflichtigen wegen der irrigen Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts nur dann zum Anlass für die Aufhebung oder die Änderung eines weiteren Steuerbescheides genommen werden kann, wenn der zuerst geänderte Bescheid in seiner ursprünglichen Fassung objektiv rechtswidrig war (BFH-Urteil vom 4. März 2009 I R 1/08 , BFHE 225, 312 , BStBl II 2010, 407). Insoweit bedarf es der Feststellung, ob der Veräußerungs- bzw. Aufgabevorgang zutreffend in 1998 statt wie in dem Feststellungsbescheid vom 15. März 2004 in 1999 zu erfassen war. Ist der Betrieb, wie von der Klägerin vorgetragen und vom FA den beiden Änderungsbescheiden vom 4. April 2005 für 1998 und 1999 zu Grunde gelegt, in 1998 aufgegeben worden, kommt es jedenfalls für die Ermittlung der laufenden Einkünfte im Streitjahr nicht darauf an, ob ein etwaiger Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke nach allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen als begünstigter Aufgabegewinn im Streitjahr zu erfassen gewesen wäre. Denn für die Frage, ab welchem Zeitpunkt nachträgliche Einkünfte i.S. des § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG vorliegen, kommt es auf den Zeitpunkt der Erstellung der Aufgabebilanz an. Diese ist aber auf den Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Aufgabehandlung, hier den Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung, aufzustellen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 IV R 17/02 , BFHE 209, 384 , BStBl II 2005, 637).

29  b) Im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Änderungsbescheides weist der Senat auf Folgendes hin:

30  Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die laufenden Einkünfte des Streitjahres in entsprechender Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln sind (dazu unter aa). Davon ausgehend wäre es unter Berücksichtigung des gegenwärtigen Erkenntnisstandes nicht zu beanstanden, wenn das FG die laufenden Einkünfte der Klägerin mit 0 DM schätzt (dazu unter bb).

31  aa) Soweit nach einer Betriebsaufgabe noch steuerrelevante Ereignisse eintreten, können diese zu nachträglichen Einkünften gemäß § 24 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 15 EStG führen. Dies betrifft auch nachträgliche Verluste aus der ehemaligen gewerblichen Tätigkeit der Klägerin. Die nachträglichen Einkünfte sind indes nicht mehr nach den Grundsätzen des Vermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 , § 5 EStG ), sondern in sinngemäßer Anwendung des § 4 Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln (BFH-Urteile vom 22. Februar 1978 I R 137/74 , BFHE 125, 42 , BStBl II 1978, 430; vom 21. Dezember 1993 VIII R 315/84, BFH/NV 1994, 626 , und vom 2. Dezember 1997 VIII R 42/96, BFHE 185, 1 , BStBl II 2008, 177; offengelassen in den BFH-Urteilen vom 24. Oktober 1979 VIII R 49/77, BFHE 129, 334 , BStBl II 1980, 186, und vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78 , BStBl II 1997, 509).

32  Der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 , § 5 EStG liegt eine Bewertung von Bilanzpositionen unter Bildung stiller Reserven zu Grunde. Die in den Vermögensvergleich einzubeziehenden Wirtschaftsgüter werden letztmalig im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung bzw. Betriebsaufgabe in der Schlussbilanz erfasst. Soweit in den zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Wirtschaftsgütern stille Reserven enthalten sind, erhöhen diese den Aufgabe- bzw. Veräußerungsgewinn. Aktive Wirtschaftsgüter gelten, soweit sie nicht veräußert werden, als in das Privatvermögen überführt. Ein Betriebsvermögensvergleich im Sinne einer Gegenüberstellung des Aktiv- und des Passivvermögens ist deshalb ab dem Zeitpunkt einer Betriebsveräußerung oder einer Betriebsaufgabe nicht mehr möglich. Auch sind bei einem Betriebsvermögensvergleich die Bewertungsvorschriften des EStG anzuwenden. Der danach ggf. anzusetzende Teilwert gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG beruht aber z.B. auf der Annahme, dass der Betrieb unverändert fortgeführt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 1999 XI S 14/98 , BFH/NV 1999, 926 ). Dieser Würdigung steht auch die Rechtsprechung nicht entgegen, wonach die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich als Grundform nach § 4 Abs. 1 EStG immer dann einschlägig ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 57/07 , BFHE 224, 513 , BStBl II 2009, 659). Denn dabei wird vorausgesetzt, dass ein Betriebsvermögensvergleich noch durchgeführt werden kann. Dies ist vorliegend aber für das Streitjahr zu verneinen.

33  Ebenso wenig kann aus dem Umstand, dass die nach der Betriebsaufgabe noch fortbestehenden Verbindlichkeiten dem negativen Betriebsvermögen der Klägerin zuzuordnen sind, ein Argument für die Notwendigkeit der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich abgeleitet werden. Denn Änderungen im Bestand der Verbindlichkeit sind, soweit sie auf Tilgungsleistungen beruhen, steuerlich irrelevant. Soweit sie durch den Erlass der Verbindlichkeit bedingt sind, haben sie nur (rückwirkend) Einfluss auf die Höhe des Aufgabegewinns. Die Erfassung der für die fortbestehenden Verbindlichkeiten aufgewandten Schuldzinsen erfordert deshalb keinen „partiellen” Bestandsvergleich.

34  Kommt eine Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich nicht in Betracht, ist der Gewinn zwingend entsprechend den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Zwar scheidet eine unmittelbare Anwendung aus, weil die Vorschrift voraussetzt, dass eine Buchführungspflicht nicht besteht und der Steuerpflichtige auch nicht freiwillig Bücher führt und Abschlüsse macht. Der Grundgedanke der Vorschrift muss aber auch dann zur Anwendung kommen, wenn es sich um betriebliche Einkünfte handelt, diese aber nicht nach den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs ermittelt werden dürfen und es demgemäß unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige etwa freiwillig Bücher führt (BFH-Urteil in BFHE 125, 42 , BStBl II 1978, 430). Soweit der erkennende Senat in der Entscheidung in BFHE 183, 78 BStBl II 1997, 509 für die Ermittlung nachträglicher gewerblicher Einkünfte lediglich ein Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erwogen hat, hält er daran nicht mehr fest.

35  bb) Es ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO in Anlehnung an die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch das FA gemäß §§ 162 , 181 AO die laufenden Einkünfte mit 0 DM festgestellt hat. Die nachträglichen Einkünfte der Klägerin sind wie dargelegt unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips gemäß § 11 EStG zu ermitteln. Die Klägerin hat den tatsächlichen Abfluss der Betriebsausgaben weder dem FA noch dem FG nachgewiesen. Sollte der Klägerin ein entsprechender Nachweis im 2. Rechtsgang nicht gelingen, hätte der Senat keinen Anlass, das gefundene Schätzungsergebnis in Frage zu stellen.

Bundesrat will Partnerschaften steuerlich mit Ehen gleichstellen

Ein Gesetzentwurf des Bundesrates (BT-Drs. 17/12858 – PDF, 223 KB) sieht dazu die Änderung der entsprechenden Bestimmungen des EStG sowie weiterer Nebengesetze zum EStG vor. Die Länder gehen von Steuermindereinnahmen im zweistelligen Millionenbereich aus, wenn das Ehegattensplitting auch eingetragenen Partnerschaften gewährt wird.

In der Begründung des Gesetzentwurfs erinnern die Länder an das 2001 in Kraft getretene Lebenspartnerschaftsgesetz, das für gleichgeschlechtliche Paare das neue familienrechtliche Institut der eingetragenen Partnerschaft geschaffen habe. Allerdings seien die Partnerschaften bis heute gegenüber der Ehe insbesondere im Einkommensteuerrecht benachteiligt geblieben, da das die Anerkennung im Steuerrecht vorsehende Ergänzungsgesetz vom Bundesrat abgelehnt worden sei. Dadurch würden Lebenspartner bei der Einkommensteuerveranlagung nicht wie Ehegatten, sondern wie Ledige behandelt. „Darüber hinaus gibt es erhebliche Benachteiligungen gleichgeschlechtlicher Familien mit Kindern, die zu einer spürbaren Schlechterstellung in ihrer wirtschaftlichen Situation führen, unter der auch die Kinder leiden“, argumentiert der Bundesrat und erinnert: „Der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als tragendes Prinzip des Einkommensteuerrechts gebietet die gleiche steuerliche Berücksichtigung der Belastungen, die sich aufgrund der Lebenspartnerschaft analog zur Ehe ergeben.“

Finanzverwaltung und Gerichte würden bei Einsprüchen und Klagen von Lebenspartnern gegen die Nichtgewährung des Splittingtarifs inzwischen wegen ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit der geltenden Besteuerungsregelung flächendeckend die Aussetzung der Vollziehung gewähren, schreibt der Bundesrat.

Portokosten als durchlaufende Posten

Portokosten als durchlaufende Posten

Bei Werbeagenturen, Lettershops, Konsolidierern usw. (hier: Agenturen), die die Versendung von Prospekten u. ä. für ihre Kunden übernehmen, tritt die Frage auf, ob weiter berechnete Portokosten als durchlaufende Posten behandelt werden können oder ob sie als Teil des Entgelts für die Leistung der Agentur anzusehen sind (OFD Frankfurt/M. v. 31.10.2012 – S 7200 A – 180 – St 111).

OFD Frankfurt/M. v. 31.10.2012 – S 7200 A – 180 – St 111

Bezug: HMdF-Erlass vom 08.10.2010 – S 7100 A – 224 – II 51 BMF-Schreiben vom 29.09.2010

 

Kapitelübersicht

1. Allgemeines
2. Besonderheiten
3. Rechnungslegung im Fall des durchlaufenden Postens

Bei Werbeagenturen, Lettershops, Konsolidierern usw. (hier: Agenturen), die die Versendung von Prospekten u. ä. für ihre Kunden übernehmen, tritt die Frage auf, ob weiterberechnete Portokosten als durchlaufende Posten i. S. d. § 10 Abs. 1 Satz 6 UStGbehandelt werden können oder ob sie als Teil des Entgelts für die Leistung der Agentur anzusehen sind.

Eine Behandlung als durchlaufender Posten ist nur möglich, wenn der Kunde mit der Deutschen Post AG in Rechtsbeziehungen tritt und die Agentur damit die Portokosten im fremden Namen und für fremde Rechnung vereinnahmt und verausgabt. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Deutschen Post Brief National (AGB Brief National) und Brief International (AGB Brief International) bestehen Rechtsbeziehungen zwischen der Deutschen Post AG und dem auf dem Brief genannten Absender.

Versenden Agenturen Briefe für einen Auftraggeber ist das Porto also dann als durchlaufender Posten zu behandeln, wenn der Auftraggeber auf dem Brief als Absender genannt ist und die Agentur die Portokosten (Briefmarken) verauslagt hat.

Die Agenturen können jedoch auch abweichende AGB mit der Deutschen Post vereinbaren. Diese sind nach den genannten Grundsätzen gesondert zu beurteilen (s. a. Tz. 2).

Legt die Agentur in Fällen des durchlaufenden Postens in ihren Rechnungen an die Auftraggeber die Vereinnahmung und Verauslagung im fremden Namen und für fremde Rechnung nicht offen und berechnet für diese Beträge Umsatzsteuer, handelt es sich mangels Offenlegung nicht um einen durchlaufenden Posten. Das Porto unterliegt dann als Bestandteil der Leistung der Agentur der Umsatzsteuer. Der Kunde kann hinsichtlich der Portokosten unter den Voraussetzungen des § 15 UStG den Vorsteuerabzug geltend machen. Die Agentur kann jedoch die Vorsteuer aus den von ihr verauslagten Portokosten nicht geltend machen, weil ihr Kunde (Absender) der Empfänger der Leistungen des Postdienstanbieters bleibt.

Erhalten Agenturen von der Deutschen Post AG Rabatte, kann ein durchlaufender Posten nur vorliegen, wenn die tatsächlich entrichteten Portokosten dem Kunden weiter berechnet werden. Werden dagegen dem Kunden die üblicherweise zu zahlenden Portokosten in Rechnung gestellt, liegt kein durchlaufender Posten vor, da betraglich mehr weiter berechnet wird, als gegenüber der Deutschen Post AG geschuldet wird. Das Porto unterliegt dann als Bestandteil der Leistung der Agentur der Umsatzsteuer. Sofern der Kunde (Auftraggeber) der Agentur in Rechtsbeziehung mit der Deutschen Post steht, gelten für den Vorsteuerabzug die o. g. Grundsätze.

Auch in den Fällen, in denen sich z. B. ein Lettershop bei der Post AG als Großkunde anmeldet und seine Briefe dort einliefert, erfolgt die Zahlung des Benutzungsentgelts im Namen und für Rechnung des Auftraggebers, sofern dieser bei der Einlieferung als Absender angegeben wird. Die Briefe erhalten dann den Vermerk: „Gebühr bezahlt”. Bei der Einlieferung erfolgt die Entrichtung des Entgelts an die Deutsche Post AG meist unbar. Sollte z. B. ein vom Lettershop hingegebener Scheck nicht eingelöst werden können, bleibt Schuldner des Entgelts der als Absender genannte Auftraggeber, da nur zwischen ihm und der Deutschen Post AG Rechtsbeziehungen bestehen. Insoweit handelt es sich bei dem durch den Lettershop verauslagten Betrag um einen durchlaufenden Posten im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG.

Eine Agentur kann auch ihren eigenen Freistempler für gewerbsmäßige Versendung von Kundenpost benutzen. Entgegen den Ausführungen in den AGB Brief National und AGB Brief International wird hierfür keine besondere Genehmigung erteilt. Von einem durchlaufender Posten ist auszugehen, wenn die Agentur

  • bei Verwendung ihres Freistemplers in den Stempel das „Klischee” ihres Kunden einsetzt oder
  • auf andere Weise den Kunden als eigentlichen Absender kenntlich macht (z. B. Absenderaufkleber oder entsprechender Aufdruck auf dem Umschlag).

Die in den AGB niedergelegten Grundsätze für den Briefdienst gelten entsprechend auch für den Frachtdienst (Pakete).

Bei Paketsendungen durch Versandhandelsunternehmen kommen Rechtsbeziehungen auch nur zwischen dem Absender (Versandhandelsunternehmen) und der Deutschen Post AG zustande. Selbst eine „unfreie” Versendung oder eine Versendung „per Nachnahme” führt nicht zu Rechtsbeziehungen zwischen dem Empfänger des Pakets und der Deutschen Post AG. Die von Versandhandelsunternehmen weiterberechneten Portokosten stellen damit keinen durchlaufenden Posten im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 5 UStG dar.

Die weitereberechneten Portokosten durch sog. Konsolidierer (erbringen postvorbereitende Leistungen) sind als durchlaufende Posten anzusehen, wenn der Konsolidierer im Rahmen der zwischen ihm und der Deutschen Post AG (DPAG) abgeschlossenen Standardverträge auf der Grundlage der AGB Brief National gegenüber der DPAG im fremden Namen auftritt und die Beförderungsleistungen der DPAG nur gegenüber den Absendern der Briefsendungen erbracht werden können. Wird der Konsolidierer dagegen auf der Grundlage der AGB „Teilleistungen BZA gewerbsmäßige Konsolidierung Brief” oder der AGB „BZE gewerbsmäßige Konsolidierung Brief” tätig, handelt er insoweit gegenüber der DPAG in eigenem Namen. In diesem Fall sind die weiterberechneten Portokosten kein durchlaufender Posten, sondern Teil des Entgelts für die Leistung des Konsolidierers. Zur weiteren umsatzsteuerlichen Behandlung der Entgelte für postvorbereitende Leistungen durch einen Konsolidierer (§ 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 PostG) siehe BMF-Schreiben vom 13.12.2006 – IV A 5 – S 7100 – 177/06 ( BStBl 2007 I S. 119).

Unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11b UStG fallen seit 01.07.2010 nur noch bestimmte Post-Universaldienstleistungen. Leistungen, die aufgrund individuell ausgehandelter Vereinbarungen erbracht werden, fallen nicht unter diese Steuerbefreiung, unabhängig von der Art der Sendung (s. Abschn. 4.11b.1. Abs. 6 UStAE).

Handelt es sich nach den o. g. Grundsätzen bei den weiterberechneten Portokosten um einen durchlaufenden Posten, gilt dies auch für die auf das Porto entfallende Umsatzsteuer.

Der durchlaufende Posten ist in der Rechnung von der Agentur an den Auftraggeber gesondert auszuweisen. Das weiterberechnete Porto ist brutto als durchlaufender Posten anzugeben. Die in diesem Betrag enthaltene Umsatzsteuer darf nicht gesondert als solche ausgewiesen werden. Andernfalls wird sie nach § 14c Abs. 2 UStG geschuldet, da insoweit keine Leistung erbracht wurde.

Um dem Auftraggeber den Vorsteuerabzug aus diesen weiterberechneten Portokosten zu ermöglichen, müsste die Rechnung des Postdienstleistungsanbieters an ihn weitergereicht werden. Der Beleg muss die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Rechnung i. S. d. § 14 Abs. 4 UStG erfüllen. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn der Absender nicht im Anschriftenfeld der vom Postdienstleistungsanbieter erteilten Rechnung genannt ist, sich sein Name und seine Anschrift aber aus dem übrigen Inhalt der Rechnung ergeben und in der Rechnung auch alle anderen Angaben des § 14 Abs. 4 UStG enthalten sind.

Abschlags- bzw. Vorauszahlungen sind ebenfalls nach den o. g. Grundsätzen zu behandeln.

Die Rundverfügung vom 26.07.2011 – S 7200 A – 180 – St 111 (USt-Kartei OFD-Ffm. – § 10 – S 7200 – Karte 24) ist überholt.

Steuerliche Behandlung von Berufskraftfahrern

Steuerliche Behandlung von Berufskraftfahrern nach dem deutschluxemburgischen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-Luxemburg).

Zur Erzielung einer abkommenkonformen Abgrenzung der Besteuerungsrechte bei Berufskraftfahrern wurde mit der luxemburgischen Finanzverwaltung eine Verständigungsvereinbarung getroffen, die seit dem 01.09.2011 gilt. Diese ist auf alle Fälle anzuwenden, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen oder die Gegenstand eines Verständigungsverfahrens sind (OFD Frankfurt/M. v. 09.01.2013 – S 1301 A – LU.02 – St 56).

OFD Frankfurt/M. v. 09.01.2013 – S 1301 A – LU.02 – St 56

Erweiterung der Verständigungsvereinbarung auf Lokomotivführer und Begleitpersonal – Verständigungsvereinbarung vom 8. September 2011

Bezug: BMF-Schreiben vom 19.09.2011, BStBl 2011 I S. 849 OFD-Rundverfügung vom 01.11.2006 – S 1301 A – LU.02 – St 58; OFD-Rundverfügung vom 23.11.2005 – S 1301 A – LU.02 – St 58; OFD-Rundverfügung vom 09.10.2006 – S 1300 A – 50 – St 58

 

Kapitelübersicht
Allgemeines
Verständigungsvereinbarung zum DBA Luxemburg
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. September 2011 – IV B 3 – S 1301 LUX/07/10002

Allgemeines
Einzelheiten zur Besteuerung des Arbeitslohns nach den DBA bei Berufskraftfahrern enthält auch Tz. 7 des BMF-Schreibens vom 14.09.2006 – IV B 6 – S 1300 – 367/06 – zur „Steuerlichen Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen” (vgl. Rundvfg. vom 09.10.2006 – Kartei DBA, AStG S 1300 DBA Allgemeines, Besteuerung von Arbeitslohn, Karte 39).

Berufskraftfahrer halten sich während der Arbeitsausübung in oder bei ihrem Fahrzeug auf. Das Fahrzeug ist daher ihre regelmäßige Arbeitsstätte. Der Ort der Arbeitsausübung des Berufskraftfahrers bestimmt sich nach dem jeweiligen Aufenthalts- bzw. Fortbewegungsort des Fahrzeugs.

Berufskraftfahrer mit Wohnsitz in Deutschland sind nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Die Steuerpflicht erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte i. S. des § 2 Abs. 1 EStG.

Gemäß Artikel 20 Abs. 2 i. V. mit Art 10 Abs. 1 des DBA-Luxemburg sind die Einkünfte eines im Inland wohnenden Berufskraftfahrers mit luxemburgischen Arbeitgeber bei der Besteuerung in Deutschland insoweit von der Steuer freizustellen (unter Progressionsvorbehalt), als die Arbeit in Luxemburg ausgeübt worden ist.

Verständigungsvereinbarung zum DBA Luxemburg

Zur nachstehenden Verständigungsvereinbarung ist eine Rechtsverordnung (KonsVerLUXV) ergangen. Die unten aufgeführte Verständigungsvereinbarung ist in deutsches innerstaatliches Recht transformiert worden und für alle Besteuerungssachverhalte ab dem 17.10.2011 (§ 11 KonsVerLUXV) anzuwenden.

Zur Erzielung einer abkommenkonformen Abgrenzung der Besteuerungsrechte wurde mit der luxemburgischen Finanzverwaltung die nachstehende Verständigungsvereinbarung getroffen, die seit dem 01.09.2011 gilt. Diese ist auf alle Fälle anzuwenden, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht abgeschlossen oder die Gegenstand eines Verständigungsverfahrens sind.

Anbei übersende ich die mit der luxemburgischen Finanzverwaltung am 7. September 2011 geschlossene Verständigungsvereinbarung zum Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 23. August 1958 in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15. Juni 1973 und des Änderungsprotokolls vom 11. Dezember 2009 betreffend die Besteuerung der Löhne von Berufskraftfahrern, Lokomotivführern und Begleitpersonal, die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig und für ein in dem anderen Vertragsstaat ansässiges Unternehmen tätig sind.

Hinsichtlich der Umsetzung der Verständigungsvereinbarung haben beide Seiten eine Umsetzungsvereinbarung getroffen. Unter anderem wird die luxemburgische Finanzverwaltung den zuständigen deutschen Behörden hiernach Informationen über die betreffenden Berufskraftfahrer, Lokomotivführer und das Begleitpersonal spontan mitteilen. Die Umsetzungsvereinbarung übersende ich diesem Schreiben anliegend ebenfalls zur Kenntnis.

Die Verständigungsvereinbarung ist am 8. September 2011 in Kraft getreten und ist auch auf alle Fälle anzuwenden, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen oder die Gegenstand eines Verständigungsverfahrens sind. Sie ersetzt die Vereinbarung betreffend die Besteuerung der Löhne von Berufskraftfahrern vom März 2005.

Anlage 1.

Verständigungsvereinbarung zum Abkommen vom 23.8.1958 in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15.6.1973 zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung betreffend die Besteuerung der Löhne von Berufskraftfahrern, die in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig und für ein in dem anderen Vertragsstaat ansässiges Unternehmen tätig sind.

Zur Beseitigung von Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Besteuerungsrechts der Vertragsstaaten nach dem Ausübungsort der nichtselbständigen Tätigkeit bei Berufskraftfahrern, die in einem der Vertragsstaaten ansässig sind und ihre nichtselbständige Tätigkeit für ein in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Arbeitgeber ausüben, verständigen sich die zuständigen Behörden gem. Art. 26 Abs. 3 des Abkommens vom 23.8.1958 zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern in der Fassung des Ergänzungsprotokolls vom 15.6.1973 wie folgt:

  1. Der Arbeitslohn, der auf Arbeitstage entfällt, an denen der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit ausschließlich in dem Vertragsstaat ausgeübt hat, in dem er seinen Wohnsitz hat, wird in diesem Vertragsstaat besteuert.
  2. Der Arbeitslohn, der auf Arbeitstage entfällt, an denen der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit ausschließlich in dem Vertragsstaat ausgeübt hat, in dem der Arbeitgeber des Berufskraftfahrers seinen Wohnsitz hat, wird in diesem Vertragsstaat besteuert.
  3. Der Arbeitslohn, der auf Arbeitstage entfällt, an denen der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit ausschließlich
    1. in einem oder mehreren Drittstaaten, oder
    2. in einem oder mehreren Drittstaaten und in dem Vertragsstaat, in dem der Berufskraftfahrer seinen Wohnsitz hat, ausgeübt hat, wird in dem Vertragsstaat besteuert, in dem der Berufskraftfahrer seinen Wohnsitz hat. Drittstaat im Sinne dieser Vereinbarung ist jeder Staat mit Ausnahme der beiden Vertragsstaaten
  4. Der Arbeitslohn, der auf Arbeitstage entfällt, an denen der Berufskraftfahrer seine Tätigkeit teilweise in dem Vertragsstaat ausgeübt hat, in dem der Arbeitgeber des Berufskraftfahrers seinen Wohnsitz hat, und teilweise
    1. in dem Vertrags Staat, in dem der Berufskraftfahrer seinen Wohnsitz hat,
    2. in einem oder mehreren Drittstaaten, oder
    3. in dem Vertragsstaat, in dem der Berufskraftfahrer seinen Wohnsitz hat, und in einem oder mehreren Drittstaaten, wird, unabhängig von der jeweiligen Verweildauer des Berufskraftfahrers in den einzelnen Staaten, zu gleichen Teilen auf die entsprechenden Staaten aufgeteilt. Das anteilige Besteuerungsrecht wird sodann gemäß den Nummern 1 bis 3 den Vertragsstaaten zugewiesen.
  5. Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn, der auf freie Tage (wie z. B. Samstage, Sonntage, Feiertage, Urlaubstage) des Berufskraftfahrers entfällt, steht den Vertragsstaaten in dem Verhältnis zu, in dem der Arbeitslohn nach den Tätigkeitstagen gemäß den Nummern 1 bis 4 für das gesamte Kalenderjahr auf die Vertragsstaaten aufgeteilt worden ist. Das Besteuerungsrecht des Krankengeldes steht dem Vertragsstaate zu, in dem der Berufskraftfahrer der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
  6. Im Sinne dieser Vereinbarung sind Fahrten des Berufskraftfahrers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht als Ausübung seiner nichtselbständigen Tätigkeit anzusehen. Regelmäßige Arbeitsstätte des Berufskraftfahrers ist das Fahrzeug.
  7. Die Vereinbarung gilt sinngemäß für die Fälle, in denen der Berufskraftfahrer mit Wohnsitz in einem der beiden Vertragsstaaten für seine Tätigkeit zu Lasten einer in dem anderen Vertragsstaat befindlichen Betriebsstätte des Arbeitgebers entlohnt wird.
  8. Diese Vereinbarung tritt mit Unterzeichnung durch beide zuständigen Behörden der Vertragsstaaten in Kraft und ist für Steuerjahre anzuwenden, die am oder nach dem 1.7.2005 beginnen. In der Bundesrepublik Deutschland ist die Vereinbarung zudem innerhalb eines Jahres nach Abschluss der Verständigungsvereinbarung auf Antrag auf alle abgeschlossenen Fälle anzuwenden.
  9. Nach Ablauf von drei Jahren werden die zuständigen Behörden die Regelungen gemeinsam auf ihre Zweckmäßigkeit überprüfen.

Anlage 2

Umsetzung der Verständigungsvereinbarung

Beide Vertragsparteien werden die Öffentlichkeit, insbesondere die Verbände, Arbeitgeber und Gewerkschaften über diese Verständigungsvereinbarung in geeigneter Weise informieren. Die Vertragsparteien beabsichtigen, den Inhalt dieser Verständigungsvereinbarung insbesondere den luxemburgischen Arbeitgebern und den in Deutschland ansässigen Berufskraftfahrern in hinreichendem Umfang bekannt zu machen. Die betroffenen luxemburgischen Arbeitgeber und die in Deutschland ansässigen Berufskraftfahrer sollen durch geeignete Informationen in die Lage versetzt werden, die Vorgaben dieser Verständigungsvereinbarung zu beachten, so dass eine zutreffende Besteuerung sicher gestellt ist. Zur Erreichung dieses Ziels sollen den betreffenden Arbeitgebern die Regelungen dieser Verständigungsvereinbarung in einem Rundschreiben der luxemburgischen Finanzverwaltung näher erläutert werden. Dieses Rundschreiben wird darauf hinweisen, dass luxemburgische Arbeitgeber die Lohnsteuer für ihre in Deutschland ansässigen Berufskraftfahrer unter Berücksichtigung dieser Vereinbarung zu berechnen und darüber hinaus auf der Lohnbescheinigung den Teil des Arbeitslohns auszuweisen haben, der nicht der luxemburgischen, sondern der deutschen Steuer unterliegt. Dieser Betrag ist unter „Autres exemptions” (Buchst. C Nr. 2) auf der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben. Die in Deutschland ansässigen Arbeitnehmer sind im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung verpflichtet, den Anteil des Arbeitslohns, welcher der deutschen Steuer unterliegt, nachzuweisen, insbesondere durch Vorlage der vom luxemburgischen Arbeitgeber erteilten Lohnbescheinigung. Die luxemburgische Finanzverwaltung erteilt Auskünfte auf Anfragen der deutschen Finanzverwaltung, die aufgrund konkreter Anhaltspunkte für die fehlende Beachtung der Verständigungsvereinbarung durch in Deutschland ansässige Berufskraftfahrer notwendig werden.

Ich bitte, auf der Bezugsverfügung vom 09.10.2006 (Karteikarte S 1300 DBA Allgemeines, Besteuerung von Arbeitslohn, Karte 1) einen Hinweis auf die vorliegende Karteikarte anzubringen.

Die folgende Rundverfügung ist auszusondern:

Rdvfg. vom 19.12.1996 (S 1300 A – 50 – St III la)  – Kartei DBA, AStG S 1300 DBA Allgemeines, Besteuerung von Arbeitslohn, Karte 4

Medizinische Maßnahmen als außergewöhnliche Belastungen

Einkommensteuer: Medizinische Maßnahmen als außergewöhnliche Belastungen (FinMin)

Behandlungen, die lediglich aus kosmetischen Erwägungen heraus – ohne medizinische Notwendigkeit und ohne therapeutisches Ziel – vorgenommen werden, sind keine Krankheitskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung (Finanzministerium Schleswig-Holstein v. 12.03.2013 – Kurzinfo ESt 6/2013VI 313 – S 2284 – 187).

Ministerium der Finanzen Schleswig-Holstein v. 12.03.2013 – Kurzinfo ESt 6/2013VI 313 – S 2284 – 187

Aufwendungen für eine medizinische Maßnahme, die nicht zweifelsfrei der Linderung oder Heilung einer Krankheit dient, als außergewöhnliche Belastungen i. S. des§ 33 EStG; Voraussetzungen für den Nachweis der Zwangsläufigkeit

 

Mir ist die Frage gestellt worden, welche Nachweise Steuerpflichtige für Aufwendungen aufgrund von plastischen Operationen und anderen Operationen im Bereich der Schönheitspflege (z. B. Fettabsaugung) zu erbringen haben, um diese Aufwendungen als Krankheitskosten nach § 33 EStG berücksichtigen zu können.

Aufwendungen für Heilbehandlungen werden typisierend als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt, ohne dass die Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach geprüft werden. Heilbehandlungen sind Maßnahmen, die entweder der Heilung einer Krankheit dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern (BFH-Urteil vom 17. Juli 1981, VI R 77/78, BStBl 1981 II S. 711). Der Begriff der Heilbehandlung umfasst dabei alle Eingriffe und andere Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern.

Hiervon abzugrenzen sind Behandlungen, die lediglich aus kosmetischen Erwägungen heraus – ohne medizinische Notwendigkeit und ohne therapeutisches Ziel – vorgenommen werden. Die Aufwendungen für derartige Behandlungen fallen nicht unter den Begriff der Heilbehandlung und sind somit keine Krankheitskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung, die nach § 12 Nummer 1 EStGsteuerlich unbeachtlich sind.

Ist nicht eindeutig erkennbar, ob die medizinische Maßnahme der Heilung oder Linderung einer Krankheit dient, befindet sich der Steuerpflichtige nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen im Zweifel in der Beleg- und Nachweispflicht darüber, dass es sich bei seinen Aufwendungen um Krankheitskosten handelt.

Bis zur Änderung seiner langjährigen Rechtsprechung mit den Urteilen 11. November 2010, VI R 16/09, BStBl 2011 II S. 966 und VI R 17/09, BStBl 2011 II S. 969 forderte der BFH in diesen Fällen zum Nachweis der Aufwendungen stets ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest (u. a. BFH-Urteil vom 24. November 2006, III B 57/06, BFH/NV 2007 S. 438, betreffend Aufwendungen für eine Fettabsaugung). Mit der Änderung seiner Rechtsprechung hält der BFH nicht mehr an diesem formalisierten Nachweisverlangen fest.

Im Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurden in Reaktion auf diese Rechtsprechungsänderung in § 64 Absatz 1 EStDV die derzeit geltenden Verwaltungsanweisungen (R 33.4 EStR 2008) zum Nachweis von Krankheitskosten im Wesentlichen gesetzlich festgeschrieben.

Der Anwendungskatalog des § 64 Absatz 1 EStDV enthält jedoch keine Regelung für Operationen aller Art, d. h. es gibt keine Regelung nach der ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest gefordert werden kann.

Es ist daher wie folgt zu verfahren:

Der Steuerpflichtige hat die Zweckbestimmung seiner Behandlung anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen.

Ein Attest des behandelnden Arztes genügt grundsätzlich nicht. Sofern die Behandlung medizinisch indiziert ist, ist davon auszugehen, dass dem Steuerpflichtigen entsprechende Befundberichte vorliegen und er diese zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit vorlegen kann.

Die Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen (Art der Maßnahme, Krankheitsbild, Gründe für die fehlende Erstattung).

Der Nachweis einer medizinischen Indikation gilt auf jeden Fall dann als erbracht, wenn sich die Krankenversicherung oder der Beihilfeträger an den Behandlungskosten beteiligt hat.

Sollte die medizinische Notwendigkeit der Behandlung streitig werden, dann erleichtert ein bereits vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur medizinischen Notwendigkeit der Behandlung die Nachweisführung.

Fristverlängerung und vorzeitige Anforderung für Steuererklärungen 2012

Steuererklärungsfristen für das Kalenderjahr 2012, Fristverlängerung und vorzeitige Anforderung für Steuererklärungen 2012

1. Steuererklärungsfristen für das Kalenderjahr 2012

Die gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder (außer Hes
sen) vom 2.1.2013 über Steuererkiärungsfristen 2012 (Fristenerlass 2012^ sind im
Bundessteuerblatt l 2013, S. 66, veröffentlicht.

2. Fristverlängerungen

Unverändert zu dem Verfahren im Vorjahr wird die gesetzliche Abgabefrist des 31.5.2013 für Steuerpflichtige, die steuerlich vertreten werden, einheitlich allgemein auf den 31.12.2013 verlängert. Diese allgemeine Fristverlängerung gilt auch für Angehörige der steuerberatenden Berufe in eigener Sache. Fristverlängerungen über den 31.12.2013 hinaus sind nur ausnahmsweise auf begründete Einzelanträge hin bis zum 28.2.2014 zu gewähren; Arbeitsüberlastung oder personelle Engpässe reichen dabei als Begründung nicht aus.

Eine über den 28.2.2014 hinausgehende Fristverlängerung kommt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Abschn. II Abs. 3 Satz 2 des Fristenerlass 2012V

 

3. Vorzeitige Anforderung von Steuererklärungen

3.1 Auswahl der Fälle

Gemäß Abschnitt II Abs. 2 des Fristenerlasses 2012 sollen insbesondere in den Fäl
len die Steuererklärungen vorzeitig angefordert werden, in denen für den vorangegan
genen Veranlagungszeitraum die erforderlichen Erklärungen verspätet oder nicht ab
gegeben wurden.

3.1.1 Finanzämter für Körperschaften

Es werden in allen Fällen, in denen die Körperschaftsteuer- oder die Feststellungser
klärungen für 2011 nicht bis zum 31.3.2013 abgegeben worden sind, die entsprechen
den Steuererklärungen für 2012 maschinell zum 31.8.2013 vorzeitig angefordert. Die
se Vorgaben berücksichtigen unter Fortführung des Verfahrens im Vorjahr die beson
deren Rahmenbedingungen in den Finanzämtern für Körperschaften.
Die maschinell erstellten Anforderungsschreiben (Muster siehe Anlage) werden zen
tral versandt. Die Absendung erfolgt voraussichtlich im April 2013. Zweitschriften für
die Akten werden nicht ausgedruckt.

3.1.2 Regional zuständige Finanzämter

Es werden in allen Fällen, in denen die Einkommensteuer- oder die Feststellungser
klärungen für 2011 nicht bis zum 30.4.2013 abgegeben worden sind, die entsprechen
den Erklärungen für 2012 maschinell zum 15.10.2013 vorzeitig angefordert. Diese
Vorgaben berücksichtigen unter Fortführung des Verfahrens im Vorjahr die besonde
ren Rahmenbedingungen in den regional zuständigen Finanzämtern.
Die maschinell erstellten Anforderungsschreiben (Muster siehe Anlage) werden zen
tral versandt. Die Absendung erfolgt voraussichtlich im Mai 2013. Zweitschriften für
die Akten werden nicht ausgedruckt.

3.1.3 Personelle vorzeitige Anforderung

Darüber hinaus bleibt eine personelle vorzeitige Anforderung zulässig, wenn dies
nach den Verhältnissen des Einzelfalles zweckmäßig erscheint (vgl. Abschn. II Abs. 2
Satz 1 des Fristenerlass 2012). Hierfür steht die Unifa-Vorlajge „Steuererklärung(en)
Abgabe vorzeitig“ im Dokumentenmanager unter
– Arbeitnehmerstelle\Anforderung Steuererklärung\
– VeranlagungWiforderung Steuererklärung\
– KörperschaftsteuerstelleWiforderung Steuererklärung\
zur Verfügung.
Im Fall einer Betriebseinstellung sind die Betriebssteuererklärungen immer vorzeitig
anzufordern.

3.2 Bearbeitungszeit vorzeitig angeforderter Erklärungen

Die vorzeitig angeforderten Steuererklärungen sind ohne Rücksicht auf das steuerli
che Ergebnis möglichst innerhalb von zwei Monaten nach Eingang zu bearbeiten.
3.3 Keine Fristverlängerung vorzeitig angeforderter Erklärungen
Bei vorzeitig angeforderten Steuererklärungen kommt eine Fristverlängerung nur in
Einzelfällen in Betracht, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände in der Person
des Steuerpflichtigen oder des Angehörigen der steuerberatenden Berufe ein zwin
gender Ausnahmefall vorliegt. Ein zwingender Ausnahmefall liegt insbesondere nicht
vor, wenn Arbeitsüberlastung oder personelle Engpässe geltend gemacht werden.

3.4 Keine Erinnerungen für ausstehende vorzeitig angeforderte Erklärungen

Nach ergebnislosem Fristablauf erfolgt keine Erinnerung an die Abgabe ausstehender
Erklärungen. Es können sodann ohne weiteres erforderliche Maßnahmen – Zwangs
geldverfahren (§ 328 AO) oder Schätzung der Besteuerungsgrundlageh (§ 162 AO)
und Festsetzung eines Verspätungszuschlags (§ 152 AO) – ergriffen werden.
Arbeitslisten ausstehender Erklärungen werden kurzfristig nach Fristablauf ausgege
ben.

3.5 Information an Kammern und Verbände

Die Steuerberaterkammer Berlin, der Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg e.V.
und der Berlin-Brandenburger Verband der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und ver
eidigten Buchprüfer e.V. werden über diese Regelung informiert.

Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken

Umsatzsteuer: Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken; Konsequenzen des EuGH-Urteils vom 10. März 2011 – C-497/09 u. a – sowie der BFH-Urteile vom 8. Juni 2011, XI R 37/08, 30. Juni 2011, V R 3/07, V R 35/08, V R 18/10, 12. Oktober 2011, V R 66/09, und vom 23. November 2011, XI R 6/08 sowie der Verordnung (EU) Nr. 282/11 des Rates vom 15. März 2011 (ABl. EU Nr. L 77 S. 1)

Mit Urteilen vom 10. März 2011, C-497/09 u. a., 8. Juni 2011, XI R 37/08, 30. Juni 2011, V R 3/07, V R 35/08, V R 18/10, 12. Oktober 2011, V R 66/09, und vom 23. November 2011, XI R 6/08, haben der EuGH und der BFH zur Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken Recht gesprochen1.
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

I. Anwendung der Urteile

Neben den genannten Urteilen ist für nach dem 30. Juni 2011 ausgeführte Umsätze Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 282/11 des Rates vom 15. März 2011, ABl. EU Nr. L 77 S. 1, (MwStVO) zu berücksichtigen. Nach Artikel 6 Abs. 1 MwStVO gilt die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder von Getränken zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, als sonstige
1 Die Urteile werden zeitgleich im Bundessteuerblatt II veröffentlicht.

Leistung. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt. Auf die Zubereitung kommt es demnach nicht an. Soweit die genannten Urteile für die Beurteilung eines Umsatzes an die Komplexität der Zubereitung von Speisen anknüpfen, sind sie für nach dem 30. Juni 2011 ausgeführte Umsätze nicht mehr anzuwenden.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses

Abschnitt 3.6 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vom 1. Oktober 2010 (BStBl I S. 846), der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 7. März 2013 – IV D 2 – S 7105/11/10001 (2013/0213861) – geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
„3.6. Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken

(1) Verzehrfertig zubereitete Speisen können sowohl im Rahmen einer ggfs. ermäßigt besteuerten Lieferung als auch im Rahmen einer nicht ermäßigt besteuerten sonstigen Leistung abgegeben werden. Die Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen richtet sich dabei nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. Abschnitt 3.5). Nach Artikel 6 Abs. 1 MwStVO gilt die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder von Getränken zusam-men mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, als sonstige Leistung. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil qualitativ überwiegt. Ob der Dienstleistungsanteil qualitativ überwiegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Umsatzes zu beurteilen. Bei dieser wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls sind nur solche Dienstleistungen zu berücksichtigen, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung der Speisen verbunden sind (vgl. Absatz 3). Dienstleistungselemente, die notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln verbunden sind, bleiben bei der vorzunehmenden Prüfung unberücksichtigt (vgl. Absatz 2). Ebenso sind Dienstleistungen des speiseabgebenden Unternehmers oder Dritter, die in keinem Zusammen-hang mit der Abgabe von Speisen stehen (z. B. Vergnügungsangebote in Freizeitparks, Leistungen eines Pflegedienstes oder Gebäudereinigungsleistungen außerhalb eigenständiger Cateringverträge), nicht in die Prüfung einzubeziehen.

(2) Insbesondere folgende Elemente sind notwendig mit der Vermarktung verzehrfertiger Speisen verbunden und im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen:
− Darbietung von Waren in Regalen;
− Zubereitung der Speisen;
− Transport der Speisen und Getränke zum Ort des Verzehrs einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Leistungen wie Kühlen oder Wärmen, der hierfür erforderlichen Nutzung von besonderen Behältnissen und Geräten sowie der Vereinbarung eines festen Lieferzeitpunkts;
− Übliche Nebenleistungen (z. B. Verpacken, Beigabe von Einweggeschirr oder -besteck);
− Bereitstellung von Papierservietten;
− Abgabe von Senf, Ketchup, Mayonnaise, Apfelmus oder ähnlicher Beigaben;
− Bereitstellung von Abfalleimern an Kiosken, Verkaufsständen, Würstchenbuden usw.;
− Bereitstellung von Einrichtungen und Vorrichtungen, die in erster Linie dem Verkauf von Waren dienen (z. B. Verkaufstheken und -tresen sowie Ablagebretter an Kiosken, Verkaufsständen, Würstchenbuden usw.);
− bloße Erstellung von Leistungsbeschreibungen (z. B. Speisekarten oder -pläne);
− allgemeine Erläuterung des Leistungsangebots;
− Einzug des Entgelts für Schulverpflegung von den Konten der Erziehungsberechtigten.
Die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen, stellt stets eine Lieferung dar (Artikel 6 Abs. 2 MwStVO). Die Sicherstellung der Verzehrfertigkeit während des Transports (z. B. durch Warmhalten in besonderen Behältnissen) sowie die Vereinbarung eines festen Zeit-punkts für die Übergabe der Speisen an den Kunden sind unselbständiger Teil der Beförde-rung und daher nicht gesondert zu berücksichtigen. Die Abgabe von Waren aus Verkaufsautomaten ist stets eine Lieferung.

(3) Nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbundene und damit für die Annahme einer Lieferung schädliche Dienstleistungselemente liegen vor, soweit sich der leistende Unternehmer nicht auf die Ausübung der Handels- und Verteilerfunktion des Lebensmitteleinzelhandels und des Lebensmittelhandwerks beschränkt (vgl. BFH-Urteil vom 24. 11. 1988, V R 30/83, BStBl 1989 II S. 210). Insbesondere die folgenden Elemente sind nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbunden und daher im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen:
− Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur (vgl. Absatz 4);
− Servieren der Speisen und Getränke;
− Gestellung von Bedienungs-, Koch- oder Reinigungspersonal;
− Durchführung von Service-, Bedien- oder Spülleistungen im Rahmen einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur oder in den Räumlichkeiten des Kunden;
− Nutzungsüberlassung von Geschirr oder Besteck;
− Überlassung von Mobiliar (z. B. Tischen und Stühlen) zur Nutzung außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers;
− Reinigung bzw. Entsorgung von Gegenständen, wenn die Überlassung dieser Gegen-stände ein berücksichtigungsfähiges Dienstleistungselement darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 10. 8. 2006, V R 55/04, BStBl 2007 II S. 480);
− Individuelle Beratung bei der Auswahl der Speisen und Getränke;
− Beratung der Kunden hinsichtlich der Zusammenstellung und Menge von Mahlzeiten für einen bestimmten Anlass.
Erfüllen die überlassenen Gegenstände (Geschirr, Platten etc.) vornehmlich Verpackungs-funktion, stellt deren Überlassung kein berücksichtigungsfähiges Dienstleistungselement dar. In diesem Fall ist auch die anschließende Reinigung bzw. Entsorgung der überlassenen Gegenstände bei der Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen.
Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur

(4) Die Bereitstellung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur stellt ein im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigendes Dienstleistungselement dar. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere die Bereitstellung von Vorrichtungen, die den bestimmungsgemäßen Ver-zehr der Speisen und Getränke an Ort und Stelle fördern sollen (z. B. Räumlichkeiten, Tische und Stühle oder Bänke, Bierzeltgarnituren). Auf die Qualität der zur Verfügung gestellten Infrastruktur kommt es nicht an. Daher genügt eine Abstellmöglichkeit für Speisen und Getränke mit Sitzgelegenheit für die Annahme einer sonstigen Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 30. 6. 2011, V R 18/10, BStBl 2013 II S. ___). Daneben sind beispielsweise die Bereitstellung von Garderoben und Toiletten in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Eine in erster Linie zur Förderung der Bewirtung bestimmte Infrastruktur muss nicht einer ausschließlichen Nutzung durch die verzehrenden Kunden vorbehalten sein. Duldet der Unternehmer daneben eine Nutzung durch andere Personen, steht dies einer Berücksichtigung nicht entgegen. Vor-richtungen, die nach ihrer Zweckbestimmung im Einzelfall nicht in erster Linie dazu dienen, den Verzehr von Speisen und Getränken zu erleichtern (z. B. Stehtische und Sitzgelegenhei-ten in den Wartebereichen von Kinofoyers sowie die Bestuhlung in Kinos, Theatern und Stadien, Parkbänke im öffentlichen Raum, Nachttische in Kranken- und Pflegezimmern), sind nicht zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 30. 6. 2011, V R 3/07, BStBl 2013 II). Dies gilt auch dann, wenn sich an diesen Gegenständen einfache, behelfsmäßige Vorrichtungen befinden, die den Verzehr fördern sollen (z. B. Getränkehalter, Ablagebretter). Nicht zu berücksichtigen sind außerdem behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen, wie z. B. Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit oder Stehtische. Sofern die Abgabe der Speisen und Getränke zum Verzehr vor Ort erfolgt, kommt es jedoch nicht darauf an, dass sämtliche bereitgestellte Einrichtungen tatsächlich genutzt werden. Vielmehr ist das bloße Zur-Verfügung-Stellen ausreichend. In diesem Fall ist auf sämtliche Vor-Ort-Umsätze der allgemeine Steuersatz anzuwenden. Für die Berücksichtigung einer die Bewirtung fördernden Infrastruktur ist die Zweckabrede zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich. Bringt der Kunde zum Ausdruck, dass er eine Speise vor Ort verzehren will, nimmt diese anschließend jedoch mit, bleibt es bei der Anwendung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes. Werden Speisen sowohl unter Einsatz von nicht zu berücksichtigenden Infrastrukturelementen (z. B. in Wartebereichen von Kinos) als auch hiervon getrennt in Gastronomiebereichen abgegeben, ist eine gesonderte Betrachtung der einzelnen Bereiche vorzunehmen.

(5) Die in Absatz 3 genannten Elemente sind nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dem Kunden vom speiseabgebenden Unternehmer im Rahmen einer einheitlichen Leistung zur Verfügung gestellt werden und vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt wurden, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern (vgl. BFH-Urteil vom 30. 6. 2011, V R 18/10, BStBl 2013 II). Von Dritten erbrachte Dienstleistungselemente sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Voraussetzung für eine Nichtberücksichtigung ist, dass der Dritte unmittelbar gegenüber dem verzehrenden Kunden tätig wird. Es ist daher im Einzelfall – ggf. unter Berücksichtigung von getroffenen Vereinbarungen – zu prüfen, inwieweit augenscheinlich von einem Dritten erbrachte Dienstleistungselemente dem speiseabgebenden Unternehmer zuzurechnen sind. Leistet der Dritte an diesen Unternehmer und dieser wiederum an den Kunden, handelt es sich um ein Dienstleistungselement des speiseabgebenden Unternehmers, das im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen ist.

(6) Die in den Absätzen 1 bis 5 dargestellten Grundsätze gelten gleichermaßen für Imbissstände wie für Verpflegungsleistungen in Kindertagesstätten, Schulen und Kantinen, Krankenhäusern, Pflegeheimen oder ähnlichen Einrichtungen, bei Leistungen von Catering-Unternehmen (Partyservice) und Mahlzeitendiensten („Essen auf Rädern“). Sie gelten ebenso für unentgeltliche Wertabgaben. Ist der Verzehr durch den Unternehmer selbst als sonstige Leistung anzusehen, liegt eine unentgeltliche Wertabgabe § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor, die dem allgemeinen Steuersatz unterliegt. Für unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b UStG – z. B. Entnahme von Nahrungsmitteln durch einen Gastwirt zum Verzehr in einer von der Gaststätte getrennten Wohnung – kommt der ermäßigte Steuersatz in Betracht. Auf die jährlich im BStBl Teil I veröffentlichten Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) wird hingewiesen (vgl. Abschnitt 10.6 Abs. 1 Satz 6).

Beispiel 1:
Der Betreiber eines Imbissstandes gibt verzehrfertige Würstchen, Pommes frites usw. an seine Kunden in Pappbehältern oder auf Mehrweggeschirr ab. Der Kunde erhält dazu eine Serviette, Einweg- oder Mehrwegbesteck und auf Wunsch Ketchup, Mayonnaise oder Senf. Der Imbissstand verfügt über eine Theke, an der Speisen im Stehen eingenommen werden können. Der Betreiber hat vor dem Stand drei Stehtische aufgestellt. 80% der Speisen werden zum sofortigen Verzehr abgegeben. 20 % der Speisen werden zum Mit-nehmen abgegeben.

Unabhängig davon, ob die Kunden die Speisen zum Mitnehmen oder zum Verzehr an Ort und Stelle erwerben, liegen insgesamt begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Die erbrachten Dienstleistungselemente (Bereitstellung einfachster Verzehrvorrichtungen wie einer Theke und Stehtischen sowie von Mehrweggeschirr) führen bei einer wertenden Gesamtbetrachtung des Vorgangs auch hinsichtlich der vor Ort verzehrten Speisen nicht zur Annahme einer sonstigen Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 8. 6. 2011, XI R 37/08, BStBl 2013 II, und vom 30. 6. 2011, V R 35/08, BStBl 2013 II). Die Qualität der Speisen und die Komplexität der Zubereitung haben auf die Beurteilung des Sachverhalts keinen Einfluss.

Beispiel 2:
Wie Beispiel 1, jedoch verfügt der Imbissstand neben den Stehtischen über aus Bänken und Tischen bestehende Bierzeltgarnituren, an denen die Kunden die Speisen einnehmen können.
Soweit die Speisen zum Mitnehmen abgegeben werden, liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Soweit die Speisen zum Verzehr vor Ort abgegeben werden, liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor. Mit der Bereitstellung der Tische und der Sitzgelegenheiten wird die Schwelle zum Restaurationsumsatz überschritten (vgl. BFH-Urteil vom 30. 6. 2011, V R 18/10, BStBl 2013 II). Auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Sitzgelegenheiten kommt es nicht an. Maßgeblich ist die Absichtserklärung des Kunden, die Speisen vor Ort verzehren zu wollen.

Beispiel 3:
Der Catering-Unternehmer A verabreicht in einer Schule auf Grund eines mit dem Schul-träger geschlossenen Vertrags verzehrfertig angeliefertes Mittagessen. A übernimmt mit eigenem Personal die Ausgabe des Essens, die Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks.
Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor. Neben den Speisenlieferungen werden Dienstleistungen erbracht, die nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbunden sind (Bereitstellung von Verzehrvorrichtungen, Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks) und die bei Gesamtbetrachtung des Vorgangs das Lieferelement qualitativ überwiegen.

Beispiel 4:
Ein Schulverein bietet in der Schule für die Schüler ein Mittagessen an. Das verzehrfertige Essen wird von dem Catering-Unternehmer A dem Schulverein in Warmhaltebehältern zu festgelegten Zeitpunkten angeliefert und anschließend durch die Mitglieder des Schulvereins an die Schüler ausgegeben. Das Essen wird von den Schülern in einem Mehrzweck-raum, der über Tische und Stühle verfügt, eingenommen. Der Schulverein übernimmt auch die Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks.

Der Catering-Unternehmer A erbringt begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, da sich seine Leistung auf die Abgabe von zubereiteten Speisen und deren Beförderung ohne andere unterstützende Dienstleistungen beschränkt.

Der Schulverein erbringt sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG. Neben den Speisenlieferungen werden Dienstleistungen erbracht, die nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbunden sind (Bereitstellung von Verzehrvorrichtungen, Reinigung der Räume sowie der Tische, des Geschirrs und des Bestecks) und die bei Gesamt-betrachtung des Vorgangs das Lieferelement qualitativ überwiegen. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen können die Umsätze dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG unterliegen.

Beispiel 5:
Wie Beispiel 4, jedoch beliefert der Catering-Unternehmer A den Schulverein mit Tief-kühlgerichten. Er stellt hierfür einen Tiefkühlschrank und ein Auftaugerät (Regeneriertechnik) zur Verfügung. Die Endbereitung der Speisen (Auftauen und Erhitzen) sowie die Ausgabe erfolgt durch den Schulverein.

Der Catering-Unternehmer A erbringt begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Die Bereitstellung der Regeneriertechnik stellt eine Nebenleistung zur Speisenlieferung dar.

Beispiel 6:
Ein Unternehmer beliefert ein Krankenhaus mit Mittag- und Abendessen für die Patienten. Er bereitet die Speisen nach Maßgabe eines mit dem Leistungsempfänger vereinbarten Speiseplans in der Küche des auftraggebenden Krankenhauses fertig zu. Die Speisen wer-den zu festgelegten Zeitpunkten in Großgebinden an das Krankenhauspersonal übergeben, das den Transport auf die Stationen, die Portionierung und Ausgabe der Speisen an die Patienten sowie die anschließende Reinigung des Geschirrs und Bestecks übernimmt. Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da sich die Leistung des Unternehmers auf die Abgabe von zubereiteten Speisen ohne andere unterstützende Dienstleistungen beschränkt. Die durch das Krankenhauspersonal erbrachten Dienstleistungselemente sind bei der Beurteilung des Gesamtvorgangs nicht zu berücksichtigen.

Beispiel 7:
Sachverhalt wie im Beispiel 6. Ein Dritter ist jedoch verpflichtet, das Geschirr und Besteck in der Küche des Krankenhauses zu reinigen.

Soweit dem Unternehmer die durch den Dritten erbrachten Spülleistungen nicht zuzurechnen sind, beschränkt sich seine Leistung auch in diesem Fall auf die Abgabe von zubereiteten Speisen ohne andere unterstützende Dienstleistungen. Es liegen daher ebenfalls begünstigte Lieferungen an das Krankenhaus vor.

Beispiel 8:
Ein Unternehmer bereitet mit eigenem Personal die Mahlzeiten für die Patienten in der angemieteten Küche eines Krankenhauses zu, transportiert die portionierten Speisen auf die Stationen und reinigt das Geschirr und Besteck. Die Ausgabe der Speisen an die Patienten erfolgt durch das Krankenhauspersonal.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Die Reinigung des Geschirrs und Bestecks ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen, da die Überlassung dieser Gegenstände kein berücksichtigungsfähiges Dienstleistungselement darstellt.

Beispiel 9:
Eine Metzgerei betreibt einen Partyservice. Nachdem der Unternehmer die Kunden bei der Auswahl der Speisen, deren Zusammenstellung und Menge individuell beraten hat, bereitet er ein kalt-warmes Büffet zu. Die fertig belegten Platten und Warmhaltebehälter wer-den von den Kunden abgeholt oder von der Metzgerei zu den Kunden geliefert. Die leeren Platten und Warmhaltebehälter werden am Folgetag durch den Metzger abgeholt und gereinigt.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da sich die Leistung des Unternehmers auf die Abgabe von zubereiteten Speisen, ggf. deren Beförderung sowie die Beratung beschränkt. Die Überlassung der Platten und Warmhaltebehälter besitzt vornehmlich Verpackungscharakter und führt bei der Gesamtbetrachtung des Vorgangs auch zusammen mit dem zu berücksichtigenden Dienstleistungselement „Beratung“ nicht zu einem qualitativen Überwiegen der Dienstleistungselemente. Da die Platten und Warmhaltebehälter vornehmlich Verpackungsfunktion besitzen, ist deren Reinigung nicht zu berücksichtigen.

Beispiel 10:
Sachverhalt wie Beispiel 9, zusätzlich verleiht die Metzgerei jedoch Geschirr und/oder Besteck, das vor Rückgabe vom Kunden zu reinigen ist.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor. Das Geschirr erfüllt in diesem Fall keine Verpackungsfunktion. Mit der Überlassung des Geschirrs und des Bestecks in größerer Anzahl tritt daher ein Dienstleistungselement hinzu, durch das der Vorgang bei Betrachtung seines Gesamtbildes als nicht begünstigte sonstige Leistung anzusehen ist. Unerheblich ist dabei, dass das Geschirr und Besteck vom Kunden gereinigt zurückgegeben wird (vgl. BFH-Urteil vom 23. 11. 2011, XI R 6/08, BStBl 2013 II).

Beispiel 11:
Der Betreiber eines Partyservice liefert zu einem festgelegten Zeitpunkt auf speziellen Wunsch des Kunden zubereitete, verzehrfertige Speisen in warmem Zustand für eine Feier seines Auftraggebers an. Er richtet das Buffet her, indem er die Speisen in Warmhaltevorrichtungen auf Tischen des Auftraggebers anordnet und festlich dekoriert.
Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor. Die Überlassung der Warmhaltevorrichtungen erfüllt zwar vornehmlich eine Verpackungsfunktion. Sie führt bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des Vorgangs zusammen mit den zu berücksichtigenden Dienstleistungselementen (Herrichtung des Büffets, Anordnung und festliche Dekoration) jedoch zu einem qualitativen Überwiegen der Dienstleistungselemente.

Beispiel 12:
Der Betreiber eines Partyservice liefert auf speziellen Wunsch des Kunden zubereitete, verzehrfertige Speisen zu einem festgelegten Zeitpunkt für eine Party seines Auftraggebers an. Der Auftraggeber erhält darüber hinaus Servietten, Einweggeschirr und -besteck. Der Betreiber des Partyservice hat sich verpflichtet, das Einweggeschirr und -besteck abzuholen und zu entsorgen.

Es liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor. Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung des Vorgangs überwiegen die zu berücksichtigenden Dienstleistungselemente (Überlassung von Einweggeschirr und -besteck in größerer Anzahl zusammen mit dessen Entsorgung) das Lieferelement qualitativ.

Beispiel 13:
Wie Beispiel 12, jedoch entsorgt der Kunde das Einweggeschirr und -besteck selbst.
Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Da der Kunde die Entsorgung selbst übernimmt, beschränkt sich die Leistung des Unternehmers auf die Abgabe von zubereiteten Speisen und deren Beförderung ohne andere unter-stützende Dienstleistungen.

Beispiel 14:
Ein Mahlzeitendienst übergibt Einzelabnehmern verzehrfertig zubereitetes Mittag- und Abendessen in Warmhaltevorrichtungen auf vom Mahlzeitendienst zur Verfügung gestelltem Geschirr, auf dem die Speisen nach dem Abheben der Warmhaltehaube als Einzelportionen verzehrfertig angerichtet sind. Dieses Geschirr wird – nach einer Vorreinigung durch die Einzelabnehmer – zu einem späteren Zeitpunkt vom Mahlzeitendienst zurückgenommen und endgereinigt.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Da das Geschirr vornehmlich eine Verpackungsfunktion erfüllt, überwiegt seine Nutzungsüberlassung sowie Endreinigung das Lieferelement nicht qualitativ. Auf das Material oder die Form des Geschirrs kommt es dabei nicht an.

Beispiel 15:
Ein Mahlzeitendienst übergibt Einzelabnehmern verzehrfertig zubereitetes Mittag- und Abendessen in Transportbehältnissen und Warmhaltevorrichtungen, die nicht dazu bestimmt sind, dass Speisen von diesen verzehrt werden. Die Ausgabe der Speisen auf dem Geschirr der Einzelabnehmer und die anschließende Reinigung des Geschirrs und Bestecks in der Küche der Einzelabnehmer übernimmt der Pflegedienst des Abnehmers. Zwischen Mahlzeiten- und Pflegedienst bestehen keine Verbindungen.

Es liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor, da sich die Leistung des Mahlzeitendienstes auf die Abgabe von zubereiteten Speisen und deren Beförderung ohne andere unterstützende Dienstleistungen beschränkt. Die Leistungen des Pflegedienstes sind bei der Beurteilung des Gesamtvorgangs nicht zu berücksichtigen.

Beispiel 16:
Verschiedene Unternehmer bieten in einem zusammenhängenden Teil eines Einkaufszentrums diverse Speisen und Getränke an. In unmittelbarer Nähe der Stände befinden sich Tische und Stühle, die von allen Kunden der Unternehmer gleichermaßen genutzt werden können (sog. „Food Court“). Für die Rücknahme des Geschirrs stehen Regale bereit, die von allen Unternehmern genutzt werden.

Soweit die Speisen zum Mitnehmen abgegeben werden, liegen begünstigte Lieferungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor. Soweit die Speisen zum Verzehr vor Ort abgegeben werden, liegen nicht begünstigte sonstige Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9 UStG vor. Maßgeblich ist die Absichtserklärung des Kunden, die Speisen mitnehmen oder vor Ort verzehren zu wollen. Die gemeinsam genutzte Infrastruktur ist allen Unternehmern zuzurechnen. Einer Berücksichtigung beim einzelnen Unternehmer steht nicht entgegen, dass die Tische und Stühle auch von Personen genutzt werden, die keine Speisen oder Getränke verzehren.“

Dieses Schreiben tritt mit Wirkung vom 1. Juli 2011 an die Stelle der Schreiben vom 16. Oktober 2008 – IV B 8 – S 7100/07/10050 (2008/0541679) – (BStBl I S. 949) und vom 29. März 2010 – IV D 2 – S 7100/07/10050 (2010/0227270) – (BStBl I S. 330). Beruft sich der Unternehmer für vor dem 1. Oktober 2013 ausgeführte Umsätze auf eine nach diesen Schreiben günstigere Besteuerung, wird dies nicht beanstandet.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht und steht ab sofort für eine Übergangszeit auf den Internetseiten des Bundesministeriums der Finanzen (http://www.bundesfinanzministerium.de) unter der Rubrik Themen – Steuern – Steuerarten – Umsatzsteuer – zum Herunterladen bereit.

Zum Vorliegen eines Steuerstundungsmodells

Das Halten einer Schuldverschreibung über die Beteiligung an einer verwaltenden Personengesellschaft kann ein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG darstellen. § 15b EStG ist nicht verfassungswidrig (FG Hessen, Urteil v. 17.10.2012 – 1 K 2343/08; Revision anhängig).

 

1. Der Senat kann in der Sache über die Klage entscheiden. Insbesondere war nicht den Anträgen der Beteiligten zu folgen und das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des BFH in dem dort anhängigen Revisionsverfahren 1 R 39/11 gegen ein Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30. März 2011 (4 K 1723/09, DStRE 2012, 315) anzuordnen.

Gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Verbindung mit § 251 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn die Beteiligten dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen des Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Beteiligten halten die Anordnung der Verfahrensruhe für geboten, weil der dem genannten Revisionsverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt dem vorliegenden vergleichbar sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar lag dem Urteil des FG Baden-Württemberg ausweislich des mitgeteilten Sachverhalts ebenfalls eine Kapitalanlage im Wege der Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Kommanditgesellschaft, die ihrerseits in zu 100 % fremdfinanzierte, speziell entwickelte, an ein Referenzaktivum geknüpfte und einen festen sowie einen variablen Zins beinhaltende Schuldverschreibungen investiert hatte, zu Grunde. Indessen war, abweichend vom vorliegenden Sachverhalt, an der dortigen vermögensverwaltenden KG als weiterer Gesellschafter eine ausländische Familienstiftung mit Sitz in Liechtenstein beteiligt. Das FG Baden-Württemberg hat sich in dem Urteil mit der Frage eines Steuerstundungsmodells nicht auseinandergesetzt, sondern aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 Abgabenordnung (AO) angenommen. Dem Revisionsverfahren gegen dieses Urteil liegt die Frage zu Grunde, ob ein steuerrechtlicher Gestaltungsmissbrauch vorliegt, wenn der Stiftungszweck einer ausländischen Stiftung erst nach 8 Jahren erfüllt wird und ob bejahendenfalls für solch eine rechtsmissbräuchlich gegründete Stiftung eine Feststellung von Verlusten ausgeschlossen ist. Der Senat vermag angesichts dessen derzeit nicht zu erkennen, ob sich die Entscheidung im Revisionsverfahren überhaupt mit der hier maßgeblichen Frage des Vorliegens eines Steuerstundungsmodells befasst.

2. Die Klage ist unbegründet.

Die Feststellung von unter § 20 Abs. 2 b EStG i.V.m. § 15 b EStG fallende Werbungskosten der Klägerin in Höhe von … € und eines nicht ausgleichs-/abzugsfähigen Verlustes der Kommanditistin der Klägerin für das Streitjahr 2006 in gleicher Höhe gemäß § 20 Abs. 2 b EStG i.V.m. § 15 b EStG im angefochtenen Bescheid vom 9. Juli 2008 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes der Klägerin ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

a) Gemäß § 15 b Abs. 4 Satz 1 EStG ist der nach Abs. 1 dieser Vorschrift nicht ausgleichsfähige Verlust im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell jährlich gesondert festzustellen. Diese Feststellung ist einheitlich durchzuführen, wenn es sich bei dem Steuerstundungsmodell um eine Gesellschaft im Sinne des § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO handelt und die Feststellung mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte verbunden wird (§ 15 b Abs. 4 Satz 5, 2. Halbsatz EStG).

b) Der Senat ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens überzeugt, dass es sich bei der Gründung der Klägerin zum Zwecke des Erwerbs einer zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonusabrede bei Kopplung des variablen Bonuszins an die Entwicklung eines Indexwertes durch deren einzige Kommanditistin im Dezember des Streitjahres und dem Erwerb der „Inhaberschuldverschreibung 2006/2016 mit Bonuszinsabrede” der L durch die Klägerin um ein Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15 b Abs. 1 EStG handelt.

aa) Bei der von der Klägerin erworbenen „Inhaberschuldverschreibung 2006/2016 mit Bonuszinsabrede” handelt es sich um eine Kapitalanlage, aus der sie Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung erzielt, da die Zinserträge den in einer der anderen Ziffern des § 20 Abs. 1 EStG genannten Einkünften nicht zugerechnet werden können.

Nach der Vorschrift des durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. b des Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 ( BGBl 2006 I S. 2878) in § 20 EStG eingeführten und gemäß § 52 Abs. 37 d EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2006 anzuwendenden Abs. 2 b Satz 1 ist auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach den vorhergehenden Absätzen § 15 b EStG sinngemäß anzuwenden mit der Folge, dass bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 b EStG negative Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Absätze 1 und 2 EStG der eingeschränkten Verlustverrechnung unterliegen.

bb) Gemäß § 15 b Abs. 1 EStG dürfen Verluste in Verbindung mit einem Steuerstundungsmodell weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden und auch nicht nach § 10 d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt.

Ein Steuerstundungsmodell iSd § 15 b Abs. 1 EStG liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen (§ 15 b Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen (§ 15 b Abs. 2 Satz 2 EStG). Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen (§ 15 b Abs. 2 Satz 3 EStG).

Dem vorliegenden Erwerb der Schuldverschreibung der L liegt ein vorgefertigtes Konzept zugrunde.

Allerdings definiert das Gesetz diesen Begriff nicht. Auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/107, S. 6, 7) und in den Erläuterungen der Bundesregierung in den Beratungen im Finanzausschuss im Gesetzgebungsverfahren (BT-Drs. 106/254, S. 5) wird der Begriff des vorgefertigten Konzepts nicht definiert, sondern vorausgesetzt, wenn in diesem Zusammenhang davon gesprochen wird, dass für die Modellhaftigkeit das Vorhandensein eines vorgefertigten Konzepts, das auf die Erzielung steuerlicher Vorteile ausgerichtet sei, spreche, und dass das Konzept typischerweise, wenn auch nicht zwingend, durch die beispielhaft aufgezählten Medien (Anlegerprospekt, Katalog, Verkaufsunterlagen, Beratungsbögen usw.) vermarktet werde.

Das Anwendungsschreiben des BMF zu § 15 b EStG vom 17. Juli 2007 (a.a.O.) führt hierzu unter Tz 8 aus, dass für die Frage der Modellhaftigkeit vor allem die Kriterien „vorgefertigtes Konzept” und „gleichgerichtete Leistungsbeziehungen, die im Wesentlichen identisch sind”, maßgeblich seien. Für die Modellhaftigkeit typisch sei die Bereitstellung eines Bündels an Haupt-, Zusatz- und Nebenleistungen. Zusatz- oder Nebenleistungen führten dann zur Modellhaftigkeit eines Vertragswerks, wenn sie es nach dem zugrunde liegenden Konzept ermöglichten, den sofort abziehbaren Aufwand zu erhöhen. Im Übrigen wird der Begriff in Tz 10 Satz 5 negativ dahingehend abgegrenzt, dass es sich nicht um ein vorgefertigtes Konzept handele, wenn der Anleger die einzelnen Leistungen und Zusatzleistungen sowie deren Ausgestaltung vorgebe.

Dabei orientieren sich einerseits sowohl die Gesetzesbegründung als auch das BMF-Anwendungsschreiben ersichtlich an den klassischen Anlageformen, insb. Fondsgesellschaften, indem sie das Vokabular des Anwendungsschreibens des BMF vom 22. August 2001 (BStBl I 2001, 588) zur Vorgängervorschrift des § 2 b EStG übernehmen, das seinerseits in erster Linie auf die Beteiligung von Steuerpflichtigen an Verlustzuweisungsgesellschaften in der Regel in der Form geschlossener Fonds abstellt.

Andererseits sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch Anlage- und Investitionstätigkeiten mit modellhaftem Charakter von Einzelpersonen von der Regelung erfasst werden (BT-Drs 16/107, S. 6). Insoweit beschränken sich die Erläuterungen im BMF-Schreiben vom 17. Juli 2007 (Tz 7) indessen wiederum auf die Nennung einer bereits im BMF-Schreiben vom 22. August 2001 (Tz 11, 12) beschriebenen Investition in eine mit einem Darlehen gekoppelte Lebens- und Rentenversicherung gegen Einmalbetrag.

Jedenfalls lässt sich der Begründung des Gesetzes und den Erläuterungen der Bundesregierung in den Beratungen im Finanzausschuss im Gesetzgebungsverfahren der Wille des Gesetzgebers entnehmen, Steuerstundungsmodellen, die ein extrem hohes Verlustverrechnungspotential in der Anfangsphase einer Investition generieren, die Anerkennung zu versagen, und in diesem Zusammenhang nicht nur die klassischen Anlageformen, insb. Fondgesellschaften, sondern auch Einzelinvestitionen zu erfassen.

Nach dem Sprachgebrauch ist der Begriff des Konzepts als Plan für ein bestimmtes Vorhaben zu begreifen. Es ist das Ergebnis eines Prozesses des Erkennens und Entwickelns von Zielen und daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung eines größeren strategisch zu planenden Vorhabens (vgl. z.B. die Erläuterungen in „Wikipedia” zu den Begriffen Konzept und Konzeption).

Ein Konzept in diesem Sinne ist vorgefertigt, wenn der Anwender es vorfindet und zumindest die wesentlichen Grundlagen für ein geplantes Vorhaben einsetzen kann und nicht erst selbst die Strategien und Maßnahmen zur Umsetzung seines Vorhabens entwickeln muss.

Der Senat versteht daher unter einem vorgefertigten Konzept im Kontext der gesetzlichen Regelung unter Berücksichtigung des skizzierten gesetzgeberischen Willens einen Gesamtplan eines vom an der Anlage Interessierten verschiedenen Dritten, der durch die Entwicklung einzelner oder einer Vielzahl aufeinander abgestimmter Leistungen und Maßnahmen die Erreichung des angestrebten Ziels – hier das Generieren hoher verrechenbarer Verluste in der Anfangsphase einer Investition – ermöglichen soll und der jedenfalls in seinen wesentlichen Grundzügen vom Interessenten verwendet werden kann und auch in einer Vielzahl anderer Fälle unabhängig von der äußeren Gestaltung im Einzelnen verwendbar ist. Dabei ist das Bewerben und Vermarkten eines derartigen Plans kein ausschlaggebendes Kriterium. Dem Anbieten gegenüber einem größeren Verkehrskreis mittels unterschiedlicher Medien kann allenfalls indizielle Bedeutung zukommen.

cc) Bei Anwendung dieser Begrifflichkeiten stellt die vorliegend streitige Investition in eine Schuldverschreibung über die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft eine modellhafte Gestaltung im Sinne des § 15 b Abs. 2 Satz 1 EStG dar.

Die für einen Gesamtplan sprechenden Merkmale dieser Gestaltung sind:

(Neu-)Gründung einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (hier: GmbH & Co.KG) durch den Kunden als einzigen – geschäftsführenden – Gesellschafter unter Verwendung einer vom Berater zur Verfügung gestellten bzw. vermittelten Vorrats-GmbH bei Identität der gezeichneten und eingezahlten Gesellschafter-Einlage mit dem Anlagebetrag;

Erwerb einer Schuldverschreibung durch die Personengesellschaft (vorzugsweise von einem Anbieter mit einer Niederlassung im Ausland – hier: …) mit befristeter Laufzeit;

Zu 100 % Fremdfinanzierung des Erwerbs der Schuldverschreibung durch Aufnahme eines Darlehens mit identischer Laufzeit bei dem gleichen Institut (bzw. der Muttergesellschaft);

Vereinbarung eines hohen Disagio – hier: … % des für den Erwerb der Anleihe vorgesehenen Darlehensbetrages – das nicht gezahlt, sondern auf den Darlehensbetrag aufgeschlagen und bei Auszahlung des Darlehens einbehalten wird. Dadurch entsteht ein hoher Anfangsverlust;

Vorschüssige Zahlung der Darlehenszinsen bei gleichzeitiger nachschüssiger Zahlung der Guthabenzinsen aus der Anleihe, wodurch sich der Anfangsverlust weiter erhöht;

Zahlung zweier feststehender (garantierter) Bonusbeträge und eines variablen, an die Entwicklung des Wertes eines Index gekoppelten Bonusbetrages bei Endfälligkeit der Anleihe.

Diese Merkmale dienen in ihrem Zusammenwirken ausschließlich der steueroptimierten Kapitalanlage:

Der Kunde – hier: die Kommanditistin der Klägerin – gibt vor, welchen Anlagebetrag er zur Verfügung hat. Sodann werden die Gründung der Personengesellschaft, der Erwerb der Anleihen durch die Personengesellschaft und die Darlehensverträge zur Finanzierung des Erwerbs vorbereitet, wobei Emittent und Darlehensgeber identisch oder, wie hier, zumindest eng miteinander verflochten sind. Dabei werden die Anleihebedingungen für den Erwerb der Schuldverschreibungen und die Darlehensverträge zur 100 % igen Fremdfinanzierung des Erwerbs so aufeinander abgestimmt, dass bezogen auf den Anlagebetrag ein höchstmöglicher, sich bei der Besteuerung des Anlegers zu Beginn der Investition auswirkender, Verlust erzielt werden kann, der zum Ende des Investitionszeitraums zumindest wieder ausgeglichen wird.

Der Anlagebetrag – hier: … € – entspricht dem gezeichneten und eingezahlten Eigenkapital und ergibt gleichzeitig den im ersten Jahr der Laufzeit des Darlehens vorschüssig zu zahlenden, einen steuerlichen Verlust in entsprechender Höhe generierenden, Zinsbetrag. Es ist der einzige Betrag, der im Rahmen der Investition vom Anleger tatsächlich aufgebracht werden muss.

Gleichzeitig wird im Darlehensvertrag ein hohes Disagio – hier: … % des für den Erwerb der Anleihe benötigten Darlehensbetrages – vereinbart, das den Anleger tatsächlich nicht belastet, sondern auf den Darlehensbetrag aufgeschlagen und vom Institut einbehalten wird. Dadurch erhöht sich der steuerliche Verlust im Erstjahr.

Während der identischen Laufzeit der Anleihe und des Darlehens beträgt der Saldo der in den Anleihebedingungen vereinbarten, nachschüssig auszuschüttenden, Guthabenzinsen und der vorschüssig zu zahlenden Darlehenszinsen – hier: jeweils … € – aufgrund der aufeinander abgestimmten Verträge vom zweiten Jahr bis zum vorletzten Jahr der Laufzeit immer null. Im Zusammenhang mit den während der Laufzeit der Schuldverschreibung und des Darlehens anfallenden Gebühren und Steuerberatungskosten werden im Investitionszeitraum weitere – wenn auch deutlich niedrigere – Verluste aus der Kapitalanlage generiert.

Im Zeitpunkt der – gleichzeitigen – Endfälligkeit der Anleihe und des Darlehens werden keine Darlehenszinsen mehr fällig. Der Anleger erhält den letzten laufenden Guthabenzinsbetrag – hier: … € – und zwei feststehende Bonusbeträge. Davon entspricht der Bonusbetrag von hier … € dem Darlehenszinsbetrag des Erstjahres, der Bonusbetrag von hier … € dem Differenzbetrag zwischen dem laufenden Guthabenzins von … € und dem Disagio von hier … €. Die Ausschüttung beträgt insgesamt … € und entspricht exakt dem für 2006, dem Erstjahr der Laufzeit der Verträge, in die Einnahme-Überschussrechnung eingestellten Verlust.

Darüber hinaus ist der variable, an die Entwicklung eines Index gekoppelte Bonus für den Gesamtplan von Bedeutung. Er dient der Darstellung der für die steuerliche Anerkennung der Investition erforderlichen Gewinnerzielungsabsicht. Diese wäre ohne die Aussicht auf eine weitere Bonuszahlung nicht begründbar. Denn die dargestellte Neutralisierung der Ergebnisse der Investition und der Kreditaufnahme führt dazu, dass keine Mittel zum Ausgleich der während des Investitionszeitraums anfallenden Kosten für Gebühren und Beratungskosten, die von der Klägerin in einer Prognoseberechnung (Bl. 96 bis 98 Feststellungsakte) mit … € beziffert wurden, zur Verfügung stehen.

Der Senat hat in diesem Zusammenhang nicht zu entscheiden, ob im Hinblick darauf, dass der Bonus an die Wertentwicklung eines Wertpapier-/Aktienindex gekoppelt ist und für die Höhe des Bonus allein der Indexwert an einem Stichtag – hier: 20. Dezember 2016 – maßgebend ist, das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht überhaupt angenommen werden kann. Zwar ist die Gewinnerzielungsabsicht vorrangig vor dem Vorliegen eines Steuerstundungsmodells zu prüfen. Dies ist jedoch in erster Linie Aufgabe der Finanzbehörden. Der Senat sieht sich in diesem Klageverfahren an einer solchen Entscheidung aufgrund des Verbots der Verböserung im finanzgerichtlichen Verfahren gehindert, da er das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells bejaht und die Klage deshalb keinen Erfolg hat. Im Falle der Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht wäre der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin vollständig aufzuheben mit der Folge, dass auch der beschränkte Verlustausgleich entfiele.

Aus diesem Grund war der vom Vertreter des FA im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auf Gewährung einer Frist zur Stellungnahme zum Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Gewinnerzielungsabsicht im Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 abzulehnen.

Die Gründung der Klägerin durch die Kommanditistin diente in erster Linie dazu, dem FA gegenüber darzustellen, dass die Investition in Inhaberschuldverschreibungen auf einer individuellen Entscheidung der Kommanditistin beruhte und sich die Art der Investition erst im Zuge intensiver Beratungen herauskristallisiert habe und weiterentwickelt worden sei, also nicht auf ein bereits vorgefundenes Konzept zurückgegriffen wurde.

Darüber hinaus diente die Einschaltung der Klägerin der Minimierung der für die Kommanditistin mit der Anlage verbundenen etwaigen Risiken. Weitergehende, insbesondere wirtschaftliche Gründe für die Investition der Kommanditistin in die Inhaberschuldverschreibungen über die Beteiligung an der Klägerin vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Einschaltung der Komplementärin hatte wirtschaftlich keinen Sinn, da sie weder an der Klägerin noch an deren laufenden Ergebnis und erst recht nicht an einem Liquidationsgewinn beteiligt war. Es bestanden auch praktisch keine Haftungsrisiken aufgrund der Freistellungsvereinbarung mit der Klägerin. Wesentliche Entscheidungsbefugnisse hatte sie ebenfalls nicht, da für den maßgeblichen Bereich der Vermögensverwaltung die geschäftsführende Kommanditistin geschäftsführungsbefugt war.

Für die Kommanditistin macht die Beteiligung an der Klägerin über die Haftungsbeschränkung hinaus wirtschaftlich ebenfalls keinen Sinn, da von vornherein beabsichtigt war, dass die Klägerin in den nächsten neun Jahren ausschließlich Verluste erzielen werde.

dd) Dass die Kommanditistin der Klägerin bei ihrer Investition in die Inhaberschuldverschreibungen der L auf ein vorgefertigtes Konzept zurückgreifen konnte, das lediglich noch auf ihre Bedürfnisse angepasst wurde, ergibt sich für den Senat aus folgendem:

Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde deren Kommanditistin von ihren damaligen Kapitalanlageberatern an das Beraterbüro D verwiesen. Nach telefonischer Kontaktaufnahme mit Rechtsanwalt B. am 17. November 2006 erteilte sie am 18. November 2006 den Auftrag zur Vorbereitung des Erwerbs einer sogenannten „Asset Linked Note” (Bl. 107 Feststellungsakte) und, nachdem eine zur Emittierung und Finanzierung der Investition bereite Bank gefunden war, am 11. Dezember 2006 den Auftrag zur konkreten Umsetzung des Anlagemodells mit der G (Bl. 106 Feststellungsakte). Hieraus geht zur Überzeugung des Senats eindeutig hervor, dass die Vermittlung der Kommanditistin an D durch ihre Kapitalanlageberater einzig der Kapitalanlage über das vorbeschriebene Modell der zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonuszinsabrede diente. Dieses Modell stand bei den Verhandlungen von D mit den verschiedenen als Partner in Betracht kommenden Banken nach der Auftragserteilung vom 18. November 2006 selbst nie zur Disposition. Bestätigt wird dies durch die schriftlichen Erklärungen des Herrn … vom 19. Juni 2008 (Bl. 105 Feststellungsakte) und des Herrn …, dem heutigen Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin, vom 16. Juni 2008 (Bl. 104 Feststellungsakte). Beide waren im Streitjahr als Kapitalanlageberater für die Klägerin tätig. Beide bestätigen in ihren Erklärungen, dass es bei den Verhandlungen mit den Banken durch D ausschließlich um den Erwerb einer „Asset Linked Note” ging. Die Wahl sei auf die G gefallen, weil diese die besten Konditionen, insbesondere niedrige Kosten, gehabt habe, und in der Lage gewesen sei, den Erwerb der Inhaberschuldverschreibungen noch im Streitjahr umzusetzen.

Danach beschränkten sich die Verhandlungen darauf, das Konzept der zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonuszinsabrede hinsichtlich der Höhe des Anlagebetrages, den die Kommanditistin der Klägerin investieren wollte bzw. konnte, der Zinsen und Kosten und der Laufzeit der Anlage so auf die Verhältnisse der Kommanditistin abzustimmen, dass die Anlage bezogen auf das Ziel der Steuerersparnis in der Anfangsphase bestmögliche Ergebnisse erzielte.

Demgegenüber stand zur Überzeugung des Senats das eigentliche Konzept zur Erreichung dieses Ziels mit seinen oben beschriebenen einzelnen Merkmalen in seinen wesentlichen Grundlagen von Anfang an fest.

Hierfür sprechen auch der in den Verwaltungsvorgängen befindliche E-Mail-Verkehr vom 11. bis 13. Dezember 2006 innerhalb D und zwischen D und G, sowie die Kürze des zeitlichen Ablaufs von der Auftragserteilung über die Gründung der Klägerin bis zur Zeichnung der Anleihen und dem Abschluss des Darlehensvertrages.

Der E-Mail-Verkehr vom 11. Dezember 2006 (dem Tag der Beauftragung durch die Kommanditistin; Bl. 112 Feststellungsakte) und 12. Dezember 2006 (Bl. 110, 111 Feststellungsakte) innerhalb D verdeutlicht, dass das Anlagekonzept mit seinen vorbeschriebenen Merkmalen längst entwickelt war und es bei der Abarbeitung des Auftrags der Kommanditistin nur noch um die „Feinabstimmung” ging.

Mit der E-Mail vom 11. Dezember 2006 wurden intern bereits erstellte verschiedene Versionen des Anlagemodells an die Kommanditisten versandt. Bei dem E-Mail-Verkehr zwischen …(Kapitalanlageberater) und D und innerhalb D ging es ebenfall nur noch um Abstimmungsarbeiten, da nunmehr ein höheres Anlagevolumen zur Verfügung stand.

Aufschlussreich ist auch der E-Mail-Verkehr zwischen der G und D vom 13. Dezember 2006 (Bl. 109 Feststellungsakte). Hier wird besonders deutlich, dass es bei der Abarbeitung des Auftrags der Kommanditistin nur noch um Anpassungs- und Abstimmungsarbeiten ging. Offensichtlich war G der von D in die Berechnung der Anlage eingestellte Gebührenanteil zu gering. Gefordert wurde eine Anhebung von … % auf mindestens … %, was erneute Berechnungen durch D erforderte. Die dortige interne E-Mail vom 13. Dezember 2006, 16:14 Uhr, („…kannst Du bitte nachrechnen, ob … % für die Gewinnerzielungsabsicht reicht?”), zeigt zudem, welche Bedeutung der Darstellung der Gewinnerzielungsabsicht und damit dem variablen Bonus innerhalb des Modells zukommt.

Für ein von der Kommanditistin vorgefundenes, also vorgefertigtes Anlagekonzept spricht auch der kurze Zeitraum zwischen Auftragserteilung durch die Kommanditistin und abschließender Zeichnung der Anleihen und Abschluss des Darlehensvertrages zu deren Finanzierung durch die Klägerin. Der Zeitraum von der Auftragserteilung an D vom 18. November 2006 zur Erstellung eines Angebots für den Erwerb einer „Asset Linked Note” bis zur Zeichnung der Anleihe durch die Klägerin betrug lediglich einen Monat. Die Zeit zwischen dem 18. November 2006 und der Beauftragung von D mit dem Abschluss der Investition mit G am 11. Dezember 2006 wurde offensichtlich für die Suche nach einer geeigneten Bank als Partner für das Anlagemodell und die Vorbereitung der Gründung der Klägerin einschließlich des Erwerbs einer Vorratsgesellschaft als Komplementärin verwendet. Nach der Auftragserteilung am 11. Dezember 2006 wurden offenbar innerhalb einer Woche am 12. Dezember 2006 der G der Zuschlag erteilt und die Unterlagen zur bankinternen Prüfung und Umsetzung des Investments übersandt, noch am selben Tag die Klägerin auf der Grundlage eines umfangreichen Gesellschaftsvertrages gegründet, am 19. Dezember 2006 die Inhaberschuldverschreibungen gezeichnet und am 20. Dezember 2006 der Darlehensvertrag zu deren Finanzierung.

Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass innerhalb dieser kurzen Zeitspanne von einem Monat die Kommanditistin und ihre Berater von D ausgiebig über in Betracht kommende Investitionsmöglichkeiten beraten, schließlich auf Initiative der Kommanditistin das vorbeschriebene, im Hinblick auf die gewünschten steuerlichen Auswirkungen finanzmathematisch komplexe, Anlagemodell erstmals entwickelt und sodann durch die Einholung von Angeboten bei verschiedenen Banken und Fertigung der erforderlichen Verträge umgesetzt haben.

Er ist vielmehr davon überzeugt, dass die Kommanditistin auf ein von D auf der Grundlage eines Investments in Inhaberschuldverschreibungen weiterentwickeltes Anlagemodell zurückgegriffen hat, das lediglich ihren Bedürfnissen angepasst wurde. Dass Anlagemodelle, wie das Vorbeschriebene, nach der Einführung des § 15 b EStG durch das Jahressteuergesetz 2005 und verstärkt nach dem Aufkommen der Diskussion über eine Ausdehnung der Regelung auf sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen auftraten und nach der Einbringung des entsprechenden Gesetzesentwurfs in das Gesetzgebungsverfahren im Herbst 2006 Hochkonjunktur hatten, lässt sich im Übrigen auch der Gesetzesbegründung zur Einführung des neuen § 20 Abs. 2 b EStG und zu dessen rückwirkenden Geltung für das Veranlagungsjahr 2006 im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2007 (BT-Drs. 16/2712, S. 50, 63, 64) entnehmen.

Im Übrigen verdeutlichen die oben dargestellten Umstände und Abläufe, wie auch die schriftlichen Erklärungen der Herren … und … (Anlageberater) anschaulich, wie das Produkt den Weg zum Kunden fand. Es wurde nicht aktiv mittels eines Prospektes oder sonstigen geläufigen Mediums beworben. Der Vertrieb des Modells erfolgte – offenbar unter Nutzung entsprechender Netzwerke – im Wege der Vermittlung der Kunden durch deren Kapitalanlageberater. Dies zeigt wiederum, dass dem Kriterium der aktiven Vermarktung eines Anlagekonzepts durch Prospekte oder andere Medien keine entscheidende Bedeutung zukommt.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass das vorbeschriebene Anlagemodell allein den steuerlichen Sinn hatte, der Kommanditistin der Klägerin über das Disagio und die Kombination aus vorschüssigen Darlehenszinsen, nachschüssigen Guthabenzinsen und feststehenden Bonusbeträgen bei Endfälligkeit aus der Anleihe zusätzliche Erträge in Form von Steuervorteilen aufgrund anfänglicher hoher – verrechenbarer – negativer Einkünfte zu vermitteln und dieses Anlagekonzept nicht eigens für die Kommanditistin und auf deren Initiative erdacht und entwickelt worden ist. Sie hat vielmehr ein bereits vorhandenes und am Markt eingesetztes Konzept jedenfalls in seinen wesentlichen Grundlagen für ihre Anlage verwendet. Die Zeichnung der zu 100 % fremdfinanzierten Inhaberschuldverschreibung mit Bonusabrede stellt mithin eine modellhafte Gestaltung in Form einer Einzelinvestition im Sinne des § 15 b EStG dar.

c) Die Anwendung des § 15 b Abs. 1 EStG ist vorliegend auch nicht durch § 15 b Abs. 3 EStG ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift ist § 15 b Abs. 1 EStG nur anwendbar, wenn innerhalb der Anfangsphase der Investition das Verhältnis der Summe der prognostizierten Verluste zur Höhe des gezeichneten und nach dem Konzept auch aufzubringenden Kapitals oder bei Einzelinvestoren des eingesetzten Eigenkapitals 10 % übersteigt. Vorliegend übersteigt bereits der für das Streitjahr ermittelte Verlust aus der Kapitalanlage der Klägerin in Höhe von … € das von der Kommanditistin aufgebrachte Kapital von … € um deutlich mehr als die geforderten 10 %.

d) Der Senat hält die Vorschrift des § 15 b EStG nicht für verfassungswidrig.

aa) Die Vorschrift ist entgegen der Auffassung der Klägerin inhaltlich hinreichend klar und bestimmt.

Aus dem auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG) beruhenden Bestimmtheitsgebot folgt, dass der Gesetzgeber Vorschriften so genau zu fassen hat, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Betroffenen müssen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, die gesetzesausführende Verwaltung muss für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und die Gerichte müssen in die Lage versetzt werden, die Verwaltung anhand rechtlicher Maßstäbe zu kontrollieren. Die Anforderungen sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den die Norm vorsieht (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 23. März 2011 2 BvR 882/09, BVerfGE 128, 282; vom 3. März 2004 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33). Das Bestimmtheitsgebot verbietet nicht von vornherein die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Insbesondere nimmt die Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift dieser noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit. Denn es ist Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären (vgl. BVerfG-Beschluss vom 7. Juli 1971 1 BvR 775/66 , BVerfGE 31, 255). Vor Allem bei vielgestaltigen Sachverhalten ist die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn diese sich durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodik hinreichend konkretisieren lassen. Insbesondere für den Bereich des Steuerrechts ist in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt, dass der Gesetzgeber ohne die Verwendung solcher Begriffe nicht auskommt (z.B. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1988 1 BvR 520/83 , BVerfGE 78, 214, m.w.N.). Verbleibende Ungewissheiten dürfen jedoch nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justitiabilität des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 13. Juni 2007 1 BvR 603/05 , BVerfGE 118, 168).

Zwar enthält § 15 b EStG mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe. Nach der Einschätzung des Senats bereiten indessen Anwendungsprobleme allein der Begriff der modellhaften Gestaltung sowie die Frage, ob bei Bejahung einer modellhaften Gestaltung jeglicher Verlust unter § 15 b Abs. 1 EStG fällt. Der Senat hält jedoch aufgrund der Legaldefinition des Begriffes der modellhaften Gestaltung in § 15 b Abs. 2 Satz 2 EStG und der in § 15 b Abs. 3 EStG klar definierten Verlustquote insgesamt die Norm für mit juristischen Methoden handhabbar (gleicher Auffassung: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07. Juli 2011, 3 K 4368/09, Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 1897; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 b EStG Rz 10; Kaeser in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 15 b EStG Rz A 58 ff).

bb) Das Verbot des sofortigen Ausgleichs der Verluste aus Steuerstundungsmodellen und die Verweisung auf einen späteren Verlustausgleich mit Gewinnen aus der gleichen Einkunftsquelle verstoßen auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 1735/00 , BFH/NV 2003, Beilage 3, 174). Im Bereich des Einkommensteuerrechts wird die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft, vor allem durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (z.B. BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, BFH/NV 2006, Beilage 4, 481). Steuerpflichtige sollen bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch besteuert werden (horizontale Steuergerechtigkeit), die Besteuerung höherer Einkommen muss im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein (vertikale Steuergerechtigkeit). Zudem muss bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (statt aller BVerfG-Beschluss vom 11. November 1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502). Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. Juli 2006 2 BvR 375/00, BFH/NV 2007, Beilage 4, 235) und des BFH (vgl. BFH-Beschluss vom 26. August 2010 I B 49/10, BStBl II 2011, 826) bestehen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GGgrundsätzlich insoweit keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Verlustausgleichsbeschränkung, als die Verlustverrechnung nicht versagt, sondern lediglich zeitlich gestreckt wird. Es genügt, wenn die Verluste überhaupt, und sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum, steuerlich berücksichtigt werden. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen allerdings dann, wenn die Verlustverrechnung gänzlich ausgeschlossen wird (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88). Hat es der Steuerpflichtige in der Hand, zu entscheiden, welcher steuerlichen Norm er sich bedienen will, gebietet Art. 3 Abs. 1 GGnicht, dass die Wahlmöglichkeiten in jeder Hinsicht gleichwertig sind, da ihm die jederzeitige Möglichkeit eröffnet ist, die Erfüllung des zur Verlustausgleichsbeschränkung führenden Tatbestands durch alternative Sachverhaltsgestaltung zu vermeiden (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98, BFH/NV 2005, Beilage 3, 259; 17. November 2009 1 BvR 2192/05, BFH/NV 2010, 803). Der Bürger hat von Verfassungs wegen kein Recht darauf, aus jeder der ihm zur Auswahl angebotenen Regelungen die für ihn günstigsten Möglichkeiten in Anspruch zu nehmen (BVerfG-Beschlüsse vom 8. Oktober 1991 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348).

Nach diesen Kriterien ist die in § 15b EStG enthaltene Einschränkung der Möglichkeiten zum Verlustausgleich verfassungsgemäß. Der bei einem Steuerstundungsmodell in der Anfangsphase konzeptionell vorgesehene Verlust kann in späteren Veranlagungszeiträumen mit Gewinnen verrechnet werden. Soweit Verluste aus Steuerstundungsmodellen insoweit schlechter gestellt sind als andere Beteiligungsverluste, kann dem der Steuerpflichtige ohne weiteres durch alternative Gestaltung des Sachverhalts ausweichen. Er hat keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass der Fiskus in der Anfangsphase einer Investition einen wesentlichen Anteil der Anschaffungskosten mitfinanziert. Es ist grundsätzlich auch nicht zu befürchten, dass bei einem planmäßigen Verlauf der Beteiligung an einem Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b EStG die Verluste der Anfangsphase definitiv untergehen. Dies belegt das im vorliegenden Verfahren streitige Anlagemodell anschaulich. Anderenfalls wäre bereits nach dem Beteiligungskonzept damit zu rechnen, dass in den Folgejahren nicht ausreichend Gewinne entstehen werden, um die Verluste der Anfangsphase auszugleichen. Dies hätte zur Folge, dass die Einkünfteerzielungsabsicht des Anlegers von vornherein zu verneinen und die entstehenden Verluste ohnehin schon nach allgemeinen Grundsätzen nicht ausgleichsfähig wären, was ebenfalls verfassungsgemäß ist (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 17. September 1977 1 BvR 373/77, StRK EStG § 2 Nr. 129; vom 24. April 1990 2 BvR 2/90, HFR 1991, 111; vom 18. November 1986 1 BvR 330/86, HFR 1988, 34). Der Senat folgt auch insoweit dem FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 07. Juli 2011 (3 K 4368/09, a.a.O.).

e) Die Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Rückwirkung der im Jahressteuergesetz 2007 durch Einführung des Abs. 2 b in § 20 EStG angeordneten Geltung des § 15 b EStG auch für Einkünfte aus Kapitalvermögen für das Veranlagungsjahr 2006 stellt sich vorliegend nicht. Jedenfalls ist sie nicht zugunsten der Klägerin zu beantworten. Zum Einen hat das Bundesverfassungsgericht in seinen Beschlüssen vom 7. Juli 2010 (2 BvL 14/0 2, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, DStR 2010, 1727 und 2 BvR 748, 753, 1738/05, DStR 2010, 1733) bei der Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung von Steuergesetzen gegen die Kritik in der Literatur hieran weiterhin an dem Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld festgehalten und für den Bereich des Einkommensteuerrechts die Änderung von Normen mit Wirkung für den laufenden Veranlagungszeitraum der Kategorie der unechten Rückwirkung zuordnet.

Zum Anderen hat die Kommanditistin der Klägerin ihre maßgeblichen Dispositionen erst am 19. und 20. Dezember 2006 durch die Zeichnung der Schuldverschreibung und Unterzeichnung des Darlehensvertrages für die Klägerin getroffen und damit nach der am 18. Dezember 2006 erfolgten Verkündung des Gesetzes vom 13. Dezember 2006, durch das § 20 Abs. 2 b EStG eingeführt wurde. Zudem hatte sie bei Zeichnung der Schuldverschreibung ein zweiwöchiges Widerrufsrecht vorbehalten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Der BFH hat bislang, soweit ersichtlich, weder zur Verfassungsmäßigkeit des § 15 b EStG noch zur Problematik der modellhaften Gestaltung einer Investition zum Zwecke der Erzielung steuerlicher Vorteile in Form negativer Einkünfte und in diesem Zusammenhang des Vorliegens eines vorgefertigten Konzepts in einem Hauptsacheverfahren entschieden.

Zinsbeginn bei Auflösung des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 3 EStG

Aufgabe der Investitionsabsicht als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO.

Das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) hat mit Urteil vom 05.05.2011 (Az. 1 K 266/10) entschieden, dass die Aufgabe der Investitionsabsicht nach Erlass des Steuerbescheides, in dem ein Investitionsabzugsbetrag berücksichtigt wurde, ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO darstellt.

Damit beginnt der Zinslauf für den steuerlichen Unterschiedsbetrag, der sich aus der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages im Ausgangsjahr (§ 7g Abs. 3 EStG) ergibt, im Gegensatz zur Auffassung der Finanzverwaltung, nicht schon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Abzugsbetrag geltend gemacht wurde, sondern erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.

Die Klägerin – eine GmbH & Co. KG – hatte für 2007 einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG für noch anzuschaffende bewegliche Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen. Nach Erlass des Gewinnfeststellungsbescheides für das Jahr 2007 teilte die Klägerin dem Finanzamt im Jahr 2010 mit, dass die Investitionsabsicht für diese Wirtschaftsgüter aufgegeben worden sei. Das Finanzamt änderte daraufhin den Gewinnfeststellungsbescheid für 2007 nach § 7g Abs. 3 EStG und machte den Abzug des Investitionsabzugsbetrages gewinnerhöhend rückgängig. Das beklagte Finanzamt lehnte es ab, in den geänderten Feststellungsbescheid darauf hinzuweisen, dass die Änderung auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO beruhe.

Der 1. Senat des NFG hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben. Für die Frage, ob und in welchem Umfang Steuernachforderungen auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 233a Abs. 2a AO beruhten, komme es nicht darauf an, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfüllt seien. Maßgebend sei allein, ob die Voraussetzungen des rückwirkenden Ereignisses im Sinne der vom Großen Senat des BFH geprägten Definition vorlägen.

Die Antwort auf die Frage, ob der nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukomme, bestimme sich danach allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht. Im konkreten Fall komme es also auf die einkommensteuerliche Rechtslage an.

Die Aufgabe der Investitionsabsicht im Jahr 2010 sei in materiell-rechtlicher Hinsicht ein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Rechtsprechung des BFH, weil sie die Rückgängigmachung des Abzugs des Investitionsabzugsbetrags im Ausgangsjahr (2007) auslöse und erst nach Erlass des ursprünglichen Feststellungsbescheides eingetreten sei.

Die von der Finanzverwaltung und von Teilen der Literatur vertretene gegensätzliche Auffassung sei nicht überzeugend. Insbesondere habe der behauptete abweichende Wille des Gesetzgebers noch nicht einmal andeutungsweise einen Niederschlag im Gesetzestext gefunden. Auch aus der Gesetzessystematik lasse sich kein abweichendes Ergebnis ableiten.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist eingelegt worden – Az. IV B 87/11.

 

Niedersächsisches Finanzgericht

Urteil

vom

05.05.2011

Az.: 1 K 266/10

Orientierungssatz: Ges. und einh. Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2007
  Die Aufgabe der Investitionsabsicht nach Erlass des Steuerbescheides, in dem der Investitionsabzugsbetrag berück-sichtigt wurde, ist ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 233a Abs. 2a AO. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.
  Nichtzulassungsbeschwerde – BFH-Az.: IV B 87/11


Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, in den geänderten Bescheid vom 23.08.2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klägerin zu 1. für das Jahr 2007 (nachfolgend Feststellungsbescheid) die ergänzenden Feststellungen aufzunehmen, dass die Änderung des Feststellungsbescheides auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) und damit zugleich auch auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von §  233a Abs. 2a AO beruht.

Die Klägerin betreibt einen Zimmerei- und Dachdeckerbetrieb. Für den Veranlagungszeitraum 2007 machte sie für die voraussichtliche Anschaffung von Schiebetoren und für einen Kastenwagen einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von insgesamt 20.400 € geltend. Die Schiebetore sollten im Jahr 2009 und der Kastenwagen im Jahr 2010 angeschafft werden. Der Beklagte berücksichtigte den Investitionsabzugsbetrag antragsgemäß und stellte den Gewinn mit Bescheid vom 14.05.2010 auf 258.832,91 € fest.

Am 15.06.2010 teilte die Klägerin zu 1. dem Beklagten in der Anlage zur Bilanz auf den 31.12.2009 mit, dass die Investitionsabsicht für die beiden Wirtschaftsgüter aufgegeben worden sei. Daraufhin erließ der Beklagte am 23.08.2010 einen geänderten Feststellungsbescheid für 2007, in dem er den Gewinn um den bisher berücksichtigten Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 20.400 € auf 279.232,91 € erhöhte. Der Änderungsbescheid enthält den Vermerk: „Der Bescheid ist nach § 7g (3) EStG geändert“.

Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin zu 1. geltend, dass Grundlage für die Änderung des Feststellungsbescheides nicht § 7g Abs. 3 EStG sondern § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei. Ihre Beschwer liege in der Angabe der unzutreffenden Korrekturnorm und der daraus folgenden höheren Zinsbelastung für die Gesellschafter.

Die im Juni 2010 mitgeteilte Aufgabe der Investitionsabsicht sei ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Daraus folge, dass für die Verzinsung § 233a Abs. 2a AO anwendbar sei. Der Zinslauf für die Nachzahlungszinsen beginne deshalb erst mit Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Veranlagungszeitraums 2010, d.h. am 01.04.2012, weil das rückwirkende Ereignis im Verlauf des Jahres 2010 eingetreten sei. Nach der vom Beklagten vertretenen Auffassung habe der Zinslauf nach § 233 Abs. 2 AO bereits im April 2009 begonnen.

Der Feststellungsbescheid und die in ihm angegebene Änderungsgrundlage sei als Grundlagenbescheid für die Einkommensteuerfestsetzungen der Gesellschafter und auch für den Beginn des Zinslaufs bindend. Deshalb sei die Klägerin zu 1. beschwert und habe einen Anspruch auf eine entsprechende Änderung des Feststellungsbescheides.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Der Beklagte vertrat in der Einspruchsentscheidung vom 12.11.2010 die Auffassung, dass die Aufgabe der Investitionsabsicht kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei. Der Bescheid sei zutreffend nach § 7g Abs. 3 EStG geändert worden. Wenn die Wirtschaftsgüter nicht bis zum Ablauf des 3-jährigen Investitionszeitraums angeschafft worden seien, müsse nach dieser Norm der in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag bei der Veranlagung rückgängig gemacht werden, bei der er ursprünglich vorgenommen worden sei. Eine solche Änderung habe auch vorgenommen werden können, wenn – wie im Streitfall – die Investitionsabsicht vor Ablauf dieser Frist aufgegeben worden sei.

Nach der Absicht des Gesetzgebers habe die Verzinsung nach § 233a AO den bisherigen Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG alter Fassung ablösen sollen. Deshalb habe der Gesetzgeber für den Fall der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 4 EStG in Satz 4 dieser Vorschrift ausdrücklich bestimmt, dass die Vorschrift des § 233a Abs. 2a AO nicht anzuwenden sei.

Aus dem Umstand, dass diese Bestimmung in Abs. 3 der Vorschrift fehle, obwohl der Gesetzgeber zweifelsfrei auch in diesem Fall keinen abweichenden Zinslauf gewollt habe, ergebe sich, dass der Gesetzgeber im Falle der Änderung nach Abs. 3 der Vorschrift nicht davon ausgegangen sei, dass es sich um ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung handele.

Zur weiteren Begründung weist der Beklagte hin auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 08.05.2009 – IV C 6 – S 2139 – b/07/10002 – 2009/0294464 – BStBl I S. 633, Anm. 72. Dort wird die Auffassung vertreten, dass die Änderung der Steuerfestsetzung in den Fällen des § 7g Abs. 3 EStG gerade nicht auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses beruhe, weshalb der Gesetzgeber in dieser Norm auch eine eigenständige Korrekturvorschrift (§ 7g Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG) geschaffen habe.

Im Klageverfahren wiederholen die Beteiligten ihr Vorbringen in dem Vorverfahren.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, unter Änderung des Bescheids für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vom 23.08.2010 und der Einspruchs-entscheidung vom 12.11.2010 festzustellen, dass die Änderung des Feststellungsbescheides auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung und damit zugleich auch auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von §  233a Abs. 2a Abgabenordnung beruht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten und die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

I.          Die Klage ist zulässig.

1.         Die Klägerin zu 1. ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 und der Kläger zu 2. ist nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt.

2.         Die Entscheidung über die begehrten ergänzenden Feststellungen, nämlich ob die Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und damit zugleich auch auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 233a Abs. 2a AO beruht, ist im Feststellungsverfahren zu treffen (vgl. BFH, Urteil vom 19.03.2009 – IV R 20/08 – BStBl II 2010, 528). Der ergänzte Feststellungsbescheid ist zugleich auch Grundlagenbescheid für die Zinsfestsetzung nach § 233a AO (vgl. BFH, Urteil vom 19.03.2009 – IV R 20/08 – a.a.O.).

3.         Die Kläger sind durch den Feststellungsbescheid beschwert, weil er die verlangten ergänzenden Feststellungen nicht enthält. Aus ihrem Fehlen ergeben sich bezüglich der Frage der Anwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO belastende Auswirkungen auf die Festsetzung von Zinsen beim Kläger zu 2. gemäß § 233a AO.

II.         Die Klage ist auch begründet.

Die Kläger haben nach § 179 Abs. 3 in Verbindung mit § 233a Abs. 2a AO einen Anspruch darauf, dass der Beklagte den streitigen Feststellungsbescheid um die begehrten Feststellungen ergänzt.

1.         Im Streitfall kann dahinstehen, ob der Feststellungsbescheid allein oder zugleich auf § 7g Abs. 3 EStG, § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO oder § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beruht. Dass der Feststellungsbescheid zumindest nach einer dieser Vorschriften geändert werden konnte, steht außer Frage und ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

2.         Für die hier im Feststellungsverfahren mit verbindlicher Wirkung für die Folgebescheide zu treffende Feststellung, ob und in welchem Umfang Steuernachforderungen auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 233a Abs. 2a AO beruhen, kommt es nicht darauf an, ob die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfüllt sind, sondern es ist allein maßgebend, ob die Voraussetzungen des rückwirkenden Ereignisses vorliegen. Die Bezugnahme auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in dem in § 233a Abs. 2a AO enthaltenen Klammerzusatz beschränkt sich allein hierauf (vgl. BFH, Urteil vom 18.05.1999 – I R 60/98 – BStBl II 1999, 634; für die Fälle der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 3 EStG im Ergebnis gleicher Auffassung Schmidt/Kulosa, EStG, 30 Aufl. 2011, § 7g Rz 29; Frotscher/Kratzsch, EStG – Loseblatt, Stand 155. Lfg. 2010, § 7g Anm. 71, HHR/Meyer, EStG – Loseblatt, Stand 236. Lfg. 2009, Anm. 116).

3.         Der geänderte Feststellungsbescheid beruht – im Sinne der vorstehenden Ausführungen – auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und damit zugleich auch auf einem rückwirkenden Ereignis im Sinne von § 233a Abs. 2a AO.

a)         Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluss vom 19.07.1993 – GrS 2/92 – BStBl II 1993, 897, definiert, unter welchen Voraussetzungen ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO vorliegt. Er führt dazu in den Beschlussgründen unter C I 1. aus:

§ 175 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 bestimmt allerdings nicht näher, unter welchen Voraussetzungen tatsächlicher oder rechtlicher Art das Tatbestandsmerkmal „rückwirkendes Ereignis“ als erfüllt anzusehen ist. Die Vorschrift bedarf daher der Auslegung.

Aus dem Bedeutungszusammenhang, in dem § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 steht und aus seiner Zielsetzung ergibt sich zunächst, daß der Begriff „Ereignis“ alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge umfaßt. Dazu rechnen nicht nur solche mit ausschließlich rechtlichem Bezug, sondern auch tatsächliche Lebensvorgänge (…).

Ferner verdeutlichen die sprachliche Bedeutung des Begriffs „eintritt“ und der Bedeutungszusammenhang mit § 173 Abs.1 AO 1977, daß sich der Vorgang ereignen muß, nachdem der Steueranspruch entstanden ist und –bezogen auf den der Vorlage zugrunde liegenden Streitfall– bei Änderung eines Steuerbescheids, nachdem dieser Steuerbescheid ergangen ist. Die Voraussetzungen des § 175 Abs.1 Satz 1 Nr.2 AO 1977 liegen nicht vor, wenn das FA –wie im Fall des § 173 Abs.1 AO 1977– lediglich nachträglich Kenntnis von einem bereits gegebenen Sachverhalt erlangt (…). 

Es reicht nicht aus, daß das spätere Ereignis den nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen Sachverhalt anders gestaltet. Die Änderung muß sich darüber hinaus –ungeachtet der zivilrechtlichen Wirkungen– steuerlich in die Vergangenheit auswirken, und zwar in der Weise, daß nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (…)“.

b)         Die Antwort auf die Frage, ob der nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, bestimmt sich in § 233a Abs. 2a AO nicht anders als in § 175 Abs. 1 Nr. 1 Nr. 2 AO allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht (vgl. BFH, Urteil vom 18.05.1999 – I R 60/98 – BStBl II 1999, 634 und schon BFH, Beschluss des Großen Senats vom 19.07.1993 – GrS 2/92 – BStBl II 1993, 897). Im konkreten Fall kommt es also auf die einkommensteuerliche Rechtslage an.

c)         Im Falle der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung des § 7g EStG in der nach § 52 Abs. 23 EStG für die Klägerin zu 1. im Streitjahr geltenden Neufassung durch das Gesetz vom 14.08.2007, BGBl I 1912, die – unter weiteren Voraussetzungen – den Abzug eines Investitionsabzugsbetrages erlaubt, wenn die Absicht der künftigen Anschaffung eines Wirtschaftsguts besteht, entsteht die entsprechend geminderte Einkommensteuer mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Investitionsabzugsbetrag gewinnmindernd abgezogen worden ist, § 38 Abs. 1 EStG. Der Steuerpflichtige kann diesen Steuervorteil für den Veranlagungszeitraum der Inanspruchnahme nur behalten, wenn er die Investition bis zum Ablauf des dritten auf das Wirtschaftsjahr der Inanspruchnahme des Abzugsbetrages folgenden Wirtschaftsjahrs durchführt. Je nachdem, ob das Wirtschaftsgut in dieser Frist angeschafft wird oder nicht, bleibt es bei der Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum der Inanspruchnahme des Abzugsbetrages (der Abzugsbetrag ist in diesem Fall gemäß § 7g Abs. 2 EStG in dem Veranlagungszeitraum gewinnerhöhend hinzuzurechnen, in dem das Wirtschaftsgut angeschafft worden ist) oder es kommt zur Rückgängigmachung des Abzugs im Ausgangsjahr, § 7g Abs. 3 EStG. Zur Rückgängigmachung des Abzugs kommt es auch dann, wenn der Steuerpflichtige – wie im Streitfall – seine Investitionsabsicht vor Ablauf der Frist aufgibt und dies dem Finanzamt anzeigt.

Die unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen beruhen jeweils auf Ereignissen im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Definition des Großen Senats (Anschaffung des Wirtschaftsguts innerhalb der Investitionsfrist, Aufgabe der Investitionsabsicht, Verstreichenlassen der Investitionsfrist). Die von der Klägerin zu 1. am 15.06.2010 aufgegebene Investitionsabsicht ist damit in materiell-rechtlicher Hinsicht ein rückwirkendes Ereignis im Sinne der vom Großen Senat des BFH geprägten Definition, weil es die Rückgängigmachung des Abzugs des Investitionsabzugsbetrags im Ausgangsjahr auslöst und erst nach Erlass des ursprünglichen Feststellungsbescheides vom 14.05.2010 eingetreten ist.

d)         Ob zugleich ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 2 Satz 1 AO vorliegt, kann dahinstehen.

e)         Der erkennende Senat vermag nicht der Auffassung des BMF im Schreiben vom 08.05.2009  (IV C 6 – S 2139 – b/07/10002 – 2009/0294464 – BStBl I S. 633, Tz. 72) zu folgen, dass § 233a Abs. 2a AO deshalb nicht zur Anwendung kommen könne, weil der Gesetzgeber in § 7g Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG eine eigenständige Korrekturnorm geschaffen habe. Die Änderung der Steuerfestsetzung beruhe deshalb nicht auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses. Nach dem oben Ausgeführten und nach der zitierten Rechtsprechung des BFH kommt es für die Anwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO gerade nicht darauf an, ob die Änderung des betreffenden Bescheides auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO oder auf einer anderen Norm beruht. Maßgeblich ist allein, ob die Voraussetzungen eines rückwirkenden Ereignisses vorliegen.

f)         Der von Brandis zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung geprägte Satz „Die Nichtinvestition berührt den Umstand einer früher einmal geplanten Investition nicht“ (Blümich/Brandis, EStG, § 7g Rz 66) ist unbestreitbar richtig. Im Hinblick auf das vorliegende Problem, ob in der Nichtinvestition zum Ablauf der gesetzlichen Frist oder der Aufgabe der Investitionsabsicht ein rückwirkendes Ereignis zu sehen ist, führt er jedoch zu keinerlei Erkenntnisgewinn.

Zur Begründung der Nichtanwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO kann nach Auffassung des erkennenden Senats auch nicht herangezogen werden, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass in den Fällen der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages nach § 7g Abs. 3 EStG materiell kein rückwirkendes Ereignis vorliege. Da der Begriff des rückwirkenden Ereignisses nicht gesetzlich definiert ist und der angebliche Wille des Gesetzgebers, dass die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages kein rückwirkendes Ereignis sei, noch nicht einmal andeutungsweise einen Niederschlag im Gesetzestext (zu den Voraussetzungen und Grenzen der Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers bei der Auslegung von Gesetzen vgl. Tipke/Kruse – Drüen, Kommentar zur AO und FGO, Loseblatt Stand Aug. 2009, § 4 AO Tz 231 ff. mit Hinweisen auf die Rechtsprechung) und darüber hinaus auch nicht in den Materialien gefunden hat (vgl. BT- Drs. 16, 4841, S. 53), kann dieser vermutete Wille des Gesetzgebers bei der Auslegung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht berücksichtigt werden (a.A. Brandis a.a.O.).

Aus dem Fehlen einer dem § 7g Abs. 4 Satz 4 EStG vergleichbaren Vorschrift (Nichtanwendbarkeit des § 233a Abs. 2a AO) in § 7g Abs. 3 EStG lässt sich in Bezug auf den Inhalt und die Auslegung des Gesetzesbegriffs des rückwirkenden Ereignisses nichts ableiten (a.A. Brandis a.a.O.).

g)         Der erkennende Senat folgt auch nicht der abweichenden Auffassung von Wendt (FR 2008, 598, 602), die auf der Annahme beruht, dass § 233a Abs. 2a AO im Fall der Änderung nach § 7g Abs. 3 EStG allenfalls analog anwendbar sei. Diese Auffassung steht im Gegensatz zur Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 18.05.1999 – I R 60/98 – BStBl II 1999, 634). Dort wird ausgeführt, dass § 233a Abs. 2a AO direkt anwendbar ist, wenn die Voraussetzung des rückwirkenden Ereignisses gegeben ist, ohne dass zusätzlich die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfüllt sein müssen und auch ohne dass die fragliche Änderung nach dieser Vorschrift erfolgt sein muss.

III.        Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

1%-Regelung ist verfassungsgemäß

Keine Anpassungsverpflichtung der 1%-Regelung des Gesetzgebers

Das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) hat mit Urteil vom 14.09.2011 entschieden, dass die Vorschriften zur Ermittlung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kfz (§ 8 Abs. 2 Satz i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) verfassungsgemäß sind (Az.: 9 K 394/10).

-> Firmenwagen Rechner

Der Kläger war im Streitjahr 2009 als Geschäftsführer für eine GmbH tätig. Sein Arbeitgeber stellte ihm ein geleastes Gebrauchtfahrzeug (Neuwagenlistenpreis: 81.400 €; Gebrauchtwagenwert: 31.990 €) als Dienstwagen zur Verfügung. Bei Berechnung des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung ging das FA unter Anwendung der 1%-Regelung vom Bruttoneuwagenlistenpreis aus und errechnete einen monatlich zu versteuernden Vorteil von 814 €. Der Kläger vertrat in dem vom Bund der Steuerzahler unterstützten Verfahren die Auffassung, die sog. 1%-Regelung sei verfassungswidrig. Sie genüge insbesondere den für typisierende Regelungen geltenden Anforderungen wegen der fortdauernden Bezugnahme auf den Bruttoneuwagenlistenpreis nicht mehr. Der Gesetzgeber sei spätestens im Streitjahr 2009 verpflichtet gewesen, die Bemessungsgrundlage nach Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklung im Kfz-Handel anzupassen und übliche Rabattabschläge (im Durchschnitt 20%) zu berücksichtigen. Hierzu verweist der Kläger auf das BFH-Urteil vom 17.09.2009 (VI R 18/07, BStBl II 2010, 67), in dem der Bundesfinanzhof die unverbindliche Preisempfehlung eines Automobilherstellers aus den vorgenannten Gründen jedenfalls seit dem Jahr 2003 nicht mehr als geeignete Grundlage für die Bewertung des lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteils eines Personalrabatts für sog. Jahreswagen angesehen hat. Der verfassungsrechtlich bestehende Anpassungszwang könne nicht durch Verweis auf die Fahrtenbuchmethode (sog. Escape-Klausel) unterlaufen werden.

Der 9. Senat des NFG ist der Rechtsauffassung des Klägers nicht gefolgt. Er hält die Regelungen nicht für verfassungswidrig. Insbesondere habe der Gesetzgeber nicht gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßen, indem er unverändert seit 1996 an dem Bruttoneuwagenlistenpreis als Bemessungsgrundlage festgehalten habe. Zwar stehe das Recht auf Typisierung unter dem Vorbehalt der realitätsgerechten Erfassung der Wirklichkeit. Ein Gleichheitsverstoß wegen Verletzung der Anpassungsverpflichtung liege im Streitfall gleichwohl nicht vor. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten, im Kfz-Handel gewährte übliche Rabatte von 10% – über 30%, die zudem vom Hersteller, Modell und vielen Sonderfaktoren (Verkäuflichkeit, Auslauf- oder Sondermodell) abhängig seien, bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen.

Das NFG hat die Revision zugelassen.

Gegen diese Entscheidung wurde Revision eingelegt, das Aktenzeichen des BFH lautet VI R 51/11.

Niedersächsisches Finanzgericht

Urteil

vom

14.09.2011

Az.: 9 K 394/10

Orientierungssatz: Einkommensteuer 2009
Zur Verfassungsmäßigkeit der 1%-RegelungKeine Verpflichtung des Gesetzgebers, die typisierende 1%-Regelung nach Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklungen im Kraftfahrzeughandel zu überprüfen und an die veränderten Marktverhältnisse anzupassen.
Revision eingelegt:  VI R 51/11


Tatbestand

Streitig ist, ob die Pauschalbewertung der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz`s nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG insoweit noch verfassungsgemäß ist, als die Nutzungsentnahme nach dem inländischen Bruttolistenpreis bei der Erstzulassung bemessen wird.

Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt als Geschäftsführer der Firma …GmbH im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Auch die Klägerin erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielten die Kläger im Streitjahr auch noch Verluste aus der Vermietung eines bebauten Grundstücks. Entsprechend einem Beschluss der Gesellschafter der …GmbH stellte der Arbeitgeber dem Kläger im Streitjahr einen Dienstwagen BMW 730 D zur Verfügung. Es handelt sich dabei um ein Gebrauchtfahrzeug (Erstlassung 27. August 2004, Kilometer-Stand 58.000), das der Arbeitgeber vom 5. März 2008 bis 4. März 2011 geleast hat. Der PKW hatte zu Beginn des Leasing-Zeitraums einen Gebrauchtwagenwert von brutto 31.990 €. Der Bruttolistenpreis des Fahrzeugs betrug im Zeitpunkt der Erstzulassung 81.400 €. Die vom Arbeitgeber zu zahlende Leasing-Rate belief sich auf 722,57 € monatlich. Der Kläger war berechtigt, das Fahrzeug auch privat und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen. Ein Fahrtenbuch führte der Kläger nicht.

Bei der Berechnung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung des Kfz und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist der Arbeitgeber vom Bruttolisten-Neupreis ausgegangen. Dabei ergab sich unter Anwendung der sogenannten 1 %-Regelung ein monatlicher geldwerter, bei der Einkommensteuer zu versteuernder Vorteil in Höhe von 814 €. Nach Angaben der Kläger erhielt unter anderem auch ein Montageinspektor ein Betriebs-Kfz gestellt, das dieser auch privat nutzen durfte. Für diesen Mitarbeiter leaste der Arbeitgeber einen Neuwagen Renault Grand Scenic Exception 2.0 dCi FAP zu einem Bruttolisten-Neupreis von 35.132 €. Die Leasing-Rate des Arbeitgebers belief sich auf brutto 717,03 € monatlich. Der geldwerte zu versteuernde Vorteil betrug unter Anwendung der sogenannten 1 %-Regelung 351 € im Monat.

Gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 29. Juli 2010 legten die Kläger Einspruch ein und beantragten, bei der Berechnung des geldwerten Vorteils den Gebrauchtwagenwert zugrunde zu legen. Aufgrund der entgegen stehenden gesetzlichen Regelungen hatte der Einspruch insoweit jedoch keinen Erfolg.

Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen Folgendes vor:

Zu beanstanden sei die Berechnung des geldwerten Vorteils. Die mit Bezugnahme auf den Bruttolistenneupreis vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG vorgenommen Typisierung und Pauschalierung zur Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzung eines betrieblich Kfz. sei zumindest seit dem Streitjahr nicht mehr verfassungsgemäß. Bei § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG handele es sich um eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung, die in der steuerrechtlichen Literatur teilweise als grober Klotz bezeichnet werde. Die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung sei grundsätzlich in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesverfassungsgerichts anerkannt. Grundsätzlich dürfe er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Der Gesetzgeber dürfe sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und sei nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssten allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere dürfe der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern müsse realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen. Eine Typisierung, die die tatsächliche Ausnahme zur normativen Regel erhebe, sei dagegen unhaltbar. Letzterer Aspekt könne von vornherein im Gesetz angelegt sein; er könne aber auch erst später durch eine Veränderung der Umstände eintreten. Aufgrund der Verpflichtung, die Wirklichkeit realitätsnah zu erfassen, stehe der Gesetzgeber unter einem ständigen Anpassungszwang. Die den Einkommensteuergesetzgeber bindenden verfassungsrechtlichen Grundsätze folgerichtiger Bestimmung und Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit würden ergänzt und unterstützt durch das Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung. Insbesondere realitätsfremde Bemessungstatbestände könnten für einkommensteuerlich berücksichtigungsbedürftige Aufwendungen gleichheitswidrig sein. Hieraus folge, dass der Gesetzgeber bei der Festlegung von Pauschalen inhaltlich nicht völlig frei sei. So dürften steuerrechtliche Höchstbeträge nicht völlig realitätsfern sein und müssten innerhalb angemessener Frist veränderten Verhältnissen angepasst werden. Dies gelte auch für andere Formen der Pauschalierung.

Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG genüge diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen an typisierende Regelungen nicht. Sie sei heute aufgrund eines sich ändernden Marktes weder nach der gesetzgeberischen Zielsetzung noch nach dem objektiven Regelungsgehalt das Ergebnis eines noch zulässigen Typisierungsvorgangs. Der Gesetzgeber habe auch die Beibehaltung der 1972 vorgenommenen Typisierung seine Typisierungsbefugnis dadurch überschritten, dass er dem sich ergebenden Anpassungszwang nicht nachgekommen sei.

Es könne dahinstehen, ob bei Aufnahme der 1 %-Regelung in das Gesetz mit dem Jahressteuergesetz 1996 die Bemessungsgrundlage „Bruttolistenneupreis“ eine zulässige Typisierung einer Pauschalierungsregelung gewesen sei. Zumindest für das Streitjahr 2009 treffe dies nicht mehr zu. Die 1 %-Regelung stelle zwar einen Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung dar. Aus welchem Grund es mit mehr Verwaltungsaufwand verbunden sein solle, dem tatsächlich gezahlten Kaufpreis, der aus der Buchhaltung oder den Belegen zu ersehen sei, zur Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung zu machen, sei nicht nachvollziehbar. Auch die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers zuzüglich der Preisempfehlungen für etwaige Sonderausstattungen müssten gegebenenfalls bei einem Händler oder Hersteller abgefragt werden. Auch die Rechtsprechung gehe grundsätzlich davon aus, dass der geldwerte Vorteil der Nutzung eines Kfz. durch einen Arbeitnehmer von der Höhe des Kaufpreises abhänge. Der gesetzliche Maßstab von 1 % des Listenpreises sei auf statistische Erhebungen zurückzuführen, in die die durchschnittlichen Gesamtkosten aller auch privat genutzten betrieblichen Fahrzeuge eingegangen seien. Danach spiegele der mit 1 % des Listenpreises bemessene Wert realistisch den durchschnittlichen – also vom Einzelfall losgelösten – Anteil der Gesamtkosten wieder, der auch die reinen Privatfahrten entfalle. Soweit Anknüpfungspunkt des geldwerten Vorteils der Bruttolisten-Neupreis sei, wovon 12 % jährlich nach statistischen Erfahrungswerten auf die durch Privatfahrten ausgelösten Kosten entfielen, sei diese gesetzliche Annahme nur zutreffend, wenn in der Mehrzahl der Fälle der Bruttolistenneupreis mehr oder weniger den tatsächlichen Anschaffungskosten entspreche. Anders herum formuliert liege ein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) vor, wenn die zum gesetzlichen Grundfall gemachte Bemessungsgrundlage „Bruttolistenneupreis“ den Ausnahmefall darstelle. Dies sei vorliegend aber offenkundig der Fall. Der BFH habe im Urteil vom 17. Juni 2009 (VI R 18/07) bereits darauf hingewiesen, dass spätestens seit der Abschaffung des Rabatt-Gesetzes und der Zugabeverordnung zum 25. Juli 2001 sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklung im Kraftfahrzeughandel, die unverbindliche Preisempfehlung in aller Regel nicht der Preis sei, zu dem Fahrzeuge im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten würden. Damit macht das Gesetz einen fiktiven, realitätsfernen Wert zur Bemessungsgrundlage einer Pauschalierung. Dadurch überschreite der Gesetzgeber den ihm eingeräumten Typisierungs- und Pauschalierungsrahmen. Angesichts des bestehenden Anpassungsfalles sei der Gesetzgeber zumindest für den Zeitraum ab dem Streitjahr verpflichtet, die vorgenommene Pauschalierung zu überprüfen und aufgrund der geänderten Marktverhältnisse anzupassen. Von dem Bruttolistenneupreis sei ein üblicher, durchschnittlicher Abschlag vorzunehmen. Dieser Abschlag sei auf Basis einer Preis-Studie der Universität Duisburg-Essen für Oktober 2010 mit 20 % anzunehmen. Zur Glaubhaftmachung verweisen die Kläger auf die im Schriftsatz vom 4. Februar 2011 beigefügte Preis-Studie. Den verfassungsrechtlichen Einwendungen könne nicht entgegen gehalten werden, dass der Gesetzgeber mit der sogenannten Escape-Klausel des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG die Möglichkeit geschaffen habe, im Rahmen eines Wahlrechts den Nutzungswert anhand der tatsächlichen Kosten zu ermitteln und dadurch der verfassungswidrigen Pauschalierung zu entgehen. Zum einen sei zu berücksichtigen, dass dies im Rahmen des § 8 EStG lediglich mit der Einschränkung gelte, dass der Arbeitnehmer auf die Mitwirkung des Arbeitgebers angewiesen sei. Obwohl grundsätzlich der Arbeitgeber arbeitsrechtlich verpflichtet sei, dem Arbeitnehmer Auskunft über die tatsächlichen Kfz-Kosten zu erteilen, laufe das Wahlrecht des Arbeitnehmers dort ins Leere, wo der Arbeitgeber, z. B. bei einem großen Fuhrpark, die Fahrzeugkosten nicht getrennt erfasse. Zudem stelle die Fahrtenbuchmethode in der Praxis ein mehr als streitanfälliges Beweismittel dar. Schon bei kleineren Fehlern werde das Fahrtenbuch als nicht ordnungsgemäß verworfen und es komme zwingend die Pauschalierungsmethode zur Anwendung. Zum anderen könne es nicht sein, dass einer verfassungswidrigen Pauschalierungsmöglichkeit letztlich dadurch der Bestand gesichert werde, dass der Gesetzgeber eine Alternativmöglichkeit zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen schaffe. Hierdurch werde der verfassungsrechtlich bestehende Anpassungszwang unterlaufen.

Zudem rügen die Kläger die angewendete gesetzliche Regelung insoweit, als sie auf einen einheitlichen Satz von Sachbezugswert des Arbeitnehmers und Entnahmewert des Unternehmers abziele. Diese Bewertungsansätze seien nicht vergleichbar. Während im Rahmen des § 8 EStG die Höhe des geldwerten Vorteils der privaten Nutzung nach objektiven Merkmalen zu bestimmen sei, gehe es im betrieblichen Bereich um die Korrektur der Betriebsausgaben in Höhe der (tatsächlichen) Aufwendungen des Unternehmers für Privatfahrten, die für die Höhe des geldwerten Vorteils gerade nicht maßgebend seien.

Die Kläger regen an, den Rechtsstreit auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Richtervorlage anzurufen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2009 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 4. Oktober 2010 abzuändern und den geldwerten Vorteil für die Überlassung des Pkw nach dem Wert von 31.990 € anstelle des Bruttolistenpreises zu bemessen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er zunächst auf seinen Einspruchsbescheid vom 4. Oktober 2010. Darüber hinaus weist der Beklagte auf Folgendes hin:

Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entspreche unbeschadet ihres typisierenden und pauschalierenden Charakters den verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Danach sei der Wert der privaten Pkw-Nutzung anhand des inländischen Listenpreises zum Zeitpunkt der Erstzulassung anzusetzen. Diese pauschalierende und stark typisierende Bewertungsregelung sei grundsätzlich zwingend. Die Tatsache, dass im Kfz-Handel aufgrund von Rabatten Fahrzeuge in der Regel unter dem Listenpreis erworben werden, führe nicht zum Verstoß gegen Artikel 3 GG. Im Rahmen des dem Steuergesetzgeber bei Typisierungen eröffneten Gestaltungsspielraums seien steuerrechtliche Regelungen nach Artikel 3 Abs. 1 GG so auszugestalten, dass die Gleichheit im Belastungserfolg für alle Steuerpflichtige hergestellt werden könne. Dabei stehe dem Gesetzgeber bei Typisierungen von Verfassungs wegen ein breiter Spielraum zur Verfügung. Die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfolgte Typisierung begegne auch in der Höhe keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Der inländische Listenpreis gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sei nicht durch Preisnachlässe zu korrigieren. Die Escape-Klausel des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG stelle sicher, dass – bei Einhaltung der entsprechenden Nachweisanforderungen – niemand zum pauschalen Ansatz eines höheren als des tatsächlichen geldwerten Vorteils gezwungen werde. Diese Regelung diene der Vermeidung von Härtefällen und verhindere damit eine Übermaßbesteuerung in den Fällen, in denen die Pauschalansätze zu Lasten des Steuerpflichtigen der Realität nicht entsprächen. Die Verfassungswidrigkeit könne sich nicht aus dem Gesichtspunkt ergeben, dass die Führung eines Fahrtenbuches unzumutbar sei. Dem Bürger komme von Verfassungs wegen kein Recht auf die für ihn günstigste Lösung zu, ohne dass er selbst mitwirken müsse. Im Hinblick auf die Nachweisanforderungen sei zu berücksichtigen, dass es um die Nutzung eines einheitlichen Gegenstandes sowohl für berufliche als auch private Zwecke gehe und damit eine Vermischung von Aufwendungen der Lebensführung vorliege. Soweit die Anforderungen der Finanzverwaltung an die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches für unzumutbar gehalten würden, könne dies nicht die Verfassungswidrigkeit des § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG begründen, da diese Vorschrift lediglich den unbestimmten Rechtsbegriff „ordnungsgemäß“ enthalte, der im Einzelfall auszulegen sei. Zudem erleichtere die von der Finanzverwaltung zugelassene Benutzung elektronischer Fahrtenbücher den Nachweis erheblich. Die verfassungsrechtlichen Bedenken seien auch unbeschadet der Unzulänglichkeiten hinsichtlich der nicht vergleichbaren Bewertungsansätze des Arbeitnehmers (Sachbezugswert) und des Unternehmers (Entnahmewert) nicht durchgreifend, da dem Gesetzgeber bei typisierenden Regelungen von Massenverfahren mit dem Ziel der Vereinfachung ein breiter Gestaltungsspielraum zukomme.

Entscheidungsgründe

1. Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO-). Der Beklagte hat zu Recht den geldwerten Vorteil für die private Nutzung des betrieblichen Kfz auf der Basis des inländischen Bruttolistenneupreises von 81.400 € berechnet (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) und diesen geldwerten Vorteil als Arbeitslohn bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) erfasst.

a. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen, Tantiemen und anderen Bezügen auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Das sind nach § 8 Abs. 1 EStG alle in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zufließen. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG benennt die geldeswerten Güter oder Vorteile (Einnahmen, die nicht in Geld bestehen), nämlich „Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge“; sie sind mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Nach § 8 Abs. 3 EStG gelten für Waren oder Dienstleistungen, die ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses erhält, und die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug pauschal versteuert wird, als deren Werte die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbieten.

aa. Abweichend von diesen auf „Endpreise“ abstellenden Bestimmungen für die Bewertung von Zuwendungen an den Arbeitnehmer verweist § 8 EStG in seinem Absatz 2 Satz 2 und Satz 3 für die private Nutzung eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Nach dieser Vorschrift ist für die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Unter dem inländischen Listenpreis im Zeitpunkt der Erstzulassung ist die an diesem Stichtag maßgebliche Preisempfehlung des Herstellers zu verstehen, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Fahrzeugmodells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gilt (R 8.1 Abs. 9 Nr.1 Satz 6 LStR 2011). Mit der Anknüpfung an die Preisempfehlung des Automobilherstellers hat der Gesetzgeber eine stark vereinfachende, typisierende und damit für alle gleichen Fahrzeuge einheitliche Grundlage für die Bewertung der Nutzungsvorteile geschaffen (Bundestags-Drucksache 13/1686, S. 8; BFH-Urteil vom 16. Februar 2005 – VI R 37/04, BStBl II 2005, 563; vgl. auch Urban, Finanz-Rundschau – FR – 2004, 1383 f.).

Kann das Kraftfahrzeug auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzt werden, erhöht sich der Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für jeden Kalendermonat um 0,03 % des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte.

Außerdem ist in § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG die sog. Escape-Klausel geregelt, wonach bei Führung eines ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs nicht die sog. 1 % – Regelung, sondern die aus dem Fahrtenbuch entnommenen Werte maßgeblich sind. Der Arbeitgeber muss bei Führen eines Fahrtenbuches in Abstimmung mit dem Arbeitnehmer die Anwendung eines Verfahrens (1%-Regelung oder Fahrtenbuchmethode) für jedes Kalenderjahr festlegen (Einzelheiten hierzu in R 8.1 Abs. 9 Nr. 3 LStR 2011). Wird kein Fahrtenbuch geführt, ist die Regelung grds. zwingend; eine abweichende Schätzung ist nicht zulässig (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Januar 2007 – XI B 128/06, BFH/NV 2007, 706; Schmidt/Kulosa, EStG, 30. Auflage 2011, § 6 Rz. 511).

In den Anwendungsbereich der vorgenannten Vorschriften fallen nach allgemeiner Ansicht nicht nur vom Arbeitgeber angeschaffte, sondern auch – wie im Streitfall – geleaste oder mietete Kfz (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 2008 – VIII R 67/06, BFH/NV 2008, 1662; Schmidt/Kulosa, EStG, 30. Auflage 2011, § 6 Rz. 512; Hoffmann in Littmann/Bitz/Putz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 Rz. 736; Bundesministerium der Finanzen – BMF – vom 18. November 2009, IV C 6-S 2177/07/10004, 2009/0725394, BStBl I 2009, 1326, Tz. 1), selbst wenn das Kfz bei Anschaffung oder – wie im Streitfall – Beginn des Leasingverhältnisses gebraucht (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2007 – XI B 178/06, BFH/NV 2008, 562; Blümich/Ehmke, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG, § 6 EStG Rz. 1013h) oder bei Beginn der Nutzungsüberlassung bereits abgeschrieben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2007 – XI B 149/06, BFH/NV 2007, 892).

bb. Unstreitig hat der Beklagte den geldwerten Vorteil für die Überlassung des Dienstwagens BMW 730i in zutreffender Weise auf Grundlage der vorstehend beschriebenen (zwingenden) gesetzlichen Regelungen berechnet (mit 1% des Bruttoneuwagenlistenpreises von 81.400 €/Monat) und Einkünfte erhöhend bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) angesetzt. Im vorliegenden Fall greift § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ersichtlich nicht ein, weil der Kläger unstreitig kein Fahrtenbuch geführt hat. Bei Befolgen der gesetzlichen Regelungen verbietet sich ein Abzug üblicher Händlerrabatte von der anzusetzenden Bemessungsgrundlage (=Bruttoneuwagenlistenpreis).

b. Der Senat hat nicht die für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG erforderliche Überzeugung zu gewinnen vermocht, dass die gesetzliche Bewertungsregel in § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG verfassungswidrig ist.

aa. Nach der verstetigten Rechtsprechung des BFH und der Finanzgerichte bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die 1%-Regelung unter Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage.

Die Rechtsprechung hat dabei die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit der 1%-Regelung für zahlreiche Sachverhaltskonstellationen und unter Berücksichtigung verschiedenster (verfassungs-)rechtlicher Aspekte als verfassungsgemäß erachtet (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 – III R 59/98, BStBl II 2000, 273 betr. pauschaler Wert der Nutzungsentnahme höher als insgesamt tatsächlich entstandene Aufwendungen und Anwendung des Bruttoneuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage bei Gebrauchtwagen; BFH-Beschluss vom 18. Januar 2001 – III R 14/99, juris, betr. Verstoß gegen Übermaßbesteuerung, Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen: Beschluss des BVerfG vom 29. Oktober 2002 – 2 BvR 434/01, HFR 2003, 178; BFH-Urteil vom 1. März 2001 – IV R 27/00, BStBl II 2001, 403 betr. pauschale Bewertung der privaten Nutzung bei Gebrauchtwagen; BFH-Beschluss vom 11. März 2002 – XI B 54/01, BFH/NV 2002, 1024; BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 – X R 23/01, BStBl II 2003, 472 betr. geleasten und gebrauchte Kfz; BFH-Urteil vom 6. März 2003 – XI R 12/02, BStBl. II 2003, 704 betr. Berechnungsgrundlage für 1%-Regelung; BFH-Beschluss vom 30. Juli 2003 – X R 70/01, BFH/NV 2003, 1580 betr. Ansatz des Listenpreises einschl. Umsatzsteuer, Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen: Beschluss des BVerfG vom 30. Juni 2004 – 2 BvR 1931/03; BFH-Beschluss vom 25. Mai 2005 – IV B 214/03, BFH/NV 2005, 1788 betr. Ausschluss des Betriebsausgabenabzug bei gebrauchten und abgeschriebenen Kfz trotz Versteuerung eines Veräußerungsgewinns; BFH-Beschluss vom 11. Oktober 2006 – XI B 89/06, BFH/NV 2007, 416 betr. grds. Bewertung von Nutzungsentnahmen mit den anteiligen Kosten; BFH-Beschluss vom 3. Januar 2007 – XI B 128/06, BFH/NV 2007, 706 betr. Anwendung der 1%-Regelung auf abgeschriebenes Kfz; BFH-Urteil vom 19. März 2009 – IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617 betr. Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs; FG Hamburg, Urteil vom 18. Oktober 2010 – 2 K 305/09, n.v., rkr, betr. Ansatz des Bruttolistenpreises ohne Berücksichtigung vom Händler gewährter Rabatte; Niedersächsisches FG, Urteil vom 29. März 2011 – 12 K 345/10, n.v., rkr, betr. Ansatz des Bruttolistenpreises ohne Abzug am Markt üblicher Rabatte).

Vorgebrachten bzw. ins Auge stechenden Bedenken im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip (objektives Nettoprinzip) bzw. eine Übermaßbesteuerung, die sich insbesondere durch den faktischen Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs bei Anwendung der 1%-Regelung auf gebrauchte oder abgeschriebene Kfz geradezu aufdrängen, wurden dabei regelmäßig wegen der Möglichkeit des Führens eines Fahrtenbuches mit belegmäßigem Einzelnachweis (z.B. zuletzt: BFH-Urteil vom 9. März 2010 – VIII R 24/08, BStBl. II 2010, 903 betr. Nutzung mehrerer betrieblicher Kfz) und im Hinblick auf die von der Finanzverwaltung im Billigkeitswege gewährte Deckelungsregelung (vgl. BMF vom 18. November 2009, IV C 6-S 2177/07/10004, 2009/0725394, BStBl I 2009, 1326, Tz. 18 ff.) überwunden.

Die Rechtsprechung weist darauf hin, dass der Gesetzgeber sich bei der Typisierung im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums gehalten hat, da es sich um eine widerlegbare Typisierung handelt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 – III R 59/98, BStBl. II 2000, 273). Danach braucht der Gesetzgeber bei Typisierungen nicht allen Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen und immer mehr individualisierende und spezialisierende Regelungen zu treffen. Es entspreche vor diesem Hintergrund den Anforderungen an eine sachgerechte Typisierung, wenn der Gesetzgeber zur Ermittlung des privaten Nutzungsanteils nicht auf die tatsächlichen Anschaffungskosten des Kfz, sondern auf den Listenpreis abstelle. Der Ansatz des Listenpreises statt der Anschaffungskosten entspreche dem Erfordernis, die Entnahme des Steuerpflichtigen für die private Lebensführung nach dem dem Steuerpflichtigen zukommenden Nutzungsvorteil zu bemessen. Hierfür stelle der Listenpreis einen geeigneten Maßstab dar (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25. Mai 1992 – VI R 146/88, BStBl II 1992, 700; vom 3. Januar 2007 – XI B 128/06, BFH/NV 2007, 708; FG Hamburg, Urteil vom 18. Oktober 2010 – 2 K 305/09, n.v.).

Der Gesetzgeber verlange mit dem Nachweis durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch auch nichts Unmögliches oder Unzumutbares vom Steuerpflichtigen. Die 1%-Regelung komme daher auch nicht der Sache nach einer unwiderlegbaren Typisierung gleich, für die strengere verfassungsrechtliche Maßstäbe anzulegen seien (so ausdrücklich FG Hamburg, Urteil vom 18. Oktober 2010 – 2 K 305/09, n.v.).

bb. Die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG wird in der steuerrechtlichen Literatur dagegen unterschiedlich beurteilt.

(1) Teilweise wird die Regelung – der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend – in vollem Umfange für verfassungsgemäß erachtet. Zur Begründung wird angeführt, dass Einzelermittlungen im Grenzbereich zwischen betrieblicher und privater Sphäre kaum möglich seien. Außerdem stehe dem Steuerpflichten jederzeit die Wahl der Fahrtenbuchmethode frei. Umgekehrt entfalte die Regelung bei hohem privatem Nutzungsanteil verfassungs-rechtlich problematische Subventionswirkungen, die aber seit dem VZ 2006 durch das Erfordernis einer betrieblichen Nutzung von mehr als 50 % abgemildert seien. Verfassungsrechtlich sei auch der Umstand, dass der Listenpreis in der Regel höher sei als die tatsächlichen Anschaffungskosten unbedenklich. Dies betreffe alle Kfz gleichermaßen und sei daher nur eine Frage der Bemessung des pauschalen Prozentsatzes. Im internationalen Vergleich sei die Pauschalierung ohnehin eher großzügig; im Ausland werde vor allem bei Pkw mit hohem Schadstoffausstoß der Betriebsausgabenabzug stärker eingeschränkt als in Deutschland (vgl. hierzu Schmidt/Kulosa, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 30. Auflage 2011 § 6 Rz. 527).

Auch Pust (in Littmann/Bitz/Pust (Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 8 Rz. 367 ff.) hält die gegen die 1 %-Regelung erhobenen verfassungsrechtlichen Einwendungen für nicht durchgreifend. Die Grenzen der zulässigen Typisierung erweiterten sich für den Gesetzgeber dadurch, dass der Steuerpflichtige die Anwendung der Regelung vermeiden könne, in dem er ein Fahrtenbuch führe und die Gesamtkosten des Kfz nachweise. Der Höhe nach sei die an den Listenneukaufpreis zzgl. Umsatzsteuer und Sonderausstattung anknüpfende Typisierung auch bei der Benutzung eines Altwagens ebenfalls nicht zu beanstanden, da sie über den gesamten Zeitraum der Nutzung des Kfz gesehen – jedenfalls im Zusammenhang mit der Deckelungsregelung der Finanzverwaltung – zu sachgerechten Ergebnissen führe. Durch die Deckelungsregelung sei eine Übermaßbesteuerung auch bei Arbeitnehmern verhindert worden. Die 1 %-Regelung erscheine auch nicht deshalb als verfassungsrechtlich bedenklich, weil der Steuerpflichtige die Führung eines Fahrtenbuches zur Ermittlung der auf die private Nutzung entfallenden anteiligen tatsächlichen Kosten zugemutet werde. Werde ein Gegenstand sowohl privat wie auch beruflich genutzt, treffen den Steuerpflichtigen eine erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des betrieblichen Aufwandanteils.

Auch Fischer (in Kirchhof, Kommentar zum EStG, 10. Auflage 2011, § 6 Rn. 168) erachtet die auf den inländischen Listenpreis (nicht einen tatsächlichen niedrigeren Kaufpreis, auch bei Reimporten) abhebende, Neu- wie Gebrauchtwagen umfassende, auch bei Vorhandensein eines auch betrieblichen Zweitwagens anwendbare, grob typisierende Regelung für verfassungsgemäß. Zur Begründung wird ebenfalls auf die Möglichkeit des Nachweises des konkreten privaten Nutzungsanteils und einen Billigkeitsanspruch auf Deckelung hingewiesen.

Birk/Kister (in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 8 Anm. 76 ff.) weisen zwar darauf hin, dass sich die Verfassungswidrigkeit der 1-%-Regelung aus dem Gesichtspunkt ergeben könne, dass die Führung eines Fahrtenbuches unzumutbar sei. Dem Bürger könne jedoch von Verfassungs wegen kein Recht auf die für ihn günstigste Lösung zukommen, ohne dass er daran selbst mitwirken müsse. Außerdem werde man gegen erhöhte Nachweisanforderungen nichts einwenden können, wenn es sich um die Nutzung eines einheitlichen Gegenstands sowohl für berufliche als auch für private Zwecke handele und damit eine Vermischung von Aufwendungen der Lebensführung vorliege. Soweit die Anforderungen der Finanzverwaltung an die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches für unzumutbar gehalten werden, könne dies nicht die Verfassungswidrigkeit begründen, da dieser lediglich den unbestimmten Rechtsbegriff „ordnungsgemäß“ enthalte, der im Einzelfall auszulegen sein werde. Zudem erleichtere auch die von der Finanzverwaltung zugelassene Benutzung elektronischer Fahrtenbücher den Nachweis erheblich.

(2) Teilweise wird die 1 %-Regelung in der steuerrechtlichen Literatur aber auch kritisiert. Ehmcke (in Blümich, a.a.O., § 6 Rz. 1013i) hält die Begründungen der Rechtsprechung für die Verfassungsmäßigkeit, insbesondere die Kostendeckelung für zweifelhaft. Die Kostendeckelung sei eine reine Billigkeitsregelung. Sie verstoße zudem gegen die Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung.

Auch Kanzler (FR 2000, 618) hält die 1 %-Regelung für einen groben Klotz. In vielen Fällen komme ein Abzug der Aufwendungen nur bei Führen eines Fahrtenbuches in Betracht. Faktisch wirke die Regelung als Abzugsverbot. Die verwaltungseigene „Deckelungsregelung“, die eine über das Abzugsverbot hinausgehende Nutzungswertbesteuerung verhindere, sei eigentlich schon Beleg für die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift; der Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip wäre evident, gäbe es nicht den Ausweg der Fahrtenbuchführung.

Dürr (in Frotscher, Kommentar zum EStG, § 8 Rz. 157 ff.) hält die 1 %-Regelung insgesamt für unausgewogen. Sie führe bei unter dem Listenpreis für Neufahrzeuge liegenden Anschaffungskosten (z.B. Gebrauchtwagen) und bei nur geringem Umfang der privaten Nutzung zu unrealistischen Privatnutzungswerten. Dem Arbeitnehmer stehe die Einzelnachweismethode als Ausweg (Escape-Klausel) nur dann offen, wenn der Arbeitgeber – worauf der Arbeitgeber häufig keinen Einfluss hat – sich zum belegmäßigen Nachweis bereit finde. Die Führung eines Fahrtenbuchs erscheine nicht unzumutbar – jedoch dürften dabei die Anforderungen an die Fahrtenbuchführung nicht überspannt werden. Dürr plädiert dafür, krasse Härten im Billigkeitswege zu beseitigen. Die 1%-Regelung dürfe nicht dazu führen, dass für ein nachweislich betrieblich genutztes Kfz, also eindeutig betrieblich veranlasstem Aufwand, kein Betriebsausgabenabzug verbleibe. Derartige Ergebnisse seien im Billigkeitsweg schätzungsweise zu korrigieren. Billigkeitsmaßnahmen seien jedenfalls auch dann angebracht, wenn die Fahrtenbuchaufzeichnungen des Steuerpflichtigen aus nicht von ihm zu vertretenden Gründen nicht anerkannt werden könnten.

Gröpl (in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz § 8 Rn. C 28 f.) erachtet die pauschalierte Kraftfahrzeug-Nutzungswertbesteuerung für verfas-sungsrechtlich bedenklich. Sie könne zu spürbaren Verzerrungen der tatsächlichen Ver-hältnisse führen, insbesondere dann, wenn das betriebliche Kfz einen hohen Listenpreis besitze, sein tatsächlicher Wert deutlich darunter bleibe (etwa bei Gebrauchtwagen) oder wenn das Kfz sehr selten für private Zwecke eingesetzt werde. Unter diesen Umständen bestehe für die Typisierungen die Gefahr, wegen eines übergroßen Nivellierungseffektes an ihre verfassungsrechtlichen Grenzen zu stoßen. In bestimmten Konstellationen sei zu vermuten, dass ein Teil der Steuerpflichtigen geringere Vorteile aus der Nutzung eines betrieblichen Kfz ziehe, als es die Pauschalierungen in § 8 Abs. 2 Satz 2, 3 und 5 EStG  unterstellten. Rechtsfolge sei die Versteuerung von Nutzungsvorteilen, die tatsächlich nicht zuflössen – eine für den betreffenden Steuerpflichtigen unter Umständen sehr belastende Fiktion, die durchaus in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen stehen könne. Für solche Fälle habe der Gesetzgeber zwar eine Härtefallregelung vorgesehen. Das Sammeln von Belegen und der Nachweis der tatsächlichen Nutzungsvorteile könnten für den Steuerpflichtigen aber einen sehr hohen Arbeitsaufwand erfordern, der in der Praxis selten zum Erfolg führe. Die Lohnsteueraußenprüfer der Finanzverwaltung forderten für die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuches eine akribisch kontrollierte Lückenlosigkeit, die kaum zu erreichen sei. Insofern scheine die Verfassungs-mäßigkeit der Pauschalierungsregelungen durch die Escape-Klausel in der Theorie zwar gewährleistet zu sein. Bei überaus regidem Vollzug könne insoweit die Verfassungswid-rigkeit des gesamten Regelungskomplexes herauf beschworen werden.

Bedenken gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit werden auch von Nolte (in Herr-mann/Heuer/Raupach, Kommentar zum Einkommensteuer/Körperschaftsteuergesetz, § 6 Anm. 1202 d) vorgebracht. Gerügt wird die Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber habe nicht bedacht, dass die Bewertung der Nutzungsentnahme in vielen Fällen ein faktisches Abzugsverbot für betrieblich veranlasste Kfz-Kosten bedeute. Damit sei der Steuerpflichtige gezwungen, die Escape-Klausel, also die Fahrten-buchmethode mit belegmäßigem Nachweis der tatsächlichen Aufwendungen, in Anspruch zu nehmen. Ferner sei das Gebot der Gesetzesbestimmtheit (Art. 20 Abs. 3 GG) durch § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG verletzt. Das Gesetz enthalte die Begriffe „inländischer Listenpreis“ und „Sonderausstattungen“. Das Gesetz lasse dabei völlig offen, von welcher inländischen Liste der Preis zu entnehmen sei und was zu den Sonderausgestaltungen gehöre. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG enthalte die Begriffe „Belege“ und „Fahrtenbuch“. Was unter einem Beleg sowie unter einem Fahrtenbuch zu verstehen sei, besage die Vorschrift selbst nicht.

(3) Urban (in „Die Besteuerung von Firmen- und Dienstwagen“, Köln, 2009) hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit die Nutzungswertbesteuerung bis VZ 2005 betroffen ist (vgl. hierzu 10. Kapitel, A., S. 248 – 259).

Anders beurteilt er jedoch die Verfassungsmäßigkeit unter Berücksichtigung der ab dem VZ 2006 geltenden 50%-Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Ausgehend von der herrschenden Meinung, nach der der modifiziert individuelle Nutzungswert nicht bei Überschusseinkünften anwendbar ist, seien Gewinn- und Überschusseinkünfte bei einem Nutzungsanteil zu Privatfahrten von mindestens 50% unterschiedlich zu behandeln. Wegen der in der Mehrzahl der Fälle begünstigenden Wirkung der Pauschalierung in diesen Fällen werde die Kfz-Nutzungsüberlassung bei Überschusseinkünften damit besser gestellt als die Eigennutzung bei Gewinneinkünften. In den Fällen, in denen trotz Privatnutzung von nicht unter 50% der Ansatz der tatsächlichen Kosten niedriger ist als derjenige des pauschalen Nutzungswerts, seien Überschusseinkünfte schlechter gestellt als Gewinneinkünfte. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht gegeben. Eine Verfassungswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG sei nur zu vermeiden, wenn man im Wege der verfassungskonformen Auslegung dazu komme, dass die 50%-Regelung auch bei den Überschusseinkünften anwendbar ist (vgl. Urban, a.a.O., B. I.3., S. 264 ff.; anders aber die Begründung des Gesetzesentwurfs, siehe BT.-Drucks. 16/634 S. 11).

cc. Der Senat ist davon überzeugt, dass das Regelungskonstrukt zur Bewertung des geldwerten Vorteils für die private Nutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Kfz insgesamt verfassungsgemäß ist. Der Senat teilt die gegen die Verfassungsmäßigkeit in der steuerrechtlichen Literatur vorgebrachten Bedenken nicht. Entgegen der Auffassung der Kläger war der Gesetzgeber auch nicht gezwungen, die typisierende 1%-Regelung nach Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklungen im Kraftfahrzeughandel zu überprüfen und an die veränderten Marktverhältnisse anzupassen.

Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass die in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG erfolgte Typisierung, die auf den inländischen Listenpreis und nicht auf einen tatsächlich niedrigeren Kaufpreis oder – bei Leasingverträgen einem der Finanzierung zugrunde gelegten Wert -abhebt – und Neu- und Gebrauchtwagen gleichermaßen betrifft, eine recht grobe Typisierung darstellt. Gleichwohl begegnet sie nach Überzeugung des Senats keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

(1) Die vorgebrachte verfassungsrechtliche Kritik im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG teilt der Senat nicht. Der Senat ist der Überzeugung, dass die 1%-Regelung insbesondere mit den Grundsätzen der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit im Einklang steht.

Aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlichen Lasten hergeleitet, der das Gebot der Besteuerungsgleichheit und der Belastungsgleichheit umfasst. Dabei wird die Besteuerungsgleichheit grundsätzlich dadurch herbeigeführt, dass für alle vergleichbaren Besteuerungssubjekte gleiche Regelungen geschaffen, insbesondere für vergleichbare Sachverhalte gleiche steuerliche Forderungen herbeigeführt werden. Für das Einkommensteuerrecht wird dies insbesondere durch den Leistungsfähigkeitsgrundsatz konkretisiert (st. Rspr. des BVerfG, z.B. Beschluss v. 21. Juni 2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Das hieraus abgeleitete objektive Nettoprinzip beinhaltet, dass nur die reinen Einkünfte einkommensteuerlich erfasst werden dürfen, also im Rahmen der Einkunftsermittlung die Erwerbsaufwendungen steuermindernd berücksichtigt werden müssen. Allerdings darf der Gesetzgeber das objektive Nettoprinzip durchbrechen. So ist er nicht verpflichtet, gewillkürte Aufwendungen zwingend in ihrer tatsächlichen Höhe zu berücksichtigen. Er darf insbesondere bei der Abgrenzung der Erwerbs- von der Privatsphäre die Abzugsfähigkeit auf notwendige Aufwendungen beschränken (vgl. BVerfG, Urteil vom 7. Dezember 1999 – 2 BvR 301/98, BStBl. II 2000, 162). Gerade im Bereich dieser Abgrenzung darf der Gesetzgeber sich auch typisierender, pauschalierender und generalisierender Regelungen bedienen. Er kann insbesondere im Bereich von Massenerscheinungen einen typischen Lebenssachverhalt zugrunde legen und individuelle Besonderheiten unberücksichtigt lassen. Dabei müssen solche Regelungen im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG bestimmte Anforderungen erfüllen: Sie müssen grundsätzlich erforderlich, geeignet und angemessen sein, um den Zweck der Vereinfachung zu erfüllen, und sie müssen realitätsgerecht sein, was die Zugrundelegung eines atypischen Falles ausschließt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 21. Juni 2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164). Härten und Ungerechtigkeiten dürfen nur eine relativ kleine Zahl von Personen treffen und nicht sehr intensiv und nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sein. Diese Einschränkungen beziehen sich aber nur auf zwingende bzw. unwiderlegbare Typisierungen, Pauschalierungen und Generalisierungen. Sind sie widerlegbar, steht dem Gesetzgeber in begünstigenden Regelungen ein weiter Ermessensspielraum zu (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 – III R 59/98, BStBl. II 2000, 273). Ausgeschlossen sind hier nur willkürliche oder unangemessene Differenzierungen, also gezielte Gruppenbenachteiligungen und umgekehrt die willkürliche oder unangemessene Gleichbehandlung zwingend zu differenzierender Gruppen, die nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind.

Auf den Streitfall übertragen bedeutet dies Folgendes: Bei der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG handelt es sich um eine sog. widerlegbare Typisierung. Dem Gesetzgeber steht hier also ein weiter Ermessensspielraum zu. Eine willkürliche oder unangemessene Differenzierung vermag der Senat nicht zu erkennen. Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine gesetzliche Verweisung auf die Fahrtenbuchmethode zulässig und geboten. Steuerpflichtige haben keinen Anspruch auf die Berücksichtigung eines günstigeren Ansatzes, als er sich nach der Fahrtenbuchmethode ergibt. Diese Methode genügt, obgleich sie keinen völlig abstrakten Maßstab, sondern den aus den Gesamtkosten abgeleiteten Durchschnittswert zugrunde legt, den Anforderungen des objektiven Nettoprinzips an die Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Erwerbskosten. Die weitergehende Berücksichtigung bedeutet eine Subventionierung der privaten Kfz-Nutzung, zu der es keine verfassungsrechtliche Verpflichtung gibt.

Gegen die Fahrtenbuchmethode kann auch nicht eingewandt werden, sie sei zu kompliziert und deshalb unverhältnismäßig. Soweit das BFH-Urteil vom 4. April 2008 (VI R 68/05, BFH/NV 2008, 1240) unter II, 2.e die Verweisung auf die Fahrtenbuchmethode allein für den Nachweis der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als unverhältnismäßig ansieht, berührt dies nicht die Verhältnismäßigkeit der Methode bei Anwendung auch für Privatfahrten. Die Methode geht nicht über die nach allgemeinen Buchführungsgrundsätzen gebotenen Anforderungen an die Form und den Inhalt der Aufzeichnungen und Belegnachweise hinaus (vgl. Urban, a.a.O., 254 f.). Da die Überprüfung der tatsächlichen Verhältnisse gerade bei der Kfz-Nutzung sehr schwierig ist und auch deshalb eine erhebliche Missbrauchsneigung besteht, ist der Gesetzgeber auch außerhalb des Bereiches der buchführungpflichtigen Steuerpflichtigen nicht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gehindert, den Nachweis an strenge Anforderungen zu knüpfen (vgl. Birk/Kister in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 Anm. 76 am Ende). Dies gilt auch vor dem Hintergrund des ohnehin relativ geringen Beweiswertes von Eigenaufzeichnungen wie einem Fahrtenbuch (vgl. FG München, Urteile vom 5. Oktober 1988 – I R 55/82 E, EFG 1989, 165, rechtskräftig; und vom 8. April 2002 – 6 K 2850/99, n.v.). Schließlich muss auch berücksichtigt werden, dass durch die Möglichkeit, ein elektronisches Fahrtenbuch zu führen, der Aufzeichnungsaufwand erheblich reduziert werden kann (vgl. Birk/Kister in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 Anm. 76). Verfassungsrechtlich dürfte es überhaupt nicht geboten sein, ohne exakten Nachweis bei gemischt genutzten Wirtschaftsgütern betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen. Von der Finanzverwaltung praktizierte Erschwernisse der Fahrtenbuchregelung begründen nicht die Verfassungswidrigkeit der pauschalen Nutzungswertbesteuerung. Diesen kann durch – ggf. im Klageverfahren herbeizuführende – zutreffende Rechtsanwendung begegnet werden (so auch Urban, a.a.O., S. 254 ff.). Dabei sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des BFH kleinere Mängel nicht gleich zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1%-Regelung führen, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind und die Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten (vgl. BFH-Urteil vom 10. April 2008 – VI R 38/06, BStBl. II 2008, 768).

Davon abgesehen ist es im vorliegenden Streitfall nicht geboten, die Frage der Zumutbarkeit des Führens eines Fahrtenbuches zu überprüfen, da der Kläger unstreitig kein Fahrtenbuch geführt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Januar 2007 – XI B 149/06, BFH/NV 2007, 892).

Entgegen der Auffassung der Kläger ist es verfassungsrechtlich auch nicht geboten, für ältere oder gebraucht erworbene Kfz niedrigere Werte anzusetzen. Denn für die Gleichbehandlung von Neufahrzeugen gibt es verschiedene sachliche Rechtfertigungsgründe, die dem Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit berechtigen, diese Gruppen gleich zu behandeln. Erfahrungsgemäß sind die laufenden Verbrauchs- und Reparaturkosten bei älteren Kfz höher als bei Neuwagen. Soweit die AfA bereits abgelaufen ist, wird mit dem beibehaltenen Kfz-Nutzungswert lediglich eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Vergünstigung kompensiert, die darin liegt, dass die AfA-Laufzeit von sechs bzw. acht Jahren die tatsächlichen Laufzeiten erheblich unterschreitet. Im Übrigen wird das Fahrzeugalter zumindest teilweise dadurch berücksichtigt, dass der historische Listenpreis und nicht der aktuelle, in der Regel höhere Preis des Nutzungszeitraums zugrunde gelegt wird. Schließlich ist die Beibehaltung des Listenpreises aus Gründen der Vereinfachung gerechtfertigt; die Berücksichtigung individueller wertmindernder Faktoren würde die Anforderungen an das Massenverfahren überspannen. Eine Benachteiligung von Arbeitnehmern durch schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers ist schließlich hinreichend durch aus dem arbeitsrechtlichen Treueverhältnis erwachsene Schadensersatzansprüche Rechnung getragen, so dass es hier zu keiner gesonderten steuerrechtlichen Regelungen bedarf (vgl. hierzu Urban, a.a.O., S. 256).

Der Senat vermag auch nicht einen Verstoß gegen das Gebot der Normenklarheit festzustellen. Das Gebot der Normenklarheit als Aspekt der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) abgeleiteten Gebote der Bestimmtheit und Justiziabilität von Rechtsnormen erfordert so klare, bestimmte, in sich schlüssige (widerspruchsfrei), verständliche, einsichtige, exakt formulierte, in ihren Folgen möglichst voraussehbare, praktikable und justiziable Normen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und Normenzwecke möglich ist (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 12. April 2005 – 2 BvR 1027/02, BFH/NV – Beilage 2005, 340). Bloße Auslegungsschwierigkeiten begründen die Verfassungswidrigkeit nicht (Mellinghoff, DStJG 27 (2004), 25, 36).

Aus Sicht des Senates kann dahinstehen, ob die Regelungen über dem Kfz-Nutzungswert dem Idealbild der Normenklarheit entsprechen. So kann der Senat offen lassen, ob die Regelungen – wie teilweise in der Literatur kritisiert – Systembrüche, rechtstechnische und sprachliche Mängel, uneinheitliche Begriffsbildungen, unklare Verweisungstechniken und unklare Regelungen der Rechtsfolgen enthalten. Nach Überzeugung des Senates überschreiten diese Mängel aber nicht die Grenzen des Gebots der Normenklarheit. Der Grundregelungsgehalt der Bestimmungen ist jedenfalls unter Berücksichtigung der anerkannten Auslegungsregeln hinlänglich verständlich. Dies gilt insbesondere für die typischen Anwendungsfälle des pauschalen Nutzungswerts. Aber auch die Probleme der Sonderfälle lassen sich durch Auslegung – wenn auch unter einigen Schwierigkeiten – hinreichend klären (so auch Urban, a.a.O., S. 256 ff.).

(2) Für den Streitfall kann auch dahinstehen, ob die gesetzliche Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften und solchen mit Überschusseinkunftsarten im Hinblick auf die Möglichkeit des Ansatzes eines modifizierten individuellen Nutzungswertes bei Unterschreiten der 50%-Grenze zur Verfassungswidrigkeit führen kann (so Urban, a.a.O., S. 209 ff. und 264 ff.). Im Streitfall ist weder vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen, dass der Kläger das überlassene Kfz zu weniger als 50% für seine berufliche Tätigkeit nutzt. Nur insoweit wäre eine den Kläger belastende Ungleichbehandlung denkbar. Im Übrigen fehlen auch die für die Feststellung des Nutzungsumfangs erforderlichen (formlosen) Aufzeichnungen über einen repräsentativen zusammenhängenden Zeitraum von 3 Monaten (vgl. BMF-Schreiben vom 18. November 2009, IV C 6-S 2177/07/10004, 2009/0725394, BStBl I 2009, 1326, Tz. 4 ff.).

(3) Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Gesetzgeber auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, in dem er unverändert seit 1996 an dem Bruttoneuwagenlistenpreis als Bemessungsgrundlage festgehalten hat. Ein Gleichheitsverstoß wegen Verletzung der Anpassungsverpflichtung liegt nach Überzeugung des Senats nicht vor.

Zu Recht weisen die Kläger darauf hin, dass das Recht zur gesetzlichen Typisierung unter dem Vorbehalt der realitätsgerechten Erfassung der Wirklichkeit steht. Verändern sich die tatsächlichen Umstände wesentlich, so ist die gesetzliche Typisierung an die tatsächliche Entwicklung anzupassen. Dem Gesetzgeber ist daher grundsätzlich vor allem verwehrt, einen atypischen Fall zum Leitbild der Typisierung zu machen oder an einem früher vielleicht typischen Leitbild festzuhalten, das mittlerweile zu einem atypischen Fall geworden ist. Der Gesetzgeber steht insoweit unter einem ständigen Anpassungszwang (vgl. hierzu insbesondere BVerfG, Urteil vom 8. Juni 1993 – 1 BvL 20/85, BStBl II 1994, 59 und vom 6. März 2002 – 2 BvL 17/99, BStBl II 2002, 618 m.w.N.; Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 3 AO Tz. 51; Seer, StuW 1996, 323, 329; Druen, StuW 1997, 261, 270).

Hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem der Gesetzgeber zur Überprüfung einer Typisierung gezwungen ist, gibt es – soweit ersichtlich – keine starre Grenzen. Vielmehr müssen die Umstände des jeweiligen Einzelfalls daraufhin überprüft werden, ob sich die Lebenswirklichkeit so weit von dem gesetzgeberischen Leitbild entfernt hat, das ein Festhalten daran zu einem gleichheitswidrigen Verstoß gegen die Anpassungsverpflichtung führt.

So hat das BVerfG (Urteil vom 8. Juni 1993 – 1 BvL 20/85, BStBl II 1994, 59)  z.B. die Verfassungswidrigkeit des § 3b Abs. 2 Nr. 4 EStG (alte Fassung) festgestellt, weil der Gesetzgeber die ursprünglich verfassungsgemäße Regelung nicht an die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse angepasst hat. Die Begrenzung der Höchstbeträge für Nachtarbeitszuschläge auf 15% des Grundlohns war nach Auswertung der Vereinbarungen von rund 470 Lohn- und Gehaltstarifbereichen eingeführt worden, weil sie einem guten Durchschnitt der damals tarifvertraglich vereinbarten Zuschläge entsprochen haben. In den Jahren 1975 bis 1977 hatten die erfassten Arbeitnehmer des tarifvertraglichen Bereichs im Durchschnitt 25% des Grundlohns als Zuschläge für regelmäßige Nachtarbeit erhalten. Damit lag der durchschnittliche Zuschlag um 66,66% über dem gesetzlichen Höchstbetrag. 1975 und 1977 hatten 72% und 1976 71% der im tarifvertraglichen Bereich erfassten Arbeitnehmer einen höheren Zuschlag als 15% erhalten.

Vergleichbare gravierende Abweichungen von der Lebenswirklichkeit sind im Streitfall nicht festzustellen. Selbst wenn den Klägern konstatiert werden kann, dass nach Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung der Bruttoneuwagenlistenpreis für ein Neufahrzeug nicht dem Wert entspricht, der am Markt für das Kfz tatsächlich bezahlt wird (so auch BFH-Urteil vom 17. Juni 2009 – VI R 18/07, BStBl. II 2010, 67) und Rabatte – abhängig vom Hersteller, Modell und Sonderfaktoren wie Verkäuflichkeit und Auslauf- oder Sondermodell – zwischen 10% und teilweise über 30% üblich sind, führt dies nach Auffassung des Senats noch nicht zu einer Anpassungsverpflichtung für den Gesetzgeber. Abgesehen davon, dass die Abweichungen vom Bruttolistenpreis durch übliche Rabatte die Größenordnung der oben genannten Entscheidung des BVerfG (Abweichung 66%) bei weitem nicht erreichen, ist zu berücksichtigen, dass sich die Höhe der Rabatte auch – bei entsprechend veränderten Marktverhältnissen und großer Nachfrage – wieder zurückentwickeln kann und die Rabatte für größere und teure Fahrzeuge inländischer Hersteller häufig die Grenze von 15% nicht überschreiten. Diese Größenordnung üblicher Rabatte für größere Fahrzeuge macht zudem deutlich, dass der von den Klägern begehrte generelle Abschlag von 20% vom Bruttolistenpreis nicht gerechtfertigt ist. Der Gesetzgeber ist vielmehr nicht verpflichtet, jeder Veränderung der Marktpreise Rechnung zu tragen. Dabei spiegeln sich grundsätzlich steigende Preise auch in entsprechend angepassten Bruttolistenpreisen wieder, sodass insoweit eine regelmäßige Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse – Preissteigerungen – erfolgt.

Alles andere ließe sich im Übrigen auch nicht mit dem von der gesetzlichen Regelung verfolgten Vereinfachungszweck und den Anforderungen an das Massenverfahren vereinbaren.

Im Ergebnis hält sich der Gesetzgeber daher auch im Streitjahr 2009 durch ein Festhalten am Bruttoneuwagenlistenpreis noch im Rahmen seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1  Finanzgerichtsordnung.

3. Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 EStG). Soweit ersichtlich liegt noch keine Entscheidung des BFH zu der Frage des Anpassungszwangs des Gesetzgebers im Rahmen der 1%-Regelung vor. Der BFH könnte im Rahmen eines Revisionsverfahrens klarstellen, inwieweit seine Entscheidung zur Bewertung eines durch die günstige Überlassung eines Neuwagens an einen Arbeitnehmer gewährten Vorteils (Urteil vom 17. Juni 2009 – VI R 18/07, BStBl. II 2010, 67) Auswirkungen auf die Verpflichtung zur Anpassung der Bemessungsgrundlage „Bruttolistenpreis“ hat.