Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

Erweiterung der Organschaft auf EU-Kapitalgesellschaften

Erweiterung der Organschaft auf EU-Kapitalgesellschaften

Erfordernis des doppelten Inlandsbezugs

Die ertragsteuerliche Organschaft ist in Konzernen ein beliebtes „Gestaltungsmittel“, um Gewinne und Verluste von rechtlich selbstständigen Gesellschaften miteinander zu verrechnen. Voraussetzung hierfür ist u. a., dass die Muttergesellschaft (Organträger) die Mehrheit der Stimmrechte bei der Tochterkapitalgesellschaft (Organgesellschaft) innehat und dass zwischen beiden Unternehmen ein Gewinnabführungsvertrag über eine Mindestdauer von 5 Jahren abgeschlossen wird. Weitere Voraussetzung für die Anerkennung der Organschaft ist, dass die Organgesellschaft sowohl ihren Satzungssitz als auch ihre Geschäftsleitung im Inland hat (doppelter Inlandsbezug).

Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission

Im Rahmen eines sogenannten Vertragsverletzungsverfahrens hat die Europäische Kommission entschieden, dass dieser doppelte Inlandsbezug eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt und somit europarechtswidrig sei. Als Begründung führt sie an, dass EU-/EWR-Kapitalgesellschaften, die die Voraussetzung des doppelten Inlandsbezugs nicht erfüllen, gegenüber inländischen Kapitalgesellschaften, die sowohl Sitz als auch Geschäftsleitung im Inland haben, benachteiligt werden. Deutschland war damit aufgefordert, eine vertragskonforme Lösung zu finden.

Schreiben des BMF vom 28.3.2011

Nach dem Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) akzeptiert die Finanzverwaltung nunmehr auch im EU/EWR-Ausland gegründete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung in Deutschland als Organgesellschaften. Diese können zukünftig ihr Einkommen innerhalb einer steuerlichen Organschaft dem Organträger zurechnen, wenn auch die übrigen Voraussetzungen einer steuerlichen Organschaft erfüllt sind.

Konsequenzen

Das BMF-Schreiben ist zu begrüßen, wenn auch zeitnah eine gesetzliche Änderung der Vorschrift wünschenswert wäre. Zu beachten ist, dass zukünftig neben EU/EWR-Kapitalgesellschaften mit Geschäftsleitung in Deutschland wohl auch AGs oder GmbHs mit Sitz in Deutschland und Geschäftsleitung im Ausland als Organgesellschaften fungieren können. Die weiteren Voraussetzungen einer Organschaft (insbesondere Gewinnabführungsvertrag über 5 Jahre sowie Stimmrechtsmehrheit) sind selbstverständlich weiterhin zu beachten.

Ortbestimmung für sonstige Leistungen an JPdöR

Ortbestimmung für sonstige Leistungen an JPdöR

Einführung

Seit dem 1.1.2010 werden juristische Personen des öffentlichen Rechts (JPdöR, z. B. Gemeinden, Städte etc.), sofern ihnen eine USt-IDNr. zugeteilt wurde, für Zwecke der Ortsbestimmung von sonstigen Leistungen den Unternehmen gleichgestellt. Hierdurch können sich für die JPdöR Deklarationspflichten ergeben, insbesondere, wenn sie Dienstleistungen aus dem Ausland beziehen. Die Besteuerung hängt dabei von der Art der empfangenen Leistung, von der Verwendung der USt-IDNr. sowie davon ab, ob der Leistungsbezug für den unternehmerischen oder hoheitlichen Bereich erfolgt.

Neue Verwaltungsanweisung

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen hat zu dieser Thematik in 2010 ein ausführliches Merkblatt veröffentlicht. Es betrifft den Bezug von Leistungen durch JPdöR von Unternehmen, die im Ausland ansässig sind. Neben einer Darstellung der seit dem 1.1.2010 geltenden Rechtslage listet das Merkblatt 80 Fallvarianten und deren umsatzsteuerliche Erfassung auf. Nun wurde das Merkblatt inhaltlich überarbeitet und an die Gesetzesänderungen zum 1.1.2011 angepasst.

Konsequenz

JPdöR können das aktualisierte Merkblatt nutzen, um zu prüfen, ob und welche Konsequenzen sich ergeben, wenn sie Dienstleistungen aus dem Ausland beziehen. Allerdings setzt die Nutzung des Merkblattes voraus, dass die Art der beanspruchten Dienstleistung eindeutig bestimmbar ist. Dies klingt einfach, bereitet jedoch in der Praxis häufig erhebliche Probleme. Eine Fehlbeurteilung insoweit birgt Risiken, so dass im Zweifel steuerlicher Rat eingeholt werden sollte.

Änderung der Abgabefrist und des Meldezeitraums für die Abgabe der Zusammenfassenden Meldung seit dem 1. Juli 2010

An das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) werden vermehrt Anfragen von Unternehmern zu den geänderten Meldepflichten im Zusammenhang mit der Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (ZM) gerichtet. Es wird deshalb auf Folgendes hingewiesen:

Die ZM ist bis zum 25. Tag nach Ablauf des Meldezeitraums abzugeben. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Unternehmer vom zuständigen Finanzamt für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung eine Dauerfristverlängerung (§§ 46 bis 48 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung) gewährt wurde.

Meldezeitraum für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 Umsatzsteuergesetz (UStG)) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG ist im Regelfall der Kalendermonat (§ 18a UStG). Ausnahmsweise ist der Meldezeitraum das Kalendervierteljahr, soweit die Summe der Bemessungsgrundlagen für diese meldepflichtigen Umsätze weder für das laufende Kalendervierteljahr noch für eines der vier vorangegangenen Kalendervierteljahre jeweils mehr als 100.000 Euro (mit Wirkung nach dem 31. Dezember 2011: 50.000 Euro) beträgt.

Wird die o.g. Betragsgrenze im Laufe eines Kalendervierteljahres überschritten, hat der Unternehmer bis zum 25. Tag nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Betragsgrenze überschritten wird, eine ZM für diesen Kalendermonat und die bereits abgelaufenen Kalendermonate dieses Kalendervierteljahres zu übermitteln. Unabhängig von der o.g. Betragsgrenze hat der Unternehmer das Wahlrecht, die ZM monatlich zu übermitteln, sofern er dies dem BZSt anzeigt. Die Ausübung dieses Wahlrechts bindet den Unternehmer mindestens für die Dauer von 12 Kalendermonaten, darüber hinaus bis zum Zeitpunkt des Widerrufs.

Meldezeitraum für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ausgeführte steuerpflichtige sonstige Leistungen im Sinne von § 3a Abs. 2 UStG, für die der in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Leistungsempfänger die Steuer dort schuldet (innergemeinschaftliche sonstige Leistungen im Sinne des § 18a Absatz 2 Satz 1 UStG), ist das Kalendervierteljahr. Übermittelt der Unternehmer für innergemeinschaftliche Warenlieferungen (§ 18a Absatz 6 UStG) und Lieferungen im Sinne des § 25b Absatz 2 UStG eine monatliche ZM, hat er die Möglichkeit, in dieser ZM auch seine innergemeinschaftlichen sonstigen Leistungen anzugeben. Weitergehende Informationen enthält das BMF-Schreiben vom 15. Juni 2010 (BStBl I Seite 569).

Keine automatische Haftungsminderung der GbR-Gesellschafter bei Haftung nach Quote

Keine automatische Haftungsminderung der GbR-Gesellschafter bei Haftung nach Quote

Kernaussage

Bei der Vereinbarung einer quotalen Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vermindern Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen die Haftungssumme der Gesellschafter nicht automatisch. Erforderlich ist vielmehr eine vertragliche Vereinbarung über die anteilige Anrechnung der Erlöse. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell in 2 parallelen Verfahren.

Sachverhalt

In beiden Verfahren ging es um die Haftung von Gesellschaftern geschlossener Immobilienfonds in Form einer GbR. Diese erwirtschaftete jahrelang Verluste. Nachdem die finanzierende Bank, die Klägerin, die laufenden Kredite kündigte, wurden die beklagten Gesellschafter von dieser persönlich auf Rückzahlung in Anspruch genommen. In den Darlehensverträgen war vereinbart, dass die Gesellschafter entsprechend ihren Anteilen am Gesellschaftsvermögen persönlich haften (quotal). Die Fondsgrundstücke wurden im Rahmen der Zwangsversteigerung verwertet und der Nettoerlös an die Klägerin ausgekehrt. Zwischen den Parteien war streitig, ob und in welchem Umfang die Erlöse auf die persönliche Haftung der Gesellschafter anzurechnen sind.

Entscheidung

Geschlossene Immobilienfonds werden in einer Vielzahl von Fällen in der Rechtsform einer GbR betrieben. Dies bringt für den einzelnen Kapitalanleger ein kaum einzuschätzendes Haftungsrisiko mit sich, denn die Gesellschafter haften für Verbindlichkeiten der Gesellschaft als Gesamtschuldner (§§ 128 ff HGB analog). Deshalb wird regelmäßig eine Beschränkung der Haftung auf den dem Haftanteil des Gesellschafters an der Gesellschaft entsprechenden Betrag im Gesellschaftsvertrag statuiert. Eine solche Haftungsbeschränkung ist rechtlich möglich und Dritten gegenüber wirksam, wenn sie nach außen erkennbar ist. Banken, die Publikumsgesellschaften kreditieren, lassen sich regelmäßig den Gesellschaftsvertrag vorlegen. Sie müssen mit den Haftungsbeschränkungen zumindest rechnen. Die Frage des Umfangs der Haftung ist durch Vertragsauslegung im Einzelnen zu ermitteln, da die Vertragsparteien in der Gestaltung frei sind. Vorliegend haben die Verträge keine Anrechnung der Erlöse vorgesehen, so dass die Einnahmen aus den Grundstücksveräußerungen den Umfang der persönlichen Haftung der Gesellschafter nicht mindern.

Konsequenz

Die Entscheidung hat nicht nur Bedeutung für alle, die an Immobilienfonds in Form einer GbR als Gesellschafter beteiligt sind, sondern für jegliche GbR-Gesellschafter. Selbst wenn die Haftung gegenüber den Gläubigern insoweit auf eine quotale Haftung im Außenverhältnis beschränkt sein sollte, kann dies ein Vielfaches der Einlage ausmachen. Eine quotale Anrechnung der Verwertungserlöse des Gesellschaftsvermögens ist daher dringend mit aufzunehmen.

Geschenkgutscheine – demnächst umsatzsteuerpflichtig?

Geschenkgutscheine – demnächst umsatzsteuerpflichtig?

Kernaussage

Gutscheine, die auf einen bestimmten Nennbetrag lauten (z. B. 20 EUR), können bei dem ausstellenden Einzelhändler gegen eine beliebige Ware oder Dienstleistung eingetauscht werden. Hiervon abzugrenzen sind Warengutscheine, die nur gegen eine genau bezeichnete Leistung eingetauscht werden können.

Rechtslage

Bisher galt die Ausgabe von Nennwertgutscheinen in Deutschland als reiner Zahlungsmitteltausch und war daher umsatzsteuerlich ohne Relevanz. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat aber nun entschieden, dass die Aushändigung von Nennwertgutscheinen an Arbeitnehmer der Umsatzsteuer unterliegt, sofern diese im Gegenzug auf einen Teil ihrer Vergütung verzichten. Der Fall betraf einen Arbeitgeber aus dem Vereinigten Königreich, der die Gutscheine zu einem unter dem Nennwert liegenden Betrag erworben hatte.

Neue Verwaltungsanweisung

Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen weist darauf hin, dass derzeit noch nach der bisherigen Praxis verfahren werden kann, bis die Finanzverwaltung entscheidet, wie zukünftig Nennwertgutscheine zu behandeln sind.

Konsequenz

Zunächst lösen Nennwertgutscheine noch keine Umsatzsteuer aus. Dies wird aber voraussichtlich nicht so bleiben. Unternehmen, die solche Gutscheine in Umlauf bringen (z. B. Amazon) als auch solche, die diese einkaufen und an Dritte weitergeben, müssen daher die weitere Entwicklung beachten, um umsatzsteuerlichen Risiken zu entgehen.

Auskunftsrecht von GbR-Gesellschaftern über Mitgesellschafter bei KG-Beteiligung

Auskunftsrecht von GbR-Gesellschaftern über Mitgesellschafter bei KG-Beteiligung

Kernaussage

Der Anspruch auf Auskunft über die Namen und Anschriften der Mitgesellschafter in einer Publikumsgesellschaft in Form einer KG steht auch Anlegern zu, die als Treugeber über eine Treuhandkommanditistin beteiligt sind, wenn diese im Innenverhältnis eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts bilden.

Sachverhalt

Die Kläger haben sich mittelbar als Treugeber über die Beklagte als Treuhandkommanditistin neben einer Vielzahl weiterer Treugeber an Fondsgesellschaften beteiligt. Daneben sind einzelne Anleger unmittelbar als Kommanditisten an den Fonds beteiligt. Die Beklagte verwaltet sämtliche Beteiligungen auf Grundlage eines mit dem jeweiligen Anleger geschlossenen Treuhand- und Verwaltungsvertrages. Nach dem Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaften erfolgt die Geschäftsführung ausschließlich durch die geschäftsführende Kommanditistin, die bis 2008 jährlich eine Tätigkeitsvergütung zwischen 2,635 % und 0,95 % des jeweiligen Fondskapitals erhielt. Die Kläger erachteten die Vergütung als überhöht und forderten über die Beklagte die Rückzahlung. Zur Vorbereitung der Abstimmung der Anleger verlangten sie von der Beklagten die Herausgabe einer vollständigen Liste mit Namen und Anschriften sämtlicher Treugeber der Fonds. Die Beklagte widersprach dem Auskunftsbegehren.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) gab der Klage schließlich statt. Die Auslegung des von den Anlegern mit der Beklagten abgeschlossenen Treuhand- und Verwaltungsvertrages ergibt, dass zwischen ihnen eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts besteht. Ein Anspruch auf Auskunft ergibt sich daher aus dem Gesetz (§ 716 Abs. 1 BGB) sowie aus dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Vertragsverhältnis als solchem. Im vorliegenden Zusammenhang ist maßgeblich, ob und wie die Treugeber ihr Innenverhältnis zueinander rechtlich gestaltet haben. Die Auskunftspflicht ist auch nicht dadurch beschränkt, dass für die begehrte Auskunft ein besonderer Anlass bestehen muss. Der Auskunftsanspruch ist nur durch das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung (§242 BGB) und das Schikaneverbot (§ 226 BGB) begrenzt.

Konsequenz

Nach dieser Entscheidung können Rechte von Anlegern effektiver durchgesetzt werden. In der Praxis werden bei Publikumsgesellschaften durch die Einführung eines Mindestquorums bei gleichzeitiger Geheimhaltung der Namen der Gesellschafter die Rechte der einzelnen Anleger regelmäßig beschnitten, da es diesen nicht möglich ist, Gesellschafterversammlungen einzuberufen.

Arbeitnehmer dürfen Arbeitgeber bei Beleidigung zurechtweisen

Arbeitnehmer dürfen Arbeitgeber bei Beleidigung zurechtweisen

Rechtslage

Wenn zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein handfester Streit entsteht, in dem auch beleidigende Worte fallen, stellt sich die Frage, ob eine (außer)ordentliche Kündigung möglich ist, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber beleidigt. Das Landesarbeitsgericht Köln hatte in einer solchen Gemengelage, bei der aber auch der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beleidigt hatte, über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung zu entscheiden.

Sachverhalt

Der beklagte Arbeitgeber hatte über mehrere Monate Lohnpfändungen des Klägers einbehalten, ohne diese an den Gläubiger abzuführen. Nachdem die Ehefrau des Klägers dies bei der Steuerberaterin des Arbeitgebers reklamiert hatte, kam es zwischen dem Kläger und dem Junior-Chef zum Streit, wobei die Einzelheiten streitig waren. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis wegen dieses Vorfalls fristlos, hilfsweise fristgerecht. Zur Begründung machte er geltend, dass der Junior-Chef lediglich die Einschätzung der Steuerberaterin, die Ehefrau des Klägers habe sich ihr gegenüber asozial verhalten, wiedergegeben habe. Sodann sei der Kläger auf den Junior-Chef zugegangen und habe gesagt: „Pass auf, was Du sagst, Junge“. Hierin liege nicht nur eine Drohung, sondern auch eine Abwertung der Person des Junior-Chefs. Der klagende Arbeitnehmer bestritt diese Vorwürfe und bekam vor Gericht dem Grunde nach Recht (die Kündigungsschutzklage verlor er, weil das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar war).

Entscheidung

Es bestand kein hinreichender Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Denn egal in welcher Weise der Junior-Chef die Ehefrau des Klägers als asozial bezeichnet habe, sei – so das Gericht – damit eine Beleidigung erfolgt, gegen die sich der Kläger zur Wehr setzen durfte. Darüber hinaus habe sich der Junior-Chef selber pflichtwidrig verhalten, in dem er diese Beleidigung widergegeben habe. Insoweit könne er sich nicht auf einen Ansehensverlust berufen.

Konsequenz

Die Entscheidung macht deutlich, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichberechtigte Partner des Arbeitsverhältnisses sind. Löst ein Arbeitgeber das Fehlverhalten des Arbeitnehmers aus, kann er hieraus jedenfalls keine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Eine in diesen Fällen ausgesprochene Beleidigung muss der Arbeitgeber hinnehmen.

Keine Benachteiligung bei Bewerbung nach erfolgter Stellenbesetzung

Keine Benachteiligung bei Bewerbung nach erfolgter Stellenbesetzung

Rechtslage

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) haben abgelehnte Bewerber einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber, wenn sie aufgrund eines diskriminierenden Auswahlverfahrens bzw. einer diskriminierenden Einstellungsentscheidung nicht eingestellt worden sind. Das Landesarbeitsgericht Köln hat nunmehr (nochmals) bestätigt, dass es Voraussetzung für diesen Schadensersatzanspruch ist, dass die Einstellungsentscheidung bei Eingang der Bewerbung des vermeintlich diskriminierten Bewerbers noch nicht gefallen war.

Sachverhalt

Der Kläger hatte sich auf eine Stellenanzeige als „Hausaufgabenbetreuung“ beworben, die unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz alleine auf weibliche Kräfte ausgerichtet war. Auf Nachfrage wurde ihm durch die beklagte Arbeitgeberin mitgeteilt, dass die Stelle bereits vergeben sei. Ungeachtet dessen klagte er auf Schadensersatz wegen Benachteiligung aufgrund des Geschlechts, wobei die Arbeitgeberin im Prozess nachweisen konnte, dass die Stellenanzeige bereits vor Eingang der Bewerbung des Klägers zurückgezogen worden war. Der Kläger unterlag in allen Instanzen.

Entscheidung

Unabhängig von der Frage, ob eine Diskriminierung im konkreten Fall vorlag, setzt eine Benachteiligung zunächst voraus, dass die Bewerbung im Zeitpunkt der Besetzungsentscheidung bereits vorliegt. Denn ist eine Stelle bereits besetzt, können alle späteren Bewerber nicht mehr berücksichtigt werden. Jede Person, die sich verspätete beworben hätte, hätte daher diese Ablehnung erfahren, so dass eine Benachteiligung nicht vorliegen kann.

Konsequenz

Die Entscheidung überrascht nicht. Sie korrespondiert mit einem parallelen Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Erstaunlicherweise hat das Landesarbeitsgericht Köln aber zusätzlich noch in seiner Entscheidung ausgeführt, dass ein Schadensersatzanspruch denkbar gewesen wäre, wenn der Kläger hätte beweisen können, dass die Einstellungsentscheidung noch hätte revidiert werden können.

Kirche kann Arbeitnehmer wegen Mitgliedschaft in anderer Religionsgemeinschaft kündigen

Kirche kann Arbeitnehmer wegen Mitgliedschaft in anderer Religionsgemeinschaft kündigen

Rechtslage

Das deutsche Arbeitsrecht ermöglicht es sogenannten Tendenzbetrieben (das sind insbesondere die Kirchen und Religionsgemeinschaften in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber), sich eigene Richtlinien zu geben, die für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer Gesetzescharakter erlangen. Regelmäßig sehen diese Richtlinien (vereinfachte) Kündigungsmöglichkeiten für den Fall vor, dass der Arbeitnehmer einer anderen Religionsgemeinschaft angehört bzw. sich illoyal zum Arbeitgeber verhält. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte nunmehr über die Zulässigkeit dieser Privilegien für Tendenzbetriebe zu entscheiden.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin war seit 1997 als Erzieherin in einer evangelischen Kindertagesstätte tätig. Nach dem Arbeitsvertrag waren auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsrechtsregelungen für Mitarbeiter der evangelischen Landeskirche anwendbar. Diese enthalten auch eine Bestimmung, wonach die Mitarbeiter zur Loyalität gegenüber der evangelischen Kirche verpflichtet sind und ihnen eine Mitgliedschaft oder Mitarbeit in Organisationen untersagt ist, deren Grundauffassung oder Tätigkeit im Widerspruch zum Auftrag der Kirche stehen. 1998 wurde der Arbeitgeber anonym über die Mitgliedschaft der Beschwerdeführerin in einer anderen Religionsgemeinschaft, der „Universalen Kirche/Bruderschaft der Menschheit“ informiert sowie darüber, dass die Arbeitnehmerin für diese Gemeinschaft Einführungskurse in deren Lehre anbot. Nach Befragung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Nach erfolgloser Klage vor den deutschen Arbeitsgerichten, rief die Arbeitnehmerin den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte an und unterlag auch dort.

Entscheidung

Die Arbeitnehmerin sei nicht in ihrer Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit verletzt. Die arbeitsrechtlichen Regelungen, die in Deutschland Tendenzbetriebe privilegieren, indem sie ihnen insbesondere Kündigungen erleichtern, seien mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. Dies jedenfalls dann, wenn die staatlichen Kontrollmechanismen einen ausreichenden Schutz gewährten und die nationalen Arbeitsgerichte alle Aspekte des Falls gewürdigt hätten. Im konkreten Fall komme die Kündigung einer notwendigen Maßnahme gleich, um die Glaubwürdigkeit der Kirche zu wahren.

Konsequenz

Mit der Entscheidung sind die arbeitsrechtlichen Grundsätze in Deutschland, die Tendenzbetriebe schützen, im Kern bestätigt worden; jedenfalls so lange die Rechtsfolgen im Einzelfall angemessen bleiben.

Steuerfreiheit des Stipendiums einer gemeinnützigen EU-/EWR-Institution

Steuerfreiheit des Stipendiums einer gemeinnützigen EU-/EWR-Institution

Kernfrage

Nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes sind Stipendien, die u. a. von inländischen gemeinnützigen Organisationen vergeben werden, von der Einkommensteuer beim Empfänger befreit (§ 3 Nr. 44 EStG). Fraglich ist, ob die Befreiung auch für von einer gemeinnützigen EU-Organisation vergebene Stipendien gilt.

Sachverhalt

Eine deutsche Ärztin hatte von einer französischen Stiftung, die in Deutschland weder beschränkt noch unbeschränkt steuerpflichtig war, ein Stipendium erhalten. Insoweit begehrte sie die Steuerfreiheit der Stipendiumszahlungen nach § 3 Nr. 44 EStG. Das beklagte Finanzamt lehnte dies mit Hinweis auf die fehlende inländische Steuerpflicht der französischen Stiftung ab. Die Klägerin obsiegte schließlich vor dem Bundesfinanzhof (BFH).

Entscheidung

Der BFH folgt der Auffassung der klagenden Ärztin. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kann § 3 Nr. 44 EStG nur so ausgelegt werden, dass auch Stipendien einer gemeinnützigen EU-Organisation ohne inländische Einkünfte steuerfrei sind. Voraussetzung ist der Nachweis, dass die deutschen Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Anderenfalls kommt es zu einer Ungleichbehandlung, die der Kapitalverkehrsfreiheit zuwiderläuft.

Konsequenz

Wieder einmal musste ein Steuerpflichtiger bis zum BFH ziehen, ehe die Finanzverwaltung in ihre Schranken gewiesen wurde. Ungleichbehandlungen innerhalb Europas werden also spätestens vor der Gerichtsbarkeit nicht mehr geduldet.