Archiv der Kategorie: Unternehmer und Freiberufler

Unzulässige Doppelbelastung aus Grunderwerb- und Umsatzsteuer für Empfänger von Bauerrichtungsleistungen

„Einheitlicher Leistungsgegenstand“ erneut auf dem Prüfstand

Die Kläger – ein junges Bauherren-Ehepaar – klagen gegen die vom Finanzamt festgesetzte Grunderwerbsteuer. Mit ihren Klagen hatten sie jetzt Erfolg. Die angefochtenen Grunderwerbsteuer-Festsetzungen wurden um insgesamt mehr als dreitausend Euro herabgesetzt (Az. 7 K 192/09 und 7 K 193/09).

Die Kläger hatten im Jahr 2005 ein unbebautes Grundstück erworben. Zwei Wochen nach dem notariellen Grundstücksübertragungsvertrag schlossen sie mit einem Bauunternehmen einen Bauvertrag über eine Doppelhaushälfte, in dem der Bauträger Umsatzsteuer auswies, die die Kläger als Endverbraucher jedoch nicht als Vorsteuer in Abzug bringen konnten. Das Finanzamt legte als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht nur den Kaufpreis für das unbebaute Grundstück, sondern auch die Bausumme für das herzustellende Gebäude zugrunde. Hiergegen wandten sich die Kläger.

Der konsentierte Einzelrichter des 7. Senats des Niedersächsischen Finanzgerichts (NFG) gab dem Klagebegehren statt. Die Aufwendungen aus einem Bauerrichtungsvertrag (zivilrechtlich: Werkvertrag), der im Zusammenhang mit dem Erwerb eines unbebauten Grundstücks abgeschlossen werde und der für den Bauherrn eine Umsatzsteuerbelastung auslöse, unterlägen nicht der Grunderwerbsteuer. Insofern seien die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes nicht erfüllt, denn die Vorschrift verlange ein Rechtsgeschäft, das den „Anspruch auf Übereignung“ begründe. Diese Maßgabe erfülle ein Bauerrichtungsvertrag nicht. Entsprechend sei Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer lediglich der Kaufpreis für das unbebaute Grundstück.

Das NFG folgt damit der Rechtsprechung der für Umsatzsteuer zuständigen Senate des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der die Verschaffung eines Grundstücks in einem Zustand, den dieses erst künftig durch Bebauung erhalten soll, nicht wie der Erwerb eines bebauten Grundstücks durch einen einheitlichen Erwerbsvertrag erfüllt werden kann (Hinweis auf BFH-Urteil vom 10.9.1992 – V R 99/88, BStBl. II 1993, S. 316). Im Gegensatz dazu fasst der für Grunderwerbsteuer zuständige Senat des BFH regelmäßig die noch auszuführenden Bauleistungen mit Lieferungen von unbebauten Grundstücken zu „einheitlichen Leistungsgegenständen“ zusammen (z.B. BFH-Urteil vom 27.10. 1999 – II R 17/99, BStBl. II 2000, S. 34). Auf diese Rechtsprechung hatte sich das Finanzamt gestützt.

Das NFG hat die Revision mit der Anregung zugelassen wegen der divergierenden Rechtsprechung innerhalb des BFH den Großen Senat des BFH anzurufen.

Revision:

Der BFH hat die Entscheidung des Nds. Finanzgerichts mit Urteil vom 27.09.2012 – II R 7/12 – aufgehoben und damit im Ergebnis die Rechtsauffassung des beklagten Finanzamts bestätigt. Die Kläger haben gegen dieses Urteil des BFH Verfassungsbeschwerde erhoben, die unter dem Az. 1 BvR 2766/12 beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist.

Die vollständige Entscheidung können Sie auf der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz finden.

Änderung des Steuerrechts muss im Vermittlungsausschuss nachverhandelt werden

Der Bundesrat hat das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz, das unter anderem Rechtsänderungen zur Anpassung des Steuerrechts enthält, in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Die Länder bemängeln, dass in dem Gesetz wichtige Regelungen zur Verhinderung von ungewollten Steuergestaltungen fehlen, zum Beispiel im Zusammenhang mit hybriden Finanzierungen und den so genannten Cash-GmbHs bei der Erbschaftsteuer. Im Ergebnis sei das Gesetz daher so zu fassen, wie es der Vermittlungsausschuss – ohne die Vorschläge zur steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften – bereits am 12. Dezember 2012 vorgeschlagen hatte.

Das Gesetz enthält zahlreiche Rechtsänderungen, die das deutsche Steuerrecht insbesondere an Recht und Rechtsprechung der Europäischen Union anpassen sollen. Weitere Maßnahmen dienen der Sicherung des Steueraufkommens oder der Funktionsfähigkeit des Besteuerungsverfahrens. Es handelt sich um eine „abgespeckte“ Version des Jahressteuergesetzes 2013, dem der Bundesrat am 1. Februar des Jahres die erforderliche Zustimmung verweigerte. Zuvor hatte der Bundestag den vom Vermittlungsausschuss vorgelegten Einigungsvorschlag abgelehnt.

Das Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz – AmtshilfeRLUmsG) finden Sie auf den Seiten des Bundesrats.

Quelle: Bundesrat, Pressemitteilung vom 22.03.2013

Kindergeld

Kindergeld

Ist die Kindergeldzahlung befristet, setzt die Fortzahlung des Kindergeldes einen Antrag des Kindergeldberechtigten voraus.
Stimmt die Kindesmutter dem Antrag des Kindesvaters auf Zahlung des Kindesgeldes an diesen zu, hat sie selbst keinen Kindergeldanspruch mehr.

Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt – BFH-Az.: III B 117/12

Niedersächsisches Finanzgericht 8. Senat, Urteil vom 03.07.2012, 8 K 121/11

§ 170 Abs 2 Nr 1 AO, § 64 EStG

-> Steuerlexikon Kindergeld

Tatbestand

1
Streitig ist, ob die Klägerin für ihren Sohn A., geb. am 10.3.1980, für die Zeit vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für ihren Sohn B. geb. am 23.6.1982, für die Zeit vom 1.8.2003 bis Mai 2011 Kindergeld beanspruchen kann.

2
Die Klägerin war bis zum 31.7.2003 als Lehrerin im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen beschäftigt. Auf einen Kindergeldantrag der Klägerin setzte die Familienkasse mit Bescheid vom 19.4.2000 das Kindergeld für B. weiterhin bis zum 30.6.2003 und mit Bescheid vom 4.4.2001 für A. vom 1.7.2000 bis zum 30.9.2004 fest.

3
Am 22.12.2010 ging bei der Oberfinanzdirektion Niedersachsen ein Schreiben der Steuerberater der Klägerin vom 21.12.2010 ein, mit der die Klägerin Kindergeld für die Zeit ab August 2003 für ihre Söhne B. und A. nebst 1.727,88 € Zinsen forderte. Sie trug vor, dass bei ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst die Kindergeldakte an sich an die Agentur für Arbeit hätte weitergeleitet werden müssen. Die Agentur für Arbeit hätte das Kindergeld weiter zu zahlen gehabt. Ein neuer Kindergeldantrag habe von ihr nicht gestellt werden müssen, denn der ursprüngliche Kindergeldantrag, mit dem auch die Berechtigtenbestimmung getroffen worden sei, gelte fort. Soweit die Klägerin bei dem Kindergeldantrag des Ehemannes zugestimmt habe, dass das Kindergeld an den Ehemann ausgezahlt werde, handele es sich um keine wirksame Berechtigtenbestimmung, da dazu erforderlich gewesen wäre, dass die Familienkasse die an sie gerichteten Bescheide aufgehoben hätte. Eine Verjährung der Kindergeldansprüche sei nicht eingetreten, da nicht rückwirkend erstmals Kindergeld festgesetzt werde. Dies wäre nur der Fall, wenn von einem Neuantrag ausgegangen werde. Falls Zahlungsverjährung eingetreten sein sollte, werde Schadensersatz geltend gemacht.

4
Die Oberfinanzdirektion Niedersachsen, die die Kindergeldakte der Klägerin vernichtet hat, leitete das Schreiben vom 21.12.2010 an die Beklagte weiter. Mit Bescheid vom 10.1.2011 lehnte die Beklagte die rückwirkende Gewährung von Kindergeld ab, weil Kindergeldansprüche vor 2007 verjährt seien. Die Klägerin legte Einspruch ein. Sie trug vor, dass die Familienkasse nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst für die Zahlung des Kindergeldes zuständig geworden sei. Da das Kindergeld nicht an sie ausgezahlt worden sei, sei ihr Antrag begründet. Die zwischenzeitliche Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann ändere daran nichts, denn allenfalls könne die Zahlung des Kindergeldes an den Ehemann rechtswidrig sein.

5
Mit Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Beklagte wies darauf hin, dass für Zeiträume bis 2004 Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Ab Januar 2005 sei das Kindergeld für den Ehemann der Klägerin festgesetzt und gezahlt worden.

6
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Klägerin hält im Wesentlichen an dem Vorbringen des Vorverfahrens fest und weist nochmals darauf hin, dass ihrer Auffassung nach kein neuer Kindergeldantrag erforderlich gewesen sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie einen befristeten Kindergeldantrag gestellt habe. Für die Zeit nach dem 30.6.2003 für B. und nach dem 30.9.2004 für A. sei ihr Kindergeldantrag noch nicht von der Beklagten beschieden worden.

7
Die Klägerin beantragt,

8
den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 10.1.2011 und den Einspruchsbescheid vom 4.5.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten Kindergeld für A. vom 1.8.2003 bis zum 30.9.2005 und für B. vom 1.8.2003 bis laufend zu zahlen.

9
Die Beklagte beantragt,

10
die Klage abzuweisen.

11
Die Beklagte weist darauf hin, dass für beide Kinder das Kindergeld befristet für die Klägerin festgesetzt worden sei. Sie trägt vor, dass Kindergeldansprüche vor 2006 verjährt seien. Im Übrigen sei das Kindergeld für A. von Januar bis April 2005 und für B. ab Januar 2005 bis laufend an den Ehemann der Klägerin gezahlt worden.

12
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die Kindergeldakten der Klägerin und ihres Ehemannes.

 

Entscheidungsgründe

13
Die Klage ist nicht begründet.

14
Die Beklagte hat zu Recht die Kindergeldfestsetzungen für die Söhne A. und B. für die Klägerin für die Zeit ab August 2003 für A. und für die Zeit ab Juli 2004 für B. und die Auszahlung für die geltend gemachten Zeiträume abgelehnt, denn die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 70 Einkommensteuergesetz (EStG) auf die Festsetzung von Kindergeld für ihre Söhne A. und B. für diesen Zeitraum.

15
Aus den Bescheiden der Familienkasse vom 19.4.2000 für B. und vom 4.4.2001 für A. ergibt sich in aller Deutlichkeit, dass die Familienkasse das Kindergeld für B. befristet bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres von B. und für A. bis über dessen 24. Lebensjahr hinaus befristet festgesetzt hat. In beiden Bescheiden ist festgelegt, dass Schul- und Studienbescheinigungen vorzulegen sind. Damit waren die ursprünglichen Kindergeldanträge der Klägerin beschieden. Wenn die Klägerin mit diesen Bescheiden nicht einverstanden gewesen wäre, hätte sie dagegen ggf. Einspruch einlegen müssen. Durch die Befristung der Kindergeldfestsetzungen waren die Kindergeldansprüche für die Zeit nach Ablauf der Befristung nicht abgelehnt. Die Klägerin hätte innerhalb der Festsetzungsfrist neue Kindergeldanträge stellen müssen. Dass die Klägerin innerhalb der Festsetzungsfrist Kindergeldanträge gestellt hat, die für B. die Zeit nach dem 30.6.2003 und für A. die Zeit nach dem 30.9.2004 betrafen, hat die Klägerin selbst nicht einmal behauptet und weder Abschriften von Kindergeldanträgen noch etwaigen weiteren Bescheiden vorgelegt. Da infolge des Ausscheidens der Klägerin aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 die Kindergeldakten vernichtet worden sind, kann der Senat auch nicht auf andere Weise feststellen, dass die Klägerin weitere Anträge gestellt bzw. weitere Bescheide erhalten hat. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin insoweit bis Dezember 2010 nichts unternommen, insbesondere die Nichtzahlung des Kindergeldes an sie nicht gerügt hat, geht der Senat vielmehr davon aus, dass die Klägerin sich nach ihrem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 2003 nicht mehr an die Familienkasse gewandt hat.

16
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 Kindergeld beantragt hat, ist dieser Antrag unbegründet. Bei den Kindergeldfestsetzungen handelt es sich um Steuervergütungen, die nach § 169 Abs. Nr. 2 Abgabenordnung (AO) nach 4 Jahren verjähren. Die Festsetzungsfrist begann nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem der jeweilige Vergütungsanspruch entstanden ist. Danach hat die Beklagte mit Recht darauf hingewiesen, dass für Kindergeldansprüche vor 2006 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

17
Auch für die Zeit ab 2006 hat die Klägerin keinen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für B., denn sie hat der Auszahlung des Kindergeldes an ihren Ehemann zugestimmt. Nach § 64 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) wird das Kindergeld nur einem Berechtigten gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld, wenn das Kind in den Haushalt aufgenommen ist, gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG demjenigen gezahlt, den die Berechtigten untereinander bestimmt haben. Dies war, wie aus der Kindergeldakte des Ehemannes der Klägerin folgt, der Ehemann der Klägerin, denn am 11.9.2009 hat die Klägerin sich gegenüber der Familienkasse damit einverstanden erklärt, dass das Kindergeld an den Antragsteller, vorliegend also ihren Ehemann und Kindesvater, ausgezahlt wird. Tatsächlich hat die Familienkasse das Kindergeld ab Januar 2005 bis April 2005 für A. mit Bescheid vom 22.10.2010 an den Ehemann der Klägerin und ab Januar 2005 bis laufend für B. mit Bescheid vom 28.9.2009 an den Ehemann Kläger festgesetzt. Danach steht der Klägerin aber das Kindergeld für die Kinder A. und B. weder für die sich aus dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 ergebenden Zeiträume noch für B. für die Zeit ab Januar 2011 zu, denn mit dem Schreiben ihrer Steuerberater vom 21.12.2010 hat die Klägerin nicht etwa die Berechtigtenbestimmung widerrufen, sondern lediglich geltend gemacht, dass ihr das Kindergeld aufgrund der Bewilligungen vor 2005 weiter zu gewähren ist. Dies hat auch der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht.

18
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass ihr das Kindergeld nur bis Juli 2003 für A. gezahlt worden sei, ist dieser Vortrag im vorliegenden Verfahren wegen Kindergeldfestsetzung unerheblich. Unstimmigkeiten der Kindergeldauszahlung wären ggf. im Wege eines Abrechnungsbescheides (§ 218 Abs. 2 AO) zu klären. Insoweit weist der Senat darauf hin, dass allerdings Zahlungsverjährung (§ 228 AO) eingetreten sein dürfte.

19
Danach konnte die Klage keinen Erfolg haben und war abzuweisen.

20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

21
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da nach Auffassung des Senats die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

Grunderwerbsteuer Anteilsvereinigung, Rückgängigmachung, Nichtbeachtung bestimmter Anzeigepflichten

Grunderwerbsteuer
Anteilsvereinigung, Rückgängigmachung, Nichtbeachtung bestimmter Anzeigepflichten

Die anteilsvereinigende Übertragung eines Geschäftsanteils an einer grundbesitzenden GmbH kann auch dann mit Grunderwerbsteuer belastet bleiben, wenn sich bei der Rückgängigmachung herausstellen sollte, dass bestimmte Anzeigepflichten nicht beachtet worden sind.

Niedersächsisches Finanzgericht 7. Senat, Urteil vom 12.12.2012, 7 K 122/09

§ 1 Abs 3 Nr 1 GrEStG, § 16 Abs 2 Nr 1 GrEStG, § 16 Abs 5 GrEStG

Tatbestand

1
Streitig ist, ob durch die Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils beim Erwerber eine grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung vorliegt und ob diese gegebenenfalls unter Beachtung bestimmter Anzeigepflichten wieder rückgängig gemacht worden ist, so dass die festgesetzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 73.780 Euro nachträglich entfällt.

2
Der Kläger und sein einziger Mitgesellschafter O., zwei Niederländer, gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom 3. Dezember 2001 eine Geflügelzucht GmbH (nachfolgend G-GmbH) mit Sitz in Deutschland. Gegenstand des Unternehmens waren nach § 2 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags Geflügelzucht und Mast zur Hähnchenfleischproduktion, die Errichtung und der Handel mit entsprechenden Produktionsstätten sowie alle Tätigkeiten, die hiermit in Verbindung stehen. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug 50.000 Euro, es wurde vom Kläger und dem Gesellschafter O. jeweils in Höhe von 25.000 Euro „übernommen und eingebracht“ (so § 3 des Gesellschaftsvertrages). Die G-GmbH erwarb mit Vertrag vom 31. Januar 2004 Grundbesitz (vgl. Akte des beklagten Finanzamts mit der Bezeichnung „Verträge“ und der weiteren Kennzeichnung „200/32222“).

3
Laut notariellem Vertrag vom 28. Dezember 2005 übertrug O. seinen GmbH-Geschäftsanteil an die G-GmbH durch Abtretung. Die G-GmbH nahm die Abtretung an, so dass danach der Kläger (mittelbar) Alleingesellschafter der G-GmbH geworden war und er, der Kläger, und die G-GmbH je 25.000 Euro der Geschäftsanteile hielten. Zudem heißt es – ähnlich wie in den Jahresabschlüssen seit 2003 – in dem Vertrag: „Die Geschäftsanteile sind voll eingezahlt“. Der beurkundende Notar übersandte die Vertragsurkunde vom 28. Dezember 2005 an das beklagte Finanzamt mit einem bei diesem am 30. Dezember 2005 eingegangenen Kurzbrief. Auf diesem Schreiben, das in der Grunderwerbsteuerakte des beklagten Finanzamts abgeheftet ist, befinden sich folgende Vermerke des beklagten Finanzamts: „200/32222, Kopie für Dp. 400/Verkauf von GmbH-Anteilen/Grundbesitz vorhanden/15.8.06/Sch“.

4
Das beklagte Finanzamt gab unter dem Datum vom 20. November 2007 einen „Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts zum Besteuerungszeitpunkt 28.12.2005“ heraus und stellte – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – den Betriebsgrundstückswert der G-GmbH auf 2.108.000 Euro fest. Darauf aufbauend setzte das beklagte Finanzamt Grunderwerbsteuer gegenüber dem Kläger wegen Anteilsvereinigung nach § 1 Absatz 3 Nr. 1 GrEStG mit Bescheid vom 22. November 2007 in Höhe von 73.780 Euro fest (= 3,5 % von 2.108.000 Euro). Nachdem der Kläger gegen diesen Bescheid Einspruch eingelegt hatte, wurde am 14. Dezember 2007 ein Vertrag über die Aufhebung eines Abtretungsvertrages von Geschäftsanteilen an der G-GmbH sowie zwei neue Abtretungsverträge in einem Schriftstück vom Kläger, von der Ehefrau des Klägers und von O. unterschrieben; in Teil I des Schriftstücks werden Ausführungen zur Aufhebung des Vertrages vom 28. Dezember 2005 gemacht, in den Teilen II bis VI geht es insbesondere um die Verteilung der Geschäftsanteile der G-GmbH auf den Kläger (25.000 Euro), auf die G-GmbH selbst (20.000 Euro) und auf die Ehefrau des Klägers (5.000 Euro). Der beurkundende Notar übersandte die Vertragsurkunde vom 14. Dezember 2007 an das beklagte Finanzamt mit einem bei diesem am 19. Dezember 2007 eingegangenen Kurzbrief mit dem Zusatz „gemäß § 54 EStDV“. Auf diesem Schreiben, das in der Grunderwerbsteuerakte des beklagten Finanzamts abgeheftet ist, befinden sich folgende Vermerke des beklagten Finanzamts: „Kopie für 381, 200/32222, Dp. 241 z.K. Mü 27. Dez. 2007“.

5
Mit Schreiben vom 14. Februar 2008 teilte der beurkundende Notar dem beklagten Finanzamt mit, dass er erst jetzt erfahren habe, „dass zum Gesellschaftsvermögen Grundvermögen gehört“ und schickte gleichzeitig Kopien der Verträge vom 28. Dezember 2005 und vom 14. Dezember 2007 sowie eine Kopie des Blattes 889 aus dem Grundbuch von D. „wegen § 18 ff. GrEStG“.

6
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, das mit dem Einspruchsbescheid vom 6. März 2009 endete, und zu Recht den vorher geltend gemachten gegenläufigen Anspruch aus § 16 GrEStG berücksichtigte (zur verfahrensrechtlichen Problematik: Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, § 16 Anm. 76, 4. Auflage 2010), erhebt der Kläger Klage und trägt im Wesentlichen Folgendes vor:

7
Der Erwerb der Anteile von dem Gesellschafter O. durch die G-GmbH sei nichtig, schon deshalb könne Grunderwerbsteuer nicht ausgelöst worden sein. Im Rahmen des § 33 Absatz 1 GmbHG komme es im Hinblick auf die Frage, ob die Einlage objektiv in voller Höhe eingezahlt gewesen sei, nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Rechtlich unerheblich sei es dagegen, was der Kläger und der andere Gesellschafter O. in den Jahresabschlüssen seit 2003 bzw. im notariellen Vertrag vom 28. Dezember 2005 bestätigt hätten. Ebenso unerheblich sei es, ob die Gesellschafter selbst von einer wirksamen Anteilsübertragung ausgegangen seien. Vielmehr sei – unter Hinweis auf bestimmte Einzahlungsbelege – Fakt, dass die Einlage auf den Geschäftsanteil nicht vollständig geleistet gewesen sei, so dass der Erwerb des eigenen Geschäftsanteils nicht wirksam sei. Im Übrigen habe der Erwerb der Anteile von dem Gesellschafter O. durch die G-GmbH gegen die Vorschrift des § 33 Absatz 2 GmbHG verstoßen, denn die Gesellschaft habe über das Stammkapital hinaus nicht über das erforderliche Eigenkapital verfügt, um daraus die Anteile des Gesellschafters O. bezahlen zu können. Außerdem sei die Anteilsvereinigung mit Vertrag vom 14. Dezember 2007 rückgängig gemacht und ordnungsgemäß angezeigt worden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. April 2012 (II R 51/11) komme es nur darauf an, ob die einschlägigen Verträge innerhalb der in § 18 Absatz 3 GrEStG genannten Frist dem nach § 18 Absatz 5 GrEStG für die Besteuerung zuständigen Finanzamt angezeigt wurden. Der beurkundende Notar habe den Vertrag vom 28. Dezember 2005, nach dem der Kläger (mittelbar) alleiniger Gesellschafter der G-GmbH wurde, fünf Tage nach Beurkundung dem beklagten Finanzamt übersandt. Da es nach der genannten Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht erforderlich sei, dass die Anzeige grundstücksbezogene Angaben enthalte, sei damit dem Anzeigeerfordernis nach § 18 GrEStG Genüge getan. Auf weitere formale Anforderungen komme es nicht mehr an. Dem beklagten Finanzamt sei auch bekannt gewesen, dass die G-GmbH über Grundbesitz verfügte. Dies ergäbe sich einerseits aus den beim beklagten Finanzamt eingereichten Bilanzen und andererseits aus diversen Einspruchsverfahren wegen Grunderwerbsteuer, die seit dem Jahr 2004 mit dem beklagten Finanzamt in anderen Angelegenheiten geführt worden seien.

 

8
Der Kläger beantragt,

9
den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.

10
Das beklagte Finanzamt beantragt,

11
die Klage abzuweisen.

12
Es meint, der Argumentation des Klägers, dass der Erwerb der Anteile gegen § 33 Absatz 1 GmbHG verstoße und damit nichtig sei, könne nicht gefolgt werden. Denn der Kläger und der Gesellschafter O. hätten in den Jahresabschlüssen seit 2003 durch Unterschrift bestätigt, dass das Stammkapital der Gesellschaft in voller Höhe eingebracht worden sei. Ferner habe der Gesellschafter O. in dem notariellen Vertrag vom 28. Dezember 2005 ausdrücklich bestätigt, dass der Geschäftsanteil an der G-GmbH voll eingezahlt sei. Der Kläger und der Gesellschafter O. seien selbst von einer wirksamen Anteilsübertragung im Jahre 2005 ausgegangen, ansonsten hätten sie die Aufhebung des Vertrags aus 2005 im Jahre 2007 nicht vertraglich vereinbart. Der Kläger könne nicht mit dem Argument durchdringen, dass alle bisherigen Angaben nicht zutreffend gewesen seien. Im Übrigen erfasse der von der Klägerseite behauptete Verstoß gegen § 33 Absatz 2 GmbHG nur das schuldrechtliche, nicht das hier maßgebliche dingliche Geschäft. Daneben sei auch nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. April 2012 (II R 51/11) weiterhin Voraussetzung, dass die Anzeige nach §§ 18 Absatz 1 Nr. 1 und 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 GrEStG sich – auch inhaltlich – eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle zu richten habe. Hier habe der Notar lediglich mit einer Kurzmitteilung vom 29. Dezember 2005 eine Kopie des Übertragungsvertrages an das beklagte Finanzamt übersandt. Die Grunderwerbsteuerstelle sei als Empfänger nicht benannt worden. Weder im Kurzbrief noch im Vertrag vom 28. Dezember 2005 sei auf Grundbesitz der Gesellschaft hingewiesen worden. –

 

13
Das beklagte Finanzamt hat sich mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2012 „aus verfahrenstechnischen Gründen“ sinngemäß verpflichtet, die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte im Sinne des § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist, für vorläufig zu erklären.

 

Entscheidungsgründe

14
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das beklagte Finanzamt hat auch zu Recht die festgesetzte Grunderwerbsteuersteuer später nicht wieder aufgehoben.

15
1.1 Aufgrund der Übertragung des GmbH-Geschäftsanteils des ehemaligen Gesellschafters O. auf die G-GmbH nach dem Vertrag vom 28. Dezember 2005, deren alleiniger Gesellschafter dadurch der Kläger (mittelbar) wurde, erfüllte der Kläger den Besteuerungstatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Absatz 3 Nr. 1 GrEStG.

16
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Grunderwerbsteuer nach § 1 Absatz 3 Nr. 1 GrEStG ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile der Gesellschaft begründet, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden (vgl. § 1 Absatz 3 Nr. 1 GrEStG). Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt. Beim Kläger, der bereits vorher zu 50 % an der G-GmbH beteiligt war, hat sich aufgrund der Anteilsübertragung vom 28. Dezember 2005 (G-GmbH erwirbt die Beteiligung des O. an der G-GmbH) eine (teils mittelbare) Anteilsvereinigung zu 100 % ergeben.

17
Die Behauptung, die Anteilsvereinigung sei nichtig und damit die Steuerfestsetzung aufzuheben, weil der am 28. Dezember 2005 notariell beurkundete Anteilsübergang gegen das GmbH-Gesetz verstoßen habe, hat der Kläger nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt bzw. bewiesen. Die Hinweise der Klägerseite auf Einzahlungsbelege, die nur einen Teil der Summe des Stammkapitals der G-GmbH umfassten, schließen nicht aus, dass weitere Einzahlungen auf das Stammkapital stattgefunden haben. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Aussage des Klägers, das Stammkapital sei nicht vollständig eingezahlt worden, früheren, teils notariell beurkundeten Festlegungen des Klägers widerspricht. Genauso ins Leere gehen die Ausführungen der Klägerseite bezüglich der angeblich fehlenden Finanzierungsmittel für den Ankauf der Gesellschaftsanteile des O. durch die G-GmbH.

18
1.2 Die Grunderwerbsteuerfestsetzung für den beschriebenen (fiktiven) Erwerbsvorgang ist auch nicht gemäß § 16 Absatz 2 Nr. 1 GrEStG aufzuheben.

19
Ob durch den Vertrag vom 14. Dezember 2007 ein grunderwerbsteuerbegünstigter Rückerwerb insgesamt bewirkt worden war, kann dahinstehen, weil im Streitfall schon § 16 Absatz 5 GrEStG entgegensteht.

20
Gemäß § 16 Absatz 5 GrEStG gelten die Vorschriften der Absätze 1 bis 4 des § 16 GrEStG nicht, wenn unter anderem ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Absatz 3 Nr. 1 GrEStG rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß angezeigt war (§§ 18, 19 GrEStG).

21
Nach der einschlägigen höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung, der das Gericht folgt, dient § 16 Absatz 5 GrEStG der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG und wirkt dem Anreiz entgegen, durch Nichtanzeige einer Besteuerung der in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgänge zu entgehen. Insbesondere soll § 16 Absatz 5 GrEStG den Beteiligten die Möglichkeit nehmen, einen dieser Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird. Unter Berücksichtigung dieses Normzwecks ist eine Anzeige schon dann im Sinne des § 16 Absatz 5 GrEStG ordnungsgemäß, wenn der Vorgang innerhalb der Anzeigefristen der §§ 18 Absatz 3 und 19 Absatz 3 GrEStG dem Finanzamt in einer Weise bekannt wird, dass es die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Absatz 2, 2a und 3 GrEStG prüfen kann. Dazu muss die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von Veräußerer, Erwerber und Urkundsperson (§ 20 Absatz 1 Nr. 1 und Nr. 6 GrEStG) und der Gesellschaft (§ 20 Absatz 2 GrEStG) ermöglichen. Ferner müssen der Anzeige in der Regel die in § 18 Absatz 1 Satz 2 bzw. § 19 Absatz 4 Satz 2 GrEStG genannten Abschriften beigefügt werden. Aufgrund der dem Finanzamt durch eine solche Anzeige eröffneten Ermittlungsmöglichkeiten setzt eine ordnungsgemäße Anzeige im Sinne des § 16 Absatz 5 GrEStG unter Berücksichtigung des Übermaßverbots nicht zusätzlich voraus, dass die Anzeige auch die der betreffenden Gesellschaft gehörenden Grundstücke bezeichnet. Das Finanzamt ist auch bei insoweit fehlenden Angaben in der Lage, sich aufgrund des übrigen Anzeigeinhalts die entsprechenden Informationen aufgrund eigener Ermittlungsmaßnahmen zu verschaffen (so Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. April 2012 II R 51/11, BFHE 236, 569, BFH/NV 2012, 1390 mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 20. Januar 2005 II B 52/04, BFHE 208, 456, BStBl. II 2005, 492). Den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anzeige genügt auch eine nicht ausdrücklich an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts adressierte Anzeige, wenn sie sich nach ihrem Inhalt eindeutig an die Grunderwerbsteuerstelle des zuständigen Finanzamts richtet (so Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23. Mai 2012 II R 56/10, BFH/NV 2012, 1579).

22
Im Streitfall genügt die von dem beurkundenden Notar an das beklagte Finanzamt gerichtete und bei dieser am 30. Dezember 2005 eingegangenen Kurzmitteilung nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Anzeige im Sinne des § 16 Absatz 5 GrEStG. Mit diesem Kurzbrief wurde lediglich eine Abschrift der notariellen Urkunde vom 28. Dezember 2005 übersandt. Weder aus dem Text der kurzen Mitteilung noch aus dem Inhalt der notariellen Urkunde vom 28. Dezember 2005 war ersichtlich, dass die Übertragung des Geschäftsanteils an der G-GmbH des Gesellschafters O. auf die G-GmbH, dessen Alleingesellschafter der Kläger wurde, eine Gesellschaft betraf, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehörte.

23
Im Gegensatz zum Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 18. April 2012 (II R 51/11, am angegebenen Ort) hat das beklagte Finanzamt hier innerhalb der zweiwöchigen Anzeigefrist (§ 18 Absatz 3 Satz 1 GrEStG) keine vollständige Kenntnis aller maßgeblichen Umstände erlangt. Nach Eingang des Kurzbriefs mit Anlage hat das beklagte Finanzamt aufgrund des Mitgeteilten nicht umgehend erkannt, dass der Besteuerungstatbestand des § 1 Absatz 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wurde. Das beklagte Finanzamt hat erst über sieben Monate nach Eingang der Kurzmitteilung des beurkundenden Notars vom 30. Dezember 2005 auf die (mögliche) Erfülltheit eines Grunderwerbsteuertatbestandes intern verwiesen (Vermerk des beklagten Finanzamts vom 15. August 2006).

24
Zudem erkennt das Gericht, dass die hier vorgenommene Anwendung des § 16 Absatz 5 GrEStG, die letztlich zur Klageabweisung führt, keine formalistisch „überspannte Entscheidung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist (Näheres dazu in: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 3. Band, 2. Auflage 2012, S. 1521 sowie ders., StuW 2004, S. 3 bis 23, insbesondere dort, S. 4 f. mit Nachweisen zur Verfassungsrechtsprechung), weil sie sich innerhalb des beschriebenen Normzwecks bewegt.

25
2. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und wegen Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Absatz 2 Nrn. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO -) zugelassen. Die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung hat die Rechtsanwendungsgrundsätze zu § 16 Absatz 5 GrEStG erst kürzlich fortgebildet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. April 2012 R II 51/11, am angegebenen Ort, am Ende des zweiten Leitsatzes heißt es „Änderung der Rechtsprechung“; dazu auch Urteilsanmerkung von Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 35/2012 Anm. 5 am Ende). Das erkennende Gericht hält es für möglich, dass die Rechtsfortbildung durch den Bundesfinanzhof weitergeht und die vorliegende Fallkonstellation davon miterfasst wird.

26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Absatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

 

Siehe auch Grunderwerbsteuer

Kindergeldbezug für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind

Kindergeldbezug für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind

Eine Drogentherapie im Jugendstrafvollzug führt per se nicht zur Kindergeldberechtigung.

Klage nach diesem Beschluss zurückgenommen.

Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Beschluss vom 28.11.2012, 2 K 240/12

§ 32 Abs 4 EStG, § 62 Abs 1 EStG

Gründe

I.

1
Die Klägerin begehrt die Fortzahlung von Kindergeld für ihren Sohn über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. Dieser ist durch Urteil des Jugendschöffengerichts wegen gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes zu einer Einheitsjugendstrafe verurteilt worden. Er ist im geschlossenen Jugendstrafvollzug inhaftiert. Aufgrund seiner Drogensucht nimmt er dort an der anstaltsinternen Suchttherapie teil und wird arbeitstherapeutisch beschäftigt. Das Behandlungsende ist noch nicht absehbar; nach der Entlassung plant er die Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen zu erwerben und eine Beschäftigung im Güterverkehr zu finden.

2
Die Klägerin ist entgegen der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung der Meinung, dass die Suchttherapie ihres Sohnes als ausbildungsvorbereitende Maßnahme zur Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2c EStG führe. Ohne die Therapie könne ihr Sohn keine Ausbildung beginnen.

3
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

II.

4
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen.

5
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

6
Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe kommt es wesentlich darauf an, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat, eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten ist insoweit jedoch nicht erlaubt (BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991, II S 15/90, BStBl. II 1991, 366 m.w.N.).

7
2. Nach dieser Prämisse hat die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg. Der Beklagte ist in dem angefochtenen Aufhebungsbescheid zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für ihren Sohn kein Kindergeld mehr zusteht.

8
a) Eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG (arbeitssuchende Kinder unter 21 Jahren) kommt wegen der Inhaftierung und der ersichtlich fehlenden entsprechenden Meldung bei der Agentur für Arbeit nicht in Betracht (vgl. Urteil des FG Sachsen-Anhalt vom 12. Februar 2008, 4 K 435/06, EFG 2008, 1393f.).

9
b) Eine Suchterkrankung eines volljährigen Kindes als solche ist kein Tatbestand, der zu einer Kindergeldberechtigung führt. Die Behandlung dieser Sucht dient ersichtlich der Verbesserung der Gesundheit und auch der Verhinderung weiterer Delinquenz.

10
aa) Die Suchtbehandlung ist keine Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG. Dies ist nur eine ernstlich betriebene, konkrete Vorbereitung auf einen künftigen Beruf im Sinne des Erwerbs von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs oder diesbezügliche (Weiter-)Qualifizierungen, nicht aber allgemeine Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes oder der sozialen Kompetenz (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, Rz. 26 m.w.N., DA-FamEStG 63.3.2.1.1). Mithin dürfte (erst) der nach der Haftentlassung angestrebte Erwerb der Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2a EStG anzusehen sein.

11
Schon wegen der insgesamt nur zweijährigen Haftzeit ist – auch unter Würdigung des vorgelegten Erziehungs- und Förderplans – nicht ersichtlich, dass die Drogentherapie integraler Bestandteil einer konkreten, zur Kindergeldberechtigung führenden, Berufsausbildung im Jugendstrafvollzug sein könnte.

12
bb) Aus der Teilnahme an der Suchtbehandlung lässt sich auch keine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG (keine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes) ableiten.

13
Eine Kindergeldberechtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2c EStG kommt nur in Betracht, wenn ein ausbildungsfähiges Kind nur wegen Fehlens eines Ausbildungsplatzes keine Ausbildung beginnen oder fortsetzen kann. Fehlt dem Kind die objektive Fähigkeit zu der angestrebten Ausbildung, besteht kein Kindergeldanspruch (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2003, VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473; FG Sachsen-Anhalt, a.a.O.; Loschelder, a.a.O., Rz. 33 m.w.N., DA-FamEStG 63.3.4). Genau dies ist der Fall. Wohl auch wegen seiner Drogensucht, aber vor allem wegen seiner Inhaftierung kann der Sohn der Klägerin gegenwärtig keine Ausbildung beginnen; insbesondere der von ihm angestrebte Erwerb der Fahrerlaubnis wird erst möglich sein, wenn er die Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen hat.

14
c) Eine Drogensucht des Kindes kann als Behinderung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG allerdings zu einem Kindergeldanspruch, sogar über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus, führen.

15
Dass die gegenwärtige Drogensucht hierfür ausreichen könnte (vgl. zu den diesbezüglichen Erfordernissen BFH-Beschluss vom 30. November 2005, III B 117/05, BFH/NV 2006, 540ff.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. Mai 2004, 5 K 2618/03, EFG 2004, 1627f.; FG Hamburg, Urteil vom 5. August 2008, 3 K 117/07, EFG 2010, 1052ff.), ist aus der beigezogenen Kindergeldakte und den bisher vorgelegten weiteren Unterlagen, die allesamt nicht von einem Arzt stammen oder die Anerkennung als Schwerbehinderten umfassen (vgl. zu diesen Nachweiskriterien Loschelder, a.a.O., Rz. 39, DA-FamEStG 63.3.6.2 Abs. 1), nicht ersichtlich.

16
Zudem würde ein entsprechender Kindergeldanspruch auch daran scheitern, dass hierfür erforderlich ist, dass das (volljährige) behinderte Kind sich wegen seiner Behinderung nicht selbst unterhalten kann. Dies ist bei inhaftierten Kindern nicht der Fall; bei einer Inhaftierung ist diese und nicht eine etwaige Behinderung ursächlich für die fehlende Möglichkeit zur Deckung des eigenen Existenzminimums (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Februar 2009, III B 47/08; BFH/NV 2009, 929f.; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Januar 2010, 6 K 2465/08, EFG 2010, 658f.; Loschelder, a.a.O., Rn. 47).

 

Weitere Informationen zum Kindergeld

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen

Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen

Für empfangene Sachleistungen, die ein Altenteiler als wiederkehrende Bezüge versteuert, kann er die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im Haushalt geltend machen, soweit sie auf seinen Haushalt entfallen und in der Person des die Sachleistungen erbringenden Altenteilsverpflichteten alle Voraussetzungen der Steuerermäßigung vorliegen.

Revision eingelegt – BFH-Az.: VI R 8/13

Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Urteil vom 16.01.2013, 2 K 239/12

§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 12 Abs 1 BGBAG ND, § 129 AO, § 35a Abs 3 EStG

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Möglichkeit der Steuermäßigung für Handwerkerleistungen.

2
Die Klägerin ist Rentnerin und wohnt als Altenteilerin mit ihrem Sohn im Haus in L. Eigentümer dieses Hauses war zunächst der verstorbene Ehemann der Klägerin. Mit notariellem Übertragungsvertrag hatte er es an den gemeinsamen Sohn übertragen. Neben der Übernahme von dinglichen Belastungen verpflichtete sich dieser, der Klägerin und ihrem Ehemann als – im Grundbuch einzutragendem – Altenteil ein monatliches Barentgelt bis zum Tode des Letztversterbenden zu zahlen und ihnen ein lebenslanges Wohnrecht an allen Räumen des Erdgeschoss des vorgenannten Hauses in L, einschließlich der kostenlosen Heizung, Lieferung elektrischer Energie sowie von Warm- und Abwasser zu gewähren. Diese Räume umfassen 63 % der Wohnfläche des Hauses.

3
Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr neben mehreren Rentenbezügen in der Anlage SO wiederkehrende Bezüge aus dem Altenteil in Höhe von 1.533 €. Hierbei handelt es sich (nur) um die ihr nach dem Übergabevertrag geleisteten Barzahlungen. Sie wurde zunächst antragsgemäß veranlagt; die Einkommensteuer wurde auf 0 festgesetzt. Auf der Anlage SO findet sich ein handschriftlicher Vermerk des Sachbearbeiters des Beklagten, „Zahler …, …, St-Nr. .., Bitte Stpfl. prüfen“.

4
Eingangs der Einkommensteuerakte findet sich ein Vermerk, wonach sie – was sodann auch erfolgte – zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung aufgefordert werden solle, weil ihre Einkünfte aus Renten und sonstigen Einkünften (dauernde Lasten vom Sohn) .. € betragen würden, sodann mehrere Rentenbezugsmitteilungen und eine – nicht datierte – Ablichtung der Anlage zum Mantelbogen zur Einkommensteuererklärung 2009 ihres Sohnes. Er hat dort dauernde Lasten in Bezug auf die Altenteilsansprüche seiner Mutter geltend gemacht. Neben den vorgenannten Barzahlungen handelt es sich hierbei um die nach Wohnflächen aufgeteilten anteiligen Kosten für Heizung, Strom, Wasser/Kanal, Müllabfuhr, für die Leistungen des Schornsteinfegers sowie für Heizungswartung und Reparaturen.

5
Mit dem auf die Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit gestützten, angefochtenen Einkommensteuerbescheid erhöhte der Beklagte die (anderen) wiederkehrenden Bezüge der Klägerin aus dem Altenteil auf 8.399 € und setzte nunmehr die Einkommensteuer auf .. € fest.

6
Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, dass – in tatsächlicher Hinsicht unstreitig – in dem nunmehr zutreffend erfassten wiederkehrenden Bezügen Aufwendungen für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen in Höhe von 2.801 € (63 % der Schornsteinfegergebühren, der Überprüfung der Heizungsanlage und der Aufwendungen für die Montage eines Stahlgitterzauns und einer Eingangstür) enthalten seien, für die eine Steuerermäßigung zu gewähren sei. Es handelt sich hierbei um den Ersatz der bisherigen Umzäunung/Eingangstür.

7
Der Beklagte wies den Einspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass die Handwerkerleistungen zwar im inländischen Haushalt der Klägerin in Anspruch genommen worden seien, es aber daran fehle, dass die Klägerin selbst für diese Leistungen eine Rechnung erhalten habe. Sie habe auch keine Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers erbracht. Begünstigt solle nur der Auftraggeber und Zahler der Handwerkerleistungen werden, hier also der Sohn der Klägerin.

8
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Da sie die von ihrem Sohn bezahlten Handwerkerleistungen anteilig zu versteuern habe, widerspräche es dem Sinn und Zweck der Regelung des § 35a EStG, ihr die entsprechende Steuerermäßigung nicht zu gewähren.

9
Die Klägerin beantragt,

10
die Einkommensteuer 2009 auf 0 € festzusetzen.

11
Der Beklagte beantragt,

12
die Klage abzuweisen

13
und hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.

14
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

15
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtwidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO).

I.

16
Der Beklagte war – wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen – berechtigt, den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid wegen einer offenbaren Unrichtigkeit (§ 129 AO) abzuändern und die von der Klägerin als Altenteil erhaltenen Bar- und Sachzuwendungen ihres Sohnes im vollen Umfang der Besteuerung zu unterwerfen.

17
Wie aus der Einkommensteuerakte und ihrer – sachlich und chronologisch plausiblen – Foliierung hervorgeht, hatte der Beklagte die Klägerin nur wegen der fünfstelligen Gesamthöhe ihrer Rentenbezüge und Zahlungen aus dem Altenteil zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung aufgefordert; die Ablichtung aus der Steuererklärung ihres Sohnes lag dabei ersichtlich vor. Bei der anschließenden Veranlagung folgte der Beklagte aber ausschließlich den Angaben der Klägerin in ihrer Steuererklärung und berücksichtigte nicht die zuvor in die Einkommensteuerakte eingeheftete Ablichtung und auch nicht den Vermerk, wonach der (steuerpflichtige) Teil der Renten und die Altenteilleistungen mehr als .. € betragen sollten.

18
Damit hat der die Veranlagung durchführende Sachbearbeiter des Beklagten eine sich ohne Weiteres aus den Akten des Streitjahres ergebende, feststehende Tatsache, nämlich den Umstand, dass die Klägerin im Rahmen des Altenteils neben Barleistungen von ihrem Sohn auch Sachleistungen erhielt, übersehen. Ein solcher rein mechanischer Fehler ermöglicht die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 AO (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 27. Mai 2009, X R 47/08, BStBl. II 2009, 946 m.w.N.; Pahlke in Pahlke/Koenig, AO, 2. Aufl. Rz. 26f. zu § 129). Es liegt angesichts des Vermerks auf der Steuererklärung, man müsse noch anhand der Steuererklärung des Sohns die Höhe des Altenteils prüfen, ersichtlich ein Übersehen der bereits beigezogenen Unterlagen aus dessen Erklärung vor und kein – eine Berichtigung nach § 129 AO ausschließender – Fehler in der Sachverhaltswürdigung (vgl. zur Abgrenzung Pahlke, a.a.O., Rz. 37).

II.

19
Der Klägerin steht aber entgegen der Auffassung des Beklagten für die auf ihre Wohnung entfallenden anteiligen Aufwendungen für die Leistungen des Schornsteinfegers, zur Heizungswartung und zum Einbau eines Zauns und einer Tür die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG zu. Es handelt sich hierbei – auch nach Auffassung aller Beteiligten – um nach dieser Norm begünstigte (anteilige) Handwerkerleistungen im Haushalt der Klägerin.

20
1. Nach § 35a Abs. 3 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, mit Ausnahme öffentlich geförderten Maßnahmen, auf Antrag um 20%, höchstens 1.200 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen.

21
Hintergrund der Steuerbegünstigung ist die wirtschaftspolitisch gewünschte Förderung von Wachstum und Beschäftigung (vgl. BTDrs. 16/643, 1, BTDrs. 16/753, 1; Kratzsch in Frotscher, EStG-Praxiskommentar, Rz. 3 zu § 35a). Sie verfolgt als Subventions- und Lenkungsnorm den Zweck, einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen (BTDrs. 15/91, 19; Bode in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Rz. A5 zu § 35a). Bei den geförderten Handwerkerleistungen kommt es nach der Rechtsprechung des BFH nicht auf die Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand an; die Maßnahme muss – wie hier – allein in einem vorhandenen Haushalt (einschließlich zugehörigem Garten) durchgeführt werden (vgl. Urteil vom 13. Juli 2011, VI R 61/10, BStBl. II 2012, 232).

22
2. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung ist nach § 35a Abs. 5 S. 3 EStG, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Leistungserbringers erfolgt ist.

23
a) In Bezug auf die Rechnung (§ 35a Abs. 5 S. 3 1. Hs. EStG) wäre diese Voraussetzung mit dem Beklagten bei strikter Befolgung des Wortlauts der Norm zu verneinen; Rechnungen hat die Klägerin selbst nicht erhalten.

24
Allerdings kann (auch) nach Auffassung der Finanzverwaltung unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Mieter oder Wohnungseigentümer, der über grundsätzlich der Begünstigung unterliegende Aufwendungen weder eine Rechnung erhalten hat noch die Zahlung unmittelbar an den Leistungserbringer erbracht hat, diese Aufwendungen wirtschaftlich aber über entsprechende Abrechnungen tatsächlich getragen hat, die Steuerbegünstigung des § 35a Abs. 2 EStG in Anspruch nehmen (vgl. BMF-Schreiben vom 15. Februar 2010, BStBl. I 2010, 140, Rz. 23, 24, s.a. Krüger in Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, Rz. 15 zu § 35a; Kratzsch, a.a.O., Rz. 99; Bode, a.a.O., Rz. F18, Plenker/Schaffhausen, DB 2009, 191, 193f.). Auch um dies zu erleichtern ist § 35a EStG vor einigen Jahren durch das Gesetz vom 20. Dezember 2007 (BGBl. I 3150) dahin gehend abgeändert worden, dass Rechnung und Kontoauszüge nunmehr nicht mehr mit der Erklärung vorgelegt werden müssen (vgl. BRDrs. 544/1/07, 32f).

25
b) Die Zahlung der auf den Namen des Steuerpflichtigen lautenden Rechnung durch einen Dritten im Rahmen eines abgekürzten Zahlungsweges steht der Gewährung der Steuerermäßigung hingegen nicht entgegen (vgl. Sächsisches Finanzgericht Urteil vom 18. September 2009, 4 K 645/09, zit. n. juris; Rz. 47 des v.g. BMF-Schreibens, Kratzsch, a.a.O., Rz. 97f.; Bode, a.a.O., Rz. C33; Plenker/Schaffhausen, a.a.O., S. 195).

26
Aus dem passiv formulierten Wortlaut des § 35a Abs. 5 S. 3 2. Hs. EStG ist ohnehin nicht zu entnehmen, dass die Zahlung durch den Steuerpflichtigen erfolgen müsste. Anders als nach dem 1. Hs. dieser Norm, wonach der Steuerpflichtige eine Rechnung über die Aufwendungen erhalten haben muss, fordert der 2. Hs. als Voraussetzung nur, dass die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist. Mit dem entsprechenden unbaren, nachvollziehbaren Zahlungsweg allein wird auch dem Gesetzeszweck der Bekämpfung der Schwarzarbeit Genüge getan.

27
Es muss sich aber um Aufwendungen des Steuerpflichtigen und nicht eines Dritten handeln (§ 35a Abs. 3 S. 3 EStG a.E.). Drittaufwand im Wege des sogenannten abgekürzten Vertragsweges berechtigt nicht zur Inanspruchnahme der Steuervergünstigung (Kratzsch, a.a.O., Rz. 97; Bode, a.a.O., Apitz in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 35a Rz. 26).

28
3. Der Inanspruchnahme der Steuerermäßigung durch die Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie selbst keine Rechnung erhalten hat und die Aufwendungen anders als ein Mieter oder Wohnungseigentümer, auf den gemeinschaftliche Aufwendungen umgelegt worden sind, auch nicht unmittelbar getragen hat.

29
Ihr steht zwar als Altenteil ein lebenslanges Wohnrecht an den Erdgeschossräumen des auf ihren Sohn übertragenen Hauses einschließlich der kostenlosen Lieferung von Heizwärme zu. Mangels abweichender vertraglicher Regelung schuldet der Sohn der Klägerin ihr gemäß § 12 Abs. 1 Nds. AGBGB ferner den Erhalt dieser Räume in einem vertragsgemäßen Zustand.

30
Mithin sind die auf ihre Wohnung entfallenden Aufwendungen für die Überprüfung/Wartung der Heizungsanlage sowie für die Montage eines Stahlgitterzauns und des Einbaus einer Haustür dementsprechend Aufwendungen des Übernehmers, die dieser in Erfüllung seiner Pflichten aus dem Übertragungsvertrag zu erfüllen hat. Dass es sich bei den letztgenannten Aufwendungen des Übernehmers um Verbesserungsmaßnahmen oder allein in seinem privaten Interesse liegende Aufwendungen handeln könnte, die über seine gemäß § 12 Abs. 1 Nds. AGBGB geschuldeten Verpflichtungen hinaus gehen und daher bei ihm nicht mehr als dauernde Lasten abzugsfähig wären (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 25. August 1999, X R 38/95, BStBl. II 2000, 21; 15. März 2000, X R 50/98 BFH/NV 2000, 1089 und vom 31. März 2004, X R 32/02, BFH/NV 2004, 1248; Urteil des FG Baden-Württemberg vom 10. Mai 2011, 2 K 3045/09, EFG 2011, 1873; Urteil des hiesigen 1. Senats vom 12. Juli 2012, 1 K 94/11, EFG 2012, 2204) ist nach der vom Senat geteilten übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten nicht der Fall. Dies führte im Übrigen dazu, dass die Klägerin diese Aufwendungen nicht als wiederkehrende Bezüge zu versteuern hätte und ihre Klage schon deswegen (weit überwiegend) Erfolg hätte.

31
Jedenfalls ist die Klägerin als Altenteilerin mit den Aufwendungen wirtschaftlich nicht belastet gewesen. Diese werden ihr zugewendet. Allein die hieraus folgende steuerliche Belastung durch die Einordnung als wiederkehrenden Bezüge reicht zu einer wirtschaftliche Belastung oder Selbsttragung der Aufwendungen im Sinne des § 35a Abs. 3. S. 3 EStG nicht aus. Auch liegt kein abgekürzter Zahlungsweg vor. Allein der Sohn der Klägerin hatte sowohl im Außen- als auch Innenverhältnis die Aufwendungen zu tragen und hat sie tatsächlich getragen.

32
4. Allerdings lässt der BFH im Bereich der Sonderausgaben und Werbungskosten in Sonderfällen den Abzug von Aufwendungen zu, die der Steuerpflichtige wirtschaftlich nicht getragen hat.

33
a) So lässt er z.B. die einem Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung zugerechnete Zinsersparnis gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung zum Sonderausgabenabzug zu, obgleich er die Zinsen tatsächlich nicht gezahlt hat und begründet dies damit, dass die Fiktion der verdeckten Gewinnausschüttung sowohl auf Zufluss- als auch auf Abflussebene berücksichtigt werden müsse (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 1970, VI R 122/67, BStBl. II 1971, 53).

34
Weiterhin werden beim Arbeitnehmer zu versteuernde geldwerte Vorteile unter der Voraussetzung, dass die Aufwendungen, hätte der Arbeitnehmer sie selbst getragen, Werbungskosten darstellen würden, unbeschadet der Nichtzahlung durch den Arbeitnehmer mit Blick auf den Einsatz des Nutzungsvorteils zur Einkünfteerzielungals Werbungskosten berücksichtigt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4. Juni 1996, IX R 70/94, BFH/NV 1997, 20).

35
b) Für die Steuerermäßigung nach § 35a EStG lässt ferner die Finanzverwaltung die Geltendmachung von Aufwendungen zu, die ein Arbeitgeber für eine seinem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellte Dienst- oder Werkswohnung getragen hat und die der Arbeitnehmer als Sachbezug versteuert hat (Tz. 141 des v.g. BMF-Schreibens, s.a. Bode, a.a.O., Rz. F20, Plenker/Schaffhausen, a.a.O., S. 195).

36
c) Für die vorliegende Sachverhaltskonstellation kann nichts anderes gelten.

37
aa) Hierfür spricht, dass im Fall der Vermögensübertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die Zurechnung der vom Übernehmer erbrachten Aufwendungen als Einnahme des Übergebers/Altenteilers auf der Überlegung beruht, dass es sich dabei um vorbehaltene Vermögenserträge handelt, die zu einer entsprechenden höheren Leistungsfähigkeit des Altenteilers und seiner dementsprechenden Besteuerung führen. Anstelle der (Bar)Einnahmen, aus denen entsprechende Aufwendungen getragen werden könnten, erhält die Klägerin die entsprechende Sachleistung. Hätte sie deutlich höhere Barleistungen ihres Sohnes erhalten und dafür unter Abbedingung der dispositiven Regelung des § 12 Abs. 1 Nds AGBGB den Erhalt der von ihr genutzten Räumlichkeiten selbst übernommen und deswegen die Handwerkerleistungen selbst (gegen Rechnung) bezahlt, könnte sie die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG geltend machen.

38
Wie in den unter a) und b) dargestellten Fällen trägt die Klägerin die Aufwendungen zwar nicht selbst, der Vorteil wird ihr aber steuerlich als Einnahme zugerechnet. Die entspricht der Sachlage im Fall der Arbeitgeberzuwendungen. Für den Aufwendungsbegriff in § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG ist das Leistungsfähigkeitsprinzip ebenso zu beachten wie im Bereich der Werbungskosten, Betriebsausgaben, Sonderausgaben oder außergewöhnlichen Belastungen (vgl. v.g. Urteil des Sächsischen FG), so dass sich aus der Ausgestaltung als Steuerermäßigung ebenfalls kein Unterscheidungsgrund ergibt. Wenn vom Arbeitnehmer bloß als Sachbezug versteuerte Aufwendungen des Arbeitgebers für eine Dienst- oder Werkswohnung die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung ermöglichen, kann für Aufwendungen des Vermögensübernehmers für die Wohnung, an der sich der Vermögensübergeber (Altenteiler) ein Wohnrecht vorbehalten hat, nichts anderes gelten.

39
bb) Der Sinn und Zweck des § 35a EStG steht diesen Erwägungen nicht entgegen, sondern spricht hierfür. Zwar regelt § 35a EStG eine Steuervergünstigung, die mit Blick auf den Zweck der Regelung lediglich unter ganz bestimmten (engen) Voraussetzungen gewährt werden soll.

40
Das Fehlen einer auf den Namen der Klägerin ausgestellten Rechnung sowie einer Überweisung aus den Mitteln der Klägerin steht dem Sinn und Zweck der Ermäßigung nicht entgegen. Diese Voraussetzungen müssen selbstverständlich beim Übernehmer/Schuldner der Altenteilsleistungen vorliegen, damit eine Begünstigung überhaupt in Betracht kommen kann. Auch aus Sicht des Altenteilsempfängers besteht durch die Regelung des § 35a EStG ebenso wie beim Mieter oder Wohnungseigentümer ein Anreiz, dass die Handwerkerleistung vom formellen Auftraggeber auf legalem Weg in Anspruch genommen werden. Die Versagung des Abzugs beim Schuldner würde im Ergebnis dazu führen, dass der von § 35a EStG ausgehende Anreiz nicht zum Tragen kommen würde. Die (anteiligen) Handwerkerleistungen sind nicht in dessen Haushalt erbracht worden und demzufolge auch bei ihm nicht durch Steuerermäßigung begünstigt.

41
cc) Ob der Steuernachteil aus der anteiligen Berücksichtigung der Arbeitskosten der von ihrem Sohn beauftragten Handwerkerleistungen als wiederkehrende Bezüge der Klägerin über die von ihr begehrte Steuerermäßigung hinaus geht, kann dahin stehen.

42
Auch wenn die Steuerermäßigung aufgrund des (wie hier in der Regel) niedrigen persönlichen Steuersatzes eines Altenteilers über seinen wirtschaftlichen Nachteil durch die Besteuerung der erhaltenen Leistung hinausgeht, kann er die Steuerermäßigung im vollen Umfang in Anspruch nehmen. Die Zurechnung des Aufwandes beruht auf der Einordnung der Leistung als vorbehaltener Vermögensertrag und erfolgt nicht mit Blick auf die konkrete steuerliche Belastung durch die Einkünftezurechnung. Dementsprechend sind die Folgen mit allen Konsequenzen so zu ziehen, als ob der Steuerpflichtige die Aufwendungen tatsächlich selbst getragen hätte. Auch im Bereich der Arbeitgeberaufwendungen gilt nichts anderes.

43
dd) Schließlich steht der Steuerermäßigung bei der Klägerin gerade nicht entgegen, dass ihr Sohn die Aufwendungen als Versorgungsleistungen bei den Sonderausgaben geltend gemacht hat. Insoweit hat sie steuerpflichtige Einnahmen, so dass sich die Aufwendungen insgesamt gesehen bislang steuerlich nicht ausgewirkt haben und der Sonderausgabenabzug beim Sohn der Steuermäßigung vorliegend nicht entgegensteht.

44
5. Die als Handwerkerleistungen berücksichtigungsfähigen anteiligen Aufwendungen betragen insgesamt 2.801 € (brutto), so dass der Klägerin nach § 35a Abs. 3 S. 1 EStG grundsätzlich eine Steuerermäßigung in Höhe von 20% dieses Betrages zustünde.

45
Da in dem angefochtenen Bescheid aber nur eine Steuer in Höhe von (nur ..) € festgesetzt worden ist, ist schon materiell-rechtlich die Steuer auf 0 festzusetzen (§ 100 Abs. 2 S. 1 FGO). § 35a EStG ermöglicht eine Minderung der tariflichen Einkommensteuer, nicht aber die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer oder einen Verlustvortrag (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 2009, VI R 44/08, BStBl. II 2009, 411; Krüger, a.a.O., Rz. 3).

III.

46
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

47
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

48
2. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.

49
Zur Fortbildung des Rechts ist eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu der hier erheblichen Rechtsfrage (Gewährung der Steuerermäßigung nach § 35a EStG beim Übergeber/Altenteiler für Aufwendungen des Übernehmers, die er als wiederkehrende Bezüge versteuert) erforderlich. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist auch nicht im Hinblick auf die Verwaltungs- und Literaturauffassung zu Aufwendungen des Arbeitgebers bei Werks- und Dienstwohnungen entbehrlich. Auch insoweit gibt es bisher keine höchstrichterliche Entscheidung.

 

Siehe auch BFH zu: Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen – Auslegung des Begriffs „inländischer Haushalt“ – Keine Verdoppelung der Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG bei Ehegatten

Einkommensteuer 2010

Einkommensteuer 2010

Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG fristgebunden?

Nichtzulassungsbeschwerde, BFH-Az. VII B 95/12 – Revision zugelassen
Revision eingelegt, BFH-Az. VIII R 14/13

Niedersächsisches Finanzgericht 2. Senat, Urteil vom 23.05.2012, 2 K 250/11

 

Tatbestand

1
Streitig ist, ob nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010 ein Antrag auf Günstigerprüfung im Sinne des § 32 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) gestellt werden kann und somit nachträglich die einbehaltene Abgeltungssteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag steuermindernd zu berücksichtigen ist.

2
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2010 als Mini-Jobberin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 16.765 €. Daneben erhielt sie nach ihrem verstorbenen Ehemann eine Leibrente in Höhe von 2.432 €. In der am 27. Januar 2011 beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung gab die Klägerin Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht an. Die Einkommensteuererklärung wurde gefertigt von der Vereinigten X. Aufgrund der Einkommensteuererklärung ermittelte das Finanzamt ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 7.849 € und daraus resultierend eine Einkommensteuer von 0,00 €. Der Einkommensteuerbescheid vom 3. März 2011 wurde bestandskräftig.

3
Mit Schreiben vom 12. Mai 2011, Eingang beim Finanzamt am 25. Mai 2011, beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Steuerbescheinigung der K über die Kapitalerträge sowie anrechenbare Abzugsbeträge die Verrechnung der Abzugsbeträge mit der persönlichen Einkommensteuer. Die Bescheinigung der K (Bl. 17 der Einkommensteuerheftung) trägt das Datum vom 20. August 2010. Die Bescheinigung ist ausdrücklich als Steuerbescheinigung bezeichnet. Bestätigt wurde darin, dass Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG in Höhe von 1.523,72 € im Jahr 2010 ausgezahlt wurden. Die Kapitalertragssteuer wurde in Höhe von 380,93 € ausgewiesen, der Solidaritätszuschlag mit 20,95 €. In der Steuerbescheinigung findet sich weiter der Hinweis, dass die Höhe des in Anspruch genommenen Sparerpauschbetrages 0,00 € beträgt.

4
Der Beklagte lehnte die Änderung des bestandskräftigen Einkommensteuerbescheides ab. Bei den Wahlrechten nach § 32d Abs. 4 und Abs. 6 EStG seien die allgemeinen Grundsätze über steuerliche Wahlrechte zu beachten. Eine Anrechnung von Abgeltungssteuern sei somit nach Rechtskraft nicht möglich, wenn zuvor kein Antrag auf Günstigerprüfung bzw. auf Überprüfung des Steuereinbehalts für bestimmte Kapitalerträge gestellt worden sei.

5
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage.

6
Die Klägerin ist weiterhin der Rechtsansicht, dass der Einkommensteuerbescheid 2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) dergestalt zu ändern sei, dass bisher nicht erklärte Kapitalerträge im Rahmen einer Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG in die Veranlagung einbezogen werden müssen, mit der Folge, dass sich die festzusetzenden Steuern erhöhen und die von den Kapitalerträgen einbehaltenen Abzugssteuern (Abgeltungssteuer) anzurechnen seien. Die alleinstehende Klägerin sei in steuerlichen Dingen unerfahren. Sie erziele Versorgungsbezüge, eine kleine Rente sowie Einnahmen aus einem Minijob. Kapitalerträge aus den üblichen Spar- oder Wertpapiereinlagen habe sie im Jahr 2010 nicht erzielt. Allerdings habe sie per 1. September 2010 eine vor 2005 abgeschlossene Lebensversicherung innerhalb der Sperrfrist von 12 Jahren gekündigt. Es seien deshalb nach § 43 Abs. 1 EStG Kapitalertragssteuern auf die Auszahlung rechnungsmäßiger und außerrechnungsmäßiger Zinsen aus Sparanteilen einzubehalten gewesen. Die Klägerin habe nicht erkannt, dass die von der Versicherungsleistung einbehaltenen Abzugssteuern im Rahmen einer Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG zu deren teilweisen Erstattung hätte führen können. Daher habe sie die Steuerbescheinigung der K ihrem Berater zunächst auch nicht vorgelegt. Mangels irgendeines Hinweises auf einbehaltene Kapitalertragssteuern habe die für die Klägerin zuständige Beratungsstellenleiterin der Einkommensteuererklärung 2010 keine Anlage KAP beigefügt. Erst nachdem die Klägerin im Mai 2011 ihrem Berater die Steuerbescheinigung der K für 2010 doch noch zur Kenntnis gegeben habe, habe die Beratungsstellenleiterin sodann eine nachträgliche Günstigerprüfung beim Beklagten beantragt.

7
Die Finanzrechtsprechung habe sich bis heute noch nicht mit der Frage beschäftigt, ob ein Antrag nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG fristgebunden sei oder nicht. Im Gegensatz zu § 32d Abs. 4 EStG enthalte der Text des § 32d Abs. 6 EStG jedenfalls keine Verpflichtung, eine Günstigerprüfung schon mit der Erklärung zu beantragen. Die unterschiedlichen Formulierungen in den Absätzen 4 und 6 sprächen für ein nicht fristgebundenes Wahlrecht für eine Günstigerprüfung.

8
Zwar sei im ersten Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Bundestagsdrucksache 16/4841) zu § 32d Abs. 6 EStG ausgeführt worden, dass der Steuerpflichtige die Wahlmöglichkeiten im Rahmen seiner Veranlagung geltend machen könne; diese Formulierung sei später allerdings nicht mehr wiederholt und auch, anders als im Rahmen des § 32d Abs. 4 EStG, nicht ansatzweise in den Gesetzestext des Absatzes 6 übernommen worden. Da der Gesetzentwurf vom BMF stamme, gebe er nur die Auffassung der Finanzverwaltung wieder, die aber im weiteren Verfahren nicht ausdrücklich übernommen worden sei und demgemäß nicht als Willen des Gesetzgebers anzusehen sei. In der Literatur werde indes davon ausgegangen, dass dem Gesetz insoweit eine eindeutige Regelung nicht zu entnehmen sei und nicht auszuschließen sei, dass der Gesetzgeber eine Frist bewusst nicht aufgenommen habe.

9
Die Bundesregierung habe auf eine entsprechende Nachfrage in der Gesetzesberatung mitgeteilt, die Antragswahlrechte nach § 32d Abs. 4 und 6 EStG seien nicht fristgebunden, nach Eintritt der Bestandskraft könnten sie allerdings nur noch im Rahmen der Änderungsvorschriften ausgeübt werden, einschlägig könne insbesondere § 173 Abgabenordnung sein.

10
Auch im Streitfall sei aufgrund eines nicht fristgebundenen Wahlrechtes eine Änderung des Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO eröffnet, weil die für die Ausübung des Wahlrechtes relevanten Tatsachen (Kapitaleinkünfte) und Beweismittel (Steuerbescheinigung) dem Finanzamt erst nachträglich bekannt geworden seien und die nachträgliche Einbeziehung der Kapitaleinkünfte zum tariflichen Steuersatz zu einer höheren festzusetzenden Einkommensteuer führt. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Klägerin durch die Anrechnung der Kapitalertragssteuer und der Solidaritätsbeitrage letztlich ein Vorteil entstehe, weil die Mehrbeträge an festzusetzenden Steuern niedriger seien als die zu erstattenden Steuereinbehalte. Es komme bei der Anwendung des § 173 Abs. 1 AO allein auf das Ergebnis der Steuerfestsetzung an, die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen sei nicht dem Festsetzungs-, sondern dem Erhebungsverfahren zuzuordnen.

11
Die Klägerin beantragt,

12
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 20. Juli 2007 und des Einspruchsbescheides vom 30. August 2011 den Beklagten zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 7. April 2010 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dergestalt zu ändern, dass die bisher nicht erklärten Kapitalerträge noch in die Veranlagung einbezogen werden.

13
Der Beklagte beantragt,

14
die Klage abzuweisen.

15
Er hält an seiner bisherigen Rechtsauffassung fest.

16
Der BMF habe Einzelfragen zur Abgeltungssteuer mit bindender Wirkung für die Finanzbehörden im Anwendungsschreiben vom 22. Dezember 2009 (BStBl. I 2010, 94) geregelt. Dabei sei unter Randziffer 149 zur Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG ausgeführt, dass der Steuerpflichtige diese Wahlmöglichkeit im Rahmen seiner Veranlagung geltend zu machen habe.

17
Die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechtes oder die nachträgliche Antragstellung sei auch keine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO, sondern lediglich eine Verfahrenshandlung. Tatsachen im Sinne des § 173 AO seien die zugrunde liegende Einkünfte aus § 20 EStG. Bei Antragsstellung nach Bestandskraft eines Steuerbescheides werden dem Finanzamt diese Tatsachen nachträglich bekannt.

18
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

19
In der mündlichen Verhandlung sind wurden die Parteien darauf hingewiesen worden, dass im Streitfall der Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eröffnet sein könnte.

 

Entscheidungsgründe

20
I. Die Klage ist unter Berücksichtigung von anrechenbaren Steuerabzugsbeträgen trotz höherer Steuerfestsetzung zulässig, vgl. BFH VI R 46/07, BStBl. II 2010, 72.

21
II. Die Klage ist allerdings nicht begründet, da der Beklagte zu Recht eine Änderung des bestandskräftigen Bescheides abgelehnt hat.

22
1. In Betracht kommt vorliegend im Hinblick auf die bei der erstmaligen Veranlagung nicht bekannten Kapitaleinkünfte des Klägers allein eine Änderung gem. § 173 AO. Die Eröffnung des Anwendungsbereiches ist allerdings nur gegeben, wenn der Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht fristgebunden wäre, andernfalls wären die neuen Tatsachen nicht rechtserheblich.

23
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Frage der Rechtserheblichkeit im Fall unterbliebener Anträge oder im Zusammenhang mit Wahrechten maßgeblich, ob der entsprechende Antrag fristgebunden oder nicht fristgebunden ist. Dementsprechend hat der BFH im Urteil vom 30. September 1991, II R 105/81 BStBl II 1982, 80 die Rechtserheblichkeit im Fall eines grunderwerbsteuerlichen Befreiungstatbestandes verneint unter Hinweis darauf, dass der entsprechende Antrag nach dem im entschiedenen Fall einschlägigen § 26 Abs. 2 GrEStG Berlin nicht in der dort ausdrücklich geregelten Frist gestellt worden war. Nach dieser Vorschrift konnte der Steuerpflichtige Anträge auf Steuervergünstigen ausdrücklich nur „bis zum Eintritt der Rechtskraft der Steuerfestsetzung oder im Anfechtungsverfahren bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht stellen.“ Die für die begehrte Steuerbefreiung relevanten Tatsachen waren deshalb zwar nachträglich bekannt geworden, aber nicht rechtserheblich, weil die Antragstellung ihrerseits nicht rechtzeitig bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit, sondern erst nach Bestandskraft erfolgt ist.

24
Demgegenüber hat der BFH im Urteil vom 28. September 1984, VI R 48/82 BStBl II 1985, 117 die Rechtserheblichkeit neuer Tatsachen bejaht bei der Ausübung nicht fristgebundener Wahlrechte und dabei zwischen Antrag und Wahlrecht nicht differenziert. Im entschiedenen Fall ging es um das Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr 1976 geltenden Fassung, für das sich im Gesetz kein Hinweis auf eine Befristung ergibt.

25
Entsprechend dieser Rechtsprechung geht der Senat davon aus, dass eine Befristung im Sinne dieser Differenzierung nicht in den generell bestehenden Einschränkungen durch die Bestandskraft zu sehen ist. Wäre Bestandskraft nicht eingetreten, würde sich die Frage nach einer Änderungsvorschrift indes nicht stellen.

26
b) Es spricht zunächst einiges dafür, ohne dass dies allerdings abschließend entschieden werden müsste, dass der Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht fristgebunden ist.

27
Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich keine Befristung. Sofern sich aus den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf ergibt, dass der Steuerpflichtige die Wahlmöglichkeit im Rahmen der Veranlagung geltend machen könne, so ist dies ebenfalls keine eindeutige Begrenzung auf die Bestandskraft, die sich zudem im Gesetzestext nicht niedergeschlagen hat. Wäre eine entsprechende Befristung gewollt gewesen, ist im Hinblick auf die ausdrücklichen Regelungen in § 32d Abs. 4 sowie Abs. 2 Nr. 3 EStG davon auszugehen, dass dies auch ausdrücklich geregelt worden wäre.

28
Diese Auslegung entspricht auch der ausdrücklichen Aussage des aus dem Geschäftsbereich des BMF vom 15. April 2011 (Drucksache 17/5568, Frage Nr. 19), nach der der Antrag entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für steuerliche Wahlrechte nicht fristgebunden sei und die Bestandskraft die Wahlrechtsausübung lediglich insoweit einschränke, als die nachträgliche Antragstellung nur unter den Voraussetzung der §§ 172ff AO möglich ist.

29
Gleiches folgt aus Tz. 8 AEAO vor §§ 172 bis 177 AO: Danach können Wahlrechte grundsätzlich bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist ausgeübt werden, wobei allerdings die Bestandskraft die Wahlrechtsausübung einschränke und die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechtes keine neue Tatsache i.S.d. § 173 AO sei.

30
c) Seitens der Verwaltung wird allerdings eine andere Auffassung vertreten (vgl. z.B. Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 2011, S 0351, juris). Für eine Befristung könnte möglicherweise die in § 32d Abs. 6 EStG enthaltene Verweisung auf die Absätze 1, 3 und 4 der Norm sprechen, anstelle derer die Besteuerung mit der tariflichen Einkommensteuer beantragt werden kann. Jedenfalls sofern der Antrag auf Günstigerprüfung in einem Fall des § 32d Abs. 4 EStG gestellt wird, könnte ebenfalls eine Antragstellung bereits mit der Einkommensteuererklärung zu fordern sein.

31
2. Die Frage braucht indes letztlich nicht abschließend entschieden zu werden, weil eine Änderung im vorliegenden Fall auch bei Annahme eines fristungebundenen Antragsrechts nicht in Betracht kommt, weil die Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen ein grobes Verschulden i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO trifft.

32
a) Auch wenn die Klägerin die Festsetzung einer höheren Steuer beantragt und sich der Vorteil für ihn erst aus der Anrechnung der eingehaltenen Steuerbeträge ergibt, ist vorliegend der Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eröffnet.

33
aa) Grundsätzlich ist bei der Frage, ob sich die Änderung eines Steuerbescheids zugunsten oder zuungunsten eines Steuerpflichtigen auswirkt, allein auf den zu ändernden Bescheid abzustellen. Ebenso kann im Rahmen des § 173 Abs. 1 AO nur aus einem Vergleich der ursprünglichen mit der beabsichtigten Steuerfestsetzung abgeleitet werden, ob die beabsichtigte Änderung zu einer höheren oder niedrigeren Steuer führt (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1990, VI R 90/86 BStBl. II 1990, 610). Allerdings hat der BFH in dem zitierten Fall ausnahmsweise nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnende Steuerbeträge in die Betrachtung einbezogen, weil im konkreten Fall der Nettolohnvereinbarung mit einer Einbeziehung des Differenzbetrages in die Einkommensteuerveranlagung zugleich die Entscheidung der Streitfrage verknüpft sei, ob zwischen dem Kläger und dem Gaststätteninhaber eine Nettolohnvereinbarung getroffen worden ist und diese Entscheidung zugleich die Grundlage dafür biete, dass sämtliche im Rahmen der Nettolohnvereinbarung als einbehalten behaupteten Abzugsbeträge zugunsten des Klägers angerechnet werden können.

34
bb) In der vorliegenden Fallgestaltung ist die Einbeziehung der anrechenbaren Steuerabzugsbeträge ebenfalls in den Vergleich mit einzubeziehen. Dies folgt aus der Überlegung, dass die mit dem Antrag verfolgte Günstigerprüfung zwingend nur unter Berücksichtigung der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge erfolgen kann und der Antrag in dem Fall, dass die Versteuerung der Einkünfte mit dem individuellen Steuersatz insgesamt gesehen (also unter Berücksichtigung der anrechenbaren Abzugsbeträge) für den Steuerpflichtigen nicht günstiger ist, als nicht gestellt gilt.

35
Vorliegend ergäbe sich bei Berücksichtigung der Kapitalerträge sowie der anzurechnenden Steuerbeträge mit über 400,00 € eine im Vergleich zur ursprünglichen Festsetzung (0,00 €) um 78,00 € höhere Steuerfestsetzung, allerdings nach Abzug der Kapitalertragsteuer von 380,93 € eine um ca. 300,00 € verminderte Steuerlast. Die Günstigerprüfung würde dementsprechend vorliegend dazu führen, dass entsprechend dem Antrag die Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer der Klägerin zu unterwerfen wären.

36
Die Entscheidung über die Änderung der Steuerfestsetzung kann danach nicht ohne Berücksichtigung der gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anrechenbaren Steuerabzugsbeträge getroffen werden, dementsprechend sind auch im vorliegenden Fall die anzurechnenden Steuerbeträge in die Betrachtung mit einzubeziehen und führen die nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen zu einer niedrigeren Steuer.

37
b) Die Klägerin trifft ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen (Einkünfte aus Kapitalvermögen).

38
aa) Grobes Verschulden i.S.d § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Letztere ist dann gegeben, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 2. August 1994, VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl. II 1995, 264; vom 23. Januar 2001, XI R 42/00, BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379, und vom 16. September 2004, IV R 62/02, BFHE 207, 369, BStBl. II 2005, 75, jeweils m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).

39
Grob fahrlässiges Handeln liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1986, III R 163/82, BFHE 148, 208, BStBl. II 1987, 161; vom 1. Oktober 1993, III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl. II 1994, 346; vom 16. September 2004, IV R 62/02, BFHE 207, 269, BStBl. II 2005, 75; in BFH/NV 2007, 866). Beruht die unvollständige Steuererklärung auf einem Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften, ist dies dem Steuerpflichtigen in der Regel nicht als grobes Verschulden anzulasten (BFH-Urteile vom 10. August 1988, IX R 219/84, BFHE 154, 481, BStBl. II 1989, 131; vom 23. Februar 2000, VIII R 80/98, BFH/NV 2000, 978; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005, VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212).

40
Allerdings muss auch ein Steuerpflichtiger, dem einschlägige steuerrechtliche Kenntnisse fehlen, im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Fragen beantworten und dem Steuererklärungsformular beigefügte Erläuterungen mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt lesen und beachten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn solche Fragen und Hinweise ausreichend verständlich sowie klar und eindeutig sind (BFH-Urteile in BFHE 175, 500, BStBl. II 1995, 264, und in BFHE 194, 9, BStBl. II 2001, 379). Auf einen die grobe Fahrlässigkeit ausschließenden, entschuldbaren Rechtsirrtum kann sich der Steuerpflichtige auch dann nicht berufen, wenn er eine im Erklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nur deshalb nicht oder nur unvollständig beantwortet, weil er infolge eines Rechtsirrtums der Ansicht ist, die unterlassenen Angaben hätten in seinem Einzelfall keine Auswirkung (BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 441, sowie in BFH/NV 2007, 866).

41
bb) Nach diesen Rechtsgrundsätzen hätte die Klägerin ihre Kapitaleinkünfte sowie anrechenbaren Steuerabzugsbeträge dem Beklagten spätestens im Rahmen eines Einspruchsverfahrens mitteilen müssen. Es bestehen zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin selbst keine Kenntnis von den Erträgen hatte. Die Steuerbescheinigung über Kapitalerträge von 1.523,72 € sowie anzurechnende Steuerabzugsbeträge von 380,93 € (KapESt) sowie 20,95 € (Solidaritätszuschlag) ist der Klägerin von der K bereits am 20. August 2010, also weit vor Erstellung der Steuererklärung, übermittelt worden.

42
Soweit sich die Klägerin auf einen Rechtsirrtum wegen mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften beruft, ist dies wenig plausibel. Sie hat eine als solche ausdrücklich bezeichnete Steuerbescheinigung erhalten, in der aufgeführt war, in welche Zeilen der Anlage „KAP“ die Beträge einzutragen sind, ein Hinweis auf eine Abgeltungswirkung war indes nicht enthalten. Bei der dargelegten Unsicherheit wäre die Klägerin zumindest gehalten gewesen, ihren Steuerberater über die (außerordentlichen) Erträge und einbehaltenen Steuerabzugsbeträge zu informieren und über die Rechtslage zu befragen. Im Übrigen wäre es auch Aufgabe des Steuerberaters gewesen, die Klägerin zu befragen, welche Anlagen zur Einkommensteuererklärung zu erstellen sind und welche Änderungen sich ggf. gegenüber dem Vorjahr bei den einzelnen Einkunftsarten ergeben haben.

43
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

Einkommensteuer 2010 – 2013 berechnen

Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft

Legt eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG – hier: eine GmbH & Co KG – eingezahltes Kommanditkapital verzinslich an, beteiligt sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und beginnt ihre werbende Tätigkeit mit der Folge, dass danach erzielte Erträge gewerbesteuerpflichtig sind.
Weitere Informationen zur Gewerbesteuerpflicht
Nichtzulassungsbeschwerde, BFH-Az. IV B 73/12 – Revision zugelassen
Revision eingelegt, BFH-Az. IV R 1/13

Niedersächsisches Finanzgericht 1. Senat, Urteil vom 23.03.2012, 1 K 275/09

§ 15 Abs 3 Nr 2 S 1 EStG, § 7 GewStG

Tatbestand

1
Streitig ist, wann der Gewerbebetrieb der Klägerin begonnen hat. Davon hängt es ab, ob und ggf. in welcher Höhe an Kommanditisten gezahlte Eigenkapitalvermittlungsprovisionen der Gewerbesteuer unterliegen.
2
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Beteiligungsgesellschaft, die als sog. Dachfonds Investoren anbietet, sich durch eine Kommanditeinlage bei der Klägerin an insgesamt sechs Ein-Schiffs-Kommanditgesellschaften (sog. Zielfonds) mittelbar zu beteiligen. Den Zielfonds gehören je ein neu hergestelltes Container- oder Schwergutschiff.
3
Der Gesellschaftszweck der Klägerin besteht darin, Kommanditbeteiligungen an den Zielfonds zu erwerben und zu verwalten. Die Klägerin kann sich auch an anderen Unternehmungen gleicher oder ähnlicher Branchen beteiligen sowie eigenes oder fremdes Vermögen verwalten (§ 2 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin – im Folgenden: Gesellschaftsvertrag). Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ohne Kapitaleinlage ist die … Beteiligungs-GmbH, die zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet ist (§§ 4 Abs. 1, 8 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag), Gründungskommanditisten sind die Herren X und Y. Die Komplementärin ist berechtigt, das Kommanditkapital durch die Aufnahme weiterer Kommanditisten nach der Maßgabe des Investitions- und Finanzierungsplanes zu erhöhen (§ 8 Abs. 2 Gesellschaftsvertrag). Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Gestaltungen wird auf den am Ende des Beteiligungsprospekts abgedruckten Gesellschaftsvertrag der Klägerin in der Fassung vom …und als Beispiel für den Gesellschaftsvertrag der Zielfonds auf den der …Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG MS… verwiesen. Die Klägerin wurde am 7. September 2005 in das Handelsregister eingetragen.
4
Aus dem Beteiligungsprospekt ergibt sich, dass alle sechs Zielfonds bereits bei der Infahrtsetzung zur sog. Tonnagebesteuerung nach § 5a Einkommensteuergesetz (EStG) optieren werden. Im Jahresabschluss teilt die Klägerin mit, dass dies geschehen sei.
5
Die Klägerin setzte für die Beteiligungserwerbe ausschließlich Eigenkapital ein, das ihr von den Investoren als Kommanditeinlagen zur Verfügung gestellt worden war. Für die Beschaffung ihres Eigenkapitals bediente sich die Klägerin mehrerer ihrer Kommanditisten, die hierfür Vermittlungsprovisionen erhielten. Schriftliche Vereinbarungen mit den Vermittlern gibt es nicht. Sie vermitteln bereits seit 19.. Fondsanteile für die Reederei.
6
Die Einwerbung des Kommanditkapitals erfolgte vom 28. Januar bis zum 10. Mai 2006. Die Platzierung der Kommanditanteile war nicht garantiert. Die Klägerin trat den Zielfonds im Zeitraum 2. bis 13. Februar 2006 bei. Das erste Schiff … wurde am 24. März 2006 von der Werft abgeliefert.
7
Die Klägerin weist in ihrer Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2006 auch Zinseinnahmen aus, und zwar „Zinserträge Termingeld“ in Höhe von 14.861,36 EUR und „Zinserträge Kontokorrent“ in Höhe von 2.494,20 EUR für Guthaben auf dem Kontokorrentkonto… bei der Volksbank …(VB). Das Kontokorrentkonto wurde am 18. August 2005 eröffnet. In den Beitrittserklärungen verpflichten sich die Anleger, ihre Kommanditeinlagen auf dieses Konto einzuzahlen. Guthaben auf dem Konto sind von der VB… verzinst worden, und zwar zunächst mit 1,5 v. H., ab Oktober 2006 mit 1,75 v. H.
8
Am 14. März 2006 legte die Klägerin erstmalig „Termingeld“ an. Das Guthaben von 850.000 EUR wurde vom Kontokorrentkonto überwiesen. Die Klägerin konnte jederzeit über das Guthaben verfügen. Bis zur nächsten Verfügung am 21. März 2006 erzielte die Klägerin für sieben Tage 165,28 EUR Zinsen.
9
Nach dem Konto 470000 „Zinserträge Kontokorrent“ der Buchführung sind auf dem Kontokorrentkonto u.a. unter dem Belegdatum 12. Juni 2006 bei einem Buchungstext „29.08.05 – 22.03.06“ in drei Teilbeträgen Erträge von 581,45 EUR angefallen. Die VB hatte zunächst vergessen, den Zinssatz in ihr Buchhaltungsprogramm einzugeben, und dies am 22. März 2006 nachgeholt. In dem Beteiligungsprospekt der Klägerin werden keine Einkünfte aus Kapitalanlagen erwähnt.
10
Die Provisionszahlungen an Gesellschafter führten zu einem positiven Sonderbetriebsergebnis, das die Klägerin in ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung auch erfasste, nicht aber in ihrer Gewerbesteuererklärung. Die Klägerin war der Meinung, insoweit liege ein Sonderbetriebsergebnis vor Abschluss der Betriebseröffnungsphase vor, das nicht der Gewerbesteuer zu unterwerfen sei. Der Beklagte (das Finanzamt) folgte dem nicht. Es legte dem angefochtenen Bescheid vom 12. März 2008 in der Fassung des geänderten Bescheids vom 13. Mai 2008 einen auf … EUR erhöhten Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde. Im Übrigen blieb das Einspruchsverfahren erfolglos (Einspruchsbescheid vom 12. Oktober 2009). Hiergegen richtet sich die Klage.
11
Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, die Provisionszahlungen seien vor Aufnahme der werbenden Tätigkeit der Klägerin bzw. der Ingangsetzung des Gewerbebetriebs erfolgt und damit nicht gewerbesteuerbar. Auch bei gewerblich geprägten Personengesellschaften sei auf den Beginn der werbenden Tätigkeit abzustellen, die wie bei anderen Unternehmen von bloßen Vorbereitungshandlungen abzugrenzen sei. Die Klägerin sei nicht originär gewerblich tätig. Es sei zunächst strittig, ob angesichts der steuerlichen Transparenz von Mitunternehmerschaften das Eingehen der Beteiligungen an den Zielfonds überhaupt eine Tätigkeit im steuerrechtlichen Sinne sei. Nicht bereits der Beteiligungserwerb, sondern erst der Zeitpunkt, in dem die Zielfonds ihre Vorbereitungsphase durch Übernahme der Schiffe abgeschlossen und Leistungen am Markt angeboten hätten, sei als Beginn der Gewerbesteuerpflicht der Klägerin anzusehen. Das sei im Streitfall erst am 24. März 2006 mit der Ablieferung des ersten Schiffes der Fall gewesen.
12
Sollte das Halten der Anteile trotz steuerlicher Transparenz als eigenständige vermögensverwaltende Tätigkeit zu beurteilen sein, könne sie gewerbesteuerlich frühestens mit dem Abschluss der Vorbereitungshandlungen bei der Klägerin beginnen. Nach dem Konzept der Klägerin könne die Beteiligung erst dann erworben werden, wenn das Eigenkapital der Klägerin eingeworben sei, da der Beteiligungserwerb ausschließlich aus Eigenkapital erfolge. Sein Einwerben sei daher systematisch und zeitlich eindeutig den Vorbereitungsmaßnahmen zuzuordnen und liege somit vor dem „Beginn des Gewerbebetriebs“.
13
Das Finanzamt gehe zu Unrecht davon aus, mit dem Abschluss der Einwerbemaßnahmen und dem anschließenden zivilrechtlichen Erwerb der Beteiligungen an den Zielfonds beginne die vermögensverwaltende Tätigkeit.
14
Dem stehe nicht die Eintragung der Klägerin im Handelsregister als Mitgesellschafter der Zielfonds entgegen. Wirtschaftlich sei der Beteiligungserwerb nur dann tatsächlich erfolgt, wenn das Eigenkapital der Klägerin zum Erwerb der Beteiligung ausreiche. Bei nicht erfolgreichem Platzierungsverlauf hätte die Beteiligung reduziert werden müssen. Der Beteiligungserwerb sei daher erst mit der Einwerbung des letzten Kommanditisten der Klägerin und der Einzahlung des Kommanditkapitals der Klägerin bei den Zielfonds und nicht schon mit der Eintragung als Gesellschafterin der Zielfonds abgeschlossen. Der Erwerb der Beteiligungen an den Zielfonds könne nicht den Beginn der gewerblichen Tätigkeit auslösen (vgl. BFH-Urteil vom 8. September 2011 IV R 44/07, BStBl II 2012, 136).
15
Die Zahlungsempfänger seien bei den Vermittlungen selbst zweifellos gewerblich tätig geworden. Das Einwerben von Kommanditkapital sei aber nicht Gesellschaftszweck der Klägerin.
16
Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 26. Mai 2005 C-465/03, Beilage zu BFH/NV 2005, 306), wonach die Ausgabe neuer Aktien genauso wie die Aufnahme eines Personengesellschafters in eine Personengesellschaft keine Lieferung oder sonstige Leistung darstelle, könne auch für die rechtliche Beurteilung des Streitfalls herangezogen werden. Die Klägerin habe mit dem Einwerben des Kommanditkapitals lediglich Anstrengungen zur Aufbringung von Kapital unternommen. Ihr Ziel sei der Erwerb von Kapital und nicht die Erbringung einer Dienstleistung gewesen. Eine gewerbliche Tätigkeit liege nicht vor.
17
Die Verzinsung des laufenden Geschäftskontos stelle keine Tagesgeld- oder Termingeldanlage dar. Darin liege keine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und damit auch kein Ende der Betriebseröffnungsphase. Der Bundesfinanzhof habe in seinem Urteil vom 23. Februar 2011 (I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354) seine alte Rechtsprechung, wonach die Anlage von eingezahltem Stammkapital noch keine Betriebseröffnung darstelle (BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 98/78, BFHE 162, 107, BStBl II 1990, 1073), nicht aufgehoben.
18
Sollte die Ingangsetzung des Gewerbebetriebs auf einen Zeitpunkt vor dem Erbringen der Vermittlungsleistungen angenommen werden, müssten die Anlaufkosten der Klägerin in Höhe von … EUR, die bisher fast vollständig bei den Zielfonds als zu aktivierende Anschaffungskosten in Ergänzungsbilanzen für die Schiffsbeteiligungen der Anleger erfasst worden seien, nach welchem Maßstab auch immer zumindest anteilig auch den Zinserträgen zugeordnet werden. In Betracht komme insoweit eine Verteilung nach der Investitionssumme oder nach Zeit- und Wertanteilen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25. November 2011 nebst Anlagen verwiesen.
19
Die Klägerin beantragt,
20
unter Änderung des Bescheids über den Gewerbesteuermessbetrag 2006 vom 13. Mai 2008 den Gewerbesteuermessbetrag auf 0 EUR herabzusetzen.
21
Der Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Er ist der Auffassung, die Gewerbesteuerpflicht der Klägerin habe mit dem Einwerben der Kommanditisten begonnen. Das Einsammeln von Kapital sei grundsätzlich eine gewerbliche Tätigkeit und löse unabhängig von der späteren vermögensverwaltenden Tätigkeit – dem Erwerb und Halten der Beteiligungen – die Gewerbesteuerpflicht aus. Sobald das Unternehmen Erlöse erwirtschafte, beginne die sachliche Gewerbesteuerpflicht. Da die Vermittlungsprovisionen nicht den Gewerbebetrieben der Vermittler zuzurechnen seien, sondern Sonderbetriebseinnahmen der Kommanditisten im Rahmen der Mitunternehmerschaft darstellten, seien sie dem Betrieb der Klägerin zuzurechnen. Dass das Einwerben der Kommanditisten nicht als Gesellschaftszweck im Gesellschaftsvertrag erwähnt sei, sei unschädlich. Maßgeblich sei die tatsächliche Tätigkeit der Klägerin.
24
Auf den Zeitpunkt der Aufnahme der originären gewerblichen Tätigkeit der Zielfonds komme es nicht an. Die Klägerin betreibe keine Seeschifffahrt, sondern sei lediglich vermögensverwaltend tätig. Es liege gerade in der Fiktion der gewerblich geprägten Personengesellschaft, dass keine gewerblichen Einkünfte erzielt, sondern Einkünfte aus Vermögensverwaltung in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert würden.
25
Die Klägerin habe mit der Verzinsung der Konten Einnahmen erzielt und somit am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen. Die Verwaltung des eigenen Vermögens ist als Gesellschaftszweck im Gesellschaftsvertrag erwähnt.
 

Entscheidungsgründe

26
Die Klage ist unbegründet.
27
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Gewinne im Sonderbetriebsvermögen der als Vermittler tätig gewordenen Kommanditisten sind in der Höhe, in der sie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG berücksichtigt worden sind, auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gemäß § 7 Gewerbesteuergesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung (GewStG) zu erfassen. Die Vermittlungsprovisionen sind im Streitjahr angefallen. Zu diesem Zeitpunkt war der Gewerbebetrieb der Klägerin bereits in Gang gesetzt.
28
1. Die Klägerin hat spätestens seit dem 30. November 2005 und damit auch im Streitjahr einen Gewerbebetrieb unterhalten. Maßgeblich ist in zeitlicher Hinsicht der Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht. Sie beginnt – abweichend von der einkommensteuerlichen Beurteilung – erst, wenn alle tatbestandlichen Voraussetzungen eines Gewerbebetriebs erfüllt sind (§ 2 Abs. 1 GewStG i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG) und der Gewerbebetrieb in Gang gesetzt worden ist. Während die Einkommensteuer als Personensteuer sämtliche betrieblichen Vorgänge von der ersten Vorbereitungshandlung zur Eröffnung eines Betriebs an erfasst, ist Gegenstand der Gewerbesteuer nur der auf den laufenden Betrieb entfallende, durch eigene gewerbliche Leistungen entstandene Gewinn. Entscheidend ist, wann die Voraussetzungen für die erforderliche Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr tatsächlich erfüllt sind, sodass das Unternehmen sich mit eigenen gewerblichen Leistungen beteiligen kann. Der Zeitpunkt des Beginns der werbenden Tätigkeit kann nicht weiter gehend generell definiert werden. Er ist vielmehr unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu ermitteln und kann für die verschiedenen Betriebsarten ebenfalls unterschiedlich zu bestimmen sein. Diese Rechtsgrundsätze gelten gleichermaßen für Einzelgewerbetreibende wie für Personengesellschaften, und zwar unabhängig von der Rechtsform ihrer Gesellschafter (BFH-Urteile vom 14. April 2011 IV R 52/09, BFH/NV 2011, 1247; vom 5. März 1998 IV R 23/97, BFHE 186, 142, BStBl II 1998, 745, mit umfangreichen Nachweisen zur Rechtsprechung).
29
Die werbende Tätigkeit der Klägerin hat schon vor dem Streitjahr 2006 mit der erstmaligen verzinslichen Anlage von Kapital auf dem Kontokorrentkonto bei der VB begonnen. Dies dürfte zwischen dem 7. September und dem 30. November 2005 geschehen sein. Dem Senat ist es nicht gelungen, den Zeitpunkt genau zu bestimmen. Die Klägerin hat die vom Gericht angeforderten Kontoauszüge der VB nicht vorgelegt. Daher ist aufgrund geminderten Beweismaßes von dem Sachverhalt auszugehen, der die größtmögliche Wahrscheinlichkeit hat.
30
Die Klägerin hat danach spätestens seit dem 30. November 2005 Kapital verzinslich angelegt. Ausweislich der in dem Beteiligungsprospekt (S. 27) abgedruckten Eröffnungsbilanz auf den 7. September 2005 und der Zwischenbilanz auf den 30. November 2005 haben die Gründungskommanditisten einen Teil ihrer Kommanditeinlagen in Höhe von 1.000 EUR nach dem 7. September 2005 und vor dem 30. November 2005 eingezahlt. Da die Klägerin nach Aktenlage nur über das Kontokorrentkonto bei der VB verfügt hat und dieses Konto in den Beitrittserklärungen auch für die Einzahlung der Kommanditeinlagen benannt ist, ist der Senat davon überzeugt, dass die 1.000 EUR zwischen dem 7. September und 30. November 2005 auf das VB-Konto eingezahlt und die jeweiligen Guthaben entsprechend der besonderen Zinsvereinbarung mit der VB mit 1,5 v. H. verzinst worden sind. Soweit nach den Unterlagen zum Buchführungskonto 470000 Zinserträge sogar seit dem 29. August 2005 erwirtschaftet worden sein könnten, wird dieser frühere Termin durch die Eröffnungsbilanz auf den 7. September 2005 nicht bestätigt. Sie weist keine Bankguthaben aus.
31
Diese verzinsliche Kapitalanlage gilt gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG in dessen für 2006 geltenden Fassung als Gewerbebetrieb, was auch für das Gewerbesteuerrecht (§ 2 Abs. 1 GewStG) maßgeblich ist (BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464). Nach der genannten Vorschrift gilt in vollem Umfang die mit Einkunftserzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die keine Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind, als Gewerbebetrieb. Diese Voraussetzungen liegen spätestens seit dem 30. November 2005 vor. Die Klägerin übt keine originär gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aus. Nur die … Beteiligungs-GmbH – eine Kapitalgesellschaft – haftet persönlich und ist zur Führung der Geschäfte der Klägerin befugt. Die bis dahin andauernde unbeschränkte Haftung auch der Gründungskommanditisten wurde durch die Eintragung beendet (§ 161 Handelsgesetzbuch – HGB; vgl. dazu BFH in BFH/NV 2011, 1247).
32
Die Klägerin ist aber spätestens am 30. November 2005 auch mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden. Sie hat der VB auf dem Kontokorrentkonto Kapital gegen Entgelt zur Nutzung überlassen und dadurch – vorbehaltlich der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG – Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder geleistet worden ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Im Streitfall ist für das Kontokorrentkonto eine besondere Zinsvereinbarung mit der VB getroffen, in der die VB der Klägerin ein Entgelt für die Überlassung des Kapitals zugesagt hat. Die Zinsen sind auch tatsächlich geleistet worden, wie der Ausweis entsprechender Zinserträge in der Buchführung der Klägerin für den Zeitraum seit dem 29. August 2005 belegt.
33
Zwar trifft es zu, dass ein Gewerbebetrieb grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem der Unternehmer erstmals zu seiner gewerblichen Betätigung zählende Tätigkeiten aufnimmt. Dazu ist ein äußerlich erkennbares Anbieten einer entgeltlichen Tätigkeit gegenüber einem nicht abgeschlossenen Kreis von Personen erforderlich; vorbereitende Maßnahmen auf der Beschaffungsseite reichen regelmäßig nicht aus (BFH-Urteile vom 17. April 1986 IV R 100/84, BFHE 146, 457, BStBl II 1986, 527; vom 22. November 1994 VIII R 44/92, BFHE 176, 138, BStBl II 1995, 900). Jedoch hat sich die Klägerin bereits 2005 nicht mehr auf solche Maßnahmen beschränkt, sondern zum Zweck der Erzielung von Entgelten Kapital angelegt. Diese Tätigkeit war infolge der gewerblichen Prägung der Klägerin deren Gewerbebetrieb zuzuordnen, weshalb sie zur Aufnahme dieses Betriebs genügt. Dass die Kapitalanlage als solche – jenseits der gewerblichen Prägung – zum Bereich der Vermögensverwaltung gehört, ist insoweit unschädlich (ebenso BFH-Urteil in BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464; vgl. zum Ganzen BFH-Urteil vom 23. Februar 2011 I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354). Diese Tätigkeit der Klägerin ist von dem in § 2 Gesellschaftsvertrag niedergelegten Unternehmenszweck, eigenes Vermögen zu verwalten, gedeckt.
34
Ein Widerspruch zwischen den BFH-Urteilen vom 23. Februar 2012 (in BFH/NV 2011, 1354) und vom 18. Juli 1990 (I R 98/87, BFHE 162, 107; BStBl II 1990, 1073) besteht nicht. Allerdings hat der Bundesfinanzhof im letztgenannten Urteil entschieden, dass die verzinsliche Anlage des eingezahlten Stammkapitals seitens einer „Vorgesellschaft“ (GmbH im Gründungsstadium) mangels Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr die Gewerbesteuerpflicht noch nicht auslöse (ähnlich BFH-Urteile vom 8. April 1960 III 129/57 U, BFHE 71, 190, BStBl III 1960, 319, und vom 13. März 1981 III R 132/79, BFHE 133, 306, BStBl II 1981, 600). Den genannten Entscheidungen liegt jedoch die Vorstellung zugrunde, dass die – von der Art der Tätigkeit unabhängige – Gewerbesteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft erst dann einsetzt, wenn diese ins Handelsregister eingetragen ist. Die Vorgesellschaft wird zwar mit der später eingetragenen Gesellschaft als identisch angesehen; solange es jedoch an der Eintragung fehlt, soll es sich nicht um einen Gewerbebetrieb kraft Rechtsform im Sinne des § 2 Abs. 2 GewStG handeln. Demgegenüber unterliegt bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft die vermögensverwaltende Tätigkeit von dem Zeitpunkt ab der Gewerbesteuer, zu dem nicht mehr von bloßen Vorbereitungshandlungen gesprochen werden kann (BFH-Urteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464).
35
2. Die Höhe des Gewerbesteuermessbetrags ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Er bemisst sich nach dem Gewerbeertrag (§ 14 GewStG). Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbeertrags wiederum ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um hier nicht einschlägige Beträge (§ 7 Abs. 1 Satz 1 GewStG).
36
Der Gewinn ist im Streitfall zutreffend ermittelt worden. Die Aufwendungen für die Eigenkapitalprovisionen sind zwar betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Aufwendungen eines in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten Schiffsfonds für die wirtschaftliche und steuerliche Konzeption, die Platzierung des Eigenkapitals, die Geschäftsbesorgung, die Prospekterstellung, die Finanzierungsvermittlung sowie für die Kontrolle der Mittelverwendung sind aber in der Steuerbilanz der Kommanditgesellschaft in voller Höhe als Anschaffungskosten des Schiffs zu behandeln, wenn sich die Kommanditisten aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks an dem Fonds beteiligen (BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 8/10, BFHE 233, 226, BStBl II 2011, 709). Dies gilt gleichermaßen, wenn – wie im Streitfall – die Beteiligung nur mittelbar über eine zwischengeschaltete Obergesellschaft erfolgt.
37
Nach der Rechtsprechung des IX. Senats des Bundesfinanzhofs werden alle Aufwendungen, die von Anlegern eines Bauherrenmodells geleistet worden sind, als Anschaffungskosten und nicht als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt (BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, BStBl II 1990, 299), wenn sich die Anleger aufgrund eines vom Projektanbieter vorformulierten Vertragswerks beteiligen. Diese Beurteilung hat der IX. Senat gleichermaßen zu Grunde gelegt, wenn sich die Anleger zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Kommanditgesellschaft zusammengeschlossen haben und die Initiatoren zu den Gesellschaftern gehören (BFH-Urteile vom 7. August 1990 IX R 70/86, BFHE 161, 526, BStBl II 1990, 1024, und vom 8. Mai 2001 IX R 10/96, BFHE 195, 310, BStBl II 2001, 720). Dementsprechend hat der IX. Senat auch die Verträge, die der Errichtung eines Immobilienfonds in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft zu Grunde lagen, als einheitliches Vertragswerk behandelt und sämtliche Aufwendungen des Fonds als Anschaffungskosten des von ihm erworbenen Grundstücks angesehen (BFH-Urteil vom 11. Januar 1994 IX R 82/91, BFHE 174, 127, BStBl II 1995, 166). Diese Rechtsprechung stützt sich auf die Erwägung, dass die steuerliche Beurteilung der Aufwendungen für den Erwerb eines Grundstücks nicht davon abhängen kann, ob die Gegenleistung für den Erwerb aufgrund eines Vertrages in einer Summe gezahlt wird oder aufgrund mehrerer Verträge, in die der einheitliche Vorgang aus steuerlichen Gründen aufgespalten wird, in Teilbeträgen zu zahlen ist.
38
Dieser Rechtsprechung hat sich der IV. Senat des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 28. Juni 2001 (IV R 40/97, BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717) unter ausdrücklicher Aufgabe der zuvor im Vorlagebeschluss dargelegten abweichenden Rechtsauffassung (Beschluss vom 29. April 1999 IV R 40/97, BFHE 188, 374, BStBl II 1999, 828) auch für Immobilienfonds in der Rechtsform einer gewerblich geprägten Kommanditgesellschaft mit folgenden Erwägungen angeschlossen: „Zwar sind im Fall einer solchen Personengesellschaft (hier gewerblich geprägte Personengesellschaft) für die handelsrechtliche Bilanzierung die Aufwendungen des Fonds aus der Perspektive der Gesellschaft zu betrachten. Ob Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder aber sofort den Gewinn mindernde Betriebsausgaben vorliegen, kann danach nicht davon abhängen, inwieweit sich die Aufwendungen für den Gesellschafter oder künftigen Gesellschafter als Bestandteil eines von ihm zu tragenden Gesamtaufwands darstellen. Aus dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) ergibt sich andererseits aber auch nicht, dass steuerlich der handelsrechtlichen Behandlung von Aufwendungen als laufende Betriebsausgabe aus der Perspektive der Gesellschafter gefolgt werden muss. Die einheitliche Betrachtung des Vertragswerks für Zwecke der Besteuerung beruht nämlich auf § 42 Abgabenordnung (AO), wonach der Besteuerung anstelle einer wirtschaftlich unangemessenen Gestaltung der Rechtsverhältnisse diejenige Rechtsgestaltung unterworfen wird, die den wirtschaftlichen Vorgängen angemessen gewesen wäre. Die angemessene Gestaltung bestände hier in der Vereinbarung eines Gesamtkaufpreises für die Immobilie, so dass die im Zusammenhang mit der Abwicklung des Projekts vereinbarten Provisionen oder ‚Gebühren‘ wie Anschaffungskosten zu werten sind … Denn das wirtschaftliche Ziel der Fonds-Gesellschaft und ihrer Gesellschafter, in gesamthänderischer Verbundenheit hier ein Grundstück zu erwerben, zu bebauen und zu verwalten und dabei aus wohnungsbaupolitischen Gründen eingeräumte Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen, kann und soll nur in der Zusammenfassung der verschiedenen Teile des Vertragswerks erreicht werden. Die einzelnen Teilverträge haben keine selbständige Bedeutung und lassen sich nur aus der gewünschten Schaffung sofort steuerlich abziehbarer Ausgaben erklären … Für die steuerrechtliche Beurteilung eines geschlossenen Immobilienfonds mit gewerblichen Einkünften (kommt es nicht darauf an), wie die betreffenden Vorgänge in der Handelsbilanz der KG behandelt worden sind. § 42 AO geht als spezielle Regelung dem Grundsatz des § 5 Abs. 1 EStG vor …, denn die Handelsbilanz bildet in Ermangelung einer handelsrechtlichen Regelung nach Art des § 42 AO nur die tatsächliche Zivilrechtslage ab.“
39
Die für den geschlossenen Immobilienfonds entwickelten Grundsätze sind gleichermaßen auf den Fall eines geschlossenen Schiffsfonds zu übertragen. Die Anschaffung, Verwaltung und Vercharterung eines Schiffs unterscheidet sich insoweit weder rechtlich noch wirtschaftlich von der Anschaffung, Verwaltung und Vermietung einer Großimmobilie. Vergleichbar dem Immobilienfonds ist das Konzept von Dach- und Zielfonds darauf ausgerichtet, in gesamthänderischer Verbundenheit sechs Schiffe zu erwerben, zu verchartern und dabei eingeräumte steuerliche Vergünstigungen (hier insbesondere nach § 5a EStG) in Anspruch zu nehmen. Dieses Ziel kann und soll nach dem wirtschaftlichen Fondskonzept durch die Bündelung verschiedener, bereits vor der Aufnahme zukünftiger Gesellschafter abgeschlossener Verträge erreicht werden. Der einzelne den Zielfonds mittelbar über die Klägerin beitretende Gesellschafter hatte mithin im Zeitpunkt des Eintritts in die Gesellschaft keinerlei (unternehmerischen) Einfluss mehr auf das wirtschaftliche Konzept, welches die Fondsinitiatoren und Gründungsgesellschafter im Einzelnen ausgearbeitet hatten. Aus der Sicht der beitretenden Gesellschafter stehen die Aufwendungen für die einzelvertraglich vereinbarten Dienstleistungen, z. B. für die Eigenkapitalbeschaffung, aufgrund der modellimmanenten Verknüpfung aller diesbezüglichen Verträge in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erlangung des Eigentums an den Schiffen. Den von den Initiatoren und Gründungsgesellschaftern abgeschlossenen einzelnen Verträgen kam daher jedenfalls aus der maßgeblichen Sicht der der Klägerin beitretenden Gesellschafter keine selbständige Bedeutung zu. Die einzelvertraglichen Abreden lassen sich auch bei dem hier zu beurteilenden Schiffsfonds nur aus der gewünschten Schaffung sofort steuerlich abziehbarer Ausgaben erklären. Ein Abzug von Aufwendungen als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben kommt insoweit nur in Betracht, als ein Erwerber eines Schiffs außerhalb der modellhaften Vertragsgestaltung diese ebenfalls sofort als Betriebsausgaben abziehen könnte. Dies ist bei den zuvor genannten Aufwendungen nicht der Fall.
40
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Vercharterung eines Schiffs, die grundsätzlich auch die Gestellung der Schiffsbesatzung umfasst, eine gewerbliche und keine vermögensverwaltende Tätigkeit darstellt. Denn die Frage der Einordnung einer Tätigkeit unter die Einkunftsarten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 EStG ist nicht relevant für die Zuordnung verschiedener Aufwendungen zu den Anschaffungskosten einerseits oder den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben andererseits. Es entspricht vielmehr gefestigter Rechtsprechung, dass die Zuordnung von Aufwendungen zu den Anschaffungskosten für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte übereinstimmend nach der Definition des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs erfolgt (vgl. allgemein Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830, zu C.III.1.c dd).
41
Die zu den geschlossenen Immobilienfonds ergangene Rechtsprechung und deren Übertragung auf den vorliegenden Schiffsfonds steht auch nicht im Widerspruch zu den Beschlüssen des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 10. November 1980 GrS 1/79 (BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164) und vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Zwar folgt aus der Rechtsprechung des Großen Senats, dass die Personengesellschaft/Gemeinschaft Steuerrechtssubjekt bei der Qualifikation und der Ermittlung der Einkünfte und der Gesellschafter/Gemeinschafter Subjekt der Einkünfteerzielung ist (vgl. auch Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679). Dem Gedanken der Einheit der Gesellschaft/Gemeinschaft folgend, sind deshalb grundsätzlich dem Gesellschafter nicht die einzelnen von der Gesellschaft verwirklichten Geschäftsvorfälle, sondern lediglich das Ergebnis der gemeinschaftlichen Tätigkeit (Gewinn oder Überschuss) anteilig zuzurechnen (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 3. Juli 1995 GrS 1/93, BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.IV.2.b aa). Daraus folgt zugleich, dass für die Zuordnung der Aufwendungen zu den Anschaffungskosten oder zu den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben grundsätzlich auf die Sicht der Gesellschaft abzustellen ist. Diese gesellschaftsbezogene, dem Grundsatz der Einheit der Gesellschaft geschuldete Beurteilung muss jedoch gegenüber dem Gedanken der Vielheit der Gesellschaft zurücktreten, wenn andernfalls eine sachlich zutreffende Besteuerung des Gesellschafters nicht möglich wäre (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617, unter C.IV.3.).
42
Auch vorliegend hat die Anwendung des § 42 AO zur Folge, dass die gesellschaftsbezogene Betrachtung gegenüber der gesellschafterbezogenen Betrachtung zurücktritt, um die auf der Ebene der Gesellschafter zutreffende Besteuerung zu erreichen. Anders als in dem Fall eines gewerblichen Grundstückshandels, der dem Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs in BFHE 178, 86, BStBl II 1995, 617 zu Grunde lag, führt jedoch die gesellschafterbezogene Betrachtung – dort die Einbeziehung der gewerblichen Aktivitäten des Gesellschafters – nicht erst zu einer Umqualifizierung der Aufwendungen im Rahmen der Einkünftezurechnung auf der Gesellschafterebene. Denn die Frage des Vorliegens von Anschaffungskosten oder von sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben kann nur einheitlich beantwortet werden. Die einzelnen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Erwerb des Schiffs angefallenen Aufwendungen sind daher auch bei einem geschlossenen Schiffsfonds der hier vorliegenden Art bereits auf der Ebene der Gesellschaft den Anschaffungskosten zuzuordnen (vgl. zum Ganzen BFH-Urteile vom 14. April 2011 IV R 8/10, BFHE 233, 226, BStBl II 2011, 709; 50/08, BFH/NV 2011, 1364; IV R 36/08, BFH/NV 2011, 1361).
43
Diese gesellschafterbezogene Betrachtung muss gleichermaßen für den Fall gelten, dass die Gesellschafter nicht unmittelbar, sondern lediglich mittelbar über eine zwischengeschaltete Obergesellschaft an einem Schiffsfonds beteiligt sind. Dem steht nicht entgegen, dass nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allein die Obergesellschaft, hier die Klägerin als Dachfonds, Mitunternehmerin der Untergesellschaften, hier der Zielfonds, ist (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691). Denn auch insoweit hat die Anwendung des § 42 AO zur Folge, dass die Einstufung der Aufwendungen als Anschaffungskosten oder als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben aus der Sicht der der Beteiligungs-Kommanditgesellschaft beitretenden Gesellschafter zu beurteilen ist. Aus deren Sicht stehen die hier streitigen Aufwendungen aber in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erlangung des Eigentums an den sechs Schiffen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufwendungen an einen Dritten oder den Initiator des Schiffsfonds, der zugleich Gesellschafter der Fondsgesellschaft ist, gezahlt worden sind (vgl. BFH-Urteile in BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717; in BFH/NV 2011, 1361).
44
Nach diesen Grundsätzen sind die bisher aktivierten Eigenkapitalvermittlungsprovisionen und sonstigen Anlaufkosten nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben zu beurteilen. Bei der gebotenen gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise stellen die Provisionen auch im Streitfall Anschaffungskosten für die Schiffe dar. Die Aufwendungen der Klägerin stehen aus Sicht der Kommanditisten aufgrund der von ihnen nicht beeinflussbaren Projekt- und Vertragsgestaltung allein mit dem Erwerb der Schiffe in wirtschaftlichem Zusammenhang.
45
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, wie die Anlaufkosten zwischen den Anschaffungskosten der Schiffsbeteiligungen und den Zinserträgen aufzuteilen sind, stellt sich daher nicht. Die gesellschafterbezogene Betrachtungsweise schließt es aus, den nur auf Ebene der Gesellschaft gegebenen Veranlassungszusammenhang zwischen den Zinserträgen und den Eigenkapitalvermittlungsprovisionen steuerlich zu berücksichtigen.
46
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. 

Grunderwerbsteuer Erhöhung auf 6,5 %

„Die ab dem 1.1.2014 geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 6,5 Prozent gefährdet den Wirtschaftstandort Schleswig-Holstein und ist ein Schritt in die falsche Richtung“, kritisiert der Präsident des Steuerberaterverbandes Schleswig-Holstein e.V., Lars-Michael Lanbin.

Die Steuererhöhung wird sich standortschädlich auswirken, da sie die finanziellen Rahmenbedingungen für potentielle Investoren in Schleswig-Holstein deutlich verschlechtert und damit die Quellen des Wohlstandes nachhaltig gefährdet.

Dem Staatshaushalt geht es am besten, wenn sich die Konjunktur positiv entwickelt. Geht es der Wirtschaft gut, konsumiert die Bevölkerung entsprechend. Als Folge profitiert auch der Staatshaushalt durch hohe Steuereinnahmen. Dies zeigen die aktuellen Steuereinnahmen, die sich derzeit auf einem Rekordniveau befinden.

Daher sind für eine gute Einnahmesituation des Landeshaushaltes attraktive steuerliche Rahmenbedingungen zu schaffen und zu erhalten. Die geplante Erhöhung ist ein Schritt in die falsche Richtung, da sich Schleswig-Holstein an die bundesweite Negativ-Spitze setzt und sich insbesondere im Standortvergleich zu Hamburg mit einem Satz von 4,5 Prozent negativ entwickelt.

Zudem kommen auf Unternehmen und insbesondere Neugründer höhere Nebenkosten zu, die den Immobilienerwerb und damit die Existenzgründung erschweren. Auch diese Folge ist als standortschädlich zu qualifizieren. Darüber hinaus wird die Erhöhung auch junge Familien treffen, die sich mit dem Eigenheim eine Altersvorsorge schaffen wollen. Über steigende Mieten werden zudem auch Mieter betroffen sein. Auch diese Konsequenzen zeigen, wie kurzsichtig die geplante Erhöhung ist.

Schließlich bestehen für die Fälle in denen vertraglich kein Kaufpreis vereinbart wurde, generelle rechtliche Bedenken. Fraglich ist, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte im Sinne des § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist. Seit dem 01.04.2010 werden daher die Festsetzung der Grunderwerbsteuer, die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der Grunderwerbsteuer und die Feststellung von Grundbesitzwerten in bestimmten Fällen nur noch vorläufig vorgenommen. Quelle: Steuerberaterverband Schleswig-Holstein e.V., 14.03.2013

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Entscheidungen des FG Niedersachsen (20.03.2013)

Folgende Entscheidungen hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen mit Datum von gestern (20.03.2013) veröffentlicht:

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.03.2012 – 1 K 275/09 (Beginn der sachlichen Gewerbesteuerpflicht einer gewerblich geprägten Personengesellschaft Legt eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG – hier: eine GmbH & Co KG – eingezahltes Kommanditkapital verzinslich an, beteiligt sie sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr und beginnt ihre werbende Tätigkeit mit der Folge, dass danach erzielte Erträge gewerbesteuerpflichtig sind. Nichtzulassungsbeschwerde, BFH-Az. IV B 73/12 – Revision zugelassen Revision eingelegt, BFH-Az. IV R 1/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.05.2012 – 2 K 250/11 (Einkommensteuer 2010 Antrag auf Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG fristgebunden? Revision eingelegt, BFH-Az.: VIII R 14/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 16.01.2013 – 2 K 239/12 (Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen Für empfangene Sachleistungen, die ein Altenteiler als wiederkehrende Bezüge versteuert, kann er die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen im Haushalt geltend machen, soweit sie auf seinen Haushalt entfallen und in der Person des die Sachleistungen erbringenden Altenteilsverpflichteten alle Voraussetzungen der Steuerermäßigung vorliegen. Revision eingelegt, BFH-Az.: VI R 8/13);

– FG Niedersachsen Beschluss vom 28.11.2012 – 2 K 240/12 (Kindergeldbezug für ein drogensüchtiges, inhaftiertes Kind (Prozesskostenhilfe) Eine Drogentherapie im Jugendstrafvollzug führt per se nicht zur Kindergeldberechtigung. Rechtskräftig, da Klage nach diesem Beschluss zurückgenommen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 14.02.2013 – 5 K 318/10 (Zurechnung von Umsätzen bei einem Bordellbetrieb: Zu den Voraussetzungen, unter denen ein Steuerpflichtiger als Betreiber (Unternehmer) eines Bordellbetriebs angesehen werden kann. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 14.02.2013 – 5 K 281/11 (Umsätze aus Pensionspferdehaltung: Umsätze aus Pensionspferdehaltung zu Zuchtzwecken unterliegen nur insoweit der Durchschnittssatzbesteuerung, als der Pferdeeinsteller selbst Landwirt ist. Revision zugelassen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 12.12.2012 – 7 K 122/09 (Grunderwerbsteuer: Anteilsvereinigung, Rückgängigmachung, Nichtbeachtung bestimmter Anzeigepflichten Die anteilsvereinigende Übertragung eines Geschäftsanteils an einer grundbesitzenden GmbH kann auch dann mit Grunderwerbsteuer belastet bleiben, wenn sich bei der Rückgängigmachung herausstellen sollte, dass bestimmte Anzeigepflichten nicht beachtet worden sind. Revision zugelassen);

– FG Niedersachsen Urteil vom 03.07.2012 – 8 K 121/11 (Kindergeld: Ist die Kindergeldzahlung befristet, setzt die Fortzahlung des Kindergeldes einen Antrag des Kindergeldberechtigten voraus. Stimmt die Kindesmutter dem Antrag des Kindesvaters auf Zahlung des Kindesgeldes an diesen zu, hat sie selbst keinen Kindergeldanspruch mehr. Revision eingelegt, BFH-Az.: III R 6/13);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.01.2013 – 9 K 293/11 (Einkünftequalifikation bei Verpachtung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen: Der Erwerber von land- und forstwirtschaftlich genutzten einzelnen Wirtschaftsgütern (im Streitfall: Acker- und Wiesenflächen), der nur das Eigentum erwirbt, aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig wird, erzielt im Falle der sofortigen Verpachtung dieser Wirtschaftsgüter grundsätzlich nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 23.01.2013 – 9 K 43/12 (Rechtsfehlerkompensation im Rahmen der Änderung einer vorläufigen Steuerfestsetzung: 1. Bei einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 2 AO dürfen grundsätzlich sämtliche materiellen (Rechts-)Fehler, die bei der Festsetzung unterlaufen sind, beseitigt werden, soweit die Änderung reicht. 2. Die Honorar-Tätigkeit einer Redakteurin in einem Übergangszeitraum von 2 Monaten zwischen einer angestellten Redakteurstätigkeit (Schwangerschaftsvertretung) und dem geplanten Antritt einer Planstelle als Angestellte bei dem gleichen Verlag kann als nichtselbständige Tätigkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 EStG zu qualifizieren sein, auch wenn bei Krankheit und Urlaub in diesem Zeitraum kein Anspruch auf Entgeltsfortzahlung bestanden hat. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 17.01.2013 – 14 K 399/11 (Behinderungsbedingter Mehraufwand durch Grundstückskauf Zu den gem. § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Mehraufwendungen, die durch die Behinderung des Steuerpflichtigen veranlasst und zur behindertengerechten Gestaltung seines individuellen Wohnumfeldes erforderlich sind, gehören auch Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks. Vorläufig nicht rechtskräftig);

– FG Niedersachsen Urteil vom 10.05.2012 – 16 K 281/11 (Besteuerung eines Lebensmittels: Zur umsatzsteuerlichen Einordnung eines diätetischen Lebensmittels. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, BFH-Az. VII B 176/12).

Finanzgericht Niedersachsen